Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Feb. 2020 - StB 4/20

bei uns veröffentlicht am26.02.2020

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
StB 4/20
vom
26. Februar 2020
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u.a.
hier: sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Ablehnung eines
Verteidigerwechsels
ECLI:DE:BGH:2020:260220BSTB4.20.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und seiner Verteidiger am 26. Februar 2020 gemäß § 143a Abs. 4, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO beschlossen:
1. Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 20. Januar 2020 wird verworfen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


I.


1
Das Oberlandesgericht führt gegen den Angeklagten eine Hauptverhandlung wegen des Vorwurfs der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in zwei Fällen, dabei in einem Fall in Tateinheit mit der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, im anderen Fall in Tateinheit mit Beihilfe zu einer solchen Vorbereitung. Der Angeklagte hat beantragt, die Bestellung des ihm auf seinen Antrag am 17. April 2019 bestellten Pflichtverteidigers Dr. E. aufzuheben und ihm Rechtsanwalt G. als neuen Pflichtverteidiger zu bestellen, da das Vertrauensverhältnis zu dem bisherigen Pflichtverteidiger unheilbar zerrüttet sei. Diesen Antrag hat der Vorsitzende des mit der Sache befassten Strafsenats des Oberlandesgerichts abgelehnt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner sofortigen Beschwerde, die er im Wesentlichen damit begründet, dass fortlaufend nicht nur die abstrakte , sondern die konkrete Gefahr einer Interessenkollision in der Person des Pflichtverteidigers bestehe. Diese beruhe darauf, dass der Verteidiger zuvor einen in der Anklageschrift benannten Zeugen verteidigt habe. Hierfür sei unerheblich , dass sich der Zeuge bislang auf ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen habe.

II.


2
Die nach § 143a Abs. 4, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf Verteidigerwechsel zu Recht abgelehnt.
3
1. Der Vorsitzende des Oberlandesgerichtssenats hat seine Zuständigkeit zutreffend gemäß § 142 Abs. 3 Nr. 3 StPO angenommen. Da es sich hierbei um eine allgemeine Regelung über die Zuständigkeit handelt, gilt sie auch für Entscheidungen über den Pflichtverteidigerwechsel. Hierfür spricht zudem, dass die Norm inhaltlich an § 141 Abs. 4 StPO aF angeknüpft und insofern die Zuständigkeit des Vorsitzenden auch für Entpflichtungsanträge anerkannt war (vgl. BGH, Beschluss vom 18. November 2003 - 1 StR 481/03, NStZ 2004, 632 Rn. 5; BT-Drucks. 19/13829 S. 41).
4
2. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung von Rechtsanwalt Dr. E. liegen nicht vor.
5
Weder ist das Vertrauensverhältnis zwischen dem Pflichtverteidiger und dem Angeklagten endgültig zerstört, noch ist aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Angeklagten gewährleistet (s. § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO). Auch im Übrigen bestehen keine Gründe zur Aufhebung der Verteidigerbestellung.
6
a) Nach § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO ist die Bestellung des Pflichtverteidigers aufzuheben und ein neuer Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Beschuldigtem endgültig zerstört oder aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Beschuldigten gewährleistet ist. Der Gesetzgeber verfolgt mit dieser Vorschrift, die am 13. Dezember 2019 in Kraft getreten ist (BGBl. I S. 2128, 2130, 2134), das Ziel, zwei von der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannte Fälle des Rechts auf Verteidigerwechsel zu normieren. Insofern kann für die Frage, wann im Einzelnen eine endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zu bejahen ist, auf die in dieser Rechtsprechung dargelegten Grundsätze zurückgegriffen werden (s. BT-Drucks. 19/13829 S. 48).
7
Danach ist anerkannt, dass Maßstab für die Störung des Vertrauensverhältnisses die Sicht eines verständigen Angeklagten und eine solche von diesem oder seinem Verteidiger substantiiert darzulegen ist (vgl. BGH, Urteile vom 26. August 1993 - 4 StR 364/93, BGHSt 39, 310, 314 f.; vom 24. Februar2016 - 2 StR 319/15, NStZ 2017, 59, 61; KG, Beschluss vom 9. August 2017 - 4 Ws 101/17, juris Rn. 10 mwN; s. auch BVerfG, Beschluss vom 25. September 2001 - 2 BvR 1152/01, NJW 2001, 3695, 3697 mwN).
8
Unabhängig davon kann ein konkret manifestierter Interessenkonflikt einen Grund dafür bieten, die bestehende Bestellung aufzuheben, wenn ansonsten die mindere Effektivität des Einsatzes dieses Verteidigers für seinen Mandanten zu befürchten ist (s. BGH, Urteil vom 11. Juni 2014 - 2 StR 489/13, BGHR StPO § 142 Abs. 1 Auswahl 11 Rn. 33 mwN; Beschluss vom 15. Januar 2003 - 5 StR 251/02, BGHSt 48, 170, 173). Mit Blick auf die Ausgestaltung des Verbots der Mehrfachverteidigung nach § 146 StPO hat der Gesetzgeber in der sukzessiven Verteidigung von mehreren derselben Tat beschuldigten Personen keine die Verteidigung im Allgemeinen hindernde Interessenkollision gesehen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2003 - 5 StR 251/02, BGHSt 48, 170, 173 f.; BT-Drucks. 10/1313 S. 22). Indes steht eine Mandatsbeendigung einem etwaigen Interessenkonflikt nicht grundsätzlich entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2014 - 2 StR 489/13, NStZ 2014, 660 Rn. 38; Beschluss vom 15. November 2005 - 3 StR 327/05, BGHR StPO § 142 Abs. 1 Auswahl 10). Ob ein solcher vorliegt, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu prüfen und objektiv zu bestimmen (BGH, Urteile vom 11. Juni 2014 - 2 StR 489/13, BGHR StPO § 142 Abs. 1 Auswahl 11 Rn. 35; vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039, 3040).
9
b) Daran gemessen ist ein Verteidigerwechsel auf der Grundlage des derzeitigen Sachstandes nicht erforderlich.
10
aa) Ein konkreter Interessenkonflikt in Bezug auf die bereits beendete Verteidigung des Zeugen W. und die Verteidigung des Angeklagten besteht nicht.
11
(1) Die Verteidigung des Zeugen einerseits und des Angeklagten andererseits hatte nicht denselben Sachverhalt als maßgeblichen Verfahrensgegenstand (vgl. - zu § 356 StGB - BGH, Urteil vom 25. Juni 2008 - 5 StR 109/07, BGHSt 52, 307 Rn. 20).
12
Dem Angeklagten wird die mitgliedschaftliche Beteiligung am "Islamischen Staat [im Irak und Syrien]" seit November 2013 in zwei Fällen in Tateinheit mit weiteren Delikten zur Last gelegt. Im Anklagesatz sind insoweit eine Ausreise des Angeklagten nach Syrien am 21. November 2013, seine anschließende Ausbildung als Kämpfer in Syrien sowie eine Vermittlung im April 2014 bei der Ausreise von M. aufgeführt. Demgegenüber wurde der Zeuge am 15. Februar 2018, rechtskräftig seit dem 7. Juni 2018, wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt. Das Urteil hatte - entsprechend der zugrundeliegenden Anklage - Widerstandshandlungen am 3. März 2017 und eine Ausreise auf dem Landweg Richtung Syrien am 7. April 2017 zum Gegenstand. Der Angeklagte findet weder in der den Zeugen betreffenden Anklageschrift noch im schriftlichen Urteil Erwähnung.
13
(2) Das frühere Verteidigerverhältnis überschneidet sich auch nicht in anderer Weise mit der Zeugenaussage.
14
Der Zeuge wurde im gegen den jetzigen Angeklagten geführten Ermittlungsverfahren am 8. Mai 2019 vernommen, mithin zu einem Zeitpunkt, als das gegen ihn geführte Strafverfahren seit beinahe einem Jahr rechtskräftig abgeschlossen war. Die Vernehmung befasste sich unter anderem mit der gemeinsamen Zugehörigkeit zu einer islamistischen ("Daula-")Gruppe in den Jahren 2016 und 2017. Die Angaben des Zeugen werden im wesentlichen Ergebnis der gegen den Angeklagten erhobenen Anklageschrift als ein Beleg neben anderen Beweismitteln für das Bestehen der Gruppe und die Bezeichnung des Angeklagten als " " angeführt.
15
Bei der etwaigen gemeinsamen Gruppenzugehörigkeit handelte es sich für den Zeugen um einen vor oder nach dem eigentlichen Tatgeschehen liegenden Aspekt, nicht aber um den Kern der damals unterbreiteten Lebensverhältnisse. Diese sind, wie dargelegt, ihrerseits nicht Gegenstand der hiesigen Anklagevorwürfe.
16
Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass in der Hauptverhandlung ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht des Zeugen (§ 55 Abs. 1 StPO) angenommen worden ist; denn ein solches setzt allgemein die Gefahr der Strafverfolgung voraus. Grundsätzlich kann es nur in dem Umfang greifen, in welchem die Befragung sich auf Vorgänge richtet, die im Verhältnis zu den abgeurteilten Geschehen andere Taten im verfahrensrechtlichen Sinn darstellen würden (s. im Einzelnen BGH, Urteile vom 19. Dezember 2006 - 1 StR 326/06, NStZ 2007, 278 Rn. 6; vom 6. April 2017 - 3 StR 5/17, NStZ 2017, 546, 547). Mithin beinhaltet die Annahme eines Auskunftsverweigerungsrechts gerade keinen Hinweis darauf, dass die abgeurteilten Taten des Zeugen mit den nunmehr angeklagten in verfahrensrechtlichem Zusammenhang stehen.
17
(3) Im Übrigen ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, dass die frühere Verteidigung des Zeugen und die nunmehrige Verteidigung des Angeklagten gegenläufige Interessen berühren. Im Verfahren gegen den jetzigen Zeugen bestand kein Tatvorwurf gegen den hiesigen Angeklagten; dieser war für die vor allem auf geständigen Einlassungen beruhende Verurteilung des Zeugen ohne Belang.
18
Das frühere Mandatsverhältnis hindert den Pflichtverteidiger nicht daran, sich unter Beachtung seiner Verschwiegenheitspflicht mit der den Angeklagten potentiell belastenden Aussage des Zeugen kritisch auseinanderzusetzen. Dies gilt sowohl dann, wenn der Zeuge in der Hauptverhandlung Angaben machen sollte, als auch für den Fall, dass seine frühere Aussage anderweitig in die Hauptverhandlung eingeführt wird. Besondere Umstände, nach denen sich konkret anderes ergibt (so etwa für das im Wesentlichen einzige Beweismittel, das für die Überführung des Angeklagten von ausschlaggebender Bedeutung ist, BGH, Beschlüsse vom 15. November 2005 - 3 StR 327/05, BGHR StPO § 142 Abs. 1 Auswahl 10; vom 15. Januar 2003 - 5 StR 251/02, BGHSt 48, 170, 176), sind nicht gegeben.
19
bb) Das Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt Dr. E. und dem Angeklagten ist, wie bereits vom Oberlandesgericht im Einzelnen zutreffend dargelegt, aus Sicht eines verständigen Angeklagten nicht endgültig zerstört.
20
Da die frühere Verteidigung des Zeugen aus den zuvor erörterten Gründen keinen konkreten Interessenkonflikt zur Folge hat, besteht für einen verständigen Angeklagten insofern kein Anlass, dem Pflichtverteidiger das Vertrauen zu entziehen.
21
Soweit der Angeklagte einen Vertrauensbruch darin sieht, dass ihm Rechtsanwalt Dr. E. den Ausgang des gegen den Zeugen geführten Verfahrens verschwiegen habe, reicht dies für eine Entpflichtung ebenfalls nicht aus. Die Verurteilung des Zeugen ist bereits aus der Anklageschrift zu entnehmen , die dem Angeklagten im September 2019 übersandt worden ist. Angesichts der eher nachrangigen Bedeutung des Zeugen für die gegen den Angeklagten erhobenen Vorwürfe und der im angefochtenen Beschluss näher aufgezeigten Bezüge des Angeklagten zu dem gegen den Zeugen geführten Strafverfahren ergibt sich selbst dann keine endgültige Zerstörung des Vertrauens- verhältnisses, wenn der Verteidiger den Angeklagten nicht von sich aus über Einzelheiten des damaligen Verfahrens, insbesondere die Hintergründe einer Verständigung (§ 257c StPO), sowie das vorangegangene Mandat in Kenntnis gesetzt hat.
22
cc) Da kein Grund für eine Aufhebung der Bestellung von Rechtsanwalt Dr. E. besteht, bedarf es keiner weiteren Ausführungen dazu, dass der beantragten Bestellung von Rechtsanwalt G. gemäß § 143a Abs. 2 Satz 2, § 142 Abs. 5 Satz 3 Halbsatz 2 StPO die von ihm mitgeteilten Terminkollisionen entgegenstehen könnten.
Schäfer Wimmer Anstötz

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Feb. 2020 - StB 4/20

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Feb. 2020 - StB 4/20

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 257c Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten


(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Gegenstand dieser Verstä

Strafprozeßordnung - StPO | § 55 Auskunftsverweigerungsrecht


(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 141 Zeitpunkt der Bestellung eines Pflichtverteidigers


(1) In den Fällen der notwendigen Verteidigung wird dem Beschuldigten, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist und der noch keinen Verteidiger hat, unverzüglich ein Pflichtverteidiger bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich be

Strafprozeßordnung - StPO | § 142 Zuständigkeit und Bestellungsverfahren


(1) Der Antrag des Beschuldigten nach § 141 Absatz 1 Satz 1 ist vor Erhebung der Anklage bei den Behörden oder Beamten des Polizeidienstes oder bei der Staatsanwaltschaft anzubringen. Die Staatsanwaltschaft legt ihn mit einer Stellungnahme unverzügli
Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Feb. 2020 - StB 4/20 zitiert 8 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 257c Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten


(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Gegenstand dieser Verstä

Strafprozeßordnung - StPO | § 55 Auskunftsverweigerungsrecht


(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 141 Zeitpunkt der Bestellung eines Pflichtverteidigers


(1) In den Fällen der notwendigen Verteidigung wird dem Beschuldigten, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist und der noch keinen Verteidiger hat, unverzüglich ein Pflichtverteidiger bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich be

Strafprozeßordnung - StPO | § 142 Zuständigkeit und Bestellungsverfahren


(1) Der Antrag des Beschuldigten nach § 141 Absatz 1 Satz 1 ist vor Erhebung der Anklage bei den Behörden oder Beamten des Polizeidienstes oder bei der Staatsanwaltschaft anzubringen. Die Staatsanwaltschaft legt ihn mit einer Stellungnahme unverzügli

Strafgesetzbuch - StGB | § 356 Parteiverrat


(1) Ein Anwalt oder ein anderer Rechtsbeistand, welcher bei den ihm in dieser Eigenschaft anvertrauten Angelegenheiten in derselben Rechtssache beiden Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig dient, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis

Strafprozeßordnung - StPO | § 146 Verbot der Mehrfachverteidigung


Ein Verteidiger kann nicht gleichzeitig mehrere derselben Tat Beschuldigte verteidigen. In einem Verfahren kann er auch nicht gleichzeitig mehrere verschiedener Taten Beschuldigte verteidigen.

Strafprozeßordnung - StPO | § 143a Verteidigerwechsel


(1) Die Bestellung des Pflichtverteidigers ist aufzuheben, wenn der Beschuldigte einen anderen Verteidiger gewählt und dieser die Wahl angenommen hat. Dies gilt nicht, wenn zu besorgen ist, dass der neue Verteidiger das Mandat demnächst niederlegen u

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Feb. 2020 - StB 4/20 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Feb. 2020 - StB 4/20 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Nov. 2003 - 1 StR 481/03

bei uns veröffentlicht am 18.11.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 481/03 vom 18. November 2003 in der Strafsache gegen wegen Mordes Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. November 2003 beschlossen : Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landge- richts Mü

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Jan. 2003 - 5 StR 251/02

bei uns veröffentlicht am 15.01.2003

Nachschlagewerk: ja BGHSt : ja Veröffentlichung : ja StPO § 142 Abs. 1 Gebotene Ablehnung der Bestellung eines vom Beschuldigten bezeichneten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger bei konkreter Gefahr einer Interessenkollision in einem Fall sukzessi

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Dez. 2006 - 1 StR 326/06

bei uns veröffentlicht am 19.12.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 326/06 vom 19. Dezember 2006 in der Strafsache gegen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Apr. 2017 - 3 StR 5/17

bei uns veröffentlicht am 06.04.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 5/17 vom 6. April 2017 in der Strafsache gegen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2017:060417U3STR5.17.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtsho

Bundesgerichtshof Urteil, 24. Feb. 2016 - 2 StR 319/15

bei uns veröffentlicht am 24.02.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil 2 StR 319/15 vom 24. Februar 2016 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. wegen erpresserischen Menschenraubs u.a. ECLI:DE:BGH:2016:240216U2STR319.15.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Juni 2014 - 2 StR 489/13

bei uns veröffentlicht am 11.06.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 S t R 4 8 9 / 1 3 vom 11. Juni 2014 in der Strafsache gegen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Feb. 2020 - StB 4/20.

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. März 2020 - StB 6/20

bei uns veröffentlicht am 05.03.2020

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS StB 6/20 vom 5. März 2020 Nachschlagewerk: ja BGHSt: nein Veröffentlichung: ja –––––––––––––––––––––––––– StPO § 143a, § 304 Abs. 2 BRAO § 49 Abs. 2 1. Der Pflichtverteidiger, der sich gegen die Ablehnung de

Referenzen

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

(1) Der Antrag des Beschuldigten nach § 141 Absatz 1 Satz 1 ist vor Erhebung der Anklage bei den Behörden oder Beamten des Polizeidienstes oder bei der Staatsanwaltschaft anzubringen. Die Staatsanwaltschaft legt ihn mit einer Stellungnahme unverzüglich dem Gericht zur Entscheidung vor, sofern sie nicht nach Absatz 4 verfährt. Nach Erhebung der Anklage ist der Antrag des Beschuldigten bei dem nach Absatz 3 Nummer 3 zuständigen Gericht anzubringen.

(2) Ist dem Beschuldigten im Vorverfahren ein Pflichtverteidiger gemäß § 141 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3 zu bestellen, so stellt die Staatsanwaltschaft unverzüglich den Antrag, dem Beschuldigten einen Pflichtverteidiger zu bestellen, sofern sie nicht nach Absatz 4 verfährt.

(3) Über die Bestellung entscheidet

1.
das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Staatsanwaltschaft oder ihre zuständige Zweigstelle ihren Sitz hat, oder das nach § 162 Absatz 1 Satz 3 zuständige Gericht;
2.
in den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 4 das Gericht, dem der Beschuldigte vorzuführen ist;
3.
nach Erhebung der Anklage der Vorsitzende des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(4) Bei besonderer Eilbedürftigkeit kann auch die Staatsanwaltschaft über die Bestellung entscheiden. Sie beantragt unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach ihrer Entscheidung, die gerichtliche Bestätigung der Bestellung oder der Ablehnung des Antrags des Beschuldigten. Der Beschuldigte kann jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen.

(5) Vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers ist dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger zu bezeichnen. § 136 Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend. Ein von dem Beschuldigten innerhalb der Frist bezeichneter Verteidiger ist zu bestellen, wenn dem kein wichtiger Grund entgegensteht; ein wichtiger Grund liegt auch vor, wenn der Verteidiger nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung steht.

(6) Wird dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger bestellt, den er nicht bezeichnet hat, ist er aus dem Gesamtverzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer (§ 31 der Bundesrechtsanwaltsordnung) auszuwählen. Dabei soll aus den dort eingetragenen Rechtsanwälten entweder ein Fachanwalt für Strafrecht oder ein anderer Rechtsanwalt, der gegenüber der Rechtsanwaltskammer sein Interesse an der Übernahme von Pflichtverteidigungen angezeigt hat und für die Übernahme der Verteidigung geeignet ist, ausgewählt werden.

(7) Gerichtliche Entscheidungen über die Bestellung eines Pflichtverteidigers sind mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Sie ist ausgeschlossen, wenn der Beschuldigte einen Antrag nach § 143a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 stellen kann.

(1) In den Fällen der notwendigen Verteidigung wird dem Beschuldigten, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist und der noch keinen Verteidiger hat, unverzüglich ein Pflichtverteidiger bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt. Über den Antrag ist spätestens vor einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm zu entscheiden.

(2) Unabhängig von einem Antrag wird dem Beschuldigten, der noch keinen Verteidiger hat, in den Fällen der notwendigen Verteidigung ein Pflichtverteidiger bestellt, sobald

1.
er einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorgeführt werden soll;
2.
bekannt wird, dass der Beschuldigte, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist, sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
3.
im Vorverfahren ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte, insbesondere bei einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm, nicht selbst verteidigen kann, oder
4.
er gemäß § 201 zur Erklärung über die Anklageschrift aufgefordert worden ist; ergibt sich erst später, dass die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig ist, so wird er sofort bestellt.
Erfolgt die Vorführung in den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 zur Entscheidung über den Erlass eines Haftbefehls nach § 127b Absatz 2 oder über die Vollstreckung eines Haftbefehls gemäß § 230 Absatz 2 oder § 329 Absatz 3, so wird ein Pflichtverteidiger nur bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 kann die Bestellung unterbleiben, wenn beabsichtigt ist, das Verfahren alsbald einzustellen und keine anderen Untersuchungshandlungen als die Einholung von Registerauskünften oder die Beiziehung von Urteilen oder Akten vorgenommen werden sollen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 481/03
vom
18. November 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. November 2003 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landge-
richts München I vom 15. Mai 2003 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die den
Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.

Gründe:


I.


Der Angeklagte wurde wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Er hatte seine Freundin am 24. April 2002 erwürgt, um sie zu „bestrafen“ , weil „sie sich seinem Willen widersetzte“. Er hatte, wie mehrere Zeugen bestätigt haben, schon länger angekündigt, sie „im Streit“ zu erwürgen und nach der Strafe für eine „Kurzschlusshandlung“ gefragt, wie er sie nach der Tat auch vergeblich vorzutäuschen versuchte.
Seine auf Verfahrensrügen und die nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).

II.


Mit den Verfahrensrügen macht die Revision Rechtsverletzungen im Zusammenhang mit der Verteidigung des Angeklagten geltend, insbesondere hätte der bestellte Verteidiger Rechtsanwalt K. von diesem Amt entbunden und an seiner Stelle Rechtsanwalt Dr. W. bestellt werden müssen.
1. Folgender Verfahrensablauf liegt zu Grunde:
Am 14. Mai 2002 legte Rechtsanwalt K. gegenüber der Schwurgerichtskammer eine Vollmacht des Angeklagten vor und beantragte, Pflichtverteidiger zu werden. Der Angeklagte (der nicht arbeitete) könne keinen Verteidiger bezahlen. Diesem Antrag kam der Vorsitzende am 16. Mai 2002 nach. Am gleichen Tag zeigten unabhängig voneinander die Rechtsanwälte B. und Dr. W. gegenüber der Staatsanwaltschaft mit Vollmachten die Verteidigung des Angeklagten an.
Am 29. Januar 2003 wurden alle drei Verteidiger zu der für vier Tage geplanten Hauptverhandlung im Mai 2003 geladen. Rechtsanwalt B. ist, ohne dies zuvor mitzuteilen, nicht erschienen und hat sich auch sonst nicht erkennbar am Verfahren beteiligt. Rechtsanwalt Dr. W. ließ dem Gericht am 2. Mai 2003 fernmündlich mitteilen, er werde an der Hauptverhandlung nicht teilnehmen. Rechtsanwalt K. teilte mit Schreiben vom 11. März 2003 mit, er sei an den beiden ersten Verhandlungstagen wegen unaufschiebbarer anderer Hauptverhandlungen verhindert. Er schlage für diese Tage (seinen Sozius) Rechtsanwalt G. – ausweislich des Briefkopfs ebenso wie er Fachanwalt für Strafrecht – als Verteidiger vor. Rechtsanwalt G. sei hierzu bereit.
Am ersten Hauptverhandlungstag am 5. Mai 2003 beantragte Rechtsanwalt G. sofort seine Beiordnung; daraufhin bestellte der Vorsitzende ihn an Stelle von Rechtsanwalt K. zum Pflichtverteidiger. Sodann verlas der Angeklagte einen vorformulierten Antrag, ihm an Stelle von Rechtsanwalt K. Rechtsanwalt Dr. W. beizuordnen. Er habe kein Vertrauen mehr zu Rechtsanwalt K. , weil nicht er, sondern Rechtsanwalt G. erschienen sei. Hiervon habe ihn Rechtsanwalt K. nicht selbst unterrichtet, sondern er habe es erst am 29. April 2003 bei einem Besuch von Rechtsanwalt G. im Gefängnis er- fahren. Bei diesem einzigen Besuch durch Rechtsanwalt G. habe seine Verteidigung nicht ordnungsgemäß besprochen werden können, so daß er zu ihm auch kein Vertrauen habe. Vertrauen habe er zu Rechtsanwalt Dr. W. , mit dem er in ständigem Kontakt stehe, allerdings könne er ihn nicht bezahlen.
Daraufhin hob der Vorsitzende die Entpflichtung von Rechtsanwalt K. auf, da sie auf der unzutreffenden Annahme beruht habe, der Angeklagte sei mit einer Verteidigung durch Rechtsanwalt G. einverstanden.
Zu sonstigem Verfahrensgeschehen kam es an diesem Tag nicht.
Am nächsten Verhandlungstag erschien Rechtsanwalt K. . Der Angeklagte hielt den Antrag auf dessen Entpflichtung aufrecht, dieser gab eine Erklärung ab. Auch wenn sich dies – ebenso wie der Inhalt der Erklärung von Rechtsanwalt K. - nicht aus dem Protokoll ergibt, hat der Angeklagte offenbar inhaltlich ergänzend vorgetragen. Jedenfalls lehnte die Schwurgerichtskammer den Antrag ab und führte dabei aus, der Angeklagte behaupte, Rechtsanwalt K. habe ihn „nur 2 oder 3 Mal“ besucht. Rechtsanwalt K.
habe demgegenüber genaue Termine genannt, an denen sich der Angeklagte geweigert habe, sich zu einer Besprechung vorführen zu lassen.
Sodann wurde die Hauptverhandlung mit Rechtsanwalt K. als Verteidiger durchgeführt.
2. Dieser Verfahrensgang gefährdet den Bestand des Urteils nicht.

a) Allerdings haben etwa gleichzeitig mit der Bestellung des vom Angeklagten bevollmächtigten Rechtsanwalts K. noch weitere Verteidiger Vollmacht des Angeklagten vorgelegt; deshalb war die Bestellung von Rechtsanwalt K. aber nicht gemäß § 143 StPO rückgängig zu machen. Angesichts der Vermögensverhältnisse des Angeklagten war ohne weiteres absehbar, dass auch andere Verteidiger (ebenso wie Rechtsanwalt K. ) ihr Wahlmandat niederlegen und ihre Beiordnung beantragen würden (vgl. OLG Stuttgart NStZ-RR 1996, 207, 208; Laufhütte in KK 5. Aufl. § 143 Rdn. 3 m. w. N.).

b) Bei den Entscheidungen vom ersten Verhandlungstag handelt es sich im Hinblick auf das Schreiben von Rechtsanwalt K. vom 11. März 2003 im Ergebnis um eine Vertreterbestellung für den vorübergehend verhinderten Rechtsanwalt K. (vgl. Meyer-Goßner StPO, 46. Aufl. § 142 Rdn. 15 m. w. N.) und um deren Rücknahme. Nachdem der Angeklagte im Ergebnis zu keinem Zeitpunkt von Rechtsanwalt G. verteidigt worden ist, kann das auf Rechtsanwalt G. und seine Bestellung bezogene Vorbringen auf sich beruhen.

c) Die Entscheidung vom zweiten Verhandlungstag, Rechtsanwalt K. nicht als Verteidiger zu entpflichten, hält rechtlicher Überprüfung stand.
aa) Allerdings hat entgegen § 141 Abs. 4 StPO die gesamte Schwurgerichtskammer und nicht allein der Vorsitzende entschieden. Ohne dass es auf weiteres ankäme, hält dies der Senat angesichts der Bedeutung einer ordnungsgemäßen Verteidigung für unschädlich (im Ergebnis ebenso BVerwG NJW 1969, 2029; w. N., auch für die gegenteilige Auffassung, b. Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 141 Rdn. 6; in vergleichbarem Sinne auch BGH, Beschluss vom 27. August 2003 – 1 StR 324/03 m. w. N.). Außerdem macht die Revision eine Verletzung gerichtsinterner Zuständigkeitsregeln nicht geltend (zur Notwendigkeit einer Verfahrensrüge als Voraussetzung der Prüfung etwaiger Zuständigkeitsmängel vgl. allgemein BGHSt 43, 47, 53 m. w. N.).
bb) Die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist aufzuheben, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Angeklagten endgültig und nachhaltig erschüttert und deshalb zu besorgen ist, dass die Verteidigung objektiv nicht (mehr) sachgerecht geführt werden kann (BGHSt 39, 310, 314 f m. w. N.). Maßstab hierfür ist, insoweit vergleichbar der Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit, die Sicht eines verständigen Angeklagten (vgl. Müller in KMR § 141 Rdn. 20 m. w. N.).
Hieran gemessen erweist sich, zumal angesichts der hier gegebenen Beweislage, der Vorschlag von Rechtsanwalt K. , vorübergehend seinen Sozius Rechtsanwalt G. mit seiner Vertretung zu beauftragen, nicht als geeignet , das Verhältnis zwischen Angeklagten und Verteidiger zu erschüttern. Rechtsanwalt K. konnte die persönliche und fachliche Qualifikation von Rechtsanwalt G. zuverlässig beurteilen; die Gefahr, dass durch die vorgeschlagene Vorgehensweise für die Verteidigung wesentliche Erkenntnisse ins-
gesamt unbeachtet bleiben könnten, ist hier nicht erkennbar. Ebensowenig ist die Grundlage der von der Revision aufgezeigten Besorgnis erkennbar, aus dem gesamten Ablauf ergäbe sich, dass sich Rechtsanwalt K. insgesamt nicht hinlänglich vorbereitet hätte.
cc) Ob die Art der Information über die ins Auge gefasste zeitweilige Vertretung oder, was offenbar ebenfalls geltend gemacht worden ist, schon allein die Anzahl der Besuche von Rechtsanwalt K. im Gefängnis geeignet sein könnte, dessen Entpflichtung zu rechtfertigen, kann der Senat nicht prüfen. Ob das Verhalten eines Verteidigers geeignet ist, das Vertrauen des Angeklagten zu zerstören, kann regelmäßig ohne Kenntnis von Erklärungen des Verteidigers hierzu nicht beurteilt werden. Auch insoweit gilt vergleichbares wie bei der Ablehnung eines Richters, dessen dienstliche Erklärung je nach ihrem Inhalt zunächst berechtigt erscheinendes Misstrauen ausräumen kann (vgl. BGHSt 4, 264, 269, 270; BGH wistra 2002, 267 m. w. N.). Dementsprechend sind solche Erklärungen eines Verteidigers, ebenso wie dienstliche Erklärungen eines Richters (vgl. BGH StV 1996, 2 m. w. N.), bei einer entsprechenden Verfahrensrüge gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO mitzuteilen. Die Revision beschränkt sich dagegen auf die – zutreffende – Feststellung, dass sich der Inhalt der von Rechtsanwalt K. in der Hauptverhandlung abgegebenen Erklärung nicht aus dem Protokoll ergibt. Dies genügt nicht. Ist, wie hier, für die Beurteilung einer Verfahrensrüge die Kenntnis von Verfahrensgeschehen erforderlich, für das die absolute Beweiskraft des Protokolls nicht gilt, macht dies entsprechenden Tatsachenvortrag der Revision nicht entbehrlich. Vielmehr ist dann vom Revisionsgericht die tatsächliche Grundlage des Revisionsvorbringens anderweitig zu überprüfen, insbesondere an Hand dienstlicher Äußerungen,
auf deren Abgabe die Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Gegenerklärung (§ 347 Abs. 1 Satz 2 StPO) hinzuwirken hat (vgl. Nr. 162 Abs. 2 Satz 7 RiStBV).
dd) Selbst wenn hier aber der Revisionsvortrag als ausreichend zu werten wäre, weil sich aus dem Beschluss, mit dem die Entpflichtung von Rechtsanwalt K. abgelehnt wurde, der Inhalt von dessen Erklärung genügend ergibt (für den Fall der Richterablehnung vgl. Kuckein in KK 5. Aufl. § 344 Rdn. 47 m. w. N.), könnte dies am Ergebnis nichts ändern. Nach dem unbestrittenen Vortrag von Rechtsanwalt K. hat sich der Angeklagte wiederholt ohne erkennbaren Grund geweigert, sich zu einer Besprechung vorführen zu lassen. Unter diesen Umständen kann sich der Angeklagte bei verständiger Würdigung offensichtlich nicht darauf berufen, er könne Rechtsanwalt K. deshalb nicht mehr vertrauen, weil ihn dieser nicht genügend informiert oder besucht habe.

III.


Die auf Grund der Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils hat ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Nack Wahl Schluckebier
Kolz Elf

(1) Die Bestellung des Pflichtverteidigers ist aufzuheben, wenn der Beschuldigte einen anderen Verteidiger gewählt und dieser die Wahl angenommen hat. Dies gilt nicht, wenn zu besorgen ist, dass der neue Verteidiger das Mandat demnächst niederlegen und seine Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragen wird, oder soweit die Aufrechterhaltung der Bestellung aus den Gründen des § 144 erforderlich ist.

(2) Die Bestellung des Pflichtverteidigers ist aufzuheben und ein neuer Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn

1.
der Beschuldigte, dem ein anderer als der von ihm innerhalb der nach § 142 Absatz 5 Satz 1 bestimmten Frist bezeichnete Verteidiger beigeordnet wurde oder dem zur Auswahl des Verteidigers nur eine kurze Frist gesetzt wurde, innerhalb von drei Wochen nach Bekanntmachung der gerichtlichen Entscheidung über die Bestellung beantragt, ihm einen anderen von ihm bezeichneten Verteidiger zu bestellen, und dem kein wichtiger Grund entgegensteht;
2.
der anlässlich einer Vorführung vor den nächsten Richter gemäß § 115a bestellte Pflichtverteidiger die Aufhebung seiner Beiordnung aus wichtigem Grund, insbesondere wegen unzumutbarer Entfernung zum künftigen Aufenthaltsort des Beschuldigten, beantragt; der Antrag ist unverzüglich zu stellen, nachdem das Verfahren gemäß § 115a beendet ist; oder
3.
das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Beschuldigtem endgültig zerstört ist oder aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Beschuldigten gewährleistet ist.
In den Fällen der Nummern 2 und 3 gilt § 142 Absatz 5 und 6 entsprechend.

(3) Für die Revisionsinstanz ist die Bestellung des bisherigen Pflichtverteidigers aufzuheben und dem Beschuldigten ein neuer, von ihm bezeichneter Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn er dies spätestens binnen einer Woche nach Beginn der Revisionsbegründungsfrist beantragt und der Bestellung des bezeichneten Verteidigers kein wichtiger Grund entgegensteht. Der Antrag ist bei dem Gericht zu stellen, dessen Urteil angefochten wird.

(4) Beschlüsse nach den Absätzen 1 bis 3 sind mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
2 StR 319/15
vom
24. Februar 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen erpresserischen Menschenraubs u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:240216U2STR319.15.0


Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 3. Februar 2016 in der Sitzung am 24. Februar 2016, an denen teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ott, Richter am Bundesgerichtshof Zeng, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof , als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung als Verteidiger des Angeklagten B. ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung als Verteidiger des Angeklagten D. ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung als Verteidiger des Angeklagten T. ,

Rechtsanwältin in der Verhandlung , Rechtsanwalt in der Verhandlung als Verteidiger des Angeklagten R. ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung als Vertreter des Nebenklägers Bo. ,
Justizangestellte in der Verhandlung, Justizangestellte bei der Verkündung als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 10. Dezember 2014 im Strafausspruch hinsichtlich der Angeklagten B. und T. mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die insoweit entstandenen Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
II. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, soweit es die Angeklagten D. und R. betrifft, und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen dieser Angeklagten hat die Staatskasse zu tragen.
III. Die Revisionen der Angeklagten B. , D. und R. gegen das vorgenannte Urteil werden verworfen.
Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Den Angeklagten D. hat es wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten T. hat es wegen Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub in Tateinheit mit Beihilfe zur besonders schweren räuberischen Erpressung eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Den AngeklagtenR. hat das Landgericht wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bei- hilfe zur Freiheitsberaubung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Von der Anordnung des Verfalls eines sichergestellten Geldbetrags in Höhe von 4.500 Euro gegen den Angeklagten D. hat es abgesehen , weil Ansprüche des Nebenklägers entgegenstehen. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten B. , D. und R. sowie die zu Ungunsten aller Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft. Das - hinsichtlich der Angeklagten B. und R. auf den Strafausspruch beschränkte - Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Die Rechtsmittel der Angeklagten sind unbegründet.

A.

2
Das Landgericht hat folgendes festgestellt:
3
Der Angeklagte B. wollte nach seiner bedingten Entlassung aus einer Strafhaft im Juli 2013 mit dem Zeugen K. als Strohmann in Ka. Wettbüros mit dem Wettanbieter Ti. betreiben. Die von ihm zuvor benutzten Standorte waren in der Zwischenzeit von dem Nebenkläger Bo. und dem Zeugen S. übernommen worden. B. wollte diesen die Wettbüros wieder abnehmen und erzählte dem Angeklagten D. davon, der sich zur Unterstützung dieser Pläne bereit erklärte. B. forderte den Nebenkläger auf, ihn mit dem Gebietsvertreter des Wettanbieters Ti. in Kontakt zu bringen. Außerdem bat er ihn, den Zeugen S. zu fragen, ob dieser seine Wettbüros für 250.000 Euro verkaufen würde. Der Nebenkläger wollte seine Verdrängung durch den Angeklagten B. vermeiden. In einem Gespräch mit dem Zeugen Ö. äußerte er, dass er B. nicht mit dem Gebietsvertreter des Wettanbieters Ti. in Kontakt bringen wolle. Außerdem deutete er an, dass er den Angeklagten D. als aggressiv empfinde. D. erfuhr davon und teilte dies B. mit. Später erfuhren die Angeklagten B. , D. und T. von dem Nebenkläger, dass der Zeuge S. nicht dazu bereit sei, seine Wettbüros zu verkaufen. B. und D. bestanden hiernach weiter darauf, dass der Nebenkläger für sie ein Treffen mit dem Vertreter des Wettanbieters Ti. herbeiführen solle. Dies sagte der Nebenkläger vordergründig zu, war aber insgeheim nicht dazu bereit und unternahm keine Anstrengungen in diese Richtung. Die Angeklagten B. , D. und T. unterhielten sich später darüber. B. und D. waren auch verärgert, weil der Nebenkläger mit dem Zeugen Ö. über ihre Pläne gesprochen hatte. Spätestens am 31. Juli 2013 beschlossen sie, dass der Nebenkläger verprügelt werden solle. B. wollte dabei nicht persönlich in Erscheinung treten. Deshalb sollten die Angeklagten D. , T. und R. die Tätlichkeiten ausführen. Diese holten den Nebenkläger unter einem Vorwand ab und brachten ihn mit dem Auto in eine Tiefgarage in die Nähe der Wohnung des Angeklagten D. . Als der Nebenkläger ausstieg, wurde er von D. , T. und R. zusammengeschlagen und getreten. R. verdrehte ihm derart ein Bein, dass der Nebenkläger befürchtete, es werde brechen.
4
Der Angeklagte D. kam sodann auf den Gedanken, die Situation dazu auszunutzen, von dem Nebenkläger Geld zu fordern. Er verlangte 24.000 Euro als Strafzahlung. Der verängstigte Nebenkläger erklärte, er könne lediglich 10.000 Euro auftreiben. T. vernahm die Geldforderung und war dazu bereit , D. auch bei deren Eintreibung zu unterstützen. Ob der Angeklagte R. die Forderung wahrnahm, ließ sich nicht feststellen.
5
Die Angeklagten brachten den Nebenkläger, der nach ihren Schlägen und Tritten nicht mehr alleine gehen konnte und gestützt werden musste, gegen dessen Willen in die Wohnung des D. , wo sie im Wohnzimmer auf dem Boden eine Folie ausbreiteten. D. schlug den Nebenkläger mit einem Gürtel. Dann holte er ein Messer und drohte dem Nebenkläger, er werde ihm einen Finger abschneiden. T. war dabei anwesend, während R. sich mög- licherweise ins Schlafzimmer begeben hatte. D. verließ wiederholt das Wohnzimmer und erklärte, er werde mit B. telefonieren und diesen fragen, ob ihm eine Zahlung von 10.000 Euro durch den Nebenkläger ausreichend erscheine. Ob ein solches Telefonat stattfand, ließ sich nicht feststellen. Schließlich erklärte sich D. mit einer Zahlung von 10.000 Euro einverstanden. Der Nebenkläger sollte jemanden finden, der ihm das Geld leihen würde. Durch verschiedene Telefonate erreichte der Nebenkläger eine Zusage des Zeugen Kar. , ihm sogleich 10.000 Euro zur Verfügung zu stellen. Die Angeklagten ließen dieses Geld durch einen Mitarbeiter des Wettbüros des Nebenklägers abholen und T. übergeben, der es an D. weitergab.
6
Danach sprach D. mit dem Nebenkläger noch darüber, dass er zusammen mit B. alle Geschäfte mit dem Wettanbieter Ti. in Ka. übernehmen wolle. Der Nebenkläger solle für sie arbeiten. D. erklärte weiter, der Zeuge S. werde der nächste sein, der sein Wettbüro abgeben müsse. Der verängstigte Nebenkläger sah sich zu der Erklärung gezwungen, dass er seine Wettbüros an B. abgeben werde. Auf Geheiß des Angeklagten D. beschaffte sich T. vom Mobiltelefon des Nebenklägers Bilder von dessen Kindern. D. äußerte gegenüber dem Nebenkläger, er wisse, wo dieser wohne ; wenn er „etwas sagen“ werde, würde seinen Kindern etwas zustoßen. Danach verbrachten D. und T. den Nebenkläger ins Krankenhaus, wo dieser stationär aufgenommen wurde. Er hatte eine Gehirnerschütterung, Prellungen und Hautabschürfungen erlitten.
7
Später suchten B. und D. den Nebenkläger im Krankenhaus auf. Dieser war danach so verängstigt, dass er das Krankenhaus vorzeitig verließ, kollabierte und sich durch einen Sturz zusätzlich verletzte. Er wurde daraufhin in ein anderes Krankenhaus gebracht, wo ihn B. abermals aufsuchte.

B.

8
Die Revisionen der Angeklagten B. , D. und R. sind unbegründet.
9
I. Die Revision des Angeklagten D. hat aus den vom Generalbundesanwalt genannten Gründen keinen Erfolg.
10
1. Der Erörterung bedarf nur die Verfahrensrüge der Verletzung des Fairnessgrundsatzes durch Mitwirkung einer gerichtlich bestellten Verteidigerin, in deren Person ein Interessenkonflikt bestanden habe.
11
a) Dieser Rüge liegt folgendes Prozessgeschehen zu Grunde:
12
Der Angeklagte D. beauftragte am 21. August 2013 den Rechtsanwalt P. mit seiner Verteidigung. Dieser erwirkte am Folgetag unter Niederlegung des Mandats als Wahlverteidiger seine Bestellung zum Verteidiger durch die Haftrichterin. Am 17. September 2013 zeigte Rechtsanwalt M. an, dass er den Geschädigten als Zeugenbeistand vertrete. Am 28. Oktober 2013 zeigte Rechtsanwältin Me. an, von dem Angeklagten D. mit seiner Verteidigung beauftragt worden zu sein. Rechtsanwältin Me. war - gerichtsbekannt - mit Rechtsanwalt M. in einer Bürogemeinschaft verbunden und auch privat mit diesem liiert. Am 18. Februar 2014 beauftragte der Angeklagte D. zusätzlich Rechtsanwalt A. mit seiner Verteidigung und erklärte, dass das Vertrauensverhältnis zu Rechtsanwalt P. zerrüttet sei. Unter dem 4. März 2014 beantragte Rechtsanwalt A. Rechtsanwalt P. zu entpflichten. Der Vorsitzende der Strafkammer schrieb nach einem vorausgegangenen Telefonat an Rechtsanwalt P. , dass er davon ausgehe, dieser sei mit seiner Entpflichtung und der Bestellung von Rechtsanwältin Me. einverstanden. Rechtsanwältin Me. hatte zwischenzeitlich ihre gerichtliche Bestellung als Verteidigerin beantragt. Der Angeklagte D. und Rechtsanwalt A. wurden davon nicht unterrichtet.
13
Mit Verfügung vom 7. März 2014 entpflichtete der Vorsitzende den Rechtsanwalt P. und ordnete dem Angeklagten D. Rechtsanwältin Me. als Verteidigerin bei. Unter dem 19. März 2014 erklärte Rechtsanwalt M. im Namen des Geschädigten Bo. dessen Anschluss als Nebenkläger und beantragte seine Bestellung zu dessen Beistand. Unter dem 26. März 2014 korrespondierte Rechtsanwalt M. mit Rechtsanwältin Me. schriftlich über die Frage eines Täter-Opfer-Ausgleichs durch außergerichtliche Zahlung eines Schmerzensgeldes. Diese Korrespondenz wurde auch Rechtsanwalt A. mitgeteilt. Am 20. April 2014 ließ das Landgericht den Geschädigten als Nebenkläger zu. Die Voraussetzungen für eine Beiordnung des Rechtsanwalts M. sah es zunächst nicht als erfüllt an, ordnete ihn aber später bei. Rechtsanwalt M. nahm als Vertreter des Nebenklägers an 21 von 24 Verhandlungstagen an der Hauptverhandlung teil.
14
Rechtsanwältin Me. war ebenfalls an 21 der 24 Verhandlungstage als Verteidigerin des Angeklagten D. anwesend. Rechtsanwalt A. war zunächst an den ersten zehn Verhandlungstagen präsent, unter anderem bei der Sacheinlassung des Angeklagten; an insgesamt sieben späteren Verhandlungstagen war er nicht in der Hauptverhandlung anwesend. Er hielt den Schlussvortrag für den Angeklagten D. , dem sich Rechtsanwältin Me. anschloss.
15
Das Urteil der Strafkammer wurde am 10. Dezember 2014 verkündet. Am 18. Dezember 2014 beantragte Rechtsanwalt A. , RechtsanwältinMe. zu entpflichten. Dies entspreche dem Wunsch des Angeklagten D. . Dessen Vertrauensverhältnis zu Rechtsanwältin Me. sei nachhaltig gestört. Deren Beiordnung sei von Anfang an bedenklich gewesen.
16
b) Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, bereits die Bestellung von Rechtsanwältin Me. zur Verteidigerin sei mangels seiner Anhörung verfahrensfehlerhaft gewesen. Für eine Verteidigerbestellung neben dem Wahlverteidigermandat des Rechtsanwalts A. habe kein Raum bestanden. Auch die Aufrechterhaltung der Verteidigerbestellung sei verfahrensfehlerhaft, weil wegen der persönlichen Verbindung der Rechtsanwältin Me. mit dem Nebenklagevertreter Rechtsanwalt M. und deren Bürogemeinschaft eine Interessenkollision bestanden habe. Dadurch sei er in seinem Recht auf wirkungsvolle Verteidigung verletzt. Darauf beruhe das angefochtene Urteil.
17
c) Die Verfahrensrüge ist zulässig, aber unbegründet. Eine Verletzung des Anspruchs des Angeklagten D. auf ein faires Verfahren in der Form des Rechts auf wirkungsvolle Verteidigung liegt nicht vor.
18
aa) Jeder Beschuldigte hat das Recht auf ein faires Strafverfahren, zu dem auch die Gewährleistung einer wirksamen Verteidigung gehört (Art. 6 Abs. 3 Buchst. c EMRK; Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG). Sofern kein Wahlverteidiger mitwirkt, bedarf es in Fällen der notwendigen Verteidigung der Bestellung eines Verteidigers durch das Gericht. Dabei ist auf ein bestehendes oder angestrebtes Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem Verteidiger möglichst Rücksicht zu nehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. September 2001 - 2 BvR 1152/01, NJW 2001, 3695, 3696).
19
Gründe, die gegen eine wirksame Verteidigung des Beschuldigten durch einen bestimmten Rechtsanwalt sprechen, sind bei der Bestellungsentscheidung zu berücksichtigen. Ein absehbarer Interessenkonflikt in der Person eines als Verteidiger in Betracht kommenden Rechtsanwalts kann dessen Bestellung im Einzelfall entgegenstehen, wenn deshalb geringere Effektivität seines Einsatzes als Strafverteidiger zu befürchten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2003 – 5 StR 251/02, BGHSt 48, 170, 173; Urteil vom 11. Juni 2014 – 2StR 489/13, NStZ 2014, 660, 662; Beschluss vom 1. Dezember 2015 – 4 StR 270/15; krit. Müller/Leitner in Widmaier/Müller/Schlothauer, Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl., § 39 Rn. 119; von Stetten ebenda § 16 Rn. 46). Hierin kann mit Blick auf die auch durch Art. 6 Abs. 3 Buchst. c EMRK geforderte subsidiäre Verantwortung des Staates für eine wirksame Verteidigung (vgl. Gaede, Fairness als Teilhabe – Das Recht auf konkrete und wirksame Teilhabe durch Verteidigung gemäß Art. 6 EMRK, 2007, S. 858 ff. mwN) ein wichtiger Grund im Sinne von § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO liegen, von der Bestellung dieses Rechtsanwalts zum Verteidiger abzusehen. Ergeben sich nachträglich Hinweise auf die Möglichkeit eines Interessenkonflikts, so kann dies ein wichtiger Grund dafür sein, eine bereits erfolgte Verteidigerbestellung aufzuheben. Jedoch ist die Situation im Abberufungsverfahren anders als bei der Bestellung zum Verteidiger. Die Entpflichtung eines Verteidigers ist - von den in § 143 StPO ausdrücklich genannten Gründen abgesehen - dann zulässig , wenn der Zweck der gerichtlich bestellten Verteidigung, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, ernsthaft gefährdet ist. Die Grenze für die Begründetheit vorgebrachter Einwände gegen den vom Gericht beigeordneten Verteidiger wird in der Situation der Entpflichtung enger gezogen (vgl. BVerfG aaO, NJW 2001, 3695, 3697).
20
Dem Vorsitzenden des zuständigen Spruchkörpers kommt insoweit ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2003 – 5 StR 251/02, BGHSt 48, 170, 175). Dabei kann auch das Ziel einer Verfahrenssicherung durch die Verteidigerbestellung berücksichtigt werden. Nicht in jedem Fall, in dem die abstrakte Gefahr einer Interessenkollision besteht, ist der Vorsitzende verpflichtet, die Bestellung eines bestimmten Rechtsanwalts zum Verteidiger zu unterlassen oder nachträglich aufzuheben. Zu beachten ist auch, dass ein Rechtsanwalt grundsätzlich selbst für die Wahrung seiner beruflichen Pflichten verantwortlich ist (vgl. BGH aaO, BGHSt 48, 170, 174). Er hat im Fall eines tatsächlich bestehenden Interessenkonflikts seinerseits darauf hinzuwirken, dass er nicht zum Verteidiger bestellt oder eine bestehende Bestellung aufgehoben wird.
21
Der Vorsitzende hat in Fällen, in denen eine Interessenkollision möglich erscheint, regelmäßig Anlass, den Beschuldigten und den als Verteidiger in Betracht gezogenen Rechtsanwalt zu dem prozessualen Sachverhalt anzuhören (vgl. BGH aaO, SSW/Beulke, StPO, 2. Aufl., § 143 Rn. 20). Werden bei der Anhörung oder im weiteren Gang des Verfahrens keine Bedenken gegen die Bestellung geäußert oder besondere Gründe dagegen vorgebracht, so kann auch dies dafür sprechen, dass die Entscheidung des Vorsitzenden zumindest vertretbar war.
22
bb) Nach diesem Maßstab ist der Anspruch des Angeklagten D. auf wirkungsvolle Verteidigung als Teil des Anspruchs auf ein faires Verfahren nicht verletzt worden.
23
(1) Zwar hat der Vorsitzende der Strafkammer es versäumt, den Angeklagten unter Mitteilung eventueller Bedenken im Hinblick auf die mit Rechtsanwalt M. bestehende Bürogemeinschaft gesondert zu der Frage der Bestellung der Rechtsanwältin Me. zur Verteidigerin anzuhören. Dieses Versäumnis fällt allerdings vorliegend nicht entscheidend ins Gewicht. So hatte der Angeklagte D. die Rechtsanwältin Me. zuvor selbst als Verteidigerin gewählt. Einwendungen gegen ihre Mitwirkung an der Hauptverhandlung wurden in Kenntnis aller Umstände auch nachträglich bis zur Urteilsverkündung nicht erhoben. Somit konnte der Vorsitzende der Strafkammer davon ausgehen, dass der Angeklagte D. mit der Bestellung dieser Verteidigerin einverstanden war.
24
(2) Eine Verletzung des Anspruchs des Angeklagten D. auf ein faires Verfahren folgt auch nicht daraus, dass die Bestellung von Rechtsanwältin Me. zur Verteidigerin aufrechterhalten wurde, obwohl sie durch die Bürogemeinschaft mit dem Nebenklagevertreter Rechtsanwalt M. dem Risiko einer Interessenkollision ausgesetzt war (vgl. Senat, Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 489/13, NStZ 2014, 660, 662 ff.). Allein daraus ist nicht abzuleiten, dass der Angeklagte nicht wirksam verteidigt wurde.
25
Ihm standen im Verlauf der Hauptverhandlung zwei Strafverteidiger zur Verfügung, von denen stets zumindest einer anwesend war, an den meisten Verhandlungstagen beide zugleich. Wird ein Angeklagter durch mehrere Rechtsanwälte verteidigt, ist nur die ununterbrochene Anwesenheit eines dieser Verteidiger erforderlich (§ 227 StPO). Das gilt wegen der rechtlichen Gleichstellung von gewählten und bestellten Verteidigern für beide gleichermaßen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 1959 – 1 StR 418/59, BGHSt 13, 337, 341; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 227 Rn. 5, 11). Erst bei Nichtwahrnehmung eines im Einzelfall zwingend erforderlichen Anwesenheitsrechts kann ein Verstoß gegen den Fairnessgrundsatz festgestellt werden. Mehrere gleichzeitig mandatierte Verteidiger können sich - unbeschadet ihrer Selbständigkeit - die Aufgaben in der Hauptverhandlung teilen (vgl. Sommer StraFo 2013, 6 ff.). Aus der Abwesenheit eines von mehreren Verteidigern folgt für sich genommen kein Rechtsfehler , auf dem das Urteil generell beruhen würde (vgl. § 338 Nr. 5 StPO). Ein relativer Revisionsgrund (§ 337 Abs. 1 StPO), resultierend aus dem Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 Buchst. c EMRK, Art. 20 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG), könnte im Fall einer Interessenkollision in der Person des zeitweilig alleine anwesenden Verteidigers allerdings dann gegeben sein, wenn die Abwesenheit des anderen Verteidigers dazu geführt hätte, dass die Verteidigung insgesamt nicht wirksam wäre. Dabei hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die Anwesenheit desselben Verteidigers bei allen Teilen der Hauptverhandlung für eine sachgemäße Durchführung der Verteidigung notwendig ist (vgl. BGH aaO, BGHSt 13, 337, 340).
26
Vorliegend wird von der Revision nicht geltend gemacht, dass eine Zusammenarbeit der Verteidiger sowie eine Information des zeitweise abwesenden Verteidigers über das zwischenzeitliche Geschehen in der Hauptverhandlung nicht stattgefunden hätten. Der Angeklagte D. wurde maßgeblich durch Rechtsanwalt A. verteidigt, den er als Verteidiger gewählt hatte. Dieser war bei der Einlassung des Angeklagten zur Sache und während der anfänglichen Beweisaufnahme sowie bei zeitweiliger Abwesenheit auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung anwesend; insbesondere hat er auch den Schlussvortrag gehalten. Anhaltspunkte dafür, dass er den auf die gesamte Beweisaufnahme bezogenen Schlussvortrag, dem sich Rechtsanwältin Me. lediglich angeschlossen hat, nicht unter Berücksichtigung aller wesentlichen Aspekte halten konnte, liegen nicht vor. Konkrete Hinweise darauf, dass RechtsanwältinMe. seine Verteidigertätigkeit gestört oder jedenfalls nicht ausreichend durch Informationen über das Geschehen in der Hauptverhandlung während seiner Abwesenheit unterstützt hätte, hat die Revision nicht benannt. Bis zur Urteilsverkündung ist auch von keinem Verfahrensbeteiligten geltend gemacht worden, dass Bedenken gegen die Mitwirkung von Rechtsanwältin Me. als Verteidigerinin der Hauptverhandlung bestünden. In der Gesamtschau ist auszuschließen, dass die Fairness des Verfahrens im Ganzen nicht gewährleistet war. Ein lediglich abstraktes, zu keiner Zeit artikuliertes Misstrauen des Angeklagten gegen eine effektive Interessenwahrnehmung durch die gerichtlich bestellte Verteidigerin rechtfertigt unter diesen Umständen nicht die Annahme einer Verletzung des Fairnessgrundsatzes aus der Verfassung (Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG) oder der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 Buchst. c EMRK).
27
(3) Soweit in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Einzelfällen die Mitwirkung eines Verteidigers in der Hauptverhandlung wegen eines konkreten Interessenkonflikts als Verfahrensfehler beanstandet wurde, handelte es sich um Fälle, in denen der Angeklagte ausschließlich durch diesen Rechtsanwalt verteidigt worden war (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2003 – 5 StR 251/02, BGHSt 48, 170, 171 ff.; Beschluss vom 15. November 2005 – 3 StR 327/05, NStZ 2006, 404; Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 489/13, NStZ 2014, 660, 662 ff.). In einem Fall, in dem der Angeklagte erst im Verlauf der Hauptverhandlung zusätzlich durch einen weiteren von ihm gewählten Rechtsanwalt maßgeblich verteidigt worden ist, hat der Bundesgerichtshof jedenfalls ausgeschlossen , dass das Urteil auf dem Unterlassen einer Entpflichtung des bestellten Verteidigers trotz Vorliegens eines Interessenkonflikts beruhe (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2015 – 4 StR 270/15, NStZ 2016, 115 f.). Das würde auch im vorliegenden Fall gelten, wenn nicht bereits das Vorliegen eines Verstoßes gegen den Fairnessgrundsatz verneint würde.
28
2. Die Sachbeschwerde des Angeklagten D. ist ebenfalls unbegründet. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet, wie der Generalbundesanwalt zutreffend erläutert hat, keinen rechtlichen Bedenken. Die Strafrahmenwahl und die Strafzumessung im engeren Sinn sind rechtlich nicht zu beanstanden. Eine Verletzung von § 46 Abs. 3 StGB liegt nicht vor.
29
II. Die Revision des Angeklagten B. hat keinen Erfolg. Seine Sachrüge ist unbegründet.
30
Soweit sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung wendet, die im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB durch mehrere gemeinschaftlich begangen wurde, zeigt er keinen Rechtsfehler in der Beweiswürdigung des Landgerichts auf. Die Schlussfolgerungen der Strafkammer aus dem Rahmengeschehen darauf, dass der Angeklagte B. , der bei den Tätlichkeiten nicht unmittelbar selbst in Erscheinung treten wollte, von einer Ausführung der Körperverletzung durch mehrere Täter ausgegangen ist, sind nicht nur möglich, sondern sogar naheliegend. Er hielt sich schließlich auch während der Tatausführung in der Nachbarwohnung auf.
31
Es ist ferner rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer bei der Strafzumessung bedacht hat, der Angeklagte B. sei „Mitinitiator des Ganzen“ gewesen. Damit wurde ersichtlich nicht nur seine Mittäterschaft bei der gefährlichen Körperverletzung strafschärfend bewertet. Vielmehr hat die Strafkammer ohne Rechtsfehler berücksichtigt, dass der Angeklagte B. bei dem Gesamtgeschehen, das auf die Übernahme aller Wettbüros abzielte, die führende Rolle innehatte.
32
III. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten R. bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
33
Insbesondere ist der Schuldspruch wegen tateinheitlich begangener Beihilfe zur Freiheitsberaubung rechtlich nicht zu beanstanden. Der Angeklagte R. war an der unmittelbar vorangegangenen gefährlichen Körperverletzung als Mittäter beteiligt. Diese mündete unmittelbar in die Freiheitsberaubung, indem der Nebenkläger Bo. , der nicht mehr alleine gehen konnte, gegen seinen Willen in die Wohnung des Angeklagten D. verbracht wurde. Dabei begleitete der Angeklagte R. den Nebenkläger Bo. und die Mitangeklagten D. und T. . Vor dem Hintergrund seiner vorherigen Mitwirkung an der gemeinschaftlich begangenen gefährlichen Körperverletzung handelte es sich dabei nicht lediglich um bloße physische Präsenz des Angeklagten R. . Vielmehr hat er auch vorsätzlich einen aktiven Beitrag zu der unmittelbar an die gefährliche Körperverletzung anschließende Freiheitsberaubung geleistet.

C.

34
I. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet, soweit sie die Verurteilung des Angeklagten D. wegen tateinheitlich begangener gefährli- cher Körperverletzung und versuchter Nötigung sowie die Verurteilung des Angeklagten T. wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung vermisst. Dem steht die Verfahrensbeschränkung durch die Staatsanwaltschaft vor der Anklageerhebung gemäß §§ 154, 154a StPO entgegen. Eine Wiedereinbeziehung der diesbezüglichen Vorwürfe ist nicht erfolgt.
35
II. Die Strafzumessungsentscheidungen des Landgerichts sind zum Teil rechtsfehlerhaft.
36
1. Die Strafzumessung weist Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten B. auf, die sich jedenfalls in der Gesamtschau zu seinem Vorteil ausgewirkt haben können.
37
Das Landgericht hat dem Angeklagten B. ein Teilgeständnis als Strafmilderungsgrund zugutegehalten, obwohl er nach den Urteilsgründen erklärt hat, der Anstoß zu den Tätlichkeiten gegen den Nebenkläger sei ausschließlich von dem Angeklagten D. ausgegangen. Er selbst habe nur vermittelnd eingegriffen. Damit liegt kein Eingeständnis einer Beteiligung an der Tat vor. Ein Strafmilderungsgrund der Reue und Schuldeinsicht, die in einer ganz oder teilweise geständigen Sacheinlassung zum Ausdruck kommen kann (vgl. BGH, Urteil vom 28. August 1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195, 209), ist daraus nicht zu entnehmen.
38
Nicht nachzuvollziehen ist die Erwägung des Landgerichts, dass bei dem zurzeit der Hauptverhandlung 42 Jahre alten Angeklagten altersbedingt erhöhte Haftempfindlichkeit vorliege.
39
Zu Unrecht hat das Landgericht nicht als bestimmenden Strafzumessungsgrund berücksichtigt, dass der Angeklagte B. den Nebenkläger noch nach der Tat bei seinen Besuchen im Krankenhaus weiter nachhaltig verängs- tigt hat, so dass dieser sogar das Krankenhaus vorzeitig verließ und sich dabei infolge eines Sturzes weitere Verletzungen zuzog.
40
2. Die Strafzumessung im engeren Sinne hinsichtlich des Angeklagten D. ist rechtsfehlerhaft, soweit das Landgericht ihm zugutegehalten hat, es habe „teilweise eine kokainbedingte Enthemmung vorgelegen.“ Der Kokainkon- sum während der Begehung der Tat rechtfertigt keine Strafmilderung, weil es zur Annahme voller Schuldfähigkeit genügt, wenn der Täter während eines Zeitabschnitts zwischen Versuchsbeginn und Vollendung der Tat uneingeschränkt schuldfähig war. Der Senat schließt aber aus, dass die Strafbemessung zugunsten des Angeklagten D. hierauf beruht.
41
3. Die Strafzumessungsentscheidung des Landgerichts ist zugunsten des Angeklagten T. rechtsfehlerhaft.
42
Die Voraussetzungen für eine Strafrahmenmilderung nach §§ 46a, 49 Abs. 1 StGB sind alleine mit dem Hinweis auf eine Entschuldigung des Angeklagten T. bei dem Nebenkläger nicht hinreichend dargetan. Der Senat kann im Hinblick auf die damit verbundene Strafrahmenmilderung nicht ausschließen , dass die Entscheidung zugunsten des Angeklagten T. darauf beruht.
43
Der neue Tatrichter wird - was eine bislang angenommene weitere Strafrahmenverschiebung nach § 46b StGB anbelangt - auch zu berücksichtigen haben, dass der Täter einer Katalogtat im Sinne von § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB in Verbindung mit § 100a Abs. 2 StPO nicht durch Offenbarung einer Nichtkatalogtat in den Genuss einer Strafrahmenmilderung kommen soll (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012 - 1 StR 45/11, BGHSt 57, 95, 122).
44
III. Die Strafzumessungsentscheidung des Landgerichts hinsichtlich des Angeklagten R. ist rechtsfehlerfrei. Appl Eschelbach Ott Zeng Bartel
38
(3) Die Annahme des Landgerichts, der Interessenkonflikt sei durch rechtskräftige Aburteilung des Mitangeklagten und dessen Ausscheiden als Mitangeklagter aus dem Verfahren beendet, ist unzutreffend. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 356 StGB kommt es für die Frage eines Interessenkonflikts nicht auf die Mandatsbeendigung an (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1986 – 1 StR 519/86, BGHSt 34, 190, 191; Beschluss vom 15. Januar 2003 – 5 StR 251/02, BGHSt 48, 170, 172). Auch berufsrechtlich folgt aus § 3 Abs. 1 BORA, dass ein Vertretungsverbot bei widerstreitenden Mandaten anzunehmen ist, wenn der Rechtsanwalt einen anderen Mandanten beraten oder vertreten hat; § 3 Abs. 2 Satz 1 BORA erstreckt dieses Verbot auf Sozien und Mitglieder einer Bürogemeinschaft. Auch die faktische Interessenlage , die bei der Entscheidung nach § 143 StPO im Vordergrund steht, wird durch Beendigung eines Mandats nicht grundlegend verändert. Die kollegiale Verbundenheit der Rechtsanwälte und ihre Möglichkeit zur Nutzung gemeinsamer Mittel bleiben bestehen. Auch insoweit gilt es, einem Anschein mangelnder Neutralität entgegenzuwirken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2006 – 1 BvR 594/06, NJW 2006, 2469, 2470). Fischer Krehl Eschelbach Ott Zeng

(1) Der Antrag des Beschuldigten nach § 141 Absatz 1 Satz 1 ist vor Erhebung der Anklage bei den Behörden oder Beamten des Polizeidienstes oder bei der Staatsanwaltschaft anzubringen. Die Staatsanwaltschaft legt ihn mit einer Stellungnahme unverzüglich dem Gericht zur Entscheidung vor, sofern sie nicht nach Absatz 4 verfährt. Nach Erhebung der Anklage ist der Antrag des Beschuldigten bei dem nach Absatz 3 Nummer 3 zuständigen Gericht anzubringen.

(2) Ist dem Beschuldigten im Vorverfahren ein Pflichtverteidiger gemäß § 141 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3 zu bestellen, so stellt die Staatsanwaltschaft unverzüglich den Antrag, dem Beschuldigten einen Pflichtverteidiger zu bestellen, sofern sie nicht nach Absatz 4 verfährt.

(3) Über die Bestellung entscheidet

1.
das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Staatsanwaltschaft oder ihre zuständige Zweigstelle ihren Sitz hat, oder das nach § 162 Absatz 1 Satz 3 zuständige Gericht;
2.
in den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 4 das Gericht, dem der Beschuldigte vorzuführen ist;
3.
nach Erhebung der Anklage der Vorsitzende des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(4) Bei besonderer Eilbedürftigkeit kann auch die Staatsanwaltschaft über die Bestellung entscheiden. Sie beantragt unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach ihrer Entscheidung, die gerichtliche Bestätigung der Bestellung oder der Ablehnung des Antrags des Beschuldigten. Der Beschuldigte kann jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen.

(5) Vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers ist dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger zu bezeichnen. § 136 Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend. Ein von dem Beschuldigten innerhalb der Frist bezeichneter Verteidiger ist zu bestellen, wenn dem kein wichtiger Grund entgegensteht; ein wichtiger Grund liegt auch vor, wenn der Verteidiger nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung steht.

(6) Wird dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger bestellt, den er nicht bezeichnet hat, ist er aus dem Gesamtverzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer (§ 31 der Bundesrechtsanwaltsordnung) auszuwählen. Dabei soll aus den dort eingetragenen Rechtsanwälten entweder ein Fachanwalt für Strafrecht oder ein anderer Rechtsanwalt, der gegenüber der Rechtsanwaltskammer sein Interesse an der Übernahme von Pflichtverteidigungen angezeigt hat und für die Übernahme der Verteidigung geeignet ist, ausgewählt werden.

(7) Gerichtliche Entscheidungen über die Bestellung eines Pflichtverteidigers sind mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Sie ist ausgeschlossen, wenn der Beschuldigte einen Antrag nach § 143a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 stellen kann.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Gebotene Ablehnung der Bestellung eines vom Beschuldigten
bezeichneten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger bei
konkreter Gefahr einer Interessenkollision in einem Fall
sukzessiver Mehrfachverteidigung.
BGH, Beschl. v. 15. Januar 2003 – 5 StR 251/02
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 15. Januar 2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Anstiftung zum Mord u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Januar 2003

beschlossen:
I. 1. Dem Angeklagten J wird auf seine Kosten zur weiteren Begründung seiner Revision gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Dezember 2001 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
2. Auf die Revision des Angeklagten J wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Dezember 2001, soweit es ihn betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
3. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Revision, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
II. 1. Die Revision des Angeklagten D gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Dezember 2001 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
2. Der Angeklagte D hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dadurch den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

G r ü n d e

I.


Das Schwurgericht hat den Angeklagten J wegen Anstiftung zum Mord zu lebenslanger Freiheitsstrafe – nach Einbeziehung anderweits ver hängter rechtskräftiger Strafen als Gesamtstrafe –, den Angeklagten D wegen Beihilfe zum Mord zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
1. Das Schwurgericht hat folgendes festgestellt:
Die Angeklagten hatten seit 1992 massive Konflikte mit ihrem Geschäftspartner G . Der Angeklagte J begann im Jahre 1993, den mit ihm und seiner Ehefrau befreundeten B zu überreden, G zu töten. Dem wiederholten Drängen J s schloß sich der Angeklagte D an; er war an der Tötung des mit beiden Angeklagten zerstrittenen, ihnen für ihr geschäftliches Fortkommen lästig und gefährlich gewordenen Partners gleichfalls interessiert. Schließlich erschoß B den G G im März 1994 hinterrücks – wie von beiden Angeklagten einkalkuliert – mit einer ihm von J zur Tatausführung übergebenen Pistole.
B wurde ein Jahr später vom Landgericht Berlin wegen heimtückisch begangenen Mordes – unter Zubilligung erheblich verminderter Schuldfähigkeit – zu neun Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Verteidigt wurde er von Rechtsanwalt S . Bereits vor der Tat hatte der Angeklagte J seinem damaligen Freund B diesen Rechtsanwalt für den Fall, daß er als Täter ermittelt würde, benannt; B müsse dann „auf Macke“ machen und werde nach fünf bis sechs Jahren entlassen werden.
Erst im Sommer 2000 offenbarte B der Polizei die Beteiligung der Angeklagten an dem von ihm begangenen Mord. Zuvor waren weitere Zuwendungen des Angeklagten J an ihn während seiner Strafhaft schließlich ausgeblieben; Konflikte zwischen den Eheleuten J waren B , der sich um J s Ehefrau sorgte, bekannt geworden. Zudem hatte ein Mitgefangener , dem B sich offenbart hatte, ihm zu der Aussage geraten; ihn motivierte dabei nicht zuletzt der näher rückende Zeitpunkt der Zweidrittelverbüßung seiner Strafe. Einen Monat vor der polizeilichen Aussage hatte B seinen früheren Verteidiger Rechtsanwalt S schriftlich aufgefordert , im Streit zwischen den Eheleuten J zugunsten der Ehefrau zu vermitteln; in dem durch Frau J übermittelten Brief teilte er mit, der schon früher von Rechtsanwalt S geäußerte Verdacht, J habe ihn, B , zur Ermordung G s angestiftet, treffe zu. Das Schreiben, über das B der Polizei berichtet hatte und dessen Original die Ehefrau des Angeklagten J , die Rechtsanwalt S nur eine Abschrift überlassen hatte, einbehalten und den Ermittlungsbehörden übergeben hatte, hat das Schwurgericht als wesentliches Indiz zur Stützung der Zeugenaussage des Haupttäters B gewertet, auf die es seine Beweiswürdigung maßgeblich gestützt hat.
2. Soweit die Revisionen der Angeklagten zunächst jeweils mit der Sachrüge begründet worden sind, haben sie keinen Erfolg. Die Beweiswürdigung des Schwurgerichts begegnet insgesamt im Ergebnis keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Auch erweist sich die auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage beruhende Auffassung des Schwurgerichts als rechtsfehlerfrei , die Angeklagten hätten hinsichtlich des zutreffend angenommenen Mordmerkmals der Heimtücke den jeweils erforderlichen Beteiligtenvorsatz gehabt (vgl. BGHR StGB § 26 Vorsatz 2).
Bei dieser Sachlage ist die Revision des Angeklagten D nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

II.


Der Umstand, daß der Angeklagte J in der Tatsacheninstanz allein durch den – freilich auf Wunsch dieses Angeklagten – zum Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwalt S verteidigt worden ist, begegnet ebenso durchgreifenden Bedenken wie die anfänglich entsprechend geordneten Verteidigungsverhältnisse im Revisionsverfahren. Nachdem dem Angeklagten J aufgrund dieser Bedenken im Revisionsverfahren ein weiterer Verteidiger bestellt worden ist, hat dieser zur weiteren Begründung der Revision des Angeklagten J eine Verfahrensrüge wegen Verletzung des § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO erhoben und hierfür Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das Wiedereinsetzungsgesuch und diese Verfahrensrüge sind begründet; dies führt zur umfassenden Aufhebung des Urteils auf die Revision des Angeklagten J , soweit dieser Angeklagte verurteilt worden ist.
1. Kollidiert der Wunsch eines Beschuldigten, von einem bestimmten Rechtsanwalt verteidigt zu werden, mit einem möglichen Konflikt dieses Rechtsanwalts in Bezug auf die Interessen eines anderen – auch früheren – Mandanten (vgl. – zur Unmaßgeblichkeit des Fortbestehens des anderen Mandats für die Frage rechtlich relevanter Interessenkonflikte wegen fortwirkender Berufspflichten – nur BGHSt 34, 190, 191; Cramer in Schönke /Schröder, StGB 26. Aufl. § 356 Rdn. 10, 17; Eylmann in Henssler/Prütting, BRAO 1996 § 43a Rdn. 41, 126 ff.; Feuerich/Braun, BRAO 5. Aufl. § 43a Rdn. 20, 55 ff.), sind folgende Grundsätze zu beachten.

a) Dem Beschuldigten ist aufgrund seines Rechts auf ein faires, rechtsstaatlich geordnetes Verfahren eine effektive Verteidigung im Strafverfahren zu gewährleisten (Art. 6 Abs. 3 lit. c MRK; Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Daher muß für den Beschuldigten – abgesehen von seinem grundsätzlich gegebenen Recht aus § 137 Abs. 1 Satz 1 StPO auf Verteidigerwahl – in gewichtigen Strafverfahren ein Verteidiger mitwirken (§ 140 StPO), dessen juristische Qualifikation – regelmäßig als Rechtsanwalt – si-
chergestellt (vgl. §§ 138, 139, 142 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StPO) und dessen notwendige Anwesenheit während der gesamten Hauptverhandlung durch den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO abgesichert ist.
Sofern kein Wahlverteidiger mitwirkt, bedarf es in diesen Fällen mithin der Pflichtverteidigerbestellung. Hierbei soll auf ein Vertrauensverhältnis zwischen Beschuldigtem und Verteidiger hingewirkt werden; zudem sind dem Beschuldigten in einem fairen, rechtsstaatlich geordneten Verfahren aktive Mitwirkungsbefugnisse zuzubilligen. Dies gab Anlaß zu der Regelung in § 142 Abs. 1 Sätze 2 und 3 StPO, wonach ein Wunsch des Beschuldigten auf Verteidigung durch einen bestimmten Rechtsanwalt durch Nachfrage zu fördern und diesem weitgehend Rechnung zu tragen ist (vgl. BGHSt 43, 153, 154 f.; BGHR StPO § 142 Abs. 1 Auswahl 7, 8; Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 142 Rdn. 9 m. w. N.).

b) Ein absehbarer Interessenkonflikt in der Person eines als Pflichtverteidiger in Betracht gezogenen Rechtsanwalts kann, sofern deshalb eine mindere Effektivität seines Verteidigungseinsatzes zu befürchten ist, seiner Bestellung entgegenstehen (vgl. BVerfG – Kammer – NStZ 1998, 46; BGH NStZ 1992, 292; OLG Frankfurt NJW 1999, 1414, 1415). Hierin kann auch ein wichtiger Grund im Sinne des § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO liegen, von der Bestellung des vom Beschuldigten bezeichneten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger abzusehen (vgl. Laufhütte in KK 4. Aufl. § 142 Rdn. 7). Eine solche Entscheidung löst ein Spannungsfeld, bei dem jeweils im fairen Verfahren angelegte Elemente widerstreiten: die Beachtlichkeit der aktiven Mitwirkung des Beschuldigten bei der Suche nach einem Verteidiger, dem er vertraut , einerseits; die durch gerichtliche Fürsorgepflicht zu sichernde Effektivität der Verteidigung andererseits, die bei greifbaren Interessenkonflikten regelmäßig als vorrangig zu werten sein wird.

c) Der Gefahr einer Interessenkollision durch die Verteidigung mehrerer derselben Tat Beschuldigter – wie auch durch die Verteidigung mehrerer
Beschuldigter im selben Verfahren – begegnet die Regelung des § 146 StPO. In Abwägung zwischen der Gefahr einer nicht ausreichend sachgerecht geführten Verteidigung einerseits und den aus einem generellen Verbot folgenden Einschränkungen der freien Verteidigerwahl sowie der freien Berufsausübung der Verteidiger andererseits hat der Gesetzgeber im Jahre 1987 Anlaß gesehen, von dem noch bei Einführung der Regelung Ende 1974 aufgestellten strikten Verbot der Mehrfachverteidigung durch das zusätzliche Erfordernis der Gleichzeitigkeit die sukzessive Mehrfachverteidigung auszunehmen (vgl. dazu näher Laufhütte aaO § 146 Rdn. 1).
Hieraus ist zu folgern, daß die Bestellung eines vom Beschuldigten bezeichneten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger allein mit Rücksicht auf die abstrakte Gefahr einer Interessenkollision nicht abgelehnt werden darf, die sich für einen Verteidiger schon daraus ergeben kann, daß er die Verteidigung eines Beschuldigten übernimmt, obgleich er zuvor schon einen anderen derselben Tat Beschuldigten verteidigt hat. Dies ist aus der Gleichwertigkeit von Wahl- und Pflichtverteidigung zu folgern, da der entsprechende Sachverhalt eine Zurückweisung des Verteidigers nach § 146a StPO nicht rechtfertigt (vgl. BGHR StPO § 142 Abs. 1 Auswahl 6).
Dies hindert freilich auch in einem Fall sukzessiver Mehrfachverteidigung nicht etwa schlechthin die Ablehnung der Beiordnung des gewünschten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger aus dem wichtigen Grund der konkreten Gefahr eines Interessenkonflikts (vgl. Laufhütte aaO § 142 Rdn. 7 und § 146 Rdn. 1).

d) Zu beachten ist dabei, daß der Rechtsanwalt grundsätzlich allein für die Wahrung seiner Berufspflichten verantwortlich ist (vgl. BGH NStZ 1992, 292; OLG Düsseldorf NStZ 1991, 352; OLG Frankfurt NJW 1999, 1414, 1415), hier speziell bezogen auf das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43a Abs. 4 BRAO). Das wird in Fällen, in denen der Bestellung eines vom Beschuldigten gewünschten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger
kein anderer wichtiger Grund als die konkrete Gefahr einer Interessenkollision entgegensteht, regelmäßig Anlaß für folgende Verfahrensweise sein: Der für die Verteidigerbestellung zuständige Gerichtsvorsitzende sollte vor einer Ablehnung der gewünschten Pflichtverteidigerbestellung den Rechtsanwalt – gegebenenfalls daneben auch den Beschuldigten selbst – zu dem Sachverhalt anhören, der die Gefahr der Interessenkollision begründen kann. Liegt ein derartiger Sachverhalt nach Lage des Einzelfalles auf der Hand, wird der Vorsitzende eine derartige Anhörung durchführen müssen und jedenfalls gehindert sein, den gewünschten Pflichtverteidiger ohne weiteres sofort zu bestellen.
Entsprechendes wird zu gelten haben in Fällen, in denen wegen nachträglich erkannter konkreter Gefahr eines Interessenkonflikts die Rücknahme der Pflichtverteidigerbestellung aus wichtigem Grund (vgl. Laufhütte aaO § 143 Rdn. 4 f.) zu erwägen oder aufgrund einer entsprechenden Gefahr der Interessenkollision in der Person eines Wahlverteidigers die zusätzliche Bestellung eines Pflichtverteidigers (vgl. Laufhütte aaO § 141 Rdn. 7) in Betracht zu ziehen ist.

e) Bei der Annahme des wichtigen Grundes der konkreten Gefahr einer Interessenkollision, welcher die Ablehnung der Bestellung des vom Beschuldigten bezeichneten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger gemäß § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO rechtfertigt, steht dem zuständigen Gerichtsvorsitzenden ein Beurteilungsspielraum zu, der nicht der umfassenden Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt. So kann in Grenzfällen die Ablehnung der vom Beschuldigten gewünschten Verteidigerbestellung wegen vom Vorsitzenden angenommener Gefahr der Interessenkollision als vertretbare Entscheidung ebenso unbeanstandet bleiben wie die bei gleicher Sachlage gleichwohl – ebenfalls vertretbar – verfügte Bestellung des Verteidigers.
Insbesondere kann sich die Vertretbarkeit der getroffenen Entscheidung über die Pflichtverteidigerbestellung auch aus dem Motiv der Verfah-
renssicherung ergeben. So kann die Ablehnung der gewünschten Verteidigerbestellung im Einzelfall dann vertretbar sein, wenn die Gefahr einer Interessenkollision aktuell noch nicht übermäßig groß erscheint, indes unbedingt vermieden werden soll, daß sie später doch virulent wird und dann zum Abbruch einer Hauptverhandlung mit beträchtlichem Umfang zur Unzeit nötigen könnte. In Fällen dieser Art mag auch einmal die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers neben dem gewünschten angezeigt sein.

f) Die Verneinung der Gefahr eines Interessenkonflikts und die deshalb dem Wunsch des Beschuldigten gemäß verfügte Pflichtverteidigerbestellung wird umso eher vom Revisionsgericht als vertretbar zu bewerten sein, wenn Gegengründe, die sich im Einzelfall aufdrängen, mit dem benannten Verteidiger, gegebenenfalls auch mit dem Beschuldigten, erörtert und wenn daraufhin in Kenntnis des kritischen Sachverhalts keine Bedenken gegen die Bestellung geäußert oder gar beachtliche Gründe gegen einen möglichen Interessenkonflikt vorgebracht worden sind.
2. Nach diesen Maßstäben war die Bestellung des Rechtsanwalts S zum Pflichtverteidiger des Angeklagten J rechtsfehlerhaft.

a) Der Haupttäter B hatte mit der Offenbarung, daß der Angeklagte J die Ermordung G s als Anstifter veranlaßt – und der Angeklagte D dies durch psychische Beihilfe unterstützt – hatte, Anlaß zu maßgeblicher Intensivierung des gegen beide Angeklagte geführten Ermittlungsverfahrens gegeben. Dieses Verfahren hatte den Vorwurf der Beteiligung an derselben Tat zum Gegenstand, wegen deren Begehung B rechtskräftig verurteilt war und sich zur Zeit seiner Offenbarung noch in Strafhaft befand. Zunächst waren die beiden Angeklagten den Ermittlungsbehörden und Gerichten während des Strafverfahrens gegen B lediglich als „Tatinteressenten“ bekanntgeworden, später war ein Ermittlungsverfahren gegen J , in dem B zunächst noch zu seinen Gunsten ausgesagt hatte, nur aufgrund von Angaben Dritter vom Hörensagen eingeleitet worden.

Nachdem Rechtsanwalt S den Haupttäter B verteidigt hatte , verstieß die spätere sukzessive Übernahme der Verteidigung des Anstifters J zwar mangels Gleichzeitigkeit nicht gegen das Verbot des § 146 StPO. Indes bestanden jenseits der generell bei solcher Fallgestaltung gegebenen Gefahr einer Interessenkollision deutliche konkrete Anhaltspunkte für einen möglichen Interessenkonflikt, in den dieser Rechtsanwalt bei der Verteidigung des Angeklagten J im Blick auf seine fortwirkenden Pflichten gegenüber seinem früheren Mandanten B geraten konnte.
Der Angeklagte J war weitestgehend nicht geständig. Für seine Überführung wegen Anstiftung zum Mord war die Zeugenaussage B s – wie von Anfang an erkennbar – von maßgeblicher Bedeutung. Bei dieser Sachlage drängte sich die Aufdeckung möglicher Schwachstellen dieser Aussage als eine zentrale Aufgabe von J s Verteidiger auf. Indes unterlag S einer Verschwiegenheitspflicht gegenüber seinem früheren Mandanten B , zudem traf ihn als Rechtsanwalt naheliegend auch eine gewisse berufsrechtliche Verpflichtung, dem im Strafverfahren Verteidigten während dessen anschließender Strafvollstreckung nicht durch aktive Wahrnehmung eines Mandats mit gegenläufigen Interessen Nachteil zuzufügen. Rechtsanwalt S war daher gehindert, ihm von seinem früheren Mandanten während dessen Verteidigung etwa anvertrautes Wissen, das seinem jetzigen Mandanten J hätte nützen können, zu offenbaren. Er konnte unter Umständen auch in Konflikt geraten, wenn es sich ihm etwa im Interesse seines jetzigen Mandanten J aufdrängen mußte, entlastende Indizien vorzutragen, über deren Bewertung er indes aufgrund vertraulicher Mitteilungen seines früheren Mandanten B nicht offenbarungsfähige nähere Kenntnisse besaß. Darüber hinaus konnte er in die Situation geraten, durch Vorbringen, mit dem er J gezielt gegen B s jetzige Aussage verteidigte, jedenfalls den Verdacht zu erwecken, sich hierdurch in entsprechender Weise standesrechtlich pflichtwidrig – mindestens aber bedenklich – gegenüber seinem früheren Mandanten zu verhalten, so daß er unter Hint-
anstellung von J s berechtigten Verteidigungsinteressen leicht hätte motiviert werden können, von solchem Verteidigervorbringen Abstand zu nehmen.

b) Allein diese auf der Hand liegenden Umstände hätten dem ermittelnden Staatsanwalt, bevor er dem Schwurgerichtsvorsitzenden bereits im Ermittlungsverfahren den Antrag auf Bestellung des Rechtsanwalts S zum Pflichtverteidiger des damaligen Beschuldigten J befürwortend zuleitete, Anlaß geben sollen, auf Klärung der auf eine Interessenkollision hindeutenden Anzeichen gegenüber dem Rechtsanwalt und dem Beschuldigten J hinzuwirken. Sofern sich dies dem damals mit dem Verfahren noch nicht näher befaßten Schwurgerichtsvorsitzenden selbst noch nicht hätte aufdrängen müssen, hätte dieser jedenfalls nach Kenntnis von der Anklage entsprechend allen Anlaß gehabt, die verfügte Verteidigerbestellung zu hinterfragen und auf eine derartige Klärung hinzuwirken. Die jetzt im Revisionsverfahren eingeholten dienstlichen Erklärungen, die den Wunsch des Angeklagten J nach Verteidigung durch Rechtsanwalt S in den Mittelpunkt stellen und ein sachlich unauffälliges Verteidigerverhalten betonen , machen es dem Senat nicht verständlich, daß die sich bei der vorliegenden Fallgestaltung aufdrängenden Anhaltspunkte für eine mögliche Interessenkollision in der Person des gewünschten Verteidigers nach außen hin gänzlich unbeachtet geblieben sind.

c) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Bestellung des Rechtsanwalts S zum Pflichtverteidiger allein aufgrund der genannten Umstände bereits als unvertretbar und damit rechtsfehlerhaft zu bewerten wäre. Dies läge jedenfalls in Ermangelung ausdrücklicher Hinterfragung der mit einer möglichen Interessenkollision zusammenhängenden Probleme gegenüber den Beteiligten nicht ganz fern. Andererseits sind vor dem Hintergrund genereller Zulässigkeit sukzessiver Mehrfachverteidigung gemäß § 146 StPO der ausdrückliche Wunsch des Angeklagten J nach Bestellung dieses Verteidigers und das Fehlen eines Vortrags eigener Bedenken gegen
die Ordnungsmäßigkeit seiner Bestellung durch den zur Prüfung standesrechtlich pflichtgemäßen Verhaltens primär berufenen Rechtsanwalt nicht unbeachtlich. Hier kommen jedoch weitere Fallbesonderheiten hinzu, welche der Annahme einer noch vertretbaren, daher nicht als rechtsfehlerhaft zu qualifizierenden Verteidigerbestellung jedenfalls entgegenstehen.
aa) Zum einen drängten sich Überlegungen über eine mögliche Interessenkollision nicht nur infolge der Verhältnisse zwischen den Beschuldigten vor dem Hintergrund ihrer unterschiedlichen Rollen bei Tatbegehung und in der Entwicklung der jeweils gegen sie geführten Strafverfahren auf. Darüber hinaus war die Person des Rechtsanwalts S – ohne daß dies etwa für sich dem Rechtsanwalt ohne weiteres zum Vorwurf gereichen müßte – hier schon zeitnah zur Tatbegehung im Gespräch: Nach den Urteilsfeststellungen benannte der Angeklagte J schon im Rahmen seiner Anstiftungshandlungen diesen Rechtsanwalt dem Haupttäter B als potentiellen späteren Verteidiger; J verband so mit der Person dieses Rechtsanwalts die Prognose eines verminderten Sanktionsrisikos, mit deren Benennung er Hemmungen des Haupttäters abzubauen suchte. Diese Urteilsfeststellung gründet auf der entsprechenden Zeugenaussage B s. Dieser hatte schon in seiner ersten polizeilichen Vernehmung Angaben über prozessuale Verhaltensmuster, seine Schuldfähigkeit betreffend, gemacht, die ihm der Angeklagte J – freilich nach der Tat, aber vor seiner Entdeckung und Verhaftung – nahegebracht habe, und hatte dabei auch Angaben zur Vermittlung und Bezahlung von Rechtsanwalt S als Verteidiger durch J gemacht.
Es liegt auf der Hand, daß schon die Angaben seines früheren Mandanten B im Ermittlungsverfahren gegen J , namentlich aber dessen spätestens in der Hauptverhandlung gemachte belastende Angabe, sein jetziger Mandant J habe sich im Rahmen seiner Anstiftungshandlungen in einer derartigen, für die Person des Verteidigers anrüchigen Weise geäußert, für Rechtsanwalt S die gebotene in jeder Beziehung unbefangene
Wahrnehmung seiner Verteidigeraufgaben gegenüber dem Angeklagten J nachhaltig zu erschweren geeignet war. Schon B s Aussage bei der Polizei zu diesem Themenkreis hätte mindestens eine kritische Nachfrage an Rechtsanwalt S , die erstrebte Verteidigung J s betreffend , veranlassen sollen. Jedenfalls nach B s entsprechender Zeugenaussage in der Hauptverhandlung war sie unbedingt geboten.
bb) Zu dieser herausgehobenen Sachnähe kam eine weitere maßgebliche Besonderheit hinzu. Ein Brief des Haupttäters B an seinen früheren Verteidiger Rechtsanwalt S war Gegenstand der Ermittlungsakten geworden. Es lag auf der Hand, daß dieses Schreiben wegen der deutlich vor B s Offenbarung gegenüber der Polizei geäußerten, zudem darin nachvollziehbar motivierten Erwägung einer solchen Offenbarung eine nicht unwesentliche indizielle Bedeutung für die Beurteilung der Zuverlässigkeit von B s Angaben gewinnen konnte – die ihm das Schwurgericht später tatsächlich auch zugemessen hat. Hinzu kam, daß im Inhalt dieses Schreibens eigene Erwägungen des Rechtsanwalts S über eine Tatbeteiligung des Angeklagten J behauptet wurden. Rechtsanwalt S wäre danach im Verfahren gegen den Angeklagten J sogar als Zeuge in Betracht gekommen, wobei er sich freilich naheliegend auf ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO, womöglich gar auf ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 Abs. 1 StPO, hätte berufen können.
Diese weitergehende Besonderheit begründete zusätzliche nachhaltige Bedenken dagegen, daß dieser Rechtsanwalt die Verteidigung des Angeklagten J in der gebotenen unabhängigen und distanzierten Weise werde führen können. Jedenfalls danach können seine Bestellung zum Pflichtverteidiger des Angeklagten J und die alleinige Wahrnehmung der Verteidigeraufgaben durch ihn in der gesamten Tatsacheninstanz ohne jede gerichtliche Hinterfragung – ungeachtet des entsprechenden Wunsches des Angeklagten J – nurmehr als verfahrensfehlerhaft bewertet werden. Hätte sich
Rechtsanwalt S bei der gegebenen Sachlage ungeachtet geäußerter und nicht etwa zu entkräftender gerichtlicher Bedenken gegen seine Mitwirkung dann als Wahlverteidiger des Angeklagten J gemeldet, hätte er zwar naheliegend nicht zurückgewiesen werden können. Dem Angeklagten J wäre jedoch gleichwohl aus den nämlichen Gründen, die der Beiordnung S s zum Pflichtverteidiger entgegenstanden, ein anderer Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger beizuordnen gewesen (vgl. Laufhütte aaO § 141 Rdn. 7).
3. Daß der rechtsfehlerhaft zum Verteidiger bestellte Rechtsanwalt S als einziger Verteidiger des Angeklagten J…. in diesem Fall notwendiger Verteidigung die danach angezeigte Verfahrensrüge wegen seiner eigenen verfahrensfehlerhaften Mitwirkung nicht erhoben hat, geht auf die verfahrensfehlerhafte Bestellung dieses Verteidigers zurück. Hierin liegt eine auf das Revisionsverfahren fortwirkende Vernachlässigung der dem Angeklagten J gegenüber bestehenden prozessualen Fürsorgepflicht. Deren Folgen sind ihm ungeachtet seines entsprechenden – freilich auf laienhafter Verkennung seiner eigenen Verteidigungsinteressen beruhenden – Wunsches nach Bestellung dieses Verteidigers nicht als verschuldet anzulasten.
Danach liegt ein Ausnahmefall vor, in welchem dem Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung einer Verfahrensrüge zu gewähren ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 44 Rdn. 7a m. w. N.). Den entsprechenden Antrag hat der zusätzlich bestellte Verteidiger innerhalb einer Woche (s. § 45 Abs. 1 StPO) nach Zustellung des Urteils und seiner Bestellung unter formgerechter Nachholung der versäumten Verfahrensrüge gestellt.
4. Ein absoluter Revisionsgrund nach § 338 Nr. 5 StPO ist nicht geltend gemacht (vgl. dagegen auch BGHR StPO § 338 Nr. 5 Verteidiger 1 und 5). Indes greift die Rüge wegen Verletzung des § 142 Abs. 1 Satz 3
StPO durch. Es läßt sich nicht ausschließen, daß der Schuldspruch zum Nachteil des Angeklagten J auf der verfahrensfehlerhaften Gestaltung seiner Verteidigungsverhältnisse beruht (§ 336 Satz 1 StPO). Ungeachtet der letztlich rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und trotz mangelnder konkreter Hinweise auf abweichende Sachaufklärungsmöglichkeiten ist nicht auszuschließen , daß ein anderer Verteidiger, dessen Mitwirkung geboten war, mit zulässigen prozessualen Mitteln auf abweichende, für den Angeklagten J günstigere Tatfeststellungen hätte hinwirken können.
Das Urteil ist daher, soweit es den Angeklagten J betrifft, auf die entsprechende Verfahrensrüge umfassend aufzuheben.
5. Der neue Tatrichter wird für den Fall einer erneuten Verurteilung des Angeklagten J jedenfalls nunmehr nicht mehr gehindert sein, unter Berücksichtigung sämtlicher nach Tatbegehung erfolgter rechtskräftiger Verurteilungen eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach den bei Tröndle /Fischer, StGB 51. Aufl. § 55 Rdn. 6, 8, 9, 11, 13, 19 genannten Grundsätzen vorzunehmen.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum

Ein Verteidiger kann nicht gleichzeitig mehrere derselben Tat Beschuldigte verteidigen. In einem Verfahren kann er auch nicht gleichzeitig mehrere verschiedener Taten Beschuldigte verteidigen.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Gebotene Ablehnung der Bestellung eines vom Beschuldigten
bezeichneten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger bei
konkreter Gefahr einer Interessenkollision in einem Fall
sukzessiver Mehrfachverteidigung.
BGH, Beschl. v. 15. Januar 2003 – 5 StR 251/02
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 15. Januar 2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Anstiftung zum Mord u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Januar 2003

beschlossen:
I. 1. Dem Angeklagten J wird auf seine Kosten zur weiteren Begründung seiner Revision gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Dezember 2001 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
2. Auf die Revision des Angeklagten J wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Dezember 2001, soweit es ihn betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
3. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Revision, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
II. 1. Die Revision des Angeklagten D gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Dezember 2001 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
2. Der Angeklagte D hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dadurch den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

G r ü n d e

I.


Das Schwurgericht hat den Angeklagten J wegen Anstiftung zum Mord zu lebenslanger Freiheitsstrafe – nach Einbeziehung anderweits ver hängter rechtskräftiger Strafen als Gesamtstrafe –, den Angeklagten D wegen Beihilfe zum Mord zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
1. Das Schwurgericht hat folgendes festgestellt:
Die Angeklagten hatten seit 1992 massive Konflikte mit ihrem Geschäftspartner G . Der Angeklagte J begann im Jahre 1993, den mit ihm und seiner Ehefrau befreundeten B zu überreden, G zu töten. Dem wiederholten Drängen J s schloß sich der Angeklagte D an; er war an der Tötung des mit beiden Angeklagten zerstrittenen, ihnen für ihr geschäftliches Fortkommen lästig und gefährlich gewordenen Partners gleichfalls interessiert. Schließlich erschoß B den G G im März 1994 hinterrücks – wie von beiden Angeklagten einkalkuliert – mit einer ihm von J zur Tatausführung übergebenen Pistole.
B wurde ein Jahr später vom Landgericht Berlin wegen heimtückisch begangenen Mordes – unter Zubilligung erheblich verminderter Schuldfähigkeit – zu neun Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Verteidigt wurde er von Rechtsanwalt S . Bereits vor der Tat hatte der Angeklagte J seinem damaligen Freund B diesen Rechtsanwalt für den Fall, daß er als Täter ermittelt würde, benannt; B müsse dann „auf Macke“ machen und werde nach fünf bis sechs Jahren entlassen werden.
Erst im Sommer 2000 offenbarte B der Polizei die Beteiligung der Angeklagten an dem von ihm begangenen Mord. Zuvor waren weitere Zuwendungen des Angeklagten J an ihn während seiner Strafhaft schließlich ausgeblieben; Konflikte zwischen den Eheleuten J waren B , der sich um J s Ehefrau sorgte, bekannt geworden. Zudem hatte ein Mitgefangener , dem B sich offenbart hatte, ihm zu der Aussage geraten; ihn motivierte dabei nicht zuletzt der näher rückende Zeitpunkt der Zweidrittelverbüßung seiner Strafe. Einen Monat vor der polizeilichen Aussage hatte B seinen früheren Verteidiger Rechtsanwalt S schriftlich aufgefordert , im Streit zwischen den Eheleuten J zugunsten der Ehefrau zu vermitteln; in dem durch Frau J übermittelten Brief teilte er mit, der schon früher von Rechtsanwalt S geäußerte Verdacht, J habe ihn, B , zur Ermordung G s angestiftet, treffe zu. Das Schreiben, über das B der Polizei berichtet hatte und dessen Original die Ehefrau des Angeklagten J , die Rechtsanwalt S nur eine Abschrift überlassen hatte, einbehalten und den Ermittlungsbehörden übergeben hatte, hat das Schwurgericht als wesentliches Indiz zur Stützung der Zeugenaussage des Haupttäters B gewertet, auf die es seine Beweiswürdigung maßgeblich gestützt hat.
2. Soweit die Revisionen der Angeklagten zunächst jeweils mit der Sachrüge begründet worden sind, haben sie keinen Erfolg. Die Beweiswürdigung des Schwurgerichts begegnet insgesamt im Ergebnis keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Auch erweist sich die auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage beruhende Auffassung des Schwurgerichts als rechtsfehlerfrei , die Angeklagten hätten hinsichtlich des zutreffend angenommenen Mordmerkmals der Heimtücke den jeweils erforderlichen Beteiligtenvorsatz gehabt (vgl. BGHR StGB § 26 Vorsatz 2).
Bei dieser Sachlage ist die Revision des Angeklagten D nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

II.


Der Umstand, daß der Angeklagte J in der Tatsacheninstanz allein durch den – freilich auf Wunsch dieses Angeklagten – zum Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwalt S verteidigt worden ist, begegnet ebenso durchgreifenden Bedenken wie die anfänglich entsprechend geordneten Verteidigungsverhältnisse im Revisionsverfahren. Nachdem dem Angeklagten J aufgrund dieser Bedenken im Revisionsverfahren ein weiterer Verteidiger bestellt worden ist, hat dieser zur weiteren Begründung der Revision des Angeklagten J eine Verfahrensrüge wegen Verletzung des § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO erhoben und hierfür Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das Wiedereinsetzungsgesuch und diese Verfahrensrüge sind begründet; dies führt zur umfassenden Aufhebung des Urteils auf die Revision des Angeklagten J , soweit dieser Angeklagte verurteilt worden ist.
1. Kollidiert der Wunsch eines Beschuldigten, von einem bestimmten Rechtsanwalt verteidigt zu werden, mit einem möglichen Konflikt dieses Rechtsanwalts in Bezug auf die Interessen eines anderen – auch früheren – Mandanten (vgl. – zur Unmaßgeblichkeit des Fortbestehens des anderen Mandats für die Frage rechtlich relevanter Interessenkonflikte wegen fortwirkender Berufspflichten – nur BGHSt 34, 190, 191; Cramer in Schönke /Schröder, StGB 26. Aufl. § 356 Rdn. 10, 17; Eylmann in Henssler/Prütting, BRAO 1996 § 43a Rdn. 41, 126 ff.; Feuerich/Braun, BRAO 5. Aufl. § 43a Rdn. 20, 55 ff.), sind folgende Grundsätze zu beachten.

a) Dem Beschuldigten ist aufgrund seines Rechts auf ein faires, rechtsstaatlich geordnetes Verfahren eine effektive Verteidigung im Strafverfahren zu gewährleisten (Art. 6 Abs. 3 lit. c MRK; Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Daher muß für den Beschuldigten – abgesehen von seinem grundsätzlich gegebenen Recht aus § 137 Abs. 1 Satz 1 StPO auf Verteidigerwahl – in gewichtigen Strafverfahren ein Verteidiger mitwirken (§ 140 StPO), dessen juristische Qualifikation – regelmäßig als Rechtsanwalt – si-
chergestellt (vgl. §§ 138, 139, 142 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StPO) und dessen notwendige Anwesenheit während der gesamten Hauptverhandlung durch den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO abgesichert ist.
Sofern kein Wahlverteidiger mitwirkt, bedarf es in diesen Fällen mithin der Pflichtverteidigerbestellung. Hierbei soll auf ein Vertrauensverhältnis zwischen Beschuldigtem und Verteidiger hingewirkt werden; zudem sind dem Beschuldigten in einem fairen, rechtsstaatlich geordneten Verfahren aktive Mitwirkungsbefugnisse zuzubilligen. Dies gab Anlaß zu der Regelung in § 142 Abs. 1 Sätze 2 und 3 StPO, wonach ein Wunsch des Beschuldigten auf Verteidigung durch einen bestimmten Rechtsanwalt durch Nachfrage zu fördern und diesem weitgehend Rechnung zu tragen ist (vgl. BGHSt 43, 153, 154 f.; BGHR StPO § 142 Abs. 1 Auswahl 7, 8; Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 142 Rdn. 9 m. w. N.).

b) Ein absehbarer Interessenkonflikt in der Person eines als Pflichtverteidiger in Betracht gezogenen Rechtsanwalts kann, sofern deshalb eine mindere Effektivität seines Verteidigungseinsatzes zu befürchten ist, seiner Bestellung entgegenstehen (vgl. BVerfG – Kammer – NStZ 1998, 46; BGH NStZ 1992, 292; OLG Frankfurt NJW 1999, 1414, 1415). Hierin kann auch ein wichtiger Grund im Sinne des § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO liegen, von der Bestellung des vom Beschuldigten bezeichneten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger abzusehen (vgl. Laufhütte in KK 4. Aufl. § 142 Rdn. 7). Eine solche Entscheidung löst ein Spannungsfeld, bei dem jeweils im fairen Verfahren angelegte Elemente widerstreiten: die Beachtlichkeit der aktiven Mitwirkung des Beschuldigten bei der Suche nach einem Verteidiger, dem er vertraut , einerseits; die durch gerichtliche Fürsorgepflicht zu sichernde Effektivität der Verteidigung andererseits, die bei greifbaren Interessenkonflikten regelmäßig als vorrangig zu werten sein wird.

c) Der Gefahr einer Interessenkollision durch die Verteidigung mehrerer derselben Tat Beschuldigter – wie auch durch die Verteidigung mehrerer
Beschuldigter im selben Verfahren – begegnet die Regelung des § 146 StPO. In Abwägung zwischen der Gefahr einer nicht ausreichend sachgerecht geführten Verteidigung einerseits und den aus einem generellen Verbot folgenden Einschränkungen der freien Verteidigerwahl sowie der freien Berufsausübung der Verteidiger andererseits hat der Gesetzgeber im Jahre 1987 Anlaß gesehen, von dem noch bei Einführung der Regelung Ende 1974 aufgestellten strikten Verbot der Mehrfachverteidigung durch das zusätzliche Erfordernis der Gleichzeitigkeit die sukzessive Mehrfachverteidigung auszunehmen (vgl. dazu näher Laufhütte aaO § 146 Rdn. 1).
Hieraus ist zu folgern, daß die Bestellung eines vom Beschuldigten bezeichneten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger allein mit Rücksicht auf die abstrakte Gefahr einer Interessenkollision nicht abgelehnt werden darf, die sich für einen Verteidiger schon daraus ergeben kann, daß er die Verteidigung eines Beschuldigten übernimmt, obgleich er zuvor schon einen anderen derselben Tat Beschuldigten verteidigt hat. Dies ist aus der Gleichwertigkeit von Wahl- und Pflichtverteidigung zu folgern, da der entsprechende Sachverhalt eine Zurückweisung des Verteidigers nach § 146a StPO nicht rechtfertigt (vgl. BGHR StPO § 142 Abs. 1 Auswahl 6).
Dies hindert freilich auch in einem Fall sukzessiver Mehrfachverteidigung nicht etwa schlechthin die Ablehnung der Beiordnung des gewünschten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger aus dem wichtigen Grund der konkreten Gefahr eines Interessenkonflikts (vgl. Laufhütte aaO § 142 Rdn. 7 und § 146 Rdn. 1).

d) Zu beachten ist dabei, daß der Rechtsanwalt grundsätzlich allein für die Wahrung seiner Berufspflichten verantwortlich ist (vgl. BGH NStZ 1992, 292; OLG Düsseldorf NStZ 1991, 352; OLG Frankfurt NJW 1999, 1414, 1415), hier speziell bezogen auf das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43a Abs. 4 BRAO). Das wird in Fällen, in denen der Bestellung eines vom Beschuldigten gewünschten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger
kein anderer wichtiger Grund als die konkrete Gefahr einer Interessenkollision entgegensteht, regelmäßig Anlaß für folgende Verfahrensweise sein: Der für die Verteidigerbestellung zuständige Gerichtsvorsitzende sollte vor einer Ablehnung der gewünschten Pflichtverteidigerbestellung den Rechtsanwalt – gegebenenfalls daneben auch den Beschuldigten selbst – zu dem Sachverhalt anhören, der die Gefahr der Interessenkollision begründen kann. Liegt ein derartiger Sachverhalt nach Lage des Einzelfalles auf der Hand, wird der Vorsitzende eine derartige Anhörung durchführen müssen und jedenfalls gehindert sein, den gewünschten Pflichtverteidiger ohne weiteres sofort zu bestellen.
Entsprechendes wird zu gelten haben in Fällen, in denen wegen nachträglich erkannter konkreter Gefahr eines Interessenkonflikts die Rücknahme der Pflichtverteidigerbestellung aus wichtigem Grund (vgl. Laufhütte aaO § 143 Rdn. 4 f.) zu erwägen oder aufgrund einer entsprechenden Gefahr der Interessenkollision in der Person eines Wahlverteidigers die zusätzliche Bestellung eines Pflichtverteidigers (vgl. Laufhütte aaO § 141 Rdn. 7) in Betracht zu ziehen ist.

e) Bei der Annahme des wichtigen Grundes der konkreten Gefahr einer Interessenkollision, welcher die Ablehnung der Bestellung des vom Beschuldigten bezeichneten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger gemäß § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO rechtfertigt, steht dem zuständigen Gerichtsvorsitzenden ein Beurteilungsspielraum zu, der nicht der umfassenden Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt. So kann in Grenzfällen die Ablehnung der vom Beschuldigten gewünschten Verteidigerbestellung wegen vom Vorsitzenden angenommener Gefahr der Interessenkollision als vertretbare Entscheidung ebenso unbeanstandet bleiben wie die bei gleicher Sachlage gleichwohl – ebenfalls vertretbar – verfügte Bestellung des Verteidigers.
Insbesondere kann sich die Vertretbarkeit der getroffenen Entscheidung über die Pflichtverteidigerbestellung auch aus dem Motiv der Verfah-
renssicherung ergeben. So kann die Ablehnung der gewünschten Verteidigerbestellung im Einzelfall dann vertretbar sein, wenn die Gefahr einer Interessenkollision aktuell noch nicht übermäßig groß erscheint, indes unbedingt vermieden werden soll, daß sie später doch virulent wird und dann zum Abbruch einer Hauptverhandlung mit beträchtlichem Umfang zur Unzeit nötigen könnte. In Fällen dieser Art mag auch einmal die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers neben dem gewünschten angezeigt sein.

f) Die Verneinung der Gefahr eines Interessenkonflikts und die deshalb dem Wunsch des Beschuldigten gemäß verfügte Pflichtverteidigerbestellung wird umso eher vom Revisionsgericht als vertretbar zu bewerten sein, wenn Gegengründe, die sich im Einzelfall aufdrängen, mit dem benannten Verteidiger, gegebenenfalls auch mit dem Beschuldigten, erörtert und wenn daraufhin in Kenntnis des kritischen Sachverhalts keine Bedenken gegen die Bestellung geäußert oder gar beachtliche Gründe gegen einen möglichen Interessenkonflikt vorgebracht worden sind.
2. Nach diesen Maßstäben war die Bestellung des Rechtsanwalts S zum Pflichtverteidiger des Angeklagten J rechtsfehlerhaft.

a) Der Haupttäter B hatte mit der Offenbarung, daß der Angeklagte J die Ermordung G s als Anstifter veranlaßt – und der Angeklagte D dies durch psychische Beihilfe unterstützt – hatte, Anlaß zu maßgeblicher Intensivierung des gegen beide Angeklagte geführten Ermittlungsverfahrens gegeben. Dieses Verfahren hatte den Vorwurf der Beteiligung an derselben Tat zum Gegenstand, wegen deren Begehung B rechtskräftig verurteilt war und sich zur Zeit seiner Offenbarung noch in Strafhaft befand. Zunächst waren die beiden Angeklagten den Ermittlungsbehörden und Gerichten während des Strafverfahrens gegen B lediglich als „Tatinteressenten“ bekanntgeworden, später war ein Ermittlungsverfahren gegen J , in dem B zunächst noch zu seinen Gunsten ausgesagt hatte, nur aufgrund von Angaben Dritter vom Hörensagen eingeleitet worden.

Nachdem Rechtsanwalt S den Haupttäter B verteidigt hatte , verstieß die spätere sukzessive Übernahme der Verteidigung des Anstifters J zwar mangels Gleichzeitigkeit nicht gegen das Verbot des § 146 StPO. Indes bestanden jenseits der generell bei solcher Fallgestaltung gegebenen Gefahr einer Interessenkollision deutliche konkrete Anhaltspunkte für einen möglichen Interessenkonflikt, in den dieser Rechtsanwalt bei der Verteidigung des Angeklagten J im Blick auf seine fortwirkenden Pflichten gegenüber seinem früheren Mandanten B geraten konnte.
Der Angeklagte J war weitestgehend nicht geständig. Für seine Überführung wegen Anstiftung zum Mord war die Zeugenaussage B s – wie von Anfang an erkennbar – von maßgeblicher Bedeutung. Bei dieser Sachlage drängte sich die Aufdeckung möglicher Schwachstellen dieser Aussage als eine zentrale Aufgabe von J s Verteidiger auf. Indes unterlag S einer Verschwiegenheitspflicht gegenüber seinem früheren Mandanten B , zudem traf ihn als Rechtsanwalt naheliegend auch eine gewisse berufsrechtliche Verpflichtung, dem im Strafverfahren Verteidigten während dessen anschließender Strafvollstreckung nicht durch aktive Wahrnehmung eines Mandats mit gegenläufigen Interessen Nachteil zuzufügen. Rechtsanwalt S war daher gehindert, ihm von seinem früheren Mandanten während dessen Verteidigung etwa anvertrautes Wissen, das seinem jetzigen Mandanten J hätte nützen können, zu offenbaren. Er konnte unter Umständen auch in Konflikt geraten, wenn es sich ihm etwa im Interesse seines jetzigen Mandanten J aufdrängen mußte, entlastende Indizien vorzutragen, über deren Bewertung er indes aufgrund vertraulicher Mitteilungen seines früheren Mandanten B nicht offenbarungsfähige nähere Kenntnisse besaß. Darüber hinaus konnte er in die Situation geraten, durch Vorbringen, mit dem er J gezielt gegen B s jetzige Aussage verteidigte, jedenfalls den Verdacht zu erwecken, sich hierdurch in entsprechender Weise standesrechtlich pflichtwidrig – mindestens aber bedenklich – gegenüber seinem früheren Mandanten zu verhalten, so daß er unter Hint-
anstellung von J s berechtigten Verteidigungsinteressen leicht hätte motiviert werden können, von solchem Verteidigervorbringen Abstand zu nehmen.

b) Allein diese auf der Hand liegenden Umstände hätten dem ermittelnden Staatsanwalt, bevor er dem Schwurgerichtsvorsitzenden bereits im Ermittlungsverfahren den Antrag auf Bestellung des Rechtsanwalts S zum Pflichtverteidiger des damaligen Beschuldigten J befürwortend zuleitete, Anlaß geben sollen, auf Klärung der auf eine Interessenkollision hindeutenden Anzeichen gegenüber dem Rechtsanwalt und dem Beschuldigten J hinzuwirken. Sofern sich dies dem damals mit dem Verfahren noch nicht näher befaßten Schwurgerichtsvorsitzenden selbst noch nicht hätte aufdrängen müssen, hätte dieser jedenfalls nach Kenntnis von der Anklage entsprechend allen Anlaß gehabt, die verfügte Verteidigerbestellung zu hinterfragen und auf eine derartige Klärung hinzuwirken. Die jetzt im Revisionsverfahren eingeholten dienstlichen Erklärungen, die den Wunsch des Angeklagten J nach Verteidigung durch Rechtsanwalt S in den Mittelpunkt stellen und ein sachlich unauffälliges Verteidigerverhalten betonen , machen es dem Senat nicht verständlich, daß die sich bei der vorliegenden Fallgestaltung aufdrängenden Anhaltspunkte für eine mögliche Interessenkollision in der Person des gewünschten Verteidigers nach außen hin gänzlich unbeachtet geblieben sind.

c) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Bestellung des Rechtsanwalts S zum Pflichtverteidiger allein aufgrund der genannten Umstände bereits als unvertretbar und damit rechtsfehlerhaft zu bewerten wäre. Dies läge jedenfalls in Ermangelung ausdrücklicher Hinterfragung der mit einer möglichen Interessenkollision zusammenhängenden Probleme gegenüber den Beteiligten nicht ganz fern. Andererseits sind vor dem Hintergrund genereller Zulässigkeit sukzessiver Mehrfachverteidigung gemäß § 146 StPO der ausdrückliche Wunsch des Angeklagten J nach Bestellung dieses Verteidigers und das Fehlen eines Vortrags eigener Bedenken gegen
die Ordnungsmäßigkeit seiner Bestellung durch den zur Prüfung standesrechtlich pflichtgemäßen Verhaltens primär berufenen Rechtsanwalt nicht unbeachtlich. Hier kommen jedoch weitere Fallbesonderheiten hinzu, welche der Annahme einer noch vertretbaren, daher nicht als rechtsfehlerhaft zu qualifizierenden Verteidigerbestellung jedenfalls entgegenstehen.
aa) Zum einen drängten sich Überlegungen über eine mögliche Interessenkollision nicht nur infolge der Verhältnisse zwischen den Beschuldigten vor dem Hintergrund ihrer unterschiedlichen Rollen bei Tatbegehung und in der Entwicklung der jeweils gegen sie geführten Strafverfahren auf. Darüber hinaus war die Person des Rechtsanwalts S – ohne daß dies etwa für sich dem Rechtsanwalt ohne weiteres zum Vorwurf gereichen müßte – hier schon zeitnah zur Tatbegehung im Gespräch: Nach den Urteilsfeststellungen benannte der Angeklagte J schon im Rahmen seiner Anstiftungshandlungen diesen Rechtsanwalt dem Haupttäter B als potentiellen späteren Verteidiger; J verband so mit der Person dieses Rechtsanwalts die Prognose eines verminderten Sanktionsrisikos, mit deren Benennung er Hemmungen des Haupttäters abzubauen suchte. Diese Urteilsfeststellung gründet auf der entsprechenden Zeugenaussage B s. Dieser hatte schon in seiner ersten polizeilichen Vernehmung Angaben über prozessuale Verhaltensmuster, seine Schuldfähigkeit betreffend, gemacht, die ihm der Angeklagte J – freilich nach der Tat, aber vor seiner Entdeckung und Verhaftung – nahegebracht habe, und hatte dabei auch Angaben zur Vermittlung und Bezahlung von Rechtsanwalt S als Verteidiger durch J gemacht.
Es liegt auf der Hand, daß schon die Angaben seines früheren Mandanten B im Ermittlungsverfahren gegen J , namentlich aber dessen spätestens in der Hauptverhandlung gemachte belastende Angabe, sein jetziger Mandant J habe sich im Rahmen seiner Anstiftungshandlungen in einer derartigen, für die Person des Verteidigers anrüchigen Weise geäußert, für Rechtsanwalt S die gebotene in jeder Beziehung unbefangene
Wahrnehmung seiner Verteidigeraufgaben gegenüber dem Angeklagten J nachhaltig zu erschweren geeignet war. Schon B s Aussage bei der Polizei zu diesem Themenkreis hätte mindestens eine kritische Nachfrage an Rechtsanwalt S , die erstrebte Verteidigung J s betreffend , veranlassen sollen. Jedenfalls nach B s entsprechender Zeugenaussage in der Hauptverhandlung war sie unbedingt geboten.
bb) Zu dieser herausgehobenen Sachnähe kam eine weitere maßgebliche Besonderheit hinzu. Ein Brief des Haupttäters B an seinen früheren Verteidiger Rechtsanwalt S war Gegenstand der Ermittlungsakten geworden. Es lag auf der Hand, daß dieses Schreiben wegen der deutlich vor B s Offenbarung gegenüber der Polizei geäußerten, zudem darin nachvollziehbar motivierten Erwägung einer solchen Offenbarung eine nicht unwesentliche indizielle Bedeutung für die Beurteilung der Zuverlässigkeit von B s Angaben gewinnen konnte – die ihm das Schwurgericht später tatsächlich auch zugemessen hat. Hinzu kam, daß im Inhalt dieses Schreibens eigene Erwägungen des Rechtsanwalts S über eine Tatbeteiligung des Angeklagten J behauptet wurden. Rechtsanwalt S wäre danach im Verfahren gegen den Angeklagten J sogar als Zeuge in Betracht gekommen, wobei er sich freilich naheliegend auf ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO, womöglich gar auf ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 Abs. 1 StPO, hätte berufen können.
Diese weitergehende Besonderheit begründete zusätzliche nachhaltige Bedenken dagegen, daß dieser Rechtsanwalt die Verteidigung des Angeklagten J in der gebotenen unabhängigen und distanzierten Weise werde führen können. Jedenfalls danach können seine Bestellung zum Pflichtverteidiger des Angeklagten J und die alleinige Wahrnehmung der Verteidigeraufgaben durch ihn in der gesamten Tatsacheninstanz ohne jede gerichtliche Hinterfragung – ungeachtet des entsprechenden Wunsches des Angeklagten J – nurmehr als verfahrensfehlerhaft bewertet werden. Hätte sich
Rechtsanwalt S bei der gegebenen Sachlage ungeachtet geäußerter und nicht etwa zu entkräftender gerichtlicher Bedenken gegen seine Mitwirkung dann als Wahlverteidiger des Angeklagten J gemeldet, hätte er zwar naheliegend nicht zurückgewiesen werden können. Dem Angeklagten J wäre jedoch gleichwohl aus den nämlichen Gründen, die der Beiordnung S s zum Pflichtverteidiger entgegenstanden, ein anderer Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger beizuordnen gewesen (vgl. Laufhütte aaO § 141 Rdn. 7).
3. Daß der rechtsfehlerhaft zum Verteidiger bestellte Rechtsanwalt S als einziger Verteidiger des Angeklagten J…. in diesem Fall notwendiger Verteidigung die danach angezeigte Verfahrensrüge wegen seiner eigenen verfahrensfehlerhaften Mitwirkung nicht erhoben hat, geht auf die verfahrensfehlerhafte Bestellung dieses Verteidigers zurück. Hierin liegt eine auf das Revisionsverfahren fortwirkende Vernachlässigung der dem Angeklagten J gegenüber bestehenden prozessualen Fürsorgepflicht. Deren Folgen sind ihm ungeachtet seines entsprechenden – freilich auf laienhafter Verkennung seiner eigenen Verteidigungsinteressen beruhenden – Wunsches nach Bestellung dieses Verteidigers nicht als verschuldet anzulasten.
Danach liegt ein Ausnahmefall vor, in welchem dem Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung einer Verfahrensrüge zu gewähren ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 44 Rdn. 7a m. w. N.). Den entsprechenden Antrag hat der zusätzlich bestellte Verteidiger innerhalb einer Woche (s. § 45 Abs. 1 StPO) nach Zustellung des Urteils und seiner Bestellung unter formgerechter Nachholung der versäumten Verfahrensrüge gestellt.
4. Ein absoluter Revisionsgrund nach § 338 Nr. 5 StPO ist nicht geltend gemacht (vgl. dagegen auch BGHR StPO § 338 Nr. 5 Verteidiger 1 und 5). Indes greift die Rüge wegen Verletzung des § 142 Abs. 1 Satz 3
StPO durch. Es läßt sich nicht ausschließen, daß der Schuldspruch zum Nachteil des Angeklagten J auf der verfahrensfehlerhaften Gestaltung seiner Verteidigungsverhältnisse beruht (§ 336 Satz 1 StPO). Ungeachtet der letztlich rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und trotz mangelnder konkreter Hinweise auf abweichende Sachaufklärungsmöglichkeiten ist nicht auszuschließen , daß ein anderer Verteidiger, dessen Mitwirkung geboten war, mit zulässigen prozessualen Mitteln auf abweichende, für den Angeklagten J günstigere Tatfeststellungen hätte hinwirken können.
Das Urteil ist daher, soweit es den Angeklagten J betrifft, auf die entsprechende Verfahrensrüge umfassend aufzuheben.
5. Der neue Tatrichter wird für den Fall einer erneuten Verurteilung des Angeklagten J jedenfalls nunmehr nicht mehr gehindert sein, unter Berücksichtigung sämtlicher nach Tatbegehung erfolgter rechtskräftiger Verurteilungen eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach den bei Tröndle /Fischer, StGB 51. Aufl. § 55 Rdn. 6, 8, 9, 11, 13, 19 genannten Grundsätzen vorzunehmen.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum
38
(3) Die Annahme des Landgerichts, der Interessenkonflikt sei durch rechtskräftige Aburteilung des Mitangeklagten und dessen Ausscheiden als Mitangeklagter aus dem Verfahren beendet, ist unzutreffend. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 356 StGB kommt es für die Frage eines Interessenkonflikts nicht auf die Mandatsbeendigung an (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1986 – 1 StR 519/86, BGHSt 34, 190, 191; Beschluss vom 15. Januar 2003 – 5 StR 251/02, BGHSt 48, 170, 172). Auch berufsrechtlich folgt aus § 3 Abs. 1 BORA, dass ein Vertretungsverbot bei widerstreitenden Mandaten anzunehmen ist, wenn der Rechtsanwalt einen anderen Mandanten beraten oder vertreten hat; § 3 Abs. 2 Satz 1 BORA erstreckt dieses Verbot auf Sozien und Mitglieder einer Bürogemeinschaft. Auch die faktische Interessenlage , die bei der Entscheidung nach § 143 StPO im Vordergrund steht, wird durch Beendigung eines Mandats nicht grundlegend verändert. Die kollegiale Verbundenheit der Rechtsanwälte und ihre Möglichkeit zur Nutzung gemeinsamer Mittel bleiben bestehen. Auch insoweit gilt es, einem Anschein mangelnder Neutralität entgegenzuwirken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2006 – 1 BvR 594/06, NJW 2006, 2469, 2470). Fischer Krehl Eschelbach Ott Zeng

(1) Der Antrag des Beschuldigten nach § 141 Absatz 1 Satz 1 ist vor Erhebung der Anklage bei den Behörden oder Beamten des Polizeidienstes oder bei der Staatsanwaltschaft anzubringen. Die Staatsanwaltschaft legt ihn mit einer Stellungnahme unverzüglich dem Gericht zur Entscheidung vor, sofern sie nicht nach Absatz 4 verfährt. Nach Erhebung der Anklage ist der Antrag des Beschuldigten bei dem nach Absatz 3 Nummer 3 zuständigen Gericht anzubringen.

(2) Ist dem Beschuldigten im Vorverfahren ein Pflichtverteidiger gemäß § 141 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3 zu bestellen, so stellt die Staatsanwaltschaft unverzüglich den Antrag, dem Beschuldigten einen Pflichtverteidiger zu bestellen, sofern sie nicht nach Absatz 4 verfährt.

(3) Über die Bestellung entscheidet

1.
das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Staatsanwaltschaft oder ihre zuständige Zweigstelle ihren Sitz hat, oder das nach § 162 Absatz 1 Satz 3 zuständige Gericht;
2.
in den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 4 das Gericht, dem der Beschuldigte vorzuführen ist;
3.
nach Erhebung der Anklage der Vorsitzende des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(4) Bei besonderer Eilbedürftigkeit kann auch die Staatsanwaltschaft über die Bestellung entscheiden. Sie beantragt unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach ihrer Entscheidung, die gerichtliche Bestätigung der Bestellung oder der Ablehnung des Antrags des Beschuldigten. Der Beschuldigte kann jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen.

(5) Vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers ist dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger zu bezeichnen. § 136 Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend. Ein von dem Beschuldigten innerhalb der Frist bezeichneter Verteidiger ist zu bestellen, wenn dem kein wichtiger Grund entgegensteht; ein wichtiger Grund liegt auch vor, wenn der Verteidiger nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung steht.

(6) Wird dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger bestellt, den er nicht bezeichnet hat, ist er aus dem Gesamtverzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer (§ 31 der Bundesrechtsanwaltsordnung) auszuwählen. Dabei soll aus den dort eingetragenen Rechtsanwälten entweder ein Fachanwalt für Strafrecht oder ein anderer Rechtsanwalt, der gegenüber der Rechtsanwaltskammer sein Interesse an der Übernahme von Pflichtverteidigungen angezeigt hat und für die Übernahme der Verteidigung geeignet ist, ausgewählt werden.

(7) Gerichtliche Entscheidungen über die Bestellung eines Pflichtverteidigers sind mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Sie ist ausgeschlossen, wenn der Beschuldigte einen Antrag nach § 143a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 stellen kann.

38
(3) Die Annahme des Landgerichts, der Interessenkonflikt sei durch rechtskräftige Aburteilung des Mitangeklagten und dessen Ausscheiden als Mitangeklagter aus dem Verfahren beendet, ist unzutreffend. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 356 StGB kommt es für die Frage eines Interessenkonflikts nicht auf die Mandatsbeendigung an (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1986 – 1 StR 519/86, BGHSt 34, 190, 191; Beschluss vom 15. Januar 2003 – 5 StR 251/02, BGHSt 48, 170, 172). Auch berufsrechtlich folgt aus § 3 Abs. 1 BORA, dass ein Vertretungsverbot bei widerstreitenden Mandaten anzunehmen ist, wenn der Rechtsanwalt einen anderen Mandanten beraten oder vertreten hat; § 3 Abs. 2 Satz 1 BORA erstreckt dieses Verbot auf Sozien und Mitglieder einer Bürogemeinschaft. Auch die faktische Interessenlage , die bei der Entscheidung nach § 143 StPO im Vordergrund steht, wird durch Beendigung eines Mandats nicht grundlegend verändert. Die kollegiale Verbundenheit der Rechtsanwälte und ihre Möglichkeit zur Nutzung gemeinsamer Mittel bleiben bestehen. Auch insoweit gilt es, einem Anschein mangelnder Neutralität entgegenzuwirken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2006 – 1 BvR 594/06, NJW 2006, 2469, 2470). Fischer Krehl Eschelbach Ott Zeng

(1) Der Antrag des Beschuldigten nach § 141 Absatz 1 Satz 1 ist vor Erhebung der Anklage bei den Behörden oder Beamten des Polizeidienstes oder bei der Staatsanwaltschaft anzubringen. Die Staatsanwaltschaft legt ihn mit einer Stellungnahme unverzüglich dem Gericht zur Entscheidung vor, sofern sie nicht nach Absatz 4 verfährt. Nach Erhebung der Anklage ist der Antrag des Beschuldigten bei dem nach Absatz 3 Nummer 3 zuständigen Gericht anzubringen.

(2) Ist dem Beschuldigten im Vorverfahren ein Pflichtverteidiger gemäß § 141 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3 zu bestellen, so stellt die Staatsanwaltschaft unverzüglich den Antrag, dem Beschuldigten einen Pflichtverteidiger zu bestellen, sofern sie nicht nach Absatz 4 verfährt.

(3) Über die Bestellung entscheidet

1.
das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Staatsanwaltschaft oder ihre zuständige Zweigstelle ihren Sitz hat, oder das nach § 162 Absatz 1 Satz 3 zuständige Gericht;
2.
in den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 4 das Gericht, dem der Beschuldigte vorzuführen ist;
3.
nach Erhebung der Anklage der Vorsitzende des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(4) Bei besonderer Eilbedürftigkeit kann auch die Staatsanwaltschaft über die Bestellung entscheiden. Sie beantragt unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach ihrer Entscheidung, die gerichtliche Bestätigung der Bestellung oder der Ablehnung des Antrags des Beschuldigten. Der Beschuldigte kann jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen.

(5) Vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers ist dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger zu bezeichnen. § 136 Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend. Ein von dem Beschuldigten innerhalb der Frist bezeichneter Verteidiger ist zu bestellen, wenn dem kein wichtiger Grund entgegensteht; ein wichtiger Grund liegt auch vor, wenn der Verteidiger nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung steht.

(6) Wird dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger bestellt, den er nicht bezeichnet hat, ist er aus dem Gesamtverzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer (§ 31 der Bundesrechtsanwaltsordnung) auszuwählen. Dabei soll aus den dort eingetragenen Rechtsanwälten entweder ein Fachanwalt für Strafrecht oder ein anderer Rechtsanwalt, der gegenüber der Rechtsanwaltskammer sein Interesse an der Übernahme von Pflichtverteidigungen angezeigt hat und für die Übernahme der Verteidigung geeignet ist, ausgewählt werden.

(7) Gerichtliche Entscheidungen über die Bestellung eines Pflichtverteidigers sind mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Sie ist ausgeschlossen, wenn der Beschuldigte einen Antrag nach § 143a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 stellen kann.

(1) Ein Anwalt oder ein anderer Rechtsbeistand, welcher bei den ihm in dieser Eigenschaft anvertrauten Angelegenheiten in derselben Rechtssache beiden Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig dient, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Handelt derselbe im Einverständnis mit der Gegenpartei zum Nachteil seiner Partei, so tritt Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren ein.

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

6
2. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 5/17
vom
6. April 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:060417U3STR5.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. April 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
Richter am Bundesgerichtshof Gericke, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Spaniol, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Tiemann, Hoch als beisitzende Richter,
Richterin am Amtsgericht als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 22. Februar 2016, soweit es die Angeklagte betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Oldenburg zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hatte die Angeklagte im ersten Rechtsgang mit Urteil vom 14. Januar 2015 wegen "bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge" zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Dieses Urteil hatte der Senat auf die Revisionen der Angeklagten und des Mitangeklagten E. R. mit Beschluss vom 15. September 2015 (3 StR 229/15 - juris) aufgehoben, in einem Fall auch, soweit es den nicht revidierenden Mitangeklagten El. R. betraf.
2
Nunmehr hat das Landgericht die Angeklagte V. wegen "unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Beihilfe zu unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge" zur Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Im Übrigen hat es die Angeklagte freigesprochen. Gegen die Mitangeklagten E. und El. R. hat die Strafkammer ebenfalls wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäu- bungsmitteln Gesamtfreiheitsstrafen verhängt sowie eine Verfallsentscheidung getroffen und eine Maßregelanordnung aufrecht erhalten.
3
Die Staatsanwaltschaft hat sich mit ihrer Revision zunächst insgesamt gegen dieses Urteil gewandt und in der Revisionsbegründung zu Ungunsten der Angeklagten und der Mitangeklagten eine Verfahrensrüge erhoben, zu Gunsten der Angeklagten V. gerügt, dass sie im Fall III. 3. e) der Urteilsgründe wegen täterschaftlichen Handeltreibens verurteilt worden ist, und die Strafzumessung betreffend den Mitangeklagten E. R. als zu seinen Gunsten rechtsfehlerhaft beanstandet. Mit einem späteren Schreiben hat sie sodann die Revision betreffend die Mitangeklagten E. und El. R. insgesamt zurückgenommen und betreffend die Angeklagte auf den Teilfreispruch im Fall III. 3. c) der Urteilsgründe beschränkt. Das Rechtsmittel führt erneut zur Aufhebung der Verurteilung der Angeklagten V. insgesamt.
4
I. Die Beschränkung des Rechtmittels betreffend die Angeklagte V. auf den Teilfreispruch ist, wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift vom 16. Januar 2017 zutreffend ausgeführt hat, unwirksam. Das Landgericht und - ihm folgend - die Staatsanwaltschaft sind davon ausgegangen, dass sich die Handlungen der Angeklagten in Bezug auf die insgesamt vier festgestellten Beschaffungsfahrten vom 25. und 26. März 2014 als jeweils selbständige Taten im Sinne von § 53 Abs. 1 StGB darstellen. Dies ist indes nicht der Fall; es liegt vielmehr nur eine Tat im Rechtssinne vor. Angefochten ist damit infolge der Unteilbarkeit des Schuldspruchs das Urteil insgesamt, soweit es die Angeklagte V. betrifft. Im Einzelnen:
5
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts bestellte der Mitangeklagte El. R. im März 2014 bei einem unbekannt gebliebenen Betäubungsmittelhändler in Bremen fünf Kilogramm Marihuana zum Preis von 20.000 € und zahlte davon 7.000 € an. Mit seinem Bruder, dem Mitangeklagten E. R. , kam El. überein, dass E. von der Betäubungsmittelmenge 150 Gramm abnehmen und an seine Abnehmer verkaufen solle. Die Angeklagte wusste zu dieser Zeit noch nichts von dem Drogengeschäft. Aus Sicherheitsgründen entschied der Mitangeklagte El. R. , dass die fünf Kilogramm Marihuana in Teilmengen aus Bremen abgeholt werden sollten und gewann als Kurierfahrer den gesondert Verfolgten Ro. , der die Betäubungsmittel mit vier Fahrten von Bremen nach Achim brachte und deswegen bereits mit Urteil des Landgerichts Verden vom 14. Januar 2015 rechtskräftig wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln verurteilt worden ist.
6
Die erste Fahrt am 25. März 2014 (Fall III. 3. b) der Urteilsgründe), bei der Ro. ein Kilogramm Marihuana transportierte, hatte das Landgericht betreffend die Angeklagte V. bereits im ersten Rechtsgang nach § 154a Abs. 2 StPO von der Verfolgung ausgenommen und das Verfahren auf die anderen Tatvorwürfe beschränkt.
7
Zu der zweiten Fahrt (Fall III. 3. c) der Urteilsgründe), bei der am selben Tag ebenfalls ein Kilogramm Marihuana nach Achim gebracht wurde, ist die Strafkammer nunmehr zu Gunsten der Angeklagten davon ausgegangen, dass die Betäubungsmittel nicht in ihrer Wohnung und ohne ihre Kenntnis an den gesondert Verfolgten H. übergeben wurden, der sie für El. R. aufbewahrte; darauf bezieht sich der Teilfreispruch.
8
Im Fall III. 3. d) der Urteilsgründe fuhr Ro. nach der dritten Fahrt am 26. März 2014 mit den transportierten anderthalb Kilogramm Marihuana zur Adresse der Angeklagten, traf sie vor dem Haus an und bat sie, gemeinsam in ihre Wohnung zu gehen. Wiederum zu Gunsten der Angeklagten ist die Strafkammer davon ausgegangen, dass sie immer noch nichts von den Drogen wusste, sondern davon erst erfuhr, als Ro. in ihrer Wohnung die Tasche öffnete , in der sich das Marihuana befand. Nachdem sie die Päckchen mit den Betäubungsmitteln - nach den Feststellungen der Strafkammer aus Erstaunen über die große Menge - angefasst hatte, desinfizierte sie diese, wischte sie mit Tüchern ab und wickelte sie in Frischhaltefolie ein. Anschließend rief sie auf Bitte von El. R. den gesondert verfolgten, bereits rechtskräftig verurteilten K. an, der einen Teil des Marihuanas abholte, um ihn bei sich für El. R. zu lagern. Den Rest der Betäubungsmittel erhielt die deswegen ebenfalls bereits rechtskräftig verurteilte B. zur Aufbewahrung. Diese Handlungen der Angeklagten hat die Strafkammer als Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertet.
9
Im Anschluss an diese Geschehnisse wurde in der Wohnung der Angeklagten besprochen, wie El. R. die noch ausstehende Betäubungsmittelmenge von anderthalb Kilogramm Marihuana von Bremen nach Achim schaffen könnte (Fall III. 3. e) der Urteilsgründe). Um weniger verdächtig zu erscheinen , sollte ein anderes Fahrzeug verwendet und zu Zwecken der Tarnung ein Beifahrer dabei sein. Die Angeklagte erklärte sich dazu bereit, um El. R. zu helfen; sie versprach sich davon, aus der Lieferung etwas Marihuana für den Eigenkonsum ihres Lebensgefährten zu einem günstigeren Preis erwerben zu können. Nachdem sie mit dem gesondert Verfolgten Ro. , der den Pkw steuerte, mit den Betäubungsmitteln wieder in Achim angekommen war, desinfizierte sie wiederum die Päckchen, wischte sie ab und wickelte sie in Frischhaltefolie ein. Zwei Päckchen zu jeweils 500 Gramm wurden auf Veranlassung von El. R. bei weiteren Personen eingelagert; aus dem letzten Päckchen nahm sich der Mitangeklagte E. R. 150 Gramm zum gewinnbringenden Weiterverkauf an seine Abnehmer und die Angeklagte 50 Gramm, die zum Eigenkonsum durch ihren Lebensgefährten bestimmt waren und die sie in kleine Päckchen aufteilte; dafür bezahlte sie an El. R. 300 €. Dieses Verhalten hat die Strafkammer als täterschaftliches Handeltreiben der Angeklagten mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertet.
10
2. Nach den Feststellungen ist es - wie auch die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründung ausgeführt hat - zunächst rechtsfehlerhaft, dass das Landgericht im Fall III. 3. e) der Urteilsgründe von täterschaftlichem Handeltreiben der Angeklagten mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ausgegangen ist.
11
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gelten für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme auch im Betäubungsmittelrecht die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts. Beschränkt sich die Beteiligung des Täters am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts , kommt es maßgeblich darauf an, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt. Erschöpft sich die Tätigkeit im bloßen Transport von Betäubungsmitteln, besteht in der Regel keine täterschaftliche Gestaltungsmöglichkeit mit Blick auf die Straftat des Handeltreibens. Anderes kann nur gelten, wenn der Beteiligte erhebliche , über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet, am An- und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten soll (siehe zuletzt etwa BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2015 - 3 StR 287/15, juris mwN).
12
Nach diesen Maßstäben belegen die festgestellten Tatbeiträge der Angeklagten ein täterschaftliches Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nicht: Sie war lediglich Beifahrerin auf der Kurierfahrt, hatte also noch nicht einmal insoweit Handlungsspielräume. Später säuberte sie die Betäubungsmittelpäckchen und verpackte sie neu. Diese untergeordneten Hilfstätigkeiten zeigen - wovon die Strafkammer im Fall III. 3. d) der Urteilsgründe ebenfalls ausgegangen ist - keine täterschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten auf. Auch mit Blick auf das Tatinteresse der Angeklagten ergeben sich keine Hinweise auf ein täterschaftliches Handeltreiben mit Betäubungsmitteln. Sie war an Umsatz oder Gewinn des von El. R. durchgeführten Betäubungsmittelgeschäfts nicht beteiligt ; ihr finanzielles Interesse bestand allein darin, eine verhältnismäßig kleine Betäubungsmittelmenge (1 % der Handelsmenge) zum Eigenkonsum durch ihren Lebensgefährten zu einem etwas günstigeren Preis, der aber jedenfalls deutlich über dem Einkaufspreis von R. lag, erwerben zu können.
13
War nach alledem auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nur von einer Beihilfe der Angeklagten zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auszugehen, stellen sich ihre Unterstützungshandlungen in den Fällen III. 3. d) und e) der Urteilsgründe als eine Tat im Rechtssinne dar: Die Strafkammer ist hinsichtlich des Mitangeklagten El. R. - zutreffend - davon ausgegangen, dass für ihn als Haupttäter die vier Lieferungen eine Bewertungseinheit bildeten, weil sie, wie die einheitliche Bestellung der Handelsmenge von fünf Kilogramm zeigte, auf die Förderung ein und desselben Güterumsatzes abzielten (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013 - 4 StR 223/13, NStZ-RR 2014, 144, 145). Dies hat aber zur Konsequenz, dass wegen der Akzessorietät der Beihilfe auch die mehreren Unterstützungshandlungen der Angeklagten V. zu einer Tat im Rechtssinne zusammenzufassen waren (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Januar 2014 - 1 StR 664/13, NStZ 2014, 465 mwN; Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 29 Rn. 306).
14
Es kommt danach nicht mehr darauf an, dass die Staatsanwaltschaft die Revision, soweit sie im Fall III. 3. e) der Urteilsgründe auch zu Gunsten der An- geklagten V. eingelegt worden war, ohne deren - hier nicht gegebene - Zustimmung ohnehin nicht zurücknehmen konnte (§ 302 Abs. 1 Satz 3 StPO).
15
II. Das mithin vollständig angefochtene Urteil unterliegt der Aufhebung insgesamt, soweit es die Angeklagte V. betrifft.
16
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
17
1. Dieser liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: Die Staatsanwaltschaft beantragte in der Hauptverhandlung am 15. Februar 2016, die früheren Mitangeklagten S. und U. K. sowie Ro. , die unter anderem wegen ihrer Beteiligung an dem verfahrensgegenständlichen Betäubungsmittelgeschäft rechtskräftig wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden waren, als Zeugen zu vernehmen. In dem Beweisantrag wurden zahlreiche Beweisbehauptungen aufgestellt, die jedenfalls soweit sie den Zeugen Ro. betrafen, die Angeklagte V. auch mit der zweiten Beschaffungsfahrt des Zeugen am 25. März 2014 (Fall III. 3. c) der Urteilsgründe) in Verbindung brachten. Danach sollten die Betäubungsmittel auch in diesem Fall mit ihrem Wissen in ihre Wohnung gebracht werden, was auch tatsächlich so geschehen sei. Bei Ankunft des Zeugen habe die Angeklagte V. ihm die Tür geöffnet; auch der Mitangeklagte El. R. sei bereits anwesend gewesen. Anschließend habe die Angeklagte V. auch in diesem Fall die Päckchen gesäubert.
18
Die Strafkammer wies die Anträge der Staatsanwaltschaft mit Beschluss vom 22. Februar 2016 zurück, weil diese bereits unzulässig seien. Sie habe freibeweislich ermittelt, dass sich die benannten Zeugen auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO berufen hätten. Ihnen stehe nach der sog. Mosaiktheorie ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zu, weil trotz ih- rer rechtskräftigen Aburteilung und des daraus resultierenden Strafklageverbrauchs nicht ausgeschlossen werden könne, dass sie sich der Gefahr einer weiteren Strafverfolgung aussetzen könnten. Das Landgericht begründete diese Auffassung konkret hinsichtlich einiger Umstände, die in das Wissen der Zeugen K. gestellt worden waren und führte weiter aus, eine mittelbare Gefahr sei auch darin zu sehen, dass die Angeklagte V. oder die Mitangeklagten durch die Aussagen der Zeugen veranlasst sein könnten, diese "im Sinne einer 'Revanche'" mit anderen Straftaten zu belasten. Im Übrigen seien die in das Wissen der Zeugen gestellten Tatsachen für die Entscheidung auch aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung. Insoweit sei Ziel der Staatsanwaltschaft "im Wesentlichen, eine Bandenabrede der drei Angeklagten nachzuweisen". Mit Blick auf die bislang durchgeführte Beweisaufnahme seien die unter Beweis gestellten Tatsachen indes nicht geeignet, "die Kammer zu veranlassen, den Schluss auf eine solche Bandenabrede zu ziehen".
19
Im Folgenden wurde die Beweisaufnahme geschlossen, ohne dass die Zeugen vernommen wurden.
20
2. Die Ablehnung des Beweisantrags war, jedenfalls soweit es den Zeugen Ro. betrifft, durchgreifend rechtsfehlerhaft.
21
Entgegen der Annahme des Landgerichts war die Vernehmung des Zeugen nicht unzulässig; jedenfalls ihm stand ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO nicht zu.
22
Die Gefahr einer Strafverfolgung im Sinne des § 55 StPO setzt voraus, dass ein Zeuge Tatsachen bekunden müsste, die geeignet sind, unmittelbar oder (auch nur) mittelbar den Anfangsverdacht einer von ihm selbst oder von einem Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) begangenen Straftat zu begründen oder einen bereits bestehenden Verdacht zu bestärken. Bloße Vermutungen ohne Tatsachengrundlage oder rein denktheoretische Möglichkeiten reichen für die Annahme einer solchen Verfolgungsgefahr nicht aus. Eine das Recht zur Auskunftsverweigerung begründende Verfolgungsgefahr im Sinne des § 55 Abs. 1 StPO besteht grundsätzlich dann nicht mehr, wenn gegen den Zeugen hinsichtlich der Tat, deren Begehung er sich durch wahrheitsgemäße Beantwortung der Frage verdächtig machen könnte, bereits ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, sodass die Strafklage verbraucht ist, oder wenn die Straftat verjährt oder aus anderen Gründen zweifelsfrei ausgeschlossen wäre, dass er für diese noch verfolgt werden könnte. Eine Verfolgungsgefahr ist selbst bei Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung aber dann nicht auszuschließen, wenn zwischen der abgeurteilten Tat und anderen Straftaten, deretwegen der Zeuge noch verfolgt werden könnte, ein so enger Zusammenhang besteht, dass die Beantwortung von Fragen zu der abgeurteilten Tat die Gefahr der Verfolgung wegen dieser anderen Taten mit sich bringt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2012 - StB 16/12, NStZ 2013, 241 mwN).
23
Eine solche Gefahr einer weiteren Strafverfolgung, die zu einem umfassenden Auskunftsverweigerungsrecht führen könnte, hat die Strafkammer nicht dargelegt. Insbesondere die in das Wissen des Zeugen Ro. gestellten Tatsachen betreffend die Beteiligung der Angeklagten V. bereits im Fall III. 3. c) der Urteilsgründe konnten für ihn unter keinem denkbaren Gesichtspunkt die Gefahr einer weiteren Strafverfolgung hervorrufen, weil es hierbei nur um die Fahrten ging, mit denen der Zeuge das Marihuana im Auftrag des Mitangeklagten El. R. von Bremen nach Achim gebracht hatte und wegen derer er bereits rechtskräftig abgeurteilt worden war. Soweit das Landgericht darauf abgestellt hat, die Aussagen der Zeugen in der Hauptverhandlung könnten die Angeklagte V. oder die Mitangeklagten dazu veranlassen, möglicherweise die Zeugen über die bereits bekannten Taten hinausgehend zu belasten, so ist dies - worauf die Staatsanwaltschaft zutreffend bereits in dem Beweisantrag hingewiesen hatte - vom Schutzzweck der verfassungsrechtlich verbürgten Selbstbelastungsfreiheit nicht umfasst (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2006 - 1 StR 326/06, BGHR StPO § 55 Abs. 1 Verfolgung 9; BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 - 2 BvR 281/03, NJW 2003, 3045, 3046).
24
Die Ablehnung des Beweisantrags war - jedenfalls hinsichtlich des Zeugen Ro. - auch mit Blick auf die Annahme der Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Gründen rechtsfehlerhaft. Insoweit hat die Strafkammer in unzulässiger Weise die unter Beweis gestellten Tatsachen, die eine weitergehende Beteiligung der Angeklagten V. auch im Fall III. 3. c) der Urteilsgründe belegen sollten, dahin umgedeutet (vgl. dazu LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 221 mwN), dass diese lediglich für das Beweisziel einer Bandenabrede zwischen der Angeklagten V. und den Mitangeklagten R. von Bedeutung seien und sie damit in ihrer Tragweite verkürzt. Denn sie waren - wie dargelegt - unabhängig von der Frage, ob eine Bandentat vorlag, auch für den Umfang der Beteiligungshandlungen der Angeklagten bedeutsam.
25
3. Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler. Die Strafkammer hat eine Beteiligung der Angeklagten V. im Fall III. 3. c) der Urteilsgründe verneint, indem sie zu ihren Gunsten die - den in das Wissen des Zeugen Ro. gestellten Umständen zuwiderlaufenden - Angaben des Mitangeklagten El. R. ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat.
26
Insoweit war - wie dargelegt - nicht von einer selbständigen Beihilfehandlung der Angeklagten V. auszugehen, so dass sich der Teilfreispruch auch unter diesem Gesichtspunkt als rechtsfehlerhaft erweist. Der Senat kann indes nicht ausschließen, dass das Landgericht, wenn es von einer Tatbeteiligung der Angeklagten V. auch mit Blick auf die durch die zweite Fahrt nach Achim geschafften Betäubungsmittel ausgegangen wäre, wegen des damit erhöhten Schuldumfangs auf eine höhere Freiheitsstrafe erkannt hätte.
27
Da bereits insoweit ein durchgreifender Rechtsfehler vorliegt, kann der Senat offen lassen, ob bei Vernehmung aller benannten Zeugen - wie die Staatsanwaltschaft meint - auch auf ein täterschaftliches Handeltreiben der Angeklagten V. hätte geschlossen werden können, wenn diese die in ihr Wissen gestellten Beweistatsachen bestätigt hätten. Dies wird das neue Tatgericht nach erneuter umfassender Beweisaufnahme unter Beachtung der oben aufgezeigten Maßstäbe zu entscheiden haben.
28
III. Der Senat hat gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 StPO von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an ein zu demselben Land gehörendes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen.
Becker Gericke Spaniol
Tiemann Hoch

(1) Der Antrag des Beschuldigten nach § 141 Absatz 1 Satz 1 ist vor Erhebung der Anklage bei den Behörden oder Beamten des Polizeidienstes oder bei der Staatsanwaltschaft anzubringen. Die Staatsanwaltschaft legt ihn mit einer Stellungnahme unverzüglich dem Gericht zur Entscheidung vor, sofern sie nicht nach Absatz 4 verfährt. Nach Erhebung der Anklage ist der Antrag des Beschuldigten bei dem nach Absatz 3 Nummer 3 zuständigen Gericht anzubringen.

(2) Ist dem Beschuldigten im Vorverfahren ein Pflichtverteidiger gemäß § 141 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3 zu bestellen, so stellt die Staatsanwaltschaft unverzüglich den Antrag, dem Beschuldigten einen Pflichtverteidiger zu bestellen, sofern sie nicht nach Absatz 4 verfährt.

(3) Über die Bestellung entscheidet

1.
das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Staatsanwaltschaft oder ihre zuständige Zweigstelle ihren Sitz hat, oder das nach § 162 Absatz 1 Satz 3 zuständige Gericht;
2.
in den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 4 das Gericht, dem der Beschuldigte vorzuführen ist;
3.
nach Erhebung der Anklage der Vorsitzende des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(4) Bei besonderer Eilbedürftigkeit kann auch die Staatsanwaltschaft über die Bestellung entscheiden. Sie beantragt unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach ihrer Entscheidung, die gerichtliche Bestätigung der Bestellung oder der Ablehnung des Antrags des Beschuldigten. Der Beschuldigte kann jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen.

(5) Vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers ist dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger zu bezeichnen. § 136 Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend. Ein von dem Beschuldigten innerhalb der Frist bezeichneter Verteidiger ist zu bestellen, wenn dem kein wichtiger Grund entgegensteht; ein wichtiger Grund liegt auch vor, wenn der Verteidiger nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung steht.

(6) Wird dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger bestellt, den er nicht bezeichnet hat, ist er aus dem Gesamtverzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer (§ 31 der Bundesrechtsanwaltsordnung) auszuwählen. Dabei soll aus den dort eingetragenen Rechtsanwälten entweder ein Fachanwalt für Strafrecht oder ein anderer Rechtsanwalt, der gegenüber der Rechtsanwaltskammer sein Interesse an der Übernahme von Pflichtverteidigungen angezeigt hat und für die Übernahme der Verteidigung geeignet ist, ausgewählt werden.

(7) Gerichtliche Entscheidungen über die Bestellung eines Pflichtverteidigers sind mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Sie ist ausgeschlossen, wenn der Beschuldigte einen Antrag nach § 143a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 stellen kann.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Gebotene Ablehnung der Bestellung eines vom Beschuldigten
bezeichneten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger bei
konkreter Gefahr einer Interessenkollision in einem Fall
sukzessiver Mehrfachverteidigung.
BGH, Beschl. v. 15. Januar 2003 – 5 StR 251/02
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 15. Januar 2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Anstiftung zum Mord u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Januar 2003

beschlossen:
I. 1. Dem Angeklagten J wird auf seine Kosten zur weiteren Begründung seiner Revision gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Dezember 2001 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
2. Auf die Revision des Angeklagten J wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Dezember 2001, soweit es ihn betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
3. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Revision, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
II. 1. Die Revision des Angeklagten D gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Dezember 2001 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
2. Der Angeklagte D hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dadurch den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

G r ü n d e

I.


Das Schwurgericht hat den Angeklagten J wegen Anstiftung zum Mord zu lebenslanger Freiheitsstrafe – nach Einbeziehung anderweits ver hängter rechtskräftiger Strafen als Gesamtstrafe –, den Angeklagten D wegen Beihilfe zum Mord zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
1. Das Schwurgericht hat folgendes festgestellt:
Die Angeklagten hatten seit 1992 massive Konflikte mit ihrem Geschäftspartner G . Der Angeklagte J begann im Jahre 1993, den mit ihm und seiner Ehefrau befreundeten B zu überreden, G zu töten. Dem wiederholten Drängen J s schloß sich der Angeklagte D an; er war an der Tötung des mit beiden Angeklagten zerstrittenen, ihnen für ihr geschäftliches Fortkommen lästig und gefährlich gewordenen Partners gleichfalls interessiert. Schließlich erschoß B den G G im März 1994 hinterrücks – wie von beiden Angeklagten einkalkuliert – mit einer ihm von J zur Tatausführung übergebenen Pistole.
B wurde ein Jahr später vom Landgericht Berlin wegen heimtückisch begangenen Mordes – unter Zubilligung erheblich verminderter Schuldfähigkeit – zu neun Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Verteidigt wurde er von Rechtsanwalt S . Bereits vor der Tat hatte der Angeklagte J seinem damaligen Freund B diesen Rechtsanwalt für den Fall, daß er als Täter ermittelt würde, benannt; B müsse dann „auf Macke“ machen und werde nach fünf bis sechs Jahren entlassen werden.
Erst im Sommer 2000 offenbarte B der Polizei die Beteiligung der Angeklagten an dem von ihm begangenen Mord. Zuvor waren weitere Zuwendungen des Angeklagten J an ihn während seiner Strafhaft schließlich ausgeblieben; Konflikte zwischen den Eheleuten J waren B , der sich um J s Ehefrau sorgte, bekannt geworden. Zudem hatte ein Mitgefangener , dem B sich offenbart hatte, ihm zu der Aussage geraten; ihn motivierte dabei nicht zuletzt der näher rückende Zeitpunkt der Zweidrittelverbüßung seiner Strafe. Einen Monat vor der polizeilichen Aussage hatte B seinen früheren Verteidiger Rechtsanwalt S schriftlich aufgefordert , im Streit zwischen den Eheleuten J zugunsten der Ehefrau zu vermitteln; in dem durch Frau J übermittelten Brief teilte er mit, der schon früher von Rechtsanwalt S geäußerte Verdacht, J habe ihn, B , zur Ermordung G s angestiftet, treffe zu. Das Schreiben, über das B der Polizei berichtet hatte und dessen Original die Ehefrau des Angeklagten J , die Rechtsanwalt S nur eine Abschrift überlassen hatte, einbehalten und den Ermittlungsbehörden übergeben hatte, hat das Schwurgericht als wesentliches Indiz zur Stützung der Zeugenaussage des Haupttäters B gewertet, auf die es seine Beweiswürdigung maßgeblich gestützt hat.
2. Soweit die Revisionen der Angeklagten zunächst jeweils mit der Sachrüge begründet worden sind, haben sie keinen Erfolg. Die Beweiswürdigung des Schwurgerichts begegnet insgesamt im Ergebnis keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Auch erweist sich die auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage beruhende Auffassung des Schwurgerichts als rechtsfehlerfrei , die Angeklagten hätten hinsichtlich des zutreffend angenommenen Mordmerkmals der Heimtücke den jeweils erforderlichen Beteiligtenvorsatz gehabt (vgl. BGHR StGB § 26 Vorsatz 2).
Bei dieser Sachlage ist die Revision des Angeklagten D nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

II.


Der Umstand, daß der Angeklagte J in der Tatsacheninstanz allein durch den – freilich auf Wunsch dieses Angeklagten – zum Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwalt S verteidigt worden ist, begegnet ebenso durchgreifenden Bedenken wie die anfänglich entsprechend geordneten Verteidigungsverhältnisse im Revisionsverfahren. Nachdem dem Angeklagten J aufgrund dieser Bedenken im Revisionsverfahren ein weiterer Verteidiger bestellt worden ist, hat dieser zur weiteren Begründung der Revision des Angeklagten J eine Verfahrensrüge wegen Verletzung des § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO erhoben und hierfür Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das Wiedereinsetzungsgesuch und diese Verfahrensrüge sind begründet; dies führt zur umfassenden Aufhebung des Urteils auf die Revision des Angeklagten J , soweit dieser Angeklagte verurteilt worden ist.
1. Kollidiert der Wunsch eines Beschuldigten, von einem bestimmten Rechtsanwalt verteidigt zu werden, mit einem möglichen Konflikt dieses Rechtsanwalts in Bezug auf die Interessen eines anderen – auch früheren – Mandanten (vgl. – zur Unmaßgeblichkeit des Fortbestehens des anderen Mandats für die Frage rechtlich relevanter Interessenkonflikte wegen fortwirkender Berufspflichten – nur BGHSt 34, 190, 191; Cramer in Schönke /Schröder, StGB 26. Aufl. § 356 Rdn. 10, 17; Eylmann in Henssler/Prütting, BRAO 1996 § 43a Rdn. 41, 126 ff.; Feuerich/Braun, BRAO 5. Aufl. § 43a Rdn. 20, 55 ff.), sind folgende Grundsätze zu beachten.

a) Dem Beschuldigten ist aufgrund seines Rechts auf ein faires, rechtsstaatlich geordnetes Verfahren eine effektive Verteidigung im Strafverfahren zu gewährleisten (Art. 6 Abs. 3 lit. c MRK; Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Daher muß für den Beschuldigten – abgesehen von seinem grundsätzlich gegebenen Recht aus § 137 Abs. 1 Satz 1 StPO auf Verteidigerwahl – in gewichtigen Strafverfahren ein Verteidiger mitwirken (§ 140 StPO), dessen juristische Qualifikation – regelmäßig als Rechtsanwalt – si-
chergestellt (vgl. §§ 138, 139, 142 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StPO) und dessen notwendige Anwesenheit während der gesamten Hauptverhandlung durch den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO abgesichert ist.
Sofern kein Wahlverteidiger mitwirkt, bedarf es in diesen Fällen mithin der Pflichtverteidigerbestellung. Hierbei soll auf ein Vertrauensverhältnis zwischen Beschuldigtem und Verteidiger hingewirkt werden; zudem sind dem Beschuldigten in einem fairen, rechtsstaatlich geordneten Verfahren aktive Mitwirkungsbefugnisse zuzubilligen. Dies gab Anlaß zu der Regelung in § 142 Abs. 1 Sätze 2 und 3 StPO, wonach ein Wunsch des Beschuldigten auf Verteidigung durch einen bestimmten Rechtsanwalt durch Nachfrage zu fördern und diesem weitgehend Rechnung zu tragen ist (vgl. BGHSt 43, 153, 154 f.; BGHR StPO § 142 Abs. 1 Auswahl 7, 8; Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 142 Rdn. 9 m. w. N.).

b) Ein absehbarer Interessenkonflikt in der Person eines als Pflichtverteidiger in Betracht gezogenen Rechtsanwalts kann, sofern deshalb eine mindere Effektivität seines Verteidigungseinsatzes zu befürchten ist, seiner Bestellung entgegenstehen (vgl. BVerfG – Kammer – NStZ 1998, 46; BGH NStZ 1992, 292; OLG Frankfurt NJW 1999, 1414, 1415). Hierin kann auch ein wichtiger Grund im Sinne des § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO liegen, von der Bestellung des vom Beschuldigten bezeichneten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger abzusehen (vgl. Laufhütte in KK 4. Aufl. § 142 Rdn. 7). Eine solche Entscheidung löst ein Spannungsfeld, bei dem jeweils im fairen Verfahren angelegte Elemente widerstreiten: die Beachtlichkeit der aktiven Mitwirkung des Beschuldigten bei der Suche nach einem Verteidiger, dem er vertraut , einerseits; die durch gerichtliche Fürsorgepflicht zu sichernde Effektivität der Verteidigung andererseits, die bei greifbaren Interessenkonflikten regelmäßig als vorrangig zu werten sein wird.

c) Der Gefahr einer Interessenkollision durch die Verteidigung mehrerer derselben Tat Beschuldigter – wie auch durch die Verteidigung mehrerer
Beschuldigter im selben Verfahren – begegnet die Regelung des § 146 StPO. In Abwägung zwischen der Gefahr einer nicht ausreichend sachgerecht geführten Verteidigung einerseits und den aus einem generellen Verbot folgenden Einschränkungen der freien Verteidigerwahl sowie der freien Berufsausübung der Verteidiger andererseits hat der Gesetzgeber im Jahre 1987 Anlaß gesehen, von dem noch bei Einführung der Regelung Ende 1974 aufgestellten strikten Verbot der Mehrfachverteidigung durch das zusätzliche Erfordernis der Gleichzeitigkeit die sukzessive Mehrfachverteidigung auszunehmen (vgl. dazu näher Laufhütte aaO § 146 Rdn. 1).
Hieraus ist zu folgern, daß die Bestellung eines vom Beschuldigten bezeichneten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger allein mit Rücksicht auf die abstrakte Gefahr einer Interessenkollision nicht abgelehnt werden darf, die sich für einen Verteidiger schon daraus ergeben kann, daß er die Verteidigung eines Beschuldigten übernimmt, obgleich er zuvor schon einen anderen derselben Tat Beschuldigten verteidigt hat. Dies ist aus der Gleichwertigkeit von Wahl- und Pflichtverteidigung zu folgern, da der entsprechende Sachverhalt eine Zurückweisung des Verteidigers nach § 146a StPO nicht rechtfertigt (vgl. BGHR StPO § 142 Abs. 1 Auswahl 6).
Dies hindert freilich auch in einem Fall sukzessiver Mehrfachverteidigung nicht etwa schlechthin die Ablehnung der Beiordnung des gewünschten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger aus dem wichtigen Grund der konkreten Gefahr eines Interessenkonflikts (vgl. Laufhütte aaO § 142 Rdn. 7 und § 146 Rdn. 1).

d) Zu beachten ist dabei, daß der Rechtsanwalt grundsätzlich allein für die Wahrung seiner Berufspflichten verantwortlich ist (vgl. BGH NStZ 1992, 292; OLG Düsseldorf NStZ 1991, 352; OLG Frankfurt NJW 1999, 1414, 1415), hier speziell bezogen auf das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43a Abs. 4 BRAO). Das wird in Fällen, in denen der Bestellung eines vom Beschuldigten gewünschten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger
kein anderer wichtiger Grund als die konkrete Gefahr einer Interessenkollision entgegensteht, regelmäßig Anlaß für folgende Verfahrensweise sein: Der für die Verteidigerbestellung zuständige Gerichtsvorsitzende sollte vor einer Ablehnung der gewünschten Pflichtverteidigerbestellung den Rechtsanwalt – gegebenenfalls daneben auch den Beschuldigten selbst – zu dem Sachverhalt anhören, der die Gefahr der Interessenkollision begründen kann. Liegt ein derartiger Sachverhalt nach Lage des Einzelfalles auf der Hand, wird der Vorsitzende eine derartige Anhörung durchführen müssen und jedenfalls gehindert sein, den gewünschten Pflichtverteidiger ohne weiteres sofort zu bestellen.
Entsprechendes wird zu gelten haben in Fällen, in denen wegen nachträglich erkannter konkreter Gefahr eines Interessenkonflikts die Rücknahme der Pflichtverteidigerbestellung aus wichtigem Grund (vgl. Laufhütte aaO § 143 Rdn. 4 f.) zu erwägen oder aufgrund einer entsprechenden Gefahr der Interessenkollision in der Person eines Wahlverteidigers die zusätzliche Bestellung eines Pflichtverteidigers (vgl. Laufhütte aaO § 141 Rdn. 7) in Betracht zu ziehen ist.

e) Bei der Annahme des wichtigen Grundes der konkreten Gefahr einer Interessenkollision, welcher die Ablehnung der Bestellung des vom Beschuldigten bezeichneten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger gemäß § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO rechtfertigt, steht dem zuständigen Gerichtsvorsitzenden ein Beurteilungsspielraum zu, der nicht der umfassenden Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt. So kann in Grenzfällen die Ablehnung der vom Beschuldigten gewünschten Verteidigerbestellung wegen vom Vorsitzenden angenommener Gefahr der Interessenkollision als vertretbare Entscheidung ebenso unbeanstandet bleiben wie die bei gleicher Sachlage gleichwohl – ebenfalls vertretbar – verfügte Bestellung des Verteidigers.
Insbesondere kann sich die Vertretbarkeit der getroffenen Entscheidung über die Pflichtverteidigerbestellung auch aus dem Motiv der Verfah-
renssicherung ergeben. So kann die Ablehnung der gewünschten Verteidigerbestellung im Einzelfall dann vertretbar sein, wenn die Gefahr einer Interessenkollision aktuell noch nicht übermäßig groß erscheint, indes unbedingt vermieden werden soll, daß sie später doch virulent wird und dann zum Abbruch einer Hauptverhandlung mit beträchtlichem Umfang zur Unzeit nötigen könnte. In Fällen dieser Art mag auch einmal die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers neben dem gewünschten angezeigt sein.

f) Die Verneinung der Gefahr eines Interessenkonflikts und die deshalb dem Wunsch des Beschuldigten gemäß verfügte Pflichtverteidigerbestellung wird umso eher vom Revisionsgericht als vertretbar zu bewerten sein, wenn Gegengründe, die sich im Einzelfall aufdrängen, mit dem benannten Verteidiger, gegebenenfalls auch mit dem Beschuldigten, erörtert und wenn daraufhin in Kenntnis des kritischen Sachverhalts keine Bedenken gegen die Bestellung geäußert oder gar beachtliche Gründe gegen einen möglichen Interessenkonflikt vorgebracht worden sind.
2. Nach diesen Maßstäben war die Bestellung des Rechtsanwalts S zum Pflichtverteidiger des Angeklagten J rechtsfehlerhaft.

a) Der Haupttäter B hatte mit der Offenbarung, daß der Angeklagte J die Ermordung G s als Anstifter veranlaßt – und der Angeklagte D dies durch psychische Beihilfe unterstützt – hatte, Anlaß zu maßgeblicher Intensivierung des gegen beide Angeklagte geführten Ermittlungsverfahrens gegeben. Dieses Verfahren hatte den Vorwurf der Beteiligung an derselben Tat zum Gegenstand, wegen deren Begehung B rechtskräftig verurteilt war und sich zur Zeit seiner Offenbarung noch in Strafhaft befand. Zunächst waren die beiden Angeklagten den Ermittlungsbehörden und Gerichten während des Strafverfahrens gegen B lediglich als „Tatinteressenten“ bekanntgeworden, später war ein Ermittlungsverfahren gegen J , in dem B zunächst noch zu seinen Gunsten ausgesagt hatte, nur aufgrund von Angaben Dritter vom Hörensagen eingeleitet worden.

Nachdem Rechtsanwalt S den Haupttäter B verteidigt hatte , verstieß die spätere sukzessive Übernahme der Verteidigung des Anstifters J zwar mangels Gleichzeitigkeit nicht gegen das Verbot des § 146 StPO. Indes bestanden jenseits der generell bei solcher Fallgestaltung gegebenen Gefahr einer Interessenkollision deutliche konkrete Anhaltspunkte für einen möglichen Interessenkonflikt, in den dieser Rechtsanwalt bei der Verteidigung des Angeklagten J im Blick auf seine fortwirkenden Pflichten gegenüber seinem früheren Mandanten B geraten konnte.
Der Angeklagte J war weitestgehend nicht geständig. Für seine Überführung wegen Anstiftung zum Mord war die Zeugenaussage B s – wie von Anfang an erkennbar – von maßgeblicher Bedeutung. Bei dieser Sachlage drängte sich die Aufdeckung möglicher Schwachstellen dieser Aussage als eine zentrale Aufgabe von J s Verteidiger auf. Indes unterlag S einer Verschwiegenheitspflicht gegenüber seinem früheren Mandanten B , zudem traf ihn als Rechtsanwalt naheliegend auch eine gewisse berufsrechtliche Verpflichtung, dem im Strafverfahren Verteidigten während dessen anschließender Strafvollstreckung nicht durch aktive Wahrnehmung eines Mandats mit gegenläufigen Interessen Nachteil zuzufügen. Rechtsanwalt S war daher gehindert, ihm von seinem früheren Mandanten während dessen Verteidigung etwa anvertrautes Wissen, das seinem jetzigen Mandanten J hätte nützen können, zu offenbaren. Er konnte unter Umständen auch in Konflikt geraten, wenn es sich ihm etwa im Interesse seines jetzigen Mandanten J aufdrängen mußte, entlastende Indizien vorzutragen, über deren Bewertung er indes aufgrund vertraulicher Mitteilungen seines früheren Mandanten B nicht offenbarungsfähige nähere Kenntnisse besaß. Darüber hinaus konnte er in die Situation geraten, durch Vorbringen, mit dem er J gezielt gegen B s jetzige Aussage verteidigte, jedenfalls den Verdacht zu erwecken, sich hierdurch in entsprechender Weise standesrechtlich pflichtwidrig – mindestens aber bedenklich – gegenüber seinem früheren Mandanten zu verhalten, so daß er unter Hint-
anstellung von J s berechtigten Verteidigungsinteressen leicht hätte motiviert werden können, von solchem Verteidigervorbringen Abstand zu nehmen.

b) Allein diese auf der Hand liegenden Umstände hätten dem ermittelnden Staatsanwalt, bevor er dem Schwurgerichtsvorsitzenden bereits im Ermittlungsverfahren den Antrag auf Bestellung des Rechtsanwalts S zum Pflichtverteidiger des damaligen Beschuldigten J befürwortend zuleitete, Anlaß geben sollen, auf Klärung der auf eine Interessenkollision hindeutenden Anzeichen gegenüber dem Rechtsanwalt und dem Beschuldigten J hinzuwirken. Sofern sich dies dem damals mit dem Verfahren noch nicht näher befaßten Schwurgerichtsvorsitzenden selbst noch nicht hätte aufdrängen müssen, hätte dieser jedenfalls nach Kenntnis von der Anklage entsprechend allen Anlaß gehabt, die verfügte Verteidigerbestellung zu hinterfragen und auf eine derartige Klärung hinzuwirken. Die jetzt im Revisionsverfahren eingeholten dienstlichen Erklärungen, die den Wunsch des Angeklagten J nach Verteidigung durch Rechtsanwalt S in den Mittelpunkt stellen und ein sachlich unauffälliges Verteidigerverhalten betonen , machen es dem Senat nicht verständlich, daß die sich bei der vorliegenden Fallgestaltung aufdrängenden Anhaltspunkte für eine mögliche Interessenkollision in der Person des gewünschten Verteidigers nach außen hin gänzlich unbeachtet geblieben sind.

c) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Bestellung des Rechtsanwalts S zum Pflichtverteidiger allein aufgrund der genannten Umstände bereits als unvertretbar und damit rechtsfehlerhaft zu bewerten wäre. Dies läge jedenfalls in Ermangelung ausdrücklicher Hinterfragung der mit einer möglichen Interessenkollision zusammenhängenden Probleme gegenüber den Beteiligten nicht ganz fern. Andererseits sind vor dem Hintergrund genereller Zulässigkeit sukzessiver Mehrfachverteidigung gemäß § 146 StPO der ausdrückliche Wunsch des Angeklagten J nach Bestellung dieses Verteidigers und das Fehlen eines Vortrags eigener Bedenken gegen
die Ordnungsmäßigkeit seiner Bestellung durch den zur Prüfung standesrechtlich pflichtgemäßen Verhaltens primär berufenen Rechtsanwalt nicht unbeachtlich. Hier kommen jedoch weitere Fallbesonderheiten hinzu, welche der Annahme einer noch vertretbaren, daher nicht als rechtsfehlerhaft zu qualifizierenden Verteidigerbestellung jedenfalls entgegenstehen.
aa) Zum einen drängten sich Überlegungen über eine mögliche Interessenkollision nicht nur infolge der Verhältnisse zwischen den Beschuldigten vor dem Hintergrund ihrer unterschiedlichen Rollen bei Tatbegehung und in der Entwicklung der jeweils gegen sie geführten Strafverfahren auf. Darüber hinaus war die Person des Rechtsanwalts S – ohne daß dies etwa für sich dem Rechtsanwalt ohne weiteres zum Vorwurf gereichen müßte – hier schon zeitnah zur Tatbegehung im Gespräch: Nach den Urteilsfeststellungen benannte der Angeklagte J schon im Rahmen seiner Anstiftungshandlungen diesen Rechtsanwalt dem Haupttäter B als potentiellen späteren Verteidiger; J verband so mit der Person dieses Rechtsanwalts die Prognose eines verminderten Sanktionsrisikos, mit deren Benennung er Hemmungen des Haupttäters abzubauen suchte. Diese Urteilsfeststellung gründet auf der entsprechenden Zeugenaussage B s. Dieser hatte schon in seiner ersten polizeilichen Vernehmung Angaben über prozessuale Verhaltensmuster, seine Schuldfähigkeit betreffend, gemacht, die ihm der Angeklagte J – freilich nach der Tat, aber vor seiner Entdeckung und Verhaftung – nahegebracht habe, und hatte dabei auch Angaben zur Vermittlung und Bezahlung von Rechtsanwalt S als Verteidiger durch J gemacht.
Es liegt auf der Hand, daß schon die Angaben seines früheren Mandanten B im Ermittlungsverfahren gegen J , namentlich aber dessen spätestens in der Hauptverhandlung gemachte belastende Angabe, sein jetziger Mandant J habe sich im Rahmen seiner Anstiftungshandlungen in einer derartigen, für die Person des Verteidigers anrüchigen Weise geäußert, für Rechtsanwalt S die gebotene in jeder Beziehung unbefangene
Wahrnehmung seiner Verteidigeraufgaben gegenüber dem Angeklagten J nachhaltig zu erschweren geeignet war. Schon B s Aussage bei der Polizei zu diesem Themenkreis hätte mindestens eine kritische Nachfrage an Rechtsanwalt S , die erstrebte Verteidigung J s betreffend , veranlassen sollen. Jedenfalls nach B s entsprechender Zeugenaussage in der Hauptverhandlung war sie unbedingt geboten.
bb) Zu dieser herausgehobenen Sachnähe kam eine weitere maßgebliche Besonderheit hinzu. Ein Brief des Haupttäters B an seinen früheren Verteidiger Rechtsanwalt S war Gegenstand der Ermittlungsakten geworden. Es lag auf der Hand, daß dieses Schreiben wegen der deutlich vor B s Offenbarung gegenüber der Polizei geäußerten, zudem darin nachvollziehbar motivierten Erwägung einer solchen Offenbarung eine nicht unwesentliche indizielle Bedeutung für die Beurteilung der Zuverlässigkeit von B s Angaben gewinnen konnte – die ihm das Schwurgericht später tatsächlich auch zugemessen hat. Hinzu kam, daß im Inhalt dieses Schreibens eigene Erwägungen des Rechtsanwalts S über eine Tatbeteiligung des Angeklagten J behauptet wurden. Rechtsanwalt S wäre danach im Verfahren gegen den Angeklagten J sogar als Zeuge in Betracht gekommen, wobei er sich freilich naheliegend auf ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO, womöglich gar auf ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 Abs. 1 StPO, hätte berufen können.
Diese weitergehende Besonderheit begründete zusätzliche nachhaltige Bedenken dagegen, daß dieser Rechtsanwalt die Verteidigung des Angeklagten J in der gebotenen unabhängigen und distanzierten Weise werde führen können. Jedenfalls danach können seine Bestellung zum Pflichtverteidiger des Angeklagten J und die alleinige Wahrnehmung der Verteidigeraufgaben durch ihn in der gesamten Tatsacheninstanz ohne jede gerichtliche Hinterfragung – ungeachtet des entsprechenden Wunsches des Angeklagten J – nurmehr als verfahrensfehlerhaft bewertet werden. Hätte sich
Rechtsanwalt S bei der gegebenen Sachlage ungeachtet geäußerter und nicht etwa zu entkräftender gerichtlicher Bedenken gegen seine Mitwirkung dann als Wahlverteidiger des Angeklagten J gemeldet, hätte er zwar naheliegend nicht zurückgewiesen werden können. Dem Angeklagten J wäre jedoch gleichwohl aus den nämlichen Gründen, die der Beiordnung S s zum Pflichtverteidiger entgegenstanden, ein anderer Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger beizuordnen gewesen (vgl. Laufhütte aaO § 141 Rdn. 7).
3. Daß der rechtsfehlerhaft zum Verteidiger bestellte Rechtsanwalt S als einziger Verteidiger des Angeklagten J…. in diesem Fall notwendiger Verteidigung die danach angezeigte Verfahrensrüge wegen seiner eigenen verfahrensfehlerhaften Mitwirkung nicht erhoben hat, geht auf die verfahrensfehlerhafte Bestellung dieses Verteidigers zurück. Hierin liegt eine auf das Revisionsverfahren fortwirkende Vernachlässigung der dem Angeklagten J gegenüber bestehenden prozessualen Fürsorgepflicht. Deren Folgen sind ihm ungeachtet seines entsprechenden – freilich auf laienhafter Verkennung seiner eigenen Verteidigungsinteressen beruhenden – Wunsches nach Bestellung dieses Verteidigers nicht als verschuldet anzulasten.
Danach liegt ein Ausnahmefall vor, in welchem dem Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung einer Verfahrensrüge zu gewähren ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 44 Rdn. 7a m. w. N.). Den entsprechenden Antrag hat der zusätzlich bestellte Verteidiger innerhalb einer Woche (s. § 45 Abs. 1 StPO) nach Zustellung des Urteils und seiner Bestellung unter formgerechter Nachholung der versäumten Verfahrensrüge gestellt.
4. Ein absoluter Revisionsgrund nach § 338 Nr. 5 StPO ist nicht geltend gemacht (vgl. dagegen auch BGHR StPO § 338 Nr. 5 Verteidiger 1 und 5). Indes greift die Rüge wegen Verletzung des § 142 Abs. 1 Satz 3
StPO durch. Es läßt sich nicht ausschließen, daß der Schuldspruch zum Nachteil des Angeklagten J auf der verfahrensfehlerhaften Gestaltung seiner Verteidigungsverhältnisse beruht (§ 336 Satz 1 StPO). Ungeachtet der letztlich rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und trotz mangelnder konkreter Hinweise auf abweichende Sachaufklärungsmöglichkeiten ist nicht auszuschließen , daß ein anderer Verteidiger, dessen Mitwirkung geboten war, mit zulässigen prozessualen Mitteln auf abweichende, für den Angeklagten J günstigere Tatfeststellungen hätte hinwirken können.
Das Urteil ist daher, soweit es den Angeklagten J betrifft, auf die entsprechende Verfahrensrüge umfassend aufzuheben.
5. Der neue Tatrichter wird für den Fall einer erneuten Verurteilung des Angeklagten J jedenfalls nunmehr nicht mehr gehindert sein, unter Berücksichtigung sämtlicher nach Tatbegehung erfolgter rechtskräftiger Verurteilungen eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach den bei Tröndle /Fischer, StGB 51. Aufl. § 55 Rdn. 6, 8, 9, 11, 13, 19 genannten Grundsätzen vorzunehmen.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.