Bundesgerichtshof Beschluss, 19. März 2009 - IX ZA 2/09

bei uns veröffentlicht am19.03.2009
vorgehend
Amtsgericht Hannover, 543 C 5020/08, 15.07.2008
Landgericht Hannover, 8 S 59/08, 18.12.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZA 2/09
vom
19. März 2009
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und Grupp
am 19. März 2009

beschlossen:
Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung der Revision gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 18. Dezember 2008 wird abgelehnt.

Gründe:


I.


1
Der Beklagte ist Verwalter in dem am 17. November 2006 über das Vermögen der R. (nachfolgend: Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren.
2
Der am 2. Juli 2007 verstorbene Vater der Schuldnerin hatte im Jahre 1974 bei der H. Versicherung zwei Todesfallversicherungen abgeschlossen und die Schuldnerin zur Bezugsberechtigten bestimmt. Der Beklagte zog die Versicherungssumme in Höhe von 2.726,40 € (1.040,35 € sowie 1.685,05 €) zur Masse. Die Schuldnerin beauftragte die Klägerin mit der Bestattung ihres Vaters. Zur Abgeltung der Vergütung von 2.398,10 € trat die Schuldnerin etwaige ihr wegen des Einzugs der Versicherungen gegen den Beklagten zustehende Erstattungsansprüche an die Klägerin ab.
3
Das Berufungsgericht hat der von dem Amtsgericht abgewiesenen Klage auf die Berufung der Klägerin stattgegeben und die Revision zugelassen. Der Beklagte beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung dieses Rechtsmittels.

II.


4
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil der beabsichtigten Revision, ohne dass es einer Klärung offener Rechtsfragen bedarf, keine Erfolgsaussichten beizumessen sind (§ 114 ZPO). Die von dem Beklagten beanstandete Entscheidung beruht auf einer ersichtlich zutreffenden Auslegung des § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO.
5
1. Der Gesetzgeber will mit der Pfändungsschutzbestimmung des § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO solche Versicherungen erfassen, die dazu dienen, beim Tode des Versicherungsnehmers anfallende Ausgaben, vor allem Bestattungskosten, abzudecken. Eine solche Todesfallversicherung entlastet jene Personen, von denen gemäß § 1968 BGB die Kosten der Bestattung eines Schuldners zu tragen sind (BVerfG NJW 2004, 2585). Angesichts dieses - auch auf die Vermeidung von Armenbestattungen gerichteten (BGH, Beschl. v. 12. Dezember 2007 - VII ZB 47/07, NJW-RR 2008, 412, 413 Rn. 15) - Schutzzwecks genügt es für die Anwendbarkeit der Vorschrift, dass der Versicherungsnehmer und der Versicherte identisch sind. Begünstigter kann aber auch ein Dritter, selbst ein Nichtangehöriger, sein, dem die Bestattung des Versicherungsnehmers obliegt (Kessal-Wulf in Schuschke/Walker, Vollstreckung und einstweilige Verfügung, 4. Aufl. § 850b Rn. 17; Musielak/Becker, ZPO 6. Aufl. § 850b Rn. 8). Damit erfasst die Vorschrift insbesondere sogenannte Sterbegeldversicherungen, welche die eigenen Beerdigungskosten des Versicherten abdecken sollen, aber - wie im Streitfall - zugunsten eines Angehörigen abgeschlossen werden (HkZPO /Kemper, 2. Aufl. § 850b Rn. 7). Die von dem Antragsteller vertretene Gegenauffassung , wonach der Pfändungsschutz nur zugunsten des Versicherungsnehmers eingreift, würde die Regelung des § 850b Abs. 1 Nr. 4 leer laufen lassen und jedes praktischen Schutzzwecks berauben.
6
2. Wegen des danach eingreifenden Pfändungsschutzes stand die nicht in die Insolvenzmasse gefallene Forderung (MünchKomm-InsO/Peters, 2. Aufl. § 36 Rn. 45) der Schuldnerin zu, die sie nach Auszahlung der Versicherungs- summe an den Beklagten als Nichtberechtigten wirksam an die Klägerin abgetreten hat. Mithin findet die Klage ihre Grundlage in § 816 Abs. 2, § 398 BGB.
Ganter Raebel Kayser
Gehrlein Grupp
Vorinstanzen:
AG Hannover, Entscheidung vom 15.07.2008 - 543 C 5020/08 -
LG Hannover, Entscheidung vom 18.12.2008 - 8 S 59/08 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. März 2009 - IX ZA 2/09

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. März 2009 - IX ZA 2/09

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 398 Abtretung


Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung). Mit dem Abschluss des Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 816 Verfügung eines Nichtberechtigten


(1) Trifft ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand eine Verfügung, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, so ist er dem Berechtigten zur Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten verpflichtet. Erfolgt die Verfügung unentgeltlich, so triff
Bundesgerichtshof Beschluss, 19. März 2009 - IX ZA 2/09 zitiert 7 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 398 Abtretung


Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung). Mit dem Abschluss des Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 816 Verfügung eines Nichtberechtigten


(1) Trifft ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand eine Verfügung, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, so ist er dem Berechtigten zur Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten verpflichtet. Erfolgt die Verfügung unentgeltlich, so triff

Zivilprozessordnung - ZPO | § 850b Bedingt pfändbare Bezüge


(1) Unpfändbar sind ferner1.Renten, die wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten sind;2.Unterhaltsrenten, die auf gesetzlicher Vorschrift beruhen, sowie die wegen Entziehung einer solchen Forderung zu entrichtenden Renten;

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1968 Beerdigungskosten


Der Erbe trägt die Kosten der Beerdigung des Erblassers.

Referenzen - Urteile

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Referenzen

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Unpfändbar sind ferner

1.
Renten, die wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten sind;
2.
Unterhaltsrenten, die auf gesetzlicher Vorschrift beruhen, sowie die wegen Entziehung einer solchen Forderung zu entrichtenden Renten;
3.
fortlaufende Einkünfte, die ein Schuldner aus Stiftungen oder sonst auf Grund der Fürsorge und Freigebigkeit eines Dritten oder auf Grund eines Altenteils oder Auszugsvertrags bezieht;
4.
Bezüge aus Witwen-, Waisen-, Hilfs- und Krankenkassen, die ausschließlich oder zu einem wesentlichen Teil zu Unterstützungszwecken gewährt werden, ferner Ansprüche aus Lebensversicherungen, die nur auf den Todesfall des Versicherungsnehmers abgeschlossen sind, wenn die Versicherungssumme 5 400 Euro nicht übersteigt.

(2) Diese Bezüge können nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften gepfändet werden, wenn die Vollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen des Schuldners zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers nicht geführt hat oder voraussichtlich nicht führen wird und wenn nach den Umständen des Falles, insbesondere nach der Art des beizutreibenden Anspruchs und der Höhe der Bezüge, die Pfändung der Billigkeit entspricht.

(3) Das Vollstreckungsgericht soll vor seiner Entscheidung die Beteiligten hören.

Der Erbe trägt die Kosten der Beerdigung des Erblassers.

(1) Trifft ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand eine Verfügung, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, so ist er dem Berechtigten zur Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten verpflichtet. Erfolgt die Verfügung unentgeltlich, so trifft die gleiche Verpflichtung denjenigen, welcher auf Grund der Verfügung unmittelbar einen rechtlichen Vorteil erlangt.

(2) Wird an einen Nichtberechtigten eine Leistung bewirkt, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, so ist der Nichtberechtigte dem Berechtigten zur Herausgabe des Geleisteten verpflichtet.

Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung). Mit dem Abschluss des Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers.