Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Juni 2011 - IX ZR 35/10

bei uns veröffentlicht am30.06.2011
vorgehend
Landgericht Koblenz, 15 O 67/07, 09.04.2008
Oberlandesgericht Koblenz, 8 U 557/08, 22.01.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 35/10
vom
30. Juni 2011
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, den Richter Vill, die Richterin Lohmann, die Richter
Dr. Fischer und Dr. Pape
am 30. Juni 2011

beschlossen:
Auf die Beschwerde der Klägerin wird die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 22. Januar 2010 zugelassen.
Das genannte Urteil wird im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben , als das Berufungsgericht die gegen den Beklagten zu 1 gerichtete Klage für unbegründet angesehen hat. In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die gesamten Kosten des Beschwerde- und Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerde- und Revisionsverfahrens wird auf 550.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Klägerin war Eigentümerin eines Grundstücks, auf dem sich eine Bimssteinfertigungsanlage befand. Beides wollte sie verkaufen. Sie beauftragte den Beklagten zu 3 als Makler. Dem Beklagten zu 1, einem Rechtsanwalt, erteilte sie wenig später "Handlungsvollmacht sowie Verhandlungsvollmacht" mit der Einschränkung, dass "bei entsprechenden Kaufangeboten […] Zustimmung nur in Absprache" mit der Klägerin erfolgen dürfe. Am 31. Januar 2006 veräußerte die Klägerin - vertreten durch den Beklagten zu 1 - die Anlage für 30.000 € an ein kasachisches Unternehmen, das der Beklagte zu 2 vertrat.
2
Die Klägerin macht geltend, der Beklagte zu 1 habe die Anlage ohne ihre Zustimmung zum Preis von 30.000 € verkauft, obwohl er den wesentlich höheren Wert der Anlage und die gleichfalls höhere Kaufpreisvorstellung der Klägerin gekannt habe. Alle drei Beklagten hätten kollusiv zusammengewirkt, um die Klägerin zu schädigen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme sei es überzeugt, dass das Landgericht die Klägerin darauf hingewiesen habe, sie sei nunmehr darlegungs- und beweispflichtig für ihre Behauptung , der Beklagte zu 1 habe den Kaufvertrag ohne ihre ausdrückliche Zustimmung abgeschlossen. Ihr im Berufungsrechtszug erstmals geltend gemachtes Vorbringen, sie sei am 31. Januar 2006 erst um 12.00 Uhr von einem Friseurtermin nach Hause gekommen, wo sie der Zeuge A. W. bereits erwartet habe, der bestätigen könne, das sie kein Telefongespräch mit dem Be- klagten zu 1 geführt habe, werde gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen.

II.


3
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie richtet sich, wie aus der Beschwerdebegründung ersichtlich, nur noch gegen den Beklagten zu 1. Die im Hinblick auf die keine Beschränkung aufweisende Beschwerdeschrift sich zunächst auch gegen die Beklagten zu 2 und zu 3 richtende Beschwerde (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2006 - II ZB 5/05, NJW-RR 2006, 1569 Rn. 9; vom 9. September 2008 - VI ZB 53/07, NJW-RR 2009, 208 Rn. 5; vom 11. Mai 2010 - VIII ZB 93/09, NJW-RR 2011, 281 Rn. 11) hat die Klägerin, wie sich aus der nur mit dem Beklagten zu 1 befassenden Begründung der Beschwerdeschrift eindeutig ergibt, konkludent zurückgenommen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Mai 2011 - IX ZR 207/08, Rn. 2, nv). Die gegen den Beklagten zu 1 gerichtete Beschwerde führt zur Zulassung der Revision sowie zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 544 Abs. 7 ZPO).
4
1. Das Berufungsgericht hat mit der Zurückweisung des Beweisantritts der Klägerin deren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Ihm war es verwehrt , zur Frage Beweis zu erheben, ob das Landgericht die Klägerin auf deren Darlegungs- und Beweislast hingewiesen hat.
5
a) Nach der Vorschrift des § 139 Abs. 4 Satz 2 ZPO kann die Erteilung rechtlicher Hinweise nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Sofern diese die Erteilung eines Hinweises nicht hinreichend dokumentieren, gilt dieser als nicht erteilt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 2005 - II ZR 366/03, NJW-RR 2005, 1518). Wie bereits die Begründung des Regierungsentwurfs zu dieser Vorschrift ausführt (BT-Drucks. 14/4722, S. 78), darf daher kein Beweis erhoben werden zur Frage, ob die Vorinstanz einen Hinweis erteilt hat (OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 2004, 428, 429; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 139 Rn. 105; Musielak/Stadler, ZPO, 8. Aufl., § 139 Rn. 28). Die vom Berufungsgericht aus der Vernehmung der Mitglieder des Prozessgerichts der ersten Instanz und der übrigen benannten Zeugen gewonnene Überzeugung, wonach das Landgericht in der mündlichen Verhandlung vom 5. März 2008 den erforderlichen Hinweis erteilt habe, trägt daher die Zurückweisung des angeführten Beweisantritts im Berufungsverfahren nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht.
6
b) Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist auch nicht aus anderen Gründen richtig. Durch das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 5. März 2008, wonach die Kammer "die behauptete Pflichtverletzung, insbesondere im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislasten" erörtert habe, wird die Erteilung eines ausreichenden Hinweises nicht gemäß § 139 Abs. 4 Satz 2 ZPO durch den Akteninhalt nachgewiesen.
7
Das Gericht genügt seiner Hinweispflicht nicht, wenn es lediglich allgemeine oder pauschale Hinweise erteilt (BGH, Urteil vom 22. September 2005 - VII ZR 34/04, BGHZ 164, 167, 173). Ausnahmsweise kann ein bloßer Protokollvermerk über die Erörterung der Sach- und Rechtslage als Dokumentation des Hinweises auf Bedenken gegen die Schlüssigkeit ausreichen, wenn sich die Erteilung eines solchen Hinweises auch aus dem anschließenden Schriftsatz einer Prozesspartei ergibt (BGH, Urteil vom 13. Juli 2005 - IV ZR 47/04, FamRZ 2005, 1555, 1556). Vorliegend lässt sich weder aus dem angeführten Verhandlungsprotokoll noch aus dem sonstigen Akteninhalt verlässlich er- schließen, das Landgericht habe einen ausreichenden Hinweis erteilt. Die protokollierte Erörterung der Darlegungs- und Beweislast belegt nicht, dass die Klägerin darauf hingewiesen wurde, nach dem nun erfolgten substantiierten Vortrag des Beklagten zu 1 habe nunmehr die Klägerin die von ihr behauptete negative Tatsache dazulegen und nachzuweisen. Auch ergeben sich aus der Akte keine weiteren Anzeichen dafür, dass das Landgericht hierauf hingewiesen hat.
8
2. Die Gehörsverletzung ist auch entscheidungserheblich. Dies ist dann anzunehmen, wenn nicht auszuschließen ist, das Gericht hätte bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden (BGH, Urteil vom 18. Juli 2003 - V ZR 187/02, WM 2004, 46, 47). Hätte das Berufungsgericht den weiteren Sachvortrag und Beweisantritt der Klägerin im Berufungsrechtszug zugelassen, so hätte es sich möglicherweise im Rahmen der gebotenen Beweisaufnahme davon überzeugen können, dass die Klägerin die vom Beklagten zu 1 behauptete Zustimmung zu dem streitgegenständlichen Kaufvertrag nicht erteilt hat (vgl. hierzu G. Fischer in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Beweislast, 2. Aufl., Rn. 960).
Kayser Vill Lohmann
Fischer Pape

Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 09.04.2008 - 15 O 67/07 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 22.01.2010 - 8 U 557/08 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Juni 2011 - IX ZR 35/10

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Juni 2011 - IX ZR 35/10

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 531 Zurückgewiesene und neue Angriffs- und Verteidigungsmittel


(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen. (2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie1.einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht

Zivilprozessordnung - ZPO | § 139 Materielle Prozessleitung


(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über
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Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

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(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

9
2. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass sich die Berufung nicht nur gegen die "F. Direkt Vertriebs GmbH" (Beklagte zu 1), sondern auch gegen die Beklagte zu 2 - in dem angefochtenen Urteil als "F. AG & Co. KG" bezeichnet - richten sollte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind an die Bezeichnung des Rechtsmittelbeklagten keine strengen Anforderungen zu stellen. Bei - wie hier - mehreren obsiegenden Streitgenossen ist im Zweifel davon auszugehen, dass sich das Rechtsmittel gegen alle Streitgenossen richtet, es sei denn, dass die Rechtsmittelschrift - wie hier nicht - eine Beschränkung der Anfechtung erkennen lässt (BGH, Urt. v. 8. November 2001 - VII ZR 65/01, NJW 2002, 831, 832; v. 15. März 2005 - XI ZR 297/04, Urteilsumdruck S. 8).
5
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist den Anforderungen des § 519 Abs. 2 ZPO nur genügt, wenn bei der Einlegung der Berufung aus der Berufungsschrift sowohl der Rechtsmittelkläger als auch der Rechtsmittelbeklagte erkennbar sind oder - ggf. aus anderen im Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsfrist vorliegenden Unterlagen - eindeutig erkennbar werden. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist die Berufung unzulässig (vgl. BGHZ 21, 168, 170 ff.; 65, 114, 115; 113, 228, 230; BGH, Urteil vom 14. Februar 2008 - III ZR 73/07 - juris Rn. 6; Beschluss vom 10. Oktober 2006 - XI ZB 14/06 - NJW-RR 2007, 413, 414). An die Bezeichnung des Rechtsmittelgegners sind indessen jedenfalls in denjenigen Fallgestaltungen, in denen der in der Vorinstanz obsiegende Gegner aus mehreren Streitgenossen bestand , keine strengen Anforderungen zu stellen. Unter solchen Umständen richtet sich das Rechtsmittel im Zweifel gegen die gesamte angefochtene Entscheidung , d.h. gegen alle gegnerischen Streitgenossen. Etwas anderes gilt nur, wenn die Rechtsmittelschrift eine Beschränkung der Anfechtung erkennen lässt (vgl. Senatsurteil vom 21. Juni 1983 - VI ZR 245/81 - VersR 1983, 984, 985; BGH, Urteile vom 19. März 1969 - VIII ZR 63/67 - NJW 1969, 928 f.; vom 16. November 1993 - XI ZR 214/92 - NJW 1994, 512, 514 unter B. II. 1., insoweit in BGHZ 124, 151 nicht abgedruckt; vom 8. November 2001 - VII ZR 65/01 - NJW 2002, 831, 832; vom 14. Februar 2008 - III ZR 73/07 - aaO; Beschluss vom 15. Mai 2006 - II ZB 5/05 - NJW-RR 2006, 1569, 1570). Eine solche Beschränkung kann sich, wenn auf der Gegenseite mehrere Streitgenossen stehen, beispielsweise daraus ergeben, dass in der Rechtsmittelschrift nur einige von ihnen angegeben werden (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 1969 - VIII ZR 63/67 - aaO, 929).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 93/09
vom
11. Mai 2010
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
An die Bezeichnung des Rechtsmittelgegners sind weniger strenge Anforderungen
als an die Bezeichnung des Rechtsmittelklägers zu stellen. Jedenfalls in
denjenigen Fallgestaltungen, in denen der in der Vorinstanz obsiegende Gegner
aus mehreren Streitgenossen besteht, richtet sich das Rechtsmittel im Zweifel
gegen die gesamte angefochtene Entscheidung und somit gegen alle gegnerischen
Streitgenossen, es sei denn, die Rechtsmittelschrift lässt eine Beschränkung
der Anfechtung erkennen (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 15. Mai
2006 - II ZB 5/05, NJW-RR 2006, 1569; Urteil vom 14. Februar 2008 - III ZR
73/07, juris; Beschluss vom 9. September 2008 - VI ZB 53/07, NJW-RR 2009,
208).
BGH, Beschluss vom 11. Mai 2010 - VIII ZB 93/09 - LG Düsseldorf
AG Düsseldorf
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Mai 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, die Richterinnen Dr. Milger, Dr. Hessel und
Dr. Fetzer sowie den Richter Dr. Bünger

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 23. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 16. November 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dem Beklagten wird ab Antragstellung Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens unter Beiordnung von Rechtsanwältin Schäfer bewilligt. Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 4.739,87 €

Gründe:

1

I.

Die klagende Gesellschaft bürgerlichen Rechts hat den Beklagten auf Zustimmung zur Freigabe eines beim Amtsgericht Münster hinterlegten Betrages von 4.739,87 € (Übersetzerhonorar) in Anspruch genommen. Der Beklagte hat widerklagend Auszahlung der hinterlegten Summe an sich verlangt. Das Amtsgericht hat der Klage mit Versäumnisurteil vom 22. August 2007 stattge-
geben und die Widerklage abgewiesen. Auf den Einspruch des Beklagten hat es mit weiterem Urteil vom 2. Juli 2008 das Versäumnisurteil aufrechterhalten. In beiden Urteilen ist die Klägerseite entsprechend den Angaben in der Klageschrift wie folgt bezeichnet: "1. … T. G. , handelnd unter der Firma A. G. H. GbR, M. weg , D. , 2. … K. H. , handelnd unter der Firma A. G. H. GbR, M. weg , D. , - Kläger und Widerbeklagte - Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte H. & L. , B. straße , D. "
2
Gegen das ihm am 23. Juli 2008 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit einem am Montag, den 25. August 2008 per Fax beim Landgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt. Der Rechtsmittelbeklagte ist dabei wie folgt bezeichnet worden: "T. G. , M. weg , D. , - Kläger und Berufungsbeklagter - Bevollmächtigter: Rechtsanwälte H. L. , B. straße , D. "
3
Der Berufungsschrift war eine Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt. In den nachfolgenden Schriftsätzen ist die Klägerseite mit "T. G. und K. H. " bezeichnet worden. Diese hat weder die Parteibezeichnung in der Berufungsschrift noch die Bezeichnung in den nachfolgenden Schriftsätzen des Beklagten beanstandet. Mit Beschluss vom 27. Mai 2009 hat das Landgericht dem Beklagten Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens bewilligt. Nach mündlicher Verhandlung vom gleichen Tag hat es einen Beweisbeschluss erlassen, diesen jedoch nicht ausgeführt, sondern mit Hinweisbeschluss vom 29. September 2009 Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung wegen unzureichender Bezeichnung des/der Berufungsbeklagten erhoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Angaben in der Berufungsschrift weckten ernsthafte Zweifel daran, dass sich das Rechts4 mittel auch auf den Kläger Ziffer 2 (H. ) erstrecke. Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Berufungsbeklagte sei nicht bestimmbar bezeichnet. Es sei nicht erkennbar, dass sich das Rechtsmittel gegen die Partei "A. G. -H. GbR" richte. Die Berufungsschrift benenne den Berufungsbeklagten nicht nur ungenau oder unvollständig, sondern bezeichne ein anderes Rechtssubjekt. Ob es sich hierbei um einen beabsichtigten Parteiwechsel oder um ein bloßes Versehen handele, lasse sich weder der Berufungsschrift noch den ersten beiden Seiten des erstinstanzlichen Urteils entnehmen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht , weil die Berufung nicht wegen Versäumung der Einlegungsfrist, sondern wegen inhaltlicher Mängel des rechtzeitig eingegangenen Schriftsatzes als un5 zulässig zu verwerfen sei. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde, zu deren Durchführung er Prozesskostenhilfe beantragt. Er verweist darauf, dass die Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung an die Bezeichnung des Rechtsmittelbeklagten weniger streng seien als an die genaue Bezeichnung des Rechtsmittelklägers. Im Zweifel richte sich eine uneingeschränkt ein- gelegte Berufung gegen alle in der Vorinstanz erfolgreichen Prozessgegner. So lägen die Dinge auch hier. Das Rechtsmittel sei vorliegend ausweislich der Berufungsschrift uneingeschränkt eingelegt worden. Die in erster Instanz obsiegenden Kläger seien der beigefügten Ausfertigung des angefochtenen Urteils zu entnehmen gewesen. Hierbei habe es sich - wie auch das Berufungsgericht in seinem Hinweisbeschluss angenommen habe - um Mitglieder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und damit um notwendige Streitgenossen gehandelt. Damit sei der Rechtsmittelgegner ausreichend bezeichnet worden.
6

II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beru7 fungsgericht. 1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gefordert ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Der angefochtene Beschluss verletzt den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch des Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Dieser verbietet es den Gerichten, einer Partei den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. dazu BVerfGE 77, 275, 284; 74, 228, 234; BVerfG, NJW 2005, 814, 815; Senatsbeschluss vom 27. September 2005 - VIII ZB 105/04, NJW 2005, 3775, unter II 1; BGHZ 151, 221, 227; BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, unter II 1 bb; jeweils m.w.N.).
8
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zu Unrecht nach § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig
9
verworfen.
a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass zum notwendigen Inhalt der Berufungsschrift nach § 519 Abs. 2 ZPO neben den weiteren , gesetzlich normierten Voraussetzungen auch die Angabe gehört, für und gegen welche Partei das Rechtsmittel eingelegt wird. Die Berufungsschrift muss entweder für sich allein betrachtet oder mit Hilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig erkennen lassen, wer Berufungskläger und wer Berufungsbeklagter sein soll (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 12. Januar 2010 - VIII ZB 64/09, juris, Tz. 5; BGH, Beschluss vom 13. März 2007
10
- XI ZB 13/06, FamRZ 2007, 903, Tz. 7 m.w.N.). aa) An die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers sind strenge Anforderungen zu stellen; bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung muss jeder Zweifel an der Person des Rechtsmittelklägers ausgeschlossen sein (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 15. November 2001 - I ZR 74/99, BGHReport 2002, 655; Senatsbeschlüsse vom 6. Dezember 2005 - VIII ZB 30/05, juris, Tz. 4; vom 9. April 2008 - VIII ZB 58/06, NJW-RR 2008, 1161, Tz. 5; vom 12. Januar 2010, aaO). Dabei sind, wie auch sonst bei der Ausdeutung von Prozesserklärungen, alle Umstände des jeweili11 gen Einzelfalls zu berücksichtigen. bb) An die Bezeichnung des Rechtsmittelgegners sind dagegen weniger strenge Anforderungen zu stellen. Jedenfalls in denjenigen Fallgestaltungen, in denen der in der Vorinstanz obsiegende Gegner aus mehreren Streitgenossen besteht, richtet sich das Rechtsmittel im Zweifel gegen die gesamte angefochtene Entscheidung und somit gegen alle gegnerischen Streitgenossen, es sei denn, die Rechtsmittelschrift lässt eine Beschränkung der Anfechtung erkennen (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2006 - II ZB 5/05, NJW-RR 2006, 1569, Tz. 9; Urteil vom 14. Februar 2008 - III ZR 73/07, juris, Tz. 6; Beschluss vom 9. September 2008 - VI ZB 53/07, NJW-RR 2009, 208, Tz. 5; vgl. ferner Urteil vom
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8. November 2001 - VII ZR 65/01, NJW 2002, 831, unter II 1; jeweils m.w.N.). Eine solche Beschränkung kann sich, wenn auf der Gegenseite mehrere Streitgenossen stehen, daraus ergeben, dass in der Rechtsmittelschrift nur einige von ihnen angegeben werden (BGH, Beschluss vom 9. September 2008, aaO). Dies ist jedoch nicht zwingend. Der Bundesgerichtshof hat eine unbeschränkte Berufungseinlegung auch in Fällen bejaht, in denen als Rechtsmittelgegner nur einer von mehreren Streitgenossen, und zwar der im Urteilsrubrum an erster Stelle Stehende genannt wurde (BGH, Urteile vom 8. November 2001, aaO; vom 21. Juni 1983 - VI ZR 245/81, NJW 1984, 58, unter III 1; jeweils m.w.N.). Letztlich kommt es für die Frage, ob eine Beschränkung der Anfechtung gewollt ist, auf eine verständige Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist an. Dabei können sich aus einer beigefügten Ausfertigung oder beglaubigten Abschrift des angefochtenen Urteils häufig entscheidende Hinweise auf den Umfang der Anfechtung ergeben. Hierbei kommt insbesondere der Frage Bedeutung zu, ob eine Beschränkung des Rechtsmittelangriffs auf einen Teil der bisherigen Prozessgegner in Anbetracht des der Vorinstanz unterbreiteten Streitstoffs ungewöhnlich oder gar fern liegend erscheint (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 9. September 2008, aaO, Tz. 7; BGH, Urteil vom 11. Juli 2003 - V ZR 233/01, NJW 2003,
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3203, unter II).
b) Gemessen an diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen, es sei innerhalb der Berufungsfrist nicht hinreichend zu erkennen gewesen, gegen welche Personen sich das Rechtsmittel richten solle.
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aa) Das Berufungsgericht hat zum einen bemängelt, es sei nicht erkennbar , dass sich die Berufung gegen die Partei "A. G. -H. GbR" richte. Eine Klarstellung, dass sich das Rechtsmittel gegen diese Gesellschaft richtet, war aber vom Berufungsführer schon deswegen nicht zu verlangen, weil schon das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil nicht die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Partei bezeichnet, sondern - den Angaben in der Klageschrift folgend - deren Gesellschafter als notwendige Streitgenossen aufgeführt hat. Diese nicht mehr der geltenden Rechtslage entsprechende Parteibezeichnung erfordert zwar im Hinblick auf die zwischenzeitlich anerkannte Teilrechtsfähigkeit einer (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts (vgl. hierzu BGHZ 146, 341) eine Rubrumsberichtigung dahin, dass anstelle der Gesellschafter als notwendige Streitgenossen nunmehr die Gesellschaft Partei ist (vgl. hierzu etwa BGH, Urteil vom 15. Januar 2003 - XII ZR 300/99, NJW 2003, 1043, unter I a; BGH, Beschluss vom 11. Juni 2008 - XII ZR 136/05, juris, Tz. 1). Dies bedeutet aber nicht, dass von einem Rechtsmittelkläger zu verlangen ist, die notwendige Berichtigung der Bezeichnung der gegnerischen Partei von sich aus schon bei Rechtsmitteleinlegung vorzunehmen. Vielmehr darf er darauf vertrauen, dass das Rechtsmittelgericht die erforderliche Rubrumsberichtigung später von Amts wegen vornimmt. Der Beklagte hätte sich also in seiner Berufungsschrift damit begnügen dürfen, die im angefochtenen Urteil verwendete Parteibezeichnung
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zu übernehmen. bb) Soweit das Berufungsgericht weiter beanstandet, dass in der Berufungsschrift nur der im angefochtenen Urteil an erster Stelle aufgeführte Gesellschafter - und zwar ohne Hinweis auf seine Gesellschafterstellung - als Rechtsmittelgegner aufgeführt worden ist, überspannt es ebenfalls die Anforderungen an die Bestimmbarkeit des Rechtsmittelgegners. Wie sich den weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts entnehmen lässt, hat es zur Auslegung der in der Berufungsschrift enthaltenen Erklärungen nicht den gesamten Inhalt des als Anlage zur Berufungsschrift übermittelten erstinstanzlichen Urteils, sondern nur die ersten beiden Seiten dieser Entscheidung herangezogen. Damit hat es die ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen nicht vollständig
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ausgeschöpft. Den auf Seite 4 des angefochtenen Urteils aufgeführten Anträgen der Parteien ist zu entnehmen, dass sich die Parteien gegenseitig auf Zustimmung zur Freigabe eines beim Amtsgericht hinterlegten Geldbetrags in Anspruch nehmen. Da die Freigabe hinterlegten Geldes eine Beteiligung aller Forderungsprätendenten voraussetzt, wäre eine Beschränkung eines Rechtsmittels auf einen von mehreren siegreichen Prozessgegnern sinnlos. Dieser Gesichtspunkt ist - anders als bloße Zweckmäßigkeitserwägungen - bei der Auslegung einer Rechtsmittelschrift zu beachten (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2003, aaO). Weiter hat das Amtsgericht auf Seite 7 des angefochtenen Urteils klargestellt, dass es in Anbetracht des gemeinsamen Vorgehens der beiden Kläger davon ausgeht, dass der Kläger zu 1 (G. ) seinen Anspruch in die mit dem Kläger zu 2 (H. ) gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts eingebracht hat. Das Amtsgericht hat also keinen Zweifel daran gelassen, dass die Kläger als Mitglieder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Anspruch geltend machen, dessen Verfolgung sich nicht
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aufspalten lässt. Diese innerhalb der Rechtsmittelfrist dem Berufungsgericht zugänglichen Umstände lassen bei vernünftiger Betrachtung nur die Deutung zu, dass der Beklagte sein Rechtsmittel nicht gegen den allein in der Berufungsschrift aufgeführten Kläger zu 1, sondern gegen beide im Rubrum des Urteils des Amtsgerichts genannten, in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts verbundenen Kläger richten wollte. Auch das Berufungsgericht und die Parteien haben die Parteibezeichnung in der Berufungsschrift des Beklagten zunächst nicht beanstan- det und damit die Richtigkeit einer solchen objektiven Auslegung bestätigt (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 14. Februar 2008, aaO, Tz. 7).
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III.

Da die Rechtsbeschwerde des Beklagten Erfolg hat und er seine Bedürftigkeit glaubhaft gemacht hat, ist ihm zugleich Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren zu gewähren (§§ 114, 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Ball Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 02.07.2008 - 25 C 15115/06 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 16.11.2009 - 23 S 316/08 -
2
Die Beschwerde wendete sich entgegen der Ansicht des Klägers zunächst gegen die in der Beschwerdeschrift namentlich als Beschwerdegegner aufgeführten Beklagten zu 1 bis zu 7. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung richtet sich das Rechtsmittel in denjenigen Fallgestaltungen, in denen der in der Vorinstanz obsiegende Gegner aus mehreren Streitgenossen besteht , im Zweifel gegen die gesamte angefochtene Entscheidung und somit gegen alle gegnerischen Streitgenossen, es sei denn, die Rechtsmittelschrift lässt eine Beschränkung der Anfechtung erkennen (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2006 - II ZB 5/05, NJW-RR 2006, 1569 Rn. 9; vom 9. September 2008 - VI ZB 53/07, NJW-RR 2009, 208 Rn. 5; vom 11. Mai 2010 - VIII ZB 93/09, NJW-RR 2011, 281 Rn. 11). Letztlich kommt es für die Frage, ob eine Beschränkung der Anfechtung gewollt ist, auf eine verständige Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist an (BGH, Beschluss vom 11. Mai 2010 - VIII ZB 93/09, aaO Rn. 12). Die Rechtsmittelbegründung kann dagegen, bezogen auf die Frage, gegen wen sich das Rechtsmittel richtet, keine weitere Klärung herbeiführen. Die klägerseits angeführten Entscheidungen betreffen, wie die Beklagten zutreffend ausgeführt haben, lediglich die anders gelagerte Frage des objektiven Umfangs der Rechtsmittelanfechtung. Die in der Beschwerdebegründung ausgesprochene Beschränkung der eingelegten Beschwerde auf die Beklagten zu 2 und zu 3 ist mithin als konkludente Beschwerderücknahme anzusehen.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 366/03 Verkündet am:
20. Juni 2005
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ein richterlicher Hinweis, der seinem fallbezogenen Inhalt nach weder dem in
Bezug genommenen Protokoll noch dem Urteil zu entnehmen ist, gilt als
nicht erteilt.

b) Eine Klage gemäß § 283 BGB a.F. i.V.m. § 259 ZPO ist zulässig, wenn der
Beklagte seine Pflicht zur Herausgabe ernsthaft bestreitet (Bestätigung von
BGH, Urt. v. 14. Dezember 1998 - II ZR 330/97, WM 1999, 610 ff.).
BGH, Urteil vom 20. Juni 2005 - II ZR 366/03 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 20. Juni 2005 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Strohn und
Caliebe

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 16. Oktober 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung des Klageantrags zu Ziffer 3 zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerde - und Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien haben in den Vorinstanzen über die von der Klägerin begehrte Herausgabe eines LKW und damit in Zusammenhang stehende Ersatzansprüche gestritten. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch die Verpflichtung der Beklagten, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 46.016,27 € nebst Zinsen zu zahlen im Falle des fruchtlosen Ablaufs der der
Beklagten - inzwischen rechtskräftig - gesetzten Frist zur Herausgabe des LKW (§ 283 BGB a.F.). Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage insoweit abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist im Umfang ihrer Zulassung begründet und führt unter Teilaufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Abweisung der Klage auf Schadensersatz im Falle des fruchtlosen Fristablaufs ausgeführt, diese sei bereits unzulässig, da die Klägerin die Voraussetzungen einer Klage auf künftige Leistung (§ 259 ZPO) trotz entsprechenden Hinweises seitens des Gerichts nicht dargetan habe.
II. Die Begründung des Berufungsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Abweisung des Klageantrags zu Ziffer 3 stellt - wie die Revision zu Recht rügt - eine Überraschungsentscheidung dar (unten 1). Sie ist aber auch im übrigen rechtsfehlerhaft (unten 2).
1. Das Berufungsgericht war gemäß § 139 Abs. 2 ZPO verpflichtet, die Klägerin auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage aus § 283 BGB a.F. i.V.m. § 259 ZPO hinzuweisen (Musielak/Stadler, ZPO 4. Aufl. § 139 Rdn. 19 m.w.Nachw.). Diese Verpflichtung bestand nicht zuletzt deshalb, weil das landgerichtliche Urteil zu den Gründen der Abweisung dieses Teils der Klage keine Begründung enthält. Zwar stützt das Berufungsgericht die Klageabweisung auf die Nichtbefolgung eines der Klägerin im Termin vom 3. Juni 2003 erteilten
Hinweises. Inhalt und Umfang dieses Hinweises sind jedoch weder dem Protokoll der Sitzung vom 3. Juni 2003 noch dem sonstigen Akteninhalt zu entnehmen. Der Hinweis ist seinem auf den konkreten Fall bezogenen Inhalt nach auch in dem angefochtenen Urteil nicht hinreichend dokumentiert, womit das Berufungsgericht den Anforderungen des § 139 Abs. 4 ZPO entsprochen hätte (Zöller/Greger, ZPO 25. Aufl. § 139 Rdn. 13 a; Musielak/Stadler aaO Rdn. 27). Angesichts dessen muß der Senat davon ausgehen, daß kein sachbezogener Hinweis erteilt wurde (§ 139 Abs. 4 ZPO; Musielak/Stadler aaO Rdn. 28; Zöller/ Greger aaO Rdn. 13 a, 20) und das Berufungsgericht eine Überraschungsentscheidung zu Lasten der Klägerin getroffen hat.
2. Die Klageabweisung ist darüber hinaus auch inhaltlich rechtsfehlerhaft. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Klage gemäß § 259 ZPO verkannt.
Gemäß § 259 ZPO ist eine Klage auf zukünftige Leistung zulässig, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, daß der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Schuldner den Anspruch ernsthaft bestreitet (Sen.Urt. v. 14. Dezember 1998 - II ZR 330/97, NJW 1999, 610, 612 m.w.Nachw.). Hier hatte die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Herausgabe des LKW und damit zugleich ihre Verpflichtung zur Schadensersatzleistung gemäß § 283 BGB a.F. in erster und zweiter Instanz bestritten. Sie hat dann zwar im Berufungsverfahren die Berufung gegen ihre Verurteilung zur Herausgabe des LKW zurückgenommen. Da sie im Anschluß hieran ihrer nunmehr rechtskräftigen Herausgabeverpflichtung aber nicht nachgekommen ist, bestand die Besorgnis i.S. des § 259 ZPO fort (Senat aaO S. 612). Auch die Tatsache, daß der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht zustand und sie daher zur Herausgabe nur Zug um Zug gegen Zahlung verur-
teilt worden ist, steht der Zulässigkeit einer Klage gemäß § 259 ZPO nicht entgegen (BGHZ 43, 28, 31; Zöller/Greger aaO § 259 Rdn. 1 m.w.Nachw.).
III. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da noch die Feststellung erforderlich ist, ob die Klägerin den Schaden der Höhe nach richtig ermittelt hat. Darüber muß das Berufungsgericht nach weiterer Klärung des Sachverhalts entscheiden.
Goette Kraemer Gehrlein
Strohn Caliebe

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 47/04 Verkündet am:
13. Juli 2005
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Juli 2005

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 29. Januar 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger sind alleinige Erben ihres 1999 verstor benen Vaters, nachdem sie ihre während des Prozesses 2003 verstorbene Mutter (frühere Ehefrau des Erblassers und vormals Klägerin zu 1)) zu gleichen Teilen beerbt haben. Sie erheben Ansprüche im Zusammenhang mit einem Hausgrundstück, das die Beklagte mit dem Erblasser 1993 zu gleichen Anteilen und nach Übertragung des Erblasseranteils 1994 zu Alleineigentum erworben hat. Aus dem Nachlaß haben die Kläger bislang nichts erhalten.

Der Kaufpreis von 275.000 DM zuzüglich Nebenkosten wurde über ein vom Erblasser genommenes Darlehen in Höhe von 160.678 DM finanziert und in Höhe von 120.000 DM bar gezahlt. Die von der Beklagten bei Erwerb des Erblasseranteils übernommenen Darlehensverbindlichkeiten beliefen sich zur Zeit des Erbfalles auf circa 245.000 DM. Über die von den Klägern begehrte Freistellung von den Darlehenspflichten ist durch Anerkenntnisurteil entschieden worden.
Die Kläger stützen ihre mehrfach geänderten Haupt- und Hilfsanträge - gerichtet auf Zahlung bzw. Duldung der Zwangsvollstreckung - in erster Linie auf Pflichtteilsergänzungsansprüche gemäß § 2329 BGB. Erstinstanzlich haben sie diese mit 39.625,12 € (77.500 DM) beziffert. Die Beklagte habe über die beiden Grundstücksanteile bzw. durch die Kaufpreiszahlungen des Erblassers unentgeltliche Zuwendungen im Werte von 155.000 DM (400.000 DM Grundstückswert zur Zeit des Erbfalls abzüglich 245.000 DM übernommenes Darlehen) erhalten.
Zweitinstanzlich stellen die Kläger hauptsächlich auf Ausgleichsansprüche ab, die dem Erblasser wegen Zahlungen von jeweils 60.000 DM auf den Kaufpreis im Zusammenhang mit den beiden Grundstückshälften und wegen gezahlter Darlehensraten von 12.075 DM bis zur Übertragung seines Grundstücksanteils und von 59.368,75 DM danach zugestanden hätten und die er der Beklagten erlassen habe; hinzu kämen Zuwendungen im Zusammenhang mit einer dem Erblasser 1996 ausgezahlten und von ihr vereinnahmten Lebensversicherung in Höhe von mindestens 22.000 DM. Daraus ergebe sich eine Pflichtteilsergänzung von jedenfalls 30.677,50 € (60.000 DM). Für den Fall, daß der Be-

klagten Ausgleichsansprüche nicht erlassen worden seien, beziehen sie sich hilfsweise auf ererbte Ausgleichsansprüche unter vorsorglicher Teilbetragserklärung zur Klageforderung.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und den K lägern die Kosten insgesamt auferlegt. Es hat im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb eine unentgeltliche Zuwendung nicht zu erkennen vermocht. Die erste Hälfte habe die Beklagte von den Veräußerern erworben , denen sie mit dem Erblasser gesamtschuldnerisch verpflichtet gewesen sei, und für die zweite Hälfte habe sie entsprechende Gegenleistungen erbracht. Etwaige Ausgleichsansprüche seien ohne Bezifferung der vom Erblasser erbrachten Tilgungsleistungen unschlüssig bzw. im Rahmen der Bewertung der Gegenleistung für die zweite Grundstückshälfte unsubstantiiert dargetan. Die Kosten in bezug auf das Anerkenntnisurteil hätten die Kläger gem. § 93 ZPO zu tragen.
Die Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben. M it der Revision verfolgen sie ihre vorinstanzlichen Anträge in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung d es Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat den für den Hauptzahlu ngsantrag geltend gemachten schenkweisen Erlaß von Ausgleichsforderungen nicht

feststellen können. Es fehle an einem unzweideutigen Verhalten des Erblassers , das von der Beklagten als Verzicht im Sinne einer Aufgabe dieses Rechts habe verstanden werden können. Das gelte für die seitens des Erblassers beim Erwerb des Hauses geleisteten Zahlungen wie für die von ihm gezahlten Darlehensraten.
Der hilfsweise auf ererbte Ausgleichsansprüche ges tützte Zahlungsantrag sei zwar wegen der im Berufungsrechtszug substantiiert vorgetragenen Barzahlungen des Erblassers von 120.000 DM und der Darlehensraten in Höhe von 12.075 DM bis 1994 und weiteren 59 Darlehensraten danach in Höhe von 59.368,75 DM schlüssig. Dieser neue Vortrag sei jedoch gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO nicht zuzulassen. Daß diese Beträge jetzt unstreitig geworden seien, stehe dem nicht entgegen, weil dies eine Beweisaufnahme dazu erfordert hätte, aus welchem Vermögen - das des Erblassers oder das der Beklagten - die Zahlungen letztendlich stammten.
Die hilfsweise gestellten Duldungsanträge hat das Berufungsgericht abgewiesen, weil in der Übertragung der zweiten Grundstückshälfte keine ergänzungspflichtige Schenkung liege. Die vereinbarten Gegenleistungen (Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht, Übernahme der Darlehensverbindlichkeiten ) stünden nicht in einem objektiven Mißverhältnis zur Leistung. Der Vortrag zu den vom Erblasser getragenen Darlehensraten sei - wie der zu der Lebensversicherung - neu und aus denselben Gründen wie bei den Zahlungsanträgen nicht zuzulassen. Damit seien auch die weiteren in der Berufungsinstanz gestellten Anträge unbegründet. Das gelte auch hinsichtlich der Kostenentscheidung des Landge-

richts, weil die Beklagte für die Erhebung der Freistellungsklage keine Veranlassung gegeben habe.
II. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht durfte das nunmehr substantiierte und unstreitig gewordene Vorbringen zu den Zahlungsvorgängen nicht zurückweisen. Bereits der dadurch gegebene Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG gebietet die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung; auf weiteres kommt es nicht mehr an.
1. Die Kläger waren entgegen der Ansicht des Beruf ungsgerichts nicht schon dadurch im Berufungsverfahren an einem substantiierten Vortrag zu Geldleistungen des Erblassers gehindert, weil sie in dem erstinstanzlichen nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 18. Dezember 2002 ausdrücklich erklärt hätten, der Zahlungsantrag werde nicht mehr auf eventuelle Ausgleichsansprüche gestützt. Einer Zulassung neuen Vorbringens steht das nicht entgegen. Abgesehen davon, daß in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz abgegebene Erklärungen, die über bloße Rechtsausführungen hinausgehen, grundsätzlich unbeachtlich sind (vgl. Zöller/Greger, ZPO 25. Aufl. § 132 Rdn. 4), ist dem Schriftsatz nicht zu entnehmen, daß die Kläger solche Ansprüche endgültig nicht mehr erheben , also auf ihre gerichtliche Durchsetzung verzichten wollten. Sie räumen darin nur ein, "daß ein Anspruch gemäß § 426 BGB einer näheren Bezifferung bedürfe, was ohne Einsicht in Kontounterlagen nicht als möglich erscheine", und dann "gegebenenfalls einem gesonderten Verfahren vorbehalten bleiben" müsse. Damit geben sie unmißverständlich zu erkennen, daß sie nur bezogen auf den genannten Zeitpunkt bzw.

diese Instanz die Darlegung eines solchen Anspruchs fallen gelassen haben. Die Möglichkeit, ihn später - also gegebenenfalls auch in der Berufungsinstanz - noch durchzusetzen, wollten sie sich mit dieser Erklärung erkennbar nicht nehmen.
2. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht eine Zulassung des neuen Vorbringens gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO abgelehnt.
Die Annahme des Berufungsgerichts, in der Rechtsmi ttelbegründung sei nicht dargetan, was die Kläger auf einen entsprechenden Hinweis - sein Unterbleiben unterstellt - vorgetragen hätten, begegnet allerdings Bedenken. Es trifft nicht zu, daß sie insoweit nur pauschale Behauptungen vorgebracht hätten. Sie haben vielmehr im Anschluß an die unter "1." vorangestellten Hinweisrügen und den ergänzenden Vortrag zu den Umständen des Grundstückserwerbs und seiner Finanzierung unter "2." substantiiert die vom Erblasser dafür erbrachten Geldleistungen dargelegt. Insoweit ist den Anforderungen an eine Verfahrensrüge gemäß § 139 ZPO genügt.
Es fehlt hingegen bereits an einem von diesem Zula ssungsgrund vorausgesetzten Verfahrensmangel im ersten Rechtszug. Das Landgericht hat den vom Berufungsgericht und von der Revision vermißten Hinweis auf die fehlende Schlüssigkeit der schließlich von den Klägern auch in Betracht gezogenen ererbten Ausgleichsansprüche erteilt. Ausweislich des Protokolls über die letzte mündliche Verhandlung ist im Anschluß an die § 426 BGB einschließende Antragstellung die Sach- und Rechtslage erörtert worden. Daß dabei auch die Schlüssigkeitsfrage angesprochen , mithin ein entsprechender deutlicher Hinweis gegeben worden ist,

wird letztlich durch den bereits erwähnten anschließenden Schriftsatz der Kläger zweifelsfrei belegt.
3. Ob eine Zulassung des neuen Vorbringens gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO ausscheidet, weil es auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht, daß die in der Berufungsbegründung erstmals genannten Zahlen nicht in der Instanz vorgetragen worden sind, wie das Berufungsgericht meint und wofür einiges spricht, kann letztlich offenbleiben.

a) Inzwischen ist höchstrichterlich geklärt, daß ü ber die Fälle des § 531 Abs. 2 ZPO hinaus neuer, unstreitiger Tatsachenvortrag in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen ist, selbst wenn dadurch eine Beweisaufnahme erforderlich wird (BGHZ 161, 138 ff. = NJW 2005, 291 unter II 2; vgl. auch BGH, Urteil vom 6. Dezember 2004 - II ZR 394/02 - NJW-RR 2005, 437 unter II 1 b, wonach unstreitige neue Tatsachen Grundlage einer im Berufungsrechtszug erstmalig erhobenen Widerklage bilden können ). Es überzeugt, wenn dabei insbesondere darauf abgestellt wird, daß dem Berufungsgericht in erster Linie die richtige, d.h. sachgerechte Entscheidung des Einzelfalles obliegt. Die Parteien dürfen nicht daran gehindert werden, im Interesse einer materiell richtigen Entscheidung übereinstimmend erstinstanzliche Feststellungen zu ergänzen, und zwar unabhängig, ob dies eine Erhebung von weiteren Beweisen erforderlich macht. Eine auch nur beschränkte Berücksichtigung unstreitiger neuer Tatsachen bedeutete eine nicht zu rechtfertigende Einschränkung des Grundrechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und muß daher ausscheiden.


b) Das betrifft hier nicht nur die genannten vom E rblasser gezahlten Darlehensraten, sondern auch dessen Barzahlungen von zweimal 60.000 DM bei Erwerb des Grundstücks. Streitig war und ist nur, ob die Beklagte - wie sie schließlich behauptet hat - im Hinblick auf die Darlehensraten vereinbarungsgemäß dem Erblasser regelmäßig monatlich 1.000 DM auf sein Konto gezahlt und ob sie für den Grundstückskaufpreis eine einmalige Zahlung von 30.000 DM erbracht hat, die dann den vom Erblasser übernommenen Barbetrag auf 90.000 DM vermindert hätte.
Dem wird das Berufungsgericht nachzugehen haben.

c) Zwar fehlt es nach wie vor an einer in sich sti mmigen Berechnung der Erblasserleistungen, aus der sich unter Berücksichtigung von Leistungen bzw. Gegenleistungen der Beklagten ein den gestellten Anträgen entsprechender genauer Forderungsbetrag ergibt. Haupt- und erster Hilfsantrag orientieren sich insoweit eher zusammenhanglos an einer Bezugsgröße von "60.000 DM". Die dadurch geweckten Schlüssigkeitszweifel stellen aber die Erheblichkeit des Vortrages zu den genannten Zahlungsbeträgen nicht insgesamt in Frage. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich bei einer - erstmaligen - genauen Bewertung der Leistungen und Gegenleistungen auf der noch festzustellenden Beurteilungsgrundlage ein Betrag in dem geltend gemachten Antragsrahmen ergibt.

Nur vorsorglich weist der Senat darauf hin, daß di e Feststellung des Berufungsgerichts, der Erblasser habe der Beklagten etwaige Ausgleichsansprüche nicht schenkweise erlassen, nicht zu bestanden sind.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 187/02 Verkündet am:
18. Juli 2003
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO (2002) §§ 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2, 544 Abs. 6 Satz 1

a) Ein Berufungsurteil beruht auf der Verletzung rechtlichen Gehörs, wenn nicht
ausgeschlossen werden kann, daß das Berufungsgericht bei Berücksichtigung
des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte.

b) Eine Verletzung rechtlichen Gehörs durch das Berufungsgericht führt nicht zur
Zulassung der Revision, wenn sich nach einer rechtlichen
Überprüfung in dem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren das Berufungsurteil
aus anderen Gründen als richtig darstellt.

c) Ist die Revision wegen der Verletzung rechtlichen Gehörs zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zugelassen, so
ist die Überprüfung des Berufungsurteils in dem Revisionsverfahren, als das das
Beschwerdeverfahren gemäß § 544 Abs. 6 Satz 1 ZPO fortgesetzt wird, nicht auf
die Gesichtspunkte beschränkt, die für die Zulassung der Revision maßgebend
waren.
BGH, Urteil vom 18. Juli 2003 - V ZR 187/02 - Kammergericht
LG Berlin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Juli 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und
Dr. Schmidt-Räntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 2. Mai 2002 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 23 des Landgerichts Berlin vom 8. November 2000 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte trat seit Mitte 1990 als Rechtsnachfolgerin der LiberalDemokratischen Partei Deutschlands (LDPD) und der National-Demokratischen Partei Deutschlands (NDPD) auf. Sie nutzte zwischen dem 3. Oktober 1990 und dem 31. Dezember 1991 elf Grundstücke, die zuvor als Volkseigentum in Rechtsträgerschaft jeweils einer dieser Parteien gestanden hatten. Während dieser Zeit vereinnahmte die Beklagte 1.258.519,44 DM aus der Vermietung
der Grundstücke. Ein Teil der Mieten wurde auf ein Konto der Beklagten bei der Berliner Bank gezahlt, das unter treuhändischer Verwaltung der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben stand. Ferner ersparte die Beklagte durch Eigennutzung der Grundstücke Mietzahlungen in Höhe weiterer 517.616,13 DM. Dem standen von ihr aufgewandte Verwaltungskosten für die Grundstücke in Höhe von mindestens 1.081.741 DM gegenüber.
In einem Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Berlin nahm die Beklagte die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben auf Wiederzurverfügungstellung bestimmter Vermögenswerte wegen eines vermeintlichen Erwerbs nach materiell-rechtsstaatlichen Grundsätzen in Anspruch. Beigeladene dieses Rechtsstreits war auch die Klägerin, vertreten durch die Unabhängige Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen in der früheren DDR. Unter Einbeziehung der Beigeladenen schlossen die Beklagte und die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben in dem Verwaltungsstreitverfahren am 11. Dezember 1995 einen Prozeßvergleich. In dessen Präambel wird ausgeführt, daß "unterschiedliche Rechtsauffassungen darüber (bestehen), welche Vermögensgegenstände von der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands/des Bundes Freier Demokraten (LDPD) und der National-Demokratischen Partei Deutschlands nach materiell-rechtsstaatlichen Grundsätzen ... erworben wurden und diesen daher wieder zur Verfügung zu stellen sind." Weiter bestehe Streit darüber, ob die Beklagte "vermögensrechtlich Rechtsnachfolgerin der LDPD und NDPD geworden" sei. Außerdem gebe es unterschiedliche Auffassungen über die Frage , ob und ggf. in welcher Höhe die Beklagte "Altvermögen der LDPD und NDPD für Zwecke in Anspruch genommen hat, für die sie nur Neuvermögen hätte einsetzen dürfen." Die Beteiligten seien sich in dem Ziel einig, "beste-
hende Ungewißheit im Wege dieses Vergleichs endgültig zu beseitigen ...". Im Anschluß daran wurde unter § 1 Satz 1 des Vergleichs vereinbart:
"Gegenstand dieses Vergleichs ist das am 7. Oktober 1989 vorhandene und seither an die Stelle dieses Vermögens getretene Vermögen der LDPD und NDPD."
Nach § 2 des Vergleichs wurden der LDPD, die sich ihrerseits zur Übertragung auf die Beklagte verpflichtete, zwei Grundstücke sowie ein Geldbetrag von 4,8 Mio. DM wieder zur Verfügung gestellt. Auf die Wiederzurverfügungstellung aller anderen "Vermögenswerte des Altvermögens von LDPD und NDPD" verzichtete die Beklagte unter § 3 des Vergleichs. Als Gegenstand des Verzichts sind u.a. die Forderungen aus dem für die Mietzahlungen bestimmten Bankkonto der Beklagten bei der Berliner Bank aufgeführt. In § 4 Abs. 1 des Vergleichs ist festgehalten, daß zwar unterschiedliche Auffassungen wegen der "Verwendung des Altvermögens" nach dem 7. Oktober 1989 bestünden, die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben jedoch auch gegen die Beklagte "keine Regreßansprüche wegen des endgültigen Abflusses von Altvermögenswerten" geltend mache. Der "Verzicht" soll sich nicht auf solches Vermögen beziehen, auf das LDPD, NDPD und die Beklagte "noch eine Zugriffsmöglichkeit" haben.
Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin von der Beklagten ! Zahlung von 694.394,54 DM (= 355.038,29 bzw. ersparten Mieten unter Abzug der unstreitigen Verwaltungskosten ergeben. Sie ist der Auffassung, der vor dem Verwaltungsgericht geschlossene Prozeßvergleich habe ihre nun geltend gemachten zivilrechtlichen Ansprüche
nicht erfaßt; es seien lediglich die Auswirkungen der treuhänderischen Verwaltung durch die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben auf das LDPD- und NDPD-Vermögen sowie deren teilweise Beendigung geregelt worden. Außerdem sei sie an dem Vergleich auch nicht beteiligt gewesen. Die Klage ist in erster Instanz ohne Erfolg geblieben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Kammergericht der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Revision , mit der die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat Erfolg.

I.


Das Berufungsgericht bejaht einen Anspruch der Klägerin aus § 988 BGB. Als unentgeltliche Besitzerin sei die Beklagte zur Nutzungsherausgabe verpflichtet. Der Anspruch sei durch den Vergleich vom 11. Dezember 1995 nicht ausgeschlossen. Als früheres Volkseigentum seien die Grundstücke nun Teil des Bundesfinanzvermögens. Damit könnten sie nicht Gegenstand des Vergleichs sein, der nach § 1 nur das Altvermögen der früheren DDR-Parteien erfaßt habe. Zu diesem zählten die betreffenden Grundstücke nicht, weil die früheren DDR-Parteien nie deren Eigentümer gewesen seien, sondern lediglich die Rechtsträgerschaft erhalten hätten. Forderungen aus dem Bundesfinanzvermögen seien nicht geregelt worden. Auch die Erwähnung des Kontos, auf
dem die Beklagte Mieteinnahmen aus den Grundstücken angesammelt habe, in § 3 des Vergleichs führe zu keinem anderen Ergebnis, weil zuvor klargestellt worden sei, daß sich der Verzicht nur auf das Altvermögen beziehe.
Dies hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

II.


1. Der Senat kann das angefochtene Urteil nach Maßgabe des Revisionsrechts in vollem Umfang überprüfen; er ist nicht auf die Gründe beschränkt, die Anlaß waren, der Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten stattzugeben.

a) Mit der Nichtzulassungsbeschwerde hat die Beklagte zu Recht eine Mißachtung ihres Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) beanstandet.
aa) Entgegen der Darstellung in dem angefochtenen Urteil haben die Parteien in der Berufungsinstanz nicht "ausschließlich" darüber gestritten, ob der Klageanspruch Gegenstand der abschließenden Regelung im Vergleich vom 11. Dezember 1995 sei und daher nicht mehr geltend gemacht werden könne. Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, daß die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben, weitere von der Klageforderung abzuziehende Kosten geltend gemacht, hilfsweise aufgerechnet und einen - jeder Auslegung vorgehenden (vgl. Senat, Urt. v. 7. Dezember 2001, V ZR 65/01, NJW 2002, 1038, 1039 m.w.N.) - übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien vorgetragen hat. Diesen Teil ihres Verteidigungsvorbringens aus dem ersten Rechtszug
brauchte die Beklagte vor dem Berufungsgericht nicht ausdrücklich zu wiederholen. Die Beklagte ist nämlich im ersten Rechtszug schon deshalb erfolgreich gewesen, weil nach der Auslegung des Landgerichts durch den Vergleich auch die Klageforderung ausgeschlossen war. Die Klägerin wandte sich mit ihrer Berufung gegen diese Interpretation, während die Beklagte sich darauf beschränken konnte, das Urteil zu verteidigen. Auf das weitere Verteidigungsvorbringen der Beklagten kam es hiernach zunächst nicht mehr an, womit es aber noch nicht - gegen alle Vernunft - fallengelassen war. Da die Beklagte in der Berufungserwiderung auf ihr Vorbringen aus erster Instanz Bezug genommen hat, ist die Nichtberücksichtigung ihres Vorbringens aus dem ersten Rechtszug als Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu qualifizieren (vgl. BVerfGE 46, 315, 319 f; 60, 305, 311; 70, 288, 295; BVerfG, NJW 1992, 495; auch BVerfG, NJWRR 1995, 828).
bb) Das Berufungsurteil beruht auch auf dieser Verletzung des rechtlichen Gehörs. Diese Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts , schon dann erfüllt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß das Gericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (BVerfGE 7, 95, 99; 60, 247, 250; 62, 392, 396; 89, 381, 392 f). Damit steht es im Einklang, wenn die Verletzung rechtlichen Gehörs , die im Zivilprozeß nicht zu den absoluten Revisionsgründen zählt (MünchKomm-ZPO/Wenzel, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 547 Rdn. 22; Musielak /Ball, ZPO, 3. Aufl., § 547 Rdn. 19; teilw. a.A. aber Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 551 Rdn. 19), hier als Verfahrensfehler angesehen wird, bei dem für die Ursächlichkeit der Rechtsverletzung allein die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung des Berufungsgerichts genügt (MünchKommZPO /Wenzel, aaO, § 547 Rdn. 22; Musielak/Ball, aaO, § 547 Rdn. 19). Im vor-
liegenden Fall kann diese Möglichkeit zwar - weil die vierjährige Verjährungsfrist des § 197 BGB a.F. nicht für den hier geltend gemachten Anspruch auf Nutzungsersatz aus § 988 BGB gilt (vgl. Senat, Urt. v. 18. Juli 2003, V ZR 205/02, zur Veröffentlichung vorgesehen) - für die übergangene Verjährungseinrede ausgeschlossen werden. Auf der Grundlage der hier maßgeblichen rechtlichen Sicht des Berufungsgerichts (vgl. BVerwG, Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 16) gilt das aber nicht für das Vorbringen der Beklagten zu angeblichen Gegenforderungen und zu dem gemeinsamen umfassenden Abgeltungswillen.

b) Die Verletzung eines Verfahrensgrundrechts führt nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zur Zulassung der Revision, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (vgl. Senat, Beschl. v. 27. März 2003, V ZR 291/02, NJW 2003, 1943, 1946 zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
aa) Hieraus folgt allerdings nicht, daß der Senat in dem Revisionsverfahren , als das das Beschwerdeverfahren gemäß § 544 Abs. 6 Satz 1 ZPO fortgesetzt wird, bei der Überprüfung des Berufungsurteils auf die Gesichtspunkte beschränkt wäre, die für die Zulassung der Revision maßgebend waren. Auch dann, wenn die Revisionsinstanz erst durch eine erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerde eröffnet wird, richtet sich der Umfang der revisionsrechtlichen Überprüfung nach den allgemeinen Regeln, insbesondere aus § 557 ZPO. Dies wird durch die Systematik des Gesetzes bestätigt, das zwischen der Nichtzulassungsbeschwerde und dem Revisionsverfahren klar trennt (vgl. MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 544 Rdn. 18). So gibt § 544 Abs. 6 Satz 3
ZPO, der den Beginn der Revisionsbegründungsfrist an die Zustellung der Entscheidung über die Zulassung der Revision knüpft, dem Revisionskläger Gelegenheit , seine Angriffe im Hinblick auf die nun eröffnete volle Überprüfung des Berufungsurteils - wenn notwendig - neu vorzutragen (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 544 Rdn. 16). Ergibt sich der Zulassungsgrund aus einem Verfassungsverstoß des Berufungsgerichts, so gilt nichts anderes. Das Revisionsgericht hat die Rechtssache nicht etwa allein unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zu überprüfen. Anders als im Verfahren der Verfassungsbeschwerde , das einer Überprüfung auf Verfassungsverstöße dient und dessen Prüfungsintensität entsprechend eingeschränkt ist, haben sich die Fachgerichte vielmehr mit jeder Rechtsbeeinträchtigung zu befassen (BVerfG, NJW 2003, 1924, 1926).
bb) Auf Grund der weitergehenden Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts ist der Senat zudem im Verfahren der Nichtzulassungbeschwerde selbst nach Feststellung eines Verfassungsverstoßes nicht an einer Prüfung des einfachen Gesetzesrechts gehindert. Gelangt das Revisionsgericht daher bei Prüfung einer Nichtzulassungsbeschwerde zu dem Ergebnis, daß sich das Berufungsurteil trotz der Gehörsverletzung in der Vorinstanz im Ergebnis als richtig darstellt, weil im Fall richtiger Anwendung des formellen und des materiellen Rechts auch bei Beachtung des übergangenen Vorbringens kein anderes Urteil hätte ergehen können, so sind die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nicht gegeben. Die bisher unterbliebene Berücksichtigung und Erwägung des Vorbringens wurde dann in der Revisionsinstanz nachgeholt und die Verletzung des rechtlichen Gehörs auf diese Weise geheilt (vgl. BVerfGE 5, 22, 24; 62, 392, 397). Zugleich steht fest, daß die Frage der Gehörsverletzung keine Entscheidungserheblichkeit erlangen kann, weil selbst bei
einer Zulassung der Revision, dieses Rechtsmittel nach § 561 ZPO nicht zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils führen könnte (vgl. BVerwGE 15, 24, 26; 52, 33, 42; BVerwG, NVwZ-RR 2000, 233, 234; MünchKommZPO /Wenzel, aaO, § 561 Rdn. 8). Ist eine Frage nicht entscheidungserheblich, so kann sie auch unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Zulassung der Revision eröffnen (vgl. BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2002, VII ZR 101/02, NJW 2003, 831; auch Senat, Beschl. v. 25. Juli 2002, V ZR 118/02, NJW 2002, 3180, 3181). Indessen kann das Berufungsurteil im vorliegenden Fall auch mit einer anderen Begründung keinen Bestand haben.
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin von der Beklagten nicht gemäß § 988 BGB die Herausgabe der aus den fraglichen elf Grundstücken gezogenen Nutzungen verlangen. Zwar sind die Grundstücke seit dem 3. Oktober 1990 gemäß Art. 22 Abs. 1 Satz 1 des Einigungsvertrages als Finanzvermögen Eigentum der Klägerin, und die Beklagte hat den Besitz an diesen Grundstücken auch unentgeltlich erlangt (vgl. Senat, Urt. v. 20. Februar 1998, V ZR 319/96, NJW 1998, 1709, 1710). Ferner zählen zu den von ihr gezogenen Nutzungen nach § 99 Abs. 3 BGB die hier herausverlangten Mieteinnahmen sowie nach §§ 100, 818 Abs. 2 BGB auch der Wertersatz für die durch die Eigennutzung erlangten Gebrauchsvorteile. Gleichwohl steht der Klägerin nach den im Prozeßvergleich vom 11. Dezember 1995 getroffenen Vereinbarungen der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Das abweichende Verständnis des Berufungsgerichts beruht auf einer fehlerhaften Auslegung des Prozeßvergleichs und bindet daher den Senat nicht.

a) Die tatrichterliche Auslegung eines Prozeßvergleichs unterliegt der Nachprüfung durch das Revisionsgericht jedenfalls hinsichtlich der Beachtung der anerkannten Auslegungsgrundsätze, der gesetzlichen Auslegungsregeln, der Denkgesetze und der Erfahrungssätze (vgl. BGH, Urt. v. 11. Mai 1995, VII ZR 116/94, NJW-RR 1995, 1201, 1202; Urt. v. 13. Dezember 1995, XII ZR 194/93, NJW 1996, 838, 839). Für den vorliegenden Fall ergeben sich aus dem Umstand, daß der Prozeßvergleich in einem Verwaltungsstreitverfahren abgeschlossen wurde und - zumindest in seinen wesentlichen Teilen - als öffentlichrechtlicher Vertrag zu qualifizieren ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 106 Rdn. 5) keine Besonderheiten. Insbesondere gelten die Auslegungsgrundsätze des Zivilrechts über § 62 Satz 2 VwVfG auch für öffentlichrechtliche Verträge (vgl. BVerwGE 84, 257, 264). Einer Prüfung nach den hiernach maßgebenden Grundsätzen hält die Auslegung des Berufungsgerichts nicht stand.
aa) Entscheidend für das Verständnis des Berufungsgerichts ist die Überlegung, daß die fraglichen elf Grundstücke als Eigentum des Volkes und bloßer Rechtsträgerschaft der LDPD und der NDPD niemals Vermögen dieser Parteien waren und daher - insbesondere wegen der Festlegung des Vergleichsgegenstandes (§ 1 des Prozeßvergleichs) - von dem Vergleich nicht erfaßt sein könnten. Hierbei ist nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht bei seiner Auslegung an den von den Parteien gewählten Wortlaut der Vereinbarungen anknüpft (BGHZ 121, 13, 16; BGH, Urt. v. 11. September 2000, II ZR 34/99, NJW 2001, 144; Urt. v. 27. März 2001, VI ZR 12/00, NJW 2001, 2535). Das Berufungsgericht hat jedoch nicht hinreichend den allgemein anerkannten Auslegungsgrundsatz beachtet, daß bei Erklärungen, die sich an Angehörige eines bestimmten Verkehrskreises richten, nicht das allgemein-
sprachliche Verständnis der Aussagen entscheidend ist, sondern das in dem maßgeblichen Fachkreis verkehrsübliche Verständnis (vgl. BGH, Urt. v. 23. Juni 1994, VII ZR 163/93, NJW-RR 1994, 1108, 1109; Urt. v. 12. Dezember 2000, XI ZR 72/00, NJW 2001, 1344, 1345 m.w.N.). Hier wurde der Prozeßvergleich zwischen - zudem noch speziell beratenen - Beteiligten geschlossen, die auf dem Gebiet der Vermögensangelegenheiten der politischen Parteien der früheren DDR besonders fachkundig waren. Dies gilt namentlich für die Parteien des durch den Prozeßvergleich beendeten Verwaltungsstreitverfahrens, nämlich die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben und die hiesige Beklagte als vermeintliche Rechtsnachfolgerin zweier politischer Parteien der früheren DDR. Soweit daher in dem Prozeßvergleich von dem "Vermögen" der LDPD und der NDPD gesprochen wird, ist mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen, daß dieser Begriff im Sinne der einschlägigen §§ 20 a, 20 b PartG-DDR Verwendung finden sollte.
bb) Entsprechend dem Regelungszweck einer möglichst vollständigen Erfassung und Einziehung des Partei- und Organisationsvermögens für gemeinnützige Aufgaben (vgl. Toussaint, in Kimme, Offene Vermögensfragen, § 20 b PartG-DDR Rdn. 1) ist für die §§ 20 a, 20 b PartG-DDR von einem wirtschaftlichen Vermögensbegriff auszugehen (vgl. Berger, RVI, § 20 b PartGDDR Rdn. 39). Danach zählen zwar Grundstücke, die im Volkseigentum standen und einer Partei nur in Rechtsträgerschaft überlassen worden waren, als fremdes Eigentum nicht zu deren Vermögen. Anderes gilt aber für den tatsächlichen Besitz, der einer Partei an solchen Grundstücken verblieben ist. Er stellt nach der maßgeblichen wirtschaftlichen Sicht einen Vermögenswert dar, der der Partei zuzurechnen ist (Senat, Urt. v. 9. Januar 1998, V ZR 263/96, WM 1998, 987, 988; auch Urt. v. 20. Februar 1998, aaO, 711 für das Recht
zum Besitz; Berger, RVI, § 20 b PartG-DDR Rdn. 40, 42; ders., Die treuhänderische Verwaltung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR, 1998, S. 132 f; Toussaint, in Kimme, aaO, § 20 b PartG-DDR Rdn. 64). Soweit das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang ausführt, der Besitz sei unerheblich, weil er allein das Ziehen von Nutzungen nicht rechtfertige, wird verkannt, daß der Besitz jedenfalls die tatsächliche Nutzung ermöglicht und ihm deshalb ein Vermögenswert nicht abgesprochen werden kann. Nach alledem hat das Berufungsgericht für seine Auslegung einen zu engen Vermögensbegriff zugrunde gelegt. Damit ist, weil sich für eine Begrenzung der Regelungen des Vergleichs auf Grundstücke, die im Eigentum der LDPD oder der NDPD standen, auch im übrigen kein Hinweis findet, dem Ergebnis der Auslegung des Berufungsgerichts die Grundlage entzogen.

b) Die fehlerhafte Auslegung des Berufungsgerichts zwingt nicht zu einer Zurückverweisung der Sache (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da die hierfür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen und weitere relevante Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der Senat den Prozeßvergleich selbst auslegen (vgl. Senat, Urt. v. 12. Februar 1997, V ZR 250/96, NJW 1998, 1219). Dies führt zu dem Ergebnis, daß der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Nutzungsherausgabe nicht mehr zustehen.
aa) Wird - wie geboten - der fachsprachliche Vermögensbegriff der §§ 20 a, 20 b PartG-DDR zugrunde gelegt, so folgt bereits aus dem Wortlaut des Vergleichs die Einbeziehung auch der Ansprüche auf Herausgabe der Nutzungen von Grundstücken, die bis zum 2. Oktober 1990 in Rechtsträgerschaft der Parteien standen. Da die hier betroffenen elf Grundstücke ersichtlich schon am 7. Oktober 1989 zum derart bestimmten Parteivermögen zählten,
also nach § 20 b Abs. 2 PartG-DDR "Altvermögen" waren, werden Ansprüche auf Nutzungsherausgabe bereits in der Präambel des Vergleichs durch den Hinweis angesprochen, daß unterschiedliche Auffassungen darüber bestehen, ob und ggf. in welcher Höhe die Beklagte Altvermögen der Parteien unberechtigt "in Anspruch genommen hat." Hieran anknüpfend stellt die Vereinbarung des Vergleichsgegenstandes unter § 1 Satz 1 klar, daß nach dem Willen der am Vergleich Beteiligten das Altvermögen von LDPD und NDPD insgesamt und mithin unter Einschluß der Nutzungen des Rechtsträgervermögens in den Prozeßvergleich einbezogen ist.
bb) Dies findet durch die Vereinbarung unter § 3 Abs. 1 des Prozeßvergleichs seine Bestätigung. Im Anschluß an den Verzicht der Beklagten auf die Wiederzurverfügungstellung weiterer Vermögenswerte aus dem Altvermögen der Parteien in Satz 1 dieser Klausel, stellt Satz 2 klar, daß "hierunter" auch die Forderungen der Beklagten u.a. aus dem Bankkonto fallen, auf dem ein Teil der Mieteinnahmen aus den zuvor in Rechtsträgerschaft überlassenen Grundstücken hinterlegt war. Auch nach der Systematik des Vergleichs gingen demnach die Beteiligten davon aus, daß das zum Vergleichsgegenstand gemachte Altvermögen die Nutzungen aus dem Rechtsträgervermögen umfaßte. Das hiervon abweichende Verständnis des Berufungsgerichts führt demgemäß auch zu einem denkgesetzwidrigen Ergebnis. Die Beklagte müßte nämlich, obwohl sie mit dem Guthaben des genannten Bankkontos einen Teil der gezogenen Nutzungen verloren - und nur zur Begleichung ihres unter § 2 des Vergleichs geregelten Zahlungsanspruchs zurückerhalten - hat, den entsprechenden Betrag nochmals an die Klägerin herausgeben.
cc) Zudem spricht die beiderseitige Interessenlage für eine Einbezie- hung der Nutzungen aus dem Rechtsträgervermögen beider Parteien in den Vergleich. Die Beteiligten haben im zweiten Absatz der Vergleichspräambel ihr gemeinsames Ziel, die "bestehende Ungewißheit" über ihre Streitpunkte "endgültig zu beseitigen" klar zum Ausdruck gebracht. Da sich aus dem vorstehenden Absatz der Präambel ergibt, daß Streit auch wegen der Inanspruchnahme des Altvermögens und damit auch wegen der Nutzung der früheren Rechtsträgergrundstücke durch die Beklagte bestand, wäre es mit dem Interesse an einer umfassenden Bereinigung nicht zu vereinbaren, wenn die streitgegenständlichen Ansprüche von dem Vergleich unberührt blieben.
dd) Demnach unterfallen die streitgegenständlichen Nutzungen - soweit sie nicht bereits durch die Überlassung des unter § 3 des Vergleiches angesprochenen Bankguthabens ausgeglichen sind - als "Verwendung des Altvermögens" der Regelung unter § 4 Abs. 1 des Vergleichs. Hinsichtlich der verbleibenden Beträge wurde unter § 4 Abs. 1 Satz 2 ein Erlaß vereinbart; denn "Regreßansprüche wegen des endgültigen Abflusses von Altvermögenswerten" sollten gegen die Beklagte nicht geltend gemacht werden. Der von dem Erlaß in Satz 4 ausgenommene Fall, daß die Beklagte auf das Vermögen "noch eine Zugriffsmöglichkeit" hat, liegt nicht vor und wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Er setzt, wie schon die Wortwahl zeigt, voraus, daß der betreffende Teil des Altvermögens - insbesondere auf treuhänderisch verwalteten Konten - noch gegenständlich vorhanden ist. Demgemäß führt die Unabhängige Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen in ihrem Bericht über das Vermögen u.a. der LiberalDemokratischen Partei Deutschlands und der National-Demokratischen Partei Deutschlands aus (BT-Drucks. 13/5376, S. 205), daß der Beklagten unter Ein-
beziehung von "Einnahmen aus Altvermögen" in Höhe von 12.339.000 DM und nach Abzug noch vorhandener Geldbestände unter treuhänderischer Verwaltung in Höhe von 4.440.000 DM ein Betrag von 17.292.000 DM erlassen wurde (krit. deshalb Berger, aaO, S. 188 "erhebliche vermögensmäßige Privilegierung"

).



c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Vergleich auch hinsichtlich der Vereinbarungen über die Herausgabe der Nutzungen wirksam zustande gekommen.
aa) Zwar weist die Klägerin zutreffend darauf hin, daß Ansprüche auf Nutzungsherausgabe nicht Gegenstand des Verwaltungsstreitverfahrens waren , das durch den Prozeßvergleich vom 11. Dezember 1995 beendet worden ist. Dieser Umstand berührt indessen die Wirksamkeit des Prozeßvergleiches nicht. Auch bei Abschluß eines Prozeßvergleichs im Verwaltungsstreitverfahren sind die Parteien nach § 106 VwGO nicht auf Vereinbarungen über den Streitgegenstand beschränkt, sondern können insbesondere zivilrechtliche Ansprüche - wie hier die Ansprüche aus § 988 BGB - zum Gegenstand des Prozeßvergleichs machen (vgl. Dolderer, in: Sodan/Ziekow, NKVwGO, § 106 Rdn. 17 f; Kopp/Schenke, aaO, § 106 Rdn. 5).
bb) Die am Abschluß des Vergleichs beteiligte Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben konnte zudem im eigenen Namen über die Ansprüche der Klägerin auf Nutzungsherausgabe verfügen, insbesondere einen (teilweisen) Erlaß mit der Beklagten vereinbaren. Hierbei bedarf es keiner Entscheidung über die Frage, ob diese Ansprüche als Nutzungen des Parteivermögens ebenfalls zu den durch § 20 b Abs. 2 PartG-DDR erfaßten Vermö-
genswerten zählen (vgl. Berger, RVI, § 20 b PartG-DDR Rdn. 39) und daher nach der Maßgabenregelung der Anlage II Kapitel II Sachgebiet A Abschnitt III des Einigungsvertrages der treuhänderischen Verwaltung der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben und damit auch ihrer Verfügungsbefugnis unterliegen (vgl. Toussaint, in Kimme, aaO, § 20 b PartG-DDR Rdn. 126). Die Befugnis der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben , im eigenen Namen über die fraglichen Ansprüche zu verfügen, besteht nämlich auch dann, wenn diese dem Finanzvermögen des Bundes nach Art. 22 Abs. 1 des Einigungsvertrages zugeordnet werden. In diesem Fall sind die Klägerin und die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben als Mitgläubigerinnen nach § 432 BGB anzusehen (vgl. Senat, Urt. v. 9. Januar 1998, aaO). Zwar kann ein Mitgläubiger allein keinen Erlaß mit der Folge des Erlöschens der gesamten Forderung vereinbaren (vgl. Staudinger /Noack, BGB [1999], § 432 Rdn. 46), anderes gilt aber dann, wenn ein Mitgläubiger insbesondere auf Grund erteilter Befugnis mit Wirkung für den anderen Mitgläubiger handeln kann (vgl. Staudinger/Noack, BGB [1999], § 432 Rdn. 43). Von einer solchen der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben durch die Klägerin erteilten Befugnis ist auszugehen, nachdem die Verwaltung und Verwertung der ehemals in Rechtsträgerschaft stehenden Vermögensgegenstände der Parteien und verbundenen Organisationen mit Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 30. Dezember 1991 (vgl. dazu Schneider, in: Rodenbach/Söfker/Lochen, InVorG, § 25 Rdn. 35) der damaligen Treuhandanstalt - jetzt Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben - übertragen worden ist.
3. Da mithin der geltend gemachte Anspruch der Klägerin schon durch die Vereinbarungen im Rahmen des Prozeßvergleichs ausgeschlossen ist,
kommt es auf das von dem Berufungsgericht übergangene Vorbringen nicht mehr an.

III.


Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Krüger Klein RiBGH Dr. Schmidt-Räntsch ist wegen Ortsabwesensheit an der Unterschriftsleistung gehindert. Karlsruhe, den 25.07.2003 Gaier Wenzel