Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Feb. 2019 - III ZB 96/18

bei uns veröffentlicht am28.02.2019
vorgehend
Landgericht Hannover, 12 O 90/17, 12.02.2018
Oberlandesgericht Celle, 4 U 38/18, 20.07.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 96/18
vom
28. Februar 2019
in der Baulandsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Bei der Fristeingabe in den elektronischen Fristenkalender muss eine Kontrolle
durch einen Ausdruck der eingegebenen Einzelvorgänge oder eines
Fehlerprotokolls erfolgen. Unterbleibt eine derartige Kontrolle, so liegt ein
anwaltliches Organisationsverschulden vor (Bestätigung BGH, Beschlüsse
vom 12. April 2018 - V ZB 138/17, NJW-RR 2018, 1267 und vom 17. April
2012 - VI ZB 55/11, NJW-RR 2012, 1085).

b) Werden die Fristeingabe in den elektronischen Fristenkalender und die anschließende
Eingabekontrolle in zwar mehrstufigen, aber ausschließlich
EDV-gestützten und jeweils nur kurze Zeit benötigenden Arbeitsschritten am
Bildschirm durchgeführt, besteht eine erhöhte Fehleranfälligkeit. Den Anforderungen
, die an die Überprüfungssicherheit der elektronischen Kalenderführung
zu stellen sind, wird durch eine solche Verfahrensweise nicht genügt.
BGH, Beschluss vom 28. Februar 2019 - III ZB 96/18 - OLG Celle
LG Hannover
ECLI:DE:BGH:2019:280219BIIIZB96.18.0

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Februar 2019 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richter Seiters, Tombrink, Dr. Remmert und Reiter

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Senats für Baulandsachen des Oberlandesgerichts Celle vom 20. Juli 2018 - 4 U 38/18 (Bau) - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Der Gegenstandswert für die Rechtsbeschwerde wird auf 579.901,14 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Der Antragsteller wendet sich gegen die Belastung ihm gehörender Grundstücke mit einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit zu Gunsten der Antragsgegnerin.
2
Mit dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 16. Februar 2018 zugestelltem Urteil hat das Landgericht dessen Anträge auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Hiergegen hat er fristgemäß Berufung einge- legt. Die Berufungsbegründung ist erst am 27. April 2018 beim Oberlandesgericht eingegangen.
3
Der Antragsteller hat beantragt, ihm wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung hat er unter Vorlage von eidesstattlichen Versicherungen der Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten G. vorgetragen, eine Überprüfung habe ergeben, dass zwar die Berufungsbegründungsfrist zutreffend mit der Vorfrist in der Handakte seines Prozessbevollmächtigten eingetragen worden sei und die ansonsten zuverlässige vorgenannte Angestellte die Eintragung im elektronischen Fristenkalender durch Abzeichnung mit Kürzel bestätigt habe, jedoch die Berufungsbegründungsfrist und die Vorfrist nicht im Fristenkalender der verwendeten Software R. gespeichert gewesen seien. Die Mitarbeiterin G. sei angewiesen worden, die Berufungsfristen mit rotem Stift unter Angabe des Fristgrundes, einer Vorfrist für Berufung und Berufungsbegründung von jeweils zwei Wochen und der Fristabläufe in die Innenseite der Handakte einzutragen. Anschließend erfolge die Eintragung im elektronischen Fristenkalender. Danach sei die Eintragung durch Abzeichnung mit Kürzel auf der Handakte zu bestätigen. Die Mitarbeiterinnen seines Prozessbevollmächtigten seien angewiesen, die Abzeichnung erst vorzunehmen, nachdem man sich vergewissert habe, dass Frist und Vorfrist ordnungsgemäß im Kalender gespeichert seien.
4
Der Antragsteller hat weiter vorgetragen, durch das Dialogfeld "Eingabekontrolle" der Software R. erfolge programmseitig durch das automatisierte Auslesen aller zur Akte gespeicherten Fristen die durch den Bundesgerichtshof geforderte Fehlerkontrolle. In der Eingabemaske "Eingabekontrolle" seien sämtliche zu der betreffenden Akte im elektronischen Fristenkalender ge- speicherten Fristen aufgelistet. Dies ermögliche die Kontrolle der Eingabe und Abspeicherung der Fristen, da nach dem Bestätigen durch Anklicken des grünen Hakens die Software die abgespeicherten und eingetragenen Fristdaten aktuell auslese und sich damit programmseitig nachvollziehen lasse, dass die Eingabe im elektronischen Fristenkalender entsprechend verarbeitet und gespeichert worden sei. Sei also eine abgespeicherte Frist in der Programmmaske "Eingabekontrolle" aufgeführt, so sei sichergestellt, dass diese auch im elektronischen Fristenkalender eingetragen und abgespeichert sei. Die Mitarbeiterinnen seines Prozessbevollmächtigten seien angewiesen, die korrekte Speicherung des Fristbeginns, des Fristablaufs und des Fristgrundes in der entsprechenden Akte und in der Programmmaske "Eingabekontrolle" zu kontrollieren und die Eintragung durch Abzeichnung mit Kürzel auf der Handakte erst nach Kontrolle des Dialogfeldes "Eingabekontrolle'' zu bestätigen.
5
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde des Antragstellers.

II.

6
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist jedoch, ihre Zulässigkeit unterstellt, jedenfalls unbegründet.
7
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei unbegründet, weil der Antragsteller nicht ohne sein Verschulden an der Wahrung der Berufungsbegründungsfrist verhindert gewesen sei (§ 233 ZPO i.V.m. § 221 Abs. 1 BauGB). Die elektronische Kalenderfüh- rung eines Prozessbevollmächtigten dürfe grundsätzlich keine geringere Überprüfungssicherheit bieten als die eines herkömmlichen Fristenkalenders. Würden die Eingaben in den EDV-Kalender nicht durch Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über den Drucker oder durch Ausgabe eines Fehlerprotokolls durch das Programm kontrolliert, sei darin ein anwaltliches Organisationsverschulden zu sehen.
8
Daran gemessen liege ein anwaltliches Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vor, das sich der Antragsteller gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse. Nach dessen Vortrag werde die korrekte Speicherung von Fristen in den elektronischen Fristenkalender in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten nicht durch Fertigung eines Kontrollausdrucks überprüft. Die Abläufe aus dem Programm R. stellten nicht hinreichend sicher, dass Eingabefehler oder -versäumnisse durch Mitarbeiter der Kanzlei mit geringem Aufwand rechtzeitig erkannt und beseitigt werden könnten. Nach dem Vortrag des Antragstellers solle die Programmmaske "Eingabekontrolle" die Kontrolle der Eingabe und Speicherung der Fristen ermöglichen. Das von ihm beschriebene Vorgehen sei indes mit der Fertigung eines Kontrollausdrucks nicht vergleichbar. Das Fehlerrisiko sei bei der elektronischen Eingabe von Datumsangaben erheblich höher als bei der handschriftlichen Übertragung eines Datums. Es sei daher auch bei einem elektronischen Fristenkalender angezeigt, die vorherige Eingabe über einen entsprechenden Ausdruck zu kontrollieren. Erst hierdurch werde gewährleistet, dass sich menschliche Fehler durch eine weitere von einem Mitarbeiter vorgenommene Kontrolle korrigieren ließen. Vor diesem Hintergrund sei es auch unter Berücksichtigung der weiter fortschreitenden Digitalisierung als Organisationsverschulden zu bewerten, dass der Mitarbeiterin G. die sensible und fehlerträchtige Aufgabe ohne Anweisung zur Fertigung eines Kontrollausdrucks über- tragen worden sei. Die gewählte Handhabung, sich ohne Kontrollausdruck ausschließlich auf die Software R. und eine reine Bildschirmkontrolle zu verlassen , stelle keine ausreichende Fehlerkontrolle dar.
9
Da somit eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu bewilligen gewesen sei, sei die Berufungsbegründungsfrist verstrichen.
10
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
11
Der angefochtene Beschluss verletzt den Antragsteller nicht in seinem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (st. Rspr., zB Senat, Beschluss vom 26. Juli 2012 - III ZB 57/11, NJW-RR 2012, 1462 Rn. 10 mwN).
12
Der Antragsteller hat die Frist zur Berufungsbegründung versäumt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht die beantragte Wiedereinsetzung zu Recht abgelehnt, weil ein dem Antragsteller zuzurechnendes (§ 85 Abs. 2 ZPO) Verschulden seines Prozessbevollmächtigten vorliegt.
13
a) aa) Die Verwendung einer elektronischen Kalenderführung darf keine hinter der manuellen Führung zurückbleibende Überprüfungssicherheit bieten (BGH, Beschlüsse vom 12. April 2018 - V ZB 138/17, NJW-RR 2018, 1267 Rn. 7; vom 17. April 2012 - VI ZB 55/11, NJW-RR 2012, 1085 Rn. 8; vom 2. Februar 2010 - XI ZB 23/08 und XI ZB 2XI ZB 24/08, NJW 2010, 1363 Rn. 12 und vom 12. Oktober 1998 - II ZB 11/98, NJW 1999, 582, 583; BSG, NJW 2018, 2511 Rn. 9). Bei der Eingabe von Fristen in den elektronischen Fristenkalender bestehen spezifische Fehlermöglichkeiten. Dazu zählen nicht nur Datenverarbeitungsfehler der EDV, sondern auch Eingabefehler, insbesondere durch Vertippen. Das bedeutet, dass der Rechtsanwalt, der laufende Fristen in einem elektronischen Fristenkalender erfasst, durch geeignete Organisationsmaßnahmen die Kontrolle der Fristeingabe gewährleisten muss. Dies kann durch einen Ausdruck der eingegebenen Einzelvorgänge oder eines Fehlerprotokolls erfolgen. Werden die Eingaben in den EDV-Kalender nicht durch Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über den Drucker oder durch Ausgabe eines Fehlerprotokolls durch das Programm kontrolliert, ist darin nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein anwaltliches Organisationsverschulden zu sehen. Die Fertigung eines Kontrollausdrucks ist erforderlich, um nicht nur Datenverarbeitungsfehler des EDV-Programms, sondern auch Eingabefehler oder -versäumnisse mit geringem Aufwand rechtzeitig zu erkennen und zu beseitigen (BGH, Beschlüsse vom 12. April 2018 aaO Rn. 9; vom 17. April 2012 aaO; vom 2. Februar 2010 aaO; vom 12. Dezember 2005 - II ZB 33/04, NJW-RR 2006, 500 Rn. 4 f; vom 12. Oktober 1998 aaO; vom 20. Februar 1997 - IX ZB 111/96, NJW-RR 1997, 687; vom 23. März 1995 - VII ZB 3/95, NJW 1995, 1756, 1757; BSG aaO; BFH, Beschluss vom 22. Mai 2018 - XI R 22/17, juris Rn. 17).
14
bb) Eine solche Anweisung bestand in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers nicht. Insbesondere wurde kein Kontrollausdruck gefertigt. Dieser ist indes erforderlich.
15
(1) Etwas anderes ergibt sich - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - nicht aus dem Beschluss des VI. Zivilsenats vom 17. April 2012 (aaO). Soweit dort als hinreichende Kontrollalternative (zur Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über den Drucker) die Ausgabe eines Fehlerprotokolls durch das Programm genannt wird, beinhaltet auch dies die Fertigung eines Ausdrucks. In dem Beschluss wird ausdrücklich erkannt, dass die Fertigung eines Kontrollausdrucks nicht verzichtbar, sondern erforderlich ist, und dass andernfalls von einem anwaltlichen Organisationverschulden auszugehen ist. Gleiches ergibt sich etwa aus den Beschlüssen des Bundesgerichtshofs vom 12. April 2018 und 2. Februar 2010 (jeweils aaO: Fertigung eines Kontrollausdrucks erforderlich), vom 12. Dezember 2005 (aaO Rn. 5: stets ein Schriftstück) und vom 20. Februar 1997 (aaO: in jedem Fall ein Ausdruck) sowie des Bundessozialgerichts vom 28. Juni 2018 (aaO: Fertigung eines Kontrollausdrucks erforderlich).
16
(2) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die nach der Büroorganisation des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers praktizierte automatisierte programmseitige Eingabekontrolle nicht gleich effektiv und sicher wie eine Kontrolle anhand eines Papierausdrucks. Sie erfolgt ausschließlich EDV-gestützt über die Einsichtnahme in die im Dialogfeld "Eingabekontrolle" auf dem Bildschirm angezeigten Daten. Eine solche Kontrolle ist deutlich anfälliger insbesondere für ein sogenanntes Augenblicksversagen der mit ihr beauftragten Mitarbeiter als eine Kontrolle mittels eines Ausdrucks.
17
(a) Der Büroalltag dieser Personen ist geprägt durch zahlreiche Arbeitsvorgänge , die in kurzer Abfolge zu erledigen sind. Nicht selten müssen sie wegen anderer vordringlicher Aufgaben oder Aufträge unterbrochen werden (zB eingehende Telefonate, Anfragen von anwesenden Mandanten, eilige Aufträge der Rechtsanwälte). Dies birgt die Gefahr, dass eine Aufgabe und der Stand ihrer Erledigung, etwa wenn sie begonnen, aber unterbrochen wurde, in Vergessenheit geraten beziehungsweise irrig als vollständig erledigt erinnert werden. Eine solche Gefahr besteht in erhöhtem Maße, wenn die Aufgabe in zwar mehrstufigen, aber ausschließlich EDV-gestützten und jeweils nur kurze Zeit benötigenden Arbeitsschritten am Bildschirm durchzuführen ist.
18
Dies gilt auch für die nach Anweisung des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers gehandhabte Verfahrensweise bei der Eintragung von Fristen in den elektronischen Kalender. Wird beispielsweise nach Eingabe einer Frist in dem entsprechenden Dialogfeld versehentlich nicht das Bestätigungsfeld (grüner Haken), sondern das unmittelbar daneben liegende Feld mit der Kennzeichnung "X" betätigt, sind die ordnungsgemäße Speicherung der Frist und ihre Kontrolle nicht sichergestellt. Ein solches "Augenblicksversagen" ist nicht nur theoretischer Natur, sondern liegt im Rahmen des - vorstehend beschriebenen - Büroalltages im Bereich des durchaus Naheliegenden, etwa wenn nach einer Unterbrechung der Fristeintragung ihr Bearbeitungsstand in Vergessenheit geraten ist und der Eingabedialog mit dem Eingabekontrolldialog verwechselt wird.
19
(b) Sieht die Arbeitsanweisung des Rechtsanwalts dagegen vor, bei Eintragung von Fristen in einen elektronischen Fristenkalender stets einen Kontrollausdruck zu fertigen, besteht eine erheblich geringere Gefahr einer unvollständigen und nicht kontrollierten Fristeingabe. Das Fehlen eines erforderlichen Kontrollausdrucks springt unmittelbar ins Auge, insbesondere wenn der Vorgang im Rahmen einer Arbeitsroutine von erfahrenem Büropersonal durchgeführt wird. Es ist ein Warnzeichen, das der mit der Fristeintragung befassten Person deutlich signalisiert, dass die Fristeingabe noch nicht kontrolliert und möglicherweise sogar noch nicht abgeschlossen wurde. Nur der durch den Ausdruck herbeigeführte - in vorliegendem Zusammenhang sinnvolle - "Medienbruch" zwischen Eingabe am Bildschirm und Kontrolle mittels eines Ausdrucks gewährleistet mithin ein hohes Maß an Sicherheit in Bezug auf eine zutreffende Fristeingabe und -speicherung.
20
Dieses erforderliche Kontrollniveau wird seitens der vom Antragsteller beschriebenen rein elektronischen Fristeingabe und Eingabekontrolle ohne "Medienbruch" nicht erreicht. Die in kürzester Zeit nacheinander in demselben Medium (Bildschirm) durchführbare Fristeingabe und Eingabekontrolle birgt vielmehr, wie ausgeführt, eine erhöhte Fehleranfälligkeit. Diese ist letztlich die Kehrseite des von der Rechtsbeschwerde genannten erleichterten Kontrollaufwandes. Den Anforderungen, die an die Überprüfungssicherheit einer elektronischen Kalenderführung zu stellen sind, wird auf diese Weise nicht genügt.
21
3. Nach alledem hat das Berufungsgericht zu Recht die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verweigert und die Berufung als unzulässig verworfen.
Herrmann Seiters Tombrink
Remmert Reiter
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 12.02.2018 - 12 O 90/17 -
OLG Celle, Entscheidung vom 20.07.2018 - 4 U 38/18 (Baul) -

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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) In den Sachen, die auf Grund eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung bei den Gerichten anhängig werden, sind die bei Klagen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit sich aus den §§ 217 bis 231 nichts anderes ergibt. § 227 Absatz 3 Satz 1 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden.

(2) Das Gericht kann auch von Amts wegen die Aufnahme von Beweisen anordnen und nach Anhörung der Beteiligten auch solche Tatsachen berücksichtigen, die von ihnen nicht vorgebracht worden sind.

(3) Sind gegen denselben Verwaltungsakt mehrere Anträge auf gerichtliche Entscheidung gestellt, so wird über sie gleichzeitig verhandelt und entschieden.

(4) Die Vorschriften über die Vorauszahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen nach § 12 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes sind nicht anzuwenden.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

10
Der angefochtene Beschluss verletzt die Beklagte weder in ihrem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) noch auf ausreichendes rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. April 2011 – VI ZB 6/10, NJW 2011, 2051 Rn. 5 und vom 17. Januar 2012 - VI ZB 11/11, NJW-RR 2012, 427 Rn. 6).

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

7
a) aa) Die Verwendung einer elektronischen Kalenderführung darf keine hinter der manuellen Führung zurückbleibende Überprüfungssicherheit bieten (vgl. Senat, Beschluss vom 2. März 2000 - V ZB 1/00, NJW 2000, 1957 mwN; BGH, Beschluss vom 27. Januar 2015 - II ZB 23/13, WM 2015, 780 Rn. 9; Beschluss vom 4. November 2014 - VIII ZB 38/14, WM 2014, 2388 Rn. 10; Beschluss vom 17. April 2012 - VI ZB 55/11, NJW-RR 2012, 1085 Rn. 8; Beschluss vom 21. Dezember 2010 - IX ZB 115/10, HFR 2011, 706 Rn. 9; Beschluss vom 2. Februar 2010 - XI ZB 23/08 und XI ZB 2XI ZB 24/08, NJW 2010, 1363 Rn. 12). Bei der Eingabe von Fristen in den elektronischen Fristenkalender bestehen spezifische Fehlermöglichkeiten. Dazu zählen nicht nur Datenverarbeitungsfehler der EDV, sondern auch Eingabefehler, insbesondere durch Vertippen. Das bedeutet, dass der Rechtsanwalt, der laufende Fristen in einem elektronischen Fristenkalender erfasst, durch geeignete Organisationsmaßnahmen die Kontrolle der Fristeingabe gewährleisten muss.
8
Die elektronische Kalenderführung eines Prozessbevollmächtigten darf nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich keine geringere Überprüfungssicherheit bieten als die eines herkömmlichen Fristenkalenders. Werden die Eingaben in den EDV-Kalender nicht durch Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über den Drucker oder durch Ausgabe eines Fehlerprotokolls durch das Programm kontrolliert , ist darin ein anwaltliches Organisationsverschulden zu sehen. Denn bei der Eingabe der Datensätze bestehen spezifische Fehlermöglichkeiten. Die Fertigung eines Kontrollausdrucks ist erforderlich, um nicht nur Datenverarbeitungsfehler des EDV-Programms, sondern auch Eingabefehler oder -versäumnisse mit geringem Aufwand rechtzeitig zu erkennen und zu beseitigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. März 1995 - VII ZB 3/95, NJW 1995, 1756, 1757; vom 20. Februar 1997 - IX ZB 111/96, NJW-RR 1997, 698; vom 12. Oktober 1998 - II ZB 11/98, NJW 1999, 582, 583; vom 12. Dezember 2005 - II ZB 33/04, NJW-RR 2006, 500 Rn. 4; vom 2. Februar 2010 - XI ZB 23/08 und 24/08, NJW 2010, 1363 Rn. 12; Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 70. Aufl., § 233 Rn. 126 "EDV", "Elektronischer Kalender"; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 233 Rn. 16d, 44; MünchKommZPO/Gehrlein, 3. Aufl., § 233 Rn. 64; Musielak/Grandel, ZPO, 9. Aufl., § 233 Rn. 21; Zöller /Greger, ZPO, 29. Aufl., § 233 Rn. 23 "Fristenbehandlung"; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 233 Rn. 37 "Fristeneinhaltung" unter g bb).
4
Diese Frage hat keine Grundsatzbedeutung, weil sie in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits geklärt ist. Ein anwaltliches Organisationsverschulden ist danach darin zu sehen, dass Eingaben in den EDVKalender nicht durch Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über den Drucker kontrolliert werden (Beschl. v. 12. Oktober 1998 - II ZB 11/98, BB 1998, 2603 m.w.Nachw.; vgl. auch BFH, Beschl. v. 6. August 2001 - II R 77/99, BFH/NV 2002, 44). Die Fertigung eines Kontrollausdrucks ist nach der Senatsrechtsprechung erforderlich, um nicht nur Datenverarbeitungsfehler des EDVProgramms , sondern auch Eingabefehler oder -versäumnisse mit geringem Aufwand zu erkennen und zu beseitigen, zumal der Ausdruck dem Schriftstück, das dem Anwalt vorzulegen ist, beigeheftet werden kann. Dass das Vorgehen des Prozessbevollmächtigten des Beklagten, lediglich das Programm zu schließen und sofort wieder aufzurufen, diesen Anforderungen nicht genügt, muss danach nicht ausdrücklich ausgesprochen werden.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 9. November 2016  2 K 1912/15 wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Vergütung von Vorsteuern im besonderen Verfahren gemäß § 18 Abs. 9 des Umsatzsteuergesetzes.

2

Der von der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) erhobenen Klage wurde mit Urteil des Finanzgerichts (FG), das in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2017, 1697 veröffentlicht wurde, stattgegeben.

3

Gegen das Urteil des FG legte der Beklagte und Revisionskläger (Beklagter) erfolgreich Nichtzulassungsbeschwerde ein. Der Senat ließ mit Beschluss vom 27. Juni 2017 XI B 98/16 die Revision zu.

4

Der Beschluss vom 27. Juni 2017 wurde am 8. Juli 2017 zugestellt. Mit Schreiben vom 14. August 2017 teilte der Vorsitzende des XI. Senats dem Beklagten mit, dass die Begründung der Revision bisher dem Bundesfinanzhof (BFH) nicht vorliege. Die Revisionsbegründungsschrift des Beklagten vom 4. September 2017 wurde mit Telefax vom gleichen Tag dem BFH übermittelt.

5

Der Beklagte hat wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist gemäß § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

6

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags macht der Beklagte geltend, dass er ohne Verschulden gehindert gewesen sei, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten, denn er habe durch innerbehördliche Organisation dafür Sorge getragen, dass die Einhaltung der Frist unter üblichen Umständen gewährleistet gewesen sei. Es sei bei Eingang des Beschlusses eine neue Prozessakte angelegt worden und die Neuaufnahme des Revisionsverfahrens im Dokumentenmanagementsystem DOMEA erfolgt. Dabei werde üblicherweise die Wiedervorlage in DOMEA und in einer Worddatei eingetragen. Dies sei versehentlich unterblieben. Ein Verschulden des Beklagten sei nicht gegeben. Es handele sich um ein entschuldbares Büroversehen. Die zuständige Sachbearbeiterin habe stets zuverlässig gearbeitet. Auch sei regelmäßig eine stichprobenartige Überwachung der Arbeit der zuständigen Sachbearbeiterin durch den Referatsleiter erfolgt.

7

In der Sache selbst rügt der Beklagte die Verletzung materiellen Rechts.

8

Der Beklagte beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise die Revision unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

10

1. Die Revision ist unzulässig.

11

Der Beklagte hat die Frist zur Begründung der Revision versäumt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht zu gewähren.

12

a) Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision beim BFH innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Im Fall der Stattgabe nach Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 116 Abs. 7 FGO) beträgt die Begründungsfrist für den Beschwerdeführer einen Monat nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision (§ 120 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO).

13

Vorliegend ist die Begründung der Revision verspätet beim BFH eingegangen. Der Beschluss über die Zulassung der Revision ist am 8. Juli 2017 dem Beklagten zugestellt worden, so dass am 8. August 2017 die Revisionsbegründungsfrist ablief. Erst am 4. September 2017 reichte der Beklagte die Begründung der Revision beim BFH ein.

14

b) Die mit selbigem Schriftsatz beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden. Die Voraussetzungen sind nicht glaubhaft gemacht worden.

15

aa) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 FGO kann auf Antrag gewährt werden, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Hiernach schließt jedes Verschulden --also auch einfache Fahrlässigkeit-- die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Bei der Beurteilung, ob eine Behörde sich die Versäumung einer gesetzlichen Frist als schuldhaft anrechnen lassen muss, gelten die gleichen Maßstäbe, wie sie die Rechtsprechung für das Verschulden von Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe entwickelt hat (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 6. November 2012 VIII R 40/10, BFH/NV 2013, 397, und vom 16. September 2014 II B 46/14, BFH/NV 2015, 49, m.w.N.).

16

Wenn --wie im Streitfall-- von einer Finanzbehörde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen eines entschuldbaren Büroversehens begehrt wird, muss substantiiert und schlüssig vorgetragen werden, dass kein Organisationsfehler vorliegt, d.h. dass die Finanzbehörde alle Vorkehrungen getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind, und dass sie durch regelmäßige Belehrung und Überwachung ihrer Bürokräfte für die Einhaltung ihrer Anordnungen Sorge getragen hat (z.B. BFH-Beschlüsse vom 7. Februar 2002 VII B 150/01, BFH/NV 2002, 795; vom 24. Juni 2002 IX R 38/01, BFH/NV 2002, 1467; vom 14. Mai 2007 VIII B 47/07, BFH/NV 2007, 1684, und vom 14. Dezember 2011 X B 50/11, BFH/NV 2012, 440).

17

Unerlässliche Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Büroorganisation ist dabei ein Fristenkontrollbuch oder eine vergleichbare Einrichtung, in der der Ablauf sämtlicher Fristen vermerkt und eine Frist erst nach Vornahme der zu ihrer Einhaltung erforderlichen Handlung gestrichen wird (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 7. Februar 1992 III R 57/91, BFH/NV 1992, 615; vom 25. März 2003 I B 166/02, BFH/NV 2003, 1193; vom 23. September 2010 III R 64/09, BFH/NV 2011, 54, und vom 17. November 2015 V B 56/15, BFH/NV 2016, 222; Gräber/ Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 56 Rz 20, Stichwort "Fristenkontrolle", m.w.N.). Bei einer elektronischen Fristenkontrolle gelten keine geringeren Anforderungen (vgl. BFH-Beschluss vom 27. Juli 2011 IV B 131/10, BFH/NV 2011, 1909). Insbesondere sind bei einem EDV-gestützten Fristenkalender die dort vorgenommenen Eintragungen durch Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über den Drucker zu kontrollieren (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 12. Dezember 2005 II ZB 33/04, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2006, 500; BFH-Beschlüsse vom 6. August 2001 II R 77/99, BFH/NV 2002, 44; jeweils m.w.N.; vom 30. April 2013 IV R 38/11, BFH/NV 2013, 1117).

18

Es genügt nicht, dass die Finanzbehörde lediglich Wiedervorlagefristen für die Bearbeitung einer Sache in einen dafür bestimmten Fristenkalender einträgt. Bei einer solchen Verfahrensweise ist eine korrekte Kontrolle, wann die Frist abläuft und ob die Beschwerdebegründungsschrift rechtzeitig abgesandt wurde, nicht möglich (BFH-Urteil vom 11. November 1972 VIII R 8/67, BFHE 107, 486, BStBl II 1973, 169; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1992, 615; vom 31. Juli 2002 VI B 17/02, BFH/NV 2002, 1490; in BFH/NV 2012, 440, Rz 8; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 56 Rz 20, Stichwort "Fristenkontrolle").

19

Außerdem muss auch die Finanzbehörde die Erledigung des fristwahrenden Schriftsatzes bis zu seiner Absendung (Postausgangskontrolle) überwachen (s. BFH-Beschluss vom 7. Dezember 1982 VIII R 77/79, BFHE 137, 221, BStBl II 1983, 229; BFH-Urteile vom 19. Juli 1994 II R 74/90, BFHE 175, 302, BStBl II 1994, 946; vom 15. März 2007 VI R 31/05, BFHE 217, 453, BStBl II 2007, 533; BFH-Beschluss vom 21. August 2009 II B 184/08, nicht veröffentlicht --n.v.--, m.w.N.).

20

Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, sind, soweit sie nicht offenkundig oder gerichtsbekannt sind, vollständig, substantiiert und in sich schlüssig vorzutragen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 24. Juni 2008 X R 38/07, BFH/NV 2008, 1517; vom 3. April 2013 V R 24/12, BFH/NV 2013, 970; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 56 Rz 36). Hierzu gehört vor allem, dass die Fristenkontrolle sowie die Postausgangskontrolle nach Art und Umfang geschildert werden (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 30. Juli 2009 VI R 56/08, BFH/NV 2009, 1996; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 56 Rz 37).

21

bb) Im Streitfall ist ein Organisationsverschulden des Beklagten als Ursache für das Fristversäumnis nicht auszuschließen, weil offensichtlich keine Fristenkontrolle und Postausgangskontrolle durchgeführt wurde.

22

Der Vortrag des Beklagten zu den Wiedervorlagefristen belegt, dass es an einer Fristenkontrolle durch ein Fristenkontrollbuch oder einer Fristenkontrolle auf andere (elektronische) Weise fehlte. Allein die Berücksichtigung der Revisionsbegründungsfrist in einer Wiedervorlageliste in Form einer Worddatei und/oder Eintragung in einem Eingabefeld für Wiedervorlagen im elektronischen Dokumentationssystem reicht nicht aus. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es das DOMEA-System im Streitfall zuließ, dass eine Akte ohne Erfassung einer Wiedervorlage und ohne erfolgte und erfasste Revisionsbegründung in einen Ordner verschoben werden konnte, in dem sich ausschließlich Akten mit dem Vermerk "z.d.A." befanden, bei denen keine Fristen bestanden.

23

Zudem hat der Beklagte nicht geschildert, ob und wie die Postausgangskontrolle der Schriftsätze organisiert war. Hierzu wäre eine entsprechende Schilderung der Verhältnisse von Seiten des Beklagten erforderlich gewesen. Für gerichtliche Hinweise oder gar Amtsermittlungen ist im Verfahren über die Wiedereinsetzung regelmäßig kein Raum (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 20. Dezember 2007 IX B 178/07, n.v., m.w.N., und vom 23. Januar 2008 I B 101/07, BFH/NV 2008, 1290; BFH-Urteil vom 20. November 2013 X R 2/12, BFHE 243, 158, BStBl II 2014, 236; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 56 Rz 36 a.E.).

24

c) Zwar wurde mit Beschluss des Senats vom 27. Juni 2017 XI B 98/16 die Revision uneingeschränkt zugelassen; jedoch reicht die Bindungswirkung der Zulassung nach § 115 Abs. 3 FGO, die "erst recht" auch für die Zulassung der Revision durch den BFH selbst gilt (vgl. BFH-Urteil vom 26. November 2008 X R 20/07, BFHE 223, 330, BStBl II 2009, 388, unter II.2.a; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 115 FGO Rz 309, m.w.N.), nicht weiter als ihr Gegenstand, nämlich die Aufhebung der verfahrensrechtlichen Zugangsschranke zum Revisionsgericht. Alle übrigen Anforderungen an die Zulässigkeit der Revision --hier die Einhaltung der Revisionsbegründungsfrist gemäß § 120 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO-- bleiben unberührt (s. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. März 2006   6 C 13.05, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2006, 1158; Lange in HHSp, § 115 FGO Rz 300; Bier, jurisPR-BVerwG 11/2006 Anm. 5).

25

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.