Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Mai 2018 - 5 StR 65/18

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:080518B5STR65.18.0
bei uns veröffentlicht am08.05.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 65/18
vom
8. Mai 2018
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:080518B5STR65.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 8. Mai 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 12. Oktober 2017 mit den Feststellungen aufgehoben , soweit die Einziehung des Mobiltelefons Samsung und des Laptops HP mit Netzteil angeordnet worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten – unter Freisprechung im Übrigen – wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in 39 Fällen, davon in drei Fällen zugleich in Tateinheit mit sexueller Nötigung und in einem Fall zugleich in Tateinheit mit Besitz kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es Adhäsionsentscheidungen getroffen und die Einziehung eines Mobiltelefons sowie eines Laptops des Angeklagten angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Rüge einer Verletzung von § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO bleibt ohne Erfolg. Sie bezieht sich auf eine unterbliebene Unterrichtung des Angeklagten darüber, dass die Jugendschutzkammer nach Erhebung eines Entlastungsbeweises zu Abwesenheitszeiten der Mutter der Nebenklägerin lediglich von einer geringeren Anzahl an Taten, nicht aber von einer Erschütterung der Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin ausgehen werde.
3
a) Durch § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO in der seit 24. August 2017 geltenden Fassung (Gesetz vom 17. August 2017, BGBl. I S. 3202) ist die Hinweispflicht des § 265 Abs. 1 StPO auf Fälle erweitert worden, in denen sich in der Hauptverhandlung die Sachlage gegenüber der Schilderung des Sachverhalts in der zugelassenen Anklage ändert und dies zur genügenden Verteidigung vor dem Hintergrund des Gebots rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und des rechtsstaatlichen Grundsatzes des fairen Verfahrens (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2005 – 2 BvR 1769/04) einen Hinweis erforderlich macht (vgl. BT-Drucks. 18/11277, S. 37).
4
aa) Der Gesetzgeber hat in § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO an die ständige Rechtsprechung angeknüpft, wonach eine Veränderung der Sachlage eine Hinweispflicht auslöst, wenn sie in ihrem Gewicht einer Veränderung eines rechtlichen Gesichtspunkts gleichsteht (BT-Drucks. 18/11277 S. 37 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 20. November 2014 – 4 StR 234/14, NStZ 2015, 233). Die durch den Bundesgerichtshof hierzu entwickelten Grundsätze (vgl. MüKo-StPO/Norouzi, § 265 Rn. 48 ff. mwN) wollte der Gesetzgeber kodifizieren , weitergehende Hinweispflichten hingegen nicht einführen (vgl. SSW-StPO/Rosenau, 3. Aufl., § 265 Rn. 31). Danach bestehen Hinweispflich- ten auf eine geänderte Sachlage bei einer wesentlichen Veränderung des Tatbildes beispielsweise betreffend die Tatzeit, den Tatort, das Tatobjekt, das Tatopfer , die Tatrichtung, eine Person des Beteiligten oder bei der Konkretisierung einer im Tatsächlichen ungenauen Fassung des Anklagesatzes (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2011 – 1 StR 582/10, BGHSt 56, 121, 123 ff., und Urteil vom 20. November 2014 – 4 StR 234/14, aaO; Norouzi, aaO, Rn. 51; BeckOK-StPO/Eschelbach, Stand 1. Januar 2018, § 265 Rn. 36). Hingegen sind Hinweise etwa hinsichtlich der Bewertung von Indiztatsachen (vgl. Eschelbach , aaO, Rn. 39 ff.) nach dem Willen des Gesetzgebers auch künftig nicht erforderlich. Ebenso wenig muss das Gericht unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens vor der Urteilsberatung seine Beweiswürdigung offenlegen oder sich zum Inhalt und Ergebnis einzelner Beweiserhebungen erklären (vgl. BGH, Beschluss vom 3. September 1997 – 5 StR 237/97, BGHSt 43, 212, 215).
5
bb) Ein – protokollierungsbedürftiger – Hinweis gemäß § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO muss ferner nur gegeben werden, wenn er zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist. Er ist dementsprechend entbehrlich, wenn die Änderung der Sachlage durch den Gang der Hauptverhandlung für die Verfahrensbeteiligten ohne weiteres ersichtlich ist (zur st. Rspr. nach überkommener Gesetzeslage vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2015 – 4StR 332/15 mwN; siehe auch Eschelbach, aaO, Rn. 44). Veränderungen der Sachlage hinsichtlich unwesentlicher Umstände, etwa solcher aus dem Randgeschehen, lösen die Hinweispflicht nicht aus (vgl. Eschelbach, aaO, Rn.

38).


6
b) Um dem Revisionsgericht die Prüfung eines Verstoßes gegen § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO zu ermöglichen, muss der Revisionsführer gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO – wie schon bisher – zu allen genannten Voraussetzungen vollständig vortragen. Für die Prüfung der Erforderlichkeit des Hinweises ist namentlich darzulegen, ob der Revident durch den Gang der Hauptverhandlung über die Veränderung der Sachlage bereits zuverlässig unterrichtet war und ein ausdrücklicher Hinweis deshalb unterbleiben konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2015 – 4 StR 332/15 mwN). Schließlich muss – wenn sich dies nicht von selbst versteht – ausgeführt werden, inwieweit der Hinweis für die genügende Verteidigung des Angeklagten erforderlich war. Denn nur unter dieser Voraussetzung besteht für das Gericht überhaupt die Rechtspflicht, einen Hinweis zu erteilen. Deshalb ist in ausreichender Weise vorzutragen, warum der Angeklagte durch das Unterlassen des Hinweises in seiner Verteidigung beschränkt war und wie er sein Verteidigungsverhalten nach erfolgtem Hinweis anders hätte einrichten können (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1992 – 3 StR 519/91, BGHR StPO § 265 Abs. 1 Hinweispflicht 9 mwN).
7
c) Diesen Vortragspflichten ist nicht genügt. Entsprechend den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts lässt das Revisionsvorbringen nicht erkennen, inwieweit der Angeklagte sein Verteidigungsverhalten anders eingerichtet hätte, wenn er förmlich darauf hingewiesen worden wäre, dass das Gericht den von der Verteidigung initiierten Entlastungsbeweis für einen mehrmonatigen Abschnitt des Tatzeitraums (teilweise) als gelungen betrachtete und deshalb bei einigen Anklagefällen zum Freispruch neigte. Die insoweit eingetretene Entlastung des Angeklagten hat die Strafkammer in gebotenem Umfang auch in ihre sorgfältige Beweiswürdigung eingestellt.
8
2. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler nicht ergeben. Jedoch begegnen die ohne nähere Begründung auf § 184b Abs. 6, § 74 StGB gestützten Einziehungsentscheidungen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
9
Zwar ist bei einer Verurteilung gemäß § 184b Abs. 4 StGB aF wegen Sichverschaffens oder Besitzes kinderpornographischer Schriften eine Einziehung des für den Aufnahme- und Speichervorgang verwendeten Mobiltelefons bzw. Computers nebst Zubehör nach § 74 Abs. 1 StGB nF als Tatmittel möglich , während nach § 184b Abs. 6 Satz 1 StGB nF nur die Beziehungsgegenstände der Tat – hier also die Festplatten der zur Bildspeicherung genutzten Geräte – zwingend einzuziehen sind (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2012 – 4 StR 657/11, NStZ 2012, 319 mwN). Das Landgericht hat indes nicht er- kennbar beachtet, dass die Entscheidung nach § 74 Abs. 1 StGB im pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts steht.
10
Außerdem fehlen Feststellungen dazu, ob es technisch möglich ist, die Dateien in einer Weise von der Festplatte zu löschen, dass sie nicht mehr wiederhergestellt werden können. Diese wären aber zu treffen gewesen, weil für Anordnungen gemäß § 74 Abs. 1 und § 184b Abs. 6 StGB der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gilt (§ 74f StGB nF) und gegebenenfalls von den Möglichkeiten des § 74f Abs. 2 StGB Gebrauch gemacht werden muss. Danach können Einziehungen zunächst vorbehalten bleiben und weniger einschneidende Maßnahmen anzuordnen sein, wenn auch auf diese Weise der Einziehungszweck erreicht werden kann. Dies kann bei einer Speicherung von Bilddateien durch deren endgültige Löschung geschehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. November 2008 – 2 StR 501/08, BGHSt 53, 69, 71; vom 8. Februar 2012 – 4 StR 657/11, aaO; vom 28. August 2012 – 4 StR 278/12, BGHR StGB § 74b Abs. 2 Einziehung 1, und vom 18. Juni 2014 – 4 StR 128/14, NStZ-RR 2014,

274).


Sander Schneider König
Berger Mosbacher

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Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 234/14
vom
20. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. November
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
– in der Verhandlung –,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
– bei der Verkündung –
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
– in der Verhandlung –
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 15. Januar 2014 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 19 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision hat keinen Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen fuhr die gesondert verfolgte Zeugin K. in der Zeit von Anfang November 2011 bis zum 2. August 2012 auf Veranlassung des Angeklagten, ihres Ehemannes, in einem zweiwöchigen Rhythmus in die Niederlande, um dort zuvor von ihm bestellte Betäubungsmittel (Heroin und Kokain) abzuholen und anschließend versteckt in ihrem Pkw nach Deutschland zu verbringen. Das so beschaffte Kokain und jeweils 100 Gramm des Heroins behielten der Angeklagte und die Zeugin K. zum Eigenverbrauch zurück. Das restliche Heroin wurde von dem Angeklagten gestreckt und anschließend in Teilmengen verkauft. Die daraus erzielten Gewinne verwendete der Angeklagte zur Bezahlung der jeweils nachfolgend von ihm bestellten Drogenmenge und für den Lebensunterhalt. In der Zeit von November 2011 bis Mitte April 2012 verbrachte die Zeugin K. bei 10 Fahrten jeweils 300 Gramm Heroin und 75 Gramm Kokain auf das Bundesgebiet (Fälle 1 bis 10 der Urteilsgründe). Am 30. April, 8. und 22. Mai, 3., 14. und 28. Juni, sowie am 9. und 21. Juli 2012 kam es zu acht weiteren Fahrten, bei denen einmal 300 Gramm Heroin und 50 Gramm Kokain (Fahrt vom 28. Juni 2012) und im Übrigen jeweils 300 Gramm Heroin und 75 Gramm Kokain beschafft wurden (Fälle 11 bis 18 der Urteilsgründe). Das Heroin hatte jeweils einen Heroinhydrochlorid-Anteil von mindestens 20 %. Das Kokain wies in allen Fällen einen Kokainhydrochlorid -Anteil von mindestens 30 % auf. Am 2. August 2012 wurde die Zeugin K. bei ihrer Rückkehr von einer weiteren Beschaffungsfahrt festgenommen. Dabei konnten versteckt in ihrem Pkw 300,8 Gramm Heroin (62,5 Gramm Heroinhydrochlorid) und 74,9 Gramm Kokain (25,5 Gramm Kokainhydrochlorid) sichergestellt werden (Fall 19 der Urteilsgründe).

II.


3
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers besteht kein Verfahrenshindernis.
4
Die vom Landgericht unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 16. April 2013 erfüllt die Anforderungen, die nach § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO bei Serientaten an die Umgrenzungsfunktion zu stellen sind (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2013 – 5 StR 297/13, NStZ 2014, 49; Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 154 f.). Der Verfahrensgegenstand wird im Anklagesatz durch die An- gabe des Tatzeitraumes, der Tatfrequenz, die Nennung der Mindestzahl der innerhalb dieses Rahmens begangenen Taten und die Schilderung des Tatablaufes (Mindestmenge, Einkaufs- und Verkaufspreise, Transportmodalitäten, Streckung des Heroins vor dem Verkauf etc.) hinreichend bezeichnet.
5
Der anhand des in Bezug genommenen Antrages der Staatsanwaltschaft auszulegende Beschluss des Landgerichts vom 15. Januar 2014, mit dem das Verfahren teilweise nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist, bezieht sich auf den Zeitraum bis einschließlich Oktober 2011 und stand daher der Aburteilung der verfahrensgegenständlichen Taten nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2014 – 4 StR 69/14).
6
Der Umstand, dass das Landgericht in den Fällen 1 bis 10 von einer Übergabe der Betäubungsmittel in D. oder H. ausgegangen ist, während in der zugelassenen Anklage nur D. als Übergabeort benannt wird, hebt die Identität zwischen den angeklagten und den abgeurteilten Taten nicht auf. Die in der Anklage beschriebenen Taten sind durch weitere – von der Angabe des Übergabeortes unabhängige – Merkmale individualisiert. Die Hinzufügung eines zweiten lediglich alternativ in Betracht kommenden Übergabeortes stellt die „Nämlichkeit“ der Tat daher nicht in Frage (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2010 – 4 StR 407/09, NStZ 2010, 346, 347 mwN).

III.


7
Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
8
1. Die Rüge, das Landgericht habe gegen § 265 StPO verstoßen, weil der Angeklagte nicht darauf hingewiesen worden sei, dass in den Fällen 1 bis 10 der Urteilsgründe als Übergabeort für die Betäubungsmittel in den Niederlanden neben dem in der Anklageschrift genannten D. auch H. in Betracht komme und sich hinsichtlich der Fälle 11 bis 18 der Urteilsgründe in der Hauptverhandlung eine Konkretisierung der Tatzeiten ergeben habe, bleibt ohne Erfolg.
9
a) Die Rüge entspricht nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil sie sich nicht dazu verhält, ob der Angeklagte von den angeführten Veränderungen der Sachlage durch den Gang der Hauptverhandlung zuverlässig unterrichtet worden ist.
10
aa) Wird – wie hier – die verletzte Hinweispflicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 265 Abs. 1 StPO hergeleitet, weil es in der Hauptverhandlung zu einer Veränderung der tatsächlichen Urteilsgrundlage oder zu einer Konkretisierung eines allgemein gefassten Anklagesatzes gekommen ist, muss die Revision auch zum Verlauf der die veränderten Punkte betreffenden Beweisaufnahme vortragen. Andernfalls vermag das Revisionsgericht nicht zu beurteilen, ob der Angeklagte bereits aus dem Gang der Verhandlung erfahren hat, dass das Gericht die Verurteilung auf eine andere tatsächliche Grundlage stellen will und der vermisste konkrete Hinweis deshalb nicht mehr erforderlich war (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 1995 – 4 StR 60/95, S. 4 f.; Urteil vom 15. Januar 1991 – 1 StR 603/90, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Hinweispflicht 2; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 265 Rn. 118).
11
bb) Diesen Anforderungen wird das Revisionsvorbringen nicht gerecht. Es beschränkt sich auf die Behauptung, zu keinem Zeitpunkt konkret darauf hingewiesen worden zu sein, dass die Strafkammer in den Fällen 1 bis 10 H. als weiteren Übergabeort in Betracht zieht und in den Fällen 11 bis 18 konkrete Tatzeitpunkte für feststellbar hält (S. 4 f. der Revisionsbegründung). Mit der die veränderten Umstände betreffenden Beweisaufnahme, wie der Verlesung der Protokolle der die Fälle 11 bis 18 betreffenden Telefongespräche sowie von Ziffer 3.8 des polizeilichen Abschlussberichts vom 25. Januar 2013, der eine genaue Angabe der konkreten Tatzeiten enthielt (Bl. 50 f. des Protokollbandes , Bl. 321 ff. d.A.), setzt sich die Revision nicht auseinander. Danach können sowohl der zusätzliche Übergabeort, als auch die konkreten Tatzeiten mit ausreichender Deutlichkeit zur Sprache gekommen sein. Die Lücken im Vortrag werden auch nicht durch die Ausführungen der Strafkammer im angefochtenen Urteil geschlossen.
12
b) Dessen ungeachtet wäre die Rüge auch unbegründet. Weder hinsichtlich des weiteren Übergabeortes in den Niederlanden bei den Fällen 1 bis 10 der Urteilsgründe, noch in Bezug auf die Konkretisierung der Tatzeiten in den Fällen 11 bis 18 der Urteilsgründe war ein Hinweis geboten.
13
aa) Ob die Veränderung eines tatsächlichen Umstandes zu einer Hinweispflicht in entsprechender Anwendung des § 265 Abs. 1 StPO führt, hängt davon ab, ob sie in ihrem Gewicht der Veränderung eines rechtlichen Gesichtspunktes gleichsteht, auf die sich § 265 Abs. 1 StPO unmittelbar bezieht (BGH, Urteil vom 3. September 1963 – 5 StR 306/63, BGHSt 19, 88, 89). Dabei kommt es auf den Einzelfall an (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2011 – 1 StR 582/10, BGHSt 56, 121, wesentliche Veränderung des dem gesetzlichen Straftatbestand zugeordneten Tatverhaltens durch Austausch der Bezugstat beim Verdeckungsmord; Beschluss vom 8. November 2005 – 2 StR 296/05, NStZ-RR 2006, 213, 214, Tatzeitveränderung bei Alibibehauptung für die in der Anklage bezeichnete Tatzeit; Urteil vom 15. November 1978 – 2 StR 456/78, BGHSt 28, 196, 197 f., Annahme einer anderen schuldhaften Handlung als Ursache für den tatbestandsmäßigen Erfolg). Bei einer im Tatsächlichen ungenauen Fassung der Anklageschrift ist ein Hinweis entsprechend § 265 StPO grundsätzlich nicht vorgeschrieben, wenn im Laufe der Hauptverhandlung nähere Konkretisierungen von Einzelfällen durch die genauere Beschreibung von Tatmodalitäten oder Begleitumständen ergeben. Ein Hinweis kann nur ausnahmsweise geboten sein, etwa um das Recht des Angeklagten auf rechtliches Gehör oder den Schutz vor Überraschungsentscheidungen zu gewährleisten (BGH, Urteil vom 20. Februar 2003 – 3 StR 222/02, BGHSt 48, 221, 224 ff.; weiter gehend – aber nicht tragend entschieden – BGH, Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 157; Urteil vom 4. November 1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 299; Urteil vom 11. Januar 1994 – 5 StR 682/93, BGHSt 40, 44; weitere Nachweise bei LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 265 Rn. 78).
14
bb) Daran gemessen kam dem Umstand, dass sich in der Hauptverhandlung in den Fällen 1 bis 10 der Urteilsgründe ein weiterer Übergabeort ergeben hat, kein eine Hinweispflicht auslösendes Gewicht zu. Die den gesetzlichen Straftatbeständen zugeordneten Tathandlungen des Angeklagten und der Zeugin K. sind von der Veränderung nicht betroffen. Auch wurde die Tatrichtung dadurch in keiner Weise verändert. Dass die bestellten Betäubungsmittel von der ZeuginK. bei ihren regelmäßigen Beschaffungsfahrten nicht nur in D. , sondern auch in H. übernommen wurden, liegt innerhalb der möglichen Variationsbreite des Geschehensbildes der Tat im weiteren Sinne und konnte den Angeklagten daher nicht überraschen (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 1999 – 2 StR 530/98, BGHR StPO § 265 Abs. 4 Hinweispflicht

15).


15
Auch in den Fällen 11 bis 18 der Urteilsgründe bestand keine Hinweispflicht. Die unverändert zugelassene Anklageschrift ging davon aus, dass die Zeugin K. im Einvernehmen mit dem Angeklagten in einem „14-Tage- Rhythmus“ in die Niederlande gefahren ist, um dort Heroin für den gemein- samen Eigenkonsum und den gewinnbringenden Weiterverkauf durch den Angeklagten zu beschaffen. Das Landgericht hat in den Fällen 11 bis 18 konkrete Tatzeiten festgestellt. Die sich dabei ergebenden Intervalle zwischen den einzelnen Fahrten weichen von dem in der Anklageschrift angeführten „14-Tage- Rhythmus“ nur unwesentlich ab. Die hierzu von der Strafkammer als Be- weisgrundlage herangezogenen Ergebnisse der Telefonüberwachung und der GPS-Ortung des Fahrzeugs der Zeugin K. wurden bereits in der Anklageschrift als Beweismittel für die Anzahl der Fahrten angeführt. Der Angeklagte und die Verteidigung konnten von den Urteilsfeststellungen mithin auch nicht überrascht sein. Soweit der Senat in seinem Beschluss vom 19. Dezember 1995 (4 StR 691/95, NStZ 1996, 295 f.) bei einer nachträglichen Konkretisierung einer nur ungenau gefassten Anklage einen Hinweis entsprechend § 265 StPO für erforderlich gehalten hat, betraf dies einen anderen Fall.
16
2. Die Rüge, das Landgericht habe bei der Ablehnung des in der Hauptverhandlung vom 15. Januar 2014 gestellten Antrages auf Vernehmung des Zeugen POK R. zu belastenden Angaben des Zeugen Kr. im Rahmen eines neuen gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens gegen Verfahrensrecht verstoßen, hat weder als Beweisantragsrüge (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO), noch als Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) Erfolg.
17
a) Soweit ein Verstoß gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO geltend gemacht wird, ist die Rüge nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil sich die Revision in der Begründung (S. 5 bis 15 der Revisionsrechtfertigung) nicht dazu verhält, dass der Zeuge POK R. bereits in der Hauptverhandlung vom 13. November 2013 (Bl. 33 des Protokollbandes) vernommen wurde. Der Senat kann daher nicht prüfen, ob der Zeuge bei dieser Gelegenheit zu demselben Beweisthema gehört wurde und deshalb in dem Beweisverlangen vom 15. Januar 2014 kein Beweisantrag sondern nur eine Beweisanregung liegt, der das Gericht ohne Bindung an die Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 StPO lediglich im Rahmen seiner Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) nachzukommen hatte (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 1999 – 1 StR 590/98, NStZ 1999, 312; Urteil vom 21. Juni 1995 – 2 StR 67/95, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 32 mwN). Soweit an anderer Stelle (S. 52 der Revisionsrechtfertigung ) zu der Vernehmung des Zeugen POK R. am 13. November 2013 vorgetragen wird, ergibt sich daraus, dass die neuen Ermittlungen gegen den Zeugen Kr. bereits Gegenstand seiner Anhörung waren.
18
b) Die Rüge, das Landgericht habe bei der Ablehnung des Antrages gegen seine Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO verstoßen, ist ebenfalls nicht zulässig ausgeführt. Es fehlt an der Angabe hinreichend bestimmter Beweistatsachen , die mit dem bezeichneten Beweismittel hätten bewiesen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2007 – 5 StR 344/07, NStZ-RR 2008, 5 bei Sander/Cirener; Urteil vom 12. Mai 2005 – 5 StR 283/04, NJW 2005, 2242, 2243). Die Revision teilt dazu lediglich mit, die Vernehmung des Zeugen POK R. hätte zu dem Ergebnis geführt, dass der Zeuge Kr. anlässlich der gegen ihn geführten Ermittlungen die Zeugin B. weiterer Einfuhrfahrten bezichtigt hat und sich diese Anschuldigungen durch die weiteren Ermittlungen nicht bestätigen ließen (S. 15 der Revisionsrechtfertigung). Aus welchen Tatsachen sich die Schlussfolgerung ergeben soll, die Angaben des Zeugen Kr. hätten keine Bestätigung gefunden, lässt sich dem Vorbringen nicht entnehmen und wäre an dieser Stelle vorzutragen gewesen (vgl.
BGH, Urteil vom 25. August 1987 – 4 StR 210/87, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 4).
19
3. Die Rügen, das Landgericht habe gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen und bei der Ablehnung der Anträge auf Einholung eines Sachverständigengutachtens und Einvernahme der Zeugin M. gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO verstoßen, bleiben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts angeführten Gründen ohne Erfolg.

IV.


20
Die auf die Sachrüge hin erfolgte Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 582/10
vom
12. Januar 2011
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________
Der Austausch der Bezugstat bei Verdeckungsmord erfordert einen gerichtlichen
Hinweis.
BGH, Beschluss vom 12. Januar 2011 - 1 StR 582/10 - Landgericht München II
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Januar 2011 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
München II vom 12. Mai 2010 mit den Feststellungen aufgehoben
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Hiergegen richtet sich seine Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Sein Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.

2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen: Der Angeklagte war Hausmeister in einer Wohnanlage, in der auch das spätere Opfer, Frau K., wohnte. Er kümmerte sich um die 87-jährige Dame. Am 28. Oktober 2008 kam es in der Wohnung des Opfers zu einer streitigen Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Angeklagte Frau K. mit einem stumpfen Gegenstand zweimal von hinten auf den Kopf schlug oder sie mit dem Kopf gegen einen Gegenstand stieß. Aus Angst vor weiteren Konsequenzen entschloss er sich, das vorangegangene Geschehen zu verdecken, indem er sie tötete und dies als Unfall durch einen Sturz in die Badewanne erscheinen ließ. Er verbrachte Frau K. in die Badewanne, ließ Wasser einlaufen und drückte ihren Kopf so lange unter Wasser, bis sie ertrunken war.
3
Das Landgericht hat das Mordmerkmal "zur Verdeckung einer [anderen] Straftat" bejaht, weil es dem Angeklagten darauf angekommen sei, die vorangegangene Körperverletzung, bei der er Frau K. zwei Hämatome am Kopf beigebracht hatte, durch ein vorgetäuschtes Unfallgeschehen zu verdecken. Er habe damit vermeiden wollen, dass Frau K. wegen der vorangegangenen Körperverletzung Anzeige erstatten und er strafrechtlich verfolgt würde. Das Vorliegen des Mordmerkmals Heimtücke wurde verneint. Das Mordmerkmal Habgier wurde nicht erörtert.

II.

4
Der Beschwerdeführer rügt, das Gericht habe die Verurteilung auf eine - gegenüber der Anklage - jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht veränderte Grundlage gestützt, ohne dass ihm zuvor ein entsprechender Hinweis erteilt worden sei (vgl. § 265 StPO). Die Rüge dringt durch.
5
1. Der Verurteilung wegen Verdeckungsmord liegt nach den Feststellungen ein Tatbild zugrunde, das von demjenigen der Anklage wesentlich abweicht , wenn auch die Nämlichkeit der Tat (§ 264 StPO) gewahrt ist. Die - trotz der Formulierung "wegen Totschlags" im Eröffnungsbeschluss (vgl. Strafakten EA 2 I Bl. 436) - unverändert zugelassene Anklage hatte dem Angeklagten folgendes zur Last gelegt:
6
Der Angeklagte, der Vollmacht für die Konten der Frau K. hatte, habe über 50.000 € von einem Konto des Opfers abgehoben und zu einem überwiegenden Teil vereinnahmt. Darüber hinaus habe er Schmuck und zwei Pelzmäntel erhalten oder an sich genommen. Am 23. Oktober 2008 habe er aus einer Geldkassette des Opfers einen Betrag von 8.000 € entnommen und zur Begleichung eigener Schulden verwendet. Am 28. Oktober 2008 habe Frau K. den Fehlbetrag festgestellt und den Angeklagten deswegen beschuldigt. Es habe sich ein Streit entwickelt, in dessen Verlauf sich der Angeklagte entschlossen habe, Frau K. zu töten, um die erhaltenen Gegenstände behalten zu können und um die unberechtigte Einnahme von Bargeld zu vertuschen. Zu diesem Zweck habe er seinem Opfer, das sich zu diesem Zeitpunkt keines Angriffs versah und sich deswegen eines solchen auch nicht erwehren konnte, in Ausnutzung dieser Situation mit einem stumpfen Gegenstand zweimal von hinten auf den Kopf geschlagen. Frau K. habe diesen Angriff zwar überlebt, aber erhebliche Kopfverletzungen erlitten. Der Angeklagte habe dann überlegt, ob er Frau K. retten und ein Sturzgeschehen vortäuschen sollte, habe sich dann aber dafür entschieden, in Fortführung seines ursprünglichen Plans Frau K. zu töten. Er habe sie ins Badezimmer verbracht, in die Badewanne gelegt, Wasser in die Badewanne eingelassen und sie so lange unter die Wasseroberfläche gedrückt, bis sie schließlich ertrunken sei.
7
Der Schuldvorwurf der Anklage lautet, der Angeklagte habe eine fremde bewegliche Sache, die ihm anvertraut war, sich oder einem Dritten rechtswidrig zugeeignet und durch eine weitere Handlung aus Habgier, heimtückisch einen anderen Menschen getötet, um eine [andere] Straftat zu verdecken; strafbar als veruntreuende Unterschlagung in Tatmehrheit mit Mord (mit den drei angeführten Mordmerkmalen). Auf Seite 75 der Anklageschrift wird (unter VI. Rechtliches 2; vgl. EA 2 I Bl. 416) ausgeführt: Es liegt ferner der Tatbestand "des Verdeckens einer Straftat" vor. Dem Angeklagten kam es darauf an, zu verhindern, dass er wegen der von ihm vorangegangenen Unterschlagung von 8.000 € strafrechtlich belangt wird. Aus diesem Grund tarnte der Angeschuldigte sein Tötungsdelikt als Unfall, damit keine Nachforschungen nach dem Verbleib des Vermögens von Frau K. angestellt werden.
8
Das angefochtene Urteil dagegen gründet den Schuldvorwurf darauf, dass der Angeklagte eine vorausgegangene Körperverletzung verdecken wollte. Das Landgericht hat damit die "andere Straftat" (Bezugstat) in § 211 Abs. 2 StGB bei der Verdeckungsabsicht ausgetauscht. Dies hätte eines Hinweises nach § 265 StPO bedurft. Das Gericht, das den Schuldspruch innerhalb des Rahmens der angeklagten Tat (§ 264 StPO) auf einen gegenüber der Anklage im Tatsächlichen wesentlich veränderten Sachverhalt stützt, muss dem Angeklagten , um ihn vor einer Überraschungsentscheidung zu schützen, zuvor grundsätzlich einen entsprechenden Hinweis erteilen, das ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 12. Februar 1991 - 4 StR 506/90, StV 1991, 502 mwN; zur Entwicklung dieser Rechtsprechung vor 1988 vgl. Niemöller, Die Hinweispflicht des Tatrichters, 1988, S. 23 ff., 26 ff. mwN). Diese Hinweispflicht dient dem schutzwürdigen Verteidigungsinteresse des Angeklagten. Sie gilt auch und gerade für wesentliche Veränderungen des dem gesetzlichen Straftatbestand zugeordneten Tatverhaltens (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 3. Juli 1991 - 2 StR 132/91 mwN).
9
Die Abweichung in der Beschreibung des Tatverhaltens, das zur Ausfüllung des gesetzlichen Straftatbestandes gedient hat, war bei der vorliegenden Fallgestaltung wesentlich. Das Verhalten des Angeklagten, in dem die "andere Straftat" i.S.d. § 211 Abs. 2 StGB gesehen wurde, unterschied sich schon zeitlich erheblich von demjenigen, das die Anklage für tatbestandsmäßig hielt, und inhaltlich wurde ein Vermögensdelikt durch ein Körperverletzungsdelikt ersetzt.
10
Während frühere Rechtsprechung vereinzelt die Hinweispflicht nach § 265 StPO noch restriktiv annahm (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 28. April 1955 - 3 StR 13/55; auch BGH, Urteil vom 24. Februar 1976 - 1 StR 764/75), wurde bald erkannt, dass der gebotene Schutz des Angeklagten vor Überraschungsentscheidungen eine umfassende Hinweispflicht erfordert. Soweit der 5. Strafsenat (Beschluss vom 13. Dezember 1977 - 5 StR 728/77) einen Verstoß gegen § 265 Abs. 1 StPO verneint hat, wenn die Verurteilung bei gleich bleibendem Strafgesetz nur auf zum Teil andere Tatsachen gegründet wird, hat er einen Verfahrensfehler nur deshalb verneint, "da der Angeklagte durch den Gang der Hauptverhandlung über die Veränderung der Sachlage unterrichtet worden ist".
11
Der erkennende Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 17. Juli 1962 - 1 StR 266/62 bei einem Hinweis auf das Mordmerkmal zur Verdeckung einer anderen Straftat die Klarstellung gefordert, "welche andere Straftat der Angeklagte nach der Meinung des Gerichts hätte verdecken können". Zutreffend hat der 5. Strafsenat schon in seinem Urteil vom 24. Mai 1955 (5 StR 143/55) im Fall der Verurteilung wegen Vollrausches einen Hinweis nach § 265 StPO selbst dann gefordert, wenn die Rauschtat als ledigliche Bedingung der Strafbarkeit rechtlich anders beurteilt werden soll. Dies legt nahe, dass ein Hinweis erst recht geboten ist, wenn die Rauschtat vollständig ausgetauscht wird. Der 3. Strafsenat hat zu Recht bei einer Verurteilung wegen Vereitelns der Zwangsvollstreckung einen Verstoß gegen § 265 (Abs. 4) StPO darin gesehen, dass der Angeklagte nicht darauf hingewiesen wurde, dass eine andere Forderung bei § 288 StGB zugrunde gelegt wurde; der Austausch einer Forderung, deren Durchsetzung der Angeklagte vereitelt haben soll, erfordert einen gerichtlichen Hinweis (BGH, Beschluss vom 2. Februar 1990 - 3 StR 480/89, BGHR StPO § 265 Abs. 4 Hinweispflicht 8 und StV 1990, 249, 250). Gerade wenn es ständiger Rechtsprechung entspricht, dass ein richterlicher Hinweis nach § 265 StPO gewissen Mindestanforderungen entsprechen muss, wozu auch die Angabe gehört, durch welche Tatsachen das Gericht die gesetzlichen Merkmale als erfüllt ansieht (vgl. hierzu u.a. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2007 - 2 StR 555/06; BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2006 - 4 StR 335/06 Rn. 10; BGH, Beschluss vom 21. April 2004 - 2 StR 363/03 mwN; BGH, Urteil vom 24. November 1992 - 1 StR 368/92 mwN), liegt es nahe, überhaupt einen entsprechenden Hinweis zu verlangen, wenn - wie hier - das Tatverhalten, das zur Ausfüllung des gesetzlichen Straftatbestandes dient, wesentlich von dem Anklagevorwurf abweicht. Denn Zweck des § 265 StPO ist es, dem Angeklagten Gelegenheit zu geben, sich gegenüber dem neuen Vorwurf zu verteidigen, und ihn vor Überraschungen zu schützen (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 4. April 1995 - 1 StR 772/94).
12
Der Austausch der Bezugstat bei Verdeckungsmord erfordert daher einen gerichtlichen Hinweis.
13
2. Dieser Hinweis ist dem Angeklagten - wie er mit Recht rügt - nicht gegeben worden. Dabei kann hier dahingestellt bleiben, ob es statt eines besonderen Hinweises genügt, dass dem Angeklagten durch den Gang der Hauptverhandlung die Kenntnis vermittelt wird, welches Verhalten das Gericht als tatbestandsmäßig werten und zur Grundlage des Schuldvorwurfs machen will. Denn im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass dem Angeklagten diese Kenntnis vom Gericht auch nicht durch den Gang der Verhandlung vermittelt worden ist.
14
Unerheblich ist insoweit, dass der Staatsanwalt in seinem Schlussvortrag der Verdeckungsabsicht als neue Bezugstat eine Körperverletzung zugeordnet hat (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 10. August 2005 - 2 StR 206/05). Maßgeblich ist nämlich, dass eine andere Betrachtung nach Auffassungdes Gerichts in Betracht kommt (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1963 - 1 StR 553/62, BGHSt 19, 141 ff.; BGH, Urteil vom 15. November 1978 - 2 StR 456/78, BGHSt 28, 196, 198; BGH, Urteil vom 8. März 1988 - 1 StR 14/88, StV 1988, 329; BGH, Urteil vom 17. Oktober 2006 - 4 StR 335/06 Rn. 11 mwN). Allerdings war vor dem Plädoyer in der Hauptverhandlung folgender Gerichtsbeschluss ergangen: Das Verfahren wird gemäß § 154 II StPO auf Antrag des Staatsanwalts insoweit eingestellt, als gegen den Angeklagten der Vorwurf "veruntreuter" Unterschlagung erhoben worden ist, weil eine deshalb zu verhängende Strafe im Falle des Schuldspruchs wegen des weiteren Anklagegegenstandes nicht ins "Gericht" fiele.
15
Diesem Beschluss lässt sich schon nicht entnehmen, dass das Landgericht den Vorwurf der Verdeckungsabsicht wegen eines Vermögensdeliktes gänzlich fallen lassen wollte. Es hat damit zwar die - in Tatmehrheit stehende - mitangeklagte veruntreuende Unterschlagung der 8.000 € vorläufig eingestellt, auf die sich - wie die rechtlichen Ausführungen auf S. 75 der Anklageschrift belegen - die Verdeckungsabsicht beziehen sollte, es hat sich aber nicht dazu verhalten , ob die nach der Anklageschrift einbehaltenen weiteren Gelder, Schmuckstücke oder Pelzmäntel als Bezugstat für den Verdeckungsmord in Betracht kamen. Der Revisionsführer hat in seiner sehr sorgfältig begründeten Revision dargelegt, dass er sich hiergegen auch nach dem Beschluss gemäß § 154 Abs. 2 StPO zur Wehr gesetzt hat. Vor allem jedoch wurde durch diesen Beschluss nicht ersichtlich, dass das Gericht als neue Bezugstat die Körperverletzung zugrunde legen wollte. In der Anklageschrift wurden zwar die beiden Schläge angeführt, aber nicht in dem Sinne, dass sie mit Körperverletzungsvorsatz geführt wurden, sondern vielmehr bereits in Tötungsabsicht. Danach lag als "andere Straftat" eine Körperverletzung nicht nahe. Der Annahme eines Verdeckungsmordes steht zwar nicht entgegen, wenn sich bereits die zu verdeckende Vortat gegen Leib und Leben des Opfers richtet und unmittelbar in die Tötung zur Verdeckung des vorausgegangenen Geschehens übergeht. Um eine andere - zu verdeckende - Straftat i.S.d. § 211 Abs. 2 StGB handelt es sich jedoch dann nicht, wenn der Täter nur diejenige Tat verdecken will, die er gerade begeht. Dies ist dann der Fall, wenn während einer einheitlichen Tötungshandlung die Verdeckungsabsicht nur noch als weiteres Motiv für die Tötung hinzutritt (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 12. Juni 2001 - 5 StR 432/00, NStZ 2002, 253, 254; BGH, Beschluss vom 10. Mai 2000 - 1 StR 617/99, NStZ 2000, 498, 499). Der Angeklagte musste nach den getroffenen Feststellungen nicht damit rechnen, das Landgericht würde als "andere Straftat" die beiden Schläge heranziehen. Das Landgericht ist in seiner rechtlichen Würdigung (UA S. 61) im Übrigen selbst davon ausgegangen, die vorsätzliche Körperverletzung sei gegenüber dem Mord "subsidiär", was eher nicht auf eine "andere Straftat" hinweist.
16
Da weder die Revisionsgegenerklärung noch dienstliche Äußerungen das Gegenteil bekunden (vgl. auch BGH, Urteil vom 15. November 1978 - 2 StR 456/78, BGHSt 28, 196, 199), ist davon auszugehen, dass das Gericht den erforderlichen Hinweis nicht - auch nicht durch den Gang der Hauptverhandlung - erteilt hat.
17
3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht. Die Revision begründet überzeugend, dass der Angeklagte, wenn er vom Gericht den entsprechenden Hinweis erhalten hätte, sich anders und wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Es kann insbesondere nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte, der in der Hauptverhandlung lediglich angegeben hat, Frau K. nicht umgebracht und keinerlei Gelder oder Gegenstände unterschlagen zu haben (UA S. 13), seine Verteidigungsstrategie dahin geändert hätte, sich nunmehr umfänglich in der Sache einzulassen, sei es um weiterhin einen Freispruch zu erreichen, sei es auch z.B. um einen Schuldspruch "nur" wegen Totschlags statt wegen Mordes zu erstreben, indem er - wie oben ausgeführt - Umstände vorgetragen hätte, die eine zu verdeckende "andere Straftat" entfallen lassen.
18
Der Hinweis richtet sich im Übrigen auch an den Verteidiger (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 1992 - 1 StR 368/92 mwN); dieser hat hier im Einzelnen dargelegt, was er bei einem ordnungsgemäßen Hinweis noch vorgebracht hätte. Nack Wahl Rothfuß Elf Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 234/14
vom
20. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. November
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
– in der Verhandlung –,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
– bei der Verkündung –
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
– in der Verhandlung –
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 15. Januar 2014 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 19 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision hat keinen Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen fuhr die gesondert verfolgte Zeugin K. in der Zeit von Anfang November 2011 bis zum 2. August 2012 auf Veranlassung des Angeklagten, ihres Ehemannes, in einem zweiwöchigen Rhythmus in die Niederlande, um dort zuvor von ihm bestellte Betäubungsmittel (Heroin und Kokain) abzuholen und anschließend versteckt in ihrem Pkw nach Deutschland zu verbringen. Das so beschaffte Kokain und jeweils 100 Gramm des Heroins behielten der Angeklagte und die Zeugin K. zum Eigenverbrauch zurück. Das restliche Heroin wurde von dem Angeklagten gestreckt und anschließend in Teilmengen verkauft. Die daraus erzielten Gewinne verwendete der Angeklagte zur Bezahlung der jeweils nachfolgend von ihm bestellten Drogenmenge und für den Lebensunterhalt. In der Zeit von November 2011 bis Mitte April 2012 verbrachte die Zeugin K. bei 10 Fahrten jeweils 300 Gramm Heroin und 75 Gramm Kokain auf das Bundesgebiet (Fälle 1 bis 10 der Urteilsgründe). Am 30. April, 8. und 22. Mai, 3., 14. und 28. Juni, sowie am 9. und 21. Juli 2012 kam es zu acht weiteren Fahrten, bei denen einmal 300 Gramm Heroin und 50 Gramm Kokain (Fahrt vom 28. Juni 2012) und im Übrigen jeweils 300 Gramm Heroin und 75 Gramm Kokain beschafft wurden (Fälle 11 bis 18 der Urteilsgründe). Das Heroin hatte jeweils einen Heroinhydrochlorid-Anteil von mindestens 20 %. Das Kokain wies in allen Fällen einen Kokainhydrochlorid -Anteil von mindestens 30 % auf. Am 2. August 2012 wurde die Zeugin K. bei ihrer Rückkehr von einer weiteren Beschaffungsfahrt festgenommen. Dabei konnten versteckt in ihrem Pkw 300,8 Gramm Heroin (62,5 Gramm Heroinhydrochlorid) und 74,9 Gramm Kokain (25,5 Gramm Kokainhydrochlorid) sichergestellt werden (Fall 19 der Urteilsgründe).

II.


3
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers besteht kein Verfahrenshindernis.
4
Die vom Landgericht unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 16. April 2013 erfüllt die Anforderungen, die nach § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO bei Serientaten an die Umgrenzungsfunktion zu stellen sind (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2013 – 5 StR 297/13, NStZ 2014, 49; Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 154 f.). Der Verfahrensgegenstand wird im Anklagesatz durch die An- gabe des Tatzeitraumes, der Tatfrequenz, die Nennung der Mindestzahl der innerhalb dieses Rahmens begangenen Taten und die Schilderung des Tatablaufes (Mindestmenge, Einkaufs- und Verkaufspreise, Transportmodalitäten, Streckung des Heroins vor dem Verkauf etc.) hinreichend bezeichnet.
5
Der anhand des in Bezug genommenen Antrages der Staatsanwaltschaft auszulegende Beschluss des Landgerichts vom 15. Januar 2014, mit dem das Verfahren teilweise nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist, bezieht sich auf den Zeitraum bis einschließlich Oktober 2011 und stand daher der Aburteilung der verfahrensgegenständlichen Taten nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2014 – 4 StR 69/14).
6
Der Umstand, dass das Landgericht in den Fällen 1 bis 10 von einer Übergabe der Betäubungsmittel in D. oder H. ausgegangen ist, während in der zugelassenen Anklage nur D. als Übergabeort benannt wird, hebt die Identität zwischen den angeklagten und den abgeurteilten Taten nicht auf. Die in der Anklage beschriebenen Taten sind durch weitere – von der Angabe des Übergabeortes unabhängige – Merkmale individualisiert. Die Hinzufügung eines zweiten lediglich alternativ in Betracht kommenden Übergabeortes stellt die „Nämlichkeit“ der Tat daher nicht in Frage (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2010 – 4 StR 407/09, NStZ 2010, 346, 347 mwN).

III.


7
Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
8
1. Die Rüge, das Landgericht habe gegen § 265 StPO verstoßen, weil der Angeklagte nicht darauf hingewiesen worden sei, dass in den Fällen 1 bis 10 der Urteilsgründe als Übergabeort für die Betäubungsmittel in den Niederlanden neben dem in der Anklageschrift genannten D. auch H. in Betracht komme und sich hinsichtlich der Fälle 11 bis 18 der Urteilsgründe in der Hauptverhandlung eine Konkretisierung der Tatzeiten ergeben habe, bleibt ohne Erfolg.
9
a) Die Rüge entspricht nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil sie sich nicht dazu verhält, ob der Angeklagte von den angeführten Veränderungen der Sachlage durch den Gang der Hauptverhandlung zuverlässig unterrichtet worden ist.
10
aa) Wird – wie hier – die verletzte Hinweispflicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 265 Abs. 1 StPO hergeleitet, weil es in der Hauptverhandlung zu einer Veränderung der tatsächlichen Urteilsgrundlage oder zu einer Konkretisierung eines allgemein gefassten Anklagesatzes gekommen ist, muss die Revision auch zum Verlauf der die veränderten Punkte betreffenden Beweisaufnahme vortragen. Andernfalls vermag das Revisionsgericht nicht zu beurteilen, ob der Angeklagte bereits aus dem Gang der Verhandlung erfahren hat, dass das Gericht die Verurteilung auf eine andere tatsächliche Grundlage stellen will und der vermisste konkrete Hinweis deshalb nicht mehr erforderlich war (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 1995 – 4 StR 60/95, S. 4 f.; Urteil vom 15. Januar 1991 – 1 StR 603/90, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Hinweispflicht 2; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 265 Rn. 118).
11
bb) Diesen Anforderungen wird das Revisionsvorbringen nicht gerecht. Es beschränkt sich auf die Behauptung, zu keinem Zeitpunkt konkret darauf hingewiesen worden zu sein, dass die Strafkammer in den Fällen 1 bis 10 H. als weiteren Übergabeort in Betracht zieht und in den Fällen 11 bis 18 konkrete Tatzeitpunkte für feststellbar hält (S. 4 f. der Revisionsbegründung). Mit der die veränderten Umstände betreffenden Beweisaufnahme, wie der Verlesung der Protokolle der die Fälle 11 bis 18 betreffenden Telefongespräche sowie von Ziffer 3.8 des polizeilichen Abschlussberichts vom 25. Januar 2013, der eine genaue Angabe der konkreten Tatzeiten enthielt (Bl. 50 f. des Protokollbandes , Bl. 321 ff. d.A.), setzt sich die Revision nicht auseinander. Danach können sowohl der zusätzliche Übergabeort, als auch die konkreten Tatzeiten mit ausreichender Deutlichkeit zur Sprache gekommen sein. Die Lücken im Vortrag werden auch nicht durch die Ausführungen der Strafkammer im angefochtenen Urteil geschlossen.
12
b) Dessen ungeachtet wäre die Rüge auch unbegründet. Weder hinsichtlich des weiteren Übergabeortes in den Niederlanden bei den Fällen 1 bis 10 der Urteilsgründe, noch in Bezug auf die Konkretisierung der Tatzeiten in den Fällen 11 bis 18 der Urteilsgründe war ein Hinweis geboten.
13
aa) Ob die Veränderung eines tatsächlichen Umstandes zu einer Hinweispflicht in entsprechender Anwendung des § 265 Abs. 1 StPO führt, hängt davon ab, ob sie in ihrem Gewicht der Veränderung eines rechtlichen Gesichtspunktes gleichsteht, auf die sich § 265 Abs. 1 StPO unmittelbar bezieht (BGH, Urteil vom 3. September 1963 – 5 StR 306/63, BGHSt 19, 88, 89). Dabei kommt es auf den Einzelfall an (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2011 – 1 StR 582/10, BGHSt 56, 121, wesentliche Veränderung des dem gesetzlichen Straftatbestand zugeordneten Tatverhaltens durch Austausch der Bezugstat beim Verdeckungsmord; Beschluss vom 8. November 2005 – 2 StR 296/05, NStZ-RR 2006, 213, 214, Tatzeitveränderung bei Alibibehauptung für die in der Anklage bezeichnete Tatzeit; Urteil vom 15. November 1978 – 2 StR 456/78, BGHSt 28, 196, 197 f., Annahme einer anderen schuldhaften Handlung als Ursache für den tatbestandsmäßigen Erfolg). Bei einer im Tatsächlichen ungenauen Fassung der Anklageschrift ist ein Hinweis entsprechend § 265 StPO grundsätzlich nicht vorgeschrieben, wenn im Laufe der Hauptverhandlung nähere Konkretisierungen von Einzelfällen durch die genauere Beschreibung von Tatmodalitäten oder Begleitumständen ergeben. Ein Hinweis kann nur ausnahmsweise geboten sein, etwa um das Recht des Angeklagten auf rechtliches Gehör oder den Schutz vor Überraschungsentscheidungen zu gewährleisten (BGH, Urteil vom 20. Februar 2003 – 3 StR 222/02, BGHSt 48, 221, 224 ff.; weiter gehend – aber nicht tragend entschieden – BGH, Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 157; Urteil vom 4. November 1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 299; Urteil vom 11. Januar 1994 – 5 StR 682/93, BGHSt 40, 44; weitere Nachweise bei LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 265 Rn. 78).
14
bb) Daran gemessen kam dem Umstand, dass sich in der Hauptverhandlung in den Fällen 1 bis 10 der Urteilsgründe ein weiterer Übergabeort ergeben hat, kein eine Hinweispflicht auslösendes Gewicht zu. Die den gesetzlichen Straftatbeständen zugeordneten Tathandlungen des Angeklagten und der Zeugin K. sind von der Veränderung nicht betroffen. Auch wurde die Tatrichtung dadurch in keiner Weise verändert. Dass die bestellten Betäubungsmittel von der ZeuginK. bei ihren regelmäßigen Beschaffungsfahrten nicht nur in D. , sondern auch in H. übernommen wurden, liegt innerhalb der möglichen Variationsbreite des Geschehensbildes der Tat im weiteren Sinne und konnte den Angeklagten daher nicht überraschen (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 1999 – 2 StR 530/98, BGHR StPO § 265 Abs. 4 Hinweispflicht

15).


15
Auch in den Fällen 11 bis 18 der Urteilsgründe bestand keine Hinweispflicht. Die unverändert zugelassene Anklageschrift ging davon aus, dass die Zeugin K. im Einvernehmen mit dem Angeklagten in einem „14-Tage- Rhythmus“ in die Niederlande gefahren ist, um dort Heroin für den gemein- samen Eigenkonsum und den gewinnbringenden Weiterverkauf durch den Angeklagten zu beschaffen. Das Landgericht hat in den Fällen 11 bis 18 konkrete Tatzeiten festgestellt. Die sich dabei ergebenden Intervalle zwischen den einzelnen Fahrten weichen von dem in der Anklageschrift angeführten „14-Tage- Rhythmus“ nur unwesentlich ab. Die hierzu von der Strafkammer als Be- weisgrundlage herangezogenen Ergebnisse der Telefonüberwachung und der GPS-Ortung des Fahrzeugs der Zeugin K. wurden bereits in der Anklageschrift als Beweismittel für die Anzahl der Fahrten angeführt. Der Angeklagte und die Verteidigung konnten von den Urteilsfeststellungen mithin auch nicht überrascht sein. Soweit der Senat in seinem Beschluss vom 19. Dezember 1995 (4 StR 691/95, NStZ 1996, 295 f.) bei einer nachträglichen Konkretisierung einer nur ungenau gefassten Anklage einen Hinweis entsprechend § 265 StPO für erforderlich gehalten hat, betraf dies einen anderen Fall.
16
2. Die Rüge, das Landgericht habe bei der Ablehnung des in der Hauptverhandlung vom 15. Januar 2014 gestellten Antrages auf Vernehmung des Zeugen POK R. zu belastenden Angaben des Zeugen Kr. im Rahmen eines neuen gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens gegen Verfahrensrecht verstoßen, hat weder als Beweisantragsrüge (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO), noch als Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) Erfolg.
17
a) Soweit ein Verstoß gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO geltend gemacht wird, ist die Rüge nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil sich die Revision in der Begründung (S. 5 bis 15 der Revisionsrechtfertigung) nicht dazu verhält, dass der Zeuge POK R. bereits in der Hauptverhandlung vom 13. November 2013 (Bl. 33 des Protokollbandes) vernommen wurde. Der Senat kann daher nicht prüfen, ob der Zeuge bei dieser Gelegenheit zu demselben Beweisthema gehört wurde und deshalb in dem Beweisverlangen vom 15. Januar 2014 kein Beweisantrag sondern nur eine Beweisanregung liegt, der das Gericht ohne Bindung an die Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 StPO lediglich im Rahmen seiner Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) nachzukommen hatte (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 1999 – 1 StR 590/98, NStZ 1999, 312; Urteil vom 21. Juni 1995 – 2 StR 67/95, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 32 mwN). Soweit an anderer Stelle (S. 52 der Revisionsrechtfertigung ) zu der Vernehmung des Zeugen POK R. am 13. November 2013 vorgetragen wird, ergibt sich daraus, dass die neuen Ermittlungen gegen den Zeugen Kr. bereits Gegenstand seiner Anhörung waren.
18
b) Die Rüge, das Landgericht habe bei der Ablehnung des Antrages gegen seine Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO verstoßen, ist ebenfalls nicht zulässig ausgeführt. Es fehlt an der Angabe hinreichend bestimmter Beweistatsachen , die mit dem bezeichneten Beweismittel hätten bewiesen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2007 – 5 StR 344/07, NStZ-RR 2008, 5 bei Sander/Cirener; Urteil vom 12. Mai 2005 – 5 StR 283/04, NJW 2005, 2242, 2243). Die Revision teilt dazu lediglich mit, die Vernehmung des Zeugen POK R. hätte zu dem Ergebnis geführt, dass der Zeuge Kr. anlässlich der gegen ihn geführten Ermittlungen die Zeugin B. weiterer Einfuhrfahrten bezichtigt hat und sich diese Anschuldigungen durch die weiteren Ermittlungen nicht bestätigen ließen (S. 15 der Revisionsrechtfertigung). Aus welchen Tatsachen sich die Schlussfolgerung ergeben soll, die Angaben des Zeugen Kr. hätten keine Bestätigung gefunden, lässt sich dem Vorbringen nicht entnehmen und wäre an dieser Stelle vorzutragen gewesen (vgl.
BGH, Urteil vom 25. August 1987 – 4 StR 210/87, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 4).
19
3. Die Rügen, das Landgericht habe gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen und bei der Ablehnung der Anträge auf Einholung eines Sachverständigengutachtens und Einvernahme der Zeugin M. gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO verstoßen, bleiben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts angeführten Gründen ohne Erfolg.

IV.


20
Die auf die Sachrüge hin erfolgte Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR332/15
vom
21. Oktober 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 21. Oktober 2015 einstimmig beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Arnsberg vom 19. März 2015 wird als unbegründet verworfen, da die
Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zum Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts bemerkt der
Senat:
Die Verfahrensrüge, mit welcher der Beschwerdeführer beanstandet, das
Landgericht habe der Verurteilung eine von der Anklage abweichende Tatzeit zugrunde
gelegt, ohne in der Hauptverhandlung einen entsprechenden Hinweis zu erteilen
, ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil die Revision verschweigt
, dass in der Hauptverhandlung am 16. Dezember 2014 ein Haftfortdauerbeschluss
verkündet worden ist, in dessen Gründen die Strafkammer bei der Darlegung
des dringenden Tatverdachts einen gegenüber dem Anklagevorwurf erweiterten
, die im Urteil festgestellte Tatzeit umfassenden Tatzeitraum angenommen hat.
Dieser Mitteilung hätte es bedurft, um dem Senat die Prüfung zu ermöglichen, ob der
Beschwerdeführer über die Veränderung der Sachlage hinsichtlich der Tatzeit durch
den Gang der Hauptverhandlung unterrichtet worden ist (vgl. BGH, Urteil vom
20. November 2014 – 4 StR 234/14, NStZ 2015, 233; Beschluss vom 8. November
2005 – 2 StR 296/05, StV 2006, 121; Urteile vom 17. November 1998 – 1 StR
450/98, NJW 1999, 802; vom 22. Januar 1991 – 5 StR 498/90, BGHR StPO § 265
Abs. 4 Hinweispflicht 12).
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Bender

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
einen kinderpornographischen Inhalt verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht; kinderpornographisch ist ein pornographischer Inhalt (§ 11 Absatz 3), wenn er zum Gegenstand hat:
a)
sexuelle Handlungen von, an oder vor einer Person unter vierzehn Jahren (Kind),
b)
die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung oder
c)
die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes eines Kindes,
2.
es unternimmt, einer anderen Person einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, zugänglich zu machen oder den Besitz daran zu verschaffen,
3.
einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches Geschehen wiedergibt, herstellt oder
4.
einen kinderpornographischen Inhalt herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 oder der Nummer 2 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen, soweit die Tat nicht nach Nummer 3 mit Strafe bedroht ist.
Gibt der kinderpornographische Inhalt in den Fällen von Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 4 kein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(2) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, und gibt der Inhalt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.

(3) Wer es unternimmt, einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, abzurufen oder sich den Besitz an einem solchen Inhalt zu verschaffen oder wer einen solchen Inhalt besitzt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

(4) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 Nummer 1 strafbar.

(5) Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Absatz 3 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der rechtmäßigen Erfüllung von Folgendem dienen:

1.
staatlichen Aufgaben,
2.
Aufgaben, die sich aus Vereinbarungen mit einer zuständigen staatlichen Stelle ergeben, oder
3.
dienstlichen oder beruflichen Pflichten.

(6) Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 und Satz 2 gilt nicht für dienstliche Handlungen im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, wenn

1.
die Handlung sich auf einen kinderpornographischen Inhalt bezieht, der kein tatsächliches Geschehen wiedergibt und auch nicht unter Verwendung einer Bildaufnahme eines Kindes oder Jugendlichen hergestellt worden ist, und
2.
die Aufklärung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

(7) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder Absatz 3 bezieht, werden eingezogen. § 74a ist anzuwenden.

(1) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden.

(2) Gegenstände, auf die sich eine Straftat bezieht (Tatobjekte), unterliegen der Einziehung nach der Maßgabe besonderer Vorschriften.

(3) Die Einziehung ist nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen. Das gilt auch für die Einziehung, die durch eine besondere Vorschrift über Absatz 1 hinaus vorgeschrieben oder zugelassen ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
einen kinderpornographischen Inhalt verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht; kinderpornographisch ist ein pornographischer Inhalt (§ 11 Absatz 3), wenn er zum Gegenstand hat:
a)
sexuelle Handlungen von, an oder vor einer Person unter vierzehn Jahren (Kind),
b)
die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung oder
c)
die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes eines Kindes,
2.
es unternimmt, einer anderen Person einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, zugänglich zu machen oder den Besitz daran zu verschaffen,
3.
einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches Geschehen wiedergibt, herstellt oder
4.
einen kinderpornographischen Inhalt herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 oder der Nummer 2 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen, soweit die Tat nicht nach Nummer 3 mit Strafe bedroht ist.
Gibt der kinderpornographische Inhalt in den Fällen von Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 4 kein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(2) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, und gibt der Inhalt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.

(3) Wer es unternimmt, einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, abzurufen oder sich den Besitz an einem solchen Inhalt zu verschaffen oder wer einen solchen Inhalt besitzt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

(4) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 Nummer 1 strafbar.

(5) Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Absatz 3 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der rechtmäßigen Erfüllung von Folgendem dienen:

1.
staatlichen Aufgaben,
2.
Aufgaben, die sich aus Vereinbarungen mit einer zuständigen staatlichen Stelle ergeben, oder
3.
dienstlichen oder beruflichen Pflichten.

(6) Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 und Satz 2 gilt nicht für dienstliche Handlungen im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, wenn

1.
die Handlung sich auf einen kinderpornographischen Inhalt bezieht, der kein tatsächliches Geschehen wiedergibt und auch nicht unter Verwendung einer Bildaufnahme eines Kindes oder Jugendlichen hergestellt worden ist, und
2.
die Aufklärung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

(7) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder Absatz 3 bezieht, werden eingezogen. § 74a ist anzuwenden.

(1) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden.

(2) Gegenstände, auf die sich eine Straftat bezieht (Tatobjekte), unterliegen der Einziehung nach der Maßgabe besonderer Vorschriften.

(3) Die Einziehung ist nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen. Das gilt auch für die Einziehung, die durch eine besondere Vorschrift über Absatz 1 hinaus vorgeschrieben oder zugelassen ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
einen kinderpornographischen Inhalt verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht; kinderpornographisch ist ein pornographischer Inhalt (§ 11 Absatz 3), wenn er zum Gegenstand hat:
a)
sexuelle Handlungen von, an oder vor einer Person unter vierzehn Jahren (Kind),
b)
die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung oder
c)
die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes eines Kindes,
2.
es unternimmt, einer anderen Person einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, zugänglich zu machen oder den Besitz daran zu verschaffen,
3.
einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches Geschehen wiedergibt, herstellt oder
4.
einen kinderpornographischen Inhalt herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 oder der Nummer 2 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen, soweit die Tat nicht nach Nummer 3 mit Strafe bedroht ist.
Gibt der kinderpornographische Inhalt in den Fällen von Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 4 kein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(2) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, und gibt der Inhalt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.

(3) Wer es unternimmt, einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, abzurufen oder sich den Besitz an einem solchen Inhalt zu verschaffen oder wer einen solchen Inhalt besitzt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

(4) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 Nummer 1 strafbar.

(5) Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Absatz 3 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der rechtmäßigen Erfüllung von Folgendem dienen:

1.
staatlichen Aufgaben,
2.
Aufgaben, die sich aus Vereinbarungen mit einer zuständigen staatlichen Stelle ergeben, oder
3.
dienstlichen oder beruflichen Pflichten.

(6) Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 und Satz 2 gilt nicht für dienstliche Handlungen im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, wenn

1.
die Handlung sich auf einen kinderpornographischen Inhalt bezieht, der kein tatsächliches Geschehen wiedergibt und auch nicht unter Verwendung einer Bildaufnahme eines Kindes oder Jugendlichen hergestellt worden ist, und
2.
die Aufklärung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

(7) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder Absatz 3 bezieht, werden eingezogen. § 74a ist anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 657/11
vom
8. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 8. Februar 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 15. August 2011
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Sichverschaffen kinderpornographischer Schriften sowie des Sichverschaffens kinderpornographischer Schriften schuldig ist,
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Einziehung des Notebooks „Sony“ mit Netzkabel angeordnet worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer – Jugendschutzkammer – des Landgerichts Magdeburg zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen zweifachen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitz kinderpornographischer Schriften sowie Besitzes kinderpornographischer Schriften unter Freisprechung im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Zugleich hat es seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet und sein Notebook „Sony“ mit Netzka- bel eingezogen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit einer Verfahrensrüge und der näher ausgeführten Sachrüge. Sein Rechtsmittel führt zu einer Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung der Einziehungsanordnung. Im Übrigen ist es unbegründet.
2
1. Der Senat hat den Schuldspruch wie aus dem Tenor ersichtlich geändert , weil sich der Angeklagte in den Fällen II. 2 und II. 3 der Urteilsgründe jeweils (auch) des Sichverschaffens von kinderpornographischen Schriften nach § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB schuldig gemacht hat.
3
Nach den Feststellungen nahm der Angeklagte im Fall II. 2 der Urteilsgründe den von ihm begangenen schweren sexuellen Missbrauch seiner dreijährigen Enkeltochter mit seiner Videokamera auf, um die Aufnahme später für sich verwenden zu können. Im Fall II. 3 der Urteilsgründe lud der Angeklagte 67 kinderpornographische Bilddateien, die ein tatsächliches Geschehen wiedergeben , auf seinen Laptop „Sony“ herunter und speicherte sie in verschiedenen Ordnern. Damit hat sich der Angeklagte in beiden Fällen den Besitz an den kinderpornografischen Schriften (§ 11 Abs. 3 StGB) selbst verschafft und dadurch den Tatbestand des § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB verwirklicht (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2006 – 1 StR 430/06, NStZ 2007, 95). Der vom Landgericht im Fall II. 3 der Urteilsgründe angenommene Besitz kinderpornografischer Schriften nach § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB tritt als subsidiärer Auffangtatbestand zurück (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2008 – 3 StR 215/08, NStZ 2009, 208; Beschluss vom 4. August 2009 – 3 StR 174/09, Rn. 25).
4
Obgleich die gesetzliche Überschrift des § 184b StGB die Variante des Sichverschaffens von kinderpornographischen Schriften nicht enthält, ist es in diesen Fällen angezeigt, von der Regel des § 260 Abs. 4 Satz 2 StPO abzuweichen und zur anschaulichen Kennzeichnung des Tatunrechts in der Urteilsformel auf den Wortlaut des Tatbestands zurückzugreifen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2008 – 3 StR 215/08; HansOLG Hamburg, Beschluss vom 3. Mai 1999 - 1 Ss 39/99, Rn. 18).
5
2. Die allein auf § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB gestützte Einziehung des Laptops des Angeklagten begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
6
Bei einer Verurteilung gemäß § 184b Abs. 4 StGB wegen Sichverschaffens oder Besitzes kinderpornographischer Schriften sind nach § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB nur die Beziehungsgegenstände der Tat zwingend einzuziehen. Wurde das Sichverschaffen kinderpornographischer Schriften – wie hier im Fall II. 3 der Urteilsgründe – durch das Herunterladen und Abspeichern von Bilddateien auf einem Computer begangen, unterliegt daher lediglich die als Speichermedium verwendete Festplatte der Einziehung nach § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB. Dagegen ist eine Einziehung des für den Lade- und Speichervorgang verwendeten Computers nebst Zubehör nur nach § 74 Abs. 1 Alternative 2 StGB als Tatwerkzeug möglich (BGH, Beschluss vom 11. Januar 2012 – 4 StR 612/11; Beschluss vom 28. November 2008 – 2 StR 501/08, BGHSt 53, 69 Rn. 2 a.E.; Laufhütte/Roggenbuck in LK-StGB, 12. Aufl., § 184b Rn. 20). Die Entscheidung steht dabei im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. Dies hat das Landgericht nicht beachtet.
7
Zudem hat das Landgericht übersehen, dass aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auch bei einer auf § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB gestützten Einziehung von den Möglichkeiten des § 74b Abs. 2 StGB Gebrauch zu machen ist (BGH, Beschluss vom 11. Januar 2012 – 4 StR 612/11; Beschluss vom 28. November 2008 – 2 StR 501/08, BGHSt 53, 69 Rn. 3). Danach hat der Tatrichter anzuordnen, dass die Einziehung zunächst vorbehalten bleibt und weniger einschneidende Maßnahmen zu treffen sind, wenn auch auf diese Weise der Einziehungszweck erreicht werden kann. Dies könnte hier durch eine endgültige Löschung der inkriminierten Bilddateien geschehen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2012 – 4 StR 612/11; Laufhütte/Roggenbuck in LK-StGB, 12. Aufl., § 184b Rn. 20). Feststellungen dazu, ob es technisch möglich ist, diese Dateien in einer Weise von der Festplatte zu löschen, dass ihre Wiederherstellung nicht mehr möglich ist, hat das Landgericht nicht getroffen.
8
3. Die weiter gehende Revision ist aus den von dem Generalbundesanwalt angeführten Gründen offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Soweit das Landgericht im Fall II. 1 der Urteilsgründe bei der Bestimmung der dem Strafrahmen des § 176a Abs. 1 StGB entnommenen Freiheitsstrafe entgegen § 46 Abs. 3 StGB auch die die Strafbarkeit nach dieser Vorschrift begründende Vorverurteilung durch das Landgericht Magdeburg vom 17. Juli 2000 zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt hat (BGH, Beschluss vom 13. September 2001 – 3 StR 269/01, NStZ 2002, 198, 199; Hörnle in LKStGB , 12. Aufl., § 176a Rn. 21), vermag der Senat auszuschließen, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht. Die von dem Landgericht für diese Tat festgesetzte Freiheitstrafe von einem Jahr und drei Monaten liegt nur geringfügig über der Untergrenze des Strafrahmens. Angesichts der weiter festgestellten Strafschärfungsgründe kann ausgeschlossen werden, dass das Landgericht auf eine noch mildere Strafe erkannt hätte, wenn das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 17. Juli 2000 als Zumessungsgesichtspunkt außer Acht geblieben wäre.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin

(1) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden.

(2) Gegenstände, auf die sich eine Straftat bezieht (Tatobjekte), unterliegen der Einziehung nach der Maßgabe besonderer Vorschriften.

(3) Die Einziehung ist nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen. Das gilt auch für die Einziehung, die durch eine besondere Vorschrift über Absatz 1 hinaus vorgeschrieben oder zugelassen ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
einen kinderpornographischen Inhalt verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht; kinderpornographisch ist ein pornographischer Inhalt (§ 11 Absatz 3), wenn er zum Gegenstand hat:
a)
sexuelle Handlungen von, an oder vor einer Person unter vierzehn Jahren (Kind),
b)
die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung oder
c)
die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes eines Kindes,
2.
es unternimmt, einer anderen Person einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, zugänglich zu machen oder den Besitz daran zu verschaffen,
3.
einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches Geschehen wiedergibt, herstellt oder
4.
einen kinderpornographischen Inhalt herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 oder der Nummer 2 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen, soweit die Tat nicht nach Nummer 3 mit Strafe bedroht ist.
Gibt der kinderpornographische Inhalt in den Fällen von Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 4 kein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(2) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, und gibt der Inhalt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.

(3) Wer es unternimmt, einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, abzurufen oder sich den Besitz an einem solchen Inhalt zu verschaffen oder wer einen solchen Inhalt besitzt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

(4) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 Nummer 1 strafbar.

(5) Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Absatz 3 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der rechtmäßigen Erfüllung von Folgendem dienen:

1.
staatlichen Aufgaben,
2.
Aufgaben, die sich aus Vereinbarungen mit einer zuständigen staatlichen Stelle ergeben, oder
3.
dienstlichen oder beruflichen Pflichten.

(6) Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 und Satz 2 gilt nicht für dienstliche Handlungen im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, wenn

1.
die Handlung sich auf einen kinderpornographischen Inhalt bezieht, der kein tatsächliches Geschehen wiedergibt und auch nicht unter Verwendung einer Bildaufnahme eines Kindes oder Jugendlichen hergestellt worden ist, und
2.
die Aufklärung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

(7) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder Absatz 3 bezieht, werden eingezogen. § 74a ist anzuwenden.

(1) Ist die Einziehung nicht vorgeschrieben, so darf sie in den Fällen der §§ 74 und 74a nicht angeordnet werden, wenn sie zur begangenen Tat und zum Vorwurf, der den von der Einziehung Betroffenen trifft, außer Verhältnis stünde. In den Fällen der §§ 74 bis 74b und 74d ordnet das Gericht an, dass die Einziehung vorbehalten bleibt, wenn ihr Zweck auch durch eine weniger einschneidende Maßnahme erreicht werden kann. In Betracht kommt insbesondere die Anweisung,

1.
die Gegenstände unbrauchbar zu machen,
2.
an den Gegenständen bestimmte Einrichtungen oder Kennzeichen zu beseitigen oder die Gegenstände sonst zu ändern oder
3.
über die Gegenstände in bestimmter Weise zu verfügen.
Wird die Anweisung befolgt, wird der Vorbehalt der Einziehung aufgehoben; andernfalls ordnet das Gericht die Einziehung nachträglich an. Ist die Einziehung nicht vorgeschrieben, kann sie auf einen Teil der Gegenstände beschränkt werden.

(2) In den Fällen der Unbrauchbarmachung nach § 74d Absatz 1 Satz 2 und Absatz 3 gilt Absatz 1 Satz 2 und 3 entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 278/12
vom
28. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 28. August 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 28. Februar 2012 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Einziehung des Computers Fujitsu-Siemens "Scaleo" angeordnet worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Vergewaltigung in drei Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in zwei Fällen und wegen Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und die Einziehung eines Personal-Computers angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat lediglich den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringen Teilerfolg.

I.


2
Die Verfahrensrügen haben aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 19. Juli 2012 keinen Erfolg.

II.


3
1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler nicht ergeben.
4
2. Jedoch kann die Anordnung über die Einziehung des PersonalComputers Fujitsu-Siemens "Scaleo" nicht bestehen bleiben.
5
a) Das Landgericht hat zwar im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass der Computer gemäß § 74 Abs. 1 Fall 2 StGB grundsätzlich als Einziehungsgegenstand in Betracht kommt, da der Angeklagte auf diesem Computer während der Begehung einiger der abgeurteilten Taten zu seiner Stimulierung kinderpornographisches Material vorführte. Hingegen hält die Wertung des Landgerichts, weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne von § 74b Abs. 2 StGB kämen nicht in Betracht, da angesichts des Alters des Gerätes die für die endgültige Löschung der vorhandenen Bilddateien entstehenden Kosten dessen Wert bei weitem übersteigen würden, rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6
b) Gemäß § 74b Abs. 2 StGB hat das Gericht anzuordnen, dass die Einziehung lediglich vorbehalten bleibt und eine weniger einschneidende Maß- nahme zu treffen ist, wenn der Zweck der Einziehung auch durch sie erreicht werden kann. Als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hat die Vorschrift - anders als die Absätze 1 und 3 dieser Norm - zwingenden Charakter (BGH, Beschluss vom 28. November 2008 – 2 StR 501/08, BGHSt 53, 69, 71). Auf die vom Landgericht herangezogene Erwägung, eine endgültige Löschung sei unverhältnismäßig, weil sie mit Kosten verbunden wäre, die den Wert des Computers bei weitem übersteigen würden, kann die Einziehung des gesamten Gerätes daher nicht gestützt werden. Steht mit der Löschung der betreffenden Dateien ein milderes geeignetes Mittel als die vorbehaltlose Einziehung zur Verfügung , so hat der Tatrichter die Einziehung vorzubehalten und eine entsprechende Anordnung zu treffen; es ist dann Sache des Verurteilten zu entscheiden , ob er die Anordnung befolgt und damit die Einziehung abwendet oder nicht (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 74b Rn. 5). Ein Ermessen ist ihm nicht eröffnet (BGH aaO).
7
c) Den Feststellungen im angegriffenen Urteil kann nicht entnommen werden, welche Dateien auf der Festplatte des Computers im Einzelnen betroffen sind und ob deren Löschung technisch möglich ist. Das Urteil war deshalb mit den zugrunde liegenden Feststellungen insoweit aufzuheben; der neue Tatrichter wird die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Er wird ferner bedenken müssen, dass - weil eine Rückgabe der Datenträger an den Angeklagten zur Löschung der Dateien durch diesen selbst ausgeschlossen ist - die Durchführung entsprechender Maßnahmen durch die Vollstreckungsbehörde anzuordnen sein wird. Wegen der insoweit gegebenenfalls erforderlichen gerichtlichen Entscheidung weist der Senat auf § 462 Abs. 1 Satz 2 StPO hin (vgl. Fischer, aaO).
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Schmitt Quentin

(1) Gefährden Gegenstände nach ihrer Art und nach den Umständen die Allgemeinheit oder besteht die Gefahr, dass sie der Begehung rechtswidriger Taten dienen werden, können sie auch dann eingezogen werden, wenn

1.
der Täter oder Teilnehmer ohne Schuld gehandelt hat oder
2.
die Gegenstände einem anderen als dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 2 wird der andere aus der Staatskasse unter Berücksichtigung des Verkehrswertes des eingezogenen Gegenstandes angemessen in Geld entschädigt. Das Gleiche gilt, wenn der eingezogene Gegenstand mit dem Recht eines anderen belastet ist, das durch die Entscheidung erloschen oder beeinträchtigt ist.

(3) Eine Entschädigung wird nicht gewährt, wenn

1.
der nach Absatz 2 Entschädigungsberechtigte
a)
mindestens leichtfertig dazu beigetragen hat, dass der Gegenstand als Tatmittel verwendet worden oder Tatobjekt gewesen ist, oder
b)
den Gegenstand oder das Recht an dem Gegenstand in Kenntnis der Umstände, welche die Einziehung zulassen, in verwerflicher Weise erworben hat oder
2.
es nach den Umständen, welche die Einziehung begründet haben, auf Grund von Rechtsvorschriften außerhalb des Strafrechts zulässig wäre, dem Entschädigungsberechtigten den Gegenstand oder das Recht an dem Gegenstand ohne Entschädigung dauerhaft zu entziehen.
Abweichend von Satz 1 kann eine Entschädigung jedoch gewährt werden, wenn es eine unbillige Härte wäre, sie zu versagen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR128/14
vom
18. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 18. Juni 2014 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 19. Dezember 2013 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Einziehung des Laptops Acer „Aspire 5315“ angeordnet worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes und wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es die Einziehung verschiedener Gegenstände angeordnet, unter denen sich auch ein Laptop Acer „Aspire 5315“ befindet.
2
Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


3
Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
4
Zur Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts durch Ablehnung eines Antrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass es sich bei den vom Angeklagten mit seinem Mobiltelefon bei der Tat zum Nachteil seines Sohnes gefertigten Videoaufnahmen um eine einzige Videoaufnahme handelt, bemerkt der Senat ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 12. Mai 2014:
5
Da es dem Antragsteller grundsätzlich nicht verwehrt sein kann, auch solche Tatsachen unter Beweis zu stellen, die er lediglich für möglich hält oder nur vermutet (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschluss vom 4. Dezember 2012 – 4 StR 372/12, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 51, Tz. 12 mwN; dazu LR-StPO/Becker, 26. Aufl., § 244 Rn. 110 ff.), begegnet die Auffassung des Landgerichts, es fehle dem Beweisbegehren hier wegen einer „aufs Geratewohl“ aufgestellten Beweisbehauptung die Eigenschaft eines nach § 244 Abs. 3 bis 6 StPO zu bescheidenden Beweisantrags, rechtlichen Bedenken. Auf einem möglichen Rechtsfehler würde das angefochtene Urteil jedoch nicht beruhen. Die eingehende, die Verteidigungsinteressen des Angeklagten in jeder Hinsicht berücksichtigende Begründung des Ablehnungsbeschlusses ergibt, dass die Strafkammer den Antrag auch unter Berufung auf ihre – hinreichend dargelegte – eigene Sachkunde abgelehnt hat.

II.


6
1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
7
2. Jedoch kann die Anordnung über die Einziehung des Laptops Acer „Aspire 5315“ nicht bestehen bleiben.
8
a) Das Landgericht hat zwar im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass der Laptop als Einziehungsgegenstand in Betracht kommt, weil der Angeklagte ihn zur Speicherung der von ihm angefertigten Videoaufzeichnungen benutzt hat. Auch dass es die Einziehung nicht auf § 201a Abs. 4 Satz 1 StGB gestützt hat, macht die Anordnung für sich genommen noch nicht durchgreifend rechtsfehlerhaft. Denn durch diese Bestimmung werden die allgemeinen Voraussetzungen der Einziehung für Straftaten nach § 201a StGB lediglich erweitert (vgl. § 74 Abs. 4 StGB; dazu MüKoStGB/Joecks, 2. Aufl., § 74 Rn. 52). Nach den Feststellungen waren im vorliegenden Fall auch die Voraussetzungen des § 74 Abs. 1 StGB gegeben.
9
b) Das Landgericht hat jedoch die für alle Fälle der obligatorischen oder fakultativen Einziehung geltende Bestimmung des § 74b Abs. 2 StGB (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 28. November 2008 – 2 StR 501/08, BGHSt 53, 69, 71; OLG Schleswig, Beschluss vom 15. März 1988 – 1 Ss 85/88, StV 1989, 156; Altenhain in Matt/Renzikowski, StGB, § 74b Rn. 5) übersehen und daher nicht erkennbar geprüft, ob unter Anordnung des Vorbehalts der Einziehung eine weniger einschneidende Maßnahme zu treffen war, sofern der Zweck der Einziehung auch dadurch erreicht werden konnte. Als Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hat die Vorschrift – anders als die Absätze 1 und 3 dieser Norm – zwingenden Charakter (Senatsbeschluss vom 28. August 2012 – 4 StR 278/12, BGHR StGB § 74b Abs. 2 Einziehung 1 mwN).
10
Da eine Rückgabe des Laptops mit den betreffenden Videodateien an den Angeklagten nicht in Betracht kommt, hätte hier geprüft werden müssen, welche Dateien auf der Festplatte des Laptops im Einzelnen die Videoaufnahmen enthalten und ob deren Löschung technisch möglich ist. Stünde damit ein milderes geeignetes Mittel als die sonst gebotene (vorbehaltlose) Einziehung zur Verfügung, ist letztere vorzubehalten und eine entsprechende Anordnung zu treffen; es ist dann Sache des Verurteilten, ob er die Anordnung befolgt und dadurch die Einziehung abwendet oder nicht. Ein Ermessen, etwa hinsichtlich der anfallenden Kosten für die Löschung im Verhältnis zum Wert des Computers , ist dem Tatrichter bei dieser Entscheidung schon nach dem Gesetzeswort- laut nicht eröffnet (Senatsbeschluss aaO). Diese Prüfung wird nunmehr nachzuholen sein.
Mutzbauer RinBGH Roggenbuck ist wegen Cierniak Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer
Franke Quentin