Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juli 2017 - IX ZR 316/16

bei uns veröffentlicht am20.07.2017
vorgehend
Amtsgericht München, 264 C 2145/15, 16.10.2015
Landgericht München I, 6 S 21301/15, 17.11.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 316/16
vom
20. Juli 2017
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2017:200717BIXZR316.16.0

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, die Richter Prof. Dr. Pape, Dr. Schoppmeyer und Meyberg
am 20. Juli 2017
beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die vom Berufungsgericht zugelassene Revision gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 17. November 2016 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Der Wert des Revisionsverfahrens wird auf 700 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Der Kläger ist Verwalter in dem am 14. Oktober 2010 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des M. (fortan: Schuldner). Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hatte dem Schuldner aufgrund eines Darlehensvertrages vom 19./22. Mai 2007 ein Darlehen in Höhe von 70.000 € netto zuzüglich eines Bearbeitungsentgeltes von 700 € ausge- reicht. Die Rückzahlung sollte in monatlichen Raten zu je 800 € erfolgen. Der Schuldner zahlte die vereinbarte Rate letztmals am 28. Februar 2010 und stellte dann seine Zahlungen ein. Am 12. Oktober 2010 kündigte die Beklagte das Darlehen und stellte es zur sofortigen Rückzahlung fällig. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens meldete die Beklagte den Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens zur Tabelle an. Nachdem der Kläger die Rückzahlung der Bearbeitungsgebühr verlangt hatte, erklärte die Beklagte die Aufrechnung mit ihrem Darlehensanspruch, hilfsweise mit ihrem Anspruch auf Zahlung der Rate für März 2010, und nahm ihre Anmeldung in Höhe von 700 € nebst anteiliger Zinsen zurück.
2
Der Kläger hält die Aufrechnung für unzulässig. Er verlangt Zahlung von 700 € nebst Zinsen. Die Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten ist das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen worden. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

II.


3
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor und die Revision hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
4
1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts sind die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 134 Abs. 1, § 143 Abs. 1 InsO wegen Fehlens einer unentgeltlichen Leistung nicht erfüllt. Der Schuldner habe angenommen, sich im Darlehensvertrag vom 19./22. Mai 2007 wirksam zur Zahlung der Bearbeitungsgebühr verpflichtet zu haben. In einem solchen Fall liege keine unentgeltliche Leistung vor. Der aus § 812 BGB folgende Rückzahlungsanspruch sei gemäß § 389 BGB durch Aufrechnung erloschen.
5
2. Das Berufungsurteil ist richtig. Wie der Senat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung entschieden hat, nimmt der Schuldner, der im ZweiPersonen -Verhältnis auf eine nicht bestehende Schuld leistet, keine unentgeltliche Leistung vor, wenn er irrtümlich annimmt, zu einer entgeltlichen Leistung verpflichtet zu sein. Die aufgrund von wechselseitigen Ansprüchen im Zusammenhang mit einem Vertragsverhältnis erlangte Möglichkeit einer Aufrechnung oder Verrechnung ist auch dann nicht als unentgeltliche Leistung anfechtbar, wenn die dem Schuldner zustehende Gegenforderung ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch ist (BGH, Urteil vom 20. April 2017 - IX ZR 252/16, WM 2017, 1215 Rn. 13, 29; zV in BGHZ bestimmt).
6
3. Das Berufungsgericht hat die Revision wegen divergierender Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts zugelassen. Eine Divergenz im Sinne von § 543 ZPO setzt jedoch voraus, dass die anzufechtende Entscheidung von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Die anzufechtende Entscheidung muss ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantworten als die Vergleichsentscheidung, mithin einen Rechtssatz aufstellen, der sich mit einem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht deckt (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 292 f). Das vom Berufungsgericht zitierte Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 17. Dezember 2015 (6 AZR 186/14, BAGE 154, 28 = NJW 2016, 970, Rn. 23) betrifft die Anfechtung von Zahlungen aufgrund eines wirksam geschlossenen und in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnisses an eine grundlos freigestellte Arbeitnehmerin. Die Gleichsetzung von "rechtsgrundlos" und "unentgeltlich" (BAG, aaO Rn. 23) steht im Widerspruch zum Senatsurteil vom 20. April 2017, trägt das in Bezug genommene Urteil des Bundesarbeitsgerichts jedoch nicht.

III.


7
Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
Kayser Lohmann Pape
Schoppmeyer Meyberg
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Zurückweisungsbeschluss erledigt worden.
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 16.10.2015 - 264 C 2145/15 -
LG München I, Entscheidung vom 17.11.2016 - 6 S 21301/15 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juli 2017 - IX ZR 316/16

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juli 2017 - IX ZR 316/16

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 812 Herausgabeanspruch


(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mi

Zivilprozessordnung - ZPO | § 552a Zurückweisungsbeschluss


Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf

Insolvenzordnung - InsO | § 143 Rechtsfolgen


(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem E

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 389 Wirkung der Aufrechnung


Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.
Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juli 2017 - IX ZR 316/16 zitiert 6 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 812 Herausgabeanspruch


(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mi

Zivilprozessordnung - ZPO | § 552a Zurückweisungsbeschluss


Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf

Insolvenzordnung - InsO | § 143 Rechtsfolgen


(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem E

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 389 Wirkung der Aufrechnung


Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.

Insolvenzordnung - InsO | § 134 Unentgeltliche Leistung


(1) Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden. (2) Richtet sich die Leistung auf ein gebräuchliches Gelegenheitsg

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Bundesgerichtshof Beschluss, 27. März 2003 - V ZR 291/02

bei uns veröffentlicht am 27.03.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZR 291/02 vom 27. März 2003 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja ZPO (2002) § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 Alt. 2 a) Zur Darlegung des Zulassungsgrundes des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Apr. 2017 - IX ZR 252/16

bei uns veröffentlicht am 20.04.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 252/16 Verkündet am: 20. April 2017 Kirchgeßner Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja InsO § 134

Bundesarbeitsgericht Urteil, 17. Dez. 2015 - 6 AZR 186/14

bei uns veröffentlicht am 17.12.2015

Tenor 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 8. Januar 2014 - 5 Sa 764/13 - wird zurückgewiesen.

Referenzen

Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(1) Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden.

(2) Richtet sich die Leistung auf ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk geringen Werts, so ist sie nicht anfechtbar.

(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.

(2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.

(3) Im Fall der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. Die Verpflichtung besteht nur bis zur Höhe des Betrags, mit dem der Gesellschafter als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, der Insolvenzmasse zur Verfügung stellt.

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.

13
bb) Nach diesen Maßstäben erfüllt eine Leistung ohne Rechtsgrund nicht stets die Voraussetzungen einer unentgeltlichen Leistung im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO. Leistet der Schuldner, weil er sich irrtümlich hierzu verpflichtet hält, steht ihm hinsichtlich der Leistung ein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zu. Der Empfänger ist von vornherein diesem Bereicherungsanspruch ausgesetzt. Insoweit fehlt es bei einer solchen Leistung an einem endgültigen, vom Empfänger nicht auszugleichenden, freigiebigen Vermögensverlust des Schuldners. Daher ist eine Leistung des Schuldners, wenn dieser irrtümlich annimmt, zu einer entgeltlichen Leistung verpflichtet zu sein, nicht nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar (BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2014 - IX ZR 294/13, ZInsO 2015, 305 Rn. 3; AG Friedberg, ZIP 2016, 334, 335; AG Göttingen, ZIP 2016, 735, 736; AG Potsdam, NZI 2017, 154, 155; Jaeger/ Henckel, InsO, 2008, § 134 Rn. 12; Schmidt/Ganter/Weinland, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 41; Schäfer in Kummer/Schäfer/Wagner, Insolvenzanfechtung, 2. Aufl., Rn. G 42a; HmbKomm-InsO/Rogge/Leptien, 6. Aufl., § 134 Rn. 22; Thole, KTS 2011, 219, 224; Ganter, NZI 2015, 249, 256, 258; einschränkend nur für Leistungen auf einen unerkannt nichtigen Vertrag Uhlenbruck/Ede/Hirte, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 48; in diese Richtung auch HK-InsO/Thole, 8. Aufl., § 134 Rn. 13).

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 291/02
vom
27. März 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO (2002) § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 Alt. 2

a) Zur Darlegung des Zulassungsgrundes des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO genügt
nicht die bloße Behauptung einer grundsätzlichen Bedeutung. Die Beschwerdebegründung
muß vielmehr insbesondere auf die Klärungsbedürftigkeit einer bestimmten
Rechtsfrage und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung
eingehen.

b) Betrifft eine Rechtsfrage, wegen der grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 ZPO) geltend gemacht wird, auslaufendes Recht, so muß in der Begründung
der Nichtzulassungsbeschwerde auch dargelegt werden, daß eine
höchstrichterliche Entscheidung gleichwohl für die Zukunft richtungsweisend sein
kann, weil entweder noch über eine erhebliche Anzahl von Fällen nach altem
Recht zu entscheiden oder die Frage für das neue Recht weiterhin von Bedeutung
ist.

c) Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
Alt. 2 ZPO) ist die Revision auch dann zuzulassen, wenn das Berufungsurteil auf
einem Rechtsfehler beruht, der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung
zu beschädigen. Dies ist namentlich der Fall, wenn das Berufungsurteil auf einer
Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes in seiner Ausprägung als Willkürverbot
(Art. 3 Abs. 1 GG) oder auf einer Verletzung der Verfahrensgrundrechte
des Beschwerdeführers beruht (Fortführung der Senatsrechtspr., Beschl. v. 4. Juli
2002, V ZR 16/02, NJW 2002, 3029 u. V ZR 75/02, NJW 2002, 2957; Abgrenzung
zu BGH, Beschl. v. 1. Oktober 2002, XI ZR 71/02, NJW 2003, 65).

d) Auch für eine Zulassung der Revision zur Wahrung des Vertrauens in die Recht-
sprechung kommt es auf die Offensichtlichkeit des Rechtsfehlers nicht an. Soweit
in den Gesetzesmaterialien eine Ergebniskorrektur wegen "offensichtlicher Unrichtigkeit"
des Berufungsurteils gefordert wird, sind damit Fälle der Willkür angesprochen
, bei denen sich die Rechtsauslegung oder Rechtsanwendung durch das
Berufungsgericht so weit von den gesetzlichen Grundlagen entfernt, daß sie unter
keinem denkbaren Aspekt mehr vertretbar und in diesem Sinne evident fehlerhaft
ist.
BGH, Beschluß vom 27. März 2003 - V ZR 291/02 - OLG Düsseldorf
LG Duisburg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 27. März 2003 durch den
Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter
Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. Juni 2002 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 37.234,67

Gründe:


I.


Mit notariellem Vertrag vom 7. Juli 1998 verkauften die Beklagte zu 1 und ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann, der vom Beklagten zu 2 beerbt worden ist, ein 877 m² großes Hausgrundstück unter Ausschluß jeder Gewährleistung zum Preis von 430.000 DM an die Kläger. Das auf dem Grundstück befindliche Gebäude, eine Doppelhaushälfte, war in der Zeit zwischen 1920 und 1930 errichtet und nach 1945 um einen Anbau erweitert worden. Die Beklagte zu 1 und ihr Ehemann hatten vor dem Verkauf an die Kläger selbst mehr als zwanzig Jahre lang in dem Haus gewohnt. Nach Übergabe des
Grundstücks am 4. Januar 1999 begannen die Kläger damit, das Haus zu entkernen. Im Zuge der Renovierungsarbeiten zeigten sich nach Entfernung angebrachter Eternitschiefer- und Rigipsplatten sowie auf dem Boden verlegter Teppiche zahlreiche Risse in Decken und Wänden. Außerdem stellten die Kläger fest, daß im Garten des steil abfallenden Grundstücks etwa 90 m³ gemischte Bau- und Abbruchabfälle abgelagert worden waren. Wegen der festgestellten Bauwerksschäden ließen die Kläger das Haus abreißen.
Sie verlangen von den Beklagten den Ersatz der Kosten für die Mängelbeseitigung in Höhe von 37.671,78 DM und die Abfallentsorgung in Höhe von 31.679,60 DM sowie weitere 13.500 DM als Entschädigung für die fehlende Nutzbarkeit des Objekts während der für die Sanierung erforderlichen neun Monate. Nach vollständiger Abweisung der Klage durch das Landgericht hat das Oberlandesgericht die Beklagten wegen der zum Nachbarhaus hin gekippten Gebäudetrennwand gemäß § 463 Satz 2 BGB a.F. zu Schadensersatz "! # $ %& ' in Höhe von 5.126,57 Berufung der Kläger zurückgewiesen, weil sich nicht feststellen lasse, daß die Beklagten von den weiteren Gebäudemängeln und von der stofflichen Zusammensetzung der als solcher offensichtlichen Anschüttung im Garten Kenntnis gehabt hätten. Hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Nutzungsausfallentschädigung hätten die Kläger nicht vorgetragen, inwieweit die ohnehin geplanten und bereits begonnenen Entkernungsarbeiten durch die Beseitigung der gerügten Mängel - soweit die Beklagten für diese überhaupt verantwortlich seien - verzögert worden wären. Die Revision hat das Oberlandesgericht nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger.

II.


Die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO) ist zulässig, bleibt in der Sache selbst jedoch ohne Erfolg, weil die Kläger einen Zulassungsgrund (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) nicht dargetan haben.
1. Entgegen der Auffassung der Kläger ist der Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) nicht gegeben.

a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZR 75/02, NJW 2002, 2957; BGH, Beschl. v. 1. Oktober 2002, XI ZR 71/02, NJW 2003, 65, 68 zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; Beschl. v. 19. Dezember 2002, VII ZR 101/02, NJW 2003, 831; Beschl. v. 7. Januar 2003, X ZR 82/02, WM 2003, 403, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; zu § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO: Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, NJW 2002, 3029, zur Veröffentlichung in BGHZ 151, 221 vorgesehen, jeweils m. w. N.). Diese Voraussetzungen müssen in der Beschwerdebegründung dargelegt werden (§ 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Hierfür genügt die bloße Behauptung , die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht. Der Beschwerdeführer muß vielmehr konkret auf die Rechtsfrage, ihre Entscheidungserheblichkeit , Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen. Insbesondere sind
Ausführungen dazu erforderlich, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die betreffende Rechtsfrage umstritten ist (BGH, Beschl. v. 1. Oktober 2002, aaO; ebenso zu § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO: BFHE 196, 30, 35; BFH/NV 2001, 1033; 2002, 51, 52; 213, 214; 352, 353). Diesen Anforderungen werden die Ausführungen der Kläger in der Beschwerdebegründung nicht gerecht.

b) Im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Anspruch auf Ersatz entgangener Nutzung des Wohnhauses - den das Berufungsgericht zwar grundsätzlich für möglich gehalten (zu den Voraussetzungen der Nutzungsentschädigung bei gekauften Wohnungen vgl. Senat, BGHZ 117, 260, 261 f), im Ergebnis aber wegen unzureichender Darlegungen zur Dauer der Verzögerung durch erforderliche Mängelbeseitigungsarbeiten verneint hat - wollen die Kläger der Frage rechtsgrundsätzliche Bedeutung beilegen, ob das Gericht zur Ermittlung der Höhe eines Nutzungsausfallschadens die Dauer einer erforderlichen Reparatur anhand vorliegender einfacher Baubeschreibungen gemäß § 287 ZPO schätzen müsse. Der Beschwerdebegründung läßt sich indessen nicht entnehmen, in welcher Hinsicht diese Frage klärungsbedürftig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes setzt eine Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO die schlüssige Darlegung von Ausgangs- bzw. Anknüpfungstatsachen voraus (BGH, Urt. v. 15. März 1988, VI ZR 81/87, NJW 1988, 3016, 3017). Hierfür dürfen zwar keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden (BGH, Urt. 27. September 2001, IX ZR 281/00, NJW 2002, 825, 826). Solange greifbare Anhaltspunkte für die Darstellung des Klägers vorliegen, ist es nicht möglich, eine Schadensersatzklage wegen eines lückenhaften Vortrags abzuweisen (BGH, Urt. v. 2. Juli 1996, X ZR 64/94, NJW 1996, 2924, 2925). Unzulässig ist eine Schadensschätzung jedoch, wenn sie mangels
greifbarer, vom Kläger vorzutragender Anhaltspunkte völlig in der Luft hinge (BGHZ 91, 243, 256 f; BGH, Urt. v. 12. Oktober 1993, X ZR 65/92, NJW 1994, 663, 665). Daß - und ggf. von wem und mit welchen Gründen - diese Grundsätze in Zweifel gezogen werden, mithin Klärungsbedarf bestehen könnte, haben die Kläger nicht dargelegt. Der Sache nach rügen sie lediglich, daß das Berufungsgericht eine Schadensschätzung trotz hinreichender Anknüpfungstatsachen unterlassen hat. Ob die von den Klägern, ggf. unter Bezugnahme auf den Inhalt der eingeholten Sachverständigengutachten, vorgetragenen Tatsachen eine ausreichende Schätzungsgrundlage, sei es auch nur für die Feststellung eines Mindestschadens, abgegeben hätten, ist indes eine Frage der zutreffenden Rechtsanwendung im Einzelfall und einer Verallgemeinerung nicht zugänglich.

c) Ebensowenig kommt der vorliegenden Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die Frage zu, ob nach § 463 Satz 2 BGB a.F. auch solche Schadenspositionen zu ersetzen sind, die zwar durch den arglistig verschwiegenen Umstand verursacht sind, dem Verkäufer jedoch nicht bekannt waren. Die grundsätzliche Bedeutung dieser Frage scheitert an der fehlenden Entscheidungserheblichkeit. In ihrer Beschwerdebegründung weisen die Kläger selbst darauf hin, daß das Berufungsgericht ihrem Vorbringen, sämtliche Gebäudeschäden seien auf eine einzige Ursache - nämlich auf das den Verkäufern bekannte Kippen der Gebäudetrennwand - zurückzuführen, nicht gefolgt ist. Das Berufungsgericht ist vielmehr von dem Vorliegen mehrerer verschiedener Fehler des verkauften Hauses ausgegangen. Danach scheidet wegen derjenigen Fehler, die der Beklagten zu 1 und ihrem Ehemann nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht bekannt waren, ein Schadensersatzanspruch gemäß § 463 Satz 2 BGB a.F. schon mangels Arglist aus, ohne
daß es auf die Beantwortung der von den Beklagten angesprochenen Frage ankäme, ob sich die Kenntnis des Verkäufers auch auf die Folgen eines arglistig verschwiegenen Fehlers erstrecken muß. Darüber hinaus enthält die Beschwerdebegründung keinerlei Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage. Die Kläger verweisen lediglich darauf, daß sich das Arglisterfordernis nach der Rechtsprechung des Senats nur auf den Fehler der Kaufsache als solchen, nicht jedoch auf die daraus resultierenden weiteren Schadensfolgen bezieht (Senat, Urt. v. 12. Juli 1991, V ZR 121/90, NJW 1991, 2900, 2901; vgl. auch Senat, Urt. v. 3. März 1995, V ZR 43/94, NJW 1995, 1549, 1550). Daß und von wem dies bestritten würde, haben die Kläger hingegen wiederum nicht dargelegt. Da die Rechtsfrage auslaufendes Recht betrifft, hätten die Kläger zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit überdies aufzeigen müssen, daß eine höchstrichterliche Entscheidung gleichwohl für die Zukunft richtungweisend sein kann, weil entweder noch über eine erhebliche Anzahl von Fällen nach altem Recht zu entscheiden oder die Frage für das neue Recht weiterhin von Bedeutung ist (vgl. zu § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO: BFH/NV 1997, 347, 348; 2000, 1080; 2003, 186, 187; zu § 132 Abs. 1 Nr. 2 VwGO: BVerwG, Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 129; NVwZ-RR 1996, 712 m.w.N.; zu § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG: BSG SozR 1500 § 160a SGG Nr. 19). Auch daran läßt es die Beschwerde fehlen.

d) Geht es nicht um die Klärung einer für eine Vielzahl von Fällen bedeutsamen Rechtsfrage, so kommt einer Sache grundsätzliche Bedeutung auch dann zu, wenn andere Auswirkungen des Rechtsstreits, insbesondere dessen tatsächliches oder wirtschaftliches Gewicht, nicht nur für die Vermögensinteressen der Parteien, sondern auch für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes
zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 105; BGH, Beschl. v. 1. Oktober 2002, aaO; MünchKomm-ZPO/Wenzel, 2. Aufl., Aktualisierungs- band, § 543 Rdn. 11; Hannich in Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 543 Rdn. 19). Für eine Zulassung der Revision unter diesem Gesichtspunkt ist der Beschwerdebegründung jedoch kein Hinweis zu entnehmen.
2. Entgegen der Auffassung der Kläger ist die Zulassung der Revision auch nicht zur Fortbildung des Rechts geboten (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, daß der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Ein solcher Anlaß besteht für die Entwicklung höchstrichterlicher Leitsätze nur dann, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (vgl. zu § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO: Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, aaO, m.w.N.; Beschl. v. 19. September 2002, V ZB 31/02, NJW-RR 2003, 132; zu § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO: BFHE 196, 30, 35; BFH/NV 2002, 51, 52; 682, 683). Dies ist nach dem Inhalt der Beschwerdebegründung nicht der Fall, wie bereits die von den Klägern in Bezug genommene Rechtsprechung des Senats belegt.
3. Eine höchstrichterliche Entscheidung ist ferner nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).

a) Dieser Zulassungsgrund ist zunächst in den Fällen einer Divergenz gegeben, wenn also die anzufechtende Entscheidung von der Entscheidung
eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn die anzufechtende Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, mithin einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit einem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht deckt (Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZR 75/02, aaO; Beschl. v. 25. Juli 2002, V ZR 118/02, NJW 2002, 3180; Beschl. v. 31. Oktober 2002, V ZR 100/02, WM 2003, 259; BGH, Beschl. v. 1. Oktober 2002, aaO, 66; zu § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO: Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, NJW 2002, 2473 f; Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, aaO; zu § 24 Abs. 2 Nr. 1 LwVG: Senat, BGHZ 89, 149, 151). Diese Voraussetzung zeigen die Kläger in ihrer Beschwerdebegründung nicht auf. Zwar rügen sie, das Berufungsgericht sei entgegen der bereits genannten Entscheidung des Senats vom 12. Juli 1991 fehlerhaft davon ausgegangen, der Verkäufer habe nach § 463 Satz 2 BGB a.F. nur solche Schadenspositionen zu ersetzen, hinsichtlich derer ihm Vorsatz nachgewiesen werden könne. Damit hat das Berufungsgericht jedoch keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, der von der Rechtsprechung des Senats abweicht. Es kann sich allenfalls um eine fehlerhafte, die Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht beachtende Rechtsanwendung handeln, wodurch jedoch eine Divergenz nicht begründet wird (MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 543 Rdn. 16; vgl. auch Senat, Beschl. v. 1. Juli 1977, V BLw 1/77, AgrarR 1977, 387, 388, std. Rspr. zu § 24 LwVG; zu § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG: BAG, AP Nr. 33 zu § 72a ArbGG 1979).

b) Obgleich der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) nicht auf die geschilderten Fälle der Divergenz beschränkt ist, sind seine Voraussetzungen nicht
schon dann erfüllt, wenn - was zu Gunsten der Kläger unterstellt werden mag - die Entscheidung des Berufungsgerichts, gemessen an der Rechtsprechung des Senats, fehlerhaft ergangen wäre. Mit der Einführung dieses Zulassungsgrundes wollte der Gesetzgeber dem Bundesgerichtshof nicht die Gewährleistung einer einheitlichen Rechtsprechung in dem Sinne auferlegen, daß Entscheidungen der Instanzgerichte in jedem Fall auf ihre Richtigkeit revisionsrechtlich zu überprüfen und ggf. zu korrigieren sind. Erforderlich ist vielmehr, daß über den Einzelfall hinaus ein allgemeines Interesse an einer korrigierenden Entscheidung des Revisionsgerichts besteht (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BTDrucks. 14/4722, S. 104; Senat, Beschl. v. 31. Oktober 2002, aaO, 260; zu § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO: Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, aaO, 2474; Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, aaO, 3030 m.w.N.). Nur eine solche restriktive Auslegung entspricht dem mit der Neuregelung des Zugangs zur Revisionsinstanz - ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs (BTDrucks. 14/4722, S. 66) - verfolgten Zweck, im Interesse der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Bundesgerichtshofes (vgl. hierzu Rimmelspacher in Festschrift für Schumann, 2001, S. 327, 331 f; Wenzel, NJW 2002, 3353) das Rechtsmittel nur für solche Sachen zu eröffnen, deren Entscheidung Bedeutung über den Einzelfall hinaus zukommt, weil hierbei Fragen auch mit Blick auf die Wiederholung ähnlicher Fälle zu beantworten sind oder sonstige Interessen der Allgemeinheit in besonderem Maße berührt werden.
aa) Im danach maßgeblichen Interesse der Allgemeinheit liegt die Korrektur eines fehlerhaften Berufungsurteils zum einen dann, wenn vermieden werden soll, daß schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen, die nicht den Charakter einer Divergenz im her-
kömmlichen Sinn haben. Die hierdurch bestimmte Notwendigkeit einer höchstrichterlichen Leitentscheidung muß sich aus konkreten Anhaltspunkten ergeben , wie etwa aus einer ständigen Fehlerpraxis, die eine Wiederholung des Rechtsfehlers durch das Gericht besorgen läßt, oder aus der ernsthaften Gefahr einer Nachahmung durch andere Gerichte (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 104; Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZR 75/02, aaO; Beschl. v. 31. Oktober 2002, aaO; BGH, Beschl. v. 1. Oktober 2002, aaO; zu § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO: Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, aaO, 2474; Beschl. v. 19. September 2002, aaO; BGH, Beschl. v. 4. September 2002, VIII ZB 23/02, NJW 2002, 3783, 3784; Beschl. v. 27. November 2002, VIII ZB 33/02, NJWRR 2002, 229; zu § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG: BGHSt 24, 15, 22). Die Evidenz oder das Gewicht eines Rechtsfehlers kann in diesem Zusammenhang keine Bedeutung erlangen; denn diese Umstände sprechen eher gegen als für die Gefahr einer Wiederholung oder Nachahmung (vgl. BGH, Beschl. v. 1. Oktober 2002, aaO, 67). Daß dem ihrer Ansicht nach vorliegenden Rechtsfehler des Berufungsgerichts eine symptomatische Bedeutung oder Signalwirkung zukäme, haben die Kläger in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt.
bb) Darüber hinaus besteht ein maßgebliches Allgemeininteresse an einer korrigierenden Entscheidung des Revisionsgerichts auch dann, wenn das Berufungsurteil auf einem Rechtsfehler beruht, der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 66, 104).
(1) Für eine Zulassung der Revision unter diesem Gesichtspunkt kommt es wiederum nicht darauf an, ob der Rechtsfehler in dem Sinne offensichtlich ist, daß er von jedermann oder zumindest von einem Fachkundigen ohne weiteres erkannt werden kann (vgl. Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZR 75/02, aaO; Beschl. v. 31. Oktober 2002, aaO; BGH, Beschl. v. 1. Oktober 2002, aaO; zu § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO: Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, aaO; zu § 80 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 OWiG: BGHSt 24, 15, 21; Göhler/Seitz, OWiG, 13. Aufl., § 80 Rdn. 5 m.w.N.). Angesichts der individuell unterschiedlichen Erkenntnismöglichkeiten , für die auch der Grad der Komplexität und Spezialität des jeweiligen Einzelfalls in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht von maßgebender Bedeutung ist, ließe sich eine so verstandene Evidenz rational schwerlich begründen (vgl. Krugmann, JuS 1998, 7, 10). Vor allem aber wird das Vertrauen in die Rechtsprechung nicht allein dadurch gefährdet, daß ein Rechtsfehler leicht erkennbar ist. Ein solcher Fall wird eher als gelegentliche, nicht zu vermeidende Fehlleistung hingenommen. Dementsprechend stellt die Einzelbegründung des Regierungsentwurfes zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 (BT-Drucks. 14/4722, S. 104) ausdrücklich klar, daß für die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht der formale Aspekt der Offensichtlichkeit eines Rechtsfehlers entscheidend ist. Maßgeblich soll vielmehr sein, ob eine fehlerhafte Entscheidung erhebliches Gewicht dadurch erlangt, daß im konkreten Fall Verfahrensgrundrechte verletzt sind oder ein Verstoß gegen das Willkürverbot vorliegt. Soweit in allgemeinen Ausführungen der Entwurfsbegründung zur Neufassung der Zulassungsgründe davon die Rede ist, eine Ergebniskorrektur sei nicht nur wegen der Verletzung eines Verfahrensgrundrechts , sondern auch wegen "offensichtlicher Unrichtigkeit" des Berufungsurteils geboten (BT-Drucks. 14/4722, S. 67, 104), können mithin nur die Fälle der Willkür angesprochen sein, in denen sich die Rechtsauslegung
oder Rechtsanwendung durch das Berufungsgericht so weit von den gesetzli- chen Grundlagen entfernt, daß sie unter keinem denkbaren Aspekt mehr vertretbar und in diesem Sinne evident fehlerhaft ist.
(2) Ein schwerer, das Vertrauen der Allgemeinheit in eine funktionierende Rechtsprechung gefährdender Rechtsfehler liegt nach alledem vor, wenn das Berufungsgericht bei der Auslegung oder Anwendung von Vorschriften des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts gegen grundlegende, verfassungsrechtlich abgesicherte Gerechtigkeitsanforderungen verstoßen hat und die Entscheidung deshalb von Verfassungs wegen einer Korrektur bedarf (Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZR 75/02, aaO; Rüsken, DStZ 2000, 815, 819; Wenzel, NJW 2002, 3353, 3356). Unter diesem Gesichtspunkt ist die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung namentlich zuzulassen , wenn die anzufechtende Entscheidung auf einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes in seiner Ausprägung als Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) oder auf einer Verletzung der Verfahrensgrundrechte des Beschwerdeführers - insbesondere der Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) oder des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) - beruht, so daß nicht zweifelhaft ist, daß sie auf eine Verfassungsbeschwerde hin der Aufhebung durch das Bundesverfassungsgericht unterliegen würde (Senat, Beschl. v. 25. Juli 2002, aaO, 3181; BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2002, aaO; zu § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO: Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, aaO, 3030; zu § 80 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 OWiG: BVerfG, NJW 1992, 2811, 2812; Göhler/Seitz, OWiG, aaO, § 80 Rdn. 16a; zu § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO: BFH/NV 2002, 798, 799; 1474, 1475; Rüsken, DStZ 2000, 815, 819 f). Der Revision kommt auf diese Weise auch die Funktion zu, präsumtiv erfolgreiche Verfassungsbeschwerden vermeidbar zu machen (vgl. Begrün-
dung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 104; Senat, Beschl. v. 25. Juli 2002, aaO; Wenzel, NJW 2002, 3353, 3356). Für ihre Zulassung wegen eines Rechtsfehlers des Berufungsgerichts sind deshalb die gleichen Voraussetzungen maßgebend, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Erfolg einer Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil führen würden. Die Orientierung an der Rechtsprechungspraxis des Bundesverfassungsgerichts ermöglicht den Parteien eine ausreichend sichere Beurteilung der Zulässigkeit einer Revision, womit dem rechtsstaatlichen Gebot einer möglichst klaren und bestimmten Regelung des Zugangs zu den Rechtsmittelgerichten (BVerfGE 54, 277, 292 f; 74, 228, 234; 87, 48, 65; vgl. auch BGH, Beschl. v. 4. September 2002, aaO, 3783) Genüge getan ist. Für die in der Literatur verschiedentlich geäußerten Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit des in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO geregelten Zulassungsgrundes (Rimmelspacher in Festschrift für Schumann, 2001, S. 327, 347; ders., LMK 2003, 11, 12; Büttner, MDR 2001, 1201, 1203 f; Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911, 918; vgl. auch Schultz, BGH-Report 2002, 1110, 1111) fehlt es daher an einer Grundlage. Soweit der Senat in früheren Entscheidungen gefordert hat, der Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte müsse "offenkundig" sein (Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, aaO, 3030, 3031; Beschl. v. 25. Juli 2002, aaO; krit. deshalb Scheuch/Lindner, NJW 2003, 728, 730; Rimmelspacher, LMK 2003, 11, 12), war damit kein zusätzliches Erfordernis geschaffen, sondern nur an die von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Begründung eines Verfassungsverstoßes geforderte Qualität der Rechtsverletzung (vgl. etwa BVerfGE 42, 237, 241; 67, 90, 95; 73, 339, 366; 86, 133, 143; 87, 282, 286; BVerfG, NJW 1988, 1456; 2001, 3533) angeknüpft worden.
Hiervon - zwar nicht im Ergebnis, wohl aber in der Begründung - abwei- chend vertritt der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Beschluß vom 1. Oktober 2002 (XI ZR 71/02, NJW 2003, 65, 67) die Auffassung, in den Fällen einer offensichtlichen Verletzung von Verfahrensgrundrechten oder eines offensichtlichen Verstoßes gegen das Willkürverbot komme - falls nicht die Voraussetzungen einer Divergenz bzw. einer Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr erfüllt sind - nur die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Betracht. Seinem Wortlaut nach stelle § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO nicht auf das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung, sondern allein auf die davon zu unterscheidende Einheitlichkeit der Rechtsprechung ab. Hierbei wird nicht ausreichend berücksichtigt, daß bereits jede fehlerhafte Gerichtsentscheidung unabhängig vom Vorliegen einer Divergenz oder einer Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr die Einheitlichkeit der Rechtsprechung stört, weil sie auf einer Rechtsanwendung beruht, die von derjenigen aller übrigen, das Recht richtig anwendenden Gerichte abweicht (Büttner, MDR 2001, 1201, 1203; vgl. auch Baukelmann in Festschrift für Erdmann, 2002, S. 767, 770). Bei weitem Verständnis bedürfte es daher zur Gewährleistung einer einheitlichen Rechtsprechung der Korrektur einer jeden fehlerhaften Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht (Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, 3. Aufl., Stand: März 1998, § 80 Rdn. 4). Da dies jedoch - wie bereits ausgeführt (oben 3 b) - die Funktionsfähigkeit des Bundesgerichtshofes in Frage stellen würde, hat der Gesetzgeber bei § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO den Zugang zur Revisionsinstanz auf Rechtssachen beschränkt, die die Interessen der Allgemeinheit in besonderem Maße berühren und deshalb eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern. Es geht also entgegen der Auffassung des XI. Zivilsenats nicht darum, einen Zulassungsgrund zu schaffen, der in dem
Gesetzeswortlaut keinen Ausdruck gefunden hat, sondern um eine an dem Gesetzeszweck orientierte Auslegung einer Vorschrift, deren Wortsinn mehre- re Deutungen zuläßt. Zur Feststellung des Allgemeininteresses, dessen Notwendigkeit der XI. Zivilsenat ebenfalls bejaht, ist es aber auch von Bedeutung, ob der jeweilige, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung störende Rechtsfehler geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beeinträchtigen. Ist dies der Fall, dann soll nach dem Willen des Gesetzgebers der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Korrektur grob fehlerhafter Berufungsurteile durch das Revisionsgericht ermöglichen (Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BTDrucks. 14/4722, S. 104; ebenso BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2002, aaO; Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., vor § 542 Rdn. 5, § 543 Rdn. 8, 13; Hannich in Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 543 Rdn. 23). Demgemäß ergibt sich auch aus der Begründung des Regierungsentwurfs, daß der Zulassungsgrund der Grundsätzlichkeit durch § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO mit seinem herkömmlichen Begriffsinhalt in das neue Recht übernommen werden soll. Dem Anliegen , die Revision darüber hinaus namentlich auch in Fällen der Verletzung von Verfahrensgrundrechten zu eröffnen, tragen erst die Zulassungsgründe des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO Rechnung (BT-Drucks. 14/4722, S. 104).
Der erkennende Senat sieht daher keinen Anlaß, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzurücken, die im übrigen auch der ganz überwiegenden Ansicht zur gleichlautenden Vorschrift des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO entspricht (BFH/NV 2002, 51, 52; 213, 214; 682, 683; 798, 799; 802; 1474, 1475; 1488; Gräber/Ruban, FGO, 5. Aufl., § 115 Rdn. 68; Rüsken, DStZ 2000, 815, 819; Spindler, DB 2001, 61, 62; Lange, DStZ 2002, 782, 784; offen gelassen von BFHE 196, 30, 34, 37; BFH/NV 2002, 666, 667). Anlaß für eine Vorlage an
den Großen Senat für Zivilsachen gemäß § 132 GVG besteht nicht, weil die Frage, ob die Rüge eines Rechtsfehlers mit verfassungsrechtlicher Relevanz unter § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO oder unter § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zu subsumieren ist, lediglich die Begründung der Entscheidung betrifft, deren Ergebnis jedoch nicht berührt. Bei fehlender Entscheidungserheblichkeit ist eine Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen nicht zulässig (vgl. BGH, Beschl. v. 15. Februar 2000, XI ZR 10/98, NJW 2000, 1185 m.w.N.).
(3) In der Begründung ihrer Beschwerde legen die Kläger nicht dar, daß das Berufungsgericht zu ihrem Nachteil verfassungsrechtliche Gewährleistungen verletzt hätte.

a) Das Berufungsgericht hat das Willkürverbot nicht mißachtet. Ist die richterliche Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts und des Verfahrensrechts willkürlich, so stellt dies einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar. Hierfür reicht eine nur fragwürdige oder sogar fehlerhafte Rechtsanwendung nicht aus; selbst ein offensichtlicher Rechtsfehler genügt nicht. Erforderlich ist vielmehr, daß die fehlerhafte Rechtsanwendung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluß aufdrängt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruht; die Rechtslage muß mithin in krasser Weise verkannt worden sein (BVerfGE 42, 64, 74; 67, 90, 94; 80, 48, 51; 87, 273, 278 f; 89, 1, 14; BVerfG, NJW 1988, 1456, 1458; 1994, 1210, 1211; 1994, 2279; 1996, 1336; 1996, 1531; 1997, 311; 1997, 649; 1998, 2583, 2584; 1999, 207, 208; 2001, 1125 f; BGH, Beschl. v. 25. November 1999, IX ZB 95/99, NJW 2000, 590). Damit sind insbesondere - aber nicht nur - die Fälle erfaßt, in denen der Bundesgerichtshof bislang eine greifbare Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung angenommen hat (vgl. BGHZ 28, 349, 350; 109,
41, 43 f; 119, 372, 374; BGH, Beschl. v. 1. Oktober 1985, VI ZB 13/85, NJWRR 1986, 738; Urt. v. 24. Juni 1987, IVb ZR 5/86, NJW 1988, 49, 51; Beschl. v. 14. Dezember 1989, IX ZB 40/89, NJW 1990, 1794, 1795; Beschl. v. 14. November 1991, I ZB 15/91, NJW 1992, 983, 984; vgl. auch Lange, DStZ 2002, 782, 785, 786).
Die Kläger meinen, das Berufungsgericht sei davon ausgegangen, daß der Verkäufer nach § 463 Satz 2 BGB a.F. nur solche Schadenspositionen zu ersetzen habe, die ihm bekannt gewesen seien. Es bedarf keiner Entscheidung , ob sich eine derartige Rechtsauffassung unter keinem Aspekt vertretbarer begründen ließe, mithin als willkürlich anzusehen wäre. Sie liegt nämlich der anzufechtenden Entscheidung tatsächlich nicht zugrunde. Das Berufungsgericht hat - abweichend vom Vorbringen der Kläger in der Berufungsinstanz - angenommen, das Wohnhaus weise nicht nur einen, sondern mehrere unterschiedliche Fehler auf. Da es ein arglistiges Verhalten der Beklagten zu 1 und ihres Ehemannes nur hinsichtlich der gekippten Gebäudetrennwand festzustellen vermochte, hat es einen Schadensersatzanspruch der Kläger wegen der sonstigen Fehler verneint. Damit hat das Berufungsgericht das Vorsatzerfordernis nur auf die Fehler als solche, nicht jedoch auf die daraus resultierenden Schadensfolgen bezogen.

b) Das Berufungsgericht hat auch nicht den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Zwar verpflichtet das Gebot des rechtlichen Gehörs das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hierzu gehört auch die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Art. 103 Abs. 1 GG ist aber erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar
ergibt, daß das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß ein Gericht das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Es ist dabei nicht verpflichtet , sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Damit sich ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG feststellen läßt, müssen demnach besondere Umstände deutlich gemacht werden, die zweifelsfrei darauf schließen lassen, daß tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BVerfGE 25, 137, 140; 47, 182, 187 f; 54, 86, 92; 65, 293, 295 f; 69, 233, 246; 70, 288, 293; 85, 386, 404; 88, 366, 375 f; BVerfG, NJW 1994, 2279; NVwZ 1995, 1096; NJW 1998, 2583, 2584; NJWRR 2002, 68, 69). Solche Umstände haben die Kläger in der Beschwerdebegründung nicht dargetan.
Die Kläger rügen, daß das Berufungsgericht trotz ihres Antrags kein Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt hat, ob sämtliche Gebäudemängel ursächlich zusammenhängen und auf die - den Verkäufern bekannte - Kippung der Gebäudetrennwand zurückzuführen sind. Zwar hat sich das Berufungsgericht in den Gründen der anzufechtenden Entscheidung mit diesem Beweisantrag der Kläger nicht ausdrücklich befaßt. Dies allein läßt jedoch nicht darauf schließen, es habe den Beweisantrag nicht zur Kenntnis genommen oder erwogen. Denkbar ist vielmehr, daß das Berufungsgericht bereits aufgrund der im selbständigen Beweisverfahren eingeholten Sachverständigengutachten die Überzeugung gewonnen hat, das Haus weise mehrere, auf unterschiedlichen Ursachen beruhende Fehler auf. In diesem Fall bestand kein Anlaß zur Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens.
Weiterhin meinen die Kläger, das Berufungsgericht habe eine Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen der aus Bauschutt bestehenden Anschüttung im Garten des Hausgrundstücks mit der Begründung verneint, die Schuttablagerung sei offensichtlich und deshalb nicht aufklärungsbedürftig gewesen. Dabei habe das Berufungsgericht den unter Zeugenbeweis gestellten Vortrag der Kläger übergangen, der Schutthügel sei wegen des Überwuchses als solcher nicht erkennbar gewesen. Tatsächlich läßt sich den Gründen der anzufechtenden Entscheidung jedoch allenfalls entnehmen, daß das Berufungsgericht den Umstand einer nicht aus gewachsenem Boden bestehenden Anschüttung für offensichtlich gehalten hat. Daß es diesen Umstand als Fehler qualifiziert hätte, lassen seine Ausführungen dagegen nicht erkennen. Einen Fehler des Grundstücks hat das Berufungsgericht vielmehr darin gesehen , daß sich die Anschüttung aus beseitigungspflichtigen Abfallmaterialien zusammensetzte. Hiermit hätten die Beklagte zu 1 und ihr Ehemann allerdings nicht rechnen müssen, so daß ihnen ein Arglistvorwurf nicht gemacht werden könne. Damit hat das Berufungsgericht seine Entscheidung gerade nicht darauf gestützt, daß die Zusammensetzung der Anschüttung aus Bauschutt ohne weiteres erkennbar, die Schuttablagerung also offensichtlich gewesen sei. Dementsprechend bedurfte es auch keiner Vernehmung des von den Klägern für die mangelnde Erkennbarkeit der Schuttablagerung angebotenen Zeugen.
Schließlich rügen die Kläger, das Berufungsgericht habe den gebotenen Hinweis unterlassen, daß es den Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung nur für die Zeit der Ausbesserung der Gebäudetrennwand dem Grunde nach für gegeben halte. Da sie ohne einen solchen Hinweis nicht hätten wissen können, wegen welcher Mängel das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch bejahe, sei ihnen die vom Berufungsgericht vermißte Präzisierung
des auf die betreffenden Mängel entfallenden Teils des Nutzungsausfallschadens nicht möglich gewesen. Richtig ist zwar, daß sich aus Art. 103 Abs. 1 GG Hinweispflichten des Gerichts ergeben können, wenn der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ansonsten leerlaufen würde. Die Verfahrensbeteiligten müssen bei Anwendung der von ihnen zu fordernden Sorgfalt erkennen können, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Stellt das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag , mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozeßbeteiligter nach dem bisherigen Prozeßverlauf nicht zu rechnen brauchte, dann kommt dies im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags gleich und stellt eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs dar (BVerfGE 84, 188, 190; BVerfG, NJW 2000, 275). So liegen die Dinge hier jedoch nicht. Ein Schadensersatzanspruch kam nach § 463 Satz 2 BGB a.F. ohne jeden Zweifel nur wegen derjenigen Fehler des Hauses in Betracht, die die Beklagte zu 1 und ihr Ehemann bei Vertragsschluß arglistig verschwiegen hatten. Dies mußte den anwaltlich beratenen Klägern ebenso bewußt sein wie der Umstand, daß der von ihnen zu erbringende Arglistnachweis möglicherweise nur hinsichtlich einzelner Fehler zu führen sein würde. Damit hätte der von den Klägern lediglich pauschal geltend gemachte Nutzungsausfallschaden bei sorgfältiger Prozeßführung auch ohne einen entsprechenden Hinweis des Gerichts den einzelnen, sich aus dem Beweissicherungsgutachten ergebenden Fehlern anteilig zugeordnet und in diesem Sinne konkretisiert werden müssen.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Krüger Klein Gaier Schmidt-Räntsch

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 8. Januar 2014 - 5 Sa 764/13 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die zwischen Oktober 2005 und August 2009 von der Arbeitsleistung freigestellte Beklagte das in dieser Zeit erhaltene Nettoarbeitsentgelt aufgrund Insolvenzanfechtung zurückzahlen muss.

2

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem auf Antrag vom 9. Oktober 2009 am 21. Januar 2010 über das Vermögen des Schuldners eröffneten Verfahren. Der Schuldner war Inhaber eines Kleinbetriebs. Die Beklagte, seine Ehefrau, war vom 1. September 2003 bis zum 30. Oktober 2009 zu einem monatlichen Bruttogehalt von 1.100,00 Euro, aus dem sich ein Nettoentgelt von 631,83 Euro ergab, bei ihm angestellt. Nachdem sich die Eheleute getrennt hatten, stellte der Schuldner die Beklagte von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei und teilte ihr mit Schreiben vom 3. Januar 2005 mit:

        

„Aus beiderseits eingetretenen persönlichen Gründen stelle ich meine Frau M vom 03. Januar 2005 von der Arbeit bis auf Weiteres frei.

        

Monatliche Gehaltszahlungen werden von mir wie bisher zugesichert.

        

Eine Kündigung kann hieraus nicht abgeleitet werden.“

3

Seitdem erbrachte die Beklagte ihre Arbeitsleistung nicht mehr, erhielt aber weiterhin das monatliche Entgelt gezahlt. Der Schuldner meldete sie sozialversicherungsrechtlich nicht ab. Der Kläger focht gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 25. Mai 2010 die Gehaltszahlungen von Oktober 2005 bis August 2009 von insgesamt 29.696,01 Euro netto an.

4

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Schuldner habe die Gehaltszahlungen ohne Gegenleistung der Beklagten erbracht. Es habe sich um kein normales Arbeitsverhältnis gehandelt, weil der Lohnzahlung keine objektiv gleichwertige Gegenleistung gegenüber gestanden habe. Diese sei darum unentgeltlich iSd. § 134 Abs. 1 InsO erfolgt. Die Leistung werde nicht dadurch entgeltlich, dass sie den Anspruch der Beklagten auf Lohnzahlung erfüllt habe.

5

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 29.696,01 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 11. Juni 2010 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, der Schuldner sei durch die angefochtenen Zahlungen seiner arbeitsvertraglichen Pflicht, den Arbeitsvertrag zu erfüllen, nachgekommen. Die dadurch eingetretene Schuldbefreiung stehe der Lohnzahlung als Gegenwert gegenüber und mache diese entgeltlich. Daran ändere die Freistellung nichts, weil sie den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht berührt habe. Entgeltzahlungen an vertraglich oder einseitig freigestellte Arbeitnehmer dürften keinen geringeren Anfechtungsvoraussetzungen unterliegen als Zahlungen an nicht freigestellte Arbeitnehmer.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das arbeitsgerichtliche Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die zwischen Oktober 2005 und August 2009 erfolgten Entgeltzahlungen unentgeltlich waren und darum der Anfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO unterliegen.

9

I. Nach § 134 InsO sind unentgeltliche Leistungen des Schuldners in den letzten vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens anfechtbar. Leistung des Schuldners in diesem Sinn ist jede Schmälerung des Schuldnervermögens, durch die die Insolvenzgläubiger unmittelbar oder mittelbar benachteiligt werden (BGH 5. März 2015 - IX ZR 133/14 - Rn. 47, BGHZ 204, 231). Die angefochtenen Zahlungen von insgesamt 29.696,01 Euro haben infolge des Vermögensabflusses bei dem Schuldner zu einer objektiven (mittelbaren) Gläubigerbenachteiligung iSd. § 129 Abs. 1 InsO geführt(vgl. BAG 29. Januar 2014 - 6 AZR 345/12 - Rn. 58, BAGE 147, 172).

10

II. Die Anfechtungsfrist ist gewahrt. Wird ein schuldrechtliches Grundgeschäft durch Teilleistungen erfüllt, ist die Anfechtungsfrist für jede Zahlung gesondert zu bestimmen (BGH 13. Februar 2014 - IX ZR 133/13 - Rn. 17). Der Kläger hat allein die seit Oktober 2005 und damit innerhalb der Anfechtungsfrist erfolgten Zahlungen, nicht aber die außerhalb der Anfechtungsfrist liegende Freistellungsvereinbarung und den Arbeitsvertrag angefochten. Auf die insoweit erhobenen Rügen der Revision kommt es somit nicht an.

11

III. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die angefochtenen Zahlungen unentgeltlich erfolgten.

12

1. § 134 Abs. 1 InsO ist von dem Grundgedanken getragen, dass der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung weniger schutzwürdig ist als ein Gläubiger, dessen Forderung ein entgeltliches Geschäft zugrunde liegt. Unentgeltliche Leistungen besitzen darum nur eine mindere anfechtungsrechtliche Bestandskraft (vgl. Geißler ZInsO 2015, 2349, 2351). Der Begriff der Unentgeltlichkeit ist ausgehend von diesem Zweck der gesetzlichen Bestimmung weit auszulegen (BAG 12. September 2013 - 6 AZR 913/11 - Rn. 50, 53; BGH 5. März 2015 - IX ZR 133/14 - Rn. 49, BGHZ 204, 231).

13

2. In einem Zwei-Personen-Verhältnis wie dem vorliegenden ist eine Leistung iSv. § 134 InsO unentgeltlich, wenn ihr nach dem Inhalt des ihr zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts keine Gegenleistung gegenübersteht, dem Leistenden also vereinbarungsgemäß keine dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert oder der eingegangenen Verpflichtung entsprechende Gegenleistung zufließt. Dagegen ist eine Leistung entgeltlich, wenn der Schuldner etwas erhält, was objektiv ein Ausgleich für seine Leistung ist oder das jedenfalls subjektiv nach dem Willen der Beteiligten sein soll (BAG 18. September 2014 - 6 AZR 145/13 - Rn. 20; BGH 2. April 2009 - IX ZR 236/07 - Rn. 16). Ob in diesem Sinn Unentgeltlichkeit vorliegt, lässt sich nicht ohne Berücksichtigung der Abreden zwischen Schuldner und Anfechtungsgegner und ihrer Einschätzung des Werts von Leistung und Gegenleistung feststellen (vgl. BGH 21. Januar 1999 - IX ZR 429/97 - zu I 1 b der Gründe; Ganter NZI 2015, 249, 254). Dabei kommt den Arbeitsvertragsparteien ein angemessener Beurteilungsspielraum zu, soweit sie nicht an gesetzliche oder tarifliche Vorgaben gebunden sind. Ihre subjektive Bewertung muss allerdings eine reale Grundlage haben (vgl. BAG 18. September 2014 - 6 AZR 145/13 - Rn. 46; BGH 18. März 2010 - IX ZR 57/09 - Rn. 9; 2. April 1998 - IX ZR 232/96 - zu II 2 c der Gründe; 13. März 1978 - VIII ZR 241/76 - zu II 2 b bb der Gründe, BGHZ 71, 61; MüKoInsO/Kayser 3. Aufl. § 134 Rn. 40; Ganter NZI 2015, 249, 254 f.). Wird eine Verbindlichkeit aus einem rechtswirksam begründeten entgeltlichen Vertrag erfüllt, ist dies grundsätzlich entgeltlich, weil damit eine Befreiung von der eingegangenen Schuld verbunden ist (vgl. BAG 18. September 2014 - 6 AZR 145/13 - Rn. 42; BGH 12. Juli 1990 - IX ZR 245/89 - zu A I 3 a der Gründe, BGHZ 112, 136; MüKoInsO/Kayser aaO Rn. 26).

14

3. Zahlungen, die im Rahmen eines wirksam geschlossenen Arbeitsverhältnisses als Gegenleistung für die geleistete Arbeit vorgenommen werden, sind nach diesen Maßstäben grundsätzlich entgeltlich (Uhlenbruck/Ede/Hirte 14. Aufl. § 134 InsO Rn. 149 f.). Erfolgt die Entgeltzahlung in der vertraglich geschuldeten Höhe, handelt es sich im Allgemeinen um einen gleichwertigen und damit entgeltlichen Leistungsaustausch (vgl. BAG 29. Januar 2014 - 6 AZR 345/12 - Rn. 52, BAGE 147, 172; BGH 11. Dezember 2003 - IX ZR 336/01 - zu II 2 b der Gründe). Dies gilt auch, soweit gesetzliche oder tarifliche Bestimmungen in Durchbrechung des Grundsatzes „kein Entgelt ohne Arbeit“ eine Entgeltzahlungspflicht ohne Arbeitsleistung vorsehen, wie es bei den von der Beklagten angesprochenen Regelungen zum Urlaubsentgelt, zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle bzw. an Feiertagen oder zur Freistellung von Mandatsträgern (§§ 37 f. BetrVG) der Fall ist, die sich durch zahlreiche weitere Regelungen wie zB § 616 Satz 1 BGB, § 29 TVöD, § 15 BBiG oder § 16 Satz 3 MuSchG ergänzen ließen(zu weiteren Fällen vgl. v. Hoyningen-Huene FS Adomeit 2008 S. 291, 300 ff.; Zundel AR-Blattei SD 725 Freistellung des Arbeitnehmers Stand Februar 2007). Mit derartigen Zahlungen erfüllt der Arbeitgeber lediglich gesetzliche oder tarifliche Verbindlichkeiten, die Teil seiner Hauptleistungspflicht sind und diese zum Erlöschen bringen. Darum sind solche Leistungen in aller Regel entgeltlich (vgl. BGH 19. Januar 2012 - IX ZR 2/11 - Rn. 36 mwN, BGHZ 192, 221; Uhlenbruck/Ede/Hirte § 134 InsO Rn. 150, 43). Entgegen der Annahme der Revision ist bei solchen Leistungen also keine Anfechtung nach § 134 InsO möglich.

15

4. Der Kläger behauptet nicht, dass das Ehegattenarbeitsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Schuldner im September 2003 nur zum Schein geschlossen und bis zur Freistellung der Beklagten nach der Trennung der Eheleute nicht vollzogen wurde (zum Scheingeschäft vgl. BAG 18. September 2014 - 6 AZR 145/13 - Rn. 21 ff.). Er stellt im Gegenteil nicht in Abrede, dass es sich bis zur Freistellung der Beklagten um ein gelebtes, wirksam geschlossenes Arbeitsverhältnis handelte. Zahlungen, die auf dieser Rechtsgrundlage als Gegenleistung für die Arbeitsleistung der Beklagten erfolgt wären, unterlägen darum keiner Anfechtung nach § 134 InsO. Davon geht die Beklagte im Ausgangspunkt zutreffend aus. Sie berücksichtigt bei ihrer Argumentation, der Arbeitsvertrag sei auch nach ihrer Freistellung ein entgeltlicher Vertrag geblieben und der Schuldner sei durch die angefochtenen Entgeltzahlungen von seiner Verbindlichkeit gemäß § 615 Satz 1 BGB iVm. § 611 Abs. 1 BGB befreit worden, aber nicht, dass die Arbeitsvertragsparteien das Arbeitsverhältnis seit Januar 2005 auf eine neue rechtliche Grundlage stellen wollten. Das begründete die Unentgeltlichkeit der fortan geleisteten Zahlungen.

16

a) Das Landesarbeitsgericht hat, ohne dass dies von der Revision angegriffen wird, angenommen, die Freistellung sei mit Billigung der Beklagten erfolgt.

17

b) Damit steht für den Senat bindend fest, dass die streitbefangenen Entgeltzahlungen aufgrund der im Januar 2005 geschlossenen Freistellungsvereinbarung erfolgt sind. Maßgeblich für die Frage, ob diese Zahlungen unentgeltlich waren, ist damit nicht mehr die ursprüngliche, bei Vertragsabschluss getroffene Vereinbarung und die zunächst bestehende rechtliche Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses, sondern allein der seit dem Abschluss dieser Vereinbarung im Januar 2005 bestehende Inhalt der Rechtsbeziehung (vgl. BAG 18. September 2014 - 6 AZR 145/13 - Rn. 41; MüKoInsO/Kayser 3. Aufl. § 134 Rn. 20).

18

aa) Das Landesarbeitsgericht hat allerdings keine Auslegung des Schreibens des Schuldners vom 3. Januar 2005 vorgenommen. Die erforderliche Ermittlung des Inhalts der nach der Feststellung des Landesarbeitsgerichts erfolgten Einigung der Arbeitsvertragsparteien kann der Senat jedoch selbst vornehmen, weil es um den Inhalt einer Vertragsurkunde geht. Besondere Umstände des Einzelfalls, die der Auslegung eine bestimmte, der Beurteilung des Revisionsgerichts entzogene Richtung geben könnten, scheiden aus. Darauf, ob nur eine einzige Auslegung möglich ist, kommt es nicht an. Soweit die erforderliche Auslegung Elemente der Tatsachenfeststellung enthält, ist dem Senat durch die bei Entscheidungsreife durch § 563 Abs. 3 ZPO auferlegte Pflicht zur Sachentscheidung zugleich die hierzu erforderliche tatrichterliche Kompetenz eingeräumt(BAG 24. Februar 2011 - 6 AZR 626/09 - Rn. 27).

19

bb) Der Schuldner stellte die Beklagte mit Schreiben vom 3. Januar 2005 „aus beiderseits eingetretenen persönlichen Gründen“, die in der Trennung der Eheleute begründet waren, bis auf Weiteres von der Arbeit frei. Das sollte unabhängig davon, ob er der Beklagten Arbeit hätte zuweisen können oder Arbeitsmangel bestand, allein aus familiären Gründen erfolgen. Zugleich sagte er die unveränderte Entgeltzahlung zu und stellte klar, dass die Freistellung keine Kündigung beinhalte. Mit dieser Regelung erklärte sich die Beklagte einverstanden.

20

Seit dem 3. Januar 2005 sollte damit das Arbeitsverhältnis durch einen Änderungsvertrag auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt werden. Der Schuldner verzichtete bis zu einem etwaigen Widerruf für die Zukunft auf die Erbringung und das Angebot der Arbeitsleistung der Beklagten (vgl. BAG 18. September 2014 - 6 AZR 145/13 - Rn. 42), verpflichtete sich aber zugleich, trotz fehlender Arbeitsleistung das Arbeitsentgelt zu zahlen (vgl. BAG 29. September 2004 - 5 AZR 99/04 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 112, 120). Das ursprünglich vereinbarte Synallagma von Leistung (Arbeitspflicht der Beklagten) und Gegenleistung (Entgeltzahlungspflicht des Schuldners) sollte aufgelöst, die Arbeitspflicht der Beklagten aufgehoben, der Vertragsinhalt im Übrigen aber unberührt bleiben (vgl. für die unwiderrufliche Freistellung durch Vergleich BAG 23. Januar 2008 - 5 AZR 393/07 - Rn. 13). Eine solche Individualvereinbarung ist in den Grenzen von § 134 und § 138 BGB rechtlich zulässig(vgl. BAG 10. November 1955 - 2 AZR 591/54 - zu II der Gründe, BAGE 2, 221; Preis/Preis Der Arbeitsvertrag 5. Aufl. II F 10 Rn. 7). Insbesondere ist die Beschäftigungspflicht disponibel (st. Rspr. seit BAG GS 27. Februar 1985 - GS 1/84 - zu C I 3 der Gründe, BAGE 48, 122).

21

c) Ob die Änderungsvereinbarung rechtswirksam war, kann dahinstehen.

22

aa) Liegt eine wirksame Freistellungsvereinbarung vor, hatte die darauf erfolgte einvernehmliche, auf familienrechtlichem Hintergrund beruhende und damit atypische Freistellung Schenkungscharakter. Die Arbeitsvertragsparteien waren sich darüber einig, dass die Beklagte für das vom Schuldner gezahlte Arbeitsentgelt keine ausgleichende Gegenleistung erbringen musste. Die Verbindlichkeit war dann unentgeltlich begründet. Das hatte zur Folge, dass alle zur Erfüllung dieser Verbindlichkeit erfolgten Leistungen unentgeltlich iSv. § 134 InsO waren(vgl. BAG 18. September 2014 - 6 AZR 145/13 - Rn. 42; BGH 13. Februar 2014 - IX ZR 133/13 - Rn. 15; Uhlenbruck/Ede/Hirte 14. Aufl. § 134 InsO Rn. 41; MüKoInsO/Kayser 3. Aufl. § 134 Rn. 7, 17; aA Wegener VIA 2014, 63, 64, der die Gegenleistung in dem Einverständnis mit den Zahlungen zur Umsetzung der Trennung sieht).

23

(1) Das - insoweit zutreffende - Argument der Revision, der Schuldner habe mit den angefochtenen Zahlungen seine Verpflichtungen aus der im Januar 2005 geschlossenen Freistellungsvereinbarung erfüllt, die Zahlungen also mit Rechtsgrund erbracht, steht der Annahme der Unentgeltlichkeit der angefochtenen Zahlungen auch dann nicht entgegen, wenn die Vereinbarung wirksam war. Zwar ist jede Leistung, die iSv. § 812 Abs. 1 BGB rechtsgrundlos erfolgt, unentgeltlich iSv. § 134 InsO. Jedoch setzt Unentgeltlichkeit iSv. § 134 InsO nicht voraus, dass die angefochtene Leistung rechtsgrundlos erfolgt ist(BGH 13. Februar 2014 - IX ZR 133/13 - Rn. 15; Ganter NZI 2015, 249; Baumert EWiR 2014, 325, 326). Sonst wären gerade die echten Schenkungen, die einen der Hauptanwendungsfälle des § 134 InsO darstellen(vgl. MüKoInsO/Kayser 3. Aufl. § 134 Rn. 6; Uhlenbruck/Ede/Hirte 14. Aufl. § 134 InsO Rn. 33), nicht erfasst (BGH 13. Februar 2014 - IX ZR 133/13 - aaO). Unentgeltlichkeit kann also entgegen der Annahme der Revision auch dann vorliegen, wenn die Leistung mit Rechtsgrund erfolgt ist.

24

(2) Die von der Revision zur Begründung ihrer Auffassung, das spätere Schicksal der Gegenleistung sei für die Beurteilung der Unentgeltlichkeit nicht relevant, angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs betreffen andere Konstellationen als die vorliegende.

25

(a) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23. Oktober 2003 (- IX ZR 252/01 - BGHZ 156, 350) ist zur Frage der Unentgeltlichkeit im Drei-Personen-Verhältnis ergangen. Zudem befasst sich der Bundesgerichtshof mit den von der Revision herangezogenen Ausführungen unter III 4 a der Gründe nicht mit der Frage der Unentgeltlichkeit, sondern der Ermittlung des Gegenstands der Anfechtung.

26

(b) Die von der Revision herangezogene Passage der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21. Januar 1999 (- IX ZR 429/97 - zu I 1 b der Gründe), wonach eine unentgeltliche Verfügung nicht schon dann bejaht werden kann, wenn der Schuldner zwar Anspruch auf einen seine Leistung ausgleichenden Gegenwert hat, diesen aber nicht erhält, steht der Annahme der Unentgeltlichkeit ebenfalls nicht entgegen. Sie betrifft den hier nicht vorliegenden Fall, in dem Entgeltlichkeit vereinbart ist, die geschuldete - werthaltige - Leistung aber nicht erbracht wird, was allein die Unentgeltlichkeit noch nicht begründet (vgl. BGH 21. Juni 2007 - IX ZR 165/04 -).

27

bb) War die Vereinbarung unwirksam, verzichtete der Schuldner seit Januar 2005 ohne Rechtsgrund auf die Arbeitsleistung. Für eine einseitige Freistellung der Beklagten bestand keine Rechtsgrundlage. Der Arbeitnehmer hat einen von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelten Beschäftigungsanspruch (BAG 24. Juni 2015 - 5 AZR 462/14, 5 AZR 5 AZR 225/14 - Rn. 34). Ein einseitiger Verzicht des Arbeitgebers auf die Arbeitsleistung ist im Gesetz nicht vorgesehen (BAG 19. März 2002 - 9 AZR 16/01 - zu II 2 a der Gründe). Darum ist eine einseitige Suspendierung des Arbeitnehmers im bestehenden Arbeitsverhältnis ohne vertragliche Vereinbarung grundsätzlich nicht zulässig. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Beschäftigung überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen (BAG 9. April 2014 - 10 AZR 637/13 - Rn. 14, BAGE 148, 16; Schaub/Koch ArbR-HdB 16. Aufl. § 109 Rn. 6, 10; Strehlein Freistellungsklauseln S. 41 ff.; vgl. auch Preis/Preis Der Arbeitsvertrag 5. Aufl. II F 10 Rn. 3 ff.). Es ist nicht ersichtlich, dass die im Schreiben des Schuldners vom 3. Januar 2005 erwähnten „beiderseits eingetretenen persönlichen Gründe“, die offensichtlich aus der Ehe der Arbeitsvertragsparteien resultierten, schutzwerte Interessen des Schuldners als Arbeitgeber berührten, die ihn zur einseitigen Freistellung der Beklagten berechtigten. Gleichwohl hat sich die Beklagte gegen ihre Freistellung nicht gewehrt, obwohl der Beschäftigungsanspruch bei rechtswidriger Freistellung gerichtlich durchgesetzt werden kann (Schaub/Koch aaO Rn. 7; vgl. BAG 16. Juli 2013 - 9 AZR 50/12 - Rn. 21; zur prozessualen Durchsetzung vgl. BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 313/11 - Rn. 18; zur [vorläufigen] Vollstreckung vgl. BAG 24. Juni 2015 - 5 AZR 462/14, 5 AZR 5 AZR 225/14 - Rn. 37). Damit lag weder eine der Entgeltzahlung gleichwertige Gegenleistung noch zumindest das Angebot einer solchen oder der Versuch, den nach wie vor bestehenden Beschäftigungsanspruch durchzusetzen, vor. Die Beklagte hat auch nicht eingewandt, dass der Schuldner sie unabhängig von der im Januar 2005 geschlossenen Vereinbarung nicht hätte beschäftigen können. Insbesondere hat sie nicht geltend gemacht, dass ihre Beschäftigung wegen Arbeitsmangels nicht möglich gewesen wäre. Die Fortzahlung der ungeschmälerten Vergütung war darum bei Unwirksamkeit der Vereinbarung mangels Gegenleistung oder zumindest eines Angebots der Arbeitsleistung eine unentgeltliche Leistung iSv. § 134 InsO(vgl. BAG 18. September 2014 - 6 AZR 145/13 - Rn. 42).

28

5. Entgegen der Annahme der Revision hat ein solches Verständnis der Unentgeltlichkeit iSv. § 134 InsO nicht zur Folge, dass in allen Fällen einer Freistellung das in dieser Zeit gezahlte Entgelt der Anfechtung nach § 134 InsO unterliegt. Ebenso wenig trifft die im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom Kläger vertretene Ansicht uneingeschränkt zu, in den Fällen des § 615 BGB stehe dem Insolvenzverwalter mit § 134 InsO stets ein zusätzlicher Anfechtungsgrund zur Verfügung. Vielmehr ist insoweit zu differenzieren.

29

a) Kann der Arbeitgeber wegen Arbeitsmangels den Arbeitnehmer nicht beschäftigen und stellt ihn deshalb faktisch von der Verpflichtung, die Arbeitsleistung anzubieten und zu erbringen, frei, gerät er dadurch in Annahmeverzug gemäß § 615 Satz 1 BGB iVm. § 611 Abs. 1 BGB. Im Unterschied zum Fall der Beklagten, die trotz bestehender Beschäftigungsmöglichkeit ohne tragenden Grund einvernehmlich freigestellt war, will und soll der Arbeitnehmer im Fall des Arbeitsmangels an sich beschäftigt werden, kann das aber aus objektiven Gründen nicht. Erfüllt der Arbeitgeber durch die Entgeltzahlung den gesetzlichen Annahmeverzugsanspruch, handelt es sich nach vorstehend entwickelten Grundsätzen um eine entgeltliche Leistung, die nicht der Anfechtung nach § 134 InsO unterliegt(vgl. BAG 18. September 2014 - 6 AZR 145/13 - Rn. 42).

30

b) Beschäftigt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach einer Kündigung nicht und erfüllt nach verlorenem Kündigungsschutzprozess die im Wege des Annahmeverzugs nach § 615 Satz 1 BGB entstandenen Entgeltansprüche, liegt eine entgeltliche Leistung vor. Sieht der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr oder hält er die Beschäftigung für unzumutbar, zieht er mit der Kündigung die sich aus dem Charakter des Arbeitsverhältnisses als Austauschverhältnis ergebende Konsequenz. Der Arbeitnehmer zeigt mit der Kündigungsschutzklage seine Leistungsbereitschaft und setzt mit der Klage nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur BAG 15. Mai 2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 22) den Arbeitgeber gemäß §§ 295, 296 Satz 1 BGB in Annahmeverzug. Die Erfüllung dieses gesetzlichen Anspruchs ist eine entgeltliche Leistung.

31

c) Erfolgt die Freistellung aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs, typischerweise zur Beendigung eines Kündigungsschutzprozesses, sind die in Erfüllung dieses Vergleichs für die Zeit der Freistellung geleisteten Entgeltzahlungen in der Regel entgeltlich. Wird der Vergleich abgeschlossen, um die bei verständiger Würdigung des Sachverhalts und/oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit über den Ausgang des Rechtsstreits durch gegenseitiges Nachgeben zu beseitigen, ist im Allgemeinen zu vermuten, dass die getroffene Regelung die gegenseitigen Interessen ausgewogen berücksichtigt und das gegenseitige Nachgeben in der ungewissen Sach- und Rechtslage begründet ist. Das begründet die Entgeltlichkeit der in Erfüllung des Vergleichs geleisteten Zahlungen. Dabei kommt den Prozessparteien für ihr gegenseitiges Nachgeben ein erheblicher Ermessens- und Beurteilungsspielraum zu. Das vergleichsweise Nachgeben kann nur dann ausnahmsweise als unentgeltliche Leistung gewertet werden, wenn der Vergleichsinhalt den Bereich verlässt, der bei objektiver Beurteilung ernstlich zweifelhaft sein kann, oder wenn sich der Arbeitgeber ohne Ungewissheit der Sach- und Rechtslage allein infolge eines Liquiditätsengpasses bereit findet, das Arbeitsverhältnis durch Vergleich unter Freistellung des Arbeitnehmers zu beenden, und die Vorteile des Vergleichs das Nachgeben des Arbeitgebers nicht aufwiegen (vgl. BGH 18. Juli 2013 - IX ZR 198/10 - Rn. 20). Eine derartige Konstellation dürfte jedenfalls in einem Kündigungsschutzprozess in aller Regel nicht vorliegen. Eine unentgeltliche Leistung liegt bei Zahlungen auf eine vergleichsweise vereinbarte Freistellung darum grundsätzlich nicht vor.

32

d) Dieselben Grundsätze gelten für die im Rahmen eines Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrags erfolgte Freistellung.

33

e) Erhält der Arbeitnehmer im Rahmen einer Altersteilzeitvereinbarung in der Freistellungsphase Entgelt, handelt es sich dabei um entgeltliche Leistungen. Der Arbeitnehmer hat die geschuldete Gegenleistung bereits in der Arbeitsphase erbracht. Eine Anfechtung nach § 134 InsO scheidet deshalb aus(BAG 18. Juli 2013 - 6 AZR 47/12 - Rn. 65, BAGE 146, 1). Das gilt grundsätzlich auch, wenn die Freistellung unter Anrechnung auf ein (Langzeit-)Arbeitszeitkonto erfolgt.

34

f) In der Gesamtschau dieser - hier nicht abschließend aufgeführten - Freistellungstatbestände kommt eine Anfechtung von Entgeltzahlungen an den freigestellten Arbeitnehmer nur in Ausnahmefällen in Betracht, nämlich vor allem dann, wenn - wie hier - eine Freistellung ohne nachvollziehbares gegenseitiges Nachgeben erfolgt.

35

6. § 134 InsO ist in vorstehender Auslegung entgegen der Annahme der Revision verfassungskonform.

36

a) § 134 InsO ist eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung iSv. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, die, wie ausgeführt, mit der Erleichterung der Anfechtung insbesondere dem Gedanken Rechnung trägt, dass eine unentgeltliche Zuwendung weniger schutzwürdig ist als ein Erwerb, für den der Empfänger ein ausgleichendes Vermögensopfer zu erbringen hatte(vgl. für § 131 InsO BAG 27. Februar 2014 - 6 AZR 367/13 - Rn. 25). Das entspricht einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, der außerhalb des Insolvenzrechts zB in §§ 528, 816 Abs. 1 Satz 2, §§ 822, 988, 2287 und 2325 BGB Niederschlag gefunden hat(BGH 25. Juni 1992 - IX ZR 4/91 - zu II 4 der Gründe; Geißler ZInsO 2015, 2349, 2351), und gilt auch für Fälle der vorliegenden Art, in denen der Arbeitnehmer - abweichend von der für das Arbeitsverhältnis typischen Austauschsituation - für das erhaltene Entgelt ohne rechtfertigenden Grund keine Arbeitsleistung erbringen muss. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber mit § 134 InsO die Grundentscheidung getroffen, die Gläubiger entgeltlich begründeter Rechte vor den Folgen unentgeltlicher Verfügungen des Schuldners in den letzten vier Jahren vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung zu schützen(vgl. BGH 5. März 2015 - IX ZR 133/14 - Rn. 49, BGHZ 204, 231) und ihnen den Vorrang vor den Interessen der betroffenen, durch eine unentgeltliche Leistung begünstigten Arbeitnehmer zu geben. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Aus demselben Grund ist auch Art. 12 Abs. 1 GG nicht verletzt.

37

b) Die Revision macht zu Unrecht geltend, die Verfassung gebiete es in der vorliegenden Konstellation, das Existenzminimum anfechtungsfrei zu lassen.

38

aa) Der Senat hat offengelassen, ob bei kongruenten Deckungen nach einem bargeschäftsähnlichen Leistungsaustausch das von Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Existenzminimum anfechtungsfrei zu stellen ist und ob bejahendenfalls die §§ 129 ff. InsO insoweit verfassungskonform ausgelegt werden könnten oder ob eine Vorlage nach Art. 100 GG an das Bundesverfassungsgericht erforderlich wäre(vgl. BAG 29. Januar 2014 - 6 AZR 345/12 - Rn. 17 ff., BAGE 147, 172; zustimmend wohl Huber EWiR 2014, 291, 292; darstellend Krause Liber Amicorum für W. Henckel 2015 S. 163, 177 ff.; ablehnend BGH 10. Juli 2014 - IX ZR 192/13 - Rn. 28 ff., BGHZ 202, 59; Klinck Anm. AP InsO § 133 Nr. 2 unter II; Lütcke NZI 2014, 350, 351, der allerdings eine Auseinandersetzung mit dieser Rechtsfrage „im Einzelnen“ erst dann für erforderlich hält, „wenn es darauf ankommt“; für die Freistellung des Existenzminimums auch in einem Fall inkongruenter Deckung LAG Köln 6. März 2015 - 4 Sa 726/14 - juris-Rn. 51 ff. [rkr.]).

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bb) Dies bedarf auch vorliegend keiner Entscheidung. Die Erwägungen, die eine solche Freistellung des Existenzminimums begründen könnten, treffen auf die vorliegende Fallgestaltung entgegen der Annahme der Revision nicht zu. Die Arbeitsvertragsparteien haben mit der Vereinbarung vom Januar 2005 die Entgeltzahlungspflicht - abweichend vom Regelfall des Arbeitsverhältnisses - aus dem Synallagma gelöst und im Ergebnis eine einseitige, von jeglicher Gegenleistung der Beklagten unabhängige Leistungspflicht des Schuldners geregelt. Sie haben sich einvernehmlich dafür entschieden, trotz des Scheiterns ihrer Ehe und der darauf beruhenden Aufhebung der Arbeitspflicht der Beklagten formal am Arbeitsverhältnis als Rechtsgrundlage der künftig vom Schuldner an die Beklagte zu leistenden Zahlungen festzuhalten. Das mag, wie das Landesarbeitsgericht ausgeführt hat, ohne dass dagegen Revisionsangriffe geführt werden, darauf beruht haben, dass beide Parteien von dieser Handhabung Vorteile hatten. Es spricht viel dafür, dass die Beklagte versorgt werden sollte (vgl. Wegener VIA 2014, 63, 64), indem sie weiterhin sozialversichert war. Im Gegenzug profitierte der Schuldner steuerlich. Hätten die Beklagte und der Schuldner aber nicht im beiderseitigen Interesse am - sinnentleerten - Arbeitsverhältnis festgehalten, sondern hätte der Schuldner der Beklagten den gesetzlich geschuldeten Unterhalt gezahlt, hätte dies als Erfüllung eines gesetzlichen Anspruchs nicht angefochten werden können (MüKoInsO/Kayser 3. Aufl. § 134 Rn. 36; Uhlenbruck/Ede/Hirte 14. Aufl. § 134 InsO Rn. 138). An der Wahl dieses Vertragstypus, die erst das vorliegend verwirklichte Risiko einer erleichterten Anfechtung nach § 134 InsO auslöste, muss sich die Beklagte anfechtungsrechtlich festhalten lassen. Ein aus verfassungsrechtlichen Erwägungen resultierendes Bedürfnis zum Schutz des Existenzminimums besteht dabei nicht, weil bei einer der Beklagten möglichen Gestaltung das Existenzminimum anfechtungsfrei hätte erlangt werden können.

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7. Auf eine Entreicherung nach § 143 Abs. 2 InsO beruft sich die Beklagte nicht.

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IV. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1 BGB.

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V. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Lorenz    

        

    Lauth