Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Apr. 2018 - 5 StR 54/18

bei uns veröffentlicht am11.04.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 54/18
vom
11. April 2018
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:110418B5STR54.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 11. April 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 20. Oktober 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum Tatgeschehen aufrechterhalten.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine Revision hat mit der Sachrüge im Umfang der Beschlussformel Erfolg.
2
1. Nach den Urteilsfeststellungen ist der Angeklagte seit dem Jahr 2002 an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie erkrankt, die zahlreiche stationäre Behandlungen notwendig machte. Im Verlauf seines letzten Krankenhausaufenthaltes , bei dem er neben paranoiden Denkinhalten eine hochan- gespannte, aggressive Grundhaltung zeigte, griff er „aus nichtigem Anlass“ ei- nen Mitpatienten an. Er nahm den Geschädigten in einen festen Würgegriff und ließ sich zunächst weder durch dessen Gegenwehr noch durch das Eingreifen einer herbeigeeilten Krankenschwester von seinem Tun abbringen. Erst als der Geschädigte der Ohnmacht nahe war, ließ der Angeklagte plötzlich von ihm ab.
3
Das sachverständig beratene Landgericht ist zu dem Schluss gekommen , dass der Angeklagte die Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit infolge (sicher) aufgehobener Steuerungsfähigkeit beging und hat ihn deshalb von den Anklagevorwürfen freigesprochen. Es hat seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, da von ihm mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades weitere rechtswidrige Taten zu erwarten seien, durch die die Opfer erheblich geschädigt würden.
4
2. Der Maßregelausspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat die für eine Unterbringungsanordnung vorausgesetzte Gefährlichkeitsprognose nicht rechtsfehlerfrei begründet.
5
Insoweit folgt es dem Sachverständigen, der diese ganz wesentlich auch darauf gestützt hat, dass der Angeklagte in seinem psychotischen Zustand wiederholt Familienangehörige, aber auch Dritte gewaltsam angegriffen habe, „wie sich aus den beigezogenen Ermittlungsakten ergebe und wie seine Schwester … zudem in der Hauptverhandlung berichtet habe“ (UA S. 51). Die Schwurgerichtskammer hat indes keinerlei Feststellungen zu den aus den „bei- gezogenen Ermittlungsakten“ ersichtlichen Taten getroffen. Im Urteil ist ledig- lich erwähnt, dass im Datensystem der Polizei 16 Einträge wegen verschiedener (auch Körperverletzungs-)Delikte enthalten seien, die jeweiligen Ermitt- lungsverfahren aber wegen Zweifels an der Schuldfähigkeit des Angeklagten zu keiner strafrechtlichen Konsequenz geführt hätten. Auch zu den vom Sachverständigen erwähnten Angriffen auf Familienangehörige hat sich das Landgericht keine aus dem Urteil ersichtliche eigene Überzeugung gebildet. Die Bekundungen der Schwester des Angeklagten in der Hauptverhandlung sind dem Urteil nur indirekt im Rahmen der Wiedergabe der gutachterlichen Stellungnahme des Sachverständigen zu entnehmen. Eine unmittelbare Wiedergabe und Bewertung ihrer Aussage im Rahmen der Beweiswürdigung fehlt. Zudem wird nicht deutlich, inwieweit sie gegebenenfalls eigenes Erleben geschildert hat.
6
3. Der Senat hält es für nicht fernliegend, dass noch Feststellungen getroffen werden können, die die Voraussetzungen des § 63 Satz 1 StGB erfüllen. Über die Anordnung der Maßregel ist deshalb erneut zu entscheiden.
7
Mit Blick auf § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO hebt der Senat auch den Freispruch des Angeklagten auf. Es ist nicht auszuschließen, dass die neue tatgerichtliche Verhandlung und die zur Erstellung einer aktuellen Gefährlichkeitsprognose erforderliche erneute Begutachtung des Angeklagten eine abweichende Beurteilung seiner Schuldfähigkeit bei Begehung der Anlasstat ergeben könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2017 – 5 StR 432/17). Das neue Tatgericht bleibt jedoch gehindert, nach Aufhebung der isoliert angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erneut die Unterbringung anzuordnen und zugleich erstmals Strafe zu verhängen (BGH, Beschlüsse vom 24. Oktober 2013 – 3 StR 349/13, NStZ-RR 2014, 89, und vom 26. Juli 2016 – 3 StR 211/16).
8
4. Von der Aufhebung nicht betroffen sind die rechtsfehlerfreien Feststellungen zum Tatgeschehen. Vom neuen Tatgericht gegebenenfalls ergänzend getroffene Feststellungen dürfen den bisherigen nicht widersprechen.
9
Der Senat weist darauf hin, dass es zur Darstellung der Krankheitsgeschichte des Angeklagten keiner ins Einzelne gehenden Wiedergabe früherer ärztlicher Epikrisen bedarf.
Mutzbauer Schneider König
Berger Mosbacher

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Apr. 2018 - 5 StR 54/18

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Apr. 2018 - 5 StR 54/18

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte
Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Apr. 2018 - 5 StR 54/18 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Apr. 2018 - 5 StR 54/18 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Apr. 2018 - 5 StR 54/18 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2013 - 3 StR 349/13

bei uns veröffentlicht am 24.10.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 349/13 vom 24. Oktober 2013 in der Strafsache gegen wegen räuberischer Erpressung u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 24. Oktober 2

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2017 - 5 StR 432/17

bei uns veröffentlicht am 12.12.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 432/17 vom 12. Dezember 2017 in der Strafsache gegen wegen Sachbeschädigung u.a. ECLI:DE:BGH:2017:121217B5STR432.17.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der.

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juli 2016 - 3 StR 211/16

bei uns veröffentlicht am 26.07.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 211/16 vom 26. Juli 2016 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. ECLI:DE:BGH:2016:260716B3STR211.16.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Apr. 2018 - 5 StR 54/18.

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Sept. 2019 - 4 StR 24/19

bei uns veröffentlicht am 26.09.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 24/19 vom 26. September 2019 in dem Straf- und Sicherungsverfahren gegen wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung u.a. ECLI:DE:BGH:2019:260919B4STR24.19.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Mai 2018 - 2 StR 132/18

bei uns veröffentlicht am 16.05.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 132/18 vom 16. Mai 2018 in der Strafsache gegen wegen versuchter Nötigung ECLI:DE:BGH:2018:160518B2STR132.18.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwe

Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Aug. 2018 - 4 StR 296/18

bei uns veröffentlicht am 30.08.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 296/18 vom 30. August 2018 in der Strafsache gegen wegen Körperverletzung u.a. ECLI:DE:BGH:2018:300818B4STR296.18.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhö

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 432/17
vom
12. Dezember 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Sachbeschädigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:121217B5STR432.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 12. Dezember 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 23. März 2017 aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zu den objektiven Tatgeschehen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte freigesprochen und ihre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich ihre auf die Sachrüge gestützte Revision, die in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg hat.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts trennte sich der Geschädigte im Sommer 2013 nach fast zehnjähriger wechselvoller Beziehung von der im Jahr 1968 geborenen Angeklagten. Grund waren ihre aus seiner Sicht über- handnehmenden psychischen Auffälligkeiten, die sich unter anderem in depressiven Phasen, zuletzt auch in Verfolgungsideen äußerten. Nach der Trennung belästigte die nicht vorbestrafte Angeklagte ihn durch eine Vielzahl von Telefonanrufen und Textnachrichten mit teilweise beleidigendem und bedrohendem Inhalt. Unter anderem drohte sie, ihn umzubringen und sein Haus anzuzünden. Der Geschädigte erwirkte deshalb wiederholt Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz gegen die Angeklagte, die sie aber nicht an weiteren Kontaktversuchen hinderten. Anlass der Unterbringung der Angeklagten sind folgende Einzeltaten:
3
Am 17. Dezember 2013 verursachte sie am Audi A8 des Geschädigten mit einer Vielzahl von Hammerschlägen einen Totalschaden (Tat 1).
4
Am 28. November 2014 suchte sie gegen 23:50 Uhr den Bruder des Geschädigten und dessen Ehefrau auf. Ihnen sagte sie, dass sie Gerechtigkeit wolle, selbst wenn sie dafür jemanden aus der Familie „aufschlitzen“ müsse. Dies führte in der Familie zu großer Besorgnis auch um die Sicherheit und die körperliche Unversehrtheit der Kinder (Tat 2).
5
Am 8. Dezember 2014 beschmierte sie das Auto des Geschädigten mit Exkrementen sowie Erde und legte drei benutzte Tampons auf die Motorhaube (Tat 3).
6
Am 13. Dezember 2014 begab sie sich zur Arbeitsstätte des Geschädigten , schrie laut herum und trat drei Scheiben der Eingangstür des ihm gehörenden Hauses ein (Tat 4).
7
Nachdem wegen dieser Tatvorwürfe am 5. Januar 2015 die Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Bremen-Blumenthal begonnen hatte, suchte die Angeklagte am 13. Juni 2015 gegen 0:00 Uhr erneut die Arbeitsstätte des Geschädigten auf und schlug mit einem Hammer sechs Glaselemente der Hauseingangstür ein (Tat 5).
8
Am 17. Juli 2015 suchte die Angeklagte abermals die Arbeitsstätte des Geschädigten auf und klopfte an der Tür, obwohl ihr dies durch Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 19. Juni 2015 untersagt war (Tat 6).
9
Am 18. Juli 2015 stellte sich die Angeklagte vor das Auto des Geschädigten , so dass er nicht wegfahren konnte. Sie wollte mit ihm reden, obwohl ihr das durch den vorgenannten Beschluss untersagt war. Nachdem sie auf Handzeichen nicht reagiert hatte, sprach er mit ihr (Tat 7).
10
Über diese Taten hinaus kam es zu weiteren Vorfällen, von deren Verfolgung gemäß § 154 StPO abgesehen wurde. Zwischenzeitlich war die Angeklagte wohnungslos, weil ihr wegen ihres den Hausfrieden störenden Verhaltens die Wohnung gekündigt worden war.
11
2. Die vom Amtsgericht beauftragte psychiatrische Sachverständige kam nach am 16. Oktober 2015 erfolgter Exploration der Angeklagten zu dem Ergebnis , dass die Angeklagte unter einer „manischen Psychose mit psychoti- schen Symptomen“ leide. Ohne eine dringend notwendige medikamentöse Be- handlung sei damit zu rechnen, dass sie angesichts ihres massiven Hasses und der zerstörerischen Wut auf den Geschädigten weitere Straftaten bis hin zu Gewalt- und Brandstiftungsdelikten begehen werde. Daraufhin erließ das Amtsgericht einen Unterbringungsbefehl nach § 126a StPO, der ab dem 14. April 2016 vollzogen wurde, und verwies das Verfahren an das Landgericht, da eine Unterbringung nach § 63 StGB in Betracht komme.
12
In der Hauptverhandlung vor dem Landgericht am 10. Oktober 2016 stellte die Strafkammer im Einklang mit der Sachverständigen eine Verbesserung des psychischen Zustands der Angeklagten fest und hob den Unterbringungsbefehl auf. Zwar blieb die Sachverständige bei ihrer Diagnose, kam jedoch zu einer abweichenden Gefährlichkeitsprognose, da sich die Angeklagte im Rahmen der Therapie im Maßregelvollzug von ihrem ehemaligen Lebensge- fährten „abgekoppelt“ habe.
13
Nach der Entlassung aus der Unterbringung beobachtete die Strafkammer eine fortschreitende Verschlechterung des psychischen Zustands der Angeklagten , die zunehmend unruhig sowie getrieben wirkte und sich situationsunangemessen verhielt. Kurz vor Schluss der Beweisaufnahme kam es am 5. Februar 2017 zu einem erneuten Vorfall: Die Angeklagte wartete in ihrem Auto vor der Arbeitsstelle des Geschädigten. Als er erschien, formte sie mit ihrer erhobenen Hand eine Pistole und gestikulierte deren Abschuss.
14
3. Die Strafkammer ist sachverständig beraten zu der Überzeugung gelangt , dass die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten bei Begehung der Anlasstaten sicher vermindert, nicht ausschließbar aber aufgehoben gewesen sei. Die Angeklagte habe im Tatzeitraum an einer schweren manischen Episode mit psychotischen Symptomen (ICD-10: F 30.02) gelitten. Aufgrund ihrer histrionisch -narzisstischen Primärpersönlichkeit in Verbindung mit der psychotischen Manie habe sie auf die Zurückweisung durch ihren früheren Partner völlig unangemessen reagiert. Während ihre „exekutive Steuerungsfähigkeit“ im Sinne einer zielgerichteten Handlungsdurchführung noch gegeben gewesen sei, sei ihre „motivationale Steuerungsfähigkeit“, das Hemmungsvermögen gegen normwidrige Motive, im Tatzeitraum in Wellen immer wieder aufgehoben gewesen. Unter der Reizabschirmung im Rahmen der vorläufigen Unterbringung ha- be sie sich beruhigen können. Bei Berücksichtigung des Vorfalls vom 5. Februar 2017 sowie des Umstands, dass die Angeklagte selbst unter dem Druck der laufenden Hauptverhandlung eine solche Handlung vornehme, sei indes festzustellen , dass das Wahnthema doch immer noch aktuell sei. Bei massiver psychotischer Dynamik ohne Behandlung sei eine Steigerung der Schwere der von der Angeklagten zu erwartenden Straftaten zu prognostizieren. Es bestehe eine hohe Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Menschen in Form von wenigstens gefährlichen Körperverletzungen, aber auch von Brandstiftungsdelikten.

II.


15
Die Maßregelentscheidung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
16
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass die unterzubringende Person bei der Begehung der Anlasstat aufgrund eines länger dauernden psychischen Defektes schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2017 – 4 StR 595/16, NStZ-RR 2017, 203 f. mwN). Daneben ist eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades erforderlich, sie werde infolge ihres fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird (§ 63 Satz 1 StGB in der am 1. August 2016 in Kraft getretenen Neufassung durch das Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften vom 8. Juli 2016, BGBl. I S. 1610).
17
2. Diesen Anforderungen wird die Gefährlichkeitsprognose des Landgerichts nicht gerecht.
18
a) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Anlasstaten – ungeachtet der Tatsache, dass sie den Alltag des Geschädigten erheblich beeinträchtigten und er in großer Sorge um seine Familie war – keine erheblichen Taten im Sinne des § 63 Satz 1 StGB darstellen. Diese Wertung hält sich im Rahmen ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Zwar sind danach Bedrohungen nicht von vornherein als unerhebliche Taten einzustufen. Namentlich Todesdrohungen, die den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen vermögen, können schwerwiegende Störungen des Rechtsfriedens verursachen. Schon im Hinblick auf das Gewicht der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus ist jedoch erforderlich, dass die Bedrohung in ihrer konkreten Ausgestaltung aus der Sicht des Betroffenen die naheliegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich trägt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. April 2008 – 1 StR 153/08, StraFo 2008, 300 f.; vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202 f.; Urteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563). Hinreichende Feststellungen in dieser Richtung enthält das angefochtene Urteil indessen nicht.
19
b) Unter diesen Vorzeichen darf – was das Landgericht nicht verkennt – nach § 63 Satz 2 StGB die Unterbringung nur angeordnet werden, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass die unterzubringende Person infolge ihres Zustandes (andere) rechtswidrige Taten begehen wird, die den in § 63 Satz 1 StGB bezeichneten Schweregrad erreichen. Hierfür hat das Landgericht zwar zu erwartende Gewalttaten in Form von wenigstens gefährlichen Körperverletzungen oder Brandstiftungen benannt. Hinreichende Anhaltspunkte für diese Erwartung sind jedoch nicht dargetan.
20
Die in den Jahren 2013 bis 2015 begangenen Anlasstaten belegen nicht die angenommene Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Menschen. Soweit ersichtlich geht die Annahme drohender Körperverletzungen oder Brandstiftungen vor allem auf Äußerungen der Beschwerdeführerin im Jahre 2014 gegenüber dem Geschädigten bzw. der Familie seines Bruders zurück, die am Anfang der von der Beschwerdeführerin ausgehenden Belästigungen standen. Das Urteil setzt sich nicht damit auseinander, dass die Angeklagte in der Folgezeit , in der sie sich überwiegend in Freiheit befand, ungeachtet ihrer fortdauernden psychischen Erkrankung und trotz der wiederholten Nähe zum Geschädigten nichts unternahm, um ihre Drohungen in die Tat umzusetzen. Die Strafkammer hat auch nicht festgestellt, dass bei ihr eine latente Neigung zu Gewalttätigkeiten gegen Menschen zu erkennen gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 22. Dezember 2016 – 4 StR 359/16, StV 2017, 580). Den Ausführungen des Landgerichts kann schließlich selbst in ihrem Gesamtzusammenhang nicht entnommen werden, dass die Angeklagte etwa in Verbindung mit den Gewaltdrohungen gegenüber dem Geschädigten und seiner Familie gefährliche Gegenstände bei sich geführt und damit ein erhebliches Druckpotential aufgebaut (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563 f.; Beschluss vom 18. November 2013 – 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 75, 77) oder sich gedanklich mit näher spezifizierten Tötungsarten beschäftigt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 18. November 2013 – 1 StR 594/13 aaO). Für die Wahrscheinlichkeit der Begehung von Brandstiftungen fehlt ungeachtet der früheren Äußerung der Angeklagten jeglicher Anhalt.
21
Dass die Angeklagte den Geschädigten kurze Zeit nach ihrer Freilassung während laufender Hauptverhandlung mit einem Pistolenhandzeichen bedroht hat, mag zwar – wie von der Strafkammer im Einklang mit der Sachverständigen angenommen – einen hohen Handlungsdruck aufgrund einer Verschlech- terung ihres seelischen Zustands belegen. Diese Handlung lässt aber wiederum keine qualitative Steigerung des bisherigen deliktischen Verlaufs erkennen. Sie ist überdies in die besondere Situation der Hauptverhandlung einzuordnen, in der die Angeklagte mit dem Geschädigten und ihrer Beziehung zu ihm konfrontiert wurde. Auch nach dem neuen Vorfall bleibt offen, weshalb mit einer Umsetzung der Gewaltdrohungen konkret zu rechnen ist. Die Gefahr einer Steigerung des Krankheitsverlaufs und der hierauf zurückzuführenden Straftaten wird nicht dargelegt. Es bedürfte einer nachvollziehbaren Erklärung dafür, weshalb die Angeklagte mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre – soweit ersichtlich – bislang (noch) intakte innere Hemmschwelle zur körperlichen Gewalttätigkeit gegen Personen mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades überschreiten wird. Einer solchen ermangelt es.
22
3. Der Senat schließt nicht aus, dass noch Feststellungen getroffen werden können, die – etwa unter dem Aspekt schwerwiegender Bedrohung im oben genannten Sinn – die Voraussetzungen des § 63 Satz 1 StGB erfüllen. Über die Anordnung der Maßregel ist deshalb erneut zu entscheiden.
23
Mit Blick auf die Vorschrift des § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO hebt der Senat auch den Freispruch der Angeklagten auf. Er schließt nicht aus, dass die neue tatgerichtliche Verhandlung und die erneute Begutachtung der Angeklagten – womöglichdurch einen anderen Sachverständigen –, die auch eine aktuelle Exploration erfordern wird, eine abweichende Beurteilung ihrer Schuldfähigkeit bei Begehung der Anlasstaten ergeben wird, zumal die aus den im Urteil wiedergegebenen Darlegungen der Sachverständigen die Inhalte des die Angeklagte treibenden Wahns nur umrisshaft deutlich werden lassen und sich gegebenenfalls Zweifel ergeben könnten, ob diese nicht bereits die Unrechtseinsicht aufgehoben haben (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2017 – 3 StR 90/17).
24
Die Aufhebung (auch) des Freispruchs entspricht im vorliegenden Fall dem Ziel des Gesetzgebers, durch die Regelung des § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO zu vermeiden, dass nach einer erfolgreichen Revision eines Angeklagten gegen die alleinige Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wegen angenommener Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB die Tat ohne strafrechtliche Sanktion bleibt, wenn sich in der neuen Hauptverhandlung herausstellt , dass er bei Begehung der Tat schuldfähig war (BT-Drucks. 16/1344, S. 17). Das neue Tatgericht bleibt jedoch gehindert, nach Aufhebung der isoliert angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erneut die Unterbringung anzuordnen und zugleich erstmals Strafe zu verhängen (BGH, Beschlüsse vom 24. Oktober 2013 – 3 StR 349/13, NStZ-RR 2014, 89; vom 26. Juli 2016 – 3 StR 211/16).
25
4. Von der Aufhebung nicht betroffen sind die rechtsfehlerfreien Feststellungen zu den objektiven Tatgeschehen. Vom neuen Tatgericht gegebenenfalls ergänzend getroffene Feststellungen dürfen den bisherigen nicht widersprechen. Mit der Aufhebung des Urteils ist die Kostenbeschwerde der Angeklagten gegenstandslos.
Mutzbauer Sander Schneider
Dölp König

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 349/13
vom
24. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischer Erpressung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 24. Oktober 2013 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der auswärtigen großen Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 27. Juni 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung wegen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit freigesprochen und dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) angeordnet. Die gegen die Unterbringung gerichtete, auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts zerrte der Angeklagte Mitte Januar 2013 die als Aufsicht in einer Spielhalle tätige Nebenklägerin an den Haaren und drückte ihren Kopf auf die Kassentheke. Unter dem Eindruck der schmerzhaften Einwirkungen entsprach diese seinem Verlangen nach Heraus- gabe von Geld und gab die offene Kassette mit dem Bargeld heraus. Der Angeklagte entnahm daraus 545 Euro; zudem steckte er das Mobiltelefon und die Zigaretten der Nebenklägerin ein. Nachdem er sich auch noch deren Führerschein hatte geben lassen, bedrohte er die Frau, deren Anschrift er ja nun kenne , mit dem Tode, falls sie die Polizei alarmiere, und verließ die Spielhalle.
3
Das Landgericht hat - dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen folgend - nicht ausschließen können, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten, der seit seinem 26. Lebensjahr an einer schizoaffektiven Psychose (ICD-10 F25) leidet und bei dem eine langjährige Polytoxikomanie (ICD-10 F19) besteht, bei der Tatbegehung aufgehoben war. Von der zumindest erheblichen Einschränkung der Schuldfähigkeit war sie ebenso überzeugt wie von einer hohen Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Angeklagte zukünftig gleichartige Taten erneut begehen wird.
4
2. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
a) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht , dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die erforder- liche Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat (en) zu entwickeln (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juni 2013 - 2 StR 94/13 mwN). Neben der sorgfältigen Prüfung dieser Anordnungsvoraussetzungen ist der Tatrichter auch verpflichtet, die wesentlichen Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen.
6
b) Durch die angefochtene Entscheidung wird weder die vom Landgericht angenommene erhebliche Verminderung der Schuldunfähigkeit des Angeklagten bei Tatbegehung noch der notwendige Zusammenhang zwischen der psychischen Erkrankung und der Tat hinreichend belegt. Die Feststellungen beschränken sich auf die Wiedergabe der Diagnosen und auf die Mitteilung, der Angeklagte sei immer wieder in psychiatrische Krankenhäuser eingewiesen worden und habe während einer seit Ende 2012 andauernden akut psychotischen Phase die notwendigen Psychopharmaka nicht mehr regelmäßig eingenommen (UA S. 7 und 8). Im Rahmen der Beweiswürdigung wird das Gutachten des Sachverständigen referiert. Danach habe es beim Angeklagten "im Tatvorfeld akustische Halluzinationen und auch Beeinträchtigungserleben gegeben". Der Angeklagte habe dem Sachverständigen "von Impulsdurchbrüchigkeit , Insomnie, Größenvorstellungen, Leichtfertigkeit ohne Risikoabwägung, Sprunghaftigkeit, Inkohärenz und Ideensturm berichtet". Von diesen "deutlichen Symptomen einer manischen Symptomatik" sei der Angeklagte "noch immer nicht vollständig entaktualisiert" (UA S. 12 und 13). Mit diesen im Allgemeinen verbleibenden Darlegungen ist nicht ausreichend erklärt, dass sich der Angeklagte im Zeitpunkt der Tat sicher in einem Zustand erheblich eingeschränkter Schuldfähigkeit befand. Aus welchem Anlass und auf welcher Grundlage der Angeklagte eine gute Woche vor der Tat für eine Nacht in einem psychiatri- schen Krankenhaus "untergebracht" war, wird ebenso wenig erläutert wie das Erscheinungsbild und die Verhaltensweise des Angeklagten in der Hauptverhandlung. Zudem weist die Tat alle Anzeichen eines alltäglichen Raubüberfalls auf eine Spielhalle auf: Der Angeklagte wartete mit der Tatbegehung längere Zeit ab, bis sich in der Spielhalle neben ihm und dem Opfer keine weiteren Personen mehr aufhielten. Er nahm der Nebenklägerin das Mobiltelefon weg, um eine Information der Polizei zu verhindern, und verschaffte sich Kenntnis von den Personalien der Frau, um seine Drohung mit späterer Gewalt für den Fall der Unterrichtung der Polizei zu verstärken. Zur Motivation des Angeklagten enthält das Urteil keine Angaben. Damit bleibt auch offen, ob die Tat in einem inneren Zusammenhang mit der angenommenen psychischen Störung stand.
7
c) Auch eine zukünftige Gefährlichkeit des Angeklagten ist nicht ausreichend dargetan. Das Landgericht hat sich insoweit dem Sachverständigen angeschlossen , der aufgrund einer "Gesamtschau der hier zusammentreffenden ungünstigen Faktoren wie brüchiger Kompliance, Doppeldiagnose mit Sucht, Fehlen eines Betreuers, Fehlen eines sozialen Unterstützungsnetzwerks und Gewaltbereitschaft als Krankheitssymptom" (UA S. 15) dem Anlassdelikt vergleichbare Taten mit hoher Wahrscheinlichkeit prognostiziert hat. Damit fehlt die notwendige umfassende Erörterung unter Einschluss des bisherigen Lebens des Angeklagten. Seit dem Ausbruch der Erkrankung im Jahr 1996 ist der Angeklagte wenige Male zu geringen Geldstrafen verurteilt worden. Zweimal wurde auf eine Freiheitsstrafe unter einem Jahr erkannt, die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und die Strafe sodann jeweils erlassen. Zuletzt wurde der Angeklagte im Jahr 2000 wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort und Anfang 2013 wegen Diebstahls zu Geldstrafen verurteilt. Gegenstand und Hintergründe der Verurteilungen teilt das Landgericht ebenso wenig mit wie nähere Einzelheiten zu den im Jahr 2004 gegenüber der Ehefrau begangenen "Gewalttätigkeiten" und dem Ergebnis der daraufhin durchgeführten forensischpsychiatrischen Untersuchung. Damit stellt sich die verfahrensgegenständliche Tat jedenfalls nach den bisherigen Feststellungen als das erste gravierende Delikt dar, für das sich der Angeklagte zu verantworten hatte. Angesichts der langen Zeitspanne, in der der Angeklagte bereits erkrankt ist, fehlt der Gefahrenprognose daher die erforderliche Tatsachenfundierung.
8
3. Die Sache bedarf insgesamt der neuen Verhandlung und Entscheidung. Der Senat war durch den Umstand, dass allein der Angeklagte Revision eingelegt hat, nicht gehindert, auch den Freispruch aufzuheben; denn durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I S. 1327) wurde der frühere Rechtszustand dahin geändert, dass es gemäß § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO nunmehr möglich ist, in einer neuen Hauptverhandlung an Stelle der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus den Täter schuldig zu sprechen und eine Strafe zu verhängen. Dies bedeutet, dass auf die Revision des Angeklagten in Fällen wie dem vorliegenden ein Freispruch aufgehoben werden kann (vgl. KK-Gericke, 7. Aufl.; § 358 Rn. 24). Die Aufhebung (auch) des Freispruchs entspricht im vorliegenden Fall dem Ziel des Gesetzgebers, durch die Neuregelung zu vermeiden, dass nach einer erfolgreichen Revision eines Angeklagten gegen die alleinige Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wegen angenommener Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB die Tat ohne strafrechtliche Sanktion bleibt, wenn sich in der neuen Hauptverhandlung herausstellt, dass der Angeklagte bei Begehung der Tat schuldfähig war. Das Gericht bleibt jedoch gehindert, nach Aufhebung einer isoliert angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erneut die Unterbringung anzuordnen und zugleich erstmals Strafe zu verhän- gen (vgl. BT-Drucks. 16/1344 S. 17 f.; BGH, Beschlüsse vom 27. Oktober 2009 - 3 StR 369/09 - juris; vom 14. September 2010 - 5 StR 229/10, StraFo 2011,

55).


Becker Pfister Schäfer Hubert Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 211/16
vom
26. Juli 2016
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:260716B3STR211.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 26. Juli 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der auswärtigen großen Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 25. Februar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen und dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision hat Erfolg.
2
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen schlug der Angeklagte am 4. Juni 2013 der Geschädigten, seiner damaligen Lebensgefährtin, in der gemeinsamen Wohnung mit einer Kleiderstange gegen deren Arme, Beine und Hinterkopf. Im Anschluss hieran erwirkte die Geschädigte eine einstweilige Anordnung, nach der es dem Angeklagten untersagt war, sich der Geschädigten zu nähern oder sonst mit ihr in Kontakt zu treten. Trotz Kenntnis von diesen Verboten nahm der Angeklagte danach in der Zeit bis zum 26. September 2013 in insgesamt 23 Fällen Kontakt zu der Geschädigten auf. In einem dieser Fälle äußerte er am Telefon, er werde das Haus der Zeugin und ihres Vaters anzünden , wenn er die Kinder nicht sehen dürfe. In einem weiteren Fall trat oder schlug er, einen Schreckschussrevolver in der Hand haltend, gegen die Hauseingangstür und schrie: "Komm raus, sonst bring' ich Dich um!"
3
Die - sachverständig beratene - Strafkammer hat angenommen, der Angeklagte sei bei allen Taten wegen einer krankhaften seelischen Störung schuldunfähig gewesen. Er habe die wahnhafte Vorstellung entwickelt, der seinerzeit dreijährige Sohn der Geschädigten trage die Schuld an einer Fehlgeburt der Geschädigten und habe somit sein ungeborenes Kind getötet. Aufgrund der Art seiner Einlassung stehe fest, dass die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten während der Taten aufgehoben gewesen sei. Zudem wäre er nicht in der Lage gewesen, sein Handeln selbst bei vorhandener Unrechtseinsicht zu steuern.
4
1. Die Maßregelanordnung nach § 63 StGB hält materiellrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
a) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur angeordnet werden, wenn unter anderem zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung im Sinne einer der in § 20 StGB genannten Eingangsmerkmale schuldunfähig (§ 20 StGB) oder vermindert schuldfähig (§ 21 StGB) war und die Tatbegehung hierauf beruht. In diesem Zusammenhang ist darzulegen, wie sich die festgestellte, einem Merkmal der §§ 20, 21 StGB unterfallende Erkrankung in der jeweiligen Tatsituation auf die Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstaten auf den entsprechenden Zustand zurückzuführen sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 10. November 2015 - 1 StR 265/15, NStZ-RR 2016, 76; vom 21. Juni 2016 - 5 StR 214/16, juris Rn. 4).
6
b) Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht; diese belegen einen für die festgestellten Straftaten ursächlichen Zustand im Sinne des § 63 StGB nicht.
7
Zur Begründung der Annahme, der Angeklagte sei von Anfang Juni bis Ende September 2013 aufgrund der jeweils aktuell ausgeprägten wahnhaften Störung schuldunfähig gewesen, hat das Landgericht maßgeblich auf den Eindruck abgestellt, den der Angeklagte in den vom Sachverständigen mit ihm geführten Explorationsgesprächen im September 2015 und Januar 2016 sowie in der Hauptverhandlung im Februar 2016 gemacht hat. Aus dem geschilderten Verhalten erschließt sich aber nicht der Zustand des Angeklagten während des etwa zwei bis zweieinhalb Jahre zurückliegenden Tatzeitraums. Hierzu hätte es näherer Ausführungen bedurft, welche die Urteilsgründe nicht enthalten. Betreffend den Zustand des Angeklagten im Tatzeitraum hat das Landgericht wesentlich nicht auf eine psychotische Erkrankung, sondern den damaligen Alkoholund Drogenkonsum des Angeklagten abgestellt. In diesem Zusammenhang hat es dem Sachverständigen folgend ausgeführt, beim Angeklagten liege ein Missbrauch und eine Abhängigkeit von Drogen und Alkohol vor. Das Verhältnis zwischen diesem Befund und der diagnostizierten Wahnerkrankung zur Tatzeit wird durch die Urteilsgründe jedoch nicht näher dargelegt. Daneben hat das Landgericht lediglich pauschal ausgeführt, die Taten des Angeklagten stünden in ursächlichem Zusammenhang mit der bei ihm festgestellten wahnhaften Störung und der darauf beruhenden fehlenden Einsichtsfähigkeit sowie der fehlenden Selbstkontrolle. Auch dies genügt hier nicht. Eine nähere Begründung wäre insoweit u.a. deshalb erforderlich gewesen, weil nach der Aussage der Ge- schädigten diese und der Angeklagte sich gegen Ende des Jahres 2013, mithin nach den hier festgestellten Anlasstaten, wieder versöhnten, und in der Folgezeit erneut zusammen wohnten. Somit liegt es nicht fern, dass jedenfalls die Verstöße gegen das Gewaltschutzgesetz möglicherweise nicht auf die Erkrankung des Angeklagten zurückzuführen, sondern maßgeblich von seiner Motivation getragen waren, die Beziehung mit der Geschädigten fortzusetzen. Mit diesem Gesichtspunkt hätte sich die Strafkammer auseinandersetzen müssen.
8
2. Der Senat war durch den Umstand, dass allein der Angeklagte Revision eingelegt hat, nicht gehindert, auch den Freispruch aufzuheben; denn durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl. I, S. 1327) wurde der frühere Rechtszustand dahin geändert, dass es gemäß § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO möglich ist, in einer neuen Hauptverhandlung an Stelle der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus den Täter schuldig zu sprechen und eine Strafe zu verhängen. Dies bedeutet, dass auf die Revision des Angeklagten in Fällen wie dem vorliegenden ein Freispruch aufgehoben werden kann. Die Aufhebung (auch) des Freispruchs entspricht im vorliegenden Fall dem Ziel des Gesetzgebers zu vermeiden, dass nach einer erfolgreichen Revision eines Angeklagten gegen die alleinige Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wegen angenommener Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB die Tat ohne strafrechtliche Sanktion bleibt, wenn sich in der neuen Hauptverhandlung herausstellt, dass der Angeklagte bei Begehung der Tat schuldfähig war. Das Gericht bleibt jedoch gehindert, nach Aufhebung einer isoliert angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erneut die Unterbringung anzuordnen und zugleich erstmals Strafe zu verhängen (BGH, Beschlüsse vom 24. Oktober 2013 - 3 StR 349/13, juris Rn. 8; vom 5. August 2014 - 3 StR 271/14, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Satz 2 Freispruch 1).
9
3. Die Sache bedarf nach alldem neuer Verhandlung und Entscheidung, wobei es sich empfehlen dürfte, einen neuen Sachverständigen hinzuzuziehen. Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass die Verurteilung nach § 4 Satz 1 GewSchG wegen einer Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 GewSchG voraussetzt, dass das Strafgericht die materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung überprüft und dabei deren tatbestandliche Voraussetzungen eigenständig feststellt (BGH, Beschluss vom 28. November 2013 - 3 StR 40/13, BGHSt 59, 94). Das neue Tatgericht wird schließlich auch die Neufassung des § 63 StGB durch das Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften (BGBl. I, S. 1610 f.) in den Blick zu nehmen haben, das am 1. August 2016 in Kraft treten wird.
Becker Schäfer Mayer
Spaniol Tiemann