Bundesgerichtshof Urteil, 06. Apr. 2017 - 3 StR 5/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:060417U3STR5.17.0
bei uns veröffentlicht am06.04.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 5/17
vom
6. April 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:060417U3STR5.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. April 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
Richter am Bundesgerichtshof Gericke, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Spaniol, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Tiemann, Hoch als beisitzende Richter,
Richterin am Amtsgericht als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 22. Februar 2016, soweit es die Angeklagte betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Oldenburg zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hatte die Angeklagte im ersten Rechtsgang mit Urteil vom 14. Januar 2015 wegen "bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge" zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Dieses Urteil hatte der Senat auf die Revisionen der Angeklagten und des Mitangeklagten E. R. mit Beschluss vom 15. September 2015 (3 StR 229/15 - juris) aufgehoben, in einem Fall auch, soweit es den nicht revidierenden Mitangeklagten El. R. betraf.
2
Nunmehr hat das Landgericht die Angeklagte V. wegen "unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Beihilfe zu unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge" zur Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Im Übrigen hat es die Angeklagte freigesprochen. Gegen die Mitangeklagten E. und El. R. hat die Strafkammer ebenfalls wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäu- bungsmitteln Gesamtfreiheitsstrafen verhängt sowie eine Verfallsentscheidung getroffen und eine Maßregelanordnung aufrecht erhalten.
3
Die Staatsanwaltschaft hat sich mit ihrer Revision zunächst insgesamt gegen dieses Urteil gewandt und in der Revisionsbegründung zu Ungunsten der Angeklagten und der Mitangeklagten eine Verfahrensrüge erhoben, zu Gunsten der Angeklagten V. gerügt, dass sie im Fall III. 3. e) der Urteilsgründe wegen täterschaftlichen Handeltreibens verurteilt worden ist, und die Strafzumessung betreffend den Mitangeklagten E. R. als zu seinen Gunsten rechtsfehlerhaft beanstandet. Mit einem späteren Schreiben hat sie sodann die Revision betreffend die Mitangeklagten E. und El. R. insgesamt zurückgenommen und betreffend die Angeklagte auf den Teilfreispruch im Fall III. 3. c) der Urteilsgründe beschränkt. Das Rechtsmittel führt erneut zur Aufhebung der Verurteilung der Angeklagten V. insgesamt.
4
I. Die Beschränkung des Rechtmittels betreffend die Angeklagte V. auf den Teilfreispruch ist, wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift vom 16. Januar 2017 zutreffend ausgeführt hat, unwirksam. Das Landgericht und - ihm folgend - die Staatsanwaltschaft sind davon ausgegangen, dass sich die Handlungen der Angeklagten in Bezug auf die insgesamt vier festgestellten Beschaffungsfahrten vom 25. und 26. März 2014 als jeweils selbständige Taten im Sinne von § 53 Abs. 1 StGB darstellen. Dies ist indes nicht der Fall; es liegt vielmehr nur eine Tat im Rechtssinne vor. Angefochten ist damit infolge der Unteilbarkeit des Schuldspruchs das Urteil insgesamt, soweit es die Angeklagte V. betrifft. Im Einzelnen:
5
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts bestellte der Mitangeklagte El. R. im März 2014 bei einem unbekannt gebliebenen Betäubungsmittelhändler in Bremen fünf Kilogramm Marihuana zum Preis von 20.000 € und zahlte davon 7.000 € an. Mit seinem Bruder, dem Mitangeklagten E. R. , kam El. überein, dass E. von der Betäubungsmittelmenge 150 Gramm abnehmen und an seine Abnehmer verkaufen solle. Die Angeklagte wusste zu dieser Zeit noch nichts von dem Drogengeschäft. Aus Sicherheitsgründen entschied der Mitangeklagte El. R. , dass die fünf Kilogramm Marihuana in Teilmengen aus Bremen abgeholt werden sollten und gewann als Kurierfahrer den gesondert Verfolgten Ro. , der die Betäubungsmittel mit vier Fahrten von Bremen nach Achim brachte und deswegen bereits mit Urteil des Landgerichts Verden vom 14. Januar 2015 rechtskräftig wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln verurteilt worden ist.
6
Die erste Fahrt am 25. März 2014 (Fall III. 3. b) der Urteilsgründe), bei der Ro. ein Kilogramm Marihuana transportierte, hatte das Landgericht betreffend die Angeklagte V. bereits im ersten Rechtsgang nach § 154a Abs. 2 StPO von der Verfolgung ausgenommen und das Verfahren auf die anderen Tatvorwürfe beschränkt.
7
Zu der zweiten Fahrt (Fall III. 3. c) der Urteilsgründe), bei der am selben Tag ebenfalls ein Kilogramm Marihuana nach Achim gebracht wurde, ist die Strafkammer nunmehr zu Gunsten der Angeklagten davon ausgegangen, dass die Betäubungsmittel nicht in ihrer Wohnung und ohne ihre Kenntnis an den gesondert Verfolgten H. übergeben wurden, der sie für El. R. aufbewahrte; darauf bezieht sich der Teilfreispruch.
8
Im Fall III. 3. d) der Urteilsgründe fuhr Ro. nach der dritten Fahrt am 26. März 2014 mit den transportierten anderthalb Kilogramm Marihuana zur Adresse der Angeklagten, traf sie vor dem Haus an und bat sie, gemeinsam in ihre Wohnung zu gehen. Wiederum zu Gunsten der Angeklagten ist die Strafkammer davon ausgegangen, dass sie immer noch nichts von den Drogen wusste, sondern davon erst erfuhr, als Ro. in ihrer Wohnung die Tasche öffnete , in der sich das Marihuana befand. Nachdem sie die Päckchen mit den Betäubungsmitteln - nach den Feststellungen der Strafkammer aus Erstaunen über die große Menge - angefasst hatte, desinfizierte sie diese, wischte sie mit Tüchern ab und wickelte sie in Frischhaltefolie ein. Anschließend rief sie auf Bitte von El. R. den gesondert verfolgten, bereits rechtskräftig verurteilten K. an, der einen Teil des Marihuanas abholte, um ihn bei sich für El. R. zu lagern. Den Rest der Betäubungsmittel erhielt die deswegen ebenfalls bereits rechtskräftig verurteilte B. zur Aufbewahrung. Diese Handlungen der Angeklagten hat die Strafkammer als Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertet.
9
Im Anschluss an diese Geschehnisse wurde in der Wohnung der Angeklagten besprochen, wie El. R. die noch ausstehende Betäubungsmittelmenge von anderthalb Kilogramm Marihuana von Bremen nach Achim schaffen könnte (Fall III. 3. e) der Urteilsgründe). Um weniger verdächtig zu erscheinen , sollte ein anderes Fahrzeug verwendet und zu Zwecken der Tarnung ein Beifahrer dabei sein. Die Angeklagte erklärte sich dazu bereit, um El. R. zu helfen; sie versprach sich davon, aus der Lieferung etwas Marihuana für den Eigenkonsum ihres Lebensgefährten zu einem günstigeren Preis erwerben zu können. Nachdem sie mit dem gesondert Verfolgten Ro. , der den Pkw steuerte, mit den Betäubungsmitteln wieder in Achim angekommen war, desinfizierte sie wiederum die Päckchen, wischte sie ab und wickelte sie in Frischhaltefolie ein. Zwei Päckchen zu jeweils 500 Gramm wurden auf Veranlassung von El. R. bei weiteren Personen eingelagert; aus dem letzten Päckchen nahm sich der Mitangeklagte E. R. 150 Gramm zum gewinnbringenden Weiterverkauf an seine Abnehmer und die Angeklagte 50 Gramm, die zum Eigenkonsum durch ihren Lebensgefährten bestimmt waren und die sie in kleine Päckchen aufteilte; dafür bezahlte sie an El. R. 300 €. Dieses Verhalten hat die Strafkammer als täterschaftliches Handeltreiben der Angeklagten mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertet.
10
2. Nach den Feststellungen ist es - wie auch die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründung ausgeführt hat - zunächst rechtsfehlerhaft, dass das Landgericht im Fall III. 3. e) der Urteilsgründe von täterschaftlichem Handeltreiben der Angeklagten mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ausgegangen ist.
11
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gelten für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme auch im Betäubungsmittelrecht die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts. Beschränkt sich die Beteiligung des Täters am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts , kommt es maßgeblich darauf an, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt. Erschöpft sich die Tätigkeit im bloßen Transport von Betäubungsmitteln, besteht in der Regel keine täterschaftliche Gestaltungsmöglichkeit mit Blick auf die Straftat des Handeltreibens. Anderes kann nur gelten, wenn der Beteiligte erhebliche , über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet, am An- und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten soll (siehe zuletzt etwa BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2015 - 3 StR 287/15, juris mwN).
12
Nach diesen Maßstäben belegen die festgestellten Tatbeiträge der Angeklagten ein täterschaftliches Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nicht: Sie war lediglich Beifahrerin auf der Kurierfahrt, hatte also noch nicht einmal insoweit Handlungsspielräume. Später säuberte sie die Betäubungsmittelpäckchen und verpackte sie neu. Diese untergeordneten Hilfstätigkeiten zeigen - wovon die Strafkammer im Fall III. 3. d) der Urteilsgründe ebenfalls ausgegangen ist - keine täterschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten auf. Auch mit Blick auf das Tatinteresse der Angeklagten ergeben sich keine Hinweise auf ein täterschaftliches Handeltreiben mit Betäubungsmitteln. Sie war an Umsatz oder Gewinn des von El. R. durchgeführten Betäubungsmittelgeschäfts nicht beteiligt ; ihr finanzielles Interesse bestand allein darin, eine verhältnismäßig kleine Betäubungsmittelmenge (1 % der Handelsmenge) zum Eigenkonsum durch ihren Lebensgefährten zu einem etwas günstigeren Preis, der aber jedenfalls deutlich über dem Einkaufspreis von R. lag, erwerben zu können.
13
War nach alledem auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nur von einer Beihilfe der Angeklagten zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auszugehen, stellen sich ihre Unterstützungshandlungen in den Fällen III. 3. d) und e) der Urteilsgründe als eine Tat im Rechtssinne dar: Die Strafkammer ist hinsichtlich des Mitangeklagten El. R. - zutreffend - davon ausgegangen, dass für ihn als Haupttäter die vier Lieferungen eine Bewertungseinheit bildeten, weil sie, wie die einheitliche Bestellung der Handelsmenge von fünf Kilogramm zeigte, auf die Förderung ein und desselben Güterumsatzes abzielten (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013 - 4 StR 223/13, NStZ-RR 2014, 144, 145). Dies hat aber zur Konsequenz, dass wegen der Akzessorietät der Beihilfe auch die mehreren Unterstützungshandlungen der Angeklagten V. zu einer Tat im Rechtssinne zusammenzufassen waren (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Januar 2014 - 1 StR 664/13, NStZ 2014, 465 mwN; Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 29 Rn. 306).
14
Es kommt danach nicht mehr darauf an, dass die Staatsanwaltschaft die Revision, soweit sie im Fall III. 3. e) der Urteilsgründe auch zu Gunsten der An- geklagten V. eingelegt worden war, ohne deren - hier nicht gegebene - Zustimmung ohnehin nicht zurücknehmen konnte (§ 302 Abs. 1 Satz 3 StPO).
15
II. Das mithin vollständig angefochtene Urteil unterliegt der Aufhebung insgesamt, soweit es die Angeklagte V. betrifft.
16
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
17
1. Dieser liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: Die Staatsanwaltschaft beantragte in der Hauptverhandlung am 15. Februar 2016, die früheren Mitangeklagten S. und U. K. sowie Ro. , die unter anderem wegen ihrer Beteiligung an dem verfahrensgegenständlichen Betäubungsmittelgeschäft rechtskräftig wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden waren, als Zeugen zu vernehmen. In dem Beweisantrag wurden zahlreiche Beweisbehauptungen aufgestellt, die jedenfalls soweit sie den Zeugen Ro. betrafen, die Angeklagte V. auch mit der zweiten Beschaffungsfahrt des Zeugen am 25. März 2014 (Fall III. 3. c) der Urteilsgründe) in Verbindung brachten. Danach sollten die Betäubungsmittel auch in diesem Fall mit ihrem Wissen in ihre Wohnung gebracht werden, was auch tatsächlich so geschehen sei. Bei Ankunft des Zeugen habe die Angeklagte V. ihm die Tür geöffnet; auch der Mitangeklagte El. R. sei bereits anwesend gewesen. Anschließend habe die Angeklagte V. auch in diesem Fall die Päckchen gesäubert.
18
Die Strafkammer wies die Anträge der Staatsanwaltschaft mit Beschluss vom 22. Februar 2016 zurück, weil diese bereits unzulässig seien. Sie habe freibeweislich ermittelt, dass sich die benannten Zeugen auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO berufen hätten. Ihnen stehe nach der sog. Mosaiktheorie ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zu, weil trotz ih- rer rechtskräftigen Aburteilung und des daraus resultierenden Strafklageverbrauchs nicht ausgeschlossen werden könne, dass sie sich der Gefahr einer weiteren Strafverfolgung aussetzen könnten. Das Landgericht begründete diese Auffassung konkret hinsichtlich einiger Umstände, die in das Wissen der Zeugen K. gestellt worden waren und führte weiter aus, eine mittelbare Gefahr sei auch darin zu sehen, dass die Angeklagte V. oder die Mitangeklagten durch die Aussagen der Zeugen veranlasst sein könnten, diese "im Sinne einer 'Revanche'" mit anderen Straftaten zu belasten. Im Übrigen seien die in das Wissen der Zeugen gestellten Tatsachen für die Entscheidung auch aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung. Insoweit sei Ziel der Staatsanwaltschaft "im Wesentlichen, eine Bandenabrede der drei Angeklagten nachzuweisen". Mit Blick auf die bislang durchgeführte Beweisaufnahme seien die unter Beweis gestellten Tatsachen indes nicht geeignet, "die Kammer zu veranlassen, den Schluss auf eine solche Bandenabrede zu ziehen".
19
Im Folgenden wurde die Beweisaufnahme geschlossen, ohne dass die Zeugen vernommen wurden.
20
2. Die Ablehnung des Beweisantrags war, jedenfalls soweit es den Zeugen Ro. betrifft, durchgreifend rechtsfehlerhaft.
21
Entgegen der Annahme des Landgerichts war die Vernehmung des Zeugen nicht unzulässig; jedenfalls ihm stand ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO nicht zu.
22
Die Gefahr einer Strafverfolgung im Sinne des § 55 StPO setzt voraus, dass ein Zeuge Tatsachen bekunden müsste, die geeignet sind, unmittelbar oder (auch nur) mittelbar den Anfangsverdacht einer von ihm selbst oder von einem Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) begangenen Straftat zu begründen oder einen bereits bestehenden Verdacht zu bestärken. Bloße Vermutungen ohne Tatsachengrundlage oder rein denktheoretische Möglichkeiten reichen für die Annahme einer solchen Verfolgungsgefahr nicht aus. Eine das Recht zur Auskunftsverweigerung begründende Verfolgungsgefahr im Sinne des § 55 Abs. 1 StPO besteht grundsätzlich dann nicht mehr, wenn gegen den Zeugen hinsichtlich der Tat, deren Begehung er sich durch wahrheitsgemäße Beantwortung der Frage verdächtig machen könnte, bereits ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, sodass die Strafklage verbraucht ist, oder wenn die Straftat verjährt oder aus anderen Gründen zweifelsfrei ausgeschlossen wäre, dass er für diese noch verfolgt werden könnte. Eine Verfolgungsgefahr ist selbst bei Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung aber dann nicht auszuschließen, wenn zwischen der abgeurteilten Tat und anderen Straftaten, deretwegen der Zeuge noch verfolgt werden könnte, ein so enger Zusammenhang besteht, dass die Beantwortung von Fragen zu der abgeurteilten Tat die Gefahr der Verfolgung wegen dieser anderen Taten mit sich bringt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2012 - StB 16/12, NStZ 2013, 241 mwN).
23
Eine solche Gefahr einer weiteren Strafverfolgung, die zu einem umfassenden Auskunftsverweigerungsrecht führen könnte, hat die Strafkammer nicht dargelegt. Insbesondere die in das Wissen des Zeugen Ro. gestellten Tatsachen betreffend die Beteiligung der Angeklagten V. bereits im Fall III. 3. c) der Urteilsgründe konnten für ihn unter keinem denkbaren Gesichtspunkt die Gefahr einer weiteren Strafverfolgung hervorrufen, weil es hierbei nur um die Fahrten ging, mit denen der Zeuge das Marihuana im Auftrag des Mitangeklagten El. R. von Bremen nach Achim gebracht hatte und wegen derer er bereits rechtskräftig abgeurteilt worden war. Soweit das Landgericht darauf abgestellt hat, die Aussagen der Zeugen in der Hauptverhandlung könnten die Angeklagte V. oder die Mitangeklagten dazu veranlassen, möglicherweise die Zeugen über die bereits bekannten Taten hinausgehend zu belasten, so ist dies - worauf die Staatsanwaltschaft zutreffend bereits in dem Beweisantrag hingewiesen hatte - vom Schutzzweck der verfassungsrechtlich verbürgten Selbstbelastungsfreiheit nicht umfasst (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2006 - 1 StR 326/06, BGHR StPO § 55 Abs. 1 Verfolgung 9; BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 - 2 BvR 281/03, NJW 2003, 3045, 3046).
24
Die Ablehnung des Beweisantrags war - jedenfalls hinsichtlich des Zeugen Ro. - auch mit Blick auf die Annahme der Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Gründen rechtsfehlerhaft. Insoweit hat die Strafkammer in unzulässiger Weise die unter Beweis gestellten Tatsachen, die eine weitergehende Beteiligung der Angeklagten V. auch im Fall III. 3. c) der Urteilsgründe belegen sollten, dahin umgedeutet (vgl. dazu LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 221 mwN), dass diese lediglich für das Beweisziel einer Bandenabrede zwischen der Angeklagten V. und den Mitangeklagten R. von Bedeutung seien und sie damit in ihrer Tragweite verkürzt. Denn sie waren - wie dargelegt - unabhängig von der Frage, ob eine Bandentat vorlag, auch für den Umfang der Beteiligungshandlungen der Angeklagten bedeutsam.
25
3. Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler. Die Strafkammer hat eine Beteiligung der Angeklagten V. im Fall III. 3. c) der Urteilsgründe verneint, indem sie zu ihren Gunsten die - den in das Wissen des Zeugen Ro. gestellten Umständen zuwiderlaufenden - Angaben des Mitangeklagten El. R. ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat.
26
Insoweit war - wie dargelegt - nicht von einer selbständigen Beihilfehandlung der Angeklagten V. auszugehen, so dass sich der Teilfreispruch auch unter diesem Gesichtspunkt als rechtsfehlerhaft erweist. Der Senat kann indes nicht ausschließen, dass das Landgericht, wenn es von einer Tatbeteiligung der Angeklagten V. auch mit Blick auf die durch die zweite Fahrt nach Achim geschafften Betäubungsmittel ausgegangen wäre, wegen des damit erhöhten Schuldumfangs auf eine höhere Freiheitsstrafe erkannt hätte.
27
Da bereits insoweit ein durchgreifender Rechtsfehler vorliegt, kann der Senat offen lassen, ob bei Vernehmung aller benannten Zeugen - wie die Staatsanwaltschaft meint - auch auf ein täterschaftliches Handeltreiben der Angeklagten V. hätte geschlossen werden können, wenn diese die in ihr Wissen gestellten Beweistatsachen bestätigt hätten. Dies wird das neue Tatgericht nach erneuter umfassender Beweisaufnahme unter Beachtung der oben aufgezeigten Maßstäbe zu entscheiden haben.
28
III. Der Senat hat gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 StPO von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an ein zu demselben Land gehörendes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen.
Becker Gericke Spaniol
Tiemann Hoch

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3 S t R 2 2 9 / 1 5
vom
15. September 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1. und 3.: Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
zu 2.: Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
hier: Revisionen der Angeklagten E. R. und V.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts am 15. September 2015 gemäß § 349
Abs. 4, § 357 Satz 1 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten E. R. und V. wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 14. Januar 2015, soweit es sie betrifft, insgesamt und, soweit es den Mitangeklagten El. R. betrifft, im Fall II.3. der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten E. R. und V. im Fall II.3. der Urteilsgründe des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und den Angeklagten E. R. darüber hinaus im Fall II.2. der Urteilsgründe des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge für schuldig befunden. Gegen den Angeklagten E. R. hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verhängt und eine Verfallsentscheidung getroffen, gegen die nur an der Tat im Fall II.3. der Urteilsgründe beteiligte Angeklagte V. hat es auf eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten erkannt. Den nicht revidierenden Mitangeklagten El. R. hat es im Fall II.3. der Urteilsgründe ebenfalls wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in zwei weiteren Fällen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten E. R. und V. haben Erfolg, auch soweit es im Fall II.3. der Urteilsgründe den Mitangeklagten El. R. betrifft.
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1. Nach den Feststellungen des Landgerichts taten sich die Revidenten und der Mitangeklagte El. R. Anfang des Jahres 2014 zusammen, um zukünftig jeweils größere Mengen Marihuana günstig zu erwerben und teuer weiter zu verkaufen, um sich so bis auf weiteres eine ständige Einnahmequelle zu sichern. Dabei vereinbarten sie eine im Einzelnen festgestellte Aufgabenverteilung ; in Umsetzung dieser Abrede erwarben sie im März 2014 insgesamt fünf Kilogramm Marihuana zu einem Gesamtpreis von 20.000 €. Die Betäubungsmittel holten sie unter Einschaltung eines weiteren nichtrevidierenden Angeklagten mit mehreren Fahrten aus Bremen ab (Fall II.3. der Urteilsgründe).
3
Bereits vor dieser Tat erwarb der Angeklagte E. R. Ende Februar 2014 von seinem Bruder El. 200 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 7,5 Gramm THC. Zu Gunsten des Angeklagten E. R. ist das Landgericht davon ausgegangen, dass nur 150 Gramm zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt waren und der Angeklagte 50 Gramm für den Eigenkonsum ankaufte (Fall II.2. der Urteilsgründe).
4
2. Die Schuldsprüche gegen die Angeklagten E. R. und V. sowie gegen den Mitangeklagten El. R. im Fall II.3. der Urteilsgründe sowie gegen den Angeklagten E. R. im Fall II.2. der Urteilsgründe halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
5
a) Im Fall II.3. der Urteilsgründe fehlt es an einem Beleg für die für den Schuldspruch wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1 BtMG erforderliche Bandenabrede, denn die Feststellung , die Angeklagten E. R. und V. hätten sich mit dem Mitangeklagten El. R. für eine gewisse Dauer zusammengeschlossen, um zukünftig mehrere, im Einzelnen noch unbestimmte (Betäubungsmittel-) Straftaten zu begehen, wird von der Beweiswürdigung nicht getragen.
6
Die Strafkammer hat insoweit zunächst einleitend ausgeführt, die Angeklagten und die nichtrevidierenden Mitangeklagten hätten den "Sachverhalt weitgehend glaubhaft geständig eingeräumt" und sich dabei "an die Abläufe und Ereignisse bei den einzelnen Taten noch detailliert erinnern" können. Sodann hat sie von den Feststellungen abweichende Angaben insbesondere der Angeklagten V. referiert, die eine Kenntnis von der Lieferung der Betäubungsmittel in ihre Wohnung im Vorfeld sowie die Säuberung der angelieferten Marihuanapakete - insoweit nur teilweise - in Abrede gestellt hat. Diese Einlassung hat das Landgericht zwar unter anderem deshalb als widerlegt angesehen , weil der Mitangeklagte El. R. ausgesagt habe, die Anlieferung der Betäubungsmittel sei bereits im Vorfeld abgesprochen gewesen. Auch dies würde indes nur eine Beteiligung der Angeklagten V. an dem konkreten Marihuanageschäft belegen, nicht aber die Vereinbarung, solche Taten auch in Zukunft zu begehen; zu dieser Feststellung fehlt vielmehr jegliche Würdigung. Selbst wenn der Angeklagte E. R. und der Mitangeklagte El.
R. eine solche Bandenabrede geschildert haben sollten, wozu sich die Urteilsgründe nicht verhalten, fehlte jegliche Auseinandersetzung mit der Frage, warum ihren Einlassungen zu folgen wäre, nicht aber derjenigen der Angeklagten V. .
7
Der Rechtsfehler der nicht belegten Feststellung der Bandenabrede, der zur Aufhebung des Urteils gegen die Angeklagten E. R. und V. führt, wirkt in gleichem Maße zu Lasten des nicht revidierenden Mitangeklagten El. R. , so dass die Entscheidung gemäß § 357 Satz 1 StPO auf ihn zu erstrecken war. Die Aufhebung des Urteils insoweit führt zur Aufhebung der Einsatzstrafe und bedingt somit auch die Aufhebung der gegen den Mitangeklagten El. R. verhängten Gesamtstrafe.
8
b) Die Verurteilung des Angeklagten E. R. im Fall II.2 der Urteilsgründe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG hält rechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand. Nach den Feststellungen ergibt sich nicht, dass die von dem Angeklagten zu Handelszwecken erworbene Menge eine nicht geringe Menge Marihuana darstellte, mithin eine solche mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 7,5 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC). Denn die Strafkammer hat eine solche Wirkstoffmenge bezogen auf die gesamte angekaufte Menge von 200 Gramm festgestellt; davon behielt der Angeklagte jedoch 50 Gramm für den Eigenkonsum, so dass der Vorwurf des Handeltreibens sich lediglich auf eine Teilmenge von 150 Gramm beziehen kann, die entsprechend der Schätzung des Landgerichts rechnerisch nur (mindestens) 5,625 Gramm THC enthielt.
9
Der Senat kann nicht ausschließen, dass in einer neuen Verhandlung Feststellungen getroffen werden können, nach denen der Angeklagte sich in diesem Fall gleichwohl wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht hat und sieht deshalb davon ab, den Schuldspruch auf Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln umzustellen.
10
Die Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten im Fall II.2. der Urteilsgründe entzieht auch der Verfallsentscheidung den Boden.
11
3. Die aufgezeigten Rechtsfehler geben dem Senat Anlass, erneut darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass ein Angeklagter die ihm vorgeworfenen Taten eingeräumt hat und dem Urteil eine Verständigung vorausgegangen ist, das Gericht nicht von der Pflicht zur Darlegung des Sachverhalts und einer diesen tragenden Beweiswürdigung entbindet, soweit dies für den Tatbestand der dem Angeklagten vorgeworfenen Gesetzesverletzung erforderlich ist.
Auch in einem solchen Fall bedarf es im Übrigen eines Mindestmaßes an Sorgfalt bei der Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015 - 3 StR 169/15).
Becker Pfister Schäfer Gericke Spaniol

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 2 8 7 / 1 5
vom
1. Oktober 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 1. Oktober 2015 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 8. April 2015 dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem Strafbefehl vom 10. Juli 2013 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Sein Rechtsmittel hat lediglich den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen sagte der Angeklagte einem unbekannt gebliebenen Hintermann zu, sich um den Transport von etwa einem Kilogramm Haschisch von den Niederlanden nach Deutschland zu kümmern. Ihm war bewusst, dass sein Auftraggeber das eingeführte Marihuana gewinnbringend weiterverkaufen wollte. Auch nahm er billigend in Kauf, dass die Menge der Betäubungsmittel mehr als ein Kilo betragen würde. Für die Kurierfahrt sollte der Angeklagte 800 € erhalten, von denen er den die Transportkosten übersteigenden Betrag als Gewinn behalten sollte. Da er allerdings das Risiko einer Grenzkontrolle nicht eingehen wollte, entschloss er sich, einen Fahrer mit der Einfuhr der Betäubungsmittel zu betrauen. Bei der Suche nach einem Gehilfen stieß der Angeklagte auf den gesondert Verfolgten K. , der sich bereiterklärte, gegen Zahlung von 500 € - 250 € im Voraus und 250 € bei Ablieferung der Drogen- den Transport durchzuführen. Er begleitete K. zu einer Autovermietung, wo sie für rund 300 €, die der Angeklagte zur Verfügung stellte, ein Fahrzeug anmieteten. Außerdem übergab er K. ein Handy, das in einer SMS die Zieladresse in den Niederlanden und eine unter "H" gespeicherte Kontaktadresse enthielt. Nachdem K. auf diese Weise in den Niederlanden das Rauschmittel besorgt hatte, wurde er beim Grenzübertritt kontrolliert. Dabei konnten rund 3,4 kg Marihuana und 1,1 kg Haschisch mit einem Gesamtgehalt von 549 g THC sichergestellt werden.
3
2. Diese Feststellungen tragen zwar den Schuldspruch wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, nicht aber den wegen täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
4
Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten auch im Betäubungsmittelrecht die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts. Beschränkt sich die Beteiligung des Täters am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgeblich darauf an, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt (BGH, Urteil vom 28. Februar 2007 - 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219, 221 ff.; Beschluss vom 7. August 2007 - 3 StR 326/07, NStZ 2008, 40; Urteil vom 5. Mai 2011 - 3 StR 445/10, StV 2012, 287, 288; Beschluss vom 22. August 2012 - 4 StR 272/12, NStZ-RR 2012, 375). Erschöpft sich die Tätigkeit im bloßen Transport von Betäubungsmitteln , besteht in der Regel auch dann keine täterschaftliche Gestaltungsmöglichkeit , wenn Handlungsspielräume hinsichtlich der Art und Weise des Transports verbleiben, sodass von einer Beihilfe auszugehen ist. Anderes kann nur gelten, wenn der Beteiligte erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet, am An- und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten soll (BGH, Beschluss vom 22. August 2012 - 4 StR 272/12, NStZ-RR 2012, 375 mwN).
5
Nach diesen Maßstäben wird eine täterschaftliche Begehungsweise von den Feststellungen hier nicht belegt. Das Landgericht begründet die Annahme, dass der Angeklagte als Mittäter mit Betäubungsmitteln Handel trieb, im Wesentlichen damit, dass er die Kurierfahrt mit erheblichem Tateinfluss und Eigenverantwortung initiierte und überwachte sowie ein eigenes finanzielles Interesse am Gelingen der Tat hatte. Da sich das eigenständige Handeln des Angeklagten aber auf den Transport der Betäubungsmittel beschränkte, eine Beteiligung an dem eigentlichen Umsatzgeschäft hingegen nicht festgestellt wurde, ist der Tatbeitrag des Angeklagten im Rahmen des Gesamtgeschehens trotz faktischer Handlungsspielräume hinsichtlich der Art und Weise des Transports nur als eine untergeordnete Hilfstätigkeit und deshalb als Beihilfe zu werten.
6
Da weitere Feststellungen in einer neuen Verhandlung nicht zu erwarten sind, hat der Senat den Schuldspruch neu gefasst. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sich der geständige Angeklagte insoweit nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
7
3. Die Änderung des Schuldspruchs führt nicht zur Aufhebung des Strafausspruchs. Das Landgericht hat die Strafe dem für die täterschaftliche Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge maßgeblichen Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG entnommen. Dass der Angeklagte auch täterschaftlich Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge getrieben habe, hat die Strafkammer nicht straferschwerend berücksichtigt. Der Senat schließt es deshalb aus, dass das Landgericht, hätte es lediglich Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angenommen, zu einer niedrigeren Strafe gelangt wäre.
8
4. Der geringe Teilerfolg rechtfertigt es nicht, die Gebühr zu ermäßigen und der Staatskasse einen Teil der notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen.
Becker Pfister Schäfer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 223/13
vom
31. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
hier: Anfrage gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Juli 2013 beschlossen:
Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Eine – infolge tateinheitlicher Verknüpfung mehrerer Bewertungseinheiten – einheitliche Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verbindet mehrere zu deren Verwirklichung vorgenommene Einfuhren von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Tat der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Der Senat fragt daher beim 3. Strafsenat an, ob an der entgegenstehenden Rechtsprechung im Beschluss vom 15. Februar 2011 – 3 StR 3/11 festgehalten wird.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten.

I.


2
Nach den Feststellungen begab sich der Angeklagte am 21. Mai 2012 mit seinem Pkw zu seinem Betäubungsmittellieferanten in R. , von dem er 1.000 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 80 % Kokainhydrochlorid erhielt, ohne die Ware sofort bezahlen zu müssen. Das Geld sollte er erst nach dem Verkauf des Kokains bei Übernahme der nächsten Lieferung übergeben. Der Lieferant baute das Kokain in den Radkasten des Pkws des Angeklagten ein und übergab diesem 1.500 € als Anzahlung auf seinen (Gewinn-)Anteil. Weitere 1.000 € sollte er nach dem Abverkauf bekommen. Der Angeklagte führte das Kokain nach Deutschland ein und verkaufte es nach Portionierung der jeweiligen Verkaufsmengen an verschiedene Abnehmer weiter (Fall II. 1 der Urteilsgründe). Am 31. Mai 2012 fuhr der Angeklagte, nachdem er bei dem Lieferanten 500 Gramm Kokain bestellt hatte, erneut nach R. . Er übergab dem Lieferanten den Verkaufserlös von 44.000 € aus der vorangegangenen Lieferung und erhielt von diesem seinen Anteil sowie die bestellten 500 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 80 % Kokainhydrochlorid. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland verkaufte er das eingeführte Kokain nach Portionierung an verschiedene Abnehmer weiter (Fall II. 2 der Urteilsgründe). Nachdem der Lieferant in einem Telefonat am 8. Juni 2012 mitgeteilt hatte, dass er wieder über Kokain verfüge, begab sich der Angeklagte am 11. Juni 2012 mit seinem Pkw und den aus den letzten Abverkäufen stammenden 22.000 € nach R. . Dort übergab der Angeklagte dem Lieferanten das Geld und erhielt neben seinem Anteil 1.088 Gramm Kokain mit einem Mindestwirkstoffgehalt von 86 % Kokainhydrochlorid. Nachdem der Angeklagte aus den Niederlanden kommend die Grenze nach Deutschland passiert hatte, wurde er einer Kontrolle unterzogen, bei der das Kokain aufgefunden und sichergestellt wurde (Fall II. 3 der Urteilsgründe).

II.


3
Der Senat möchte den Schuldspruch des angefochtenen Urteils dahin ändern, dass der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit drei Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist. Da sich die Ausführungshandlungen der jeweils unmittelbar aufeinander folgenden Kokaingeschäfte teilweise überschneiden, sind die drei auf die jeweilige Handelsmenge bezogenen tatbestandlichen Bewertungseinheiten im Wege der gleichartigen Idealkonkurrenz zu einer Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verknüpft (II. 1). Diese einheitliche Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verbindet nach Ansicht des Senats die drei zu deren Verwirklichung unternommenen Einfuhren von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Tat der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (II. 2).
4
1. a) Die Annahme von Tateinheit kommt in Betracht, wenn mehrere Tatbestandsverwirklichungen dergestalt objektiv zusammentreffen, dass die Ausführungshandlungen in einem für sämtliche Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind. Dagegen reichen ein einheitliches Motiv, die Gleichzeitigkeit von Geschehensabläufen, die Verfolgung eines Endzwecks, eine Mittel-Zweck-Verknüpfung oder eine Grund-Folge-Beziehung nicht aus, Tateinheit zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 1997 – 5 StR 526/96, BGHSt 43, 317, 319; Urteil vom 16. Juli 2009 – 3 StR 148/09, NStZ 2011, 97; vgl. Rissing-van Saan in LK, 12. Aufl., § 52 Rn. 20 mwN). Eine Teilidentität der Tatbestandsverwirklichungen ist hier gegeben , weil die objektiven Ausführungshandlungen der unmittelbar aufeinander folgenden Umsatzgeschäfte sich in den Beschaffungsfahrten des Angeklagten nach R. am 31. Mai und 11. Juni 2012 teilweise überschneiden.
5
b) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256 mwN), wobei verschiedene Betätigungen, die auf die Förderung ein und desselben Güterumsatzes abzielen, eine tatbestandliche Bewertungseinheit bilden (vgl. Weber, BtMG, 4. Aufl., vor §§ 29 ff. Rn. 562 ff. mwN). Eine solche auf den gewinnorientierten Umsatz von Betäubungsmitteln ausgerichtete Tätigkeit liegt auch darin, dass sich der Zwischenhändler zu der Örtlichkeit begibt, an welcher er von seinem Lieferanten eine zuvor abgesprochene , zur gewinnbringenden Weiterveräußerung bestimmte Betäubungsmittellieferung vereinbarungsgemäß übernehmen soll (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 1997 – 1 StR 472/97; Urteil vom 20. August 1991 – 1 StR 273/91, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 28; Weber, aaO, § 29 Rn. 442). Das Aufsuchen des Lieferanten zur Abholung einer bereits zuvor verabredeten Lieferung zur Weiterveräußerung vorgesehener Betäubungsmittel verwirklicht daher den Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln.
6
Dem – weit auszulegenden (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – 1 GSSt 1/05, aaO, 262) – Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln unterfallen aber nicht nur Handlungen, die unmittelbar der Beschaffung und der Übertragung von Betäubungsmitteln an Abnehmer dienen. Tatbestandlich erfasst werden nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vielmehr auch dem eigentlichen Betäubungsmittelumsatz nachfolgende Zahlungsvorgänge , ohne dass danach differenziert wird, ob der Handelnde auf Seiten des Abnehmers oder des Lieferanten tätig geworden ist (vgl. Urteile vom 7. Februar 2008 – 5 StR 242/07, NStZ 2008, 465; vom 17. Juli 1997 – 1 StR 791/96, BGHSt 43, 158, 162; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 2. Oktober 2002 – 2 StR 294/02; vom 23. Mai 2007 – 2 StR 569/06, NStZ 2008, 42, 43; vom 27. Juni 2008 – 3 StR 212/08, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 7). So hat der Bundesgerichtshof bereits mehrfach entschieden, dass die Übermittlung des für eine Betäubungsmittellieferung zu entrichtenden Geldbetrages vom Abnehmer zum Lieferanten zum Handel gehört und den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 1985 – 2 StR 861/84; Beschluss vom 5. November 1991 – 1 StR 361/91, StV 1992, 161; Urteil vom 11. Juli 1995 – 1 StR 189/95, StV 1995, 641; Beschlüsse vom 17. Mai 1996 – 5 StR 119/96, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 50; vom 21. Mai 1999 – 2 StR 154/99, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 52; Urteil vom 7. Februar 2008 – 5 StR 242/07, aaO).
7
c) Nach den Feststellungen des Landgerichts dienten die Fahrten des Angeklagten nach R. am 31. Mai und 11. Juni 2012 jeweils sowohl der Übermittlung des Geldes für die vorangegangene als auch der Abholung der abgesprochenen neuerlichen Kokainlieferung. In diesem Teilakt überschneiden sich die objektiven Ausführungshandlungen der jeweils unmittelbar aufeinander folgenden Umsatzgeschäfte, was eine tateinheitliche Verknüpfung der drei auf die einzelnen Handelsmengen bezogenen tatbestandlichen Bewertungseinheiten des Handeltreibens im Wege der gleichartigen Idealkonkurrenz zu einer Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Folge hat (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2013 – 4 StR 418/12, Rn. 6; Beschluss vom 22. Januar 2010 – 2 StR 563/09, NStZ 2011, 97; offen gelassen im Beschluss vom 15. Februar 2011 – 3 StR 3/11).
8
2. Der Senat ist der Ansicht, dass die – infolge der tateinheitlichen Verknüpfung der drei Bewertungseinheiten im Wege der gleichartigen Idealkonkurrenz – einheitliche Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge die drei zu deren Verwirklichung unternommenen Einfuhren von Kokain in nicht geringer Menge zu einer Tat der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG verklammert.
9
a) Voraussetzung für die Annahme von Tateinheit durch Klammerwirkung ist, dass die Ausführungshandlungen zweier an sich selbständiger Delikte zwar nicht miteinander, wohl aber mit der Ausführungshandlung eines dritten Tatbestandes (teil-)identisch sind und dass zwischen wenigstens einem der beiden an sich selbständigen Delikte und dem sie verbindenden Delikt zumindest annähernde Wertgleichheit besteht oder die verklammernde Tat die schwerste ist (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 – 4 StR 99/12, NStZ-RR 2013, 147, 149 mwN; Beschluss vom 11. Januar 2012 – 1 StR 386/11, wistra 2012, 310; Rissing-van Saan, aaO, § 52 Rn. 28 ff.). Als Maßstab hierfür dient die Abstufung der einzelnen Delikte nach ihrem Unrechtsgehalt unter Orientierung an den Strafrahmen, wobei der Wertevergleich nicht nach einer abstrakt-generalisierenden Betrachtungsweise, sondern anhand der konkreten Gewichtung der Taten vorzunehmen ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 – 4 StR 99/12, aaO; Beschlüsse vom 19. April 2011 – 3 StR 230/10, NStZ 2011, 577, 578; vom 2. Dezember 2008 – 3 StR 203/08, NStZ 2009, 692, 693; Urteil vom 18. Juli 1984 – 2 StR 322/84, BGHSt 33, 4, 6 ff.).
10
b) Von diesen Grundsätzen ausgehend hat der Bundesgerichtshof – unbeschadetder Einstufung der Delikte als Vergehen oder Verbrechen – die annähernde Wertgleichheit eines besonders schweren Falls des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 BtMG in der bis 21. September 1992 geltenden alten Fassung mit einer Tat der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angenommen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 – 2 StR 322/84, aaO). Auch der durch das Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität (OrgKG) vom 15. Juli 1992 (BGBl. I S. 1302) geschaffene Tatbestand des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ist im Verhältnis zu § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG nicht als minder schwere Tat angesehen worden mit der Folge, dass eine Verklammerung mehrerer Einfuhren von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch eine jeweils teilidentische Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bejaht worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. November 1993 – 2 StR 534/93, NStZ 1994, 135; vom 22. Oktober 1996 – 1 StR 548/96, StV 1997, 471; Urteil vom 13. Dezember 2012 – 4 StR 99/12, aaO).
11
c) Der Senat sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Die Straftatbestände des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG und des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG weisen die gleiche Strafrahmenobergrenze auf, die Strafandrohungen für minder schwere Fälle gemäß § 29a Abs. 2, § 30 Abs. 2 BtMG sind identisch. Die mit zwei Jahren gegenüber einem Jahr bei § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG höhere Mindeststrafe des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG hat zwar zur Folge, dass die zum Zwecke des Handeltreibens vorgenommene unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge – anders als im Rahmen des Grundtatbestandes des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG bei Rauschgiftmengen unter dem Grenzwert zur nicht geringen Menge (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2005 – 3 StR 133/05, NStZ 2006, 172, 173; Weber, aaO, § 29 Rn. 984) – nicht als unselbständiger Teilakt im unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge aufgeht, sondern zu § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG in Tateinheit steht (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 2007 – 1 StR 366/07, NStZ-RR 2008, 88; Urteil vom 24. Februar 1994 – 4 StR 708/93, BGHSt 40, 73, 74 f.). Durch die erhöhte Mindeststrafe wird aber – wie die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zeigt – die annä- hernde Wertgleichheit im deliktischen Unrechtsgehalt der beiden Tatbestände nicht in Frage gestellt. Auch bei konkreter Betrachtung ergeben sich keine Gesichtspunkte dafür, dass der auf die gehandelte Gesamtmenge bezogene Vorwurf des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge seinem strafrechtlichen Unwert nach deutlich hinter dem Unrechtsgehalt der sich jeweils nur auf Teilmengen erstreckenden Einfuhrtaten nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG zurückbleibt. Da Bezugspunkt für den Wertevergleich die einheitliche Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in ihrer Gesamtheit ist, kann das Ergebnis des Vergleichs schließlich nicht von den Umständen abhängen, die zu der tateinheitlichen Verknüpfung zu einer Tat des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG geführt haben. Diese Umstände sind für die hier in Rede stehende Verklammerung vielmehr ohne Bedeutung.
12
d) Der beabsichtigten Entscheidung des Senats steht, soweit es die Verklammerung der drei Einfuhren von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch die einheitliche Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Tat des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG betrifft, der Beschluss des 3. Strafsenats vom 15. Februar 2011 – 3 StR 3/11 entgegen. In dieser Entscheidung hat der 3. Strafsenat für den Fall einer tateinheitlichen Verknüpfung mehrerer Bewertungseinheiten zu einer Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ohne nähere Ausführungen angenommen , dass das einheitliche Delikt des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG nicht die Kraft hat, die nach Ansicht des 3. Strafsenats schwerer wiegenden Taten der uner- laubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu Tateinheit zu verklammern.
13
e) Der Senat fragt daher gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG bei dem 3. Strafsenat an, ob an der dem Beschluss vom 15. Februar 2011 – 3 StR 3/11 insoweit zugrunde liegenden Rechtsauffassung festgehalten wird.
Sost-Scheible Roggenbuck Mutzbauer Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 6 6 4 / 1 3
vom
21. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Januar 2014 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 30. Juli 2013 soweit es ihn betrifft ,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist;
b) im Strafausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier tatmehrheitlichen Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Gegen die Verurteilung richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg ; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

II.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte K. mehrere Verkäufe von Marihuana des Mitangeklagten S. an den anderweit Verurteilten Ka. dadurch unterstützt, dass er die beiden zunächst miteinander bekannt machte und so zum Zustandekommen des ersten Verkaufs von 100 g Marihuana im Oktober 2012 beitrug und zudem später den Restkaufpreis entgegennahm und an S. weitergab, dies ebenso beim Verkauf von ebenfalls 100 g Marihuana am 17. November 2012 und beim Verkauf von 300 g Marihuana am 30. November 2012. Hinsichtlich des Verkaufs von 155 g Marihuana und 45 g Amphetamin am 12. Dezember 2012 hatte sich der Angeklagte K. ebenfalls hierzu bereit erklärt und damit das Verkaufsgeschäft gefördert.
3
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen vier Fällen der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben in nicht geringer Menge hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Annahme des Landgerichts, wonach die auf UA S. 12 bis 14 geschilderten Unterstützungshandlungen jeweils als gesonderte Fälle der Beihilfe anzusehen seien, ist aus Gründen der Akzessorietät der Teilnahme rechtlich nicht haltbar, weil sich die Gehilfenakte auf eine einzige Haupttat des Mitangeklagten S. bezogen haben und damit ihrerseits ein einheitliches Beihilfedelikt darstellten (vgl. BGH, Beschluss vom 2. September 2008 - 5 StR 356/08, NStZ-RR 2008, 386; BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 4 StR 99/12, NStZ-RR 2013, 147, 148). Der Umstand, dass sich die Unterstützungsaktivitäten des Angeklagten K. auf unterschiedliche Veräußerungsgeschäfte des Haupttäters bezogen, spielt demgegenüber konkurrenz- rechtlich keine Rolle, weil diese Akte zu einer Bewertungseinheit verschmolzen sind (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 11. Mai 1999 - 4 StR 162/99, NStZ 1999,

451).


4
Dementsprechend war der Schuldspruch zu berichtigen. Die Vorschrift des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil der Angeklagte sich gegen diese Verurteilung nicht anders hätte verteidigen können.
5
2. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts war dem Senat die Festsetzung einer neuen Einzelfreiheitsstrafe für die festgestellte Tat nicht möglich. Zwar wäre es angesichts des gleichbleibenden Unrechts - und Schuldumfangs grundsätzlich möglich gewesen, an die Stelle der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten eine gleich hohe Freiheitsstrafe zu setzen, da eine "Konkurrenzkorrektur" in aller Regel keine Verringerung des verwirklichten Tatunrechts bedeutet (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 1999 - 1 StR 678/98, NStZ 1999, 513, 514). Im vorliegenden Fall scheidet dies jedoch aus, weil die Strafzumessungserwägungen rechtlich nicht bedenkenfrei sind. Nach ständiger Rechtsprechung ist in den Fällen, in denen das Gesetz bei einer Straftat einen minder schweren Fall vorsieht und im Einzelfall ein gesetzlicher Milderungsgrund nach § 49 StGB gegeben ist, bei der Strafrahmenwahl vorrangig zu prüfen, ob ein minder schwerer Fall vorliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 - 2 StR 218/11, NStZ 2012, 271, 272). Bereits der vertypte Milderungsgrund des § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB kann Anlass geben, allein oder mit anderen Umständen einen minder schweren Fall anzunehmen. Außerdem ist bei der Prüfung, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, maßgeblich auf das Gewicht der Beihilfehandlung abzustellen (BGH, Beschluss vom 19. März 2003 - 2 StR 530/02, StraFo 2003, 246). Dies hat das Landge- richt ebenfalls nicht beachtet, das vornehmlich auf die Umstände der Haupttat abgestellt hat.
6
Zwar hat die Strafkammer den nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG (drei Monate bis elf Jahre und drei Monate) zugrunde gelegt; doch schon der gemilderte Strafrahmen des § 29a Abs. 2 BtMG (drei Monate bis fünf Jahre) wäre für den Angeklagten günstiger. Der Senat kann daher nicht sicher ausschließen, dass der Tatrichter unter Zugrundelegung eines anderen Strafrahmens zu einer niedrigeren Freiheitsstrafe gelangt wäre. Der Wertungsfehler nötigt nicht zur Aufhebung der Feststellungen.
Raum Rothfuß Graf
Jäger Mosbacher

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
___________
StB 16/12
vom
18. Dezember 2012
in dem Strafverfahren
gegen
alias:
wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung;
hier: Beschwerde des Zeugen O. gegen die Anordnung von Haft zur
Erzwingung des Zeugnisses
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 18. Dezember 2012 gemäß § 304
Abs. 1, Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StPO, § 135 Abs. 2 GVG beschlossen:
1. Auf die Beschwerde des Zeugen O. wird der Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 15. November 2012 - (1) 2 StE 3/12-7 (2/12) - aufgehoben.
Der Beschwerdeführer ist unverzüglich aus der Erzwingungshaft zu entlassen.
2. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Beschwerdeführer dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:

I.


1
Vor dem 1. Strafsenat des Kammergerichts Berlin findet zur Zeit die Hauptverhandlung gegen die Angeklagte Ü. statt, der zur Last liegt, sich vom 30. August 2002 bis zum 8. Juli 2011 als hochrangige Funktionärin , namentlich als "Deutschland- und Europaverantwortliche", mitgliedschaftlich an der DHKP-C beteiligt zu haben.
2
In der Sitzung vom 15. November 2012 wurde der Beschwerdeführer als Zeuge vernommen. Nachdem er zwei Fragen des Vorsitzenden zu seiner eigenen Verurteilung durch das Oberlandesgericht Düsseldorf und zu von ihm im Verfahren über die (abgelehnte) Aussetzung seiner Restfreiheitsstrafe gemachten Angaben beantwortet hatte, berief sich der Zeuge auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht im Sinne von § 55 Abs. 1 StPO und erklärte, dass er nicht weiter aussagen wolle. Auf die anschließend gestellten Fragen des Vorsitzenden, ob er die Angeklagte kenne und ob die Feststellungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf zu seinen Kontakten zu der "Europaverantwortlichen" der DHKP-C zutreffend seien, weigerte sich der Zeuge, diese Fragen zu beantworten. Daran hielt er auch im weiteren Verlauf der Sitzung fest. Deswegen hat das Kammergericht gegen den Zeugen unter Auferlegung der durch dessen Auskunftsverweigerung verursachten Kosten ein Ordnungsgeld in Höhe von 300 €, ersatzweise Ordnungshaft festgesetzt und Beugehaft bis zu fünf Monaten angeordnet.
3
Gegen diesen Beschluss des Kammergerichts richtet sich die Beschwerde des Zeugen. Zur Begründung des Rechtsmittels trägt er im Wesentlichen vor, ihm stehe ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zu, insbesondere sei er auch berechtigt, auf die Frage, ob er die Angeklagte persönlich kenne, die Auskunft zu verweigern. Durch die Beantwortung dieser und anderer Fragen setze er sich der Gefahr aus, wegen Straftaten verfolgt zu werden, für die durch seine Verurteilung durch das Oberlandesgericht Düsseldorf wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland kein Strafklageverbrauch eingetreten sei. Die Anordnung der Beugehaft sei auch nicht unerlässlich und somit unverhältnismäßig, da die durch das Kammergericht erstrebte Klärung von Fragen zur inhaltlichen Richtigkeit des gegen ihn ergangenen Urteils des Oberlandesgerichts Düsseldorf und zu seinen Äußerungen im Strafvollstreckungsverfahren über seine vorzeitige Entlassung aus der Strafhaft auch durch andere Beweiserhebungen und Beweismittel bewirkt werden könnte.
4
Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen. Dem Zeugen stehe ein Aussageverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO nicht zu.

II.


5
Die Beschwerde ist, soweit sie sich gegen die Anordnung der Beugehaft richtet, zulässig (§ 304 Abs. 4 Satz 2 2. Halbsatz Nr. 1 StPO) und hat in der Sache Erfolg; denn die Voraussetzungen des § 70 Abs. 1 und 2 StPO liegen nicht vor. Dies führt hier auch zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses im Übrigen (hierzu unten III.).
6
1. Der Beschwerdeführer hat das Zeugnis nicht ohne gesetzlichen Grund verweigert; ihm steht vielmehr in dem Strafverfahren gegen die Angeklagte Ü. ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 Abs. 1 StPO zu.
7
a) Die Gefahr einer Strafverfolgung im Sinne des § 55 StPO setzt voraus , dass der Zeuge Tatsachen bekunden müsste, die - nach der Beurteilung durch das Gericht - geeignet sind, unmittelbar oder (auch nur) mittelbar den Anfangsverdacht einer von ihm selbst oder von einem Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) begangenen Straftat zu begründen oder einen bereits bestehenden Verdacht zu bestärken. Bloße Vermutungen ohne Tatsachengrundlage oder rein denktheoretische Möglichkeiten reichen für die Annahme einer solchen Verfolgungsgefahr nicht aus (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 59. Aufl., § 55 Rn. 7 mwN). Eine das Recht zur Auskunftsverweigerung begründende Verfolgungsgefahr im Sinne des § 55 Abs. 1 StPO besteht grundsätzlich dann nicht mehr, wenn gegen den Zeugen hinsichtlich der Tat, deren Begehung er sich durch wahrheitsgemäße Beantwortung der Frage verdächtig machen könnte, bereits ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, sodass die Strafklage verbraucht ist, die Straftat verjährt wäre oder aus anderen Gründen zweifelsfrei ausgeschlossen ist, dass er für diese noch verfolgt werden könnte (vgl. Meyer-Goßner, aaO, Rn. 8 mwN).
8
b) Hinsichtlich des Strafklageverbrauchs gelten im Bereich der Organisationsdelikte grundlegende Besonderheiten: Danach werden im Vergleich zu §§ 129, 129a, 129b StGB schwerere Straftaten, die mit der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung in Tateinheit stehen, dann nicht von der Rechtskraft eines allein wegen dieser Beteiligung ergangenen Urteils erfasst, wenn sie in dem früheren Verfahren tatsächlich nicht - auch nicht als mitgliedschaftlicher Beteiligungsakt - Gegenstand der Anklage und der Urteilsfindung waren (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288). Daher ist ein wegen eines Organisationsdelikts Verurteilter durch die Rechtskraft des früheren Urteils nur vor weiterer Strafverfolgung wegen dieses Delikts und tateinheitlich mit diesem zusammentreffender weiterer, nicht schwerer wiegender Straftaten geschützt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 11. Juni 2002 - StB 12/02, BGH NStZ 2002, 607, 608).
9
Eine Verfolgungsgefahr ist bei Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung ferner dann nicht auszuschließen, wenn zwischen der abgeurteilten Tat und anderen Straftaten, deretwegen der Zeuge noch verfolgt werden könnte, ein so enger Zusammenhang besteht, dass die Beantwortung von Fragen zu der abgeurteilten Tat die Gefahr der Verfolgung wegen dieser anderen Taten mit sich bringt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. April 2006 - StB 1/06, NStZ-RR 2006, 239 und StB 2/06, NStZ 2006, 509 sowie vom 7. August 2008 - StB 9 bis 11/08, NStZ-RR 2009, 178 jew. mwN). Ein entsprechender Zusammenhang kann auch bei einem - insoweit bereits rechtkräftig verurteilten - Mitglied einer terroristischen Vereinigung gegeben sein, wenn es so in die Strukturen der Vereinigung eingebunden, insbesondere in einer derart herausgehobenen Stellung tätig war, dass er schon deswegen (allgemein) oder aufgrund der spezifischen Sachzusammenhänge weiterer Straftaten verdächtig ist, die aus der Vereinigung heraus begangen worden sind und für die nach obigen Grundsätzen in seiner Person Strafklageverbrauch nicht eingetreten ist. Die von einer terroristischen Vereinigung begangenen Straftaten sind vielfach dadurch gekennzeichnet, dass sie von einem begrenzten Kreis von Tätern begangen werden, die sich kennen oder zumindest voneinander wissen, untereinander - teils über Dritte - in (konspirativem) Kontakt stehen und von den terroristischen Aktivitäten der anderen Mitglieder aus Treffen, internen Mitteilungen, Gesprächen oder anderen Kontakten Kenntnis haben. Daher kann schon die Aufdeckung der Zusammenhänge des Sichkennens einzelner Mitglieder der Vereinigung untereinander nicht selten auch Rückschlüsse über deren Beteiligung sowie der von weiteren Mitgliedern an (anderen) Taten der Vereinigung zulassen, so dass diese Erkenntnisse - unter Umständen mit weiteren schon bekannten Tatsachen - "Teilstücke in einem mosaikartig zusammengesetzten Beweisgebäude" werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Februar 2002 - 2 BvR 1249/01, NJW 2002, 1411, 1412; BGH, Beschlüsse vom 13. November 1998 - StB 12/98, NJW 1999, 1413 und vom 4. August 2009 - StB 37/09, NStZ 2010, 463 jew. mwN).
10
2. Nach diesen Maßstäben kann die angefochtene Entscheidung nicht bestehen bleiben. Für den Beschwerdeführer ist bei Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen in dem Strafverfahren gegen die Angeklagte Ü. eine Verfolgungsgefahr im Sinne von § 55 Abs. 1 StPO nicht (zweifelsfrei) ausgeschlossen.
11
a) Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16. Dezember 2010 rechtskräftig wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland zur Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt, die er - ab dem 22. November 2012 unterbrochen durch die vorliegend verhängte Erzwingungshaft - seit dem 9. Dezember 2011 verbüßt. Das Strafende ist für den 29. März 2015 vorgemerkt, die Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe nach Verbüßung von 2/3 der Freiheitsstrafe (4. November 2012) wurde durch Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Oktober 2012 abgelehnt. Dieser Verurteilung des Beschwerdeführers lag im Wesentlichen zu Grunde, dass er seit Oktober 1995 in Deutschland für die DHKP-C tätig war; in der Folgezeit war er in die kämpferischen Auseinandersetzungen mit dem sog. "Yagan-Flügel" einbezogen. Nach einem Auszugsbericht der Versammlung des "Europa-Komitees" der DHKP-C vom 13. August 1997 wurde vor dem Hintergrund der bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen dem "Karatas"- und dem "Yagan"-Flügel festgelegt, dass die Anhänger der letztgenannten Gruppierung ("Parasiten") nunmehr "ausgeschaltet" werden müssten. In diesem Zusammenhang wurden zur Bekämpfung der Gegner zwei Listen von eigenen Anhängern aufgestellt. Die erste Liste enthielt (41) Personen, die sich auch mit der "physikalischen Beendigung" der "Parasiten" zu befassen hatten; darunter befand sich der Name des Beschwerdeführers.

12
Spätestens 1999 hatte dieser in B. eine führende Rolle innerhalb der Vereinigung inne und war jedenfalls ab Februar 2002 "Gebietsverantwortlicher" der DHKP-C für den Großraum H. . Im Jahre 2003 benannte er seinem in der Vereinigung übergeordneten Funktionär auf dessen Weisung, die hinsichtlich des Transportes einer Schusswaffe auf einer entsprechenden Aufforderung der Angeklagten Ü. (alias "G. ") vom 2. Juli 2003 als "Europaverantwortliche" beruhte, mehrfach Kuriere für den Transport von Waffen und Sprengstoff zu den Einheiten der DHKP-C in die Türkei. Im Juli 2007 wechselte der Beschwerdeführer in das Gebiet K. und wurde in der Folge verantwortlich für die Region Westfalen. In dieser Funktion stand er in regelmäßigem Kontakt zu der damaligen "Deutschlandverantwortlichen" E. . Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf war der Zeuge jedenfalls von 1999 bis zu seiner Festnahme im November 2008 führender Funktionär der "Rückfront" der DHKP-C in Deutschland.
13
b) Danach ist nicht ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer an weiteren , bislang nicht abgeurteilten Straftaten in Deutschland und in der Türkei beteiligt war, für die Strafklageverbrauch durch seine Verurteilung durch das Oberlandesgericht Düsseldorf nach den oben dargestellten Maßstäben nicht eingetreten ist und die auch noch nicht verjährt sind; konkrete Anhaltspunkte für eine solche Verfolgungsgefahr, insbesondere im Hinblick auf eine Beteiligung an Tötungsdelikten, ergeben sich namentlich aus dem Umstand, dass er von den Verantwortlichen der Vereinigung ausgewählt war, Anhänger des "Yagan"-Flügels auch physisch "auszuschalten", d.h. solche Personen zu töten, und mehrfach an Transporten von Waffen und Sprengstoff in die Türkei beteiligt war. Bei (wahrheitsgemäßer) Beantwortung der Fragen des Kammergerichts bestünde für den Beschwerdeführer die Gefahr, dass er durch Preisgabe der Hintergründe seiner Beziehung zur Angeklagten Ü. , die verdächtig ist, schon seit spätestens Oktober 1999 als "Deutschland- und Europaverantwortliche" dem Führungskader der DHKP-C in Europa angehört und an der Spitze des von der Parteiführung eingesetzten "Europa-Komitees" gestanden zu haben , zugleich auch Umstände zu solchen weiteren eigenen, noch verfolgbaren Straftaten offenbart oder dass dadurch ein bereits bestehender Verdacht bestärkt wird.
14
Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwaltes gilt dies auch hinsichtlich der Beteiligung des Beschwerdeführers an Waffen- und Sprengstofftransporten. Zwar ist insoweit für die Taten, die als mitgliedschaftliche Beteiligungsakte Gegenstand der Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Oberlandesgericht Düsseldorf waren, Strafklageverbrauch eingetreten. Nach den Feststellungen dieses Urteils ist es indes nicht fernliegend, dass der Beschwerdeführer in dem langen Zeitraum seiner Tätigkeit für die DHKP-C - auch in herausgehobenen Führungspositionen - über die festgestellten Taten hinaus an weiteren Waffen- und Sprengstofftransporten beteiligt war, für die durch seine Verurteilung die Strafklage nicht verbraucht ist.
15
Die Ansicht des Generalbundesanwaltes, dass die eng umgrenzten Beweisfragen im laufenden Strafverfahren, die (allein) das Jahr 2003 beträfen, keinerlei Rückschlüsse auf frühere, noch verfolgbare Straftaten des Beschwerdeführers zulassen könnten, überzeugt nicht: Nach den dargelegten Erkenntnissen des Generalbundesanwaltes ist die Angeklagte Ü. schon in den 90er Jahren für die DHKP-C in der Türkei tätig gewesen. Von Januar 1997 bis 1999/2000 hat sie dort die Aufgaben einer regionalen Verantwortlichen dieser Vereinigung u.a. im Raum von Eskisehir und Kayseri wahrgenommen. Dies belegt die enge Einbindung der Angeklagten Ü. in die DHKP-C schon in dem Zeitraum, in dem es zu kämpferischen Auseinandersetzungen zwischen dem "Karatas"- und dem "Yagan"-Flügel gekommen ist. Dass die Angeklagte Ü. - nach den derzeitigen Erkenntnissen des Generalbundesanwaltes - erstmals im August 1999 in Deutschland in Erscheinung getreten ist und sie zumindest bis Mitte 1999 keine Funktion innerhalb der europäischen Strukturen der DHKP-C innehatte, ist für die Beurteilung der für den Beschwerdeführer bestehenden Verfolgungsgefahr hinsichtlich von ihm - im Zusammenhang mit den Flügelkämpfen der DHKP-C und Transporten von Kampfmitteln - möglicherweise begangener schwerer Straftaten nach den obigen Maßstäben ebenso ohne maßgeblichen Belang, wie der Umstand, dass es im Strafverfahren gegen die Angeklagte Ü. um ihre Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung DHKP-C geht und nicht um eine mitgliedschaftliche Beteiligung an der (bis Februar 1999 bestehenden) inländischen terroristischen Vereinigung der DHKP-C in Deutschland. Denn auch mit Blick auf diese Umstände ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer und die Angeklagte wegen des begrenzten Kreises der professionellen Kader der DHKP-C sowie der engen Verbindungen zwischen der Vereinigung in der Türkei und der "Rückfront" in Deutschland schon ab dem Zeitpunkt der Auseinandersetzungen der beiden Parteiflügel zumindest voneinander wussten, untereinander - teils über Dritte - in (konspirativem) Kontakt standen oder von den terroristischen Aktivitäten der jeweiligen anderen Mitglieder zumindest Kenntnis hatten, so dass schon die Aufdeckung der Zusammenhänge eines Sichkennens des Beschwerdeführers und der Angeklagten Ü. Rückschlüsse über dessen Beteiligung auch an (anderen) Taten der Vereinigung zulassen könnten (vgl. BGH, Beschluss vom 4. August 2009 - StB 37/09, NStZ 2010, 463 f.). Die vom Generalbundesanwalt vorgenommene Trennung der Organisation in eine (frühere) inländische terroristische Vereinigung und die seit dem Inkrafttreten des § 129b StGB bestehende terroristische Vereinigung im Ausland hat im Wesentlichen Bedeutung für die strafrechtliche Bewertung, berührt hingegen Aufbau und Strukturen der DHKP-C vor und nach diesem Zeitpunkt nicht und spielt daher für die vorliegend zu beurteilende Frage, ob dem Beschwerdeführer infolge einer Aussage eine Verfolgungsgefahr im Sinne von § 55 Abs. 1 StPO droht, keine entscheidungserhebliche Rolle.
16
Danach kommt es nicht mehr darauf an, ob die Anordnung der Erzwingungshaft unerlässlich oder unverhältnismäßig ist.

III.


17
Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwaltes ist dem Rechtsmittel eine Beschränkung allein auf die Anfechtung der Beugehaftanordnung nicht zu entnehmen. Vielmehr hat der Beschwerdeführer ausdrücklich den Beschluss des Kammergerichts "hinsichtlich Zwangsmittel gemäß § 70 StPO" und danach insgesamt angefochten.
18
Die dargelegten Gründe zur Unzulässigkeit der Beugehaftanordnung führen hier auf die Beschwerde auch zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses im Übrigen; die Anordnung von Ordnungsgeld und Ersatzordnungshaft sowie die Auferlegung der Kosten beruhen ebenfalls auf der Aussageverweigerung des Beschwerdeführers und stehen hier in einem untrennbaren Zusammenhang mit der angeordneten Beugehaft. Daher hat der Senat seine Beschwerdeentscheidung , auch wenn eine isolierte Beschwerde allein gegen diesen Teil des Beschlusses des Kammergerichts nicht zulässig gewesen wäre, auf die übrigen Anordnungen erstreckt (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juni 2011 - StB 8 und 9/11, NStZ-RR 2011, 316 mwN).
19
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung der §§ 465, 467 StPO.
Becker Hubert Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 326/06
vom
19. Dezember 2006
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
19. Dezember 2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München I vom 24. Februar 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils in zwei Fällen freigesprochen, weil es nach Ausschöpfung aller Beweismittel - so das Landgericht - Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten nicht überwinden konnte. Gegen diesen Freispruch richtet sich die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie eine Aufklärungsrüge erhebt und die Verletzung materiellen Rechts rügt.
2
Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

3
1. Dem Angeklagten war folgender Sachverhalt zur Last gelegt worden:
4
Er sei der Rauschgiftlieferant der Zeugen H. I. , seines Cousins, und G. gewesen. Bei einem Treffen der Zeugen im Februar 1999 mit ihm in Rotterdam, bei dem eine weitere unbekannte Person - genannt "K. " - zugegen gewesen sei, habe man vereinbart, dass G. jede zweite Woche vom Angeklagten in Frankfurt Rauschgift zum Weiterverkauf erhalte und jeweils 20.000 DM an den Angeklagten bezahle. Ein bis zwei Wochen später habe der Angeklagte mit "K. " 500 g Kokain und 500 g Heroin guter Qualität aus den Niederlanden nach München verbracht und dort an G. und H. I. übergeben. In der Folgezeit habe der Angeklagte mindestens 20.000 DM erhalten.
5
Aufgrund einer Ende 1999 erneut erfolgten Anfrage seines Cousins habe der Angeklagte "K. " angewiesen, 500 g Kokain von den Niederlanden nach München zu transportieren. Der Transport und die gewinnbringende Veräußerung an H. I. sei weisungsgemäß im Januar 2000 erfolgt.
6
2. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
7
a) Im Februar 1999 kam es zu einem Rauschgiftgeschäft zwischen G. und H. I. auf der einen Seite und Kr. - deren Abnehmer - auf der anderen Seite. Ende 1999 gab es erneut ein Drogengeschäft zwischen H. I. und Kr. .
8
Nicht feststellen konnte das Landgericht, ob die Rauschgiftlieferungen vom pauschal bestreitenden Angeklagten und/oder "K. " aus Holland kamen.
9
b) Der Zeuge H. I. ist wegen seiner Beteiligung an den dem Angeklagten zur Last gelegten Taten seit dem 10. Oktober 2003 rechtskräftig verurteilt. In der Hauptverhandlung hat er sich auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen und keine Angaben gemacht.
10
3. a) Das Landgericht hat seine Bekundungen zu der Tatbeteiligung seines Cousins in der eigenen Hauptverhandlung, bei der polizeilichen und ermittlungsrichterlichen Vernehmung als Zeugen im Verfahren gegen den Angeklagten durch Einvernahme der Verhörspersonen in die Hauptverhandlung eingeführt. Es meinte, Widersprüche in den Aussagen zu sehen, die sich allein durch den Zeitablauf zwischen den Taten und den einzelnen Vernehmungen nicht ohne weiteres erklären ließen. Da die Gewinnung eines persönlichen Eindrucks und Fragestellungen zu den verschiedenen Aussagen nicht möglich gewesen seien, sehe es sich außer Stande, darauf eine Verurteilung zu stützen.
11
b) Die Aussage des Zeugen G. hält das Landgericht nicht für geeignet, die früheren Bekundungen des H. I. zu stützen. Beide hätten zwar im Kernbereich annähernd gleiche Angaben zu Lieferzeit und zu Liefermenge gemacht sowie die Namen Y. I. und "K. " genannt. Es sei aber gut möglich, dass der Polizeibeamte L. dem Zeugen G. bei seiner Beschuldigtenvernehmung die Aussage H. I. vorgehalten und ihm somit dessen Äußerungen über Y. I. und "K. " mitgeteilt habe. Dies sei zu Gunsten des Angeklagten zu unterstellen und würde erklären, dass die Zeugen G. und H. I. den Angeklagten Y. I. übereinstimmend als Lieferanten bzw. Vertragspartner benannt haben. Das sei eine nicht sicher auszuschließende Variante. Auch eine Absprache zwischen G. und H. I. erscheine trotz getrennter Inhaftierung nicht völlig abwegig.

II.

12
Der Freispruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
13
1. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit der Aufklärungsrüge gemäß § 244 Abs. 2 StPO die unterlassene Vernehmung des Zeugen H. I. in der Hauptverhandlung. Diesem habe kein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO zugestanden. Die Rüge greift durch.
14
a) Ihr liegt folgendes Geschehen zugrunde:
15
Nachdem der Zeuge H. I. sich in der Hauptverhandlung auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht berufen hatte, wurde ihm dieses zunächst durch Verfügung des Vorsitzenden und schließlich durch Kammerbeschluss zugestanden. In diesem Beschluss wurde der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Ordnungs- und Zwangsmittel gegen den Zeugen zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Zeuge G. habe bekundet, er vermute, H. I. sei wirklich "groß im Geschäft gewesen" und Y. I. müsse der Chef der ganzen Bande gewesen sein. Da auch der Zeuge Kr. bei seiner Beschuldigtenvernehmung bestätigt habe, H. I. sei "groß im Geschäft gewesen", bestehe der Verdacht, H. I. habe weitere Straftaten begangen, die noch nicht rechtskräftig abgeurteilt seien. Er müsse demnach damit rechnen, dass der Angeklagte seinerseits Angaben nach § 31 BtMG machen würde, die ihn - den Zeugen - belasten würden. Im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts NJW 2002, 1411, 1412 stehe dem Zeugen bei dieser Sachlage ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zu. Zudem gebe es Differenzen zwischen seinen bisherigen richterlichen Aussagen.
16
b) Das Landgericht hat ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht des Zeugen H. I. nicht tragfähig begründet.
17
Das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO kann grundsätzlich nur in dem Umfang greifen, in welchem die Befragung sich auf Vorgänge richtet , die im Verhältnis zu den abgeurteilten Geschehen andere Taten im verfahrensrechtlichen Sinn des § 264 Abs. 1 StPO darstellen würden. Dabei genügt es, wenn der Zeuge über Vorgänge Auskunft geben müsste, die den Verdacht gegen ihn mittelbar begründen, sei es auch nur als Teilstück in einem mosaikartig zusammengesetzten Beweisgebäude (BGH NJW 1999, 1413, 1414; BGHR StPO § 55 Abs. 1 Verfolgung 1). Besteht die konkrete Gefahr, dass er durch eine wahrheitsgemäße Aussage zugleich potentielle Beweismittel gegen sich selbst wegen noch verfolgbarer eigener Delikte liefern müsste, so ist ihm die Erteilung solcher Auskünfte nicht zumutbar (BVerfG NJW 2002, 1411, 1412).
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Eine solche Gefahr der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Zeugen H. I. hat das Landgericht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt dargetan.
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Die pauschalen Bekundungen anderer Zeugen, H. I. sei groß im Rauschgiftgeschäft tätig gewesen, sind keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte im Sinne von § 152 Abs. 2 StPO zur Einleitung weiterer, über die abgeschlossenen hinausgehenden Verfahren.
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Auch die Benennung seines Rauschgiftlieferanten in der Hauptverhandlung begründet keine weitere Gefahr der Strafverfolgung für den Zeugen H. I. , die der Selbstbelastungsfreiheit unterliegt. In der vom Landgericht zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ging es um die erstmalige Preisgabe unbekannter Rauschgiftlieferanten, die nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die Gefahr für den Beschwerdeführer beinhaltete, zu- mindest mittelbare Ansatzpunkte für eine Strafverfolgung wegen von ihm begangener weiterer, nicht abgeurteilter Betäubungsmitteldelikte zu liefern. Im vorliegenden Fall war der Lieferant des Zeugen H. I. aufgrund seiner eigenen Angaben jedenfalls seit dem Jahre 2002 bekannt. Sollte seine erneute Benennung als Rauschgiftlieferanten durch den Zeugen in der Hauptverhandlung den Angeklagten dazu veranlassen, möglicherweise den Zeugen über die bereits bekannten Taten hinausgehend zu belasten, so ist dies vom Schutzzweck der verfassungsrechtlich verbürgten Selbstbelastungsfreiheit nicht umfasst (BVerfG NJW 2003, 3045, 3046).
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Die Gefahr der Strafverfolgung wegen eines Aussagedeliktes hat das Landgericht nicht konkretisiert.
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c) Es ist nicht auszuschließen, dass die Strafkammer zu einer anderen Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten gelangt wäre, wenn sie den Zeugen H. I. in der Hauptverhandlung vernommen hätte, weil sie selbst die fehlende Gewinnung eines persönlichen Eindrucks und die fehlende Möglichkeit von Fragestellungen zur Begründung ihrer Zweifel anführt.
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Schon aufgrund der Verfahrensrüge muss das Urteil aufgehoben werden.
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2. Darüber hinaus hält die Beweiswürdigung der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.
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Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Denn die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt insoweit nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind.
Dass ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr., BGH NStZRR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36 m.w.N.).
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Dem wird die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht gerecht.
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a) Die übereinstimmende Benennung des Angeklagten als Rauschgiftlieferant durch die Zeugen G. und H. I. sowie deren weitere übereinstimmende Angaben im Kernbereich zieht das Landgericht aufgrund abstrakttheoretischer Möglichkeiten, die realer Anknüpfungspunkte entbehren, in Zweifel. Für die Annahme, der Polizeibeamte L. habe dem Zeugen G. die Aussage des H. I. im Rahmen des Vorhalts mitgeteilt und dieser habe sie im Kernbereich übernommen, sowie für das Vorliegen einer Absprache enthält das Urteil keine konkreten Anhaltspunkte. Solche ergeben sich weder aus der Aussage des Polizeibeamten noch aus den dargelegten Angaben der beiden Zeugen, die zum Randgeschehen Ungereimtheiten und Widersprüche aufweisen , wie das Landgericht meint.
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b) Im Übrigen ist der Zweifelssatz nicht auf ein entlastendes Indiz, wie hier geschehen, anzuwenden. Der Grundsatz "in dubio pro reo" ist keine Beweis -, sondern eine Entscheidungsregel, die das Gericht erst dann zu befolgen hat, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung vom Vorliegen einer für den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch unmittelbar entscheidungserhebliche Tatsache zu gewinnen vermag (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 24, 27).
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c) Eine Gesamtschau der Urteilsgründe lässt besorgen, dass das Landgericht an die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung überspannte Anforderungen gestellt hat. Nack Boetticher Hebenstreit Elf Graf

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.