Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Sept. 2013 - V ZB 163/12

bei uns veröffentlicht am18.09.2013
vorgehend
Landgericht Hamburg, 321 O 123/11, 20.06.2012
Hanseatisches Oberlandesgericht, 13 W 33/12, 08.08.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 163/12
vom
18. September 2013
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Brüssel I-VO Art. 22 u. 27
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird nach Art. 267 AEUV folgende
Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Art. 27 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom
22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung
und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
(ABl. EG 2000 Nr. L 12/1) dahin auszulegen, dass das später angerufene Gericht
, das nach Art. 22 EuGVVO ausschließlich zuständig ist, gleichwohl das
Verfahren aussetzen muss, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts
, zu dessen Gunsten keine ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 22
EuGVVO besteht, abschließend geklärt ist?
BGH, Beschluss vom 18. September 2013 - V ZB 163/12 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. September 2013 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richter Dr. Lemke,
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth und die Richterin Dr. Brückner

beschlossen:
Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts - 13. Zivilsenat - vom 8. August 2012 wird ausgesetzt. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird nach Art. 267 AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ist Art. 27 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG 2000 Nr. L 12/1) dahin auszulegen, dass das später angerufene Gericht, das nach Art. 22 EuGVVO ausschließlich zuständig ist, gleichwohl das Verfahren aussetzen muss, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts, zu dessen Gunsten keine ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 22 EuGVVO besteht, abschließend geklärt ist?

Gründe:


I.

1
Die Beklagte ist Eigentümerin eines in Hamburg (Deutschland) belegenen Grundstücks, das mit einer Grundschuld belastet ist, aus der die Klägerin vollstrecken möchte. Mit ihrer seit dem 4. Mai 2011 bei dem Landgericht Hamburg rechtshängigen Klage möchte die Klägerin die Verurteilung der Beklagten erreichen, die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung über 155.000 € nebst Zinsen zu dulden.
2
Bereits am 2. Dezember 2010 hatte die Beklagte bei dem Landgericht Mailand (Italien) eine Klage sowohl gegen die Klägerin als auch gegen die in Italien ansässige P. I. SRL (im Folgenden: SRL) erhoben mit dem Ziel festzustellen, dass die Grundschuld nicht wirksam an die Klägerin abgetreten worden, die zwischen den Parteien geschlossene Sicherungszweckerklärung unwirksam und die Beklagte daher nicht zur Duldung der Zwangsvollstreckung verpflichtet sei. Mit Blick auf die mitverklagte SRL macht sie geltend, sie wolle sich an diesem Unternehmen beteiligen und die Investition mithilfe italienischer Banken finanzieren; die dafür erforderlichen Sicherheiten könne sie nicht aufbringen, wenn die Stellung der Sicherheit zu Gunsten der Klägerin wirksam sei. Mit Urteil vom 8. Mai 2012 verneinte das Landgericht Mailand die Zuständigkeit der italienischen Gerichte. Die gegen die SRL erhobene Klage diene offensichtlich nur dazu, in missbräuchlicher Weise die italienische Gerichtsbarkeit zu beanspruchen. Eine Entscheidung über die gegen das Urteil eingelegte Berufung steht noch aus.
3
In dem vorliegenden Rechtstreit möchte die Beklagte zunächst eine Aussetzung des Verfahrens nach Art. 27 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Ra- tes vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG 2000 Nr. L 12/1; im Folgenden: EuGVVO) wegen anderweitiger Rechtshängigkeit erreichen. Ihr dahingehender Antrag ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beklagte den Aussetzungsantrag weiter.

II.

4
Das Beschwerdegericht verneint die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Rechtsstreits mit der Begründung, der Beklagten gehe es mit der in Italien erhobenen Klage ausschließlich darum, rechtsmissbräuchlich einen Gerichtsstand zu erschleichen, um auf diese Weise die Aussetzung des in Deutschland geführten Rechtsstreits nach Art. 27 EuGVVO zu erreichen. Vor diesem Hintergrund sei bei wertender Betrachtung davon auszugehen, dass sich der vorliegende Rechtstreit weder auf denselben Anspruch noch auf dieselben Parteien wie das in Italien angestrengte Verfahren beziehe. Es stünde im klaren und offenkundigen Widerspruch zum Zweck der EuGVVO, wenn eine Partei die Aussetzung durch Erhebung einer willkürlich konstruierten Klage erreichen könnte, die keinerlei materiellen internationalen Bezug aufweise. Derartige Feststellungen zu treffen, seien die deutschen Gerichte nicht gehindert. Entschieden werde nicht über die Zulässigkeit der in Italien anhängigen Klage - wofür keine Prüfungskompetenz bestehe -, sondern allein über das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 27 EuGVVO.

III.

5
Die Begründetheit der nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaften und nach § 575 ZPO auch im Übrigen zulässigen Rechtsbeschwerde hängt in entscheidungserheblicher Weise von der Beantwortung der im Tenor formulierten Vorlagefrage durch den Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden : Gerichtshof) ab.
6
1. Der Anwendungsbereich der EuGVVO ist eröffnet. Das ergibt sich bereits aus der - sei es auch rechtsmissbräuchlichen - Klageerhebung in zwei Mitgliedstaaten (vgl. EuGH, C-116/02 - Gasser, Slg 2003, I-14693 Rn. 41; JenardBericht , ABl. EG 1979 Nr. C 59/1, S. 8; Stein/Jonas/Wagner, ZPO, 22. Aufl., Art. 27 EuGVVO Rn. 11).
7
2. Die vorliegende Klage und das in Italien geführte Verfahren betreffen denselben Anspruch i.S.v. Art. 27 Abs. 1 EuGVVO. Der Begriff „desselben An- spruchs“ ist im Rahmen der EuGVVO autonom und weit auszulegen, um einan- der widersprechende Urteile i.S.v. Art. 34 Nr. 3 EuGVVO zu vermeiden. Maßgeblich ist, ob der Kernpunkt beider Streitigkeiten derselbe ist. Das ist etwa im Verhältnis zwischen negativer Feststellungs- und entsprechender Leistungsklage der Fall (EuGH, 144/86 - Gubisch, Slg 1987, 4861 = NJW 1989, 665 Rn. 11, 16, 18 f.; C-406/92 - Tatry, Slg 1994, I-5439 = ZIP 1995, 943 Rn. 45, 48; BGH, Urteil vom 8. Februar 1995 - VIII ZR 14/94, NJW 1995, 1758 f.; Urteil vom 11. Dezember 1996 - VIII ZR 154/95, BGHZ 134, 201, 210, jeweils zu Art. 21 EuGVÜ; kritisch Stein/Jonas/Wagner, ZPO, 22. Aufl., Art. 27 EuGVVO Rn. 45).
8
So liegt es auch hier. Die Klage in Italien richtet sich unter anderem auf die Feststellung, dass keine Verpflichtung zur Duldung der Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld bestehe. Mit der vorliegenden Klage soll eben diese Duldung erreicht werden. Dass es im italienischen Verfahren noch um weitere Feststellungen geht, ist für die Identität des Streitgegenstands unerheblich. Kernpunkt ist jeweils die Frage, ob die Klägerin aus der Grundschuld vorgehen darf; jedenfalls ist der Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits voll- ständig vom italienischen Verfahren abgedeckt. Im Übrigen beschränkt sich der Gegenstand der Klage in Italien nicht auf die Einbeziehung der SRL.
9
3. Beide Verfahren sind zwischen identischen Parteien anhängig. Dabei ist die Identität unabhängig von der jeweiligen Parteistellung. Auch ist unschädlich , wenn in einem Verfahren zusätzlich Dritte beteiligt sind. Das hat lediglich zur Folge, dass sich die Rechtsfolgen des Art. 27 EuGVVO auf diejenigen Parteien beschränken, zwischen denen mehrere Verfahren anhängig sind (vgl. EuGH, C-406/92 - Tatry, Slg 1994, I-5439 = ZIP 1995, 943 Rn. 31, 33).
10
4. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts kann von einer Aussetzung nach Art. 27 Abs. 1 EuGVVO zumindest grundsätzlich nicht unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs abgesehen werden. Dies ist durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs bereits hinreichend geklärt.
11
In der Rechtssache Gasser (C-116/02, Slg 2003, I-14693) hat der Gerichtshof festgestellt, dass von der Aussetzungspflicht auch dann nicht abgewichen werden darf, wenn die Verfahrensdauer in dem Mitgliedstaat des Erstgerichts allgemein unvertretbar lang ist. Der Anregung in dem dortigen Verfahren, eine Ausnahme für den Fall zuzulassen, dass eine Klage bösgläubig und mit Blockadeabsicht vor einem unzuständigen Gericht erhoben wird, ist der Gerichtshof nicht gefolgt (aaO, Rn. 63; vgl. auch BGH, Vorlagebeschluss vom 1. Februar 2011 - KZR 8/10, ZIP 2011, 975 Rn. 20). In der Rechtsache Turner (C-159/02, Slg 2004, I-3565 = EWS 2004, 334) hat der Gerichtshof entschieden , einer Partei könne die Betreibung eines Gerichtsverfahrens in einem anderen Vertragsstaat nicht mit der Begründung untersagt werden, mit der Klage werde wider Treu und Glauben der Zweck verfolgt, das Verfahren in einem anderen Mitgliedstaat zu behindern. Die Beurteilung der Angemessenheit der Kla- geerhebung sei den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats grundsätzlich entzogen.
12
5. Durch den Gerichtshof klärungsbedürftig ist jedoch, ob die formale Betrachtungsweise auch dann anzustellen ist, wenn nur das später angerufene Gericht nach Art. 22 EuGVVO ausschließlich zuständig ist.
13
a) Vorliegend besteht zugunsten der deutschen Gerichte der ausschließliche Gerichtsstand der belegenen Sache nach Art. 22 Nr. 1 EuGVVO; für eine ebenfalls bestehende ausschließliche Zuständigkeit (dazu Art. 29 EuGVVO) auch der italienischen Gerichte ist nichts ersichtlich.
14
aa) Unter die - autonom und eng auszulegende - Vorschrift des Art. 22 Nr. 1 EuGVVO fallen u.a. Klagen, die darauf abzielen, Umfang oder Bestand eines dinglichen Rechts an einer unbeweglichen Sache zu bestimmen und den Inhabern dieser Rechte den Schutz der mit ihrer Rechtsstellung verbundenen Vorrechte zu sichern (vgl. Senat, Urteil vom 18. Juli 2008 - V ZR 11/08, NJW 2008, 3502 Rn. 8 ff.; EuGH, C-115/88 - Reichert, Slg 1990, I-27, Rn. 11; C-343/04 - Land Oberösterreich, Slg 2006, I-4557 = EWS 2006, 383 Rn. 30).
15
bb) Diese Voraussetzungen sind bei einer Klage, die auf die Verurteilung zur Duldung der Zwangsvollstreckung aus einer Grundschuld gerichtet ist, nach allgemeiner Meinung erfüllt (Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl., Art. 22 EuGVVO Rn. 90; Kropholler/von Hein, EuZPR, 9. Aufl., Art. 22 EuGVO Rn. 15; Adolphsen, Europäisches Zivilverfahrensrecht, S. 114; Lehmann/Sánchez Lorenzo, IPRax 2007, 190, 194; vgl. auch Thiel/Tschauner in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, Stand: Oktober 2011, Art. 22 EuGVVO Rn. 17; Rauscher/Mankowski, EuZPR/EuIPR (2011), Art. 22 Brüssel I-VO Rn. 7; Stein/Jonas/Wagner, ZPO, 22. Aufl., Art. 22 EuGVVO Rn. 14 f.; Borrás/Hausmann, unalex Kommentar Brüssel I-VO, Art. 22 Rn. 11. - Zur Pfandklage nach § 466 des österreichischen ABGB ebenso: OGH, Beschluss vom 23. November 1999 - 7 Ob 286/99f, veröffentl. unter www.ris.bka.gv.at, S. 3 u., und ZfRV 2008, 77 m. zust. Anm. Pröbsting; Tiefenthaler in Czernich/Tiefenthaler /Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht , 2. Aufl., Art. 22 EuGVO Rn. 14; Mayr, EuZPR, Rn. II/129; Simotta in Fasching/Konecny, Zivilprozeßgesetze , 2. Aufl., Art. 22 Rn. 32, 37, auch für die umgekehrte Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Grundpfandrechts

).

16
Bei der Grundschuld handelt es sich um ein Grundpfandrecht, also ein beschränktes dingliches Recht an einem Grundstück, aufgrund dessen an denjenigen , zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine Geldsumme zu zahlen ist (§ 1191 BGB). Die Grundschuld berechtigt den Gläubiger, sich im Wege der Zwangsvollstreckung aus dem Grundstück zu befriedigen (§ 1192 Abs. 1, § 1147 BGB). Dieser Duldungsanspruch gegen den Grundstückseigentümer stützt sich allein auf das dingliche Recht, nicht hingegen auf eine persönliche Forderung. Mit der Duldungsklage will sich die Klägerin den Schutz der Vorrechte sichern, die mit der Rechtsstellung als Inhaberin der Grundschuld verbunden sind.
17
b) Damit kommt es auf die Frage an, ob die Aussetzungspflicht nach Art. 27 Abs. 1 EuGVVO auch dann gilt, wenn (nur) zugunsten des Zweitgerichts eine ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 22 EuGVVO besteht. Ist die Frage zu bejahen, so ist die Rechtsbeschwerde begründet und das Verfahren in der Hauptsache auszusetzen; ist sie zu verneinen, so ist die Rechtsbeschwerde unbegründet und das Verfahren in der Hauptsache fortzuführen.
18
aa) Die Frage der Aussetzungspflicht bei Bestehen einer ausschließlichen Zuständigkeit nur des Zweitgerichts ist in Rechtsprechung und Literatur ernsthaft umstritten (die Frage verneinend Juzgado de Primera Instancia Madrid , unalex ES-61; Court of Appeal [Civil Division] England and Wales, unalex UK-70; Cour de cassation [Frankreich], unalex FR-92; Schlussantrag GA Léger, C-116/02 - Gasser, Slg 2003, I-14693, Rn. 51 ff. [ebenso die Auffassung der Kommission, wiedergegeben in EuGH, aaO Rn. 36, 40]; Magnus/Mankowski/Fentiman, Brussels I Regulation, 2. Aufl., Introduction to Arts. 27-30 Rn. 57; Simons, unalex Kommentar Brüssel I-VO, Art. 27 Rn. 9 f.; Försterling in Geimer /Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, Stand: Oktober 2011, Art. 27 EuGVVO Rn. 33; Tiefenthaler in Czernich /Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht, 2. Aufl., Art. 27 EuGVO Rn. 14; Dohm, Die Einrede ausländischer Rechtshängigkeit, S. 168 ff., 174; Gaudemet-Tallon, Compétence et exécution des jugements en Europe, 4. Aufl., Rn. 338-1; Bernheim, SJZ 1994, 133, 140; Rauscher/Gutknecht, IPRax 1993, 21, 24; zu Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ in der Fassung des Übereinkommens vom 27. September 1968 [ABl. EG 1972 Nr. L 299/32, S. 36], nach dem sich das Zweitgericht grundsätzlich für unzuständig erklären musste, auch: OLG Köln, NJW 1991, 1427, 1428 [obiter dictum]; Kaye, Civil Jurisdiction and Enforcement of Foreign Judgments, S. 1221 f., 1232; O’Malley/Layton, European Civil Practice, Rn. 23.08; eingeschränkt Droz, Pratique de la Convention des Bruxelles du 27 Septembre 1968, Rn. 115; eine Aussetzungs- pflicht bejahend OLG München, Beschluss vom 16. Februar 2012 – 21 W 1098/11, juris Rn. 18 (14); Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl., Art. 27 EuGVVO Rn. 18; Kropholler/von Hein, EuZPR, 9. Aufl., Art. 27 Rn. 19; Rauscher/Leible, EuZPR/EuIPR (2011), Art. 27 Brüssel I-VO Rn. 16b; Musielak /Stadler, ZPO, 9. Aufl., Art. 27 EuGVVO Rn. 7; Mayr in Fasching/Konecny, Zivilprozeßgesetze, 2. Aufl., Art. 27 EuGVVO Rn. 24 a.E.; Weller in Hess/Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I-Regulation (EC) No 44/2001 (Heidelberg Report), Rn. 356, 403; Carl, Torpedoklagen, S. 193 ff.; McGuire, Verfahrenskoordination, S. 122 ff.; Schmehl, Pa- rallelverfahren, S. 385 ff.; zum EuGVÜ bzw. LugÜ vgl. auch Gothot/Holleaux, La Convention de Bruxelles du 27 Septembre 1968, Rn. 219 ff.; Isenburg-Epple, Die Berücksichtigung ausländischer Rechtshängigkeit nach dem EuGVÜ, S. 87, 89; BaslerKommentar-LugÜ/Mabillard, Art. 27 Rn. 52, 54; Dasser/Oberhammer - Dasser, LugÜ, Art. 21 Rn. 35).
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bb) Der Gerichtshof hat ausdrücklich offen gelassen, ob auch in solchen Fällen nach Art. 16 EuGVÜ (jetzt Art. 22 EuGVVO) der formalen Betrachtungsweise der Vorzug zu geben ist (C-116/02 - Gasser, Slg 2003, I-14693 Rn. 44 f., 52; C351 /89 - Overseas Union Insurance, Slg 1991, I-3317 = NJW 1992, 3221 Rn. 20 f.; ebenso BGH, Urteil vom 8. Februar 1995 - VIII ZR 14/94, NJW 1995, 1758, 1759).
20
cc) Davon abgesehen lassen sich für beide Auffassungen gute Argumente ins Feld führen.
21
(1) In Übereinstimmung mit dem Wortlaut von Art. 27 EuGVVO, der auch bei Bestehen einer ausschließlichen Zuständigkeit keinen Anhaltspunkt für eine einschränkende Auslegung bietet, neigt der Senat zur Bejahung einer Aussetzungspflicht auch in Konstellationen der vorliegenden Art. Hinzu kommt, dass den Prozessparteien durch eine Aussetzung des Zweitprozesses in aller Regel kein unzumutbarer Nachteil entsteht. Durch die Klärung der Zuständigkeitsfrage wird die Erlangung effektiven Rechtsschutzes in der Regel allenfalls verzögert, nicht aber endgültig verhindert (vgl. auch EuGH, C-163/95 - von Horn, Slg 1997, I-5451 = IPRax 1999, 100 Rn. 22 zu intertemporalen Zuständigkeitskonflikten ). Bei paralleler Prozessführung besteht demgegenüber die Gefahr eines positiven Kompetenzkonflikts und damit auch die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen. Dies gilt umso mehr, als die Prüfung, ob eine ausschließliche Zuständigkeit vorliegt, ihrerseits nicht stets eindeutig zu beantworten ist, und damit auch mit guten Gründen über die Frage gestritten werden kann, ob ein Rechtsmissbrauch gegeben ist, wenn eine Klage in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen erhoben wird, für den eine ausschließliche Zuständigkeit in Betracht kommt.
22
(2) Allerdings spricht für die Gegenauffassung, dass die Aussetzungspflicht nach Art. 27 EuGVVO nach ihrem Sinn und Zweck zwar vermeiden soll, dass Gerichtsentscheidungen nach Art. 34 Nr. 3 bzw. 4 EuGVVO wegen widersprechender Entscheidungen zur selben Sache nicht anerkannt werden können (vgl. insoweit EuGH, 144/86 - Gubisch, Slg 1987, 4861 = NJW 1989, 665 Rn. 8; C-116/02 - Gasser, Slg 2003, I-14693 Rn. 41), dieser Zweck aber im Fall einer ausschließlichen Zuständigkeit des Zweitgerichts nach Art. 22 EuGVVO nicht einschlägig ist. Denn eine unter Verkennung dieser ausschließlichen Zuständigkeit ergehende Sachentscheidung des Erstgerichts wäre nach Art. 35 Abs. 1 EuGVVO ohnehin nicht anerkennungsfähig; anders verhält es sich nur bei einer Sachentscheidung unter Verkennung einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 23 EuGVVO. Zudem muss sich das Erstgericht nach Art. 25 EuGVVO von Amts wegen für unzuständig erklären, wenn eine ausschließliche Zuständigkeit des Zweitgerichts nach Art. 22 EuGVVO besteht. Davon kann weder aufgrund Gerichtsstandsvereinbarung noch aufgrund rügeloser Einlassung des Beklagten abgewichen werden (Art. 23 Abs. 5, Art. 24 Satz 2 EuGVVO; vgl. insoweit auch EuGH, C-616/10 - Solvay, EWS 2012, 347 Rn. 44; C-4/03 - GAT, Slg 2006, I6509 = EWS 2006, 382, Rn. 24). Zwar ist die EuGVVO von dem Anliegen getragen , grundsätzlich eine wechselseitige Überprüfung der Zuständigkeit zwischen Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten zu vermeiden (vgl. dazu EuGH, C-351/89 - Overseas Union Insurance, Slg 1991, I-3317 = NJW 1992, 3221 Rn. 24). Indessen setzt die Anwendung der Regelung des Art. 29 EuGVVO, nach der sich das Zweitgericht bei doppelter ausschließlicher Zuständigkeit für unzuständig erklären muss, eine solche Prüfung durch das Zweitgericht ohne- hin voraus. Dasselbe gilt im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckung (Art. 35 Abs. 1, Art. 45 Abs. 1 EuGVVO).
23
6. Auch wenn die Vorlagefrage bereits Teil eines beim Gerichtshof anhängigen Vorabentscheidungsersuchens ist (C-438/12; vgl. OLG München, Beschluss vom 16. Februar 2012 - 21 W 1098/11, juris), erscheint eine erneute Vorlage sachdienlich. Zwar kommt in solchen Fällen eine Aussetzung wegen Vorgreiflichkeit entsprechend § 148 ZPO in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2012 - VIII ZR 13/12, juris Rn. 11 f.; Beschluss vom 30. März 2005 - X ZB 26/04, BGHZ 162, 373, 378; OLG Düsseldorf, NJW 1993, 1661; für eine uneingeschränkte Vorlagepflicht dagegen: Zöller /Greger, ZPO, 29. Aufl., § 148 Rn. 3b).
24
Dagegen spricht hier aber, dass sich die maßgebliche Rechtsfrage in dem beim Gerichtshof bereits anhängigen Verfahren nur unter Bedingungen stellt. Dort ist nämlich zunächst zu klären, ob überhaupt ein Fall doppelter Rechtshängigkeit i.S.v. Art. 27 EuGVVO vorliegt und ob eine ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 22 EuGVVO besteht. Sollte der Gerichtshof auch nur eine dieser Vorfragen verneinen, käme es auf die hier maßgebende Frage nicht mehr an. Bei einer Aussetzung entsprechend § 148 ZPO müsste das vorliegen- de Verfahren erst wieder aufgenommen und sodann zur Vorlage gebracht werden , was die Beantwortung der Frage nur verzögerte. Stresemann Lemke Schmidt-Räntsch Roth Brückner
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 20.06.2012 - 321 O 123/11 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 08.08.2012 - 13 W 33/12 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 575 Frist, Form und Begründung der Rechtsbeschwerde


(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der E

Zivilprozessordnung - ZPO | § 148 Aussetzung bei Vorgreiflichkeit


(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde

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(1) Auf die Grundschuld finden die Vorschriften über die Hypothek entsprechende Anwendung, soweit sich nicht daraus ein anderes ergibt, dass die Grundschuld nicht eine Forderung voraussetzt. (1a) Ist die Grundschuld zur Sicherung eines Anspruchs
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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.

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a) Nach der Rechtsprechung des EuGH zu der insoweit wort- und inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des Art. 16 Nr. 1 lit. a EuGVÜ ist der Begriff „dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen“ im Interesse einer möglichst einheitlichen Rechtsanwendung autonom auszulegen (vgl. nur EuGH IPRax 1991, 45; NVwZ 2006, 1149, 1150). Danach liegt ein dingliches Recht vor, wenn das Recht an der Sache gegen jedermann wirkt, während persönliche Ansprüche nur gegen den jeweiligen Schuldner geltend gemacht werden können (EuGH, NJW 1995, 37; Beschl. v. 5. April 2001, Rs. C-518/99 [Gaillard], Slg. 2001, S. I02771 ).

(1) Ein Grundstück kann in der Weise belastet werden, dass an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück zu zahlen ist (Grundschuld).

(2) Die Belastung kann auch in der Weise erfolgen, dass Zinsen von der Geldsumme sowie andere Nebenleistungen aus dem Grundstück zu entrichten sind.

(1) Auf die Grundschuld finden die Vorschriften über die Hypothek entsprechende Anwendung, soweit sich nicht daraus ein anderes ergibt, dass die Grundschuld nicht eine Forderung voraussetzt.

(1a) Ist die Grundschuld zur Sicherung eines Anspruchs verschafft worden (Sicherungsgrundschuld), können Einreden, die dem Eigentümer auf Grund des Sicherungsvertrags mit dem bisherigen Gläubiger gegen die Grundschuld zustehen oder sich aus dem Sicherungsvertrag ergeben, auch jedem Erwerber der Grundschuld entgegengesetzt werden; § 1157 Satz 2 findet insoweit keine Anwendung. Im Übrigen bleibt § 1157 unberührt.

(2) Für Zinsen der Grundschuld gelten die Vorschriften über die Zinsen einer Hypothekenforderung.

Die Befriedigung des Gläubigers aus dem Grundstück und den Gegenständen, auf die sich die Hypothek erstreckt, erfolgt im Wege der Zwangsvollstreckung.

(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.

11
3. Aufgrund der Entscheidungserheblichkeit der unter Ziffer 1 genannten Frage kann der Senat in dieser Sache unter Beachtung seiner in Art. 267 Abs. 3 AEUV enthaltenen Vorlageverpflichtung keine abschließende Sachentscheidung treffen. Eine Vorlage auch dieses Verfahrens an den Gerichtshof würde jedoch dort nicht zu einer schnelleren Beantwortung der maßgeblichen Rechtsfrage führen (Senatsbeschluss vom 24. Januar 2012 - VIII ZR 236/10, juris Rn. 7 mwN). Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Gerichtshof seinerseits das Verfahren C-359/11 bis nach der Urteilsverkündung in den Rechtssachen C-8/11 und C-92/11 ausgesetzt hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 26/04
vom
30. März 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Aussetzung wegen Parallelverfahren
ZPO § 148; EG Art. 234

a) Der Umstand, daß beim Bundesgerichtshof ein Revisionsverfahren anhängig
ist, in dem über eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, von deren
Beantwortung auch die Entscheidung eines zweiten Rechtsstreits ganz
oder teilweise abhängt, rechtfertigt die Aussetzung der Verhandlung des
zweiten Rechtsstreits grundsätzlich nicht.

b) Es bleibt offen, ob eine solche Aussetzung bis zur Entscheidung des Gerichtshofs
der Europäischen Gemeinschaften über ein die gleiche Rechtsfrage
betreffendes Vorabentscheidungsersuchen erfolgen darf.
BGH, Beschluß vom 30. März 2005 - X ZB 26/04 - OLG Koblenz
LG Bad Kreuznach
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und
die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Dr. Kirchhoff
am 30. März 2005

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluß des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 22. September 2004 aufgehoben.

Gründe:


I. Die Klägerin nimmt die beklagten Landwirte auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung für den Nachbau teils nach Gemeinschaftsrecht , teils nach dem Sortenschutzgesetz geschützter Getreidesorten in den Wirtschaftsjahren 1997/98 bis 1999/2000 in Anspruch.
Das Landgericht hat die Beklagten im wesentlichen antragsgemäß verurteilt.
Das Berufungsgericht hat die Verhandlung bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Verfahren vor dem Bundesgerichtshof mit den Aktenzeichen X ZR 156/03, X ZR 157/03 und X ZR 158/03 ausgesetzt.
Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Klägerin.
II. Die Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
1. Das Berufungsgericht hat die Aussetzung der Verhandlung, der die Beklagten, nicht aber die Klägerin zugestimmt haben, damit begründet, daß der Bundesgerichtshof, bei dem drei Parallelverfahren mit einem vergleichbaren Streitgegenstand anhängig seien, den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften um eine Vorabentscheidung ersucht habe. Bei dieser Sachlage erachte es der Senat gerade auch im Interesse der Parteien (u.a. im Kosteninteresse ) für angemessen, die Verhandlung entsprechend § 148 ZPO auszusetzen , da in den beim Bundesgerichtshof anhängigen Verfahren abschließend über den geltendgemachten Entschädigungsanspruch der Klägerin in gleichgelagerten Fällen entschieden werde.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Nach § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen , daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Die Aus-
setzung der Verhandlung setzt damit Vorgreiflichkeit der in dem anderen Rechtstreit oder dem Verwaltungsverfahren zu treffenden Entscheidung im Sinne einer (zumindest teilweise) präjudiziellen Bedeutung voraus (Baumbach /Lauterbach/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 148 Rdn. 4; Musielak/Stadler, ZPO, 4. Aufl., § 148 Rdn. 5; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 26. Aufl., § 148 Rdn. 3; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 148 Rdn. 5; vgl. auch BGH, Urt. v. 10.7.2003 - VII ZB 32/02, NJW 2003, 3057). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt, da den beim Senat anhängigen anderen Verfahren, an denen die Beklagten nicht beteiligt sind, im Hinblick auf das Streitverfahren allenfalls die Bedeutung eines Musterprozesses zukommt.
Soweit in der Literatur eine Aussetzung bereits dann für möglich gehalten wird, wenn ein rein tatsächlicher Einfluß in Betracht kommt, den Vorgänge in einem anderen Prozeß, wie etwa eine Beweisaufnahme, oder die Entscheidung des anderen Verfahrens auf die Entscheidung in dem zweiten Verfahren ausüben könnten (in diesem Sinne etwa Peters in MünchKomm ZPO, 2. Aufl., § 148 Rdn. 10), kann dem nicht gefolgt werden. § 148 ZPO stellt nicht auf sachliche oder tatsächliche Zusammenhänge zwischen verschiedenen Verfahren , sondern auf die Abhängigkeit vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab. Allein die tatsächliche Möglichkeit eines Einflusses genügt dieser gesetzlichen Voraussetzung nicht und wäre im übrigen auch ein konturenloses Kriterium, das das aus dem Justizgewährleistungsanspruch folgende grundsätzliche Recht der Prozeßparteien auf Entscheidung ihres Rechtsstreits in seinem Kern beeinträchtigen würde.

b) Die Aussetzung der Verhandlung wird aber auch nicht durch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 148 ZPO, wie sie das Berufungsgericht für möglich gehalten hat, gerechtfertigt.
aa) Daß in einem anderen Verfahren über einen gleich oder ähnlich gelagerten Fall nach Art eines Musterprozesses entschieden werden soll, rechtfertigt für sich genommen noch keine Analogie zu der in § 148 ZPO geregelten Fallkonstellation. Denn die Vorschrift dient zwar auch der Prozeßökonomie , indem sie die Gerichte vor der doppelten Befassung mit zumindest teilweise identischem Streitstoff bewahrt (Sen.Beschl. v. 6.4.2004 - X ZR 272/02, GRUR 2004, 710 - Druckmaschinen-Temperierungssystem, für BGHZ 158, 372 vorgesehen; BGH, Beschl. v. 25.3.1998 - VIII ZR 337/97, NJW 1998, 1957; Beschl. v. 17.12.1997 - XII ARZ 32/97, FamRZ 1998, 1023). Darin erschöpft sich der Zweck der Norm jedoch nicht; § 148 ZPO enthält keine allgemeine Ermächtigung, die Verhandlung eines Rechtsstreits zur Abwendung einer vermeidbaren Mehrbelastung des Gerichts auszusetzen. Vielmehr ist die Aussetzung grundsätzlich nur dann eröffnet, wenn die Entscheidung in dem einen Rechtsstreit die Entscheidung des anderen rechtlich beeinflussen kann.
bb) Ist die Verfassungsmäßigkeit eines entscheidungserheblichen Gesetzes Gegenstand einer anhängigen Verfassungsbeschwerde oder Richtervorlage , ist es hiernach zulässig, die Verhandlung in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO auszusetzen, solange sich das erkennende Gericht nicht von der Verfassungswidrigkeit des entscheidungserheblichen Gesetzes überzeugt hat (BGH, Beschl. v. 18.7.2000 - VIII ZR 323/99, RdE 2001, 20; Beschl. v. 25.3.1998 aaO; s. auch BVerfG, NJW 2000, 1484). Denn wird das entscheidungserhebliche Gesetz für nichtig erklärt, wirkt dies erga omnes und beeinflußt damit notwendigerweise das ausgesetzte Verfahren rechtlich.
cc) Ob darüber hinaus Fälle denkbar sind, in denen der rechtlich erhebliche Einfluß des Verfahrens, bis zu dessen Entscheidung ausgesetzt wird, durch einen anderen, über bloße Prozeßwirtschaftlichkeit hinausreichenden Wertungsgesichtspunkt ersetzt werden kann, muß im Streitfall nicht abschlie-
ßend entschieden werden. Es kann auch dahinstehen, ob bei "Massenverfahren" die Unmöglichkeit einer angemessenen Bewältigung der Gesamtheit der Verfahren das Gewicht verfahrenswirtschaftlicher Erwägungen gegebenenfalls so zu erhöhen vermag, daß hierin ein nicht nur quantitativ, sondern qualitativ anderer Wertungsgesichtspunkt als die "normale" Prozeßökonomie hervortritt (s. dazu Stürner, JZ 1978, 499, 501; Musielak/Stadler aaO, § 148 Rdn. 5; Peters aaO, § 148 Rdn. 9; LG Freiburg, NJW 2003, 3424; ablehnend Kähler, NJW 2004, 1132, 1136; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 148 Rdn. 16). Denn die angefochtene Entscheidung läßt keinen Wertungsgesichtspunkt erkennen , der die Aussetzung der Verhandlung tragen könnte.
Die beim Senat anhängigen Verfahren X ZR 156/03, X ZR 157/03 und X ZR 158/03 rechtfertigen die Aussetzung der Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht. Sie betreffen zwar wie der Streitfall die Höhe der angemessenen Entschädigung für den Nachbau. Die bloße Übereinstimmung in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage erlaubt jedoch die Aussetzung jedenfalls dann nicht, wenn sie nicht mit Zustimmung beider Parteien erfolgt. Zwar spricht das Berufungsgericht abschließend bei der Begründung der Zulassung der Rechtsbeschwerde (in Anführungszeichen) auch von Massenverfahren. Daß das Berufungsgericht mit einer schlechthin nicht zu bewältigenden Vielzahl von gleichgelagerten Berufungsverfahren befaßt wäre, läßt seine Entscheidung jedoch nicht erkennen; andere gegebenenfalls relevante Gründe für eine Aussetzung führt es nicht an.
3. Es rechtfertigt die angefochtene Entscheidung auch nicht, daß der Senat in den vom Berufungsgericht genannten Verfahren zwischenzeitlich dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vier Fragen zur Auslegung von Art. 5 Abs. 2, 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 der Kommission über die Ausnahmeregelung gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung (EG)
Nr. 2100/94 des Rates über den gemeinschaftlichen Sortenschutz vom 24. Juli 1995 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2605/98 der Kommission vom 3. Dezember 1998 nach Art. 234 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt hat (jeweils Sen.Beschl. v. 11.10.2004; der Beschluß in der Sache X ZR 156/03 - Nachbauentschädigung - ist in GRUR 2005, 240 veröffentlicht). Denn eine Ermessensentscheidung des Inhalts, die Verhandlung auszusetzen, bis über diese Vorlagen entschieden ist, hat das Berufungsgericht nicht getroffen . Sie kann von dem zur Entscheidung über die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts (im derzeitigen Verfahrensstadium) nicht befugten beschließenden Senat nicht nachgeholt werden. Daher bedarf es keiner Entscheidung, ob das Berufungsgericht berechtigt gewesen wäre, eine solche Aussetzungsentscheidung zu treffen (s. dazu BAG, Beschl. v. 6.11.2002 - 5 AZR 279/01 (A), bei juris ; BPatGE 45, 89 = GRUR 2002, 734), wofür immerhin sprechen könnte, daß die Gemeinschaftsgerichte und die nationalen Gerichte zu loyaler Zusammenarbeit verpflichtet sind (EuGH, GRUR Int. 2001, 333 Rdn. 58 - Masterfoods/HB Ice Cream) und die Erfüllung der Aufgabe des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, nicht als Rechtsmittelgericht in mitgliedstaatlichen Verfahren tätig zu werden, sondern verbindlich über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu entscheiden, durch eine Vielzahl von gleichgelagerten, nichts zu einer Verbreiterung der Entscheidungsgrundlagen beitragenden Vorabentscheidungsersuchen eher beeinträchtigt denn gefördert werden könnte.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Kirchhoff

(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.