Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Okt. 2013 - IX ZB 87/11

bei uns veröffentlicht am10.10.2013
vorgehend
Landgericht Saarbrücken, 13 O 66/08, 02.01.2009
Landgericht Saarbrücken, 5 W 132/09, 12.01.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 87/11
vom
10. Oktober 2013
in dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Richter Vill, die
Richterin Lohmann, die Richter Dr. Fischer, Dr. Pape und die Richterin Möhring
am 10. Oktober 2013

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 12. Januar 2011 wird auf Kosten des Rechtsbeschwerdeführers als unzulässig verworfen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 24.418.180 € festgesetzt.

Gründe:


1
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß Art. 44 EuGVVO in Verbindung mit § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nach § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
2
1. Die Prüfung eines Zulässigkeitsgrundes im Sinne von § 574 Abs. 2 ZPO war nicht entbehrlich, weil das Beschwerdegericht in seiner Entscheidung die Rechtsbeschwerde zugelassen hat. Nach Art. 44 EuGVVO in Verbindung mit § 15 Abs. 1 AVAG ist die Rechtsbeschwerde kraft Gesetzes statthaft. Die Zulassung einer ohnehin kraft Gesetzes statthaften Rechtsbeschwerde entfaltet keine Bindungswirkung für das Rechtsbeschwerdegericht, welches vielmehr unabhängig von der Zulassungsentscheidung des Beschwerdegerichts die Voraussetzungen nach § 574 Abs. 2 ZPO zu prüfen hat (BGH, Beschluss vom 20. Februar 2003 - V ZB 59/02, NJW-RR 2003, 784, 785; vom 7. April 2004 - XII ZB 51/02, MDR 2004, 1074, 1075).
3
2. Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Art. 45 EuGVVO dahin auszulegen ist, dass er der Versagung oder Aufhebung einer Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung durch ein Gericht, das über einen Rechtsbehelf gemäß Art. 43 oder 44 EuGVVO entschieden hat, aus einem anderen als einem in den Art. 34 und 35 EuGVVO genannten Grund, wie etwa dem, dass der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat nachgekommen wurde, entgegensteht (Urteil vom 13. Oktober 2011 - Rs. C-139/10, Prism Investments BV/van der Meer, NJW 2011, 3506 Rn. 43). In seinen Ausführungen unterscheidet der Europäische Gerichtshof nicht zwischen liquiden und illiquiden Einwendungen. Deshalb ist davon auszugehen, dass der Europäische Gerichtshof alle nicht von Art. 34 und 35 EuGVVO genannten Einwendungen im Exequaturverfahren als nicht berücksichtigungsfähig ansieht (Musielak/Lackmann, ZPO, 9. Aufl., Art. 45 EuGVVO Rn. 2; Wagner, IPRax 2012, 326, 331; Meller-Hannich, GPR 2012, 90, 94; Sujecki, EWS 2012, 110, 111; vgl. auch Hk-ZPO/Dörner, 5. Aufl., Art. 45 EuGVVO Rn. 5; Prütting/Gehrlein/Schinkels, ZPO, 4. Aufl., Art. 45 Rn. 1; Meller -Hannich in Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung , 2. Aufl., § 12 AVAG Rn. 3 f; aA Gerald Mäsch in Kindl/MellerHannich /Wolf, aaO Art. 45 EuGVVO Rn. 4 ausdrücklich gegen EuGH). Bei liquiden Einwendungen drohen zwar keine Verzögerungen im Vollstreckbarerklärungsverfahren. Es greift aber das vom Europäischen Gerichtshof angeführte Argument, dass zwischen dem Exequaturverfahren, welches die Wirkungen der ausländischen Entscheidung in die Rechtsordnung des Zweitstaates "integriert", und der anschließenden Zwangsvollstreckung strikt zu trennen ist (EuGH, aaO Rn. 40). Der Erfüllungseinwand wird ausschließlich dem späteren Zwangsvollstreckungsverfahren zugeordnet, so dass entsprechende Einwendungen erst in diesem Verfahrensstadium geprüft werden können. Somit gilt, dass nicht nur illiquide (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2012 - IX ZB 267/11, WM 2012, 1555 Rn. 13 ff), sondern auch liquide Einwendungen vom Exequaturverfahren ausgeschlossen sind. Ob die Würdigung des Beschwerdegerichts zutrifft, die vom Antragsgegner vorgetragenen Einwendungen seien teilweise streitig und damit illiquide, ist somit nicht entscheidungserheblich.
4
Eine Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen wegen der früher abweichenden Rechtsprechung des XII. Zivilsenats (vgl. insbesondere BGH, Beschluss vom 14. März 2007 - XII ZB 174/04, BGHZ 171, 310) ist nicht erforderlich , weil sich der Senat lediglich bezüglich der hier maßgeblichen Auslegung des vorrangigen Art. 45 EuGVVO der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anschließt (vgl. BSG, NJW 1974, 1063, 1064).
5
3. Die behauptete Verletzung von Verfahrensgrundrechten im Zusammenhang mit der Prüfung des ordre public-Einwandes nach Art. 34 Nr. 1 EuGVVO durch das Beschwerdegericht hat der Senat im Einzelnen geprüft, aber für nicht durchgreifend erachtet.
6
4. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 17 Abs. 2 AVAG, § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.
Vill Lohmann Fischer
Pape Möhring

Vorinstanzen:
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 02.01.2009 - 13 O 66/08 -
OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 12.01.2011 - 5 W 132/09-48- -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Okt. 2013 - IX ZB 87/11

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Okt. 2013 - IX ZB 87/11

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 577 Prüfung und Entscheidung der Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde a

Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz - AVAG 2001 | § 15 Statthaftigkeit und Frist


(1) Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts findet die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des § 574 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 der Zivilprozessordnung statt. (2) Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats einzulegen. (3) Die Rechtsbeschwerdefri
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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 577 Prüfung und Entscheidung der Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde a

Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz - AVAG 2001 | § 15 Statthaftigkeit und Frist


(1) Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts findet die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des § 574 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 der Zivilprozessordnung statt. (2) Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats einzulegen. (3) Die Rechtsbeschwerdefri

Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz - AVAG 2001 | § 17 Verfahren und Entscheidung


(1) Der Bundesgerichtshof kann nur überprüfen, ob der Beschluss auf einer Verletzung des Rechts der Europäischen Union, eines Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrags, sonstigen Bundesrechts oder einer anderen Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich

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(1) Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts findet die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des § 574 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 der Zivilprozessordnung statt.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats einzulegen.

(3) Die Rechtsbeschwerdefrist ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des Beschlusses (§ 13 Absatz 3).

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts findet die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des § 574 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 der Zivilprozessordnung statt.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats einzulegen.

(3) Die Rechtsbeschwerdefrist ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des Beschlusses (§ 13 Absatz 3).

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts findet die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des § 574 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 der Zivilprozessordnung statt.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats einzulegen.

(3) Die Rechtsbeschwerdefrist ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des Beschlusses (§ 13 Absatz 3).

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 59/02
vom
20. Februar 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Zulassung einer kraft Gesetzes statthaften Rechtsbeschwerde durch das Berufungsgericht
bindet das Rechtsbeschwerdegericht nicht.
BGH, Beschl. v. 20. Februar 2003 - V ZB 59/02 - OLG Rostock
LG Schwerin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 20. Februar 2003 durch die
Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und Dr. Schmidt Räntsch

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 22. Oktober 2002 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert wird auf 12.338,60

Gründe:


I.

Die Parteien streiten darüber, ob und in welchem Umfang die Beklagte dem Kläger Ersatz für Einbußen in der Bewirtschaftung von gepachteten Ackerflächen zu zahlen hat, die dieser ihr für den Bau der Bundesautobahn A 20 überlassen hatte. Das Landgericht hat der Klage durch ein der Beklagten am 15. Juli 2002 zugestelltes Urteil dem Grunde nach stattgegeben. Die von der Beklagten hiergegen am 15. August 2002 eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht durch Beschluß als unzulässig verworfen, weil die Berufungsschrift von dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten nicht unterschrieben sei. Das am Ende der Berufungsschrift angebrachte Schriftgebilde sei nur eine Paraphe, keine Unterschrift. Dagegen richtet sich die von dem Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.


Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
1. Sie ist zwar nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO von Gesetzes wegen statthaft, weil sie sich gegen einen Beschluß richtet, durch den die Berufung als unzulässig verworfen worden ist. Zulässig ist sie aber nach § 574 Abs. 2 ZPO nur, wenn auch die dort bestimmten weiteren Voraussetzungen gegeben sind. Das ist nicht der Fall.
2. Das Berufungsgericht hat die Rechtsbeschwerde zwar zugelassen und damit implizit das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bejaht, ohne dies allerdings näher auszuführen. An diese Beurteilung ist der Senat aber nicht gebunden, weil § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO, der eine solche Bindung bestimmt, auf Rechtsbeschwerden, die kraft Gesetzes statthaft sind, nicht anwendbar ist. Die Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde hängt zwar in der Sache stets davon ab, daß die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO gegeben sind. Anders als bei der Revision, die bei Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen von den Berufungsgerichten und, wenn diese eine zulassungsfähige Revision nicht zulassen, (im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde) auch vom Revisionsgericht, zugelassen werden kann, sind bei Rechtsbeschwerden Verfahren und Entscheidungskompetenz in den beiden Fallgruppen des § 574 Abs. 1 ZPO unterschiedlich geregelt. Grundsätzlich soll die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde von ihrer Zulassung durch das Berufungs- oder Beschwerdegericht abhängen (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO), dem deshalb auch die alleinige Kompetenz zur Entscheidung
darüber zugewiesen ist, ob die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO vorliegen (§ 574 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Das Ergebnis dieser Prüfung soll bei Zulassung wie auch bei Ablehnung bindend sein. In bestimmten, für den Rechtschutz besonders bedeutsamen Fällen soll die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde dagegen bewußt nicht von einer Zulassung durch das Berufungsoder Beschwerdegericht abhängen, sondern ohne weiteres gegeben sein (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Da in solchen Fällen eine Zulassung nicht stattfindet, kann die gleichwohl erforderliche Prüfung der Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sinnvollerweise nur durch das Rechtsbeschwerdegericht erfolgen, dem diese Prüfung auch allein zugewiesen ist. In diesem Punkt sind die Vorschriften über die Zulassung der Rechtsbeschwerde mit den Vorschriften des früheren Revisionsrechts vergleichbar. Jenes hatte mit der Rechtsbeschwerde gemein, daß die Entscheidungskompetenz über die Durchführung des Rechtsmittels zwischen dem Ausgangsgericht und dem Rechtsmittelgericht nach Sachkriterien (dort Wert der Beschwer, hier Statthaftigkeit des Rechtsmittels von Gesetzes wegen) verteilt war. Eine Entscheidung des Berufungsgerichts in der dem Revisionsgericht vorbehaltenen Materie war nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohne Wirkung (BGHZ 69, 93, 95; Beschl. v. 30. November 1979, I ZR 30/79, NJW 1980, 786; v. 23. Juni 1983, IVa ZR 136/82, NJW 1984, 927). Nichts anderes gilt hier. Die Zulassung einer kraft Gesetzes statthaften Rechtsbeschwerde durch das Berufungs- oder Beschwerdegericht entbehrt einer gesetzlichen Grundlage und löst deshalb auch keine Bindungswirkung aus. Dies entspricht auch den Vorstellungen des Gesetzgebers bei Schaffung der Vorschriften über die Zulassung der Rechtsbeschwerde. In den Fällen, in denen die Rechtsbeschwerde kraft Gesetzes statthaft ist, "obliegt die Überprüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen stets dem Rechts-
beschwerdegericht", heißt es dazu in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/4722 S. 116).
3. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung in der Sache ist auch weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Anforderungen, die an das Vorliegen einer gültigen Unterschrift zu stellen sind, sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit langem geklärt (BGH, Beschl. v. 10. Juli 1997, IX ZR 24/97, NJW 1997, 3380 f. m.w.N.), was auch die Beschwerdebegründung nicht verkennt. Es geht nur um die Anwendung dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall. Diese hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und läßt über den Fall hinausreichende Erkenntnisse nicht erwarten. Rechtsfehler, die eine Zulassung erfordern könnten, sind nicht ersichtlich.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Tropf Krüger Klein Gaier Schmidt-Räntsch

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 51/02
vom
7. April 2004
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 574 Abs. 2, 575 Abs. 3 Nr. 2; AVAG (2002) §§ 7, 15 Abs. 1;
SchKG (Schweiz) Art. 80 Abs. 1

a) Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen einer bereits kraft Gesetzes zulässigen,
vom Beschwerdegericht aber irrtümlich unter Darlegung der Rechtsgrundsätzlichkeit
zugelassenen Rechtsbeschwerde.

b) Die Frage, ob ein ausländischer Titel für vollstreckbar erklärt werden kann, wenn
er nach dem vom Beschwerdegericht festgestellten Recht des Urteilsstaates dort
nicht vollstreckbar wäre, hat keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung.
BGH, Beschluß vom 7. April 2004 - XII ZB 51/02 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. April 2004 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick und Prof. Dr. Wagenitz, die
Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - vom 8. Januar 2002 wird auf Kosten des Gläubigers als unzulässig verworfen. Beschwerdewert: 40.645 €

Gründe:


I.

Der am 24. April 1974 geborene Gläubiger ist der Sohn der Frau A. R. und ihres verstorbenen, von der Schuldnerin allein beerbten früheren Ehemannes K. R. . Durch rechtskräftiges Urteil des Tribunal de Première Instance des Kantons Genf vom 23. Juni 1983 wurde die Ehe der Eltern des Gläubigers geschieden , das Sorge- und Umgangsrecht geregelt und der Vater des Gläubigers verurteilt , an dessen Mutter Unterhalt für den Gläubiger zu zahlen, und zwar monatlich im voraus 650 sFr bis zum 10. Lebensjahr, 750 sFr vom 10. bis 15. Lebensjahr und 850 sFr. vom 15. Lebensjahr bis zur Volljährigkeit und (darüber
hinaus) "bis zum 25. Lebensjahr, falls das Kind fortgesetzt einer geregelten Ausbildung nachgeht" (so die begl. Übersetzung; im Original: «jusqu’à 25 ans si l’enfant poursuit des études sérieuses et suivies»; dieseUnterhaltszahlungen sind jeweils zum 1. Januar eines jeden Jahres an den Genfer Lebenshaltungskostenindex (Basis 1. Juli 1983) ohne Rückwirkung anzupassen. Im vorliegenden Verfahren begehrt der Gläubiger die Anordnung, das vorgenannte Urteil wegen des rückständigen Unterhalts bis zum Tode seines Vaters im November 1995 mit der deutschen Vollstreckungsklausel zu versehen. Das Landgericht hat diesem Antrag dergestalt stattgegeben, daß die deutsche Teilvollstreckungsklausel wegen der Verurteilung zur Zahlung rückständigen Unterhalts für die Zeit vom 1. Januar 1989 bis 30. November 1995 (indexiert und in DM umgerechnet) in Höhe von 79.495,75 DM zu erteilen ist. Auf Beschwerde der Schuldnerin hat das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2002, 1420 (m. Anm. Atteslander-Dürrenmatt IPRax 2002, 508 ff.) abgedruckt ist, den angefochtenen Beschluß abgeändert und den Antrag des Gläubigers zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Gläubigers, mit der er die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses erstrebt.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist von Gesetzes wegen statthaft. Dies ergibt sich aus § 15 Abs. 1 des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgeset-
zes (AVAG) vom 19. Februar 2001 (BGBl. I S. 288, 436) in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung des Art. 29 Nr. 1 des Zivilprozeßreformgesetzes (ZPO-RG) vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887), vgl. Art. 53 Nr. 3 ZPO-RG, die hier gemäß § 26 Nr. 10 EGZPO anzuwenden ist, weil die angefochtene Entscheidung nach dem 31. Dezember 2001 erlassen wurde. 2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unzulässig, soweit der Gläubiger mit ihr seinen Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel auch insoweit weiterverfolgt , als es um rückständige Unterhaltsansprüche für die Zeit bis kurz nach Eintritt seiner Volljährigkeit geht, nämlich bis einschließlich 1991 (472,50 DM + 2.079,00 DM + 3.845,32 DM + 4.686,75 DM = 11.083,57 DM) sowie um einen Teilbetrag von 8.174,39 DM der für 1992 verlangten 16.804,72 DM [6.658 sFr : (12 x 1.140,60 sFr =) 13.687,20 sFr x 16.804,52 DM], insgesamt also um 19.257,96 DM. Insoweit enthält die Rechtsbeschwerde nämlich entgegen § 575 Abs. 3 Nr. 3 a ZPO keine sachliche Auseinandersetzung mit der Begründung der angefochtenen Entscheidung, eine Vollstreckungsklausel sei für die insoweit titulierten Unterhaltsansprüche schon deshalb nicht zu erteilen, weil diese nach Erlaß des Titels einverständlich erledigt oder erfüllt worden seien, nämlich bis einschließlich 1991 durch erfüllten Vergleich und für Januar bis Mai sowie teilweise auch für Juni 1992 durch Zahlung von 6.658 sFr auf die 1992 monatlich geschuldeten 1.140,60 sFr. Sie greift ausschließlich die Auffassung des Oberlandesgerichts an, der Titel sei (hinsichtlich des nach Eintritt der Volljährigkeit des Gläubigers geschuldeten Unterhalts) nicht ausreichend bestimmt und daher der Vollstreckbarerklärung nicht zugänglich. 3. Auch im übrigen ist die Rechtsbeschwerde nicht zulässig.

a) Insoweit kann dahinstehen, ob dies bereits daraus folgt, daß die Rechtsbeschwerde keine ausdrückliche Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO enthält. aa) Entsprechender Vortrag war nicht etwa entbehrlich, weil das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde in seiner Entscheidung zugelassen hat (und zwar unter Hinweis auf § 26 Nr. 10 EGZPO und das vor 2002 geltende Verfahrensrecht, weil möglicherweise beabsichtigt war, die Entscheidung noch vor dem 31. Dezember 2001 zu erlassen). Denn die Zulassung einer ohnehin kraft Gesetzes statthaften - weil gegen eine tatsächlich erst nach dem 31. Dezember 2001 ergangene Entscheidung gerichteten - Rechtsbeschwerde entbehrt einer gesetzlichen Grundlage und entfaltet deshalb auch keine Bindungswirkung für das Rechtsbeschwerdegericht. Dieses hat vielmehr selbst zu prüfen , ob die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO gegeben sind (vgl. BGH, Beschluß vom 20. Februar 2003 - V ZB 59/02 - FamRZ 2003, 1009; Zöller/ Gummer ZPO 24. Aufl. § 574 Rdn. 11). Es handelt sich mithin nicht um eine nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde, sondern allein um eine solche, die nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und somit gemäß § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nur dann zulässig ist, wenn sich die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO aus ihrer Begründung ergeben. bb) Der Senat neigt allerdings zu der Auffassung, daß sich die Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde im vorliegenden Einzelfall nicht schon aus dem Fehlen ausdrücklicher Darlegungen zu den Zulässigkeitsgründen des § 574 Abs. 2 ZPO ergibt. Das Oberlandesgericht hat die Zulassung der Rechtsbeschwerde damit begründet, die Frage der Entscheidung über offengelassene Tatbestandsmerkmale im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren
habe grundsätzliche Bedeutung und sei nach seiner Kenntnis bisher nicht entschieden. Die Rechtsbeschwerde setzt sich mit der vom Oberlandesgericht als rechtsgrundsätzlich angesehenen Frage eingehend auseinander, hält sie also für entscheidungserheblich. Indem sie darauf verweist, es handele sich um eine zugelassene Rechtsbeschwerde, wird man darin zugleich eine Bezugnahme auf die Begründung des Zulassungsausspruchs sehen können, die sich der Beschwerdeführer stillschweigend zu eigen macht. Unter diesen Umständen würde es als Förmelei erscheinen, eine ausdrückliche Wiederholung der vom Beschwerdegericht bereits vorweggenommenen Darlegung der Rechtsgrundsätzlichkeit in der Rechtsbeschwerdebegründung zu verlangen.
b) Die Rechtsbeschwerde ist hinsichtlich des verlangten Unterhalts für die Zeit der Volljährigkeit des Gläubigers jedenfalls unzulässig, weil die vom Senat eigenständig vorzunehmende Prüfung ergibt, daß die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO). Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung insoweit auf zwei Begründungen gestützt, von denen eine jede allein geeignet sein kann, die Entscheidung zu tragen. Es hat zum einen ausgeführt, der Titel sei hinsichtlich des Volljährigenunterhalts unbestimmt und seiner Vollstreckbarerklärung stehe der deutsche ordre public entgegen, weil die Prüfung der im Entscheidungssatz enthaltenen Bedingung "si l’enfant poursuit des études sérieuses et suivies" einem Erkenntnisverfahren vorbehalten bleiben müsse und nicht in das deutsche Verfahren der Vollstreckbarerklärung verlagert werden könne. Zum anderen könnten in Deutschland an die Vollstreckungsfähigkeit eines Titels keine geringeren Anforderungen gestellt werden als in dem Urteilsstaat, aus dem der Titel stamme. Auch nach dem Recht der Schweiz sei aber ein Titel, der die vor-
liegende Bedingung enthalte, der definitiven Rechtsöffnung nach Art. 80 des Bundesgesetzes über Schuldbeitreibung und Konkurs (SchK) und damit der endgültigen Vollstreckung nicht zugänglich. Beruht eine Entscheidung alternativ auf zwei eigenständigen Begründungen , ist die Rechtsbeschwerde nicht zulässig, wenn sich darunter eine befindet , hinsichtlich derer ein Zulassungsgrund im Sinne des § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben ist (vgl. BGH, Beschluß vom 2. Oktober 2003 - V ZB 72/02 - NJW 2004, 72, 73; Musielak/Ball ZPO 3. Aufl. § 543 Rdn. 5 a.E. i.V. mit § 574 Rdn. 6). Ein solcher Zulassungsgrund besteht nicht hinsichtlich der vom Beschwerdegericht vertretenen Auffassung, ein ausländischer Titel könne nicht vollstreckt werden, wenn er im Ursprungsstaat selbst nicht vollstreckungsfähig sei. Dies entspricht nämlich herrschender Rechtsauffassung (vgl. Geimer IZPR Rdn. 2304; Zöller/Geimer aaO § 722 Rdn. 4 und § 7 AVAG Rdn. 1; Linke in Göppinger/Wax Unterhaltsrecht 8. Aufl. Rdn. 3286; Luthin Handbuch des Unterhaltsrechts 9. Aufl. Rdn. 8064; vgl. auch §§ 4 Abs. 1, 7 Abs. 1 Satz 1 AVAG; Art. 21 Abs. 1 EG-VO Nr. 1347/2000; Art. 38 EuGVVO; Art. 31 Abs. 1 EuGVÜ); abweichende Ansichten werden von der Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt und sind nicht ersichtlich. Die Feststellung des Beschwerdegerichts, nach dem Recht der Schweiz sei ein Titel nicht vollstreckbar, wenn sich - wie hier - die Voraussetzung der Vollstreckbarkeit im Sinne einer erfüllten Bedingung nicht im Rechtsöffnungsverfahren "liquid" darlegen lasse, sondern einer "umfangreichen Abklärung" bedürfe (vgl. dazu auch Bundesgericht BGE 104 II 293, 298), kann schon deshalb weder rechtsgrundsätzlich sein noch eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erfordern, weil es sich um ausländisches Recht handelt, das einer Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht entzogen ist (§ 17 Abs. 1 Satz 1 AVAG, §§ 576, 560 ZPO).
Hahne Sprick Wagenitz Vézina Dose
13
cc) Jedenfalls die letztgenannte Auffassung ist überholt. Nunmehr hat der Europäische Gerichtshof entschieden (Urteil vom 13. Oktober 2011 - C-139/10, NJW 2011, 3506: Prism Investments BV gegen Jaap Arne van de Meer), Art. 45 EuGVVO sei dahin auszulegen, dass er der Versagung oder Aufhebung einer Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung durch ein Gericht, das über einen Rechtsbehelf gemäß Art. 43 oder 44 EuGVVO zu entscheiden habe, aus einem anderen als einem in Art. 34 und 35 EuGVVO genannten Grund entgegenstehe. Geklärt hat der Europäische Gerichtshof die Frage für den Einwand der nachträglichen Erfüllung durch Aufrechnung; für den Verlust der Aktivlegitimation durch Abtretung kann nichts Anderes gelten.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 174/04
vom
14. März 2007
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Brüssel I-VO Artt. 43, 45; AVAG § 12

a) Im Verfahren der Vollstreckbarerklärung nach der Brüssel I-VO haben die Gerichte des
Vollstreckungsstaates bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens uneingeschränkt
zu prüfen, ob und gegebenenfalls inwieweit die ausländische Entscheidung im Ursprungsstaat
bereits aufgehoben worden ist.

b) Der Schuldner kann mit einem Rechtsbehelf nach Art. 43 Brüssel I-VO keine sachlichen
Einwendungen gegen einen titulierten Unterhaltsanspruch erheben, die im Wege einer
Abänderungsklage geltend zu machen wären (Fortführung des Senatsurteils vom
31. Januar 1990 - XII ZR 38/89 - FamRZ 1990, 504 ff.)

c) Art. 45 Abs. 1 Brüssel I-VO beschreibt den Prüfungsrahmen, in dem die Rechtsbehelfsgerichte
des Vollstreckungsstaates zum einen den materiellen Gehalt der ausländischen
Entscheidung und zum anderen ihr Zustandekommen zum Anlass für eine Versagung
oder Aufhebung der Vollstreckbarerklärung nehmen dürfen; diese Vorschrift schließt es
dagegen nicht aus, die ausländische Entscheidung wegen solcher Umstände nicht zur
Zwangsvollstreckung im Inland zuzulassen, die erst nachträglich entstanden sind und daher
bei der Entscheidungsfindung im Erststaat nicht berücksichtigt werden konnten.

d) Im Verfahren über einen Rechtsbehelf nach Art. 43 Brüssel I-VO kann der Schuldner auf
der Grundlage des § 12 AVAG einwenden, dass die im Ursprungsstaat titulierte Forderung
nachträglich ganz oder teilweise erfüllt worden sei. Dies gilt jedenfalls dann, wenn
der von dem Schuldner erhobene Erfüllungseinwand unstreitig ist.
BGH, Beschluss vom 14. März 2007 - XII ZB 174/04 - OLG München
LG München I
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. März 2007 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 7. Juni 2004 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 9. August 2004 teilweise aufgehoben. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Vorsitzenden der 29. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 5. November 2003 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst: Das Urteil des Tribunale di Pordenone vom 24. September 2002 (Urteilsnummer 235/02) in dem Verfahren 250/00 ist mit der Vollstreckungsklausel zu versehen, soweit der Antragsgegner darin verurteilt worden ist, an die Antragstellerin - einen Scheidungsunterhalt in monatlicher Höhe von 700 € seit dem 1. Oktober 2002 bis zum 31. Dezember 2002 und in monatlicher Höhe von 718,90 € seit dem 1. Januar 2003 bis zum 30. April 2003 sowie - einen Kindesunterhalt in monatlicher Höhe von 1.027 € seit dem 1. September 2003 zu zahlen.
Das Urteil der Corte di Appello di Trieste vom 2. Mai 2003 (Urteilsnummer 696/03) in dem Verfahren Nr. 27/03 ist mit der Vollstreckungsklausel zu versehen, soweit der Antragsgegner darin verurteilt worden ist, an die Antragstellerin einen Scheidungsunterhalt in monatlicher Höhe von 500 € seit dem 1. Mai 2003 zu zahlen. Im Übrigen wird der Antrag der Antragstellerin vom 11. August 2003 auf Erteilung der Vollstreckungsklausel zurückgewiesen. Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird zurückgewiesen. Die Kosten aller Rechtszüge werden gegeneinander aufgehoben. Beschwerdewert: 27.516 €.

Gründe:


I.

1
Die Parteien streiten um die Vollstreckbarerklärung eines italienischen Unterhaltstitels.
2
1. Die Parteien sind geschiedene Eheleute italienischer Staatsangehörigkeit ; der Antragsgegner hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. In einem am 18. September 2000 in Italien eingeleiteten Unterhaltsrechtsstreit ist der Antragsgegner durch Urteil des Tribunale (Landgericht) di Pordenone vom 24. September 2002 verurteilt worden, an die Antragstellerin einen monat- lichen Scheidungsunterhalt in Höhe von 700 € und einen monatlichen Beitrag zum Kindesunterhalt für den gemeinsamen Sohn Alessandro in Höhe von 1.000 € zu zahlen, wobei die Unterhaltsrenten auch ohne entsprechenden Antrag einer jährlichen Anpassung entsprechend dem Lebenshaltungskostenindex des italienischen staatlichen Amtes für Statistik (ISTAT) unterliegen sollten.
3
Durch einen bei dem Landgericht München I angebrachten "Antrag auf Klauselerteilung nach der EuGVO" vom 11. August 2003 begehrte die Antragstellerin , das Urteil des Tribunale di Pordenone mit der deutschen Vollstreckungsklausel zu versehen, wobei die Höhe des monatlichen Unterhalts ab Januar 2003 aufgrund der Anpassungsklausel für den Scheidungsunterhalt auf 718,90 € und für den Kindesunterhalt auf 1.027 € gestiegen war. Am 5. November 2003 erteilte der Vorsitzende der zuständigen Zivilkammer bei dem Landgericht die Klausel zur Zwangsvollstreckung für einen "monatlichen Unterhalt in Höhe von 1.700,00 € für die Zeit vom Oktober 2002 bis Dezember 2002 und in Höhe von 1.745,90 € ab Januar 2003".
4
Gegen diesen Beschluss richtete sich die Beschwerde des Antragsgegners. Im Beschwerdeverfahren machte er geltend, dass die Corte di Appello (Berufungsgericht) di Trieste durch Urteil vom 2. Mai 2003 auf die Berufung des Antragsgegners gegen die im Urteil des Tribunale di Pordenone ausgesprochene Verpflichtung zur Zahlung von Scheidungsunterhalt entschieden habe, dass der Antragstellerin nur ein Scheidungsunterhalt in monatlicher Höhe von 500 € zustehe. Den durch Urteil des Tribunale di Pordenone zuerkannten Kindesunterhalt habe er stets unaufgefordert und pünktlich gezahlt. Ferner hätten sich die Verhältnisse seit Erlass des Berufungsurteils im italienischen Unterhaltsrechtsstreit insoweit verändert, als der Antragsgegner am 12. Februar 2004 in Deutschland erneut Vater geworden und seit diesem Zeitpunkt sowohl dem Kind als auch der Kindesmutter zum Unterhalt verpflichtet sei.
5
Das Oberlandesgericht hat die Entscheidung des Landgerichts abgeändert und ausgesprochen, dass das Urteil des Tribunale di Pordenone mit der Vollstreckungsklausel zu versehen sei, soweit der Antragsgegner darin zur Zahlung von Kindesunterhalt in monatlicher Höhe von 1.000 € im Zeitraum von Oktober 2002 bis Dezember 2002 und in monatlicher Höhe von 1.027 € für die Zeit ab Januar 2003 sowie zur Zahlung von Scheidungsunterhalt in monatlicher Höhe von 700 € im Zeitraum von Oktober 2002 bis Dezember 2002 und in monatlicher Höhe von 718,90 € im Zeitraum von Januar 2003 bis April 2003 verurteilt wurde. Darüber hinaus hat es das Urteil der Corte di Appello di Trieste vom 2. Mai 2003 durch Erteilung der Vollstreckungsklausel wegen der Zahlung des - auf monatlich 500 € verringerten - Scheidungsunterhalts für den Zeitraum ab Mai 2003 für vollstreckbar erklärt.
6
Mit seiner Rechtsbeschwerde wendet sich der Antragsgegner nur gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel für das erstinstanzliche Urteil des Tribunale di Pordenone. Er will erreichen, dass insoweit sämtliche von ihm vorgebrachten Einwendungen im Rechtsbehelfsverfahren Berücksichtigung finden.
7
2. Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung auszugsweise in EuLF 2004, 199 wiedergegeben ist, hat ausgeführt, dass die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO, ABl. EG 2001, Nr. L 12, 1 - im Folgenden: Brüssel I-VO) anzuwenden seien. Die Antragstellerin habe ein Wahlrecht, ob sie ihren Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel auf die Vorschriften des Haager Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2. Oktober 1973 (BGBl 1986 II, 826 - im Folgenden: HUVÜ 73) oder auf die Vorschriften der Brüssel I-VO stützen wolle.
8
Der Antragsgegner könne sich im Beschwerdeverfahren nur darauf berufen , dass das Urteil des Tribunale di Pordenone in der Berufungsinstanz durch die Corte di Appello di Trieste bezüglich des Scheidungsunterhalts abgeändert worden sei. Eine weitergehende Prüfung ausländischer Titel könne nicht erfolgen ; insbesondere könne sich der Antragsgegner nicht auf § 12 Abs. 1 AVAG berufen, da Art. 45 Abs. 1 Brüssel I-VO den Prüfungsmaßstab allgemeinverbindlich festlege und § 12 Abs. 1 AVAG insoweit gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht verstoße. Den Erfüllungseinwand könne der Antragsgegner daher nur im Verfahren der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO geltend machen. Soweit der Antragsgegner die Abänderung der Unterhaltshöhe wegen der Geburt seines weiteren Kindes am 12. Februar 2004 und sonstiger in diesem Zusammenhang stehender Umstände begehre, könne er allenfalls Abänderungsklage vor dem international zuständigen Gericht erheben.

II.

9
Die in zulässiger Weise auf die Klauselerteilung für das erstinstanzliche italienische Urteil beschränkte Rechtsbeschwerde des Antragsgegners ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit Art. 44 Brüssel I-VO und § 15 Abs. 1 AVAG statthaft. Sie ist zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO), weil der Rechtssache im Hinblick darauf grundsätzliche Bedeutung zukommt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang unter der Geltung der Brüssel I-VO nach Erlass des ausländischen Titels entstandene sachliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch im Vollstreckbarerklärungsverfahren zu berücksichtigen sind.

III.

10
In der Sache hat die Rechtsbeschwerde teilweise Erfolg.
11
1. Das Oberlandesgericht geht im Grundsatz zutreffend davon aus, dass die italienische Unterhaltsentscheidung im vorliegenden Fall sowohl auf der Grundlage der Brüssel I-VO als auch auf der Grundlage des HUVÜ 73 in Deutschland anerkannt und vollstreckt werden kann.
12
Allerdings hat das Oberlandesgericht dabei verkannt, dass die Vorschriften der Brüssel I-VO hier nicht unmittelbar anwendbar sind. Gemäß Artt. 66 Abs. 1, 76 Brüssel I-VO gilt die Verordnung nur für solche Klagen, die nach dem Inkrafttreten der Verordnung am 1. März 2002 erhoben worden sind, was hier angesichts des bereits im Jahre 2000 anhängig gewordenen Unterhaltsrechtsstreits nicht der Fall ist. Indessen werden gemäß Art. 66 Abs. 2 lit. a Brüssel I-VO Entscheidungen, die - wie hier - nach Inkrafttreten der Verordnung in einem durch Klagerhebung vor diesem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren ergangen sind, nach Maßgabe des Kapitels III (Art. 32 ff. Brüssel I-VO) anerkannt und vollstreckt, wenn die Klage im Ursprungsmitgliedstaat zu einem Zeitpunkt erhoben wurde, nachdem das Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (BGBl. 1972 II, 774 - im Folgenden: EuGVÜ) sowohl im Ursprungsmitgliedstaat als auch im ersuchten Mitgliedstaat in Kraft war. Dies ist im Verhältnis von Deutschland zu Italien seit Februar 1973 der Fall gewesen, so dass der erweiterte intertemporale Anwendungsbereich der Brüssel I-VO auch den hier vorliegenden Sachverhalt erfasst.
13
2. Ausgangspunkt für die Prüfung, nach welchen Regelungen sich das Verfahren der Vollstreckbarerklärung beurteilt, ist Art. 71 Abs. 1 Brüssel I-VO.
14
Diese Vorschrift verweist auf vorrangige Spezialabkommen, zu denen auch das zwischen Deutschland und Italien in Kraft befindliche HUVÜ 73 gehört. Die Verweisung steht jedoch unter der Maßgabe, dass für den Titelgläubiger in jedem Fall die Möglichkeit besteht, das Verfahren der Vollstreckbarerklärung nach den Artt. 38 ff. Brüssel I-VO in Anspruch zu nehmen (Art. 71 Abs. 2 lit. b Satz 3 Brüssel I-VO), wenn das Spezialabkommen insoweit keinen Vorrang beansprucht. Ist das Spezialabkommen - wie das HUVÜ 73 - im Hinblick auf die Ausgestaltung des Verfahrens offen, besteht keine Notwendigkeit, dem Gläubiger eines Unterhaltstitels das effektive Vollstreckbarerklärungsverfahren nach der Brüssel I-VO vorzuenthalten. Der Titelgläubiger kann in diesen Fällen das ihm am zweckmäßigsten erscheinende Verfahren nach seiner freien Entscheidung aus Artt. 38 ff. Brüssel I-VO einerseits und dem Spezialabkommen andererseits - in Verbindung mit den jeweiligen Ausführungsgesetzen - auswählen (Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl. Art. 71 EuGVVO Rdn. 22; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 27. Aufl. Art. 71 EuGVVO Rdn. 5; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl. Art. 71 EuGVO Rdn. 5; Rauscher/Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl. Art. 71 Brüssel I-VO Rdn. 18: vgl. bereits zu Art. 57 EuGVÜ: EuGH Urteil vom 27. Februar 1997 - Rs. C-220/95 - Slg. I 1997, 1147, 1157 Rdn. 26 ff., 1183 Rdn. 17 - van den Boogaard/Laumen; MünchKomm-ZPO/Gottwald 2. Aufl. Art. 57 EuGVÜ Rdn. 7; Mankowski IPrax 2000, 188, 189; Hohloch FF 2001, 147, 151, 153). Dieses Wahlrecht hat die Antragstellerin im vorliegenden Fall bei der Antragstellung eindeutig zugunsten der Brüssel I-VO ausgeübt.
15
3. Auch unter der Geltung der Brüssel I-VO haben die mit den Rechtsbehelfen nach Art. 43 und Art. 44 Brüssel I-VO befassten Gerichte bis zum rechtskräftigen Abschluss des Exequaturverfahrens uneingeschränkt zu prüfen, ob und gegebenenfalls inwieweit die ausländische Entscheidung im Ursprungsstaat bereits aufgehoben worden ist (vgl. bereits BGH Beschluss vom 30. April 1980 - VIII ZB 34/78 - NJW 1980, 2022). Eine im Ursprungsstaat aufgehobene Entscheidung kann im Inland nicht anerkannt und demzufolge auch nicht zur Vollstreckung zugelassen werden, weil die ausländische Entscheidung im Exequaturstaat keine stärkeren Rechtswirkungen entfalten kann als im Ursprungsstaat. Dieser selbstverständliche Grundsatz (vgl. auch die ausdrückliche Regelung in § 84 b Satz 2 der österreichischen Exekutionsordnung) gilt für die Anerkennungsregimes der Brüssel I-VO bzw. des EuGVÜ und des HUVÜ 73 gleichermaßen (vgl. Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Unterhaltssachen [1989], S. 149; insbesondere zum HUVÜ 73: Staudinger/Kropholler, BGB [2003] Anhang III zu Art. 18 EGBGB Rdn. 163; Verwilghen, Bericht zum HUVÜ 73, BT-Drucks. 10/258, S. 44 Rdn. 57).
16
a) Das Oberlandesgericht hat den Tenor des in der Berufungsinstanz ergangenen Urteils der Corte di Appello di Trieste vom 2. Mai 2003 dahin ausgelegt , dass wegen des auf monatlich 500 € verringerten Scheidungsunterhaltes seit Mai 2003 nur noch aus dem Urteil der Corte di Appello vollstreckt werden könne, mithin das italienische Berufungsgericht hinsichtlich des Scheidungsunterhalts für den Zeitraum ab Mai 2003 die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und den eigenen Ausspruch an deren Stelle gesetzt habe. Diese Auslegung und die darauf beruhende Auffassung des Berufungsgerichts, dass das in der ersten Instanz ergangene Urteil des Tribunale di Pordenone insoweit für den Zeitraum ab Mai 2003 nicht mehr anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden könne, lässt Rechtsfehler zum Nachteil des Antragsgegners nicht erkennen. Soweit es allerdings hinsichtlich des Scheidungsunterhalts für den Zeitraum ab Mai 2003 das im Berufungsrechtszug ergangene Urteil der Corte di Appello di Trieste mit der Vollstreckungsklausel versehen hat, begegnet dies schon deshalb rechtlichen Bedenken, weil eine Vollstreckbarerklärung von Amts wegen nicht stattfindet (vgl. Geimer/Schütze aaO Art. 38 EuGVVO Rdn. 30) und es bezüglich der Vollstreckbarerklärung des italienischen Beru- fungsurteils an einem verfahrenseinleitenden Antrag der Antragstellerin fehlt. Insoweit ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts allerdings von dem Antragsgegner zufolge der Beschränkung seines Rechtsmittels nicht angegriffen worden.
17
b) Ferner geht das Oberlandesgericht - im Einklang mit den übereinstimmenden Ausführungen der Parteien im Beschwerdeverfahren - davon aus, dass die Entscheidung der Corte di Appello di Trieste das angefochtene Urteil des Tribunale di Pordenone wegen des Scheidungsunterhalts von Oktober 2002 bis April 2003 auch hinsichtlich der in erster Instanz zugesprochenen Höhe von monatlich 700 € bzw. 718,90 € unberührt gelassen habe. Hiergegen erinnert die Rechtsbeschwerde nichts.
18
4. Die Durchführung eines Vollstreckbarerklärungsverfahrens nach der Brüssel I-VO richtet sich in Deutschland nach den Vorschriften des AVAG (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 AVAG in der ab 1. März 2005 geltenden Fassung; früher § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. b AVAG a.F.). Gemäß § 12 Abs. 1 AVAG kann der Verpflichtete mit der Beschwerde, die sich gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einer Entscheidung richtet (Art. 43 Brüssel I-VO, §§ 11 ff. AVAG), auch Einwendungen gegen den Anspruch selbst insoweit geltend machen, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach Erlass der Entscheidung im Ursprungsstaat entstanden sind.
19
a) Soweit der Antragsgegner indessen geltend macht, dass sich infolge der durch die Geburt seiner Tochter im Jahre 2004 neu entstandenen Unterhaltspflichten die für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Verhältnisse verändert hätten, gehört dieses Vorbringen von vornherein nicht zu den Einwendungen , die nach § 12 Abs. 1 AVAG berücksichtigt werden können.
20
Das Hinzutreten weiterer Unterhaltsgläubiger stellt einen Abänderungsgrund im Sinne des § 323 ZPO dar (Wendl/Thalmann, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 8 Rdn. 159). Auch in den Fällen der Vollstreckbarerklärung von ausländischen Unterhaltstiteln werden als "Einwendungen gegen den Anspruch selbst" im Sinne des § 12 Abs. 1 AVAG aber nur solche Einwendungen behandelt, welche die Rechtskraft des ausländischen Urteils unberührt lassen, den rechtskräftig zuerkannten Anspruch aber nachträglich vernichten oder in seiner Durchsetzbarkeit hemmen, also die eigentlichen rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einwendungen im Sinne von § 767 Abs. 1 ZPO (vgl. Baumann aaO S. 151 f.). Der Senat hat bereits im Jahre 1990 für das Ausführungsgesetz zu einem bilateralen Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen entschieden, dass aus diesem Grunde schon rechtssystematisch die Möglichkeit ausscheidet, im Exequaturverfahren den titulierten Anspruch auf prognosewidrige Veränderungen der rechtsbegründenden Tatsachen zu überprüfen. Denn eine solche Überprüfung würde auf eine Durchbrechung der Rechtskraft der ausländischen Entscheidung zielen (Senatsurteil vom 31. Januar 1990 - XII ZR 38/89 - FamRZ 1990, 504, 506; vgl. auch KG FamRZ 1990, 1376, 1377 mit krit. Anm. Gottwald aaO S. 1377; OLG Köln InVo 1996, 105, 106; OLG Köln FamRZ 2001, 177; OLG Düsseldorf FamRZ 2002, 1422; Kropholler aaO Art. 43 EuGVO, Rdn. 28).
21
An dieser Auffassung hält der Senat uneingeschränkt fest. Unter der Geltung der Brüssel I-VO verbietet sich eine Berücksichtigung von Abänderungsgründen im Exequaturverfahren im Übrigen auch aus Erwägungen des Gläubigerschutzes. Mit Recht weist das Oberlandesgericht auf den Gesichtspunkt hin, dass eine Abänderungsklage nur vor dem international zuständigen Gericht erhoben werden kann. Das Gericht im Exequaturstaat darf sich demgegenüber ohne Rücksicht auf die Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel I-VO nicht als befugt ansehen, das im Ursprungsstaat ergangene Urteil daraufhin zu überprü- fen, ob der zuerkannte Unterhalt angesichts geänderter Verhältnisse noch angebracht sei (vgl. zum EuGVÜ bereits Schlosser, Bericht zu dem Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zum EuGVÜ sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof, ABl. EG 1979 Nr. C 59/71, 105 Rdn. 105 f.). Im System der internationalen Zuständigkeiten nach der Brüssel I-VO ist der Gerichtsstand des Unterhaltsberechtigten besonders geschützt. Da der Unterhaltsschuldner auf Art. 22 Nr. 5 Brüssel I-VO keinen internationalen Gerichtsstand für eine Abänderungsklage im Exequaturstaat stützen kann, darf der Unterhaltsberechtigte grundsätzlich darauf vertrauen, nicht nur als Kläger (Art. 5 Nr. 2 Brüssel I-VO), sondern auch als (Abänderungs-)Beklagter (Art. 2 Abs. 1 Brüssel I-VO) stets sein Recht vor dem sachnäheren Gericht seines Wohnsitzes verfolgen zu können. Mit diesem Schutzzweck wäre es nicht zu vereinbaren, wenn im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens nach Art. 43 Brüssel I-VO, §§ 11 ff. AVAG auch Abänderungsgründe zur Überprüfung gestellt würden, obwohl - wie ersichtlich auch im vorliegenden Fall - im Exequaturstaat keine internationale Zuständigkeit für eine Abänderungsklage des Unterhaltsverpflichteten gegeben wäre (vgl. zum EuGVÜ: Österreichischer OGH, Beschluss vom 18. Juli 2002 - 3 Ob 20/02s - IPrax 2004, 117, 119 mit zust. Anm. Heiderhoff IPrax 2004, 99).
22
b) Insoweit liegt die Sache im Hinblick auf den vom Antragsgegner geltend gemachten Erfüllungseinwand anders, weil es sich dabei um eine echte rechtsvernichtende Einwendung im Sinne des § 767 ZPO handelt, die im Rahmen des § 12 Abs. 1 AVAG grundsätzlich zur Überprüfung durch das Exequaturgericht gestellt ist.
23
aa) Ob § 12 AVAG indessen im Vollstreckbarerklärungsverfahren auf der Grundlage der Brüssel I-VO überhaupt anwendbar ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt.
24
Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass § 12 AVAG gemeinschaftsrechtswidrig sei, weil Art. 45 Abs. 1 Brüssel I-VO den Prüfungsrahmen für das Exequaturgericht in einer abschließenden und keiner ergänzenden Auslegung zugänglichen Weise festlege. Die mit dem Rechtsbehelf nach Art. 43 Brüssel I-VO befassten Gerichte dürften danach ausschließlich die Anerkennungshindernisse nach Artt. 34 und 35 Brüssel I-VO, aber auf keinen Fall materiellrechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch prüfen. Diese Einwendungen könnten nur im Wege einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO geltend gemacht werden (vgl. OLG Koblenz OLGR 2005, 276, 277; OLG Oldenburg NdsRPfl. 2006, 274 f.; Thomas/Putzo/Hüßtege aaO Art. 45 Rdn. 3; MünchKomm-ZPO/Gottwald aaO Aktualisierungsband Art. 43 EuGVO Rdn. 7 und Art. 45 EuGVVO Rdn. 4; Gottwald FamRZ 2002, 1423; Micklitz/Rott EuZW 2002, 15, 22; HK-ZPO/Dörner Art. 45 EuGVVO Rdn. 4; Heiderhoff aaO S. 101; noch weiter Hub NJW 2001, 3145, 3147, wonach Art. 45 Abs. 1 Brüssel I-VO auch der Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage im Exequaturstaat entgegenstünde ).
25
Demgegenüber will eine abweichende Auffassung eine Anwendung des § 12 AVAG auch im Rechtsbehelfsverfahren nach der Brüssel I-VO zulassen, da Art. 45 Abs. 1 Brüssel I-VO nur im Regelungsbereich der Brüssel I-VO gelte. Zu den nachträglich entstandenen materiell-rechtlichen Einwendungen verhalte sich die Brüssel I-VO nicht, so dass es den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen bleibe, wie sie mit dieser Regelungslücke umgingen und welche Rechtsbehelfe sie dem Schuldner zur Verfügung stellten (vgl. Kropholler aaO Art. 43 Rdn. 27 f. und Art. 45 Rdn. 6; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 4. Aufl. Rdn. 955; Wagner IPrax 2002, 75, 83; Roth RabelsZ 2004, 379, 384). Diese Ansicht wird auch mit der Modifikation vertreten, dass § 12 AVAG gemeinschaftsrechtskonform zu reduzieren sei und nur solche "liquiden" Einwendungen zugelassen werden könnten, die entweder unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sind (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2005, 933, 934 f. und FamRZ 2006, 803, 804; OLG Köln OLGR 2004, 359, 360; Zöller/Geimer ZPO 26. Aufl. Art. 45 EG-VO Zivil- und Handelssachen Rdn. 1; Geimer/Schütze aaO Art. 45 EuGVVO Rdn. 11; Geimer IPrax 2003, 337, 339; Münzberg in FS Geimer [2002], S. 745, 751 f.; Musielak/Lackmann ZPO 5. Aufl. Art. 45 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 Rdn. 2 und § 12 AVAG Rdn. 2; wohl auch Rauscher/Mankowski aaO Art 45 Brüssel I-VO Rdn. 6 und 6 a; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann ZPO 63. Aufl. Art. 45 EuGVVO Rdn. 1; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht , 2. Aufl. Art. 43 Rdn. 14).
26
bb) Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung, wobei es unter den hier obwaltenden Umständen keiner näheren Erörterung bedarf, ob der Kreis der zulässigen Einwendungen generell auf "liquide" Einwendungen beschränkt werden muss, weil die von dem Antragsgegner geltend gemachte Erfüllung des Kindesunterhalts bis einschließlich August 2003 von der Antragstellerin ausdrücklich zugestanden worden und dieser Einwand demzufolge "liquide" ist.
27
(1) Nach Art. 45 Abs. 1 Brüssel I-VO darf die Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung von dem mit einem Rechtsbehelf nach Art. 43 Brüssel I-VO befassten Gericht im Exequaturstaat nur aus den in Artt. 34, 35 Brüssel I-VO enumerierten Anerkennungsversagungsgründen verweigert werden. Damit legt die Brüssel I-VO allerdings nur den Prüfungsrahmen fest, in dem das Exequaturgericht einerseits den materiellen Gehalt der ausländischen Entscheidung und andererseits ihr Zustandekommen überprüfen darf; im Übrigen gilt das Verbot der Nachprüfung in der Sache (révision au fond; Art. 45 Abs. 2 Brüssel I-VO). Die Behandlung von nachträglichen rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einwendungen, die dem Gericht im Ursprungsstaat vor Erlass der Entscheidung nicht zur Überprüfung gestellt werden konnten und deren Berücksichtigung im Exequaturverfahren demzufolge auch keinen Verstoß gegen das Verbot der révision au fond darstellen würde, fällt nicht in den Regelungsbereich der Brüssel I-VO. Aus dem Wortlaut des Art. 45 Abs. 1 Brüssel I-VO lässt sich daher nicht ohne weiteres herleiten, dass die Berücksichtigung solcher Vollstreckungsgegeneinwände im Rechtsbehelfsverfahren nach Art. 43 Brüssel I-VO schlechthin unzulässig wäre und § 12 Abs. 1 AVAG schon deshalb gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht verstieße.
28
(2) Die Annahme, dass im Rechtsbehelfsverfahren nach der Brüssel I-VO grundsätzlich auch Vollstreckungsgegeneinwände zur Überprüfung gestellt werden können, steht auch im Übrigen im Einklang mit Gemeinschaftsrecht.
29
(a) Das Verfahren der Vollstreckbarerklärung nach Artt. 38 ff. Brüssel I-VO ist dem Klauselerteilungsverfahren nach Artt. 31 ff. EuGVÜ nachgebildet worden. In den Sachverständigenberichten zur Auslegung des EuGVÜ war es anerkannt, dass der Schuldner den Rechtsbehelf nach Art. 36 Abs. 1 EuGVÜ auch auf Tatsachen stützen könne, die nach Erlass des ausländischen Urteils eingetreten sind, was insbesondere für den Nachweis der Erfüllung der titulierten Forderung gelte (vgl. Jenard, Bericht zum EuGVÜ, ABl. EG 1979 Nr. C 59/1, 51 zu Art. 37 EuGVÜ; kritisch hierzu allerdings Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr [2000], S. 440 f., Leutner, Die vollstreckbare Urkunde im internationalen Rechtsverkehr [1997], S. 269 f., 285; vgl. auch Schlosser-Bericht aaO S. 134, Rdn. 220). Der EuGH hat zwar mehrfach ausgesprochen, dass für die Klauselerteilung nach dem EuGVÜ ein sehr summarisches Verfahren vorgesehen sei und die Anwendung von Verfahrens- vorschriften des Vollstreckungsstaates zur Ausführung des Übereinkommens das Ziel der Verfahrensvereinfachung und damit die praktische Wirksamkeit der Regelungen des Übereinkommens nicht beeinträchtigen dürfe (EuGH Urteil vom 2. Juli 1985 - Rs. C-148/84 - Slg. 1985, 1987, 1992 Rdn. 16 ff. - Deutsche Genossenschaftsbank/Brasserie du pêcheur und Urteil vom 4. Februar 1988 - Rs. C-145/86 - Slg. 1988, 645, 669 f., Rdn. 28 f. = NJW 1989, 663 ff. - Hoffmann /Krieg). Aus diesen Erwägungen hat der EuGH in der Entscheidung Deutsche Genossenschaftsbank/Brasserie du pêcheur hergeleitet, dass Art. 36 Abs. 1 EuGVÜ die Rechtsbehelfsmöglichkeiten abschließend regele und das nationale Recht einem am Klauselerteilungsverfahren nicht beteiligten Dritten keine zusätzlichen Rechtsbehelfe gegen das Exequatur einräumen könne (EuGH Urteil vom 2. Juli 1985 aaO).
30
Bei § 12 Abs. 1 AVAG ist der Sachverhalt jedoch - auch im Hinblick auf die Interessen des Titelgläubigers - grundsätzlich anders gelagert. Denn diese Vorschrift eröffnet keinen neuen Rechtsbehelf im Klauselerteilungsverfahren, sondern erweitert die Prüfungskompetenz des mit dem Rechtsbehelf befassten Gerichts, indem es Gegenstände des dem autonomen Verfahrensrecht vorbehaltenen Zwangsvollstreckungsrechts in das Rechtsbehelfsverfahren nach der Brüssel I-VO bzw. dem EuGVÜ vorverlagert. Zwar wird dem Schuldner dadurch ermöglicht, die ansonsten in das autonome Zwangsvollstreckungsverfahren verwiesenen sachlichen Einwendungen und Einreden bereits in einem Verfahrensstadium geltend zu machen, in dem der Gläubiger Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nur zur Sicherung ergreifen darf (Art. 47 Abs. 3 Brüssel I-VO). Da aber dem Schuldner die ihm möglichen sachlichen Einwendungen gegen den Anspruch im Rechtsbehelfsverfahren nicht nur gestattet, sondern vielmehr unter Präklusionsandrohung (§ 14 Abs. 1 AVAG) abverlangt werden, ermöglicht § 12 AVAG dem Titelgläubiger nach Abschluss des Exequaturverfahrens eine wesentlich vereinfachte Zwangsvollstreckung im Inland.
31
(b) Der EuGH hat in einer späteren Entscheidung ausdrücklich keine Bedenken dagegen getragen, im Rechtsbehelfsverfahren nach Art. 36 EuGVÜ zu überprüfen, ob aus einem ausländischen Titel "wegen Begleichung der Schuld oder aus einem anderen Grund" im Exequaturstaat noch vollstreckt werden könne (EuGH Urteil vom 29. April 1999 - Rs. C 267/97 - Slg. I 1999, 2543, 2570 Rdn. 24, 2572 Rdn. 32 = IPrax 2000, 18 ff. - Coursier/Fortis Bank, dort insbesondere Schlussantrag des Generalanwalts La Pergola Slg. I 1999 aaO S. 2553 Rdn. 15; vgl. dazu auch Paulus EWiR 1999, 951, 952; Linke IPrax 2000, 8, 9). Daran anknüpfend hat auch der Bundesgerichtshof im Rechtsbehelfsverfahren nach Art. 36 EuGVÜ den Einwand zugelassen, dass die titulierte Forderung durch eine im Ausland erteilte Restschuldbefreiung erloschen sei (BGH Beschluss vom 18. September 2001 - IX ZB 51/00 - NJW 2002, 960 f.).
32
(3) Auch in anderen europäischen Rechtsordnungen, die keine dem AVAG vergleichbaren Ausführungsbestimmungen kennen, wurde unter der Geltung des EuGVÜ der Einwand der Erfüllung im Exequaturverfahren mit unterschiedlichen Begründungen zugelassen.
33
In England, Wales und Gibraltar wurde die nachgewiesene Erfüllung der titulierten Forderung mit der Begründung berücksichtigt, dass durch die Erfüllung die Vollstreckbarkeit der Entscheidung im Ursprungsstaat und damit eine wesentliche Voraussetzung für die Registrierung weggefallen sei (vgl. O’Malley/ Layton, European Civil Practice [1989], Tz. 10.37).
34
Nach französischer Rechtspraxis führt die vollständige und unstreitige Erfüllung der in der ausländischen Entscheidung titulierten Forderung zu einem Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses für das Exequaturverfahren (Cour de Cassation, Ch. Civ. 1e, Entscheidung vom 19. November 1996, Rev. crit. dr. internat. privé 1997, 94 mit Anm. B. Ancel).
35
In der Schweiz wird im Anwendungsbereich des Luganer Übereinkommens die Berücksichtigung von materiellen Vollstreckungsgegeneinwänden auf einen Rechtsbehelf im Exequaturverfahren weitgehend befürwortet, obwohl deren Prüfung an sich einem nachgeschalteten Beitreibungs- bzw. Rechtsöffnungsverfahren vorbehalten ist (vgl. Walter ZZP 107 [1994], 301, 325 und 340; Meier SJZ 1993, 282, 283 f.); teilweise wird auch hier eine Beschränkung auf "liquide" Einwendungen empfohlen (vgl. Donzallaz, La Convention de Lugano du 16 septembre 1988 concernant la compétence judiciaire et l´exécution des décisions en matière civile et commerciale, Vol. II [1997], Par. 3362 ff., 3365).
36
(4) Schließlich lässt auch der Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit und das anwendbare Recht in Unterhaltssachen, die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen und die Zusammenarbeit im Bereich von Unterhaltspflichten vom 15. Dezember 2005 (KOM/2005/649 endg.; vgl. BR-Drucks. 30/06) erkennen, dass die Prüfung von nachträglich entstandenen sachlichen Einwendungen gegen den titulierten Anspruch im Exequaturverfahren durch die Gerichte des Vollstreckungsstaates nicht als gemeinschaftsrechtswidrig anzusehen ist. Nach dem Kommissionsvorschlag sollen EU-Unterhaltstitel künftig ipso jure in allen Mitgliedstaaten vollstreckbar sein, ohne dass es dazu - wie bisher - eines Zwischenverfahrens zur Vollstreckbarerklärung bedarf. Obwohl sich die Zwangsvollstreckung aus dem Unterhaltstitel weiterhin nach dem autonomen Recht des Vollstreckungsstaates richten soll (Art. 27 des Kommissionsentwurfs), hat der Entwurf einen besonderen europäischen Rechtsbehelf vorgesehen, mit dem der Unterhaltspflichtige im Vollstreckungsstaat neue oder dem Erstgericht im Zeitpunkt der Entscheidung nicht bekannte Umstände geltend machen kann; besonders genannt ist der Einwand, dass der Unterhaltspflichtige seine Schuld bereits getilgt habe (Art. 33 lit. a und lit. c des Kommissionsentwurfs). Dann ist es aber nicht einzusehen, dass im derzeitigen Vollstreckbarerklärungsverfahren http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=100&G=EGV&A=234 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=EuGH-Slg&B=1982&S=3415 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=NJW&B=1983&S=1257 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=BGHZ&B=109&S=29 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=NJW&B=2006&S=371 - 19 - nach der Brüssel I-VO eine - zumal unstreitige - Erfüllung auch auf einen Rechtsbehelf nach Art. 43 Brüssel I-VO hin unberücksichtigt bleiben soll.
37
cc) Danach kann das Urteil des Tribunale di Pordenone hinsichtlich des Kindesunterhalts für den Zeitraum bis einschließlich August 2003 wegen Erfüllung der titulierten Forderung in Deutschland nicht mehr für vollstreckbar erklärt werden.
38
5. Eine Vorlage gemäß Artt. 68, 234 EGV an den EuGH hält der Senat nicht für angezeigt. Eine Vorlagepflicht besteht dann nicht, wenn das letztinstanzliche nationale Gericht in dem bei ihm schwebenden Verfahren feststellt, dass die betreffende entscheidungserhebliche gemeinschaftsrechtliche Frage bereits Gegenstand der Auslegung durch den EuGH war oder die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts offenkundig ist, und damit für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (EuGH Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. 283/81 - Slg. 1982, 3415, 3430 Rdn. 16 = NJW 1983, 1257 - CILFIT/Ministero della sanità; vgl. auch BGHZ 109, 29, 35; BGH Urteile vom 10. Oktober 2005 - IX ZR 148/03 - NJW 2006, 371, 373 und vom 2. März 2006 - IX ZR 15/05 - NJW 2006, 1806, 1808).
39
So liegt der Fall hier. In der Entscheidung Coursier/Fortis Bank (EuGH Urteil vom 29. April 1999 aaO) hat sich der EuGH bereits grundlegend dahin geäußert, dass dem Schuldner im Rechtsbehelfsverfahren nach Art. 36 EuGVÜ der Einwand eröffnet sei, die ausländische Entscheidung könne wegen Begleichung der Schuld oder aus einem anderen Grund im Exequaturstaat nicht mehr vollstreckt werden. Unter der Geltung der Brüssel I-VO unterliegt dies auch unter Berücksichtigung des besonders betonten Beschleunigungs- und Effizienzgebotes (vgl. Erwägungsgrund Nr. 17 zur Brüssel I-VO) jedenfalls dann keiner durchgreifend anderen Beurteilung, wenn wegen des Vorliegens von aus- schließlich "liquiden" Einwendungen keine Verzögerung des Rechtsbehelfsverfahrens zu besorgen ist. Hahne Sprick Weber-Monecke Bundesrichter Prof. Dr. Wagenitz ist urlaubsbedingt verhindert zuunterschreiben. Hahne Dose
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 05.11.2003 - 29 O 15036/03 -
OLG München, Entscheidung vom 07.06.2004 - 25 W 2814/03 -

(1) Der Bundesgerichtshof kann nur überprüfen, ob der Beschluss auf einer Verletzung des Rechts der Europäischen Union, eines Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrags, sonstigen Bundesrechts oder einer anderen Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt. Er darf nicht prüfen, ob das Gericht seine örtliche Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

(2) Der Bundesgerichtshof kann über die Rechtsbeschwerde ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Auf das Verfahren über die Rechtsbeschwerde sind § 574 Absatz 4, § 576 Absatz 3 und § 577 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.

(3) Soweit die Zwangsvollstreckung aus dem Titel erstmals durch den Bundesgerichtshof zugelassen wird, erteilt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle dieses Gerichts die Vollstreckungsklausel. § 8 Absatz 1 Satz 2 und 4, §§ 9 und 10 Absatz 1 und 3 Satz 1 gelten entsprechend. Ein Zusatz über die Beschränkung der Zwangsvollstreckung entfällt.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.