Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2019 - I ZB 6/19

bei uns veröffentlicht am19.09.2019
vorgehend
Oberlandesgericht Koblenz, 9 U 759/07, 19.12.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 6/19
vom
19. September 2019
in der Rechtsbeschwerdesache
ECLI:DE:BGH:2019:190919BIZB6.19.0

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. September 2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, den Richter Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke, den Richter Feddersen und die Richterin Dr. Schmaltz
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 19. Dezember 2018 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen. Beschwerdewert: 400.000 €

Gründe:


1
I. Die Klägerin und die Nebenintervenientin stehen als Fluggesellschaften im Wettbewerb. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte, die den Flughafen Hahn im Hunsrück betreibt, gewähre der Nebenintervenientin unzulässige Beihilfen. Sie nimmt die Beklagte insoweit auf Auskunft, Rückforderung und Unterlassung in Anspruch.
2
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Bad Kreuznach, Urteil vom 16. Mai 2007 - 2 O 441/06, juris). Nachdem der Senat das diese Entscheidung bestätigende Berufungsurteil (OLG Koblenz, OLGR Koblenz 2009, 491) aufgehoben hat (BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - I ZR 136/09, BGHZ 188, 326 - Flughafen Frankfurt-Hahn), ist die Sache derzeit wieder in der Berufungsinstanz anhängig.
3
Mit Beschluss vom 1. Oktober 2014 beendete die Europäische Kommission ein am 17. Juni 2008 eröffnetes formelles Prüfverfahren und entschied, dass bestimmte zwischen der Beklagten und der Nebenintervenientin in den Jahren 1999, 2002 und 2005 abgeschlossene Verträge sowie die Entgeltordnungen für den Flughafen Hahn aus den Jahren 2001 und 2006 keine Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellten. Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 26. August 2015 vor dem Gericht der Europäischen Union eine unter dem Aktenzeichen T-492/15 geführte Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV erhoben. Die Klägerin stützt die Nichtigkeitsklage auf dieselben Klagegründe , die sie im Berufungsverfahren vorträgt.
4
Die Klägerin hatte zunächst beantragt, das Berufungsverfahren bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Gericht der Europäischen Union auszusetzen. Mit Beschluss vom 22. Mai 2018 hat das Berufungsgericht dem Aussetzungsantrag entsprochen, die Aussetzung jedoch nicht nur bis zur erstinstanzlichen , sondern bis zur rechtskräftigen Erledigung der Nichtigkeitsklage erstreckt.
5
Mit Schriftsatz vom 24. September 2018 hat die Klägerin nunmehr beantragt , den Aussetzungsbeschluss vom 22. Mai 2018 aufzuheben, das Berufungsverfahren fortzusetzen, ein Vorabentscheidungsersuchen über die Gültigkeit des Beschlusses der Kommission vom 1. Oktober 2014 an den Gerichtshof der Europäischen Union zu richten und das Berufungsverfahren danach erneut auszusetzen.
6
Das Berufungsgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 19. Dezember 2018 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
7
Mit Urteil vom 12. April 2019 hat das Gericht der Europäischen Union die Nichtigkeitsklage der Klägerin als unzulässig abgewiesen (EuZW 2019, 502).
Das dagegen von der Klägerin eingelegte Rechtsmittel ist beim Gerichtshof der Europäischen Union unter dem Aktenzeichen C-453/19 anhängig.
8
II. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Entscheidung über die Aufhebung der Aussetzung stehe im Ermessen des Gerichts. Gründe, von einer Aussetzung des Berufungsverfahrens abzusehen, lägen indes nicht vor. Die rechtskräftige Entscheidung über die Nichtigkeitsklage vor dem Gericht der Europäischen Union sei vorgreiflich für die Entscheidung im Berufungsverfahren. Das Berufungsgericht sei nicht verpflichtet, noch vor rechtskräftiger Erledigung der Nichtigkeitsklage eine Vorlage zur Gültigkeit der Kommissionsentscheidung nach Art. 267 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union zu richten. Ein Vorabentscheidungsersuchen trotz anhängiger Nichtigkeitsklage sei nur dann sachgerecht, wenn es auf andere Gründe als die Nichtigkeitsklage gestützt werden könne. Daran fehle es im Streitfall.
9
Soweit nicht auszuschließen sei, dass das Gericht der Europäischen Union die Klagebefugnis der Klägerin verneine und die Nichtigkeitsklage als unzulässig abweise, gebiete dies ebenfalls keine Fortsetzung des Berufungsverfahrens. Eine Abweisung als unzulässig stelle lediglich ein Prozessurteil dar, mit dem keine Entscheidung über die Gültigkeit des Beschlusses der Kommission verbunden sei. Ihm fehle eine Bindungswirkung für das nationale Gericht, so dass der Klägerin kein Rechtsverlust drohe.
10
III. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
11
1. Gemäß § 150 Satz 1 ZPO kann das Gericht eine von ihm erlassene, eine Aussetzung betreffende Anordnung wieder aufheben. Die Aufhebung der Aussetzung steht danach im Ermessen des Gerichts. Das Berufungsgericht hat frei von Ermessensfehlern von einer Aufhebung der Aussetzung abgesehen (zum Umfang der Überprüfung von Ermessensentscheidungen im Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 2019 - I ZB 82/18 Rn. 38 [noch nicht veröffentlicht]).
12
2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, die rechtskräftige Entscheidung über die Nichtigkeitsklage beim Gericht der Europäischen Union sei vorgreiflich für die Entscheidung des Berufungsverfahrens.
13
a) Im Verfahren vor dem Gericht der Europäischen Union beantragt die Klägerin, den Beschluss der Kommission vom 1. Oktober 2014 für nichtig zu erklären, in dem insbesondere festgestellt wurde, dass die Verträge zwischen der Nebenintervenientin und der Beklagten von 1999, 2002 und 2005 sowie die Entgeltordnungen des Flughafens Hahn vom Oktober 2001 und Juni 2006 keine Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen. Die Beihilfeeigenschaft dieser Maßnahmen ist für das Berufungsverfahren eine tatbestandliche Vorfrage. Die dort von der Klägerin verfolgten Ansprüche setzen einen Verstoß gegen das Durchführungsverbot aus Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV voraus, das nur für Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV gilt.
14
b) Wie das Berufungsgericht im Aussetzungsbeschluss vom 22. Mai 2018 zutreffend ausgeführt hat, beeinflusst eine rechtskräftige Sachentscheidung über die Nichtigkeitsklage das Berufungsverfahren in rechtlich bindender Weise.
15
aa) Im Fall des Erfolgs der Nichtigkeitsklage stünde die Nichtigkeit der Kommissionsentscheidung erga omnes fest. Infolgedessen wäre das Prüfungsverfahren der Kommission noch nicht abgeschlossen und die nationalen Gerichte wären ohne Konsultation der Kommission oder Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV nicht berechtigt, von der vorläufigen Einschätzung im Eröffnungsbeschluss der Kommission abzuweichen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Februar 2017 - I ZR 91/15, WRP 2017, 451 Rn. 40 - Flughafen Lübeck).
16
bb) Wird die Nichtigkeitsklage dagegen rechtskräftig als unbegründet abgewiesen , stünde fest, dass die an die Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat gerichtete Kommissionsentscheidung gültig ist und die dagegen vorgetragenen Klagegründe nicht durchgreifen. Daran sind auch die nationalen Gerichte aufgrund des in Art. 4 Abs. 3 AEUV niedergelegten Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten gebunden.
17
c) Wird die unionsrechtliche Nichtigkeitsklage allerdings rechtskräftig als unzulässig abgewiesen, hat ein solches Prozessurteil für das Berufungsverfahren keine vorgreifliche Wirkung. Der Aussetzungsbeschluss ist dann aufzuheben und das Berufungsverfahren fortzusetzen.
18
Im vorliegenden Fall erschien eine Abweisung der Nichtigkeitsklage als unzulässig durch das Gericht der Europäischen Union zwar im für den angefochtenen Beschluss maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt möglich. Diese Abweisung ist zwischenzeitlich auch tatsächlich erfolgt. Das Prozessurteil des Gerichts der Europäischen Union ist aber noch nicht rechtskräftig, weil die Klägerin Rechtsmittel gegen die Entscheidung eingelegt hat. Infolgedessen ist eine den Aussetzungsgrund beseitigende Rechtskraft im Nichtigkeitsverfahren bisher nicht eingetreten. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass es noch zu einer Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 12. April 2019 und nachfolgend zu einer - für das Berufungsverfahren vorgreiflichen - Sachentscheidung im Verfahren T-492/15 kommt. Damit besteht der vom Berufungsgericht angenommene Aussetzungsgrund fort.
19
3. Das Berufungsgericht hat auch ohne Ermessensfehler angenommen, dass kein Grund dafür besteht, die Aussetzung aufzuheben und ein eigenes Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu richten.
20
a) Hängt die Entscheidung in einem bei einem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit von der Gültigkeit eines Beschlusses der Kommission ab, so folgt aus der Verpflichtung zu loyaler Zusammenarbeit, dass das Gericht, um nicht eine dem Beschluss der Kommission zuwiderlaufende Entscheidung zu erlassen, das Verfahren aussetzen sollte, bis die Unionsgerichte eine endgültige Entscheidung über die Nichtigkeitsklage erlassen haben, es sei denn, das Gericht hält es unter den gegebenen Umständen für gerechtfertigt, dem Gerichtshof der Europäischen Union eine Vorabentscheidungsfrage nach der Gültigkeit des Beschlusses der Kommission vorzulegen (EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018 - C-135/16, WuW 2018, 522 Rn. 24 - Georgsmarienhütte u.a., mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2000 - C-394/98, GRUR Int. 2001, 333 Rn. 57 - Masterfoods und HB). In diesem Rahmen steht es, wie die Rechtsbeschwerde nicht verkennt, grundsätzlich im Ermessen des nationalen Gerichts, ob es das Verfahren bis zur endgültigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage oder aber im Hinblick auf ein eigenes Vorabentscheidungsersuchen zur Gültigkeit der Kommissionsentscheidung aussetzen will.
21
b) Anders als die Rechtsbeschwerdebegründung geltend macht, ist im vorliegenden Fall keine Ermessensreduzierung auf Null dahingehend eingetreten , dass allein der Weg eines eigenen Vorabentscheidungsersuchens für das Berufungsgericht zulässig wäre.
22
aa) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, ein Vorabentscheidungsersuchen trotz anhängiger Nichtigkeitsklage sei nur dann sachgerecht, wenn es auf andere Gründe als die Nichtigkeitsklage gestützt werden könne (in diesem Sinne Wegener in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl., AEUV Art. 267 Rn. 17). Das ist nicht zu beanstanden und steht im Einklang mit dem der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu entnehmenden Grundsatz, dass die Aussetzung im Hinblick auf ein schon anhängiges Nichtigkeitsverfahren vorrangig gegenüber einem eigenen Vorabentscheidungsersuchen durch das nationale Gericht ist (vgl. Ehricke in Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl., AEUV Art. 267 Rn. 27).
23
bb) Der in der Rechtsbeschwerde für eine Ermessensreduzierung auf Null im Sinne eines eigenen Vorabentscheidungsersuchens angeführte Umstand , der Gerichtshof der Europäischen Union fasse die Zulässigkeitsvoraussetzungen für Nichtigkeitsklagen von Wettbewerbern im Beihilferecht eng (vgl. EuGH, Urteil vom 17. September 2015 - C-33/14P, juris Rn. 54 bis 62, 99 f. - Mory), hat für die Frage Bedeutung, ob derjenige, der einen Unionsrechtsakt anfechten will, (zwingend) Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV erheben muss oder ob er dessen Ungültigkeit vor einem innerstaatlichen Gericht geltend machen kann (vgl. EuGH, WuW 2008, 522 Rn. 17 f. - Georgsmarienhütte u.a.). Wird indes ein Nichtigkeitsverfahren von einer Partei - hier der Klägerin - betrieben, so hat das nationale Gericht diesen Umstand zu berücksichtigen und die gebotenen Maßnahmen zu ergreifen, um widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden.
24
c) Ohne Erfolg trägt die Rechtsbeschwerde weiter vor, die Klägerin habe unstreitig geltend gemacht, die Kommission habe im Beschluss vom 1. Oktober 2014 wesentliche Sachverhaltselemente unberücksichtigt gelassen.
25
Hier bleibt schon offen, um welche Sachverhaltselemente es sich dabei konkret handeln soll. Zudem ist die Möglichkeit der Klägerin, im Berufungsverfahren zu - ihres Erachtens - von der Kommission unberücksichtigtem Sachverhalt vorzutragen, in der gegenwärtigen Verfahrenslage kein gegen die Aufrechterhaltung der Aussetzung sprechender Gesichtspunkt. Für ein eigenes Vorabentscheidungsersuchen des Berufungsgerichts wäre solcher Sachverhalt nur erheblich, wenn er Einfluss auf die Gültigkeit der Entscheidung der Kommission haben könnte, da allein diese Frage Gegenstand des möglichen, von der Klägerin geforderten Vorabentscheidungsersuchens sein soll. Diese Sachverhaltselemente können aber grundsätzlich im Nichtigkeitsverfahren vor dem Gericht der Europäischen Union geltend gemacht werden. Aufgrund des von der Klägerin selbst eingelegten Rechtsmittels ist auch nicht ausgeschlossen, dass dieser Vortrag im Nichtigkeitsverfahren noch Berücksichtigung finden kann. Das Nichtigkeitsverfahren würde bei einem Erfolg des Rechtsmittels wieder an das Gericht der Europäischen Union gelangen, das sodann die Begründetheit der Klage zu prüfen hätte.
26
d) Die von der Rechtsbeschwerde ausführlich dargelegten vor einer sachlichen Prüfung zu überwindenden, unterschiedlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen der unionsrechtlichen Nichtigkeitsklage und des Vorabentscheidungsverfahrens , verhelfen ihr nicht zum Erfolg. Es ist nicht ersichtlich, welche Bedeutung dieser Umstand für die hier maßgebliche Frage haben soll, ob trotz anhängigem unionsrechtlichen Nichtigkeitsverfahren ein nationales Gerichtsverfahren fortzusetzen ist, um dem Gericht zu erlauben, ein eigenes Vorabentscheidungsersuchen zu stellen. Bestehen Zweifel an der Klagebefugnis im Nichtigkeitsverfahren, ist eine Partei nicht gehalten, diesen Weg zu beschreiten; sie kann vielmehr dann die Ungültigkeit eines Rechtsakts der Union vor dem innerstaatlichen Gericht geltend machen, um dieses zu einer Vorabentscheidung zu bewegen (vgl. EuGH, WuW 2008, 522 Rn. 17 f.- Georgsmarienhütte u.a.). Setzt sich die klagende Partei über solche Zweifel an der Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage hinweg, so muss sie die deshalb zur Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen eintretenden Verzögerungen eines innerstaatlichen Verfahrens grundsätzlich hinnehmen.
27
4. Soweit sich die Rechtsbeschwerde für den Fall der Aufrechterhaltung der Aussetzung auf eine nicht weiter zumutbare Verzögerung beruft, geht dieser Vorwurf schon deshalb ins Leere, weil die Klägerin die sofortige Fortsetzung des Berufungsverfahrens selbst verhindert, indem sie das Nichtigkeitsverfahren in der Rechtsmittelinstanz fortführt.
28
Beansprucht die Rechtsdurchsetzung unabhängig davon in der Konstellation des Streitfalls besonders viel Zeit, ist dies auf das gerade für das europäischen Beihilferecht typische und unvermeidbare Nebeneinander von unionsrechtlichem und innerstaatlichen Rechtsschutz zurückzuführen.
29
5. Anders als die Rechtsbeschwerde ausführt, hat das Berufungsgericht die Klägerin auch keineswegs dazu gezwungen, ein Rechtsmittel beim Gerichtshof der Europäischen Union gegen die vom Gericht der Europäischen Union ausgesprochene Abweisung als unzulässig einzulegen. Soweit das Berufungsgericht die Möglichkeit dieses Rechtsmittels anspricht, geschieht dies ausdrücklich unter der Prämisse einer bestehenden Klagebefugnis. Mit der Möglichkeit einer Abweisung der Nichtigkeitsklage als unzulässig befasst sich das Berufungsgericht an dieser Stelle nicht, sondern erst zwei Absätze später.
30
6. Die Möglichkeit, dass die Nichtigkeitsklage - wie zwischenzeitlich erfolgt - als unzulässig abgewiesen wird, gebietet entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ebenfalls nicht die Fortsetzung des Berufungsverfahrens. Das Berufungsgericht hat sich ausdrücklich mit der Frage befasst, verneint diese jedoch mit der zutreffenden Erwägung, der Klägerin drohe in diesem Fall entgegen ihrer Auffassung kein Rechtsverlust.
31
Für die Klägerin bleibt ausreichender effektiver Rechtsschutz gemäß Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auch dann gewährleistet , wenn der Gerichtshof der Europäischen Union die Unzulässigkeit ihrer Nichtigkeitsklage rechtskräftig bestätigen sollte. In diesem Fall ist das Berufungsverfahren fortzusetzen, was der Klägerin die Möglichkeit eröffnet, das Berufungsgericht zu einem Vorabentscheidungsersuchen zur Gültigkeit der Kommissionsentscheidung zu veranlassen.
32
IV. Danach ist die Rechtsbeschwerde auf Kosten der Klägerin zurückzuweisen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Koch Löffler Schwonke
Feddersen Schmaltz
Vorinstanzen:
LG Bad Kreuznach, Entscheidung vom 16.5.2007 - 2 O 441/06 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 19.12.2018 - 9 U 759/07 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2019 - I ZB 6/19

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2019 - I ZB 6/19

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 150 Aufhebung von Trennung, Verbindung oder Aussetzung


Das Gericht kann die von ihm erlassenen, eine Trennung, Verbindung oder Aussetzung betreffenden Anordnungen wieder aufheben. § 149 Abs. 2 bleibt unberührt.
Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2019 - I ZB 6/19 zitiert 5 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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Tenor Auf die Revision der Streithelferin der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 8. April 2015 aufgehoben, soweit die Berufung der Bekl

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IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 136/09 Verkündet am:
10. Februar 2011
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Flughafen Frankfurt-Hahn
AEUV Art. 108 Abs. 3 Satz 3; BGB § 823 Abs. 2 Bf, L; UWG § 4 Nr. 11, § 11

a) Das beihilferechtliche Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV ist zugunsten der Wettbewerber
des Beihilfeempfängers Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.

b) Nimmt ein Wettbewerber den Beihilfegeber erfolgreich auf Rückforderung einer unter Verstoß gegen
das Durchführungsverbot gewährten Beihilfe in Anspruch, so kann es dem Beihilfeempfänger versagt
sein, sich auf eine inzwischen eingetretene Verjährung des Rückforderungsanspruchs zu berufen,
wenn der Beihilfegeber aufgrund des von dem Wettbewerber erwirkten Urteils die Rückzahlung der
Beihilfe begehrt.

c) Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG.

d) Kann die Rückforderung einer unter Verstoß gegen das Durchführungsverbot gewährten Beihilfe nicht
nur nach allgemeinem Deliktsrecht, sondern auch wettbewerbsrechtlich begründet werden, findet die
kurze Verjährung des § 11 UWG auf die Abwehr- und Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2
BGB in Verbindung mit Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV keine Anwendung.
BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - I ZR 136/09 - OLG Koblenz
LG Bad Kreuznach
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. November 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 25. Februar 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte betreibt den Verkehrsflughafen Frankfurt-Hahn. Gesellschafter der Beklagten sind zu 65% die Fraport AG und zu jeweils 17,5% die Länder Rheinland-Pfalz und Hessen. An der börsennotierten Fraport AG sind mehrheitlich die Bundesrepublik Deutschland, das Land Hessen und die Stadt Frankfurt beteiligt. Entgegen ursprünglichen Prognosen führte der Betrieb des Flughafens Frankfurt-Hahn auch über das Jahr 2006 hinaus zu jährlichen Verlusten der Beklagten in Höhe von mehreren Millionen Euro, die bislang aufgrund von Ergebnisabführungsverträgen die Fraport AG trug.
2
Ein ganz wesentlicher Teil des Passagieraufkommens auf dem Flughafen Frankfurt-Hahn entfällt auf die Ryanair Ltd. Aufgrund der Entgeltordnungen der Beklagten von 2001 und 2006 hatte Ryanair je Passagier ein Entgelt zu zahlen, das sich ab einer Gesamtpassagierzahl von drei Millionen ermäßigte. Ryanair wurden weder Start-, Lande- und Anflugentgelte noch ein Entgelt für die Nutzung der zentralen Infrastruktureinrichtung berechnet, weil ausschließlich Flugzeuge genutzt wurden, die entsprechende Ermäßigungstatbestände der Entgeltordnung erfüllten. Die Beklagte gewährte Ryanair zudem jährliche Zahlungen als "Marketing-Support".
3
Mit Schreiben vom 17. Juni 2008 eröffnete die EU-Kommission ein förmliches Prüfverfahren zu möglichen staatlichen Beihilfen zugunsten der Beklagten und Ryanair (ABl EU 2009 Nr. C 12 S. 6).
4
Die Klägerin, die Deutsche Lufthansa AG, hat behauptet, Ryanair habe ein zu niedriges Entgelt zu zahlen, das zwangsläufig zu Verlusten der Beklagten führe. Der "Marketing-Support" werde ohne nennenswerte Gegenleistung gewährt. Es sei auf Dauer nicht absehbar, dass die Beklagte Gewinne erzielen werde. Die Klägerin ist der Ansicht, dass deshalb unzulässige staatliche Beihilfen an Ryanair vorlägen. Im Hinblick darauf macht die Klägerin Ansprüche unmittelbar aus einem Verstoß gegen das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV, aus dieser Vorschrift in Verbindung mit § 823 Abs. 2, § 1004 BGB sowie aus § 33 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GWB in Verbindung mit europäischem Kartellrecht und §§ 19, 20 GWB geltend.
5
Die Klägerin hat die Beklagte im Wege der Stufenklage in Anspruch genommen. Sie hat zuletzt von der Beklagten begehrt, Auskunft über die an Ryanair in den Jahren 2002 bis 2005 geleistete "Marketingförderung" in Form von Einmalzahlungen für neu eingerichtete Strecken sowie von Ermäßigungen der Flughafenentgelte zu erteilen und diese Beihilfen (hilfsweise: Marketingförderung) in einer nach Erteilung der Auskunft zu bestimmenden Höhe zurückzufordern.
6
Außerdem hat sie beantragt, die Beklagte zu verurteilen, Beihilfen aus der Reduzierung von Flughafenentgelten (hilfsweise: nicht erhobene Flughafenentgelte) in Höhe von 2,679 Mio. € für das Jahr 2003 zurückzufordern und es zu unterlassen, in Zukunft staatliche Beihilfen (insbesondere in Form der Start- und Landeentgelte für Passagierflüge nach der Entgeltordnung von 2006) an die Ryanair Ltd. zu gewähren, ohne dass diese zuvor nach Art. 88 Abs. 3 EG (jetzt Art. 108 Abs. 3 AEUV) - bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften angemeldet und - von dieser genehmigt wurden.
7
Für den Fall, dass der Unterlassungsantrag keinen Erfolg hat, hat die Klägerin zwei Hilfsanträge gestellt, in denen sie ihren Anspruch konkret auf Vergünstigungen nach der Entgeltordnung 2006 beschränkt (erster Hilfsantrag) und die beanstandeten Leistungen nicht als Beihilfe, sondern als Begünstigung bezeichnet hat (zweiter Hilfsantrag).
8
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben (OLG Koblenz, OLG-Rep 2009, 491). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre zuletzt gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:


9
A. Das Berufungsgericht hat die Klage für zulässig, aber unbegründet gehalten. Der Klägerin stünden die geltend gemachten Ansprüche weder unmittelbar aus dem Durchführungsverbot (jetzt Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV) zu noch aus §§ 242, 823 Abs. 2, § 1004 BGB in Verbindung mit Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV. Bei den genannten beihilferechtlichen Vorschriften handele es sich insbesondere nicht um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Auch liege kein Verstoß gegen Kartellrecht vor. Ein solcher setze voraus, dass eine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt werde. Eine solche komme der Beklagten angesichts der in Reichweite befindlichen Flughäfen in Frankfurt und Köln aber nicht zu. Zudem habe die Klägerin den Flughafen Hahn zu den gleichen Konditionen wie Ryanair nutzen können.
10
B. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
11
I. Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit der Klage im Wesentlichen zu Recht bejaht.
12
Soweit die Klägerin die Unterlassung der Gewährung "staatlicher Beihilfen" begehrt (Antrag zu 5), ist ihr Antrag allerdings nicht hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Gebrauch eines allgemeinen Begriffs kann zwar genügen, wenn im Einzelfall über seinen Sinngehalt kein Zweifel besteht. Anders liegt es aber dann, wenn die Bedeutung von Begriffen oder Bezeichnungen zwischen den Parteien streitig ist. In solchen Fällen würden, wenn Sinngehalt und Bedeutung der verwendeten Begriffe offenbleiben, Inhalt und Umfang des begehrten bzw. des erkannten Verbots nicht eindeutig feststehen (BGH, Urteil vom 9. April 1992 - I ZR 171/90, GRUR 1992, 561 - Unbestimmter Unterlassungsantrag II; Urteil vom 4. Oktober 2007 - I ZR 143/04, GRUR 2008, 84 Rn. 13 = WRP 2008, 98 - Versandkosten). Das ist vorliegend der Fall, da die Beklagte der Auffassung ist, dass ihre beanstandeten Maßnahmen keine staatlichen Beihilfen sind. Die Unbestimmtheit des Klageantrags ist im Revisionsverfahren auch von Amts wegen zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 11. Mai 2000 - I ZR 28/98, BGHZ 144, 255, 263 - Abgasemissionen).
13
Der Antrag enthält allerdings als Minus die konkret beanstandete Verletzungsform (BGH, Urteil vom 30. April 2008 - I ZR 73/05, GRUR 2008, 702 Rn. 36 = WRP 2008, 1104 - Internet-Versteigerung III, mwN). Die Klägerin hat den Antrag durch Bezugnahme auf die "Start- und Landeentgelte für Passagierflüge nach der Entgeltordnung von 2006" hinreichend konkretisiert. Art und Umfang der von der Klägerin insoweit beanstandeten Begünstigung von Ryanair lassen sich der Entgeltordnung konkret entnehmen.
14
II. Das Berufungsgericht hat die Klage für unbegründet erachtet, weil sich die Klägerin weder unmittelbar noch in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB auf Art. 107, 108 AEUV als Anspruchsgrundlage stützen könne und ihr auch keine kartellrechtlichen Ansprüche zustünden. Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen lässt sich jedenfalls ein deliktsrechtlicher Anspruch der Klägerin (§ 823 Abs. 2 BGB, § 1004 BGB in Verbindung mit Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV) nicht ausschließen. Unter diesen Umständen bedarf es keiner Erörterung der Frage, ob auch die Art. 107, 108 AEUV Ansprüche von Wettbewerbern gegen vermeintliche Beihilfegeber unmittelbar begründen können.
15
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, das beihilferechtliche Durchführungsverbot sei kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Es sei nicht dazu bestimmt, dem Wettbewerber des Beihilfeempfängers ein subjektives Recht gegenüber dem Beihilfegeber zu vermitteln, sondern bezwecke allein den objektiven Schutz des Binnenmarktes. Zwar seien durch die Beihilfe auch die Interessen des Wettbewerbers betroffen; das genüge aber nicht für die Annahme eines Schutzgesetzes. Für den Wettbewerber reiche es aus, ein Verletzungsverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 93 des Vertrags; ABl. 1999 Nr. L 83, S. 1 - nachfolgend: VO 659/99 - bei der Europäischen Kommission einleiten zu können. Gemäß Art. 14 Abs. 1 VO 659/99 müsse die Kommission nach einer Negativentscheidung anordnen, dass der betreffende Mitgliedstaat die Beihilfe nach Maßgabe seines nationalen Rechts - in Deutschland: §§ 134, 812 BGB - zurückzufordern habe. Das Unionsrecht verlange jedoch nicht, Wettbewerbern zusätzlich ein Recht zur unmittelbaren Durchsetzung der Rückforderung gegenüber Beihilfegeber oder Beihilfeempfänger zu gewähren. Dem unionsrechtlichen Effizienzgebot werde zudem dadurch Rechnung getragen, dass nach Art. 11 VO 659/99 die Beihilfemaßnahme ausgesetzt oder eine einstweilige Rückforderung angeordnet werden könne. Außerdem gelte es, widersprüchliche Entscheidungen zwischen dem nationalen Gericht und der Europäischen Kommission zu vermeiden; letztere habe nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union abschließend darüber zu entscheiden, ob eine staatliche Beihilfe vorliege und ob diese gegebenenfalls mit dem Binnenmarkt vereinbar sei. Schließlich folge weder daraus, dass der Bundesgerichtshof Art. 108 Abs. 3 AEUV als Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB anerkannt habe, noch aus der unmittelbaren Anwendbarkeit des Durchführungsverbots dessen Eigenschaft als Schutzgesetz.
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2. Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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a) Als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB kommt auch unmittelbar anwendbares Unionsrecht in Betracht (Palandt/Sprau, BGB, 70. Aufl., § 823 Rn. 56a mwN; für Art. 101 AEUV BGH, Urteil vom 12. Mai 1998 - KZR 23/96, GRUR 1999, 276, 277 = WRP 1999, 101 - Depotkosmetik). Anders als das Beihilfeverbot des Art. 107 AEUV, dessen Anwendung der Kommission vorbehalten ist (vgl. EuGH, Urteil vom 21. November 1991 - C-354/90, Slg. 1991, I-5505 = NJW 1993, 49 Rn. 8 f. - FNCE), hat das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV unmittelbare Geltung. Es begründet Rechte der Einzelnen, die von den nationalen Gerichten zu beachten sind. Von dieser unmittelbaren Verbotswirkung betroffen ist jede Beihilfemaßnahme, die durchgeführt wird, ohne dass sie der Kommission angezeigt worden ist (EuGH, Urteil vom 12. Dezember 1973 - C-120/73, Slg. 1973, 1471 Rn. 7 f. - Lorenz, mwN).
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b) Eine Rechtsnorm ist Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, wenn sie nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt, Zweck und Entstehungsgeschichte des Gesetzes und damit darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zu Gunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt hat. Dafür genügt , dass die Norm auch das in Frage stehende Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge haben. Andererseits soll der Kreis der Schutzgesetze nicht zu sehr erweitert werden. Es reicht deshalb nicht aus, dass der Individualschutz als Reflex einer Befolgung der Norm objektiv erreicht werden kann; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen. Für die Beurteilung, ob einer Vorschrift Schutzgesetzcharakter zukommt, ist in umfassender Würdigung des gesamten Regelungszusammenhangs der Norm auch zu prüfen, ob es in der Tendenz des Gesetzgebers liegen konnte, an die Verletzung des geschützten Interesses die Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB zu knüpfen (BGH, Urteil vom 18. November 2003 - VI ZR 385/02, NJW 2004, 356, 357; Urteil vom 16. März 2004 - VI ZR 105/03, NJW 2004, 1949 mwN; Urteil vom 28. März 2006 - VI ZR 50/05, NJW 2006, 2110, 2112 mwN).
19
Die Vorschrift des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV erfüllt diese Voraussetzungen (vgl. Steindorff, Festschrift Mestmäcker, 1996, S. 510; Koenig, BB 2000, 573, 577; Tilmann/Schreibauer, GRUR 2002, 212, 221; Schmidt-Kötters in Heidenhain, Handbuch des Europäischen Beihilfenrechts, 2003, § 58 Rn. 30; Pütz, Das Beihilfeverbot des Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG-Vertrag, 2003, S. 227; Blume, Staatliche Beihilfen in der EG, 2004, S. 165; Gundel, EWS 2008, 161, 165; von Brevern/Gießelmann, EWS 2008, 470, 471; Martin-Ehlers/Strohmayr, EuZW 2008, 745, 748; Palandt/Sprau aaO § 823 Rn. 61; aA OLG München, GRUR 2004, 169, 170). Die Beihilferegeln der Union richten sich nach ihrem Wortlaut zwar nur an die Mitgliedstaaten. Das Durchführungsverbot hat nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union aber gerade die Funktion, die Interessen derjenigen zu schützen, die von der Wettbewerbsverzerrung betroffen sind, die durch die Gewährung der - schon allein wegen Verletzung des Durchführungsverbots - rechtswidrigen Beihilfe hervorgerufen wurde (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2006 - C-368/04, Slg. 2006, I-9957 = EuZW 2006, 65 Rn. 46 - Transalpine Ölleitung, mwN; Urteil vom 12. Februar 2008 - C-199/06, Slg. 2008, I-469 = EuZW 2008, 145 Rn. 38 - CELF I; vgl. Cremer in Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl., § 88 EGV Rn. 12, 26; v. Wallenberg in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 88 EGV Rn. 101 (Stand: Januar 2000). Es soll verhindern, dass durch unangemeldete Beihilfen Benachteiligungen im Wettbewerb entstehen, die sanktionslos bleiben (vgl. SchmidtKötters in Heidenhain aaO).

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Die Gerichte der Mitgliedstaaten haben die Rechte der Einzelnen gegen eine Verletzung des Durchführungsverbots zu schützen (EuGH, Urteil vom 16. Dezember 1992 - C-144/91, Slg. 1992, I-6613 Rn. 26 - Demoor; Urteil vom 11. Juli 1996 - C-39/94, Slg. 1996, I-3547 = EuZW 1996, 564 Rn. 44 - SFEI). In einem Vorabentscheidungsverfahren, dem eine auf einen Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV gestützte Konkurrentenklage zugrunde lag, hat der Gerichtshof dementsprechend das nationale Gericht für verpflichtet gehalten , einen Schutz gegen die Auswirkungen der rechtswidrigen Durchführung von Beihilfen sicherzustellen (EuGH, EuZW 1996, 564 Rn. 67 - SFEI). Dafür ist nicht Voraussetzung, dass die Kommission die Unvereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt festgestellt hat (vgl. EuGH, Slg. 1992, I-6613 Rn. 26 f. - Demoor).
21
Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV eine die Wettbewerber des Beihilfeempfängers individuell schützende Funktion zu (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2003 - V ZR 314/02, EuZW 2003, 444, 445; Urteil vom 20. Januar 2004 - XI ZR 53/03, EuZW 2004, 252, 253; Urteil vom 5. Juli 2007 - IX ZR 256/06, BGHZ 173, 129 Rn. 34; so auch zur Klagebefugnis im Verwaltungsgerichtsprozess OVG Koblenz, EuZW 2010, 274, 275).
22
c) Einer Anerkennung des Art. 108 Abs. 3 AEUV als Schutzgesetz lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eine entsprechende Anspruchsgrundlage im nationalen Recht voraussetzt. Die nationalen Gerichte sind verpflichtet, entsprechend ihrem nationalen Recht aus einer Verletzung des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV sämtliche Folgerungen sowohl bezüglich der Gültigkeit der Rechtsakte zur Durchführung der Beihilfemaßnahmen als auch bezüglich der Rückforderung der finanziellen Unterstützungen zu ziehen, die unter Verletzung dieser Bestimmung gewährt wurden (EuGH, EuZW 2008, 145 Rn. 41 - CELF I, mwN). Sie müssen grundsätzlich einer Klage auf Rückzahlung von unter Verstoß gegen diese Vorschrift gezahlten Beihilfen stattgeben (vgl. insbesondere EuGH, EuZW 1996, 564 Rn. 70 - SFEI; EuZW 2008, 145 Rn. 39 - CELF I). Jede andere Auslegung würde die Missachtung des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV durch den betreffenden Mitgliedstaat begünstigen und der Vorschrift ihre praktische Wirksamkeit nehmen (vgl. EuGH, NJW 1993, 49 Rn. 16 - FNCE; EuZW 2008, 145 Rn. 40 - CELF I).
23
Soweit der Gerichtshof ausführt, die Erstattung der Beihilfe habe unter Beachtung der innerstaatlichen Verfahrensvorschriften bzw. entsprechend dem nationalen Recht zu erfolgen (EuGH, NJW 1993, 49 Rn. 12 - FNCE; EuZW 1996, 564 Rn. 68 - SFEI), bedeutet dies allein, dass das Unionsrecht keine Vorschriften über die verfahrensrechtliche Durchsetzung des Rückforderungsrechts enthält. Das ändert indes nichts an der unionsrechtlichen Verpflichtung der mitgliedstaatlichen Gerichte, ihr nationales Recht unionsrechtskonform in einer Weise anzuwenden, die auch den Konkurrenten des Beihilfeempfängers ermöglicht , den wegen einer Verletzung des Durchführungsverbots bestehenden Rückzahlungsanspruch durchzusetzen (vgl. Brandtner/Beranger/Lessenich, EStAL 2010, 23, 25). Die dafür erforderliche Vorschrift stellt das deutsche Recht mit § 823 Abs. 2 BGB, im Übrigen aber auch mit der Vorschrift des § 4 Nr. 11 UWG bereit.
24
d) Das Ergebnis, das beihilferechtliche Durchführungsverbot als Schutzgesetz anzuwenden, wird durch den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz bestätigt. Danach dürfen die Mitgliedstaaten die Ausübung der Rechte, die das Unionsrecht den von einer Wettbewerbsverzerrung betroffenen Unternehmen bei Verstößen gegen das Durchführungsverbot gewährt, weder praktisch un- möglich machen noch übermäßig erschweren (vgl. EuGH, EuZW 2006, 65 Rn. 44 f. - Transalpine Ölleitung, mwN; Sutter, EuZW 2006, 729, 730; siehe auch Bekanntmachung der Kommission über die Durchsetzung des Beihilfenrechts durch die einzelstaatlichen Gerichte, ABl. EU 2009 Nr. C 85, 5.1, Rn. 22).
25
Zwar ist es allein Aufgabe der Kommission, gemäß Art. 108 Abs. 2 AEUV die Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt nach Art. 107 AEUV festzustellen (EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2003 - C-261/01, Slg. 2003, I-12249 = EuZW 2004, 87 Rn. 75 - van Calster, mwN). Im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen das Durchführungsverbot obliegt es aber den nationalen Gerichten, den Begriff der Beihilfe auszulegen, solange die Kommission keine verfahrensabschließende Entscheidung nach Art. 108 Abs. 2 AEUV getroffen hat (vgl. EuGH, NJW 1993, 49 Rn. 10 - FNCE).
26
Nach Unionsrecht müssen die in den Schutzzweck des Durchführungsverbots einbezogenen Wettbewerber des Beihilfeempfängers zur Einleitung einer solchen Prüfung befugt sein. Andernfalls wäre im Hinblick auf die beihilfetypische Interessenlage der Beteiligten der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz verletzt, weil Verstöße gegen Art. 108 Abs. 2 AEUV regelmäßig sanktionslos blieben. Denn die Kommission darf nicht schon deshalb eine abschließende Rückforderungsentscheidung erlassen, weil die Beihilfe unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV gewährt wurde (EuGH, Urteil vom 14. Dezember 1990 - C-301/87, Slg. 1990, I-307 = EuZW 1990, 164 Rn. 19 f. - Boussac). Auch Beihilfeempfänger , Beihilfegeber und von der Beihilfe nicht betroffene Wirtschaftsteilnehmer haben in der Regel kein eigenes Interesse, über die Einhaltung des Durchführungsverbots zu wachen. Demgegenüber können die wirtschaftlichen Interessen von Wettbewerbern schwer beeinträchtigt werden, wenn sie sich am Markt gegen Beihilfeempfänger behaupten müssen. Es werden so- mit in erster Linie Wettbewerber bereit sein, das Verbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV durchzusetzen (vgl. Soltész, EuZW 2001, 202, 204; Lampert, EWS 2001, 357). Damit wäre es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht zu vereinbaren, die Eigenschaft als Schutzgesetz mit der Begründung abzulehnen , dass das Durchführungsverbot nicht ausdrücklich die Wettbewerber schützt.
27
e) Die Anerkennung des Durchführungsverbots als Schutzgesetz kann auch nicht mit der Erwägung verneint werden, den Konkurrenten des Beihilfeempfängers seien bereits anderweitig ausreichende Rechtsschutzmöglichkeiten eingeräumt (vgl. BGH, Urteil vom 13. April 1994 - II ZR 16/93, BGHZ 125, 366, 374). Die den Wettbewerbern durch Art. 20 VO 659/99 gewährten Rechte gewährleisten keinen den Anforderungen des Gerichtshofs der Europäischen Union entsprechenden Schutz gegen eine Verletzung des Durchführungsverbots.
28
Gegenstand des förmlichen Beihilfeprüfverfahrens der Kommission ist die materielle Beurteilung, ob es sich bei der fraglichen Maßnahme überhaupt um eine Beihilfe handelt und ob diese gegebenenfalls mit dem Binnenmarkt vereinbar ist (vgl. Art. 7 VO 659/99). Der unzulässige Wettbewerbsvorteil, der - unabhängig von dem Ergebnis der materiellen Beurteilung - schon in der Nutzung einer nicht genehmigten Beihilfe liegt, wird von der Kommission regelmäßig nicht abgeschöpft. Die Anordnung einer vorläufigen Aussetzung der Beihilfe nach Art. 11 Abs. 1 VO 659/99 beseitigt die in der Vergangenheit durch Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV erlangten Vorteile nicht. Zwar sieht Art. 11 Abs. 2 VO 659/99 die Möglichkeit einer vorläufigen Rückforderung von Beihilfen vor. Sie ist aber an enge Voraussetzungen gebunden und nur zulässig, wenn der Beihilfecharakter der Maßnahme nach geltender Praxis eindeutig und ein Tätigwerden dringend geboten ist; zudem muss ein erheblicher und nicht wiedergutzumachender Schaden für einen Konkurrenten ernsthaft zu befürchten sein. Damit ist dem Konkurrenten auf Unionsebene bei Verletzung des Durchführungsverbots kein subjektives Recht gewährt, das den Anforderungen des Gerichtshofs der Europäischen Union genügt und den auf §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB oder auch auf §§ 3, 4 Nr. 11, § 8 Abs. 1, § 9 UWG gestützten Ansprüchen auf Beseitigung, Unterlassung oder Schadenersatz entspricht.
29
f) Auch eine Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen der deutschen Gerichte und der Kommission steht einer Einordnung des Durchführungsverbots als Schutzgesetz nicht entgegen.
30
Liegt tatsächlich eine nicht angemeldete Beihilfe vor, ist die Rückforderungsentscheidung unabhängig davon rechtmäßig, ob die Kommission später die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt feststellt. Grundsätzlich denkbar ist allerdings eine unterschiedliche Beurteilung des Beihilfecharakters einer Maßnahme durch die nationalen Gerichte und die Kommission. Verneint das Gericht eine Beihilfe, wird sie aber später von der Kommission bejaht, so ist eine Rückforderungsentscheidung wegen Verstoßes gegen Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV zu Unrecht unterblieben. Im umgekehrten Fall - das nationale Gericht nimmt eine Beihilfe an, die Kommission verneint sie später - wäre eine rechtswidrige Rückforderungsentscheidung ergangen. Diese Möglichkeiten unterschiedlicher Beurteilung sind allerdings Folge der Aufgabenverteilung, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten und der Kommission besteht (vgl. EuGH, EuZW 2006, 65 Rn. 37 f. - Transalpine Ölleitung), und die deshalb grundsätzlich hinzunehmen ist. Die Gerichte können zudem die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen mindern, indem sie eine Stellungnahme der Kommission zu Fragen über die Anwendung der Beihilfevorschriften einholen (vgl. Bekanntmachung der Kommission über die Durchsetzung des Beihilfenrechts durch die einzelstaatlichen Gerichte, aaO Rn. 89 ff.). Diese Stellungnahme bindet das Gericht selbstverständlich nicht. Sie gibt aber Aufschluss über die Haltung, die die Kommission zu der Beihilfefrage einnimmt, und macht damit gegebenenfalls das Risiko widersprüchlicher Entscheidungen deutlich.
31
Im Übrigen wird davon auszugehen sein, dass die Gefahr einer unterschiedlichen Beurteilung des Beihilfecharakters nur in ernsthaft zweifelhaften Fällen bestehen wird. In einem solchen Fall kann der mögliche Beihilfegeber die Maßnahme von sich aus oder auf Veranlassung des möglichen Beihilfeempfängers vorsorglich anmelden, um schon im Vorprüfverfahren die Feststellung der Kommission zu erhalten, dass es sich um keine Beihilfe handelt (vgl. Art. 4 Abs. 2 VO 659/99).
32
g) Rechtssystematische Gründe sprechen ebenfalls für eine Anerkennung des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV als Schutzgesetz (vgl. Tilmann/ Schreibauer, GRUR 2002, 212, 221).
33
Das Beihilferecht ist Teil des Wettbewerbsrechts der Union. Die Art. 107, 108 AEUV dienen dazu, staatliche Wettbewerbsverfälschungen durch Beihilfen abzuwehren. Sie finden sich unmittelbar nach den gegen Wettbewerbsbeschränkungen durch Unternehmen gerichteten Art. 101, 102 AEUV in den Wettbewerbsregeln im Titel VII Kapitel 1 des Vertrags. Die Wettbewerbsregeln dienen insgesamt dazu, das System unverfälschten Wettbewerbs zu konkretisieren , das notwendiges Element des Binnenmarkts der Union ist (vgl. früher Art. 3 Buchst. g EG und nunmehr Art. 2 AEUV in Verbindung mit dem Protokoll über den Binnenmarkt und den Wettbewerb). An der Verbindlichkeit des Wettbewerbsprinzips für die Union hat sich nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon nichts geändert (vgl. Behrens, EuZW 2008, 193).
34
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die Art. 101, 102 AEUV Schutzgesetze. Ansprüche wegen der Verletzung dieser Vorschriften durch Wettbewerbsbeschränkungen von Unternehmen konnten bis zur Einbeziehung der Art. 101, 102 AEUV in die spezialgesetzliche Anspruchsgrundlage des § 33 Abs. 1 GWB auf § 823 Abs. 2 BGB gestützt werden (vgl. BGH, GRUR 1999, 276, 277 - Depotkosmetik). Danach spricht viel dafür, dass auch der gegen staatliche Eingriffe in den Wettbewerb gerichtete und als unmittelbar anwendbares Verbot ausgestaltete Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV Schutzgesetz ist. Aus der Sicht der von der Wettbewerbsverfälschung betroffenen Unternehmen besteht in beiden Fällen kein Unterschied.
35
h) Es ist nicht zu befürchten, dass durch die Anerkennung des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV als Schutzgesetz der Kreis der Schutzgesetze in bedenklicher Weise erweitert wird. Sie führt vielmehr nur zu einer Gleichstellung dieser unmittelbar anwendbaren Norm des unionsrechtlichen Beihilferechts mit den unmittelbar geltenden Vorschriften des Kartellrechts der Union. Damit ist eine erweiterte Anerkennung von Schutzgesetzen außerhalb der Wettbewerbsvorschriften der Union weder verbunden noch angelegt.
36
Ebenso wenig sind unübersehbare Haftungsfolgen zu befürchten. Die wirtschaftlichen Wirkungen einer Beihilfe auf Wettbewerber werden für Beihilfegeber wie Beihilfeempfänger regelmäßig ebenso absehbar sein wie der Kreis gegebenenfalls klagebefugter Konkurrenten.
37
i) Die Klägerin gehört im Streitfall zu dem durch § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV geschützten Personenkreis. Sie fliegt die Flughäfen Frankfurt/Main sowie Köln/Bonn an, die im Einzugsbereich des Flughafens Frankfurt-Hahn liegen. Sie gehört damit als Wettbewerberin von Ryanair zum Kreis der von der - hier zu unterstellenden - Beihilfe Betroffenen (aA OLG Brandenburg, Urteil vom 21. Juli 2009 - Kart U 1/07, juris Rn. 109 f.). Es kommt unter diesen Umständen nicht mehr darauf an, ob sich die Klägerin auch für eine Nutzung des Flughafens der Beklagten interessiert.
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3. Die Abweisung der Klage erweist sich nach den bisherigen Feststellungen auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend.
39
a) Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass Rückforderungsansprüche gegen Ryanair für die Jahre 2002 bis 2005 verjährt seien und nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden könnten.
40
aa) Der etwaige Rückforderungsanspruch der Beklagten gegen Ryanair beruht auf einer Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB) und verjährt daher nach § 195 BGB. Der Vertrag, auf dessen Grundlage eine Beihilfe unter Verletzung des beihilferechtlichen Durchführungsverbots (Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV) gewährt wird, verstößt gegen ein gesetzliches Verbot und ist daher nach § 134 BGB nichtig (BGH, EuZW 2004, 252, 253; BGHZ 173, 129 Rn. 34 ff.).
41
bb) Es ist davon auszugehen, dass die dreijährige Verjährungsfrist für die mit der Klage verfolgten, die Jahre 2002 bis 2005 betreffenden (etwaigen) Rückforderungsansprüche der Beklagten gegenüber Ryanair bereits abgelaufen ist. Der Beginn der regelmäßigen Verjährung bestimmt sich nach § 199 Abs. 1 BGB. Ein Gläubiger, der einen Bereicherungsanspruch verfolgt, hat Kenntnis von den Umständen, die diesen Anspruch begründen, wenn er von der Leistung und von den Tatsachen weiß, aus denen das Fehlen des Rechtsgrundes folgt. Nicht erforderlich ist, dass der Gläubiger auch den Schluss auf die Unwirksamkeit des Vertrags und das Fehlen des Rechtsgrunds gezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2008 - XI ZR 160/07, BGHZ 175, 161 Rn. 26).

42
Danach begann die Verjährung regelmäßig schon mit der Auszahlung der Beihilfe. Verjährungsunterbrechende Handlungen der Beklagten gegenüber Ryanair sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Verjährungsfrist für etwaige Rückforderungsansprüche der Beklagten aus bis Ende 2005 gewährten Beihilfen wäre somit spätestens Ende 2008 abgelaufen.
43
cc) Ryanair ist es aber nach § 242 BGB in Verbindung mit Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV versagt, sich auf eine zwischenzeitlich eingetretene Verjährung des Rückforderungsanspruchs zu berufen. Das folgt aus dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz.
44
Die nationalen Gerichte sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union verpflichtet, sämtliche Folgerungen bezüglich der Rückforderung der finanziellen Unterstützungen, die unter Verletzung des Durchführungsverbots gewährt wurden, zu ziehen (EuGH, NJW 1993, 49 Rn. 12 - FNCE; EuZW 2006, 65 Rn. 47 - Transalpine Ölleitung; EuZW 2008, 145 Rn. 41 - CELF I). Jede andere Auslegung würde die Missachtung dieser Vorschrift durch den betreffenden Mitgliedstaat begünstigen und ihr die praktische Wirksamkeit nehmen (EuGH, NJW 1993, 49 Rn. 16 - FNCE; EuZW 2008, 145 Rn. 40 - CELF I). Dabei darf die Ausübung der von der Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte durch die nationalen Gerichte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden (Effektivitätsgrundsatz; vgl. EuGH, EuZW 2006, 65 Rn. 45 - Transalpine Ölleitung, mwN). Dem widerspräche es, wenn im Hinblick auf den Rückforderungsanspruch kurze nationale Verjährungsfristen eingreifen würden. Denn die beihilfegewährenden Stellen können möglicherweise erst durch ein rechtskräftiges Urteil zur Rückforderung angehalten werden (vgl. EuGH, Urteil vom 20. März 1997 - C-24/95, Slg. 1997, I-1591 = NJW 1998, 47 Rn. 37 - Alcan). Ein solches Urteil wird sich häufig nicht innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) erstreiten lassen.
45
Diese Situation unterscheidet sich maßgeblich von dem Fall, in dem ein Wirtschaftsteilnehmer nicht weiß, ob die zuständige Behörde Rückforderung verlangen wird, und in dem die Rechtssicherheit verlangt, dass diese Ungewissheit nach Ablauf einer bestimmten Frist beendet wird (vgl. EuGH, NJW 1998, 47 Rn. 35 - Alcan). Denn Ryanair hätte sich als sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer darüber informieren müssen, ob die Zuwendungen, deren Charakter als Beihilfen hier zu unterstellen ist, bei der Kommission angemeldet und genehmigt worden waren.
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Andererseits folgt aus dem unionsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit , dass es auch im Hinblick auf die effiziente Durchsetzung des Beihilferechts nicht geboten ist, Beihilfeempfänger zeitlich unbegrenzt aufgrund von gegen die Beihilfegeber gerichteten Konkurrentenklagen in Anspruch nehmen zu können. Es ist deshalb zu verlangen, dass die Klage auf Rückforderung gegen den Beihilfegeber innerhalb der Verjährungsfrist erhoben und vom Kläger nicht verzögert wird. Ist dies der Fall, muss dem Beihilfegeber nach Rechtskraft des ihn zur Rückforderung verpflichtenden Urteils eine angemessene Frist eingeräumt werden, die Rückforderungsklage gegen den Beihilfeempfänger zu erheben. Dabei könnte eine analoge Anwendung der Dreimonatsfrist in § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB in Betracht kommen. Erfolgt die Klage danach rechtzeitig, ist es dem Beihilfeempfänger nach § 242 BGB in Verbindung mit Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV versagt, sich auf eine zwischenzeitlich eingetretene Verjährung des Rückforderungsanspruchs zu berufen.
47
Auf Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ist nicht ersichtlich, dass die möglichen Rückforderungsansprüche der Beklagten gegen Ryanair nach diesen Grundsätzen verjährt sein könnten.
48
b) Der Beseitigungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist ebenfalls nicht verjährt.
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aa) Die Verjährungsfrist für den auf §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV gestützten Beseitigungsanspruch beträgt drei Jahre (§ 195 BGB). Die kurze Verjährung des § 11 UWG findet keine Anwendung.
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(1) Allerdings kann die Klägerin, wenn ihr ein deliktsrechtlicher Beseitigungsanspruch zusteht, ihre Klage auch auf eine unlautere geschäftliche Handlung der Beklagten stützen (§§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV).
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(a) Die Klägerin ist als Wettbewerberin von Ryanair aktivlegitimiert im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Bei der Förderung fremden Wettbewerbs, die hier in Rede steht, kommt es auf das Wettbewerbsverhältnis zwischen dem geförderten und dem benachteiligten Unternehmen an (BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 - I ZR 12/95, GRUR 1997, 907, 908 = WRP 1997, 843 - EmilGrünbär -Club, mwN).
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(b) Die von der Klägerin beanstandeten Leistungen und Zahlungen zugunsten von Ryanair sind "geschäftliche Handlungen" nach § 2 Nr. 1 UWG 2008. Sie hängen objektiv mit Abschluss und Durchführung der Vereinbarung zwischen Ryanair und der Beklagten über die Benutzung des Flughafens der Beklagten zusammen.

53
(c) Das beihilferechtliche Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV ist auch eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG (vgl. Steindorff, Festschrift Mestmäcker, 1996, S. 497, 510; Koenig/Kühling/ Ritter, EG-Beihilfenrecht, 2. Aufl., Rn. 431; Nordmann, Die negative Konkurrentenklage im EG-Beihilferecht vor europäischen und deutschen Gerichten, 2002, S. 229; Pütz, Das Beihilfeverbot des Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG-Vertrag, 2003, S. 225, 227; Haslinger, WRP 2007, 1412, 1417; ebenso österr. OGH, Entscheidung vom 19. Januar 2010 - 4 Ob 154/09i; aA OLG München, GRUR 2004, 169, 170; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 4 UWG Rn. 13.59; MünchKomm.UWG/Schaffert, § 4 Nr. 11 Rn. 65; Teplitzky, WRP 2003, 173, 180 f.; Mees, Festschrift Erdmann, 2002, S. 657, 666 f.). Wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt, die im Zusammenhang mit den Ausführungen zur Eigenschaft als Schutzgesetz wiedergegeben worden ist (s. Rn. 19), hat Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV jedenfalls auch die Funktion, gleiche Voraussetzungen für die auf einem Markt tätigen Wettbewerber zu schaffen. Dem Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV ist ferner eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion eigen, weil es die im Binnenmarkt tätigen Unternehmen gerade vor Wettbewerbsverfälschungen schützen soll. Die Voraussetzung des Marktbezugs ist im Streitfall ebenfalls erfüllt. Denn die (angebliche) Beihilfe wird über ein am Markt auftretendes öffentliches Unternehmen gewährt. Die Beklagte hat im Rahmen ihrer Tätigkeit als Flughafenbetreiber den Vertrag mit Ryanair abgeschlossen , mit dem sie - wie hier zu unterstellen ist - Beihilfen gewährte.
54
(2) Im Fall eines Verstoßes gegen das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV bestehen die wettbewerbs- und deliktsrechtlichen Ansprüche auch nebeneinander. Das Beihilferecht der Union enthält keine abschließende Regelung der zivilrechtlichen Ansprüche, die Mitbewerber bei einem sol- chen Verstoß geltend machen können (anders zum Verhältnis von Ansprüchen nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und nach § 4 Nr. 11 UWG BGH, Urteil vom 7. Februar 2006 - KZR 33/04, BGHZ 166, 154 Rn. 13 - Probeabonnement). Es verweist dafür vielmehr auf das Recht der Mitgliedstaaten.
55
(3) Die für den wettbewerbsrechtlichen Anspruch geltende kurze Verjährung des § 11 UWG findet auf den deliktsrechtlichen Beseitigungsanspruch aus §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV aber keine Anwendung.
56
(a) Erfüllt ein Wettbewerbsverhalten zugleich einen Tatbestand des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und die Voraussetzungen der §§ 823, 824 oder 826 BGB, unterliegt grundsätzlich jeder der sich daraus ergebenden Ansprüche der für ihn geltenden besonderen Verjährung. Insbesondere schließen die lauterkeitsrechtlichen Vorschriften die Anwendung der Vorschriften des bürgerlichen Rechts nicht schlechthin als Spezialgesetze aus, wenn eine geschäftliche Handlung vorliegt. Vielmehr ist jeweils zu prüfen, ob eine der Bestimmungen als erschöpfende und deshalb die anderen ausschließende Regelung der jeweiligen Teilfrage anzusehen ist, was auch für die Verjährung gilt (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 1984 - I ZR 195/81, GRUR 1984, 820, 822 f. = WRP 1984, 678 - Intermarkt II, mwN). Aus dem Umstand allein, dass ein Verhalten gegen Vorschriften des Lauterkeitsrechts verstößt, ist nicht zu schließen, dass Art und Maß der sich daran anknüpfenden Haftung in jedem Fall dort abschließend geregelt sind (vgl. BGH, Urteil vom 22. Dezember 1961 - I ZR 152/59, BGHZ 36, 252, 255 - Gründerbildnis).
57
(b) Für die Verjährung von Schadens-, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen wegen eines Verstoßes gegen das beihilferechtliche Durchfüh- rungsverbot gilt nicht ausschließlich die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 11 UWG. Ist die verletzte Norm sowohl ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB als auch eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG, ist darauf abzustellen, ob der Schwerpunkt des Unrechtsgehalts der verletzten Norm im Lauterkeitsrecht liegt. Nur wenn dies der Fall ist, gilt die kurze Verjährungsfrist des § 11 UWG (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 11 Rn. 1.9). Der Schwerpunkt des hier in Rede stehenden Verstoßes liegt außerhalb des Lauterkeitsrechts.
58
Hierfür spricht bereits, dass sich die Unlauterkeit im Streitfall unter dem Aspekt des Rechtsbruchs (§ 4 Nr. 11 UWG) aus einer Verletzung unmittelbar anwendbaren Unionsrechts ergibt. § 823 Abs. 2 BGB ist im Streitfall nicht allein deshalb anwendbar, weil eine lauterkeitsrechtliche Vorschrift zugleich Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ist (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1959 - I ZR 56/57, GRUR 1959, 31, 34 = WRP 1958, 307 - Feuerzeug als Werbegeschenk , mwN). Das Durchführungsverbot hat gegenüber dem Lauterkeitsrecht auch keinen nur lückenausfüllenden Charakter (vgl. BGHZ 36, 252, 257 - Gründerbildnis; BGH, Urteil vom 28. September 1973 - I ZR 136/71, GRUR 1974, 99, 100 = WRP 1974, 30 - Brünova). Der Unrechtsgehalt eines Verstoßes gegen das Durchführungsverbot besteht vielmehr schon nach Unionsrecht unabhängig von einer Verletzung des deutschen Lauterkeitsrechts. Er ergibt sich aus dem Unterlaufen der Beihilfekontrolle durch die Kommission und der daraus folgenden Beeinträchtigung unverfälschten Wettbewerbs im europäischen Binnenmarkt. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb schützt dagegen allein die Lauterkeit des Wettbewerbs in Deutschland. Es gibt somit keinen Grund, bei einer Verletzung des Durchführungsverbots Ersatz- und Beseitigungspflichtige durch Anwendung der kurzen Verjährung des § 11 UWG zu privilegieren. Die lauterkeitsrechtliche Haftung eröffnet dem Verletzten nur eine zusätzliche Anspruchsgrundlage, ohne seine Möglichkeiten zur Durchsetzung des deliktsrechtlichen Anspruchs zu beschränken.
59
bb) Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB ist im Streitfall nicht abgelaufen. Die Klage ist am 24. November 2006 erhoben worden. Soweit sich die Klägerin gegen in den Jahren 2003 bis 2006 gewährte mögliche Beihilfen wendet, können die eventuellen deliktsrechtlichen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nicht verjährt sein (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB). Aber auch soweit mögliche Beihilfen des Jahres 2002 Gegenstand der Klage sind, ist eine Verjährung nicht ersichtlich. Die Klägerin hat vorgetragen, wesentliche klagebegründende Informationen dem Jahresabschluss 2002 der Beklagten entnommen zu haben. Es ist ausgeschlossen, dass ihr dieser Jahresabschluss noch im Jahre 2002 vorgelegen hat. Die Beklagte hat auch nicht geltend gemacht, dass die Klägerin schon 2002 die für den Beginn der Verjährung erforderliche Kenntnis erlangt hatte. Bei Kenntniserlangung im Jahr 2003 ist die Verjährung aber erst Ende 2006 abgelaufen (§ 199 Abs. 1 BGB).
60
4. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist somit aufzuheben. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen kann jedenfalls ein deliktsrechtlicher Anspruch der Klägerin (§§ 1004, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV) nicht ausgeschlossen werden, der zur Begründung aller Klageanträge - im Fall des Auskunftsantrags in Verbindung mit § 242 BGB - in Betracht kommt.
61
III. Die Sache ist gemäß § 563 Abs. 1 und 3 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da sie nicht zur Endentscheidung reif ist. Die bisherigen Feststellungen reichen nicht aus, um einen Verstoß gegen das Durchführungsverbot zu bejahen oder zu verneinen.
62
1. Das Durchführungsverbot gilt nur für Beihilfemaßnahmen. Ob es verletzt worden ist, hängt somit davon ab, ob Ryanair von der Beklagten Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV erhalten hat. Im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen das Durchführungsverbot obliegt es den nationalen Gerichten, den Begriff der Beihilfe auszulegen, solange die Kommission keine verfahrensabschließende Entscheidung nach Art. 108 Abs. 2 AEUV getroffen hat (vgl. EuGH, NJW 1993, 49 Rn. 10 - FNCE).
63
Die Kommission hat zwar bereits im Juni 2008 ein Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV zu möglichen staatlichen Beihilfen zugunsten der Beklagten und Ryanair eingeleitet. Eine Entscheidung der Kommission liegt aber noch nicht vor.
64
2. Das Berufungsgericht hat - wie schon das Landgericht - keine ausreichenden Feststellungen zu den tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme von Beihilfen getroffen. Das gilt insbesondere für das erste Tatbestandsmerkmal einer Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV, die Frage der staatlichen Zurechenbarkeit (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Mai 2002 - C-482/99, Slg. 2002, I-4397 = NVwZ 2003, 461 Rn. 51 - Stardust Marine).
65
a) Das Berufungsgericht ist im Hinweisbeschluss vom 23. Januar 2008 davon ausgegangen, dass es an einer staatlichen Kontrolle der Mittel fehle. Insbesondere sei der Vorstand der Fraport AG nicht weisungsgebunden und im paritätisch besetzten Aufsichtsrat entfielen nur sechs von 20 Mitgliedern auf die öffentlich-rechtlichen Gesellschafter. Die Revisionserwiderung macht geltend, dass im fakultativen Aufsichtsrat der Beklagten die Vertreter der Fraport AG die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigten.
66
Dazu ist darauf hinzuweisen, dass die Zuwendungen - um sie dem Staat als Beihilfemaßnahme zuzurechnen - zum einen unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden müssen. Zum anderen darf sich die Zurechnung nicht allein darauf stützen, dass die Zuwendung von einem öffentlichen Unternehmen gewährt worden ist; erforderlich ist vielmehr, dass die bestehenden Kontrollmöglichkeiten der öffentlichen Hand auch tatsächlich ausgeübt wurden (EuGH, NVwZ 2003, 461 Rn. 50 ff. - Stardust Marine). Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen könnte lediglich die erste der beiden Voraussetzungen bejaht werden.
67
b) Im Streitfall stammen die von der Klägerin behaupteten Vergünstigungen entweder von der Beklagten selbst oder - mittels des Ergebnisabführungsvertrags - von der Fraport AG. Staatlich sind diese Mittel, wenn der Staat in der Lage ist, durch Ausübung eines beherrschenden Einflusses auf diese Unternehmen ihre Verwendung zu steuern (EuGH, NVwZ 2003, 461 Rn. 38 - Stardust Marine). Nach Art. 2 Buchst. b Ziff. i der Richtlinie 2006/111/EG der Kommission vom 16. November 2006 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen ("Transparenz -Richtlinie"; ABl. EU 2006 Nr. L 318, S. 19) wird vermutet, dass ein beherrschender Einfluss unter anderem dann ausgeübt wird, wenn die öffentliche Hand unmittelbar oder mittelbar die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens besitzt. Das trifft nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sowohl auf die Beklagte als auch auf die Fraport AG zu. Die TransparenzRichtlinie kann auch zur Bestimmung der Staatlichkeit von Mitteln im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV herangezogen werden (vgl. EuGH, NVwZ 2003, 461 Rn. 34 - Stardust Marine). Die Möglichkeit zur Bestellung von Mitgliedern des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans, die das Berufungsgericht und die Revisionserwiderung in Zweifel gezogen haben, ist hingegen nicht Vorausset- zung für die Staatlichkeit von Mitteln. Sie wird in Art. 2 Buchst. b Ziff. iii der Transparenz-Richtlinie lediglich als alternativer Grund für die Vermutung genannt.
68
c) Die Zurechenbarkeit einer Beihilfemaßnahme an den Staat verlangt außerdem, dass die Behörde in irgendeiner Weise am Erlass dieser Maßnahme beteiligt war (EuGH, NVwZ 2003, 461 Rn. 52 - Stardust Marine). Insoweit kann allerdings nicht der Nachweis verlangt werden, dass die Behörde das öffentliche Unternehmen konkret veranlasst hat, die fraglichen Beihilfemaßnahmen zu treffen. Die Zurechenbarkeit der Maßnahme eines öffentlichen Unternehmens an den Staat ist vielmehr aus einem Komplex von Indizien abzuleiten, die sich aus den Umständen des konkreten Falles und aus dem Zusammenhang ergeben , in dem diese Maßnahme ergangen ist. Insoweit ist unter anderem zu berücksichtigen , ob die fragliche Einrichtung die beanstandete Entscheidung nicht treffen konnte, ohne den Anforderungen der öffentlichen Stellen Rechnung zu tragen. Außerdem ist gegebenenfalls etwa von Bedeutung die Eingliederung des öffentlichen Unternehmens in die Strukturen der öffentlichen Verwaltung, die Art seiner Tätigkeit, die Intensität der behördlichen Aufsicht über die Unternehmensführung und jedes andere Indiz, das im konkreten Fall für oder gegen eine Beteiligung der Behörden an der Entscheidung über die Maßnahme spricht (vgl. zum Ganzen EuGH, NVwZ 2003, 461 Rn. 53 ff. - Stardust Marine). Dazu mangelt es bislang an Feststellungen.
69
3. Dem Senat fehlt deshalb die erforderliche tatsächliche Grundlage für die rechtliche Beurteilung, ob die Maßnahmen der Beklagten gegenüber Ryanair Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen.
70
C. Für die neue Verhandlung wird auf Folgendes hingewiesen:
71
I. Der Unterlassungsantrag (Antrag zu 5) geht im Hauptantrag und im ersten Hilfsantrag zu weit, da das Verbot nur nach Anmeldung der Beihilfe bei der Kommission und deren Genehmigung entfallen soll. Die Beihilfe gilt als genehmigt , wenn die Kommission nach vollständiger Anmeldung zwei Monate nicht reagiert und der Mitgliedstaat dann der Kommission die Durchführung der beabsichtigten Maßnahme anzeigt (EuGH, Slg. 1973, 1471 Rn. 4 - Lorenz; EuZW 1996, 564 Rn. 38 - SFEI; Art. 4 Abs. 6 VO (EG) Nr. 659/1999).
72
Hinsichtlich des zweiten Hilfsantrags zu Antrag zu 5 wird gegebenenfalls zu prüfen sein, ob das darin verwendete Verb "zu begünstigen" vor dem Hintergrund des Streits der Parteien um den Beihilfecharakter der von der Klägerin beanstandeten Maßnahmen als hinreichend bestimmt anzusehen ist.
73
II. Das Berufungsgericht hat zudem Gelegenheit, die weiteren Darlegungen in seinem Hinweisbeschluss vom 23. Januar 2008 im Hinblick auf die Ausführungen im Schreiben der Europäischen Kommission vom 17. Juni 2008 zu überprüfen. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, dass es an der für den Begriff der Beihilfe erforderlichen Selektivität der Maßnahme fehlt, wenn alle auf dem relevanten Markt tätigen Unternehmen durch die Maßnahme begünstigt werden (Mederer in von der Groeben/Schwarze, Kommentar zum EU-/EGVertrag , 6. Aufl., Art. 87 EG Rn. 43; v. Wallenberg in Grabitz/Hilf aaO Art. 87 EGV Rn. 53 (Stand: September 2004); Koenig/Kühling/Ritter aaO Rn. 180).
74
Ebenso ist zu beachten, dass die im Rahmen des Privatinvestorenvergleichs ("Private-Investor-Test") erhobene Behauptung einer längerfristigen Rentabilitätsstrategie in erster Linie durch einen entsprechenden Geschäftsplan auf der Grundlage der beim Vertragsabschluss verfügbaren Erkenntnisse belegt werden kann (vgl. Mitteilung der Kommission über gemeinschaftliche Leitlinien für die Finanzierung von Flughäfen und die Gewährung staatlicher Anlaufbeihil- fen für Luftfahrtunternehmen auf Regionalflughäfen, ABl. EU 2005 Nr. C 312 S. 1, Rn. 51).
75
III. Die Entscheidung über die Rückforderung der Beihilfen ist nicht deshalb auszusetzen, weil bislang kein abschließender Beschluss der Kommission gemäß Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV vorliegt. Die nationalen Gerichte haben die Maßnahmen anzuordnen, die geeignet sind, die Rechtswidrigkeit der Durchführung der Beihilfen zu beseitigen, damit der Empfänger in der bis zur Entscheidung der Kommission noch verbleibenden Zeit nicht weiterhin frei über sie verfügen kann. Eine Aussetzung der Entscheidung liefe darauf hinaus, dass der Vorteil der Beihilfe während des Zeitraums des Durchführungsverbots aufrechterhalten bliebe, was mit dem Ziel des Art. 108 Abs. 3 AEUV unvereinbar wäre und dieser Bestimmung ihre praktische Wirksamkeit nähme (EuGH, Urteil vom 11. März 2010 - C-1/09, EuZW 2010, 587 Rn. 30 f. - CELF II).
76
Sollte die Kommission eine Positiventscheidung nach Art. 6 Abs. 3 VO 659/1999 erlassen, also die gegenüber Ryanair getroffenen Maßnahmen für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklären, hat dies im Übrigen nicht die Heilung der unter Verstoß gegen das Verbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV vorgenommenen Durchführungsmaßnahmen zur Folge (EuGH, NJW 1993, 49 Rn. 16 - FNCE). Das Unionsrecht verlangt in diesem Fall zwar nicht, die Rückzahlung der gesamten rechtswidrigen Beihilfe anzuordnen. Das nationale Gericht ist aber verpflichtet, dem Beihilfeempfänger für die Dauer der Rechtswidrigkeit aufzugeben, angemessene Zinsen zu zahlen (EuGH, EuZW 2008, 145 Rn. 45 bis 52 - CELF I).
77
IV. Falls das Berufungsgericht den Beihilfecharakter der Ryanair eingeräumten Konditionen verneinen sollte, dürften sich die Ansprüche der Klägerin nach den bislang getroffenen Feststellungen auch nicht auf Kartellrecht stützen lassen.
78
1. Allerdings reichen diese Feststellungen nicht aus, eine marktbeherrschende Stellung der Beklagten, die Voraussetzung für Ansprüche aus § 33 GWB in Verbindung mit Art. 102 AEUV oder § 19 Abs. 1, § 20 Abs. 1 GWB wäre , schon mit der Begründung des Berufungsgerichts abzulehnen.
79
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, eine marktbeherrschende Stellung fehle angesichts der in Reichweite liegenden Flughäfen Frankfurt/Main und Köln/Bonn. Zwar lässt die Annahme, den Flughafen Frankfurt-Hahn nutzende Passagiere betrachteten jedenfalls diese Flughäfen als Alternative, keinen Rechtsfehler erkennen. Sie findet in den räumlichen Gegebenheiten und dem Umstand, dass der Flughafen Frankfurt-Hahn jedenfalls überwiegend von Urlaubs- und Freizeitreisenden genutzt wird, eine ausreichende Grundlage. Das Berufungsgericht hat aber nicht beachtet, dass es aufgrund der festgestellten gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen zwischen der Beklagten und dem Flughafen Frankfurt/Main über die Fraport AG naheliegt, von einer wirtschaftlichen Einheit zwischen diesen Unternehmen auszugehen. Dann könnten die Marktanteile der Flughäfen Frankfurt/Main und Frankfurt-Hahn zusammenzurechnen sein (vgl. zu § 36 Abs. 2 GWB, der für das gesamte Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen gilt, BGH, Urteil vom 23. Juni 2009 - KZR 21/08, WRP 2009, 1402 Rn. 15 - Entega I). Für die Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung käme es in diesem Fall darauf an, welchen Marktanteil der Flughafen Köln/Bonn hat und ob - wie vom Berufungsgericht erwogen, aber offengelassen - auch die Flughäfen in Zweibrücken, Luxemburg, Dortmund und Düsseldorf in den relevanten Markt einzubeziehen sind.
80
b) Sollte zwischenzeitlich die gesellschaftsrechtliche Verbindung zwischen den Flughäfen Frankfurt-Hahn und Frankfurt/Main beendet worden sein, hätte die Beklagte ihre marktbeherrschende Stellung und damit auch ihre Eigenschaft als Normadressat der §§ 19, 20 GWB und Art. 102 AEUV verloren, so dass die für den kartellrechtlichen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr entfallen wäre.
81
Die Veränderung der Beteiligungsverhältnisse wäre dagegen ohne Bedeutung für den Rückforderungsanspruch und den ihn vorbereitenden Auskunftsanspruch. Bei dem Rückforderungsanspruch handelt es sich um einen Beseitigungsanspruch. Anders als der Schadensersatzanspruch, der auf den Ausgleich des aus einem rechtswidrigen Eingriff entstandenen Schadens gerichtet ist, zielt der Beseitigungsanspruch darauf ab, den bereits erfolgten, fortdauernden Eingriff selbst und damit die Störungsquelle für die Zukunft abzustellen (vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 8 UWG Rn. 1.73). So verhält es sich hier. Die behaupteten Beihilfen, die Gegenstand des Rückforderungsbegehrens sind, stellen unmittelbar den Eingriff in die geschützten Interessen der Klägerin als Mitbewerberin dar. Sie sind kein Schaden, der erst Folge eines solchen Eingriffs ist. Der mit den angeblichen Beihilfen verbundene Eingriff soll mit dem Rückforderungsverlangen für die Zukunft beseitigt werden.
82
Der Beseitigungsanspruch gleicht durch seine Ausrichtung auf die Zukunft zwar dem auf die Abwehr künftiger Rechtsverstöße gerichteten Unterlassungsanspruch. Für den Beseitigungsanspruch ist jedoch keine Begehungsgefahr erforderlich; materielle Anspruchsvoraussetzung ist vielmehr allein der fortdauernde Störungszustand. An der Rechtswidrigkeit der schon eingetretenen und noch fortwirkenden Beeinträchtigung hätte sich durch den Wegfall der Normadressateneigenschaft der Beklagten nichts geändert.
83
2. Das Berufungsgericht hat aber weiter angenommen, es liege offensichtlich auch keine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung vor, weil die Klägerin unbestritten den Flughafen Frankfurt-Hahn zu den gleichen Konditionen wie Ryanair nutzen könne; die Klägerin habe ihre Behauptung , es sei nur Ryanair möglich, auf dem Flughafen Frankfurt-Hahn hohe Passagiervolumen zu generieren, nicht mit Tatsachen unterlegt. Trifft dies zu, fehlt es sowohl an einer Diskriminierung als auch an einer unbilligen Behinderung der Klägerin. Die Ryanair angeblich gewährten Beihilfen beeinträchtigten dann allenfalls die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Flughäfen (vgl. § 19 Abs. 4 Nr. 1 und 2 GWB). Auf § 33 GWB kann sich die Klägerin aber nur stützen , soweit sie durch die beanstandete Verhaltensweise selbst im Wettbewerb beeinträchtigt und deshalb Betroffene im Sinne dieser Norm ist.

84
5. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass das Berufungsgericht die Kommission um Auskunft darüber ersuchen kann, wann mit einer Entscheidung über die Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Gemeinsamen Markt zu rechnen ist (vgl. Bekanntmachung der Kommission über die Durchsetzung des Beihilfenrechts durch die einzelstaatlichen Gerichte Rn. 89 f.).
Bornkamm RiBGH Pokrant ist in Büscher Urlaub und kann daher nicht unterschreiben. Bornkamm Schaffert Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Bad Kreuznach, Entscheidung vom 16.05.2007 - 2 O 441/06 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 25.02.2009 - 4 U 759/07 -

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

Das Gericht kann die von ihm erlassenen, eine Trennung, Verbindung oder Aussetzung betreffenden Anordnungen wieder aufheben. § 149 Abs. 2 bleibt unberührt.

38
Im Beschwerde- und im Rechtsbeschwerdeverfahren kann zwar in vollem Umfang überprüft werden, ob auf Tatbestandsseite ein Aussetzungsgrund vorliegt (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2005 - II ZB 30/04, NJW-RR 2006, 1289 Rn. 6). Das Beschwerdegericht und das Rechtsbeschwerdegericht dürfen aber auf Rechtsfolgenseite eine Ermessensausübung des erstinstanzlichen Gerichts nur darauf überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten oder ob Ermessenfehler gegeben sind (BGH, Beschluss vom 3. März 2005 - IX ZB 33/04, NJW-RR 2005, 925, 926 [juris Rn. 5]; Beschluss vom 22. Juni 2011 - I ZB 64/10, NJW-RR 2011, 1343 Rn. 11; Beschluss vom 8. April 2014 - XI ZB 40/11, NJW-RR 2014, 758 Rn. 12). Dabei ist zu prüfen, ob das erstinstanzliche Gericht alle wesentlichen Gesichtspunkte in seine Entscheidung einbezogen hat. Ob es zweckmäßig ist, ein Verfahren auszusetzen, kann hingegen nicht nachgeprüft werden (OLG Karlsruhe, GRUR 1979, 850, 851; MünchKomm.ZPO/Stackmann, 5. Aufl., § 252 Rn. 18). Dem Beschwerdegericht sind eigene Zweckmäßigkeitserwägungen verwehrt (KG, MDR 2007, 736 [juris Rn. 5]; BeckOK.ZPO/Jaspersen, 32. Edition [Stand: 1. März 2019], § 252 Rn. 8). Es darf die Beurteilung der Sach- und Rechtslage des erstinstanzlichen Gerichts nicht prüfen; diese Prüfung bleibt einem etwaigen späteren Rechtsmittelverfahren gegen die Sachentscheidung vorbehalten (OLG Jena, OLG-NL 2001, 238 [juris Rn. 7]; Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 252 Rn. 3).

Tenor

Auf die Revision der Streithelferin der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 8. April 2015 aufgehoben, soweit die Berufung der Beklagten gegen das am 28. Juli 2006 verkündete Teilurteil der Kammer für Handelssachen I des Landgerichts Kiel zurückgewiesen worden ist.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil auch insoweit aufgehoben, als das Landgericht dem Auskunftsantrag der Klägerin stattgegeben und die Klägerin diesen Antrag in der Berufungsinstanz nicht hinsichtlich "sonstiger Zahlungen oder Leistungen" zurückgenommen hat.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten von Berufung und Revision, an das Landgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der früheren Beklagten, der Flughafen Lübeck GmbH, die bis zum 1. Januar 2013 Betreiberin des Verkehrsflughafens Lübeck-Blankensee war. Alleinige Gesellschafterin der Flughafen Lübeck GmbH war zunächst die Beklagte, die aufgrund eines Unterschussdeckungsvertrags die in der Jahresrechnung der Beklagten ausgewiesenen Verluste nach Maßgabe des städtischen Haushaltsplans auszugleichen hatte. Rückwirkend zum 1. Januar 2005 übernahm ein privater Investor, die I. Ltd., 90% der Anteile der Flughafen Lübeck GmbH.

2

Seit dem Jahr 2000 führte die Streithelferin der Beklagten (nachfolgend: Streithelferin) Flüge von und zum Flughafen Lübeck-Blankensee durch und unterhielt dort einen Stützpunkt.

3

Die Klägerin, die Fluggesellschaft Air Berlin, hat behauptet, die Flughafen Lübeck GmbH habe der Streithelferin aufgrund einer Vereinbarung vom 29. Mai 2000 in den Jahren 2000 bis 2004 Beihilfen in Form von Rabatten, Zahlungen sowie anderen Leistungen gewährt und damit gegen das Unionsrecht verstoßen. Insbesondere sei Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV verletzt worden, nach dem die Mitgliedstaaten keine Beihilfemaßnahmen durchführen dürften, bevor die Kommission abschließend über deren Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt entschieden habe.

4

Die Klägerin hat die Beklagte, soweit für die Revision von Bedeutung, im Wege der Stufenklage auf Auskunft über die an die Streithelferin gewährten, näher bezeichneten Zahlungen und Leistungen, auf deren Rückforderung in nach Erteilung der Auskunft zu bestimmender Höhe sowie auf Unterlassung solcher Zahlungen und Leistungen in Anspruch genommen.

5

Das Landgericht hat dem Auskunftsantrag durch Teilurteil stattgegeben und die Beklagte verurteilt,

der Klägerin Auskunft zu erteilen über die Art, den Umfang, die Höhe und den Zeitpunkt der in den Jahren 2000 bis 2004 von der Beklagten an die Streithelferin gezahlten Beträge und erbrachten Leistungen in Form von

- "Marketing Support",

- einmaligen Anreizzahlungen für die Aufnahme von neuen Flugverbindungen,

- Bereitstellung/Gewährung von bevorzugten Leistungen/Diensten im Zusammenhang mit der Flugdurchführung/-abfertigung und -abwicklung, Verkauf, Administration, Nutzung von Flughafeneinrichtungen,

- Beteiligungen an Kosten für

- Anschaffung von Ausstattung,

- Hotel und Verpflegung für das Personal der Streithelferin,

- Einstellung und Ausbildung der Piloten und Besatzungen der Streithelferin,

- weiteren Ermäßigungen der regulären Flughafenentgelte gegenüber der Entgeltordnung der Beklagten vom 1. Oktober 2002.

6

Nach Verkündung dieses Urteils hat die Europäische Kommission mit Schreiben vom 10. Juli 2007 ein förmliches Prüfverfahren zu möglichen staatlichen Beihilfen zugunsten der Flughafen Lübeck GmbH und der Streithelferin eröffnet (ABl. EU 2007 Nr. C 295, S. 29- nachfolgend: Eröffnungsbeschluss).

7

Das Berufungsgericht hat die Klage in seinem ersten Berufungsurteil mit der Begründung abgewiesen, es gebe für die Begehren der Klägerin keine Anspruchsgrundlage (OLG Schleswig, EWS 2008, 470). Auf die Revision der Klägerin hat der Senat dieses Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - I ZR 213/08, juris).

8

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hat das Berufungsgericht die Europäische Kommission um eine Stellungnahme unter anderem zu der Frage gebeten, ob es sich bei den von der Kommission im Eröffnungsbeschluss genannten Maßnahmen um Beihilfen im Sinne von Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV handele. Die Kommission hat darauf mit Schreiben vom 8. März 2012 unter Verweis auf die Rn. 110 bis 138 des Eröffnungsbeschlusses geantwortet, die am 29. Mai 2000 zwischen der Streithelferin und der Flughafen Lübeck GmbH getroffene Vereinbarung stelle "prima facie" eine Beihilfe dar. Eine "selbständige beihilferechtliche Würdigung" durch das Berufungsgericht sei daher entbehrlich.

9

Mit Beschluss vom 14. Januar 2013 hat das Berufungsgericht dem Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (OLG Schleswig, SchlHA 2013, 415):

1. Muss ein nationales Gericht, welches über eine Klage auf Rückforderung von Leistungen und auf Unterlassung künftiger Leistungen zu entscheiden hat, dann davon ausgehen, dass diese Leistungen Maßnahmen darstellen, die nach Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV vor Erlass eines abschließenden Beschlusses der Kommission nicht durchgeführt werden dürfen, wenn die Kommission mit einer nicht angefochtenen Entscheidung wegen dieser Leistungen ein förmliches Beihilfeprüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV eingeleitet und in den Gründen dieser Entscheidung sinngemäß u.a. erklärt hat, die Leistungen seien wahrscheinlich staatliche Beihilfen?

2. Falls die Frage 1 bejaht wird:

Gilt dies auch dann, wenn die Kommission in den Gründen ihrer Entscheidung außerdem sinngemäß erklärt hat, sie sei nicht in der Lage zu ermitteln, ob der Leistende wie ein marktwirtschaftlich handelnder privater Kapitalgeber gehandelt habe, als er sich zu diesen Leistungen verpflichtete?

3. Falls die Frage 1 oder die Frage 2 verneint werden:

Darf das nationale Gericht in dieser Situation sein Verfahren bis zur Erledigung des förmlichen Beihilfeprüfverfahrens aussetzen?

4. Falls die Frage 3 bejaht wird:

Muss das nationale Gericht in dieser Situation sein Verfahren bis zur Erledigung des förmlichen Beihilfeprüfverfahrens aussetzen?

10

Mit Beschluss vom 4. April 2014 (C-27/13 - Flughafen Lübeck/Air Berlin, juris) hat der Gerichtshof der Europäischen Union auf die erste und zweite Frage wie folgt geantwortet:

Wenn die Europäische Kommission in Anwendung von Art. 108 Abs. 3 AEUV das in Absatz 2 dieses Artikels vorgesehene förmliche Prüfverfahren hinsichtlich einer in der Durchführung begriffenen nicht angemeldeten Maßnahme eröffnet hat, ist ein mit einem Antrag auf Unterlassung der Durchführung dieser Maßnahme und auf Rückforderung bereits geleisteter Zahlungen befasstes nationales Gericht verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Konsequenzen aus einem eventuellen Verstoß gegen die Pflicht zur Aussetzung der Durchführung dieser Maßnahme zu ziehen.

Zu diesem Zweck kann das nationale Gericht beschließen, die Durchführung der in Rede stehenden Maßnahme auszusetzen und die Rückforderung der bereits gezahlten Beträge anzuordnen. Es kann auch beschließen, einstweilige Maßnahmen zu erlassen, um zum einen die Interessen der beteiligten Parteien und zum anderen die praktische Wirksamkeit der Entscheidung der Kommission, das förmliche Prüfverfahren zu eröffnen, zu wahren.

11

Auf die dritte und vierte Frage hat der Gerichtshof der Europäischen Union geantwortet, dass ein nationales Gericht in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren das Verfahren nicht bis zum Abschluss des förmlichen Prüfverfahrens aussetzen könne.

12

In seinem zweiten Berufungsurteil hat das Berufungsgericht die gegen das Teilurteil des Landgerichts gerichtete Berufung der Beklagten mit bestimmten Maßgaben, die für das vorliegende Revisionsverfahren keine Bedeutung haben, zurückgewiesen (OLG Schleswig, Urteil vom 8. April 2015 - 6 U 54/06, juris). Dagegen wendet sich die Streithelferin der Beklagten mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.

Entscheidungsgründe

13

A. Das Berufungsgericht hat den Auskunftsantrag als begründet angesehen. Dazu hat es ausgeführt:

14

Die Klägerin könne nach §§ 242, 823 Abs. 2, § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV die begehrte Auskunft verlangen. Die Flughafen Lübeck GmbH habe der Streithelferin in den Jahren 2000 bis 2004 abweichend von der seinerzeit geltenden Entgeltordnung Sonderkonditionen für die Nutzung des Flughafens eingeräumt, über deren Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt die Kommission bis heute nicht abschließend entschieden habe. Nach dem Beschluss des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 4. April 2014 sei derzeit davon auszugehen, dass es sich bei den der Streithelferin gewährten Sonderkonditionen um Beihilfen handele. Es müsse daher ohne weitere Prüfung des umfangreichen Vortrags der Parteien zu den Tatbestandsmerkmalen von Beihilfen angenommen werden, dass die Flughafen Lübeck GmbH mit der Gewährung der Sonderkonditionen zugunsten der Streithelferin in den Jahren 2000 bis 2004 Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV verletzt habe. Der Anregung der Klägerin, auch über die weiteren beim Landgericht anhängig gebliebenen Teile der Klage zu entscheiden, könne nicht entsprochen werden. Die Anträge auf Verurteilung der Beklagten zur Rückforderung und zur Unterlassung seien nicht reif, im Sinne der Klägerin beschieden zu werden. Es erscheine zudem ausreichend, der Klägerin zur Vorbereitung der Geltendmachung eines Rückforderungsanspruchs den Auskunftsanspruch zuzusprechen.

15

B. Die Revision der Streithelferin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

16

I. Die allein von der Streithelferin eingelegte Revision ist zulässig.

17

1. Nach § 67 ZPO ist der Nebenintervenient berechtigt, Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen, soweit seine Erklärungen und Handlungen nicht mit Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei in Widerspruch stehen. Danach ist es dem Streithelfer unbenommen, das der Hauptpartei zustehende Rechtsmittel einzulegen, auch wenn die Hauptpartei hiervon absieht. Das Rechtsmittel ist nur unzulässig, wenn die Hauptpartei der Einlegung der Revision widerspricht (BGH, Urteil vom 16. Januar 1997 - I ZR 208/94, NJW 1997, 2385, 2386).

18

2. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung liegt ein solcher Widerspruch der Hauptpartei im Streitfall nicht darin, dass die Beklagte mit Schreiben vom 5. Mai 2015 die nach dem zweiten Berufungsurteil geschuldete Auskunft - wenngleich nach Auffassung der Klägerin unvollständig - erteilt hat.

19

Allerdings muss der Widerspruch nicht ausdrücklich erklärt werden. Er kann vielmehr auch durch schlüssiges Verhalten der Hauptpartei zum Ausdruck gebracht werden (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 1967 - II ZR 30/67, BGHZ 49, 183, 187), etwa durch Anerkennung des Klageanspruchs oder durch außergerichtlichen Vergleich (vgl. OLG Dresden, NJW-RR 1994, 1550; Weth in Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl., § 67 Rn. 9). Damit ist jedoch die Erfüllung des titulierten Anspruchs durch Erteilung der Auskunft im Streitfall nicht vergleichbar. Das Berufungsgericht hatte das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt. Daraufhin hat die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 17. April 2015 aufgefordert, die im Berufungsurteil angeordnete Auskunft bis zum 30. April 2015 vollständig zu erteilen. Wenn die Beklagte die Vollstreckung des Auskunftsanspruchs nicht durch Sicherheitsleistung in der vom Berufungsgericht angeordneten Höhe von 300.000 € abwendet, sondern die Auskunft erteilt, erfüllt sie die im Urteil ausgesprochene Verpflichtung. Das steht einem freiwilligen Anerkenntnis oder einer vergleichsweisen Einigung über den Anspruch nicht gleich.

20

Unerheblich ist dabei, ob in der Aufforderung zur Abgabe der Auskunft die Zwangsvollstreckung ausdrücklich angedroht wurde, ob die Auskunft ausdrücklich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erteilt worden ist oder ob die auf Auskunft in Anspruch genommene Partei grundsätzlich in der Lage wäre, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden. Ebenso wenig ist es erheblich, dass eine einmal erteilte Auskunft naturgemäß nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Maßgeblich ist vielmehr allein, dass der Nebenintervenient Prozesshandlungen so lange vornehmen darf, wie sich kein entgegenstehender Wille der Hauptpartei feststellen lässt. Im Zweifel bleibt die Handlung des Nebenintervenienten wirksam (RGZ 147, 125, 127; BGH, Urteil vom 28. März 1985 - VII ZR 317/84, NJW 1985, 2480). Erteilt die Hauptpartei die Auskunft, zu der sie verurteilt worden ist, liegt darin regelmäßig kein Widerspruch gegen die Einlegung eines Rechtsmittels durch die Streithelferin.

21

Im Streitfall kommt hinzu, dass die Beklagte am Flughafen Lübeck nach dessen vollständiger Privatisierung nicht mehr beteiligt ist. Aus einem dadurch etwa verminderten Interesse der Beklagten am Ausgang des Rechtsstreits und einer erhöhten Bereitschaft zur Auskunftserteilung, kann nicht auf eine Missbilligung der Einlegung der Revision durch die Streithelferin geschlossen werden.

22

II. Zu Recht rügt die Revision, das Landgericht habe unter Verstoß gegen § 301 ZPO ein Teilurteil erlassen. Das Berufungsgericht hätte entweder über den in erster Instanz noch anhängigen Teil des Rechtsstreits ebenfalls entscheiden oder die Sache an das Landgericht zurückverweisen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 13. April 2000 - I ZR 220/97, GRUR 2001, 54, 55 = WRP 2000, 1296 - SUBWAY/Subwear).

23

1. Ein Teilurteil darf nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur erlassen werden, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist; dabei ist auch die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung durch ein Rechtsmittelgericht zu berücksichtigen. Ein Teilurteil ist daher unzulässig, wenn es eine Frage entscheidet, die sich im weiteren Verfahren über die anderen Ansprüche noch einmal stellt (BGH, GRUR 2001, 54, 55 - SUBWAY/Subwear; BGH, Urteil vom 21. August 2014 - VII ZR 24/12, NJW-RR 2014, 1298 Rn. 9; Urteil vom 23. September 2015 - I ZR 78/14, GRUR 2015, 1201 Rn. 26 = WRP 2015, 1487 - Sparkassen-Rot/Santander-Rot; Urteil vom 12. April 2016 - XI ZR 305/14, NJW 2016, 2662 Rn. 26, 28 f.).

24

2. Das ist vorliegend der Fall.

25

a) Zwar stehen der von den Vorinstanzen der Klägerin zugesprochene Auskunftsanspruch und der auf Rückforderung von Beihilfen nach Erteilung der Auskunft gerichtete Leistungsanspruch in einem Stufenverhältnis gemäß § 254 ZPO, so dass insoweit über den Auskunftsanspruch durch Teilurteil entschieden und die Entscheidung über den Leistungsanspruch dem Schlussurteil vorbehalten werden konnte. Ein solches Stufenverhältnis besteht aber nicht zwischen dem Auskunftsanspruch und den noch beim Landgericht anhängigen Unterlassungsanträgen der Klägerin (Klageanträge 5 und 6). Für den Unterlassungsanspruch ist eine vorherige Erteilung der Auskunft ohne Belang. Anders als der auf Rückforderung gerichtete Klageantrag 4 nehmen die Unterlassungsanträge 5 und 6 dementsprechend auch nicht auf die vorher erteilte Auskunft Bezug.

26

b) Es ist nicht ausgeschlossen, dass der durch Teilurteil beschiedene Auskunftsanspruch und die noch in erster Instanz anhängigen Unterlassungsansprüche von gemeinsamen Vorfragen abhängen. Sowohl der Auskunftsanspruch als auch die Unterlassungsanträge sind nur begründet, wenn der Streithelferin Beihilfen im Sinne von Art. 107 AEUV gewährt wurden oder das erkennende Gericht infolge der Eröffnungsentscheidung der Kommission vom 10. Juli 2007 von einer Beihilfegewährung auszugehen hat. Das Teilurteil des Landgerichts allein über den Auskunftsanspruch ohne gleichzeitige Entscheidung über den Unterlassungsanspruch war daher unzulässig (vgl. BGH, GRUR 2001, 54, 55 - SUBWAY/Subwear).

27

3. Eine Zulässigkeit des Teilurteils folgt auch nicht daraus, dass die weiter in erster Instanz anhängigen Unterlassungsansprüche wegen eines zwischenzeitlichen Wegfalls der Begehungsgefahr offensichtlich unbegründet geworden wären. Zwar hat das Berufungsgericht einen Wegfall der Wiederholungsgefahr erwogen, weil die frühere Beklagte, die Flughafen Lübeck GmbH, den Flughafen Lübeck seit dem 1. Januar 2013 nicht mehr betreibt und nicht festgestellt ist, dass die (neue) Beklagte Beihilfen an die Streithelferin geleistet hat. Abschließende Feststellungen zum Vorliegen einer Begehungsgefahr sind jedoch von den Vorinstanzen nicht getroffen. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass es bei der Entscheidung über die Unterlassungsanträge auf die beihilferechtlichen Fragen ankommt, von deren Beantwortung die Entscheidung über den Auskunftsantrag abhängt.

28

4. Die Annahme, das Teilurteil des Landgerichts sei unzulässig, steht nicht in Widerspruch zum ersten Revisionsurteil des Senats. Das Berufungsgericht hatte in seinem ersten Berufungsurteil über die Klage insgesamt entschieden und sie vollständig abgewiesen. Die Frage der Zulässigkeit des Teilurteils des Landgerichts stellt sich im ersten Revisionsverfahren daher nicht.

29

5. Die Unzulässigkeit des erstinstanzlichen Teilurteils hatte das Berufungsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen. Es hätte daher das erstinstanzliche Urteil gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO aufheben oder über den noch in erster Instanz anhängigen Teil ebenfalls entscheiden müssen. Der Erlass eines unzulässigen Teilurteils stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu berücksichtigen ist (BGH, Urteil vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10, BGHZ 189, 356 Rn. 19, 27; Urteil vom 13. Juli 2011 - VIII ZR 342/09, NJW 2011, 2800 Rn. 31).

30

6. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben. Hat das Berufungsgericht eine an sich gebotene Zurückverweisung an die erste Instanz unterlassen, so ist diese Entscheidung - auch ohne entsprechenden Antrag - grundsätzlich in der Revisionsinstanz nachzuholen (BGH, GRUR 2001, 54, 55 - SUBWAY/Subwear). Im Streitfall sind keine Gründe der Prozesswirtschaftlichkeit ersichtlich, die dafür sprechen, dass der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen wird und dieses ausnahmsweise den noch im ersten Rechtszug anhängigen Teil an sich zieht. Der Sachverhalt ist nicht geklärt. Auch liegt kein Einverständnis der Parteien mit einer Entscheidung des gesamten Streitgegenstands durch das Berufungsgericht vor (vgl. BGH, GRUR 2001, 54, 55 - SUBWAY/Subwear).

31

C. Der Senat hat unmittelbar vor der Verkündung dieses Urteils Kenntnis von einer Pressemitteilung erhalten, wonach die Kommission am 7. Februar 2017 entschieden hat, die im Jahr 2000 zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und ihrer Streithelferin abgeschlossene Vereinbarung über Flughafengebühren und Marketing enthalte keine Beihilfen. Diese Entscheidung ist bisher nicht veröffentlicht worden und kann im vorliegenden Revisionsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden. Insbesondere ist unklar, ob sie alle im Streitverfahren anhängigen Ansprüche erfasst. Darüber hinaus müssen die Parteien rechtliches Gehör zu der Kommissionsentscheidung und ihren Auswirkungen auf den Rechtsstreit erhalten. Sollte sich erweisen, dass nach der Entscheidung der Kommission keine der von der Klägerin beanstandeten Maßnahmen eine Beihilfe darstellt, käme ein Verstoß gegen die Notifizierungspflicht nicht in Betracht. Die Gewährung der vertraglich vereinbarten Leistungen an die Streithelferin der Beklagten wäre dann von Anfang an mit dem formellen und materiellen Beihilferecht der Union vereinbar gewesen.

32

D. Da Inhalt und Reichweite der Entscheidung der Kommission nach gegenwärtigem Verfahrensstand nicht abschließend beurteilt werden können, weist der Senat auf Folgendes hin:

33

I. Ausgangspunkt für die Beurteilung der für die Begründetheit der Klageanträge maßgeblichen Frage, ob die von der Klägerin beanstandeten Maßnahmen im vorliegenden Verfahren als Beihilfen anzusehen sind, sind die nach dem ersten Revisionsurteil ergangenen Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union. Danach sind die in dem Eröffnungsbeschluss der Kommission vorgenommenen Bewertungen zwar vorläufig. Doch bedeutet dies nicht, dass dieser Beschluss keine Rechtswirkungen hat (EuGH, Urteil vom 21. November 2013 - C-284/12, NJW 2013, 3771 Rn. 37 - Deutsche Lufthansa; Beschluss vom 4. April 2014 - C-27/13 Rn. 20 - Flughafen Lübeck/Air Berlin, juris). Um die praktische Wirksamkeit des Beihilfekontrollsystems gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV zu gewährleisten, sind die nationalen Gerichte verpflichtet, die Durchführung einer Maßnahme auszusetzen, bis die Kommission über deren Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt entschieden hat, wenn die Kommission aufgrund einer vorläufigen Bewertung in der Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens angenommen hat, diese Maßnahme weise Beihilfeelemente auf (EuGH, NJW 2013, 3771 Rn. 38 bis 40 - Deutsche Lufthansa; EuGH, Beschluss vom 4. April 2014 - C-27/13 Rn. 22 f. - Flughafen Lübeck/Air Berlin, juris). Im Rahmen ihrer Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit mit der Kommission und den Unionsgerichten (vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV) müssen die nationalen Gerichte nach der Entscheidungspraxis des Gerichtshofs der Europäischen Union alle zur Erfüllung der unionsrechtlichen Verpflichtungen geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art treffen und alle Maßnahmen unterlassen, die die Verwirklichung der Ziele des Vertrags gefährden könnten. Insbesondere müssen es die nationalen Gerichte unterlassen, Entscheidungen zu treffen, die einer Entscheidung der Kommission zuwiderlaufen, auch wenn sie nur vorläufigen Charakter haben (EuGH, NJW 2013, 3771 Rn. 41 - Deutsche Lufthansa; Beschluss vom 4. April 2014 - C-27/13 Rn. 24 - Flughafen Lübeck/Air Berlin, juris).

34

Darüber hinaus sind die nationalen Gerichte, wenn die Kommission das förmliche Prüfverfahren hinsichtlich einer in der Durchführung begriffenen Maßnahme eröffnet hat, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Konsequenzen aus einem eventuellen Verstoß gegen die Pflicht zur Aussetzung der Durchführung dieser Maßnahme zu ziehen. Zu diesem Zweck können sie die Durchführung der in Rede stehenden Maßnahme aussetzen und die Rückforderung der bereits gezahlten Beträge anordnen. Sie können auch einstweilige Maßnahmen erlassen, um zum einen die Interessen der beteiligten Parteien und zum anderen die praktische Wirksamkeit der Entscheidung der Kommission, das förmliche Prüfverfahren zu eröffnen, zu wahren (EuGH, NJW 2013, 3771 Rn. 42 f. - Deutsche Lufthansa; Beschluss vom 4. April 2014 - C-27/13 Rn. 25 f. - Flughafen Lübeck/Air Berlin, juris).

35

II. Die Aussage des Senats im ersten Revisionsurteil, im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen das Durchführungsverbot obliege es den nationalen Gerichten, den Begriff der Beihilfe auszulegen, solange die Kommission keine verfahrensabschließende Entscheidung nach Art. 108 Abs. 2 AEUV getroffen hat (BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - I ZR 213/08, Rn. 31, juris), stand im Einklang mit der früheren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, Urteil vom 21. November 1991 - C-354/90, Slg. 1991, I-5505 = NJW 1993, 49 Rn. 10 - FNCE). Im Hinblick auf dessen nach Erlass des ersten Revisionsurteils des Senats ergangene Rechtsprechung (Rn. 33) kann daran nur noch für die Zeit bis zu einem Eröffnungsbeschluss der Kommission festgehalten werden. Nach Erlass des Eröffnungsbeschlusses dürfen die nationalen Gerichte - mit den nachfolgend unter D IV erläuterten Einschränkungen - nicht von der vorläufigen Beurteilung des Beihilfecharakters durch die Kommission abweichen.

36

III. Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich aus dem Umfang der Antworten und bestimmten Einzelheiten der Formulierung in dem auf die Vorlage des Berufungsgerichts ergangenen Beschluss des Gerichtshofs der Europäischen Union kein engeres Verständnis von der Wirkung des Eröffnungsbeschlusses der Kommission.

37

1. Nach der Fragestellung des Berufungsgerichts im Vorlagebeschluss waren die Fragen 3 und 4 nur zu beantworten, wenn die Frage 1 oder 2 vom Gerichtshof der Europäischen Union verneint wurde, also das nationale Gericht nicht bereits aufgrund der vorläufigen Bewertung der Kommission im Eröffnungsbeschluss vom Beihilfecharakter der Maßnahmen auszugehen hat. Unabhängig von der Fragestellung des Berufungsgerichts hat es der Gerichtshof der Europäischen Union aber für zweckmäßig gehalten, auch die dritte und vierte Frage zu beantworten. Dieser Umstand führt indes zu keiner Einschränkung der in den Antworten auf die ersten beiden Fragen getroffenen Aussagen. Es gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Antworten zu den Fragen 1 und 2 nur deshalb relativiert werden müssten, weil der Gerichtshof der Europäischen Union auch die Fragen 3 und 4 beantwortet hat.

38

2. Ohne Erfolg wendet die Revision ein, nach der vom Gerichtshof der Europäischen Union gewählten Formulierung seien die nationalen Gerichte verpflichtet, die Konsequenzen aus einem "eventuellen" und nicht aus einem "zu unterstellenden" Verstoß gegen das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV zu ziehen (vgl. EuGH, NJW 2013, 3771 Rn. 42 - Deutsche Lufthansa; EuGH, Beschluss vom 4. April 2014 - C-27/13 Rn. 25 - Flughafen Lübeck/Air Berlin, juris). Mit dieser Formulierung bringt der Gerichtshof der Europäischen Union lediglich den vorläufigen Charakter der beihilferechtlichen Beurteilung der Kommission im Eröffnungsbeschluss zum Ausdruck. Die dem Beschluss beigemessene Rechtswirkung wird dadurch nicht in Frage gestellt.

39

IV. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat der Gerichtshof der Europäischen Union den nationalen Gerichten aber nicht verboten, die Ansicht zu vertreten, eine Maßnahme mit Beihilfeelementen, wegen der die Europäische Kommission ein förmliches Prüfverfahren eröffnet habe, stelle gleichwohl keine Beihilfe dar. Eine mit der Unabhängigkeit nationaler Gerichte schwerlich vereinbare Bindung an die vorläufige Auffassung einer - wenn auch auf Unionsebene errichteten - Verwaltungsbehörde ist der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht zu entnehmen (BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2016 - 10 C 3/15 Rn. 18 ff., juris; kritisch zu einer solchen Bindungswirkung etwa auch Rennert, DVBl 2014, 669, 674; Engel, EnWZ 2014, 22, 23; Giesberts/Kleve, NVwZ 2014, 643, 645; Traupel/Jennert, EWS 2014, 1, 3; Sonder, ZEuS 2014, 361, 371).

40

1. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat allerdings sinngemäß ausgeführt, die nationalen Gerichte dürften nicht die Ansicht vertreten, eine Maßnahme stelle keine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV dar, wenn die Kommission in ihrer Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens aufgrund vorläufiger Bewertung festgestellt habe, dass die Maßnahme Beihilfeelemente aufweise (vgl. EuGH, NJW 2013, 3771 Rn. 38 f. - Deutsche Lufthansa; Beschluss vom 4. April 2014 - C 27/13 Rn. 21 f. - Flughafen Lübeck/Air Berlin, juris). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat jedoch klargestellt, dass nationale Gerichte bei Zweifeln am Beihilfecharakter einer Maßnahme oder an der Gültigkeit oder Auslegung der Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens zum einen die Kommission um Erläuterung bitten können, und zum anderen gemäß Art. 267 Abs. 2 und 3 AEUV den Gerichtshof der Europäischen Union im Vorabentscheidungsverfahren anrufen können oder müssen (EuGH, NJW 2013, 3771 Rn. 44 - Deutsche Lufthansa).

41

Danach besteht keine absolute und unbedingte Verpflichtung des nationalen Gerichts, der vorläufigen Beurteilung der Kommission ohne Weiteres zu folgen (EuG, Beschluss vom 3. März 2015 - T-251/13, EuZW 2015, 524 Rn. 46 - Gemeente Nijmegen). Die Befugnis, an der vorläufigen beihilferechtlichen Beurteilung durch die Kommission zu zweifeln, ergibt sich ohne weiteres bereits aus der Funktion der nationalen Gerichte, deren Verpflichtung zur unabhängigen Rechtsanwendung und Rechtsprechung nicht mit Bindungswirkung durch vorläufige Bewertungen der als Verwaltungsbehörde handelnden Kommission beschränkt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2016 - 10 C 3/15 Rn. 30, juris). Zwar hat das Berufungsgericht bereits eine Anfrage an die Kommission gerichtet und ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV gestellt. Das schließt aber weitere Fragen an die Kommission (vgl. Art. 29 Abs. 1 der Verordnung [EU] 2015/1589 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 108 AEUV, ABl. 2015, L 248/9 - nachfolgend: VO 2015/1589) oder den Gerichtshof der Europäischen Union nicht aus.

42

2. Darüber hinaus können die Parteien auch nach einem Eröffnungsbeschluss der Kommission vor dem nationalen Gericht in dem nach dessen Verfahrensrecht zulässigen Umfang zum Beihilfecharakter der fraglichen Maßnahmen vortragen. Sollten sich aus diesem Vortrag Umstände ergeben, die die vorläufige Beurteilung der Kommission in Frage stellen, es handele sich um Beihilfen, und die nicht erkennbar von der Kommission im Eröffnungsbeschluss berücksichtigt wurden, so ist das Gericht nicht verpflichtet, auf der Grundlage der vorläufigen Beurteilung der Kommission ohne weiteres vom Beihilfecharakter der Maßnahmen auszugehen. Vielmehr besteht dann Anlass, bei der Kommission eine Stellungnahme einzuholen, ob diese Umstände eine gegenüber dem Eröffnungsbeschluss abweichende beihilferechtliche Beurteilung erlauben (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2016 - 10 C 3/15 Rn. 37, juris; Kamann, ZWeR 2014, 60, 78).

43

a) Im Hinblick auf das durch Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 47 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-Grundrechtecharta) gewährleistete Recht auf effektiven Rechtsschutz muss den eine Förderung gewährenden Stellen und den Begünstigten ermöglicht werden, vor dem nationalen Gericht zum Beihilfecharakter einer Maßnahme auch nach einem Eröffnungsbeschluss der Kommission vorzutragen.

44

aa) Dafür spricht, dass den die Förderung gewährenden Stellen und den Begünstigten vor dem Eröffnungsbeschluss im Beihilfeprüfverfahren der Kommission keine verfahrensrechtlich gesicherten Mitwirkungsrechte zustehen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Mai 1993 - C-198/91, Slg. 1993, I-2522 Rn. 22 - Cook/Kommission; Urteil vom 9. Juli 2009 - C-319/07 P, Slg. 2009, I-5963 Rn. 30 - 3F/Kommission). Wird dem Eröffnungsbeschluss der Kommission durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eine weitreichende Rechtswirkung beigemessen, so ist bereits zweifelhaft, ob die nicht vorgesehene Beteiligung von Beihilfegebern und begünstigten Unternehmen im Vorprüfungsverfahren, das dem Eröffnungsbeschluss vorhergeht, mit dem Recht auf Anhörung vor Erlass einer nachteiligen Verwaltungsentscheidung gemäß Art. 41 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta in Einklang steht (vgl. Soltész, NJW 2013, 3771, 3774; Kamann, ZWeR 2014, 60, 74 f.; Rennert, DVBl 2014, 669, 672). Insoweit dürfte es nicht ausreichen, wenn Beihilfegeber und Begünstigte rein faktisch und ohne unionsrechtlich gesicherte Beteiligungsrechte in mehr oder weniger großem Umfang durch die Mitgliedstaaten schon vor dem Eröffnungsbeschluss beteiligt werden (aA Martin-Ehlers, EuZW 2014, 247, 251; zur unterbliebenen Beteiligung im Vorprüfungsverfahren vgl. BVerfG [Kammer], Beschluss vom 23. November 2011 - 1 BvR 2682/11, juris).

45

bb) Ausreichender Rechtsschutz wird den betroffenen Wirtschaftsunternehmen nicht schon durch die Möglichkeit gewährt, den Eröffnungsbeschluss der Kommission mit einer Nichtigkeitsklage beim Gericht der Europäischen Union anzufechten (vgl. EuG, Urteil vom 25. März 2009 - T-332/06 Rn. 35 bis 43 - Alcoa Trasformazioni). Eine umfassende Überprüfung der beihilferechtlichen Würdigung im Eröffnungsbeschluss erfolgt dabei nicht. Zum einen ist der Eröffnungsbeschluss bereits rechtmäßig, solange auch nur Zweifel hinsichtlich der Beihilfequalität der in Rede stehenden Maßnahme des Mitgliedstaats bestehen. Es kommt also nicht darauf an, ob tatsächlich eine Beihilfe vorliegt. Zum anderen ist die Nachprüfung durch die Unionsgerichte darauf beschränkt, ob der Kommission offenkundige Beurteilungsfehler unterlaufen sind (EuGH, Urteil vom 21. Juli 2011 - 5-134/09 P, Slg. 2011, I-6344 Rn. 61 - Alcoa Trasformazioni; vgl. Rennert, DVBl 2014, 669, 672).

46

b) Bestehen danach im Vorprüfungsverfahren keine ausreichend gesicherten Anhörungsrechte der von einer möglichen Beihilfe begünstigten Unternehmen, so können diese im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 47 EU-Grundrechtecharta nicht daran gehindert sein, die sie belastende, vorläufige beihilferechtliche Beurteilung der Kommission jedenfalls so lange vor den nationalen Gerichten in Zweifel zu ziehen, wie die Kommission noch keine abschließende und anfechtbare Entscheidung getroffen hat. Vermittelt Vortrag der Parteien, der von der Kommission im Eröffnungsbeschluss nicht erkennbar berücksichtigt worden ist, dem Gericht die Überzeugung, dass erhebliche Gründe für eine von der vorläufigen Ansicht der Kommission abweichende Beurteilung sprechen, darf es bei seiner Entscheidung der vorläufigen Beurteilung der Kommission nicht folgen. Vielmehr hat es die Kommission unter Darlegung seiner Bedenken um eine Stellungnahme zu bitten. Hält die Kommission weiter an ihrer Auffassung fest, erscheinen dem Gericht die dafür angeführten Gründe jedoch nicht überzeugend, so hat das Gericht den Gerichtshof der Europäischen Union um eine Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV zu ersuchen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2016 - 10 C 3/15 Rn. 26, juris; Kamann, ZWeR 2014, 60, 78 f.).

47

c) Dieses Verfahren ist geeignet, die Rechte der Betroffenen und die Unabhängigkeit der Gerichte unter Einhaltung der Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten einerseits und der Kommission und den Unionsgerichten andererseits (Art. 4 Abs. 3 EUV) zu wahren.

48

V. Entgegen der vom Landgericht im Urteil vom 28. Juli 2006 vertretenen Ansicht ist für den Beihilfecharakter im Streitfall von Bedeutung, ob die Flughafen Lübeck GmbH sich mit der am 29. Mai 2000 mit der Streithelferin abgeschlossenen Vereinbarung wie ein marktwirtschaftlich handelnder privater Kapitalgeber verhalten hat ("Private-Investor-Test"; vgl. Eröffnungsbeschluss, Rn. 121). Der Umstand, dass nur der Streithelferin diese Sonderkonditionen gewährt worden sind (Selektivität der Maßnahme), schließt ein solches marktwirtschaftliches Handeln für sich allein noch nicht aus. Ebenso wenig kommt es insoweit darauf an, ob es sich um eine für Wettbewerber intransparente Maßnahme handelte.

49

VI. Sollte das Gericht unter Beachtung dieser Grundsätze bis zu einer endgültigen Entscheidung durch die Kommission vorläufig von der Beihilfequalität der beanstandeten Maßnahmen auszugehen haben, folgt daraus allein noch nicht die Begründetheit des Auskunfts- und Rückforderungsanspruchs.

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1. Liegt eine nicht genehmigte Beihilfe vor, können die nationalen Gerichte die Rückforderung der bereits gezahlten Beträge anordnen oder beschließen, einstweilige Maßnahmen zu erlassen, um zum einen die Interessen der beteiligten Parteien und zum anderen die praktische Wirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses zu wahren (EuGH, NJW 2013, 3771 Rn. 43 - Deutsche Lufthansa; Beschluss vom 4. April 2014 - C-27/13 Rn. 26 - Flughafen Lübeck/Air Berlin, juris). Im Streitfall stehen keine einstweiligen Maßnahmen wie etwa eine Aussetzung der Beihilfemaßnahme, sondern allein ein Rückforderungsanspruch und der ihn vorbereitende Auskunftsanspruch in Rede. Eine Pflicht des nationalen Gerichts, diese Ansprüche allein aufgrund eines Eröffnungsbeschlusses der Kommission für begründet zu erachten, besteht jedenfalls bei abgeschlossenen Maßnahmen nicht (vgl. EuG, Urteil vom 16. Oktober 2014 - T-517/12 Rn. 40, juris; Urteil vom 16. Oktober 2014 - T-129/13, EuZW 2015, 150 Rn. 40 - Alpiq). Vielmehr hat das Gericht über ihre Begründetheit unter Beachtung des Gebots, dem Eröffnungsbeschluss der Kommission zu praktischer Wirksamkeit zu verhelfen, aber auch unter Wahrung der Interessen der beteiligten Parteien und gegebenenfalls unter Berücksichtigung der außergewöhnlichen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Die Anordnung der Rückforderung vor einer endgültigen Entscheidung der Kommission muss insbesondere mit dem unionsrechtlichen Gebot der Verhältnismäßigkeit (Art. 5 EUV; zum Gebot der Verhältnismäßigkeit im Beihilfeprüfverfahren der Kommission vgl. auch EuG, Urteil vom 9. Juni 2016 - T-162/13, SpuRt 2016, 202 Rn. 148) vereinbar sein.

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2. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kommission selbst unter Verstoß gegen das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV gewährte rechtswidrige Beihilfen vor der Entscheidung über ihre Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt nur dann einstweilig zurückfordern kann, wenn nach geltender Praxis keinerlei Zweifel am Beihilfecharakter der betreffenden Maßnahme bestehen, ein Tätigwerden dringend geboten ist und ein erheblicher und nicht wiedergutzumachender Schaden für einen Konkurrenten ernsthaft zu befürchten ist (Art. 13 Abs. 2 VO 2015/1589; gleichlautend Art. 11 Abs. 2 der bis 13. Oktober 2015 geltenden Verordnung (EG) Nr. 659/1999, nachfolgend VO 659/1999). Im Zusammenhang mit Art. 108 Abs. 3 AEUV hat der Gerichtshof der Europäischen Union in ähnlicher Weise ausgeführt, eine Verpflichtung zum Erlass von Schutzmaßnahmen wie etwa der Anordnung der Rückzahlung der Beihilfen bestehe nur, wenn die Qualifizierung als staatliche Beihilfe nicht zweifelhaft sei, wenn die Durchführung der Beihilfe unmittelbar bevorstehe oder die Beihilfe durchgeführt worden sei und wenn keine außergewöhnlichen Umstände festgestellt worden seien, die eine Rückforderung unangemessen erscheinen ließen (EuGH, Urteil vom 11. März 2010 - C-1/09, Slg. 2010, I-2099 = EuZW 2010, 587 Rn. 36 - CELF II).

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3. Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union annimmt, die Rückforderung einer zu Unrecht gewährten staatlichen Beihilfe könne grundsätzlich nicht unverhältnismäßig sein (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 17. Juni 1999 - C-75/97, Slg. 1999, I-3571 = EuZW 1999, 534 Rn. 68 - Belgien/Kommission), betrifft diese Rechtsprechung allein den Fall eines Rückforderungsgebots an den Mitgliedstaat, das in einer endgültigen Entscheidung der Kommission enthalten ist, mit der eine Beihilfe für unvereinbar mit dem Binnenmarkt erklärt worden ist. In dieser Situation steht die Rückforderungspflicht zur Wiederherstellung der früheren Lage außer Frage. Damit ist die Situation nach dem Eröffnungsbeschluss, aber vor der endgültigen Entscheidung der Kommission nicht vergleichbar. Die ihm vorhergehende Vorprüfungsphase gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV dient lediglich dazu, der Kommission eine ausreichende Überlegungs- und Untersuchungsfrist zu verschaffen, um ihr eine erste Meinungsbildung über die Beihilfequalität und Vertragskonformität einer staatlichen oder aus staatlichen Mitteln finanzierten Maßnahme zu ermöglichen (vgl. EuG, Urteil vom 9. Juni 2016 - T-162/13 Rn. 135).

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4. Vor diesem Hintergrund kann sich die Rückforderung einer Förderung auf der Grundlage einer nur vorläufigen Einstufung als Beihilfemaßnahme durch die Kommission für das nationale Gericht aus unterschiedlichen Gründen als unverhältnismäßig erweisen. So liegt es etwa, wenn eine Beihilfe vorliegt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nach der Kommissionspraxis gemäß Art. 107 Abs. 2 oder 3 AEUV und den dazu ergangenen Durchführungsvorschriften für mit dem Binnenmarkt vereinbar zu erklären ist, und deren Rückforderung die Existenz des davon betroffenen Unternehmens ernsthaft bedroht. Keiner Entscheidung bedarf im Streitfall die Frage, ob und unter welchen Umständen eine Unverhältnismäßigkeit der Rückforderung weitergehend schon deswegen anzunehmen wäre, weil durch eine vorläufige Regelung vor der endgültigen Entscheidung der Kommission - auch im Hinblick auf die Belange betroffener Arbeitnehmer - generell keine vollendeten Tatsachen in Form der Insolvenz eines begünstigten Unternehmens geschaffen werden dürften.

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Für die Frage, ob Auskunft und Rückforderung (noch) erforderlich und damit verhältnismäßig sind, um dem Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV praktische Wirksamkeit zu verleihen, wird auch zu berücksichtigen sein, dass nach einer abschließenden Entscheidung der Kommission, die das Vorliegen mit dem Binnenmarkt unvereinbarer Beihilfen bejaht, eine Rückforderung zuzüglich angemessener Zinsen für die Dauer der rechtswidrigen Nutzung erfolgen kann und muss, um den Beihilfevorteil vollständig auch für die Vergangenheit zu entziehen (vgl. Kamann, ZWeR 2014, 61, 76). Das kommt grundsätzlich als milderes Mittel in Betracht, dessen Eignung im Vergleich zur sofortigen Rückforderung allerdings von den Umständen, insbesondere der im Entscheidungszeitpunkt noch bestehenden oder nachwirkenden wettbewerbsverzerrenden Wirkung der konkreten Beihilfen abhängt.

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5. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Rückforderung im Einzelfall obliegt den mit einem Rückforderungsbegehren befassten Gerichten der Mitgliedstaaten. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze könnte es aufgrund der folgenden besonderen Umstände im Streitfall nicht fernliegend erscheinen, eine vorläufige Rückforderung allein aufgrund des Eröffnungsbeschlusses der Kommission als unverhältnismäßig anzusehen:

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Die Kommission hat das Hauptprüfverfahren am 10. Juli 2007 eröffnet, bis zum Zeitpunkt der mündlichen Revisionsverhandlung jedoch noch nicht abgeschlossen. Sie hat sich darüber hinaus auf eine entsprechende Frage des Berufungsgerichts im März 2012 nicht in der Lage gesehen, Angaben zur voraussichtlichen weiteren Dauer des Hauptprüfverfahrens zu machen. Zwischenzeitlich betreibt die Beklagte keinen Flughafen mehr und die Streithelferin hat den Flugverkehr zum Flughafen Lübeck eingestellt. Eine noch bestehende wettbewerbsverzerrende Wirkung durch in den Jahren 2000 bis 2004 an die Streithelferin für Flugverbindungen zum Flughafen Lübeck gezahlte Beihilfen erscheint danach fraglich (vgl. Kamann, ZWeR 2014, 60, 81).

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6. Mit dem Gebot der loyalen Zusammenarbeit zwischen Kommission und nationalen Gerichten erschiene es schwerlich vereinbar, dass die Kommission in einem beihilferechtlichen Hauptprüfverfahren auf unbestimmte Zeit keine Entscheidung trifft, während entgegen der von den Unionsverträgen bestimmten Zuständigkeitsverteilung anstelle der Kommission die nationalen Gerichte de facto eine endgültige Regelung treffen müssten, indem sie eine auf die Verletzung des Durchführungsverbots (Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV) gestützte Rückforderung anordneten. Die Kommission könnte so durch Hinausschieben der Entscheidung lediglich vorläufig als Beihilfen eingestufte Maßnahmen einem von nationalen Gerichten durchzusetzenden Rückzahlungsgebot unterwerfen, ohne an die für sie selbst geltenden Voraussetzungen einer Rückforderung gemäß Art. 13 VO 2015/1589 gebunden zu sein. Eine solche Funktionsverschiebung bei der Durchsetzung des Beihilferechts von der Kommission zu den nationalen Gerichten durch die Kombination fehlender Anwendung des Art. 13 VO 2015/1589 mit sehr langen Prüfverfahren bei der Kommission entspricht nicht dem Kooperationsmodell des Unionsrechts (vgl. Giesberts/Kleve, NVwZ 2014, 643, 646; von Bonin/Wittenberg, EuZW 2014, 65, 69).

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Die Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit bindet auch die Organe der Union (Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 EUV; EuGH, Urteil vom 26. November 2002 - C-275/00, Slg. 2002, I-10943 = EuZW 2003, 54 Rn. 49 - First und Franex; Urteil vom 16. Oktober 2003 - C-339/00, Slg. 2003, I-11757 Rn. 71 - Irland/Kommission; von Bogdandy/Schill in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand September 2013, Art. 4 EUV Rn. 111; Rennert, DVBl 2014, 669, 675). Danach ist die Kommission verpflichtet, ein Verwaltungsverfahren innerhalb eines angemessenen Zeitraums zu beenden, wobei als angemessen nicht ohne weiteres jeder Zeitraum gelten kann, den die Kommission tatsächlich in Anspruch nimmt. Zwar gilt die regelmäßige Prüfungsfrist von 18 Monaten nach Eröffnung des Prüfverfahrens für die Kommission nur bei angemeldeten Beihilfen (vgl. Art. 9 Abs. 6, Art. 15 Abs. 2 VO 2015/1589 sowie gleichlautend Art. 7 Abs. 6, Art. 13 Abs. 2 VO 659/1999). Dennoch kann eine Verlängerung der Prüfungsdauer um ein beliebiges Vielfaches dieser Frist kaum mehr angemessen erscheinen.

Büscher      

        

Schaffert      

        

Kirchhoff

        

Koch      

        

Feddersen      

        

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)