Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Jan. 2016 - I ZB 12/15
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Januar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff, Dr. Löffler und die Richterin Dr. Schwonke
beschlossen:
Gründe:
- 1
- I. Das Amtsgericht hat der Gläubigerin, einer GmbH, mit Beschluss vom 18. Januar 2013 den Zuschlag hinsichtlich des im Wege der Zwangsversteigerung verwerteten Hausanwesens K. 29 in H. erteilt. Zugleich hat es in dem Beschluss den Antrag auf Versagung des Zuschlags gemäß § 765a ZPO zurückgewiesen, den die am 9. Oktober 1920 geborene Schuldnerin gestellt hatte, die seit der Errichtung eines Einfamilienhauses auf diesem Anwesen im Jahr 1958 dort wohnt. Die von der Schuldnerin dagegen eingelegte sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben.
- 2
- Einen von der Schuldnerin am 22. April 2013 gestellten ersten Antrag auf Räumungsschutz gemäß § 765a Abs. 3 ZPO hat das Amtsgericht mit Be- schluss vom 16. Mai 2013 zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Landgericht mit Beschluss vom 5. Juni 2013 die Zwangsvollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss einstweilen bis zum 5. Juli 2013 eingestellt. Nachfolgend hat das Landgericht mit Beschluss vom 26. Juli 2013 die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung bis zum 18. August 2013 verlängert und mit Beschluss vom 15. August 2013 die Zwangsvollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts bis zum 31. Januar 2014 eingestellt.
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- Mit Beschluss vom 29. April 2014 hat das Amtsgericht die Zwangsvollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss vom 18. Januar 2013 für die Dauer von weiteren 18 Monaten ab Rechtskraft dieses Beschlusses eingestellt. Zugleich hat es der Schuldnerin aufgegeben, an die Gläubigerin eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 825 € zu leisten, bei deren nicht oder nicht regelmäßiger Zahlung das Verfahren auf Antrag der Gläubigerin fortgesetzt und ein Räumungstermin bestimmt werden sollte. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat das Landgericht diese Entscheidung mit Beschluss vom 30. Juni 2014 dahingehend abgeändert, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts nur bis zum 30. November 2014 weiter einstweilen eingestellt blieb.
- 4
- Den vom Betreuer der Schuldnerin mit Schreiben vom 20. Oktober 2014 gestellten Antrag auf weiteren Räumungsschutz ab dem 1. Dezember 2014 hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 7. November 2014 zurückgewiesen. In der Beschwerdeinstanz hat das Landgericht am 5. Dezember 2014 das Verfahren auf die Kammer übertragen und die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet, das die damit beauftragte Fachärztin für Psychiatrie Dr. M. am 20. Dezember 2014 erstattet hat. Nach persönlicher Anhörung der Schuldnerin durch die Berichterstatterin der Beschwerdekammer am 13. Januar 2015 hat die Kammer die Zwangsvollstreckung aus dem Zuschlags- beschluss des Amtsgerichts vom 18. Januar 2013 auf unbestimmte Zeit eingestellt und der Schuldnerin aufgegeben, der Gläubigerin eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 362,85 € zu zahlen (LG Bielefeld, Beschluss vom 30. Januar 2015 - 23 T 851/14, juris).
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- Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Gläubigerin , deren Zurückweisung die Schuldnerin beantragt.
- 6
- II. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts liegen die Voraussetzungen für eine weitere Einstellung der Räumungsvollstreckung nach § 765a Abs. 1 Satz 1 ZPO vor. Dazu hat es ausgeführt:
- 7
- Die zwangsweise Räumung des von der Schuldnerin bewohnten Hauses bedeute auch unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses der Gläubigerin wegen ganz besonderer Umstände eine mit den guten Sitten unvereinbare Härte. Unter diesen Umständen müssten die Rechte und Interessen der Gläubigerin als Grundstückseigentümerin aus Art. 14 GG ausnahmsweise gegenüber dem Grundrecht der Schuldnerin auf Leben aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zurücktreten. Zwar komme eine Einstellung auf unbestimmte Zeit nur in absoluten Ausnahmefällen in Betracht. Ein solcher Ausnahmefall liege aber vor. Bei einer zwangsweisen Räumung des Hauses sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die 94-jährige Schuldnerin die Zwangsvollstreckungsmaßnahme nicht überleben werde. Sie leide unter erheblichen Herzerkrankungen sowie Einschränkungen der Nierenfunktionen und mache einen äußerst gebrechlichen Eindruck. Zudem sei mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen , dass die Schuldnerin bei einer Zwangsräumung Selbstmord begehen werde. Dies entspreche dem vorliegenden Gutachten und dem persönlichen Eindruck der Berichterstatterin im Anhörungstermin. Die akute Suizidgefahr im Falle der Zwangsräumung sei durch zumutbare Maßnahmen nicht abzuwenden. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass die Schuldnerin ihre Mittellosig- keit bewusst herbeigeführt habe. Da die Schuldnerin zur Zahlung der an sich angemessenen und in den vorangegangenen Beschlüssen festgesetzten Nutzungsentschädigung derzeit finanziell nicht in der Lage sei, orientiere sich die Festsetzung der aktuell zu zahlenden Nutzungsentschädigung an dem Teilbetrag zur Grundsicherung, den die Stadt H. an die Gläubigerin zahle.
- 8
- III. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg. Der angefochtene Beschluss ist schon deshalb aufzuheben, weil sich das Beschwerdegericht bei seiner Entscheidung unter anderem auf den persönlichen Eindruck gestützt hat, den allein die Berichterstatterin bei der von ihr im Auftrag der Beschwerdekammer am 13. Januar 2015 durchgeführten Anhörung der Schuldnerin gewonnen hat.
- 9
- 1. Die Frage, in welcher Form die von einem mit mehreren Richtern besetzten Spruchkörper für erforderlich gehaltene Anhörung einer Partei zu erfolgen hat, ist in der Zivilprozessordnung weder für Verfahren mit obligatorischer mündlicher Verhandlung noch für Verfahren mit - wie im Vollstreckungsverfahren - freigestellter mündlicher Verhandlung ausdrücklich geregelt. Für nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) zu betreibende Verfahren ist es anerkannt, dass die Anhörung eines Verfahrensbeteiligten nicht notwendig vor allen Mitgliedern des Spruchkörpers erfolgen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 127/10, NVwZ 2010, 1318 Rn. 12 bis 15; Beschluss vom 9. November 2011 - XII ZB 286/11, NJW 2012, 317 Rn. 31). Entsprechendes gilt nach §§ 375, 451 ZPO für die Vernehmung eines Zeugen oder einer Partei. Dagegen ist für die Parteianhörung nach § 141 ZPO im Zivilprozess umstritten, ob diese zwingend vor dem Prozessgericht zu erfolgen hat (vgl. RG SeuffArch 64 (1909), 242, 243; OLG Braunschweig, SeuffArch 55 (1900), 461, 462; Wieczorek/Schütze/Schmid, ZPO, 4. Aufl., § 141 Rn. 44; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 141 Rn. 26; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 36. Aufl., § 141 Rn. 2; Musielak/Voit/Stadler, ZPO, 12. Aufl., § 141 Rn. 11; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 141 Rn. 6) oder vor dem beauftragten oder ersuchten Richter stattfinden kann (vgl. OLG Köln, MDR 1986, 152; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 74. Aufl., § 141 Rn. 12). Begründet wird die zwingende Anhörung vor dem Prozessgericht damit, dass sie Teil der mündlichen Verhandlung ist und die Vorschrift des § 141 ZPO keine Anhörung vor dem beauftragten oder ersuchten Richter vorsieht. Die unterschiedliche Handhabung bei der Zeugen- und Parteivernehmung sowie der Anhörung nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit einerseits und der Parteianhörung nach der Zivilprozessordnung andererseits überzeugt allerdings nicht. Die Zeugen- und Parteivernehmung dienen der Beweiserhebung und damit dem Ziel, den Wahrheitsgehalt von Parteibehauptungen zu ermitteln. Die Parteianhörung nach § 141 ZPO ist dagegen in erster Linie darauf gerichtet, den Sachverhalt aufzuklären, Lücken und Unklarheiten im Parteivortrag zu beheben und den Streitstand festzustellen. Daneben kann in bestimmten Prozesskonstellationen eine Parteianhörung zur Wahrung der Chancengleichheit einer Partei im Zivilprozess erforderlich sein (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 2013 - VI ZR 325/11, NJW 2013, 2601 Rn. 10). Damit überschneidet sich die Parteivernehmung mit der Parteianhörung, wenn deren Ergebnis im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 286 ZPO berücksichtigt wird (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 1998 - I ZR 32/96, NJW 1999, 363, 364; BGH, NJW 2013, 2601 Rn. 11). Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Parteianhörung, deren Zweck in der Aufklärung und Vervollständigung des Streitstoffs und der Ermittlung des der Entscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalts besteht, zwingend vor dem erkennenden Gericht erfolgen muss, während die Durchführung der Beweisaufnahme, die zur Ermittlung der Wahrheit oder Unwahrheit von Prozessbehauptungen erforderlich ist, einem beauftragten oder ersuchten Rich- ter übertragen werden kann. Die Frage, ob die Parteianhörung in einem Verfahren mit notwendiger mündlicher Verhandlung vor dem Prozessgericht erfolgen muss, braucht vorliegend allerdings nicht abschließend entschieden zu werden. Für das Verfahren nach § 765a ZPO ist eine mündliche Verhandlung vor dem Beschwerdegericht fakultativ. Jedenfalls in einem solchen Fall braucht die Parteianhörung nicht zwingend vor dem erkennenden Gericht zu erfolgen, sondern kann einem beauftragten oder ersuchten Richter übertragen werden.
- 10
- Die Anhörung durch einen von dem Spruchkörper beauftragten Richter setzt allerdings in entsprechender Anwendung von § 375 Abs. 1a, § 451 ZPO voraus, dass diese Verfahrensweise zur Vereinfachung der Verhandlung zweckmäßig erscheint und außerdem von vornherein anzunehmen ist, dass das Ergebnis der Anhörung auch ohne unmittelbaren Eindruck von deren Verlauf sachgemäß gewürdigt werden kann (vgl. BGH, NVwZ 2010, 1318 Rn. 13). Dementsprechend darf das Ergebnis der Anhörung durch den beauftragten Richter nicht verwertet werden, wenn Gesichtspunkte eine Rolle spielen, die nur aufgrund eines unmittelbaren Eindrucks von der Parteianhörung zuverlässig beurteilt werden können.
- 11
- 2. Nach diesen Maßstäben hat die vom Beschwerdegericht getroffene Entscheidung weder mit der von diesem gegebenen Begründung noch im Übrigen mit anderer Begründung Bestand und ist deshalb aufzuheben (§ 577 Abs. 3 und 4 Satz 1 ZPO).
- 12
- a) Die angefochtene Entscheidung beruht nach den vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen maßgeblich darauf, dass die Berichterstatterin sich bei der von ihr am 13. Januar 2015 im Auftrag der Kammer durchgeführten Anhörung der Schuldnerin von deren äußerst eingeschränktem Allgemeinzustand hat überzeugen können und deswegen mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, die Schuldnerin werde die besondere Belastungssituation einer Zwangsräumung nicht überleben. Nach den mehrfachen sachverständigen Begutachtungen im Laufe der letzten beiden Jahre sei auch keinesfalls anzunehmen , dass sich der gesundheitliche Zustand der Schuldnerin verbessern könnte.
- 13
- b) Das Beschwerdegericht hat des Weiteren festgestellt, dass sich die Berichterstatterin bei der Anhörung der Schuldnerin am 13. Januar 2015 einen Eindruck davon hat verschaffen können, in welchem Ausmaß die Schuldnerin auf den Verbleib in ihrem Elternhaus sowie darauf fixiert war, ihr vermeintlich angetanes und geschehenes Unrecht durch angebliche Betrügereien von Rechtsanwälten und Steuerberatern aufzuklären und gerichtlich ahnden zu lassen. Es hat hierin zum einen eine Bestätigung der Angaben der drei in den verschiedenen Verfahren tätigen Sachverständigen gesehen, nach denen die von der Schuldnerin wiederholt geäußerten Suizidankündigungen durchaus ernst zu nehmen seien und im Falle einer Zwangsräumung mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass die Schuldnerin einen Suizid erfolgreich ausführen würde. Zum anderen hat es an diesen von der Berichterstatterin bei der Anhörung der Schuldnerin gewonnenen Eindruck anschließend festgestellt, dass die bestehende akute Suizidgefahr nicht auf einer die freie Willensbestimmung beeinflussenden oder ausschließenden psychischen Erkrankung der Schuldnerin beruht und dass deshalb eine Einflussnahme gegen deren erklärten Willen etwa durch eine betreuungsrechtliche Unterbringung mit Zwangsbehandlung oder nach dem nordrhein-westfälischen Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten nicht in Betracht kommt und entsprechende Maßnahmen nach den Angaben der Sachverständigen die Suizidgefahr allenfalls zeitlich verlagerten.
- 14
- c) Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Entscheidung des Beschwerdegerichts maßgeblich auch auf dem persönlichen Eindruck der Berichterstatterin beruht, den diese bei der Anhörung von der Schuldnerin und ihren persönlichen Lebensumständen gewonnen hat.
- 15
- IV. Im Hinblick darauf, dass das Beschwerdegericht sich keinen persönlichen Eindruck von der Schuldnerin verschafft hat, ist die Sache nicht gemäß § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO zur Endentscheidung reif. Sie ist daher gemäß § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
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- V. Dieses wird bei seiner neuen Entscheidung insbesondere folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen haben:
- 17
- 1. Ist mit einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners verbunden, so kann dies die Untersagung oder einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 765a ZPO rechtfertigen. Dabei ist aber stets eine Abwägung der Interessen des Schuldners mit den Vollstreckungsinteressen des Gläubigers vorzunehmen. Es kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich auch der Gläubiger auf Grundrechte berufen kann. Ist sein Räumungstitel nicht durchsetzbar, wird sein Grundrecht auf Schutz seines Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) und auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) beeinträchtigt. Dem Gläubiger dürfen keine Aufgaben überbürdet werden, die nach dem Sozialstaatsprinzip dem Staat und damit der Allgemeinheit obliegen. Es ist deshalb auch dann, wenn bei einer Räumungsvollstreckung eine konkrete Lebensgefahr für einen Betroffenen besteht , sorgfältig zu prüfen, ob dieser Gefahr nicht auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Dabei kann vom Schuldner erwartet werden, dass er alles ihm Zumutbare unternimmt, um Gefahren für Leben und Gesundheit möglichst auszuschließen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010 - I ZB 34/09, WuM 2010, 250 Rn. 8). Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung auf unbestimmte Zeit in derartigen Fällen ist auf absolute Ausnahmefälle beschränkt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Februar 2014 - 2 BvR 2455/12, NJW-RR 2014, 583 Rn. 11; Kammerbeschluss vom 29. Juli 2014 - 2 BvR 1400/14, NJW-RR 2014, 1290 Rn. 11; Kammerbeschluss vom 6. August 2014 - 2 BvR 1340/14, WM 2014, 1726, 1727; BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2013 - I ZB 15/13, NJW 2014, 2288 Rn. 24 bis 27). Ein solcher Ausnahmefall ist nicht schon dann gegeben, wenn die Voraussetzungen für eine befristete Einstellung vorliegen und die Aussichten auf eine Besserung des Gesundheitszustands gering sind. Vielmehr muss die Prognose ergeben, dass eine Verringerung der Suizidgefahr auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Mitwirkung des Schuldners und staatlicher Stellen in Zukunft ausgeschlossen erscheint.
- 18
- Mit Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, dass die Feststellungen des Berufungsgerichts eine dauerhafte Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht rechtfertigen.
- 19
- Nach den im Streitfall gegebenen Umständen kommt in Betracht, dass die Schuldnerin sich zukünftig in einem Zustand befinden wird, der eine solche Selbsttötung ausschließt. Nach dem von der Sachverständigen Dr. M. im Beschwerdeverfahren erstatteten Gutachten ist nicht auszuschließen, dass die Gefahr eines Selbstmords der Schuldnerin in Zukunft abnehmen wird, weil sie so pflegebedürftig wird, dass sie nicht mehr selbstbestimmt leben kann.
- 20
- 2. Sollte das Beschwerdegericht im wiedereröffneten Beschwerdeverfahren erneut zu dem Ergebnis gelangen, dass eine akute, anders nicht abwendbare Suizidgefahr bei der Schuldnerin besteht, ist die Zwangsvollstreckung einzustellen. Bei der Beurteilung der Frage, für welchen Zeitraum dies zu geschehen hat, wird das Beschwerdegericht den Umstand zu berücksichtigen haben, dass die Gläubigerin das Hausgrundstück weit unter Verkehrswert ersteigert hat und die zum Zeitpunkt der Zwangsversteigerung 93-jährige Schuldnerin seit mehr als 50 Jahren in dem Haus wohnt. Das Beschwerdegericht wird in diesem Zusammenhang auch zu prüfen haben, ob der Gläubigerin das Alter der Schuldnerin und der Zeitraum, den sie in dem Haus wohnt, aus dem Zwangsversteigerungsverfahren bekannt waren und sie von vornherein mit erheblichen Risiken bei einer Zwangsräumung rechnen musste. Zugunsten der Gläubigerin ist zu berücksichtigen, wenn sie durch die Dauer des Räumungsverfahrens und die unter dem Verkehrswert liegende Nutzungsentschädigung in finanzielle Schwierigkeiten geraten ist. Dabei wird das Beschwerdegericht allerdings zu beachten haben, dass finanzielle Schwierigkeiten der Gläubigerin dann nicht ins Gewicht fallen, wenn sie beim Erwerb der Immobilie aufgrund ihrer finanziellen Möglichkeiten ein hohes Geschäftsrisiko eingegangen ist.
Vorinstanzen:
AG Herford, Entscheidung vom 07.11.2014 - 7b M 778/13 -
LG Bielefeld, Entscheidung vom 30.01.2015 - 23 T 851/14 -
Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Jan. 2016 - I ZB 12/15
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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.
(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.
(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.
(1) Die Aufnahme des Zeugenbeweises darf einem Mitglied des Prozessgerichts oder einem anderen Gericht nur übertragen werden, wenn von vornherein anzunehmen ist, dass das Prozessgericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag, und
- 1.
wenn zur Ausmittlung der Wahrheit die Vernehmung des Zeugen an Ort und Stelle dienlich erscheint oder nach gesetzlicher Vorschrift der Zeuge nicht an der Gerichtsstelle, sondern an einem anderen Ort zu vernehmen ist; - 2.
wenn der Zeuge verhindert ist, vor dem Prozessgericht zu erscheinen und eine Zeugenvernehmung nach § 128a Abs. 2 nicht stattfindet; - 3.
wenn dem Zeugen das Erscheinen vor dem Prozessgericht wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann und eine Zeugenvernehmung nach § 128a Abs. 2 nicht stattfindet.
(1a) Einem Mitglied des Prozessgerichts darf die Aufnahme des Zeugenbeweises auch dann übertragen werden, wenn dies zur Vereinfachung der Verhandlung vor dem Prozessgericht zweckmäßig erscheint und wenn von vornherein anzunehmen ist, dass das Prozessgericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag.
(2) Der Bundespräsident ist in seiner Wohnung zu vernehmen.
(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.
(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.
(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.
(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.
(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.
(1) Die Aufnahme des Zeugenbeweises darf einem Mitglied des Prozessgerichts oder einem anderen Gericht nur übertragen werden, wenn von vornherein anzunehmen ist, dass das Prozessgericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag, und
- 1.
wenn zur Ausmittlung der Wahrheit die Vernehmung des Zeugen an Ort und Stelle dienlich erscheint oder nach gesetzlicher Vorschrift der Zeuge nicht an der Gerichtsstelle, sondern an einem anderen Ort zu vernehmen ist; - 2.
wenn der Zeuge verhindert ist, vor dem Prozessgericht zu erscheinen und eine Zeugenvernehmung nach § 128a Abs. 2 nicht stattfindet; - 3.
wenn dem Zeugen das Erscheinen vor dem Prozessgericht wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann und eine Zeugenvernehmung nach § 128a Abs. 2 nicht stattfindet.
(1a) Einem Mitglied des Prozessgerichts darf die Aufnahme des Zeugenbeweises auch dann übertragen werden, wenn dies zur Vereinfachung der Verhandlung vor dem Prozessgericht zweckmäßig erscheint und wenn von vornherein anzunehmen ist, dass das Prozessgericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag.
(2) Der Bundespräsident ist in seiner Wohnung zu vernehmen.
(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.
(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.
(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.
(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.
(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.
Tenor
1.
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Die Zwangsvollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Herford vom 18.01.2013 (Az. 7 K 84/11) wird auf unbestimmte Zeit eingestellt.
2.
Der Schuldnerin wird aufgegeben, der Gläubigerin eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 362,85 € zu zahlen.
3.
Die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens trägt die Schuldnerin nach einem Gegenstandswert von 20.000,00 Euro.
4.
Der Schuldnerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt.
5.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Das Amtsgericht Herford erteilte mit Beschluss vom 30.04.2013 der Gläubigerin den Zuschlag hinsichtlich des Grundstücks L. xx in I., eingetragen im Grundbuch von I. Blatt x, lfd. Nr. x, Gemarkung I., Flur x, Flurstück x, Gebäude- und Freifläche, 991 qm groß, zu einem Betrag von 130.000,00 €, nachdem die Gläubigerin im Versteigerungstermin vom 11.01.2013 Meistbietende geblieben war; das Meistgebot überstieg die Hälfte des auf 178.000,00 € festgesetzten Verkehrswertes des Versteigerungsobjektes. Den Antrag der Schuldnerin auf Versagung des Zuschlags gemäß § 765 a ZPO hat das Amtsgericht Herford mit diesem Beschluss zurückgewiesen. Das Landgericht Bielefeld hat mit Beschluss vom 13.03.2013 die sofortige Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Herford zurückgewiesen.
4Am 22.04.2013 stellte die Betroffene einen ersten Antrag auf Räumungsschutz gemäß § 765 a Abs. 3 ZPO. Diesen Antrag hat das Amtsgericht Herford durch Beschluss vom 16.05.2013 zurückgewiesen.
5Auf die sofortige Beschwerde der Schulderin vom 24.05.2013 hat das Landgericht Bielefeld durch Beschluss vom 05.07.2013 die Zwangsvollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss einstweilen bis zum 05.07.2013 eingestellt sowie der Schuldnerin aufgegeben, eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 700,00 € zu leisten; diese orientiert sich an dem im Zwangsversteigerungsverfahren eingeholten Verkehrswertgutachten des Dipl.-Ing. Architekt A., insbesondere den dort aufgeführten Vergleichsmieten.
6Mit amtsärztlichem Attest vom 24.06.2013 diagnostizierte die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. V. bei der Schuldnerin eine Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion; es bestehe eine konkrete Gesundheits- und Lebensgefahr im Falle der Räumung des (Eltern-) Hauses der Schuldnerin, da dies eine existentielle Bedrohung der zu diesem Zeitpunkt 93-jährigen Schuldnerin darstelle. Die von der Schuldnerin geäußerten Suizidgedanken bestätigte die Amtsärztin Dr. V. als glaubhaft. Nachhaltig wirksame Behandlungsstrategien ständen nicht zur Verfügung. Die Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass selbst nach einer vorübergehenden freiheitsentziehenden Maßnahme und der damit einhergehenden Räumung des Hauses die Schuldnerin angesichts des dann erfolgten Verlustes mit hoher Wahrscheinlichkeit unverändert einen bilanziellen Suizid wählen würde.
7Mit Schriftsatz vom 02.07.2013 teilten die Bevollmächtigten der Schuldnerin mit, dass derzeit die gerichtlich festgesetzte Nutzungsentschädigung gezahlt werde und beantragten die weitere einstweilige Einstellung der Zwangsräumung.
8Mit Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 26.07.2013 wurde die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung bis zum 18.08.2013 verlängert.
9Mit weiterem Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 15.08.2013 wurde die Zwangsvollstreckung bis zum 31.01.2014 eingestellt.
10Mit Schreiben vom 19.12.2013 beantragte die Schuldnerin erneut Räumungsschutz ab dem 01.02.2014. Die Amtsärztin Dr. V. erstattete erneut ein amtsärztliches Attest vom 26.03.2014; sie gelangt hierin zu einer Verschlechterung der psychiatrischen als auch der somatischen Situation der Schuldnerin, die Fortsetzung des Räumungsverfahrens könne derzeit nicht ohne konkrete Gesundheits- und Lebensgefahr für die Schuldnerin vollzogen werden.
11Ausweislich des Beschlusses der Stadt I. – Abteilung Wohnen und Soziales, Grundsicherung SGB XII – vom 29.01.2014 zahlt diese an die Gläubigerin aktuell einen Betrag in Höhe von nur noch € 362,85 aus.
12Unter dem 11.03.2014 beantragte die Betreuungsstelle der Stadt I. die Bestellung eines Betreuers für die Schuldnerin.
13Das Amtsgericht Herford holte daraufhin mit Beschluss vom 12.03.2014 ein schriftliches Sachverständigengutachten zur Frage der Betreuungsbedürftigkeit der Schuldnerin ein, welches der hierzu beauftragte Sachverständige Dr. L. I. unter dem 15.03.2014 erstattete. Der Sachverständige gelangte zur Diagnose einer schweren koronaren Herzkrankheit bei Klappeninsuffizienz und entsprechender körperlicher Schwäche sowie einer schweren depressiven Episode, die reaktiv akzentuiert sei.
14Mit Beschluss vom 28.03.2014 hat das Amtsgericht Herford mit Einverständnis der Schuldnerin Herrn R. T. aus Bünde zum Betreuer der Schuldnerin für die Aufgabenkreise Geltendmachung von Ansprüchen auf Leistungen aus der Pflegeversicherung, Gesundheitsfürsorge, Vermögensangelegenheiten, Vertretung bei Behörden und Ämtern und Wohnungsangelegenheiten bestellt. Der Betreuer teilte mit Bericht vom 23.10.2014 mit, dass der Schuldnerin ein Schwerbehindertenausweis mit GdB 90 % erteilt worden sei und sie in der kurzen Zeit der Betreuung bereits den dritten Rechtsanwalt zur Regelung ihrer „Betrugsangelegenheiten“ eingeschaltet habe. So ging und gehe die Betroffene davon aus, dass sie innerhalb der letzten Jahrzehnte von Rechtsanwälten und Steuerberatern um Beträge in Millionenhöhe betrogen worden sei.
15Mit Beschluss vom 29.04.2014 hat das Amtsgericht Herford die Zwangsvollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss für die Dauer von 18 Monaten eingestellt und der Schuldnerin die Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung in Höhe von 825,00 € aufgegeben.
16Hiergegen legte die Gläubigerin mit Schriftsatz vom 12.05.2014 die sofortige Beschwerde ein.
17Daraufhin hat das Landgericht Bielefeld mit Beschluss vom 30.06.2014 den Beschluss des Amtsgerichts Herford unter Zurückweisung im Übrigen dahingehend abgeändert, dass die Zwangsvollstreckung nur bis zum 30.11.2014 weiter einstweilen eingestellt bleibe.
18Der Betreuer der Schuldnerin beantragte mit Schreiben vom 20.10.2014 weiteren Räumungsschutz ab dem 01.12.2014.
19Diesen Antrag hat das Amtsgericht Herford mit Beschluss vom 07.11.2014 zurückgewiesen.
20Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde vom 16.11.2014, die der Betreuer der Schuldnerin für diese eingelegt hat.
21Das Landgericht Bielefeld hat mit Beschluss vom 05.12.2014 das Verfahren auf die Kammer übertragen sowie mit weiterem Beschluss vom 05.12.2014 die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet und mit dessen Erstellung die Psychiaterin Dr. H. N. aus W. beauftragt. Die Sachverständige Dr. N. hat ihr Gutachten unter dem 20.12.2014 erstattet. Das Gutachten wurde den Parteien zu Stellungnahme zugesandt.
22Die Berichterstatterin hat – nach Übertragung der Durchführung der persönlichen Anhörung auf diese mit Beschluss vom 12.01.2015 – die Schuldnerin in Anwesenheit ihres Betreuers am 13.01.2015 persönlich angehört.
23II.
24Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt, somit insgesamt zulässig.
25Sie ist auch begründet, weil die Voraussetzungen für eine weitere Einstellung der Räumungsvollstreckung gemäß § 765 a Abs. 1 Satz 1 ZPO gegeben sind.
26Die zwangsweise Räumung des Hauses L. xx in I. bedeutet unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses der Gläubigerin wegen ganz besonderer Umstände eine Härte für die Schuldnerin, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist; daher ist auf den von dem Betreuer der Schuldnerin gestellten Antrag die Zwangsvollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Herford auf unbestimmte Zeit einzustellen.
27Die ganz besonderen Umstände des Einzelfalles, die zu einer nicht mit den guten Sitten vereinbaren Härte für die Schuldnerin führen, stellen sich wie folgt dar:
28Bei einer zwangsweise durchgeführten Räumung des von der Schuldnerin bewohnten und von der Gläubigerin ersteigerten Hauses L. xx in I. ist mit einer hohen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Schuldnerin diese Maßnahme der Zwangsvollstreckung nicht überleben würde.
29Zunächst steht zu befürchten, dass die 94-jährige Schuldnerin aufgrund ihrer somatischen Erkrankungen angesichts der besonderen Belastungssituation einer Zwangsräumung in einer Weise dekompensieren würde, dass sie – auch unter Bereitstellung ärztlicher Hilfe – im Zuge der Räumungsmaßnahme oder im unmittelbaren Anschluss versterben würde. So leidet die Betroffene unter erheblichen Herzerkrankungen, nämlich einer Herzinsuffizienz aufgrund einer koronaren Herzerkrankung, unter Herzklappeninsuffizienz, Herzrhythmusstörungen und Nierenfunktionseinschränkungen. Diese somatischen Erkrankungen haben in der Vergangenheit dazu geführt, dass die Schuldnerin wiederholt – auch notfallmäßig – stationär behandelt werden musste. Sie hat insoweit auch regelmäßige Medikationen einzunehmen. Ausweislich der Angaben der Sachverständigen Dr. N. ist es zudem bereits mehrfach zu kardialen Dekompensationen mit Ödemen in den Beinen und der Lunge gekommen. Darüber hinaus befindet sich die 94-jährige Schuldnerin in einem äußerst eingeschränkten Allgemeinzustand. So hat sich die Berichterstatterin anlässlich der Anhörung, die sie am 13.01.2015 im Auftrag der Kammer durchgeführt hat, davon überzeugen können, dass die Schuldnerin körperlich einen äußerst gebrechlichen Eindruck macht und keinesfalls als „rüstig“ zu bezeichnen ist.
30Angesichts der mehrfachen Sachverständigenbegutachtungen im Laufe der letzten zwei Jahre ist auch keinesfalls davon auszugehen, dass sich dieser gesundheitliche Zustand der Schuldnerin verbessern könnte, vielmehr ergibt sich gerade aus den beiden Attesten von Frau Dr. V., dass sich bereits innerhalb eines recht kurzen Zeitraumes der Zustand der Schuldnerin erheblich verschlechtert hatte.
31Des Weiteren folgt aus den sich gänzlich deckenden Angaben der Sachverständigen Dr. I. (Betreuungsverfahren), Dr. V. und Dr. N., dass die von der Schuldnerin wiederholt geäußerten Suizidankündigungen durchaus ernst zu nehmen sind und im Falle einer Zwangsräumung mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die Schuldnerin einen Suizid – erfolgreich – ausführen würde. Für die Frage der Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt es insbesondere auch nicht darauf an, ob der diagnostizierten Suizidgefahr ein – möglicherweise behandlungsfähiger – Krankheitswert zukommt, d. h. die Gefahr auf eine bestehende psychiatrische Erkrankung zurückzuführen ist oder aber – wie von den Sachverständigen im vorliegenden Fall angegeben – ein sogenannter „Bilanzselbstmord“ zu befürchten ist (vgl. hierzu: BGH, NJW-RR 2013, 628).
32Auch die Berichterstatterin hat sich anlässlich der Anhörung vom 13.01.2015 einen Eindruck davon verschaffen können, in welchem Ausmaß die Schuldnerin auf den Verbleib in ihrem Elternhaus fixiert ist sowie darauf, ihr angetanes bzw. geschehenes Unrecht durch Betrügereien von Rechtsanwälten und Steuerberatern aufzuklären und gerichtlich ahnden zu lassen. So war die Schuldnerin überhaupt nicht in der Lage, sich auf ein Gespräch, geschweige denn eine Diskussion über ihre Verpflichtung zur Räumung der Immobilie einzulassen; diese Unfähigkeit stellte sich auch insbesondere nicht als Unwilligkeit, sondern als ein tatsächlich bestehendes persönliches Unvermögen der Schuldnerin dar. Es war ihr völlig unmöglich, vom Thema der ihr angetanen Betrügereien abzuweichen. Der Betreuer, Herr T., hat dieses Verhalten – wie auch die Sachverständigen – über die vergangenen Monate bestätigt.
33Somit ist das Beschwerdegericht davon überzeugt, dass – gerade in Zusammenarbeit mit dem Betreuer T. – bereits alle zumutbaren Maßnahmen hinsichtlich eines Umzugs der Schuldnerin ausgeschöpft wurden; ein solcher ist – auch unter Zuhilfenahme ärztlicher Unterstützungsmaßnahmen – nicht ohne eine ganz akute Gefährdung des Lebens der Schuldnerin möglich. Zumal die Sachverständigen die bestehende akute Suizidgefahr gerade nicht auf eine die freie Willensbildung beeinflussende oder ausschließende psychiatrische Erkrankung der Schuldnerin zurückführen, kommt eine Einflussnahme - beispielsweise durch eine betreuungsrechtliche Unterbringung mit Zwangsbehandlung oder nach dem PsychKG NW - gegen den erklärten Willen der Schuldnerin nicht in Betracht; im Übrigen folgt aus den Angaben der Sachverständigen auch, dass solche Maßnahmen nicht zu einer Abwendung der Suizidgefahr führen, sondern diese allenfalls zeitlich verlagern würden.
34Es steht ernsthaft oder gar unvermeidlich zu befürchten, dass die Schuldnerin entweder aufgrund ihrer ganz erheblichen somatischen Erkrankungen und ihres schlechten Allgemeinzustandes anlässlich oder im Zuge der Zwangsräumung versterben oder aber den angekündigten Suizid durchführen und somit in ihrem Grundrecht aus Artikel 2 Abs. 2 Satz GG verletzt würde.
35In der Abwägung haben hiergegen die bestehenden Rechte und Interessen der Gläubigerin und Eigentümerin des Grundstückes aus Artikel 14 GG ausnahmsweise zurückzutreten (vgl. BVerfG, NJW–RR 2014, 584).
36Die Kammer verkennt dabei nicht, dass eine Einstellung auf unbestimmte Zeit nur in absoluten Ausnahmefällen erfolgen soll und darf (vgl. BVerfG, a.a.O.; BGH, a.a.O.): So stellt das Eigentumsrecht der Gläubigerin ein ganz erhebliches, grundgesetzlich geschütztes Recht dar, das im Rahmen der Zwangsvollstreckung abwägend zu beachten ist. Angesichts der besonderen Umstände dieses Einzelfalles haben die Interessen der Gläubigerin jedoch ausnahmsweise zurückzutreten, und dies auch dauerhaft, weil bei der inzwischen 94-jährigen Schuldnerin keine Verbesserung ihrer somatischen und psychischen Situation zu erwarten ist. Die von der Gläubigerin angeführte Argumentation, die Schuldnerin sei deshalb weniger schutzwürdig, weil sie durch ihren Lebensstil und ihr Konsumverhalten in der Vergangenheit „sehenden Auges“ die nunmehr vorliegende Mittellosigkeit herbeigeführt habe, überzeugt nicht. Aus dem Akteninhalt ergeben sich für ein solches selbstschädigendes Verhalten der Schuldnerin keine Anhaltspunkte
37Sofern der Geschäftsführer der Gläubigerin geltend macht, dass die Verzögerung der Herausgabe der Immobilie zu einer psychosomatischen Erkrankung mit Depressionen geführt habe, kann zunächst schon nicht auf seinen gesundheitlichen Zustand abgestellt werden, weil Gläubigerin eine GmbH ist: Bedient man sich im Wirtschaftsverkehr einer juristischen Person und schöpft die entsprechenden Vorteile aus, hat man auch die ggf. damit verbundenen Nachteile zu tragen. Zudem ist ein kausaler Zusammenhang seines bevorstehenden Aufenthaltes in einer Klinik mit dem vorliegenden Vollstreckungsverfahren durch die eingereichte Anlage nicht ansatzweise belegt. Letztlich stünde selbst eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Geschäftsführers der Gläubigerin nicht auf gleicher Ebene mit der akuten dauerhaften Lebensgefahr der Schuldnerin.
38Sofern der Geschäftsführer der Gläubigerin nunmehr sowohl gegen die Gläubigerin als auch gegen ihn bzw. seine Ehefrau von eigenen Gläubigern ausgebrachte Zwangsvollstreckungsmaßnahmen anführt, ist schon nicht hinsichtlich aller Maßnahmen belegt, dass diese kausal allein durch die verzögerte Zwangsvollstreckung gegenüber der Schuldnerin versursacht wurden; vielmehr ergibt sich der Eindruck, dass die über die GmbH abgewickelten Grundstücksgeschäfte auf dünner finanzieller Absicherung aufgebaut wurden, - jedenfalls mit gewissen Verzögerungen ist jedoch grundsätzlich zu rechnen, gerade wenn man ein von einer alten, kranken Frau bewohntes Einfamilienhaus im Wege der Zwangsversteigerung erwirbt.
39In die Abwägung ist des Weiteren mit einzubeziehen, dass die Gläubigerin die Immobilie, deren Verkehrswert auf 178.000,00 € im Versteigerungsverfahren festgesetzt worden war, zu einem Betrag von 130.000,00 € zugeschlagen erhalten hat. Deshalb wird die Gläubigerin durch ein weiteres Aufschieben der Zwangsvollstreckung weniger wirtschaftlich eingeschränkt, als sie dies wäre, hätte sie das Objekt zu einem dem Verkehrswert entsprechenden oder diesen übersteigenden Betrag zugeschlagen erhalten. Aufgrund der genannten Umstände sowie des desolaten Gesundheitszustandes und des fortgeschrittenen Alters der Schuldnerin ist eine gänzliche Aushöhlung des Eigentumsgrundrechts der Gläubigerin nicht zu erwarten.
40Die Festsetzung der aktuell zu zahlenden Nutzungsentschädigung orientiert sich an dem ausweislich des Bescheides der Stadt I. vom 29.01.2014 für die Gläubigerin gezahlten Teilbetrages zur Grundsicherung, da die Schuldnerin zur Zahlung der an sich angemessenen und in den vorangegangenen Beschlüssen festgesetzten Nutzungsentschädigung derzeit finanziell nicht in der Lage ist; so hätte die Festsetzung eines höheren Betrages angesichts der derzeitigen Leistungsunfähigkeit der Schuldnerin zur Folge, dass diese der Auflage nicht nachkommen könnte, die Einstellung ins Leere liefe und eine Fortsetzung der Vollstreckung mit einer akuten Lebensgefährdung zur Folge hätte. Sollte die Stadt I. den Betrag anheben (können), worum sich der Betreuer ggf. bemühen sollte, oder aber die Schuldnerin in den von ihr avisierten Rechtsstreitigkeiten obsiegen und einen nennenswerten Betrag ausgezahlt erhalten, wird der monatliche Nutzungsentschädigungsbetrag auf Antrag der Gläubigerin entsprechend anzuheben sein.
41Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache in Hinblick auf den – ausnahmsweise erfolgten – Eingriff in das Grundrecht der Gläubigerin aus Art. 14 GG grundsätzliche Bedeutung hat.
42Die Kostenentscheidung folgt aus § 788 Abs. 1 und 4 ZPO. Gründe, die eine (teilweise) Kostentragung durch die Gläubigerin als billig erscheinen lassen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
43Rechtsmittelbelehrung:
44Gegen diese Entscheidung ist die Rechtsbeschwerde statthaft. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichung einer mit einer Begründung versehen und unterschriebenen Beschwerdeschrift beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe einzulegen. Die Einlegung hat durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu erfolgen.
(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.
(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.
(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.
(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.
(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und - 2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.
(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge), - 2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2, - 3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar - a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt; - b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.
(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.
(1) Die Aufnahme des Zeugenbeweises darf einem Mitglied des Prozessgerichts oder einem anderen Gericht nur übertragen werden, wenn von vornherein anzunehmen ist, dass das Prozessgericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag, und
- 1.
wenn zur Ausmittlung der Wahrheit die Vernehmung des Zeugen an Ort und Stelle dienlich erscheint oder nach gesetzlicher Vorschrift der Zeuge nicht an der Gerichtsstelle, sondern an einem anderen Ort zu vernehmen ist; - 2.
wenn der Zeuge verhindert ist, vor dem Prozessgericht zu erscheinen und eine Zeugenvernehmung nach § 128a Abs. 2 nicht stattfindet; - 3.
wenn dem Zeugen das Erscheinen vor dem Prozessgericht wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann und eine Zeugenvernehmung nach § 128a Abs. 2 nicht stattfindet.
(1a) Einem Mitglied des Prozessgerichts darf die Aufnahme des Zeugenbeweises auch dann übertragen werden, wenn dies zur Vereinfachung der Verhandlung vor dem Prozessgericht zweckmäßig erscheint und wenn von vornherein anzunehmen ist, dass das Prozessgericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag.
(2) Der Bundespräsident ist in seiner Wohnung zu vernehmen.
(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.
(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.
(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.
(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.
(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.
(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.
(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.
(1) Die Aufnahme des Zeugenbeweises darf einem Mitglied des Prozessgerichts oder einem anderen Gericht nur übertragen werden, wenn von vornherein anzunehmen ist, dass das Prozessgericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag, und
- 1.
wenn zur Ausmittlung der Wahrheit die Vernehmung des Zeugen an Ort und Stelle dienlich erscheint oder nach gesetzlicher Vorschrift der Zeuge nicht an der Gerichtsstelle, sondern an einem anderen Ort zu vernehmen ist; - 2.
wenn der Zeuge verhindert ist, vor dem Prozessgericht zu erscheinen und eine Zeugenvernehmung nach § 128a Abs. 2 nicht stattfindet; - 3.
wenn dem Zeugen das Erscheinen vor dem Prozessgericht wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann und eine Zeugenvernehmung nach § 128a Abs. 2 nicht stattfindet.
(1a) Einem Mitglied des Prozessgerichts darf die Aufnahme des Zeugenbeweises auch dann übertragen werden, wenn dies zur Vereinfachung der Verhandlung vor dem Prozessgericht zweckmäßig erscheint und wenn von vornherein anzunehmen ist, dass das Prozessgericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag.
(2) Der Bundespräsident ist in seiner Wohnung zu vernehmen.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.
(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.
(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.
(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.
(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.