Bundesgerichtshof Beschluss, 20. März 2014 - V ZR 149/13

published on 20/03/2014 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 20. März 2014 - V ZR 149/13
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Landgericht Berlin, 18 O 25/11, 13/08/2012
Kammergericht, 24 U 138/12, 06/05/2013

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 149/13
vom
20. März 2014
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. März 2014 durch die
Richter Dr. Lemke und Dr. Roth, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland
und den Richter Dr. Kazele

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Kammergerichts vom 6. Mai 2013 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde , an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 430.658,77 € festgesetzt.

Gründe:

I.

1
Mit notariellem Kaufvertrag vom 19. April 2007 erwarben der Kläger und seine Ehefrau zum Zwecke der Steuerersparnis von der Beklagten eine Eigen- tumswohnung für 154.100 €. Der Wohnungserwerb war durch die von der Be- klagten mit der Kundenakquisition betrauten S.Wirtschaftsberatungsgesellschaft mbH vermittelt worden, die hierfür der Beklagten vereinbarungsgemäß eine Provision von 48.827,61 € in Rechnung stellte.
2
Die auf Rückabwicklung des Kaufvertrages und weiteren Schadensersatz gerichtete Klage aus eigenem und abgetretenem Recht ist vor dem Landgericht erfolgreich gewesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht die Klage abgewiesen. Die Beschwerde des Klägers richtet sich gegen die Nichtzulassung der Revision.

II.

3
Nach Ansicht des Berufungsgerichts stehen dem Kläger keine Schadensersatzansprüche zu. Sie ergäben sich insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt einer sittenwidrigen Kaufpreiserhöhung. Der Kläger habe durch den Verweis auf den von ihm angenommenen Ertragswert der Wohnung von 67.872 € schon keinen aussagekräftigen Wert dargetan. Denn er habe damit keine konkreten, dem Beweis zugänglichen Angaben zu den wertbildenden Faktoren der Wohnung aufgezeigt. Darüber hinaus habe die Beklagte zwei Gutachten über die Bewertung zweier Wohnungen in derselben Wohnanlage vorgelegt. Übertrage man die dortigen Werte auf die Wohnung des Klägers, ergebe sich ein deutlich höherer Verkehrswert. Angesichts dessen hätte es eines besonders substantiierten Vorbringens des Klägers erfordert.

III.

4
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet. Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben. Mit seiner Auffassung, der Kläger habe eine sittenwidrige Überhöhung des Kaufpreises der Wohnung nicht hinreichend dargelegt, überspannt das Berufungsgericht die Anforderungen an die Substantiierung des Klagevortrags und verletzt damit in entscheidungserhebli- cher Weise den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).
5
a) Der Kläger hat mit der Behauptung, die zu einem Kaufpreis von 154.100 € erworbene Wohnung sei im Zeitpunkt des Erwerbs nur 67.872 € wert gewesen, die objektiven Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB dargetan. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vortrag schlüssig und ausreichend substantiiert, wenn die vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht zu begründen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 2. April 2009 - V ZR 177/08, NJWRR 2009, 1236 Rn. 10; Beschluss vom 12. Juni 2008 - V ZR 221/07, WM 2008, 2068 Rn. 6 mwN). Das trifft auf die Behauptung des Klägers zu. War die Wohnung tatsächlich nur 67.872 € wert, bestand ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, welches bei Hinzutreten einer verwerflichen Gesinnung des Begünstigten einen Verstoß gegen die guten Sitten begründet (vgl. Senat, Urteil vom 19. Januar 2001 - V ZR 437/99, BGHZ 146, 298, 301 f.).
6
b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bedurfte es nicht eines „besonders substantiierten“ Vorbringens des Klägers. Kommt es auf den Verkehrswert einer Sache an, ist es grundsätzlich ausreichend, wenn die darlegungspflichtige Partei einen bestimmten Wert behauptet und durch Sachverständigengutachten unter Beweis stellt. Unbeachtlich ist eine solche Behauptung nur dann, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich aufs Geratewohl, gleichsam „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden ist; bei der Annahme eines solchen rechtmissbräuchlichen Verhaltens ist allerdings Zurückhaltung geboten (Senat, Beschluss vom 2. April 2009 - V ZR 177/08, NJW-RR 2009, 1236 Rn. 11 mwN). In der Regel wird nur das Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte den Vorwurf einer Behauptung „ins Blaue hinein“ rechtfertigen können (Senat, Urteil vom 13. Dezember 2002 - V ZR 359/01, NJW-RR 2003, 491).
7
Hieran gemessen überspannt das Berufungsgericht die Anforderungen an das Vorbringen des Klägers. Umstände, die den Schluss zuließen, der von diesem genannte Verkehrswert von 67.872 € sei als unbeachtliche Behauptung aufs Geratewohl zu werten (zu einer solchen Konstellation vgl. BGH, Urteil vom 19. September 2006 - XI ZR 204/04, NJW 2007, 357 Rn. 20 f., insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 169, 109), zeigt das Berufungsgericht nicht auf. Ob sich der Verkehrswert tatsächlich mit der von dem Kläger vorgenommenen überschlägigen Wertberechnung anhand der 14-fachen Jahresnettomiete ermitteln lässt, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Denn seine Berechnung lässt jedenfalls keine Anhaltspunkte für eine jeder tatsächlichen Grundlage entbehrende und damit rechtsmissbräuchliche Behauptung des Klägers erkennen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass er - nicht fernliegend - darauf hingewiesen hat, dass die von der Beklagten gezahlte Vertriebsprovision von fast 1/3 des Kaufpreises einen erheblichen Anhaltspunkt dafür biete, dass das Verhältnis von Kaufpreis zum Wert der Wohnung in wesentlicher Weise zu seinen Ungunsten verschoben sei. Soweit das Berufungsgericht Wertberechnungen auf der Grundlage der von der Beklagten vorgelegten Gutachten vornimmt , trägt dies nicht die Annahme, der Kläger habe den von ihm vorgetragenen Wert der Wohnung ersichtlich aus der Luft gegriffen. Er hat sich mit dem Gutachten des Sachverständigen F. auseinandergesetzt und dargelegt, worin er dessen Fehler sieht. Insbesondere hat er darauf hingewiesen, dass die von dem Sachverständigen vorgenommene Vergleichswertermittlung ausschließlich Wohnungen in derselben Wohnanlage einbeziehe und das Gutachten außerdem solche Verkäufe unberücksichtigt lasse, die - laut Sachverständigem „auf einem deutlich niedrigerem Wertniveau“ - an eine Kapitalgesellschaft erfolgten. Dem Kläger kann auch nicht entgegengehalten werden, dass er sich mit dem von der Beklagten nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz eingereichten Gutachten des Sachverständigen V. im Berufungsverfahren nicht auseinandergesetzt habe. Dies lässt keinen Schluss auf eine rechtsmissbräuchliche Behauptung zum Verkehrswert zu, zumal für den erstinstanzlich erfolgreichen Kläger ersichtlich kein Anlass zu weiterem Vortrag zur strittigen Frage der Sittenwidrigkeit bestand, nachdem auch die Beklagte hierzu im Berufungsverfahren nicht erneut Stellung genommen hatte. Hinzu kommt, dass das Berufungsgericht den Kläger erst in der mündlichen Verhandlung auf den - seiner Ansicht nach - unzureichenden Sachvortrag hingewiesen hat, ohne ihm - wie beantragt - Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
8
c) Da das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft die Durchführung einer Beweisaufnahme über die Höhe des von dem Kläger behaupteten Verkehrswertes unterlassen hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, das ohne Hinzutreten weiterer Umstände den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten erlaubt, bei Grundstückskaufverträgen allerdings grundsätzlich erst ab einer Verkehrswertüber- oder -unterschreitung von 90% vorliegt (Senat, Urteil vom 24. Januar 2014 - V ZR 249/12, juris, zur Veröffentlichung vorgesehen).
9
2. Die weiteren mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachten Zulassungsgründe greifen nicht durch. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen. Lemke Roth Brückner Weinland Kazele
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 13.08.2012 - 18 O 25/11 -
KG Berlin, Entscheidung vom 06.05.2013 - 24 U 138/12 -
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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. (2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen W
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Annotations

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.