Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juli 2017 - 4 StR 86/13
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 4. Juli 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Revisionseinlegungsfrist (vgl. Senatsbeschluss vom 22. März 2017) Erfolg.
- 2
- 1. Nach den Feststellungen leidet der Angeklagte seit etwa 1999 an wahnhaften Vorstellungen. Er sieht sich durch verschiedene Unterbringungen durch das Betreuungsgericht und durch seine Tochter betreffende Sorgerechtsentscheidungen als entrechtet an und beansprucht das Recht zum tätlichen Widerstand. „Aufgrund dieser Erkrankungist der Beschuldigte möglicherweise nicht mehr in der Lage, das mit seinen vermeintlichen Widerstandshandlungen verbundene Unrecht einzusehen. Keineswegs aber ist er imstande, nach einer eventuell vorhandenen Einsicht zu handeln …“ (UA 5).
- 3
- Am 26. Juni 2012 begab sich der Beschuldigte zeitgleich mit dem Ein- gang eines „Bekennerfaxes“ zum Parkplatz des Justizzentrums Bocholt, um durch die Beschädigung von dort abgestellten Pkw Widerstand gegen die ihm widerfahrene Behandlung durch Betreuungs- bzw. Familienrichter des Amtsgerichts Bocholt zu leisten. Mit einem 1,5 kg schweren Hammer begann er, auf das Fahrzeug einer Justizbeschäftigten einzuschlagen, die auf der Geschäftsstelle des Betreuungsgerichts arbeitete. Ein Justizhauptwachtmeister des Amtsgerichts und ein Amtsanwalt gingen zu ihm und versuchten erfolglos, ihn durch beruhigendes Zureden vom weiteren Einschlagen auf Fahrzeuge abzuhalten. Als der Beschuldigte bemerkte, dass sich ihm der Justizhauptwachtmeister von hinten näherte, erhob er den Hammer gegen ihn und erklärte sinn- gemäß: „Verpiss dich oder ich schlage dir den Schädel ein!“ Der Beamte ver- zichtete daraufhin auf ein Eingreifen. Der mit Pfefferspray ausgerüsteten Polizeistreife ergab sich der Beschuldigte unmittelbar nach deren Eintreffen. An sechzehn beschädigten Fahrzeugen entstand ein Sachschaden von insgesamt rund 40.000 Euro.
- 4
- 2. Die Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus hat keinen Bestand.
- 5
- a) Soweit das Landgericht im Anschluss an den Sachverständigen davon ausgeht, dass der Beschuldigte an einer mit nachhaltigen Wahnideen verbundenen Psychose leide, werden in den gemäß § 267 Abs. 4 StPO abgekürzten Urteilsgründen schon die diese Bewertung tragenden Anknüpfungs- und Be- fundtatsachen nicht wiedergegeben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Januar 2017 – 1 StR 637/16, Rn. 8; vom 19. Januar 2017 – 4 StR 595/16, Rn. 8 jeweils mwN). Der Umstand, dass der Beschuldigte mehrmals durch das Betreuungsgericht geschlossen untergebracht worden war und bis Oktober 2011 erfolgreich mit Neuroleptika behandelt wurde, deutet zwar auf eine gravierende Erkrankung im psychischen Bereich hin, vermag aber eine konkrete Darlegung des Krankheitsbildes nicht zu ersetzen. Auch wird in dem angefochtenen Urteil nicht näher ausgeführt, wie sich die wahnhafte Störung konkret auf die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten bei den Anlasstaten ausgewirkt haben soll (vgl. BGH, Beschluss vom 4. August 2016 – 4 StR 230/16, Rn. 13 mwN). Die Tatplanung mit dem zeitgleichen Eingang eines „Bekennerfaxes“ könnte gegen eine Aufhebung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit sprechen. Zudem ist nicht erkennbar, wieso die Bedrohung des Justizhauptwachtmeisters auf einem Wahnerleben beruhen soll, zumal der Beschuldigte „einen auch ausweislich der strafrechtlichen Vorbelastungen für seine Persönlichkeit typischen Hang zu Aggressionen“ eingeräumt hat.
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- 3. Auch die Gefährlichkeitsprognose ist nicht tragfähig begründet.
- 7
- Der Senat hat § 63 StGB in der seit 1. August 2016 geltenden Neufassung anzuwenden (§ 2 Abs. 6 StGB, § 354a StPO). Das Landgericht hat bei Prüfung der Gefährlichkeit des Beschuldigten im rechtlichen Ausgangspunkt nicht auf die Anlasstaten abgestellt, sondern auf zu erwartende „erhebliche Menschen gefährdende Taten“ (§ 63 Satz 2 StGB). Es hat jedoch nicht näher dargelegt, mit welcher Art von Straftaten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu rechnen und wie groß die Gefahr der Begehung in der Zukunft ist. Zudem lassen die Ausführungen des Landgerichts besorgen, dass Menschen gefährdende Straftaten nicht allein aufgrund des Zustands des Beschuldigten zu erwarten sind, sondern auch wegen seiner „Persönlichkeitsstruktur und der dazu gehörenden Neigung zum Amphetaminmissbrauch“.
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- 4. Sollten in der neuen Hauptverhandlung wiederum die gleichen Feststellungen getroffen werden, wird der neue Tatrichter Gelegenheit haben, näher darzulegen, worin die gesetzliche Eingriffsgrundlage für die Vollstreckungshandlung des Justizhauptwachtmeisters lag (vgl. OLG Celle, Urteil vom 7. Juli 2009 – 32 Ss 41/09, juris Rn. 26 ff.; OLG Hamm, Beschluss vom 25. Februar 2016 – III-3 RVs 11/16, juris Rn. 6 f.; OLG Hamm NJW 1974, 1831, 1832).
Bender Feilcke
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.
(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.
(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.
(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.
(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.
(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.
Das Revisionsgericht hat auch dann nach § 354 zu verfahren, wenn es das Urteil aufhebt, weil zur Zeit der Entscheidung des Revisionsgerichts ein anderes Gesetz gilt als zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Entscheidung.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückverwiesen.
1
Gründe:
2I.
3Das Amtsgericht Lemgo hat den Angeklagten am 30. Juli 2015 wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen in Höhe von je 15 € verurteilt. Auf die gegen dieses Urteil eingelegte unbeschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Detmold mit Urteil 24. November 2015 das Urteil des Amtsgerichts unter Verwerfung der Berufung des Angeklagten im Übrigen dahingehend abgeändert, dass der einzelne Tagessatz auf 10 € herabgesetzt wurde. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte durch Fax seines Verteidigers vom 26. November 2015, beim Landgericht eingegangen am selben Tag, Revision eingelegt. Mit rechtzeitigem Schreiben seines Verteidigers vom 4. Januar 2016 hat er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an eine andere kleine Strafkammer zurückzuverweisen und zur Begründung unter näheren Ausführungen die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision mit der Maßgabe als offensichtlich unbegründet zu verwerfen, dass der Angeklagte tateinheitlich der versuchten Körperverletzung und der fahrlässigen Körperverletzung schuldig ist.
4II.
5Das zulässige Rechtsmittel hat mit der Sachrüge (zumindest vorläufig) Erfolg.
6Nach den Feststellungen des Landgerichts sprach der Angeklagte im Verlaufe des 19. November 2014 vermehrt dem Alkohol zu. Nachdem seine Freundin die Beziehung zu ihm fernmündlich beendete, trank der Angeklagte weiter Alkohol. In Gegenwart seiner Geschwister verließ er schließlich gegen 23 Uhr bei einer Außentemperatur von ca. 5 Grad nur mit einer Hose und einem Unterhemd bekleidet die Wohnung. Die Geschwister hegten die Befürchtung, der Angeklagte könne sich etwas antun und verständigten die Polizei. Die eingesetzten Polizeibeamten fanden den Angeklagten dicht am Ufer der Werre liegend nahe der dortigen Uferböschung, er schlief. Zum Schutze der Gesundheit des Angeklagten versuchten sie, diesen vergeblich durch Ansprache zu wecken. Durch ein Rütteln an Arm und Schulter erwachte der Angeklagte schließlich und begann unvermittelt um sich zu schlagen und zu treten. Um sich diesen (erfolglosen) Angriffen zu erwehren, kam es zum Einsatz von Pfefferspray. Im Anschluss hieran wurde der Angeklagte mit den Händen auf dem Rücken gefesselt und zum Streifenwagen verbracht. Zwei Beamte hielten ihn dabei in einem sogenannten Transportgriff fest. Als sie diesen Griff etwas lockerten, versuchte der Angeklagte gegen den an seiner linken Seite befindlichen Polizisten einen Kopfstoß auszuführen. Beim Ausweichen schlug der linke Arm des Beamten zurück, was zu einem Ausrenken und Auskugeln der Schulter führte. Der Angeklagte wurde der Polizeiwache zugeführt, eine ihm um 0:29 Uhr abgenommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,38 Promille.
7Diese Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen eines Vergehens gem. § 113 Abs. 1 StGB nicht.
8Polizeibeamte gehören zu dem von § 113 StGB geschützten Personenkreis.
9Geschützt sind sie jedoch nur insoweit als sie sich bei der Vornahme einer Diensthandlung befunden haben. Um die rechtliche Einordnung nachvollziehbar zu machen, ist es erforderlich, dass die Urteilsfeststellungen die Diensthandlung, gegen die sich der Angeklagte zur Wehr gesetzt hat, genau erkennen lassen. Hierzu ist es nötig, die Diensthandlung nicht nur ihrer Art nach zu benennen, sondern auch Feststellungen zum Zweck, zur Ausführung und den Begleitumständen zu treffen (OLG Celle, Beschluss vom 8. Juli 2011 - 31 Ss 28/11, StV 2011, 678; OLG München, Beschluss vom 8. Dezember 2008 - 5St RR 233/08, juris; KG Berlin, Beschluss vom 30. November 2005 - 1 Ss 321/05, juris).
10Diesen Anforderungen werden die landgerichtlichen Feststellungen nicht gerecht, sie lassen nicht hinreichend klar die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung erkennen. Das beruht wesentlich darauf, dass sich bereits kein eindeutiger Bezug zu einer bestimmten Rechtsgrundlage herstellen lässt. Es liegt insoweit nahe, bei dem Vorfall mit Blick auf das Einschreiten der Polizeibeamten zum einen bis zum Erwachen des Angeklagten am Flussufer und zum anderen bei dessen Gewaltanwendungen rechtlich hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlagen zu differenzieren. Es kommen insbesondere folgende Rechtsgrundlagen in Betracht: §§ 8 Abs. 1, 12 Abs. 1 Nr. 1, 35 Abs. 1 Nr. 1 o. Nr. 3, 55 Abs. 1 ff. PolG NRW; §§ 127, 163b Abs. 1, 163c Abs. 1, 164 StPO. Welche Vorschriften das Landgericht dem Handeln der Polizeibeamte zugrunde gelegt hat, bleibt offen.
11Zwar dürften die Polizeibeamten nach allen in Betracht kommenden Normen grundsätzlich sachlich und örtlich zuständig gewesen sein. Ob sie jedoch die wesentlichen Förmlichkeiten eingehalten haben, hängt je nach Rechtsgrundlage von unterschiedlichen Voraussetzungen ab. Entsprechend ist bei Identifizierungsmaßnahmen grundsätzlich der dafür maßgebliche Grund mitzuteilen (Senatsbeschluss vom 10. Mai 2012 - 3 RVs 33/12, NStZ 2012, 62 m.w.N.), bei der Anwendung von unmittelbarem Zwang ist in der Regel dessen vorherige Androhung erforderlich (OLG Dresden, Beschluss vom 1. August 2001 - 3 Ss 25/01, NJW 2001, 3643). Eine entsprechende Überprüfung ist dem Senat anhand der insoweit lückenhaften Urteilsgründe verwehrt.
12Ferner ist nicht erkennbar, ob die Beamten ihr Ermessen – auch hinsichtlich der Beurteilung der Sachlage – pflichtgemäß ausgeübt haben, weil sich die Eingriffsvoraussetzungen der in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen deutlich unterscheiden.
13Die Aufhebung des Schuldspruchs führte zwangsläufig zur Aufhebung der festgesetzten Geldstrafe.
14Nach alledem war die Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückzuverweisen, die auch über die Kosten der Revision zu befinden haben wird.
15Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
16Das Eingreifen von Polizeibeamten zur Verhinderung eines Selbstmordversuches fällt grundsätzlich in den Schutzbereich des § 113 StGB (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Urteil vom 18. November 1988 - 1 St 186/88, NJW 1989, 1815). Ein Grund zu polizeilichem Einschreiten kann auch bereits beim Anschein einer Gefahr vorliegen, wobei bei Hilfsbedürftigen ein geringer Gefahrengrad ausreichend sein kann (BGH, Urteil vom 6. Oktober 1983 - 4 StR 467/83, juris). Die Rechtmäßigkeit hoheitlichen Handelns hängt sodann davon ab, dass die äußeren Voraussetzungen zum Eingreifen des Beamten gegeben sind, er also örtlich und sachlich zuständig ist, die vorgeschriebenen wesentlichen Förmlichkeiten einhält und ein ggfls. eingeräumtes Ermessen pflichtgemäß ausübt (BGH, Urteil vom 9. Juni 2015 - 1 StR 606/14, NJW 2015, 3109).
17Zu den Anforderungen an die tatrichterlichen Feststellungen zum Unrechtsbewusstsein und zu einer etwaigen Irrtumsproblematik wird auf den Beschluss des OLG Hamm vom 30. Juli 2013 - 5 RVs 67/13, StV 2014, 225 hingewiesen, hinsichtlich der Blutalkoholkonzentration von unter 2 Promille zur Tatzeit und der fehlenden erheblichen Ausfallerscheinungen im Leistungsverhalten wird zum Umfang der erforderlichen Erörterungen auf Fischer, StGB, 63. Auflage, § 20 Rn. 21, 21a, 23 sowie BGH, Beschluss vom 8. August 2007 - 2 StR 296/07, StraFo 2007, 468 hingewiesen.
18Mit Blick auf die Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift weist der Senat daraufhin, dass Tateinheit zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Körperverletzung bei einer gegen ein und dieselbe Person durch eine Handlung verübten Tat ausgeschlossen ist (BGH, Beschluss vom 11. Juni 1997 - 2 StR 231/97, NStZ 1997, 493). Bei dem gegenständlichen Geschehen liegt die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit nahe.