Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Juni 2006 - III ZB 134/05

bei uns veröffentlicht am01.06.2006
vorgehend
Landgericht Hamburg, 327 O 365/03, 04.03.2005
Hanseatisches Oberlandesgericht, 8 U 56/05, 23.11.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 134/05
vom
1. Juni 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Gewährung von Wiedereinsetzung, wenn der Prozessbevollmächtigte sein
Büropersonal allgemein angewiesen hatte, sämtliche ausgehenden Schriftstücke
vor der Absendung auf das Vorhandensein der Unterschrift zu überprüfen.
BGH, Beschluss vom 1. Juni 2006 - III ZB 134/05 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Juni 2006 durch den
Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Streck, Dörr und
Dr. Herrmann

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 8. Zivilsenat, vom 23. November 2005 - 8 U 56/05 - aufgehoben.
Der Klägerin wird wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 27, vom 4. März 2005 - 327 O 365/03 – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat die auf Zahlung von 106.052,64 € nebst Zinsen gerichtete Klage mit Urteil vom 4. März 2005 abgewiesen. Gegen das ihr am 25. Mai 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin fristgerecht Berufung eingelegt. Am 25. Juli 2005 ging beim Berufungsgericht per Telefax ein Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ein, der Berufungsanträge und eine Begründung , aber keine Unterschrift enthielt. Auch das nach Fristablauf am 27. Juli 2005 eingegangene Original trägt keine Unterschrift. Nach entspre- chendem Hinweis vom 30. August 2005 begründete die Klägerin die Berufung mit Schriftsatz vom 7. September 2005 und beantragte zugleich, ihr wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung für die Wiedereinsetzung wird ausgeführt, in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin bestehe die eindeutige interne Anweisung, dass Schriftstücke, die die Kanzlei verlassen, von den bearbeitenden Rechtsanwalts- und Notariats-Fachangestellten ausgefertigt, dem Rechtsanwalt oder einem den zuständigen Rechtsanwalt vertretenden Anwalt zur Unterschrift vorgelegt, anschließend auf ihre Vollständigkeit überprüft, soweit erforderlich per Telefax vorab verschickt, kuvertiert, frankiert und auf den Postweg gebracht würden. So habe es sich auch am 25. Juli 2005 verhalten. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe den von ihm selbst erstellten Schriftsatz zur Berufungsbegründung zur Ausfertigung an die Rechtsanwaltsfachangestellte G. gegeben. Diese habe ihm sodann in der Unterschriftenmappe den Schriftsatz vorgelegt, und er habe nach geleisteter Unterschrift Frau G. die Mappe zurückgegeben mit der Anweisung, die erforderlichen Ausfertigungen zu erstellen. Frau G. habe sodann die erforderlichen Ausfertigungen erstellt und den Schriftsatz ohne das Original zunächst per Fax an das Berufungsgericht verschickt, anschließend (die Sendung ) kuvertiert und auf den Postweg gebracht. Frau G. sei seit 1998 in dem Büro des Prozessbevollmächtigten beschäftigt, arbeite zuverlässig und habe mit ihrer Tätigkeit noch keinen Anlass zu Beanstandungen gegeben.
2
Das Berufungsgericht hat die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.


3
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
4
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Zwar hat die Klägerin die Berufungsbegründungsfrist versäumt. Auf ihren rechtzeitigen Antrag ist ihr jedoch gemäß §§ 233, 234 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.
5
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann bei fehlender Unterzeichnung der bei Gericht fristgerecht eingereichten Rechtsmittelbegründungsschrift Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden , wenn der Prozessbevollmächtigte sein Büropersonal allgemein angewiesen hatte, sämtliche ausgehenden Schriftsätze vor der Absendung auf das Vorhandensein der Unterschrift zu überprüfen. Dies ist in Fällen entschieden worden , in denen dem Prozessbevollmächtigten das Versehen unterlaufen war, den bestimmenden Schriftsatz nicht unterzeichnet zu haben (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 1995 - VIII ZR 12/95 - NJW 1996, 998, 999 m.w.N.; aus neuerer Zeit Beschluss vom 15. Februar 2006 - XII ZB 215/05 - NJW 2006, 1205, 1206). Nichts anderes kann für den Fall gelten, in dem der Prozessbevollmächtigte den bestimmenden Schriftsatz, wie es hier durch die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Rechtsanwaltsfachangestellten und des Prozessbevollmächtigten nahe gelegt wird, tatsächlich unterzeichnet hat, die der Rechtsanwaltsfachangestellten aufgetragene Ausgangskontrolle aber versagt, weil nicht unterzeichnete Schriftstücke auf den Weg gebracht werden (zu einer solchen Fallgestaltung vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Dezember 2001 - 1 BvR 1009/01 - NJW-RR 2002, 1004 f).
6
Das b) Berufungsgericht hält einen Wiedereinsetzungsgrund für nicht glaubhaft gemacht, weil es der Auffassung ist, der vorgetragene und durch eidesstattliche Versicherung des Anwalts glaubhaft gemachte Sachverhalt sei nicht in Einklang mit dem tatsächlichen Geschehensablauf zu bringen. Während in der eidesstattlichen Versicherung des Anwalts davon gesprochen werde, dass der Rechtsanwalt den von ihm selbst gefertigten und von der Fachangestellten ausgefertigten Schriftsatz in der Unterschriftenmappe im Original vorgelegt bekommen und unterzeichnet habe und sodann die Unterschriftenmappe Frau G. überreicht und um Erstellung der Ausfertigungen gebeten habe und diese es versäumt habe, die Originalausfertigung an das Gericht zu übersenden , stehe fest, dass das Gericht einen nicht unterzeichneten Schriftsatz und eine einfache und eine beglaubigte Abschrift des Berufungsbegründungsschriftsatzes erhalten habe. Es sei nicht nachvollziehbar, wie eine Anwaltsunterschrift unter den beglaubigten Schriftsatz gelangen konnte, wenn der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zunächst nur den Originalschriftsatz unterzeichnet haben wolle und Frau G. anschließend um Erstellung der erforderlichen Anzahl von Ausfertigungen gebeten habe.
7
c) Mit dieser Begründung kann der Kern des glaubhaft gemachten Vorbringens indes nicht in Frage gestellt werden. Entscheidend für die Gewährung von Wiedereinsetzung ist, ob ein der Partei zuzurechnendes Verschulden des Rechtsanwalts (§ 85 Abs. 2 ZPO) oder ein solches der Rechtsanwaltsfachangestellten dazu geführt hat, dass dem Berufungsgericht innerhalb der Begründungsfrist ein nicht unterzeichneter Schriftsatz zugegangen ist. Das Berufungsgericht stellt nicht ausdrücklich in Frage, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, wie eidesstattlich versichert, den Berufungsbegründungsschriftsatz unterzeichnet hat. Dass dieser nicht an das Gericht gelangt ist, auch nicht in der Übermittlung als Brief, steht fest. Man könnte unter diesen Umständen zwar mutmaßen, in Wirklichkeit sei der Berufungsbegründungsschriftsatz entgegen der eidesstattlichen Versicherung nicht unterzeichnet worden, sondern möglicherweise nur das als beglaubigte Abschrift vorgesehene Schriftstück. Das würde indes nichts daran ändern, dass auch bei einer solchen Fallgestaltung die vorgesehene Ausgangskontrolle versagt hätte. Die für das Berufungsgericht entscheidende Überlegung, es fehle an näheren - glaubhaft gemachten - Erläuterungen , wie die Anwaltsunterschrift unter den beglaubigten Schriftsatz habe gelangen können, kann nicht zu einer Versagung der Wiedereinsetzung führen. Denn die Klägerin musste nicht in allen Einzelheiten glaubhaft machen, in welchem Arbeitsgang diese Unterschrift auf das als beglaubigte Abschrift vorgesehene Schriftstück gelangte. Abgesehen davon, dass die Annahme nahe liegt, dies sei im Zusammenhang damit geschehen, dass der Anwalt nach Unterzeichnung der Berufungsbegründung um Erstellung der weiteren Ausfertigungen gebeten hat, kommt es auf dieses Detail nicht an.
Schlick Wurm Streck Dörr Herrmann
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 04.03.2005 - 327 O 365/03 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 23.11.2005 - 8 U 56/05 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Juni 2006 - III ZB 134/05

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Juni 2006 - III ZB 134/05

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie
Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Juni 2006 - III ZB 134/05 zitiert 8 §§.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

Zivilprozessordnung - ZPO | § 238 Verfahren bei Wiedereinsetzung


(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. (2) A

Referenzen - Urteile

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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 215/05
vom
15. Februar 2006
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ist offenkundig oder hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Fristversäumnis
auf dem Verstoß einer sonst zuverlässigen Kanzleiangestellten gegen eine allgemein
erteilte Büroanweisung beruht (hier: Herausgabe eines zur Fristwahrung
bestimmten, aber nicht unterschriebenen Schriftsatzes trotz entsprechender
Kontrollanordnung), bedarf es keiner weiteren Darlegung oder Glaubhaftmachung
des der Partei nicht zuzurechnenden Verschuldens der Angestellten.
BGH, Beschluss vom 15. Februar 2006 - XII ZB 215/05 - OLG Jena
AG Erfurt
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Februar 2006 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 1. Familiensenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 22. August 2005 aufgehoben. Dem Antragsgegner wird gegen die Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird abgesehen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GKG). Beschwerdewert: 1.800 €

Gründe:


I.

1
Das Familiengericht hat durch Verbundurteil, das dem Antragsgegner am 24. Mai 2005 zugestellt wurde, die Ehe der Parteien geschieden, der Antragstellerin die elterliche Sorge für die 1995 geborene gemeinsame Tochter übertragen und den Umgang des Antragsgegners mit ihr für ein Jahr ausgeschlossen.
2
Die gegen die Sorgerechts- und Umgangsentscheidung gerichtete Beschwerdeschrift des Antragsgegners, die am 24. Juni 2005 beim Oberlandesgericht einging, und auch die beigefügte beglaubigte Abschrift dieses Schriftsatzes waren vom Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners nicht unterschrieben worden.
3
Auf entsprechenden Hinweis des Gerichts beantragte der Antragsgegner mit am 27. Juni 2005 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdefrist und legte die Beschwerde, die er inzwischen mit am gleichen Tag eingegangenem Schriftsatz begründet hatte, erneut ein.
4
Das Oberlandesgericht wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Beschwerde als unzulässig. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.

II.

5
Die nach §§ 629 a Abs. 2 Satz 1, 621 e Abs. 3 Satz 2, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO (Verwerfung) bzw. §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO (Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs) statthafte Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (hier: Sicherung einheitlicher Rechtsprechung) zulässig und zugleich begründet, weil dem Antragsgegner durch die Verwerfung die Rechtsmittelinstanz genommen wurde, und zwar zu Unrecht, weil das Beschwerdegericht die Anforderungen an ein Wiedereinsetzungsgesuch verkannt hat (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Februar 2005 - XII ZB 225/04 - FamRZ 2005, 791, 792). http://www.juris.de/jportal/portal/t/csy/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE027502301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 4 -
6
1. Das Beschwerdegericht ist der Ansicht, der Antragsgegner habe die eine Wiedereinsetzung rechtfertigenden Umstände, die zur Absendung der nicht unterschriebenen Beschwerdeschrift geführt hätten, nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Zwar habe sein Prozessbevollmächtigter anwaltlich versichert , dass für die bisher stets zuverlässigen Angestellten seiner Kanzlei die allgemeine Büroanweisung bestehe, sämtliche ausgehenden Schriftsätze vor der Kuvertierung und Absendung daraufhin zu überprüfen, ob sie mit der Unterschrift des Anwalts versehen sind. Den für die Fristversäumung ursächlichen Umstand, dass die Büroangestellte K. diese Weisung missachtet, das Fehlen der Unterschrift übersehen und die Beschwerdeschrift ohne die erforderliche Unterschrift kuvertiert und den Umschlag verschlossen habe, könne er durch seine eigene anwaltliche Versicherung nicht glaubhaft machen, da er damit nur solche Tatsachen bekräftigen könne, die Gegenstand seiner eigenen Wahrnehmung gewesen seien. Deshalb hätte er beispielsweise eine eidesstattliche Versicherung seiner Angestellten vorlegen müssen. Daran fehle es.
7
2. Dem ist aus Rechtsgründen nicht zu folgen. Dem Antragsgegner ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er ohne Verschulden an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert war (§ 233 ZPO).
8
a) Grundsätzlich kann Wiedereinsetzung zwar nur gewährt werden, wenn jedes ursächliche (Mit-) Verschulden der Partei oder ihres Anwalts ausgeräumt wird. Hier liegt indes ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners vor, weil er in seiner anwaltlichen Versicherung einräumt, die Beschwerdeschrift sei ihm zusammen mit anderen Schriftsätzen in einer Unterschriftenmappe vorgelegt worden; er habe ihn aber zu unterschreiben vergessen.
9
b) Ein solches Verschulden steht einer Wiedereinsetzung aber ausnahmsweise dann nicht entgegen, wenn im Rahmen der Büroorganisation durch eine allgemeine Arbeitsanweisung (hier: Kontrolle der Unterzeichnung ausgehender Schriftsätze vor deren Absendung) Vorsorge dafür getroffen wurde , dass bei normalem Verlauf der Dinge die Frist - trotz des Versehens des Rechtsanwalts - mit Sicherheit gewahrt worden wäre (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Dezember 1984 - IVb ZB 103/84 - NJW 1985, 1226).
10
Eine solche Anweisung hat der Antragsgegner hier durch anwaltliche Versicherung seines Anwalts hinreichend glaubhaft gemacht, was auch das Beschwerdegericht nicht in Abrede stellt.
11
c) Einer Glaubhaftmachung der im Wiedereinsetzungsgesuch dargelegten weiteren Umstände, die für die Fristversäumnis ursächlich waren, bedurfte es entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht.
12
Die Tatsache, dass die Beschwerdeschrift ohne die Unterschrift des Rechtsanwalts hinausging, ist anhand der Akten offenkundig, da sie ohne Unterschrift beim Beschwerdegericht einging. Eine Glaubhaftmachung erübrigte sich daher.
13
Daraus folgt zugleich zwingend, dass die Beschwerdeschrift unter Verstoß gegen die allgemeine Büroanweisung trotz fehlender Unterschrift versandt wurde und somit ein der Partei nicht nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden einer Kanzleiangestellten vorlag. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, dass die Beschwerdeschrift hier nicht zur Post gegeben, sondern dem Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners auf dessen Anweisung zur Einreichung bei Gericht mitgegeben wurde. Denn diese Art der Beförderung konnte für die Fristversäumnis nicht mehr mitursächlich werden, weil sich aus der anwaltlichen Versicherung des Prozessbevollmächtigten des Antragsgeg- ners auch ergibt, dass ihm die Beschwerdeschrift in einem verschlossenen Umschlag übergeben wurde. Er durfte sich darauf verlassen, dass seine allgemeine Büroanweisung befolgt wurde, und hatte daher keine Veranlassung, den Umschlag zwecks erneuter Kontrolle noch einmal zu öffnen.
14
Unter diesen Umständen kommt es auch nicht darauf an, ob die Kanzleiangestellte , wie im Wiedereinsetzungsgesuch vorgetragen, das Fehlen der Unterschrift bei der Kuvertierung übersehen hat, und wie und warum es gegebenenfalls dazu gekommen ist. Wiedereinsetzung ist bereits dann zu gewähren, wenn hinreichend glaubhaft gemacht ist, dass die Fristversäumnis nicht auf einem Verschulden der Partei oder ihres Anwalts, sondern allenfalls auf einem Verschulden des Kanzleipersonals beruht. Auf welche Weise und aus welchen Gründen das Kanzleipersonal gegen eine allgemeine Büroanweisung verstoßen hat, ist irrelevant und bedarf keiner Glaubhaftmachung, solange jedenfalls der geschilderte äußere Geschehensablauf, der zur Versäumung der Frist geführt hat, nachvollzogen werden kann. Denn ein der Partei zuzurechnendes Verschulden wäre im vorliegenden Fall selbst dann nicht gegeben, wenn die Büroangestellte etwa das Fehlen der Unterschrift bemerkt und bewusst gegen die bestehende Büroanweisung verstoßen hätte.
15
3. Die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens sind gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht zu erheben, weil sie bei richtiger Entscheidung des Berufungsgerichts nicht angefallen wären.
16
Über die übrigen Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens - zu denen auch die Kosten der für den Antragsgegner erfolgreichen Rechtsbeschwerdeverfahren gehören - ist erst in der Endentscheidung über die Hauptsache zu erkennen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2000 - II ZB 20/99 - NJW 2000, 3284, 3286).
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose

Vorinstanzen:
AG Erfurt, Entscheidung vom 04.05.2005 - 32 F 1222/01 -
OLG Jena, Entscheidung vom 22.08.2005 - 1 UF 243/05 -

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.