Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2014 - 1 StR 589/13

bei uns veröffentlicht am29.01.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 5 8 9 / 1 3
vom
29. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Januar 2014 beschlossen
:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Augsburg vom 3. Mai 2013 im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels
, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen schweren Raubes mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ihr Rechtsmittel führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat festgestellt, dass die Angeklagte zusammen mit den ebenfalls verurteilten Mitangeklagten Kö. , G. , K. und A. den Plan gefasst hatte, den Geschädigten B. , einen Dealer, bei dem die Angeklagte kurz zuvor vorgeblich 6 Gramm Marihuana erworben hatte, tatsächlich waren es aber nur 4 Gramm, in seiner Wohnung aufzusuchen und ihm die nach Aussage der Angeklagten dort noch befindlichen weiteren 20 Gramm Cannabis – notfalls auch mit Gewalt – abzunehmen.Unter Mitnahme einer ungeladenen Pistole gelangten sie in die Wohnung. Sie bedrohten B. mit der Pistole und durchsuchten den Raum, fanden jedoch nur eine geringe Menge von etwa 1 Gramm Marihuana. Als B. den einen der Täter ansprang, wurde von anderen auf ihn eingeschlagen. Als seine in der Wohnung anwesende Mutter hinzukam , flohen die Täter, nahmen aber Betäubungsmittel und seine Geldbörse mit 200 € Bargeld sowie seine EC-Karte mit.
3
2. Der Strafausspruch hält materiell-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
a) Die Jugendkammer hat der Angeklagten straferschwerend angelastet, dass sie die Einsicht vermissen lässt, den entscheidenden Tipp für den Überfall gegeben zu haben. Dies begegnet durchgreifenden Bedenken.
5
aa) Einer Angeklagten darf es nicht zum Nachteil gereichen, dass sie bestimmte Tatbeteiligungen oder auch Tatveranlassungen bestreitet und infolgedessen bspw. keine Einsicht darin zeigt, dass möglicherweise nur auf ihre Hinweise hin die Angeklagten sich zur Tat entschlossen. Zum Nachteil eines bestreitenden Angeklagten darf bspw. nicht verwertet werden, dass er kein Mitgefühl und keine Schuldeinsicht gezeigt hat (BGH, Beschluss vom 16. September 1988 – 2 StR 124/88, StV 1989, 199) oder nach Rechtskraft eines Schuldspruchs auch noch weiterhin die Tat leugnet (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2012 – 3 StR 121/12). Eine andere Bewertung ist nur zulässig, wenn ein Angeklagter bei seiner Verteidigung ein Verhalten an den Tag legt, das im Hinblick auf die Art der Tat und die Persönlichkeit des Täters auf besondere Rechtsfeindlichkeit und Gefährlichkeit schließen lässt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 7. November 1986 – 2 StR 563/86, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 4; vom 4. November 1993 – 1 StR 655/93, StV 1994, 125).
6
bb) Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Die Angeklagte war von Rechts wegen nicht gehindert, zu leugnen, dass sie den entscheidenden Tipp für den Überfall gegeben hatte. Jedenfalls war die Jugendkammer bei diesem Prozessverhalten der Angeklagten gehindert, straferschwerend zu berücksichtigen , dass sie insoweit die Einsicht darin vermissen lasse, den entscheidenden Tipp gegeben zu haben.
7
b) Es ist nicht auszuschließen, dass die Jugendkammer unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und ohne die rechtsfehlerhafte Erwägung auf eine niedrigere Sanktion erkannt hätte.
8
2. Die Feststellungen werden von dem Rechtsfehler nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Die neu zur Entscheidung berufene Jugendkammer kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
9
3. Außerdem wird die Jugendkammer Feststellungen dazu zu treffen haben , ob die Zahlung von 150 € an den Geschädigten in der Hauptverhandlung und die Entschuldigung der Angeklagten dafür, „wie es gelaufen ist“, als Aus- druck der Übernahme von Verantwortung im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 JGG, § 46a Nr. 1 StGB anzusehen ist. Ob ein solcher „Täter-Opfer-Ausgleich“ vorliegt, ist nicht von der verwendeten Benennung durch den Verteidiger abhängig , sondern vom Tatgericht eigenverantwortlich zu prüfen. Selbst wenn die Qualifizierung durch den Verteidiger insoweit unzutreffend sein sollte, ist deshalb die Annahme eines standeswidrigen oder gar strafrechtlich relevanten Verhaltens – wie der Vermerk des Berichterstatters der Jugendkammer vom 14. August 2013 nahelegt – abwegig.
Raum Graf Jäger
Cirener Mosbacher

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2014 - 1 StR 589/13

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2014 - 1 StR 589/13

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafgesetzbuch - StGB | § 46a Täter-Opfer-Ausgleich, Schadenswiedergutmachung


Hat der Täter 1. in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder2. in einem Fall, in welchem die

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 10 Weisungen


(1) Weisungen sind Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Der R
Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2014 - 1 StR 589/13 zitiert 5 §§.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 121/12
vom
15. Mai 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Betrugs
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 15. Mai
2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 7. Dezember 2011 im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt sowie angeordnet, dass wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung sechs Monate hiervon als verbüßt gelten. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat das Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des versuchten Betruges schuldig ist, und im Strafausspruch aufgehoben. Das Landgericht hat nunmehr erneut eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verhängt , von denen sechs Monate als verbüßt gelten sollen. Die hiergegen gerichtete , auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat bezüglich des Strafausspruchs Erfolg.
2
Nach den Feststellungen veranlasste der die Tat bestreitende Angeklagte einen Dritten, ein in seinem Eigentum stehendes Gebäude in Brand zu setzen , um die Auszahlung von Versicherungsleistungen zu erreichen. Anschließend machte er bei seiner Feuerversicherung Ersatzansprüche geltend. Nachdem die Versicherung die Schadensregulierung abgelehnt hatte, erhob der Angeklagte gegen sie Klage auf Feststellung der Deckungspflicht. Diese wurde in erster Instanz abgewiesen. Der Angeklagte legte gegen dieses Urteil Berufung ein und hielt das Rechtsmittel auch nach Rechtskraft des Schuldspruchs in dem hiesigen Strafverfahren aufrecht. Im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, bei dem die Stadt W. den Angeklagten auf Erstattung der Löschkosten in Anspruch nimmt, trug der Angeklagte ebenfalls vor, er habe den Brand nicht verursacht.
3
1. Der Strafausspruch hält materiellrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
a) Das Landgericht hat dem Angeklagten straferschwerend angelastet, dass er seine Klage gegen die Versicherung in der Berufungsinstanz weiter verfolge, auch nachdem der Schuldspruch in dem hiesigen Strafverfahren rechtskräftig geworden sei, was auf eine ausgeprägte Rechtsfeindschaft des Angeklagten schließen lasse. Dies begegnet durchgreifenden Bedenken.
5
aa) Einem Angeklagten darf es nicht zum Nachteil gereichen, dass er die Tat bestreitet und infolgedessen keine Schuldeinsicht und Reue zeigt. Dies gilt auch dann, wenn nach einem rechtskräftigen Schuldspruch nur noch über den Strafausspruch verhandelt wird. Zum Nachteil des Angeklagten darf selbst in diesem Verfahrensstadium nicht verwertet werden, dass er sich etwa "mit Rücksicht auf das noch nicht abgeschlossene Zivilverfahren bislang nicht entschuldigt" (BGH, Beschluss vom 4. November 2008 - 3 StR 336/08, NStZ-RR 2009, 148), kein Mitgefühl und keine Schuldeinsicht gezeigt (BGH, Beschluss vom 16. September 1988 - 2 StR 124/88, StV 1989, 199), sich nicht um die Wiedergutmachung des Schadens bemüht hat (BGH, Beschluss vom 23. September 1992 - 1 StR 501/92, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 19) oder das Tatopfer noch einmal vernommen werden muss (BGH, Beschluss vom 20. März 2002 - 2 StR 48/02, StV 2002, 599). Eine andere Bewertung ist nur zulässig, wenn der Angeklagte bei seiner Verteidigung ein Verhalten an den Tag legt, das im Hinblick auf die Art der Tat und die Persönlichkeit des Täters auf besondere Rechtsfeindlichkeit und Gefährlichkeit schließen lässt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 7. November 1986 - 2 StR 563/86, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 4; vom 4. November 1993 - 1 StR 655/93, StV 1994, 125).
6
bb) Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Der Angeklagte war von Rechts wegen auch nach Rechtskraft des strafrechtlichen Schuldspruchs nicht gehindert, die Tat weiterhin zu leugnen und die ihm nach seinem Vorbringen gegen die Feuerversicherung zustehenden Ansprüche zivilrechtlich weiter zu verfolgen. Im deutschen Rechtssystem ist das Zivilverfahren grundsätzlich nicht durch das Ergebnis des Strafverfahrens präjudiziert. Vielmehr findet dort an den Sachvortrag der Parteien anknüpfend gegebenenfalls eine eigenständige Beweisaufnahme statt, die grundsätzlich durchaus zu einem anderen Ergebnis als die im Strafprozess unter Beachtung der Offizialmaxime durchgeführte Sachverhaltsermittlung führen kann. Deshalb war der Angeklagte - worauf die Erwägungen des Landgerichts im Ergebnis hinausliefen - nicht verpflichtet, sei- ne Berufung gegen das erstinstanzliche zivilrechtliche Urteil nach Rechtskraft des strafrechtlichen Schuldspruchs zurückzunehmen. Allein aus der legitimen Fortführung des Zivilprozesses kann daher nicht auf eine besondere Rechtsfeindschaft des Angeklagten geschlossen werden. Darüber hinausgehende Umstände, die einen solchen Schluss rechtfertigen könnten (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 12. Juni 1986 - 4 StR 245/86, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 1; Urteil vom 8. Juni 1988 - 3 StR 9/88, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 14), sind nicht festgestellt.
7
b) Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht, welches in die Prüfung , ob von der Regelwirkung des § 263 Abs. 3 StGB abzusehen ist, den Versuch als vertypten Milderungsgrund nicht eingestellt, den Strafrahmen des § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB aber nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert und gleichwohl dieselbe Strafe wie in der ersten tatrichterlichen Entscheidung verhängt hat, ohne die rechtsfehlerhafte Erwägung auf eine niedrigere Sanktion erkannt hätte. Ein Vorgehen nach § 354 Abs. 1a StPO kommt nicht in Betracht.
8
2. Die Feststellungen werden von dem Rechtsfehler nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann ergänzende Strafzumessungstatsachen feststellen, die den bisherigen nicht widersprechen.
9
3. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache nach § 354 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 StPO an ein zu demselben Land gehörendes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen.
Becker Pfister Mayer
Schäfer Menges

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Weisungen sind Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Der Richter kann dem Jugendlichen insbesondere auferlegen,

1.
Weisungen zu befolgen, die sich auf den Aufenthaltsort beziehen,
2.
bei einer Familie oder in einem Heim zu wohnen,
3.
eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle anzunehmen,
4.
Arbeitsleistungen zu erbringen,
5.
sich der Betreuung und Aufsicht einer bestimmten Person (Betreuungshelfer) zu unterstellen,
6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen,
7.
sich zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich),
8.
den Verkehr mit bestimmten Personen oder den Besuch von Gast- oder Vergnügungsstätten zu unterlassen oder
9.
an einem Verkehrsunterricht teilzunehmen.

(2) Der Richter kann dem Jugendlichen auch mit Zustimmung des Erziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters auferlegen, sich einer heilerzieherischen Behandlung durch einen Sachverständigen oder einer Entziehungskur zu unterziehen. Hat der Jugendliche das sechzehnte Lebensjahr vollendet, so soll dies nur mit seinem Einverständnis geschehen.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.