Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2017 - 5 StR 476/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:121217B5STR476.17.0
bei uns veröffentlicht am12.12.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 476/17
vom
12. Dezember 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:121217B5STR476.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 12. Dezember 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 18. Mai 2017 im Schuldspruch zu Fall II.3 der Urteilsgründe mit den zugehörigen Feststellungen , jedoch unter Aufrechterhaltung der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen, sowie im Ausspruch über die Jugendstrafe aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Raubes zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine Revision hat mit der Sachbeschwerde den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
1. Nach den Feststellungen zu Fall II.3 der Urteilsgründe traf der Angeklagte in der Nacht zum 24. September 2016 mit zwei Freunden auf den später Geschädigten A. , der ebenfalls mit zwei Begleitern unterwegs war. Zwischen A. und einem der Begleiter des Angeklagten kam es zu einer auch körperlich geführten Auseinandersetzung. Daraufhin floh die Gruppe um den Angeklagten zu einem S-Bahnhof. Ihr folgte A. mit seinen Begleitern. Er war aufgrund des Vorfalles wütend und wollte seinen Kontrahenten zur Rede stellen. Die beiden Gruppen, denen sich zwischenzeitlich neben dem Zeugen Y. auf Seiten des Angeklagten auch noch weitere Personen angeschlossen hatten, trafen auf der Zwischenebene der S-Bahnstation erneut aufeinander. Es kam zu aggressivem Gestikulieren und gegenseitigen Beleidigungen. Während der verbalen Auseinandersetzung schlug der Angeklagte, der nunmehr ein von ihm mitgeführtes Messer in der Hand hielt, mit diesem gegen eine Wand und schrie: „Ich steche dich tot“. Deeskalationsversuche von Begleiterndes A. führten dazu, dass die Gruppen kurzzeitig voneinander getrennt waren. A. und seine Begleiter gingen daraufhin in Richtung der zum Bahnsteig hinunterführenden Treppe. Ihnen folgte der Angeklagte mit seiner Gruppe. Plötzlich rannte Y. los und verfolgte A. auf der Treppe gefolgt vom Angeklagten , der sein Messer noch immer in der Hand hielt. Am Fuße der Treppe entstand zwischen Y. und A. eine Rangelei. Dabei gelang es A. , sich aus dem Griff des Y. herauszuwinden und ihn von sich wegzuschubsen. In diesem Moment stach ihm der hinter ihm stehende Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz in das Schulterblatt. Unmittelbar nach dem Messerstich entfernte sich der Angeklagte in der Annahme, ihm einen potentiell tödlichen Stich versetzt zu haben, zügig mehrere Meter von dem noch immer mit Y. rangelnden A. . Er nahm wahr, dass dieser durch den Messerstich scheinbar unbeeinträchtigt weiter in die Auseinandersetzung mit Y. verwickelt war. Währenddessen kamen dem Geschädigten A. zwei seiner Begleiter zu Hilfe. Es gelang ihnen gemeinsam, sich von Y. zu lösen, auf dem Bahnsteig an der bereits eingefahrenen S-Bahn entlang nach vorn zu rennen und dort kurz vor dem Schließen der Türen einzusteigen. Nachdem die S-Bahn losgefahren war, bemerkte A. , dass er zunehmend unter Atemnot litt. Als ein Bahnmitarbeiter auf Blutspuren an seinem Hemd aufmerksam machte, bemerkte A. , dass er eine blutende Verletzung davongetragen hatte. Er wurde in ein Krankenhaus gebracht, wo ein Pneumothorax diagnostiziert wurde (Fall II.3 der Urteilsgründe).
3
2. Die Jugendkammer hat einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch des Totschlags nach § 24 StGB verneint, weil ein fehlgeschlagener Versuch vorliege. Bei Abschluss der tatbestandlichen Ausführungshandlung – dem Messerstich – sei der Angeklagte „angesichts dessen, dass er sich unmittelbar nach dem Stich zügig mehrere Meter von dem Zeugen A. entfernt“ habe, davon ausgegangen, diesen tödlich verletzt zu haben, sodass ein beendeter Versuch gegeben sei (UA S. 22). Da der Geschädigte durch den Messerstich jedoch nicht tödlich verletzt gewesen sei, sondern weiterhin mit Y. gerangelt habe, stelle sich die Frage einer Korrektur des Rücktrittshorizonts. Eine solche sei hier nicht anzunehmen. Zwar sei der Angeklagte in ständiger räumlicher Nähe zu A. aufgrund dessen Beteiligung an der Rangelei davon ausgegangen , dass er ihn nicht tödlich verletzt habe. A. sei jedoch weggerannt und in die S-Bahn gestiegen, sodass für den Angeklagten keine Möglichkeit der Tataufgabe mehr bestanden habe.

II.


4
1. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht im Fall II.3 einen Rücktritt des Angeklagten vom versuchten Totschlag ausgeschlossen hat, begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
5
Zwar hat es im Ausgangspunkt noch zutreffend den nach ständiger Rechtsprechung geltenden Maßstab für die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch zugrunde gelegt, der sich nach dem Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der (letzten) von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung, dem sogenannten Rücktrittshorizont, bestimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2017 – 5 StR 6/17, NStZ 2017, 576 mwN). Jedoch ist bereits die Annahme, der Angeklagte sei nach seinem Messerstich zunächst davon ausgegangen, das Opfer schon tödlich verletzt zu haben, durch keine tragfähige Beweiswürdigung gestützt.
6
Der Beweiswürdigung ist nicht zu entnehmen, woraus die Jugendkammer auf die Vorstellung des Angeklagten im Anschluss an die Tatausführung geschlossen hat, dem Geschädigten „einen potentiell tödlichen Stich versetzt zu haben“ (UA S. 10). Das Opferverhalten zum maßgeblichen Zeitpunkt unmit- telbar nach Zufügung des Messerstichs legte eher den gegenteiligen Schluss auf eine Vorstellung des Angeklagten nahe, noch nicht alles für eine tödliche Verletzung des Geschädigten getan zu haben. Denn A. setzte die Rangelei mit Y. äußerlich unbeeinträchtigt fort, und der Angeklagte, der sich auf dem Bahnsteig zwar mehrere Meter entfernte, sich aber „in ständiger räumli- cher Nähe“ zu A. befand (UA S. 23), nahm das Fehlen verletzungsbeding- ter Ausfallerscheinungen auch wahr (UA S. 10, 13 f.). Die insoweit mit den Feststellungen übereinstimmende Einlassung des Angeklagten ist nicht geeignet , die von der Jugendkammer angenommene Vorstellung einer Erfolgsnähe seiner Tat zu unterlegen. Welche Bedeutung in diesem Zusammenhang die in der rechtlichen Bewertung angeführte Erwägung, der Angeklagte habe sich unmittelbar nach dem Stich mehrere Meter von dem Opfer entfernt, für die Beurteilung des Rücktrittshorizonts haben könnte, erschließt sich nicht und wird im Urteil nicht erörtert.
7
Unter Zugrundelegung der vom Landgericht angenommenen Korrektur des Rücktrittshorizonts lässt das angefochtene Urteil zudem eine Erörterung der Frage vermissen, ob dem Angeklagten im anschließenden Zeitraum noch die Möglichkeit verblieben war, durch einen weiteren Stich einen Tötungserfolg herbeizuführen. Dies hat die Jugendkammer lediglich für den Zeitpunkt ausgeschlossen , als der Geschädigte wegrennen und in die S-Bahn steigen konnte. Sie hat jedoch angenommen, dass eine Korrektur des Rücktrittshorizonts schon vor dieser Flucht erfolgte, als der Angeklagte noch auf dem Bahnsteig in räumlicher Nähe zu A. „aufgrund dessen Beteiligung an der Rangelei davon aus(ging), dass er diesen nicht tödlich verletzt habe“ (UA S. 23).
8
Die aufgezeigten Mängel zwingen auch zur Aufhebung der für sich genommen rechtlich nicht zu beanstandenden Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung. Demgegenüber ist gegen die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen und die ihnen zugrundeliegende Beweiswürdigung nichts zu erinnern; sie werden insbesondere von der rechtsfehlerhaften Abhandlung der Rücktrittsproblematik nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, sind möglich.
9
2. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II.3 entzieht auch der verhängten Jugendstrafe die Grundlage.
Mutzbauer Sander Schneider
Berger Mosbacher

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2017 - 5 StR 476/17

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Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafgesetzbuch - StGB | § 24 Rücktritt


(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft be
Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2017 - 5 StR 476/17 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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Bundesgerichtshof Beschluss, 22. März 2017 - 5 StR 6/17

bei uns veröffentlicht am 22.03.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 6/17 vom 22. März 2017 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. ECLI:DE:BGH:2017:220317B5STR6.17.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 6/17
vom
22. März 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:220317B5STR6.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 22. März 2017 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 27. Juli 2016 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
2
Der Erörterung bedarf in Ergänzung der Antragsschrift des Generalbundesanwalts lediglich die Frage, ob das Landgericht im Fall II.2 der Urteilsgründe rechtsfehlerfrei einen strafbefreienden Rücktritt vom versuchten Mord verneint hat.

I.


3
1. Nach den hierzu vom Landgericht getroffenen Feststellungen wartete der Angeklagte am späten Abend des 24. Oktober 2015 am Wohnhaus seiner von ihm getrennt lebenden und die Scheidung betreibenden Ehefrau, der Nebenklägerin , auf deren Rückkehr von einem Verwandtenbesuch. Er hatte spätestens zu diesem Zeitpunkt beschlossen, sie unter anderem deshalb zu töten, weil sie entgegen ihrer vorgeblichen, von ihm mehrere Wochen zuvor gewaltsam abgenötigten Ankündigung nicht zu ihm zurückkehren wollte. Um nicht bemerkt zu werden, schlich er auf das Grundstück und versteckte sich dort. Als die Nebenklägerin mit dem gemeinsamen achtjährigen Sohn und ihrer Mutter zum Wohnhaus zurückkam und vor der Haustür in ihrer Handtasche nach dem Schlüssel suchte, trat der Angeklagte unvermittelt auf die Nebenklägerin zu. Während er ihr mit einer Hand den Mund zuhielt, versetzte er ihr mit der anderen Hand in Tötungsabsicht mit einem Messer drei kräftige tiefe Stiche in den Nacken- und hinteren Halsbereich. Einer der Stiche reichte bis zum Zungengrund und führte dazu, dass die Nebenklägerin unmittelbar nach der Tat aus dem Mund blutete. Ein weiterer Stich führte zu einem Bruch des Wirbelbogens eines Brustwirbelkörpers mit einer akut lebensgefährlichen Eröffnung des Rückenmarkkanals.
4
Die Nebenklägerin, die dem überraschenden Angriff keine Gegenwehr entgegensetzen konnte, sank zu Boden und blieb dort liegen. Daraufhin beugte sich der Angeklagte über sie und schlug ihr mehrfach wuchtig mit der Faust in das Gesicht. „Von der weiteren Ausführung seiner Tat“ hielten ihn weder die Schreie des gemeinsamen Sohnes, der ihn auch wegzustoßen versuchte, noch diejenigen der Mutter der Nebenklägerin ab (UA S. 8). Er ließ erst nach weite- ren Schlägen von ihr ab und entfernte sich vom Tatort, wobei er annahm, der Nebenklägerin tödliche Verletzungen zugefügt zu haben.
5
2. Das Landgericht hat einen Rücktritt vom versuchten Mord verneint: Als der Angeklagte nach den Schlägen von der Nebenklägerin abgelassen habe, sei der Versuch des Tötungsdelikts bereits beendet gewesen. Er habe geglaubt , alles zur Vollendung der Tat getan zu haben. Dies sei ihm schon zu dem Zeitpunkt klar gewesen, als die Nebenklägerin nach den drei Stichen in äußerst sensible Bereiche des Körpers hilflos zusammengebrochen sei (UA S. 33); ihm sei bewusst gewesen, dass alle drei Stiche potentiell lebensbedrohlich gewesen seien. Dafür sprächen auch Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung, wonach er die Stiche bewusst auf bestimmte Körperstellen gesetzt habe. Die Nebenklägerin habe dem Angeklagten keinerlei Gegenwehr entgegensetzt und sich auch, nachdem sie infolge der drei Stiche zu Boden gesunken sei, gegen die nun folgenden Faustschläge weder geschützt noch gewehrt. „Überschießend“ habe er ihr wahllos weitere kräftige Faustschläge auf den Kopf versetzt und sie auch hier der Gefahr erheblicher Verletzungen ausgesetzt. Danach habe der Angeklagte, als er von ihr abgelassen habe und unmittelbar nach den Schlägen geflüchtet sei, nach seiner Vorstellung bereits alles zur Vollendung Erforderliche getan (UA S. 43). Gegen diese Annahme spreche auch nicht, dass er zu diesem Zeitpunkt nicht ausschließbar noch kein Blut gesehen habe. Angesichts dessen, dass die zu Boden gesunkene Nebenklägerin zu keiner Gegenwehr mehr fähig gewesen sei, sei dem Angeklagten ihre lebensgefährliche Verletzung auch ohne erkennbar blutende Wunden bewusst gewesen (UA S. 34).

II.


6
Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht einen gemäß § 24 Abs. 1 StGB strafbefreienden Rücktritt vom Mordversuch abgelehnt, weil dieser bereits beendet war und der Angeklagte keine Bemühungen entfaltete, einen Todeseintritt der Nebenklägerin zu verhindern.
7
1. Es hat zunächst im Ausgangspunkt zutreffend den nach ständiger Rechtsprechung geltenden Maßstab für die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch zugrunde gelegt, der sich nach dem Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung , dem sogenannten Rücktrittshorizont, bestimmt (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227; Urteile vom 3. Dezember 1982 – 2 StR 550/82, BGHSt 31, 170, 175; vom 12. November 1987 – 4 StR 541/87, BGHSt 35, 90, 91 f., und vom 2. November 1994 – 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304, 306). Entscheidend ist, ob der Täter zu diesem Zeitpunkt den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs für möglich hält. Wenn bei einem Tötungsdelikt der Täter den Eintritt des Todes bereits für möglich hält oder sich keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns macht, liegt demgemäß ein beendeter Tötungsversuch vor; in diesem Fall muss der Täter für einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch den Tod des Opfers durch eigene Rettungsbemühungen verhindern oder sich darum zumindest freiwillig und ernsthaft bemühen.
8
2. Nach diesem Maßstab versteht sich allerdings der vom Landgericht für seine Rücktrittsprüfung gewählte zeitliche Anknüpfungspunkt nicht von selbst. Denn soweit es auf den letzten Faustschlag des Angeklagten gegen den Kopf der Nebenklägerin als für den Rücktrittshorizont letzte Ausführungshandlung abgestellt hat, fehlt es an einer eindeutigen Beweisgrundlage dafür, dass die Faustschläge (noch) mit Tötungsvorsatz geführt worden sind. In ihrer Beweiswürdigung hat die Schwurgerichtskammer es vielmehr unter Hinweis auf Ergebnisse der Telefonüberwachung, wonach sich das Tatmesser verbogen haben könnte, ausdrücklich nur als „andere Möglichkeit“ betrachtet, dass der An- geklagte „gegebenenfalls auch keinen Sinn mehr darin (sah), mit dem Messer weiter zuzustechen und daher auf Schläge aus(wich)“ (UA S. 34). Naheliegend ist danach, dass die vom Landgericht als „überschießend“ eingestuftenFaust- schläge das durch die Messerstiche bereits potenziell tödlich getroffene Opfer zusätzlich demütigen und als Ausdruck von Geringschätzung „lediglich“ weiter verletzen sollten, so dass bei einem solchen Geschehensverlauf zunächst der letzte Messerstich die maßgebliche letzte auf einen Tötungserfolg abzielende Tathandlung wäre.
9
Für ihre Feststellung des Vorstellungsbildes des Angeklagten nach Beendigung seiner verschiedenen Gewalthandlungen hat sich die Schwurgerichtskammer allerdings sowohl in der Beweiswürdigung als auch in der rechtlichen Bewertung entscheidend auf die von ihm erkannte Wirkung der Messerstiche gestützt. Seine schon nach diesen mit Tötungsabsicht gesetzten Stichen entstandene Vorstellung über den zu erwartenden Tötungserfolg hatte sich während seiner weiteren Faustschläge bis zur unmittelbar anschließenden Flucht des Angeklagten vom Tatort nicht mehr verändert. Da es sich bei der Tat nur um ein kurzes, ohne wesentliche Zwischenakte ablaufendes dynamisches Geschehen handelte, hat das Landgericht letztlich mit dem von ihm gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt für seine Rücktrittsprüfung auf das Ende eines potenziellen „Korrekturzeitraums“ abgestellt, in dem eine für die Beurteilung des Rücktrittshorizonts beachtliche Veränderung des Vorstellungsbildes des Täters nach der letzten Tötungshandlung noch möglich gewesen wäre (vgl. BGH, Ur- teile vom 1. Dezember 2011 – 3 StR 337/11, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, beendeter 14 mwN; vom 8. Mai 2012 – 5 StR 528/11, NStZ 2012, 688, 689, und vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274; Beschluss vom 23. November 2016 – 4 StR 471/16). Weil eine solche Veränderung hier nicht eingetreten ist, erweist sich die Wertung des Landgerichts, dass der Mordversuch an der Nebenklägerin beendet war, als der Angeklagte von ihr abließ, somit letztlich als zutreffend.
Mutzbauer Sander Schneider
Berger Mosbacher

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.