Bundesgerichtshof Beschluss, 09. März 2017 - IX ZA 16/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:090317BIXZA16.16.0
bei uns veröffentlicht am09.03.2017
vorgehend
Landgericht Chemnitz, 5 O 1880/14, 17.12.2015
Oberlandesgericht Dresden, 13 U 163/16, 10.08.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZA 16/16
vom
9. März 2017
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2017:090317BIXZA16.16.0

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, den Richter Prof. Dr. Pape, die Richterin Möhring und den Richter Meyberg am 9. März 2017
beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe für eine Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 10. August 2016 wird abgelehnt.

Gründe:


I.

1
Der Kläger ist Verwalter in dem am 1. Juni 2011 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des M. (fortan: Schuldner). Der Schuldner war hälftiger Eigentümer eines bebauten Grundstücks, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 2 in dem Gebäude (fortan: Grundstück). Mit notariellem Überlassungsvertrag vom 10. März 2009 übertrug er das Grundstück, dessen Wert er mit 60.000 € bezifferte, auf die Beklagten, seine Töchter. Ein Kaufpreis wurde nicht vereinbart. Der Schuldner und seine Ehefrau erhielten ein Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht auf Lebenszeit, welches als beschränkte persönliche Dienstbarkeit in das Grundbuch eingetragen werden sollte. Unter Nr. 7 heißt es im Vertrag: "7.2 Soweit in dieser Urkunde nicht ausdrücklich etwas Abweichendes geregelt ist, erschöpft sich die Verpflichtung des Veräußerers zur Übergabe des Grundbesitzes zur im Abschnitt zum Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten bedungenen Zeit und zur Verschaffung des Eigentums hieran frei von im Grundbuch eingetragenen Belastungen und frei von Baulasten, soweit nicht übernommen … 7.7 Eingetragene Rechte werden übernommen. Die Schuldnerschaft hinsichtlich der dinglich gesicherten Rechte bleibt unverändert. Erwerber tritt den Verpflichtungen des Veräußerers nicht bei."
2
Im Zeitpunkt der Übertragung war das Sondereigentum mit einer Grundschuld zugunsten der S. in Höhe von 53.839,04 € sowie einer Grundschuld zugunsten der A. in Höhe von 92.032,54 €, jeweils zuzüglich Zinsen, belastet. Die Grundschulden sicherten Darlehensverbindlichkeiten , die sich im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahren auf 78.349,02 € und 129.042,88 € beliefen. Bis zur Insolvenzeröffnung zahlte der Schuldner insgesamt 22.116,51 € auf die Darlehensverbindlichkeiten. Woher diese Mittel stammten, ist streitig.
3
Der Kläger hat im Wege der Schenkungsanfechtung Rückgewähr von 22.116,51 € nebst Zinsen verlangt, weil sich infolge der Zahlungen der Wert des zugewandten Grundstücks erhöht habe und die Beklagten insoweit keine Gegenleistung erbracht hätten. Das Landgericht hat die Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 4.178,08 € nebst Zinsen verurteilt , weil nur insoweit Zahlungen aus dem Vermögen des Insolvenzschuldners nachgewiesen worden seien. Die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil, mit welcher er die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 9.792,12 € nebst Zinsen erreichen wollte, ist erfolglos geblieben. Auf die Berufung der Beklagten ist die Klage insgesamt abgewiesen worden. Nunmehr beantragt der Kläger Prozesskostenhilfe zur Einlegung und Durchführung der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

II.


4
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsurteil ist richtig. Grundlage des Begehrens des Klägers ist § 143 Abs. 1, § 134 Abs. 1 InsO. Die Voraussetzungen eines Anfechtungsanspruchs sind jedoch offensichtlich nicht erfüllt. Bisher ungeklärte Rechtsfragen, von deren Beantwortung die Lösung des Falles abhängt, wirft die Sache nicht auf.
5
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Auf die Frage der Herkunft der gezahlten Gelder komme es nicht an. Die Beklagten hätten keinen Vermögenswert erlangt. Die Zahlungen hätten nicht zu einer auch nur teilweisen Enthaftung des Grundstücks geführt. Darlegungs- und beweispflichtig für die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 134 Abs. 1 InsO, damit auch für eine Zuwendung an die Beklagten, sei der Kläger. Dieser hätte, worauf er hingewiesen worden sei, zum Wert des Grundstücks und zur Höhe der Belastungen im Zeitpunkt der Zahlungen vortragen müssen. Entsprechender Vortrag sei nicht erfolgt. Der Antrag auf Einholung eines Gutachtens zum Wert des Grundstücks und zur Höhe der Belastungen vermöge den fehlenden Vortrag insbesondere zum Stand der Darlehensverbindlichkeiten nicht zu ersetzen. Die Revision werde zugelassen zur Klärung der Rechtsfrage, inwieweit bei wertausschöpfender Belastung eines Grundstücks durch Zahlungen auf grundschuldgesicherte Kredite dem Grundstückseigentümer ein nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbarer Vermögenswert zugeflossen sei.
6
2. Das Berufungsurteil ist richtig. Es fehlt an einer Zuwendung gerade an die Beklagten, deren Rückgewähr verlangt werden könnte.
7
a) Die Zuwendung des Grundstücks ist nicht angefochten worden. Zahlungen haben die Beklagten nicht erhalten. Erlangt haben können sie infolge der Zahlungen an die Grundschuldgläubigerinnen allenfalls eine (anteilige) Enthaftung des Grundstücks in der Form eines Anspruchs auf (anteilige) Rückgewähr der jeweiligen Grundschuld (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 2002 - VI ZR 147/01, WM 2002, 2237, 2238). Ein Anspruch auf Rückgewähr einer Grundschuld gegen den Grundschuldgläubiger besteht aber nur dann, wenn der Sicherungszweck der Grundschuld entfallen ist, die gesicherte Forderung also nicht mehr besteht. Nach den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts valutierten die gesicherten Darlehen im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedoch noch in Höhe von 78.349,02 € und 129.042,88 €. In dieser Höhe hat der Kläger die Darlehensforderungen der Grundschuldgläubigerinnen für den Ausfall zur Tabelle festgestellt. Ein Anspruch der Beklagten auf Rückgewähr der Grundschulden hat danach auch unter Berücksichtigung der Zahlungen des Schuldners, die gerade zu einer Verringerung der Darlehensforderungen geführt haben sollen, zu keinem Zeitpunkt bestanden.
8
b) Darlegungs- und beweispflichtig für die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Schenkungsanfechtung ist der klagende Insolvenzverwalter (vgl. etwa BGH, Urteil vom 21. Januar 1999 - IX ZR 429/97, NZI 1999, 111 zu § 32 KO; vom 30. März 2006 - IX ZR 84/05, WM 2006, 1156 Rn. 15; vom 19. November 2009 - IX ZR 9/08, WM 2010, 129 Rn. 17; Beschluss vom 9. Oktober 2014 - IX ZR 294/13, ZInsO 2015, 305 Rn. 2; Jaeger/Henckel, InsO, § 134 Rn. 66; HK-InsO/Thole, 8. Aufl., § 134 Rn. 18; Schmidt/Ganter/Weinland, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 83; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 22; HmbKomm-InsO/Rogge/Leptien, 6. Aufl., § 134 Rn. 42; Uhlenbruck /Ede/Hirte, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 163 f). Die Zuwendung gerade an den Anfechtungsgegner ist eine Tatbestandsvoraussetzung des Anfechtungsgrundes des § 134 Abs. 1 InsO. Der Kläger ist auf seine Darlegungs- und Beweislast hingewiesen worden. Er hat Gelegenheit erhalten, ergänzend zum Wert des Grundstücks und zum Stand der durch die Grundschulden gesicherten Darlehen im maßgeblichen Zeitpunkt der jeweiligen Zahlung vorzutragen. Daraufhin hat er jedoch nur behauptet, der Grundstückswert betrage mehr als 60.000 €, die Grundschulden und die Darlehensverbindlichkeiten valutierten nicht in der von den Beklagten dargelegten Höhe und der Wert des Nießbrauchs liege unter 82.000 €. Diesen Vortrag hat das Berufungsgericht zu Recht nicht ausreichen lassen.
Kayser Lohmann Pape
Möhring Meyberg
Vorinstanzen:
LG Chemnitz, Entscheidung vom 17.12.2015 - 5 O 1880/14 (2) -
OLG Dresden, Entscheidung vom 10.08.2016 - 13 U 163/16 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 09. März 2017 - IX ZA 16/16

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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Insolvenzordnung - InsO | § 143 Rechtsfolgen


(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem E

Insolvenzordnung - InsO | § 134 Unentgeltliche Leistung


(1) Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden. (2) Richtet sich die Leistung auf ein gebräuchliches Gelegenheitsg
Bundesgerichtshof Beschluss, 09. März 2017 - IX ZA 16/16 zitiert 4 §§.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 09. März 2017 - IX ZA 16/16 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.

(2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.

(3) Im Fall der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. Die Verpflichtung besteht nur bis zur Höhe des Betrags, mit dem der Gesellschafter als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, der Insolvenzmasse zur Verfügung stellt.

(1) Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden.

(2) Richtet sich die Leistung auf ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk geringen Werts, so ist sie nicht anfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 147/01 Verkündet am:
17. September 2002
H o l m e s ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 826 A, Gf; §§ 1191, 1192, 1142, 1143
Zum Freistellungsanspruch des Grundstückeigentümers von der dinglichen Haftung
für eine vom Schädiger bestellte Grundschuld.
BGH, Urteil vom 17. September 2002 - VI ZR 147/01 - OLG Naumburg
LG Halle
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. September 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Das Versäumnisurteil des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 23. April 2002 wird aufgehoben. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 20. März 2001 teilweise dahin abgeändert, daß der Beklagte verurteilt wird, den Betrag von 159.653,79 DM (= 81.629,69 % Zinsen seit dem 8. Oktober 1997 an die Bausparkasse S. , Bausparkasse der V. in S. , zu zahlen. Der Antrag der Kläger auf Zahlung an sich selbst wird abgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger verlangen die Bewilligung ihrer Eintragung als Eigentümer eines Grundstückes, das sie am 24. Februar 1997 an den Beklagten verkauft haben. Sie begehren daneben die Zahlung des Differenzbetrages zwischen der Forderung, zu deren Sicherung der Beklagte das Grundstück mit einer Grundschuld belastet hat, und den früheren, inzwischen gelöschten Belastungen an sich selbst, hilfsweise an die Grundschuldgläubigerin, oder ihre Freistellung von einer Inanspruchnahme. Die Kläger beabsichtigten im Jahre 1996, auf ihrem Grundstück einen Fleischereibetrieb einzurichten. Nachdem sie von den Banken keine Finanzierungszusage erhalten hatten, wandten sie sich aufgrund einer Zeitungsannonce an den Zeugen K.. Dieser erklärte ihnen, daß der Beklagte mit dem sale-andlease -back-Verfahren die notwendigen Kreditmittel beschaffen könne. Hierfür müßten sie das Grundstück an den Beklagten verkaufen, der einen Kredit für sie aufnehme. Von dem bezahlten Kaufpreis könne die Einrichtung des Betriebes finanziert werden. Die Belastungen könnten die Kläger durch monatliche Pachtzahlungen bei weiterer Nutzung des Grundstückes tilgen. Außerdem würde eine Option für den Rückerwerb des Grundstücks durch sie vertraglich abgesichert werden. Demgemäß verkauften die Kläger im Jahr 1997 ihren Grundbesitz an den Beklagten für 395.000 DM und erklärten die Auflassung an ihn. Sie schlossen außerdem einen Pachtvertrag mit einem monatlichen Pachtzins von 2.500 DM. Der Beklagte gab ein notariell beurkundetes Angebot zum Rückkauf des Grundstücks gegenüber den Klägern ab und bewilligte dafür die Eintragung einer Auflassungsvormerkung. Der Kaufpreis sollte teilweise auf ein Notaranderkonto fließen und im übrigen direkt an die Kläger ausbezahlt werden. Von der Bausparkasse S. erhielt der Beklagte ein Darlehen in Höhe von 296.000 DM, das auf das Notaranderkonto überwiesen wurde. Damit tilgte er
vereinbarungsgemäß Forderungen in Höhe von 136.346,21 DM, für die auf dem Grundstück Grundpfandrechte lasteten. Diese wurden gelöscht. An ihrer Stelle wurde eine Grundschuld in Höhe von 296.000 DM zuzüglich 15 % Zinsen seit 8. Dezember 1998 zugunsten der Bausparkasse S. eingetragen. Aufgrund einer Zahlungsanweisung, die die Unterschrift der Kläger trägt, kamen über das Notaranderkonto insgesamt 292.544,03 DM zur Auszahlung. Davon wurden an den Zeugen K. 130.000 DM überwiesen. An die Kläger selbst gelangten aus dem Guthaben auf dem Notaranderkonto keine Geldbeträge. Diese fochten daraufhin im Jahr 1998 das Rechtsgeschäft wegen arglistiger Täuschung an. Sie behaupten, der Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt die Absicht gehabt , den nach Ablösung der bereits eingetragenen Grundpfandrechte verbleibenden Betrag an sie auszuzahlen. Das von ihm vorgelegte Schriftstück vom 9. September 1997, in dem sie den Erhalt von 99.000 DM bestätigten, hätten sie blanko unterzeichnet. Der Beklagte habe den Pachtvertrag zum Schein abgeschlossen. Auch sein Angebot zum Rückkauf des Grundstücks sei nicht ernsthaft gemeint gewesen. Der Beklagte tritt dem entgegen und behauptet, den Kaufpreis vollständig durch die Einzahlung von 296.000 DM auf das Notaranderkonto und eine Barzahlung an die Kläger in Höhe von 99.000 DM beglichen zu haben. Die Zahlungsanweisung an den Notar sei ebenso von den Klägern unterzeichnet worden wie auch die Quittung vom 9. September 1997 über den persönlichen Erhalt des Geldes. Das Landgericht hat den Antrag der Kläger abgewiesen, den Beklagten zu verurteilen, die Eintragung der Kläger als Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstückes Zug um Zug gegen Zahlung von 136.346,21 DM zu bewilligen. Mit der Berufung haben die Kläger neben der Bewilligung ihrer Eintragung
ins Grundbuch als Eigentümer des Grundstücks die Zahlung von 159.653,79 DM nebst Zinsen an sich selbst verlangt, hilfsweise die Zahlung des Betrages an die Bausparkasse S. oder die Freistellung von einer Inanspruchnahme aus der Grundschuld. Das Oberlandesgericht hat das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Hauptanträge zugesprochen. Die auf Klageabweisung gerichtete Revision des Beklagten hat der Senat nur insoweit angenommen , als sie sich gegen die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 159.653,79 DM nebst Zinsen an die Kläger selbst richtet. Im Termin zur mündlichen Verhandlung war der Beklagte nicht vertreten. Auf Antrag der Kläger hat der Senat die Revision durch Versäumnisurteil zurückgewiesen. Dieser hat dagegen Einspruch eingelegt.

Entscheidungsgründe:


I.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Beklagte habe im Zusammenwirken mit dem Zeugen K. die Kläger nach einem vorgefaßten Plan über seine Bereitschaft und Fähigkeit zur Bezahlung des Kaufpreises getäuscht. Das von ihm vorgelegte Schriftstück vom 9. September 1997, in dem die Kläger den Erhalt von 99.000 DM in bar bestätigten, sei auf Veranlassung des Beklagten von den Klägern blanko zur Vorlage bei der Bank unterschrieben worden. Mit Ausnahme der Ablösung der bereits bestehenden Grundpfandrechte hätten diese keine Gegenleistung für den Verlust ihres Eigentums an dem streitgegenständlichen Grundstück erhalten. Gegen eine Täuschung der Kläger durch den Beklagten über seine Bereitschaft bei Vertragsschluß, den Vertrag zu erfüllen,
spreche nicht, daß jener die bereits bestehenden Grundpfandrechte abgelöst habe. Die Löschung der vorrangigen Belastungen sei erforderlich gewesen, um eine erstrangige Grundschuld für das Darlehen der Bausparkasse eintragen lassen zu können. Auch der Beklagte habe von dem an den Zeugen K. ausbezahlten Betrag nach einer "internen Abrechnung" Zahlungen erhalten. Es sei deshalb davon auszugehen, daß er sich nach einem von vornherein gefaßten Plan zusammen mit dem Zeugen K. mindestens 130.000 DM ohne Gegenleistung beschaffen wollte. Der Beklagte schulde den Klägern Schadensersatz wegen sittenwidriger Schädigung und sei neben der Rückübertragung des Eigentums am Grundstück zur Zahlung eines Betrages von 159.653,79 DM an diese verpflichtet. Zwar sei für die Naturalrestitution die Freistellung von der Inanspruchnahme durch die Grundschuldgläubigerin ausreichend. Da der Beklagte nicht nur seine Zahlungsverpflichtung, sondern überhaupt seine Einstandspflicht bestreite, habe sich der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch umgewandelt. Nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung vermindere sich dieser Anspruch der Kläger hinsichtlich der Belastungen von 296.000 DM allerdings um die Altbelastungen des Grundstücks in Höhe von 136.346,21 DM.

II.

Das die Revision des Beklagten zurückweisende Versäumnisurteil vom 23. April 2002 ist aufzuheben, weil der Beklagte dagegen zulässig Einspruch eingelegt hat und die Revision im Umfang ihrer Annahme erfolgreich ist. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts können die Kläger zur Beseitigung der unrechtmäßigen Belastung ihres Grundstücks durch den Beklagten nicht
Zahlung an sich selbst verlangen, sondern nur an die Bausparkasse S. als Darlehensgläubigerin. 1. Das Berufungsgericht geht mit Recht davon aus, daß der Beklagte den Klägern deliktsrechtlich für die Folgen einzustehen hat, die auf der von ihm im Zusammenwirken mit dem Zeugen K. verübten Täuschung beruhen. Er ist deshalb verpflichtet, in der erforderlichen Weise daran mitzuwirken, daß die Kläger als Eigentümer des Grundstücks im Grundbuch wieder eingetragen werden können. Dies hat der erkennende Senat durch seinen Beschluß vom 5. Februar 2002 ebenso gebilligt wie die Auffassung des Berufungsgerichts, daß sich der Freistellungsanspruch der Kläger unter den Umständen des Streitfalles in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hat. 2. Die Revision wendet sich aber zu Recht dagegen, daß das Berufungsgericht den Beklagten zur Zahlung an die Kläger selbst verurteilt hat. Es hat dabei außer Acht gelassen, daß neben der Grundstückshaftung der Kläger die Haftung des Beklagten als persönlicher Schuldner besteht. Die Revision macht zutreffend geltend, daß bei einer Zahlung an die Kläger selbst keine Gewähr für die Erfüllung der Darlehensforderung der Bausparkasse S. durch die Kläger gegeben ist und dem Beklagten eine weitere Inanspruchnahme droht. Die Schadenswiedergutmachung erfordert aber auch nicht die Leistung des Beklagten an die Kläger selbst. Vielmehr kann ein hinreichender Schadensausgleich dadurch erreicht werden, daß der Beklagte die Darlehensforderung der Bausparkasse S. in dem von den Klägern beantragten Umfang als persönlicher Schuldner erfüllt. Der Senat verkennt dabei nicht, daß die Grundschuld nur auf die Kläger übergeht und zur Eigentümergrundschuld wird, wenn sie als Eigentümer auf das dingliche Recht leisten und die Grundschuld damit ablösen, §§ 1191, 1192,
1142, 1143 BGB (MünchKomm/Eickmann, BGB, 3. Aufl., § 1191 Rdn. 65; BGH, Urteile vom 28. Mai 1976 - V ZR 203/75 - NJW 1976, 2340 ff. und vom 25. März 1986 - IX ZR 104/85 - NJW 1986, 2108, 2111, 2112). Bei der Leistung des persönlichen Schuldners auf die Forderung erlischt diese zwar nach § 362 BGB, doch bleibt die sie sichernde Grundschuld aufgrund der fehlenden Akzessorietät zur Forderung unberührt. In diesem Fall hat aber der Grundstückseigentümer gegen den Grundschuldgläubiger regelmäßig einen Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld aus dem der Grundschuldbestellung zugrundeliegenden Sicherungsvertrag, weil der Sicherungszweck mit der Forderung weggefallen ist. Einem weiteren Begehren des Grundschuldgläubigers kann u.U. auch der Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegenstehen, wenn die Grundschuld keine Ansprüche mehr sichert (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 1994 - XI ZR 97/93 - NJW-RR 1994, 847, 848). Bei dieser Sachlage entlastet die Tilgung der Darlehensforderung durch die Zahlung des Beklagten an die Bausparkasse S. in ausreichender Weise die Kläger. Sie beseitigt auch die persönliche Haftung des Beklagten und schützt ihn vor einem weiteren Zugriff der Bausparkasse.

III.

Das Berufungsurteil war in Ziff. 3 abzuändern. Da weitere Feststellungen nicht mehr zu treffen sind, konnte der Senat gemäß § 565 Abs. 1 ZPO a.F. in der Sache selbst entscheiden.
Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1, 344 ZPO. Müller Wellner Diederichsen Pauge Stöhr
15
4. Das Berufungsgericht wird deshalb zu prüfen haben, ob die Forderung der Beklagten gegen die Schwestergesellschaft auf Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge für November 2002 am 28. Januar 2003 werthaltig war. Die Beweislast für die fehlende Werthaltigkeit dieser Forderung im Zeitpunkt der Bezahlung durch die Schuldnerin hat der Kläger; er hat Beweis dafür angetreten, dass die Schwestergesellschaft bereits damals zahlungsunfähig gewesen sei.
17
3. Mangels Entscheidungsreife ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). In der wiedereröffneten mündlichen Verhandlung hat das Berufungsgericht Gelegenheit, gegebenenfalls nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien Feststellungen zur finanziellen Lage der Schuldnerin ab November 2004 zu treffen. Die Beweislast für die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin trägt nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Kläger (BGH, Urt. v. 30. März 2006, aaO).
2
1. Der Kläger hat den ihm obliegenden Beweis, dass die Schuldnerin gegen einen Dritten gerichtete wertlose Forderungen getilgt und dadurch eine unentgeltliche Leistung erbracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2006 - IX ZR 84/05, WM 2006, 1156 Rn. 15), nicht geführt. Solange die zu Lasten der Schuldnerin ergangenen Umsatzsteuerbescheide bestehen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass durch ihre an das Finanzamt bewirkten Zahlungen gegen einen Dritten gerichtete Umsatzsteuerverbindlichkeiten beglichen wurden.

(1) Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden.

(2) Richtet sich die Leistung auf ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk geringen Werts, so ist sie nicht anfechtbar.