Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2017 - VI ZB 37/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:190917BVIZB37.16.0
bei uns veröffentlicht am19.09.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 37/16
vom
19. September 2017
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zu den Pflichten des unzuständigen Gerichts bei Eingang eines fristgebundenen
Schriftsatzes.
BGH, Beschluss vom 19. September 2017 - VI ZB 37/16 - OLG München
LG München I
ECLI:DE:BGH:2017:190917BVIZB37.16.0

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. September 2017 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Wellner, die Richterinnen Dr. Oehler und Dr. Roloff und den Richter Dr. Klein
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Kläger gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 1. Juli 2016 wird auf Kosten der Kläger als unzulässig verworfen. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 160.000 €.

Gründe:


I.

1
Die Kläger nehmen die Beklagten auf Schadenersatz in Anspruch. Das klagabweisende Urteil des Landgerichts wurde ihrem Prozessbevollmächtigten am 18. April 2016 zugestellt. Gegen das Urteil haben die Kläger mit an das Landgericht gerichtetem und dort am 18. Mai 2016 gegen 13.00 Uhr eingegangenem Telefax Berufung eingelegt. Das Landgericht hat die Berufungsschrift nicht unmittelbar weitergeleitet. Am 2. Juni 2016 haben die Kläger mittels Telefax Berufung bei dem Oberlandesgericht eingelegt und die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 1. Juli 2016 hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen, da die Versäumung der Berufungsfrist wegen nicht rechtzeitigem Eingang beim zuständigen Gericht nicht unverschuldet gewesen sei. Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

2
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Auch wenn die Berufung wie hier noch nicht als unzulässig verworfen worden ist, kann gegen den die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagenden Beschluss gemäß § 238 Abs. 2 ZPO, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Rechtsbeschwerde eingelegt werden (BGH, Beschluss vom 17. März 2004 - IV ZB 41/03, VersR 2005, 96). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung oder zur Fortbildung des Rechts auf noch erfordert sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Der angefochtene Beschluss verletzt die Klägerin weder in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) noch in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip ). Er beruht auch nicht auf einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG). Den Klägern wird insbesondere nicht der Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert.
3
1. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Einlegung der Berufung bei dem hierfür unzuständigen (§ 519 Abs. 1 ZPO) Landgericht und die dadurch bedingte Versäumung der Berufungsfrist auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Kläger beruhen, welches diesen gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Mai 2016 - IX ZB 75/15, NJOZ 2016, 1582 Rn. 6 ff.; vom 20. April 2011 - VII ZB 78/09, NJW 2011, 2053 Rn. 9 ff. jeweils mwN). Dies zieht die Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel.
4
2. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht darüber hinaus die Kausalität dieses Verschuldens für die eingetretene Fristversäumung bejaht. Sie ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht deshalb zu verneinen, weil sich das Verschulden des Prozessbevollmächtigten wegen einer nachfolgenden Verletzung von Verfahrensgrundrechten durch das Gericht nicht mehr ausgewirkt hätte.
5
a) Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass ein unzuständiges Gericht, das - wie hier - zuvor mit der Sache befasst gewesen ist, verpflichtet ist, fristgebundene Schriftsätze für das Rechtsmittelverfahren , die bei ihm eingereicht werden, im ordentlichen Geschäftsgang an das zuständige Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Geschieht dies tatsächlich nicht, ist der Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unabhängig davon zu gewähren, auf welchen Gründen die fehlerhafte Einreichung beruht. Mit dem Übergang des Schriftsatzes in die Verantwortungssphäre des zur Weiterleitung verpflichteten Gerichts wirkt sich ein etwaiges Verschulden der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten nicht mehr aus (st. Rspr. seit BVerfGE 93, 99; vgl. etwa Senatsbeschluss vom 22. November 2005 - VI ZB 15/05, AnwBl. 2006, 212; BGH, Beschlüsse vom 27. Juli 2016 - XII ZB 203/15, NJW-RR 2016, 1340 Rn. 12; vom 12. Mai 2016 - IX ZB 75/15, NJOZ 2016, 1582 Rn. 12; vom 28. Juni 2007 - V ZB 187/06, MDR 2007, 1276, 1277; vom 3. Juli 2006 - II ZB 24/05, AnwBl. 2006, 767 jeweils mwN). Dies setzt aber voraus, dass die fristgerechte Weiterleitung des Schriftsatzes im Rahmen des ordentlichen Geschäftsgangs des angegangenen Gerichts möglich und damit zu erwarten gewesen wäre (BGH, Beschlüsse vom 17. August 2011 - XII ZB 50/11, NJW 2011, 3240 Rn. 27; vom 14. Dezember 2005 - IX ZB 138/05, AnwBl. 2006, 213 mwN), was die Partei in ihrem Wiedereinsetzungsgesuch darzulegen und glaubhaft zu machen hat (BGH, Beschlüsse vom 12. Mai 2016 - IX ZB 75/15, NJOZ 2016, 1582 Rn. 13; vom 16. Januar 2014 - XII ZB 571/12, NJW-RR 2014, 699 Rn. 16 jeweils mwN).
6
Zu Maßnahmen außerhalb des ordentlichen Geschäftsgangs besteht dagegen keine Verpflichtung. Die Abgrenzung dessen, was im Rahmen einer fairen Verfahrensgestaltung an richterlicher Fürsorge von Verfassungs wegen geboten ist, kann sich nicht nur am Interesse des Rechtsuchenden an einer möglichst weit gehenden Verfahrenserleichterung orientieren, sondern muss auch berücksichtigen, dass die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung geschützt werden muss (BVerfGK 7, 198, 200; BVerfG NJW 2001, 1343). Daher ist auch ein mit der Sache im vorausgegangenen Rechtszug befasst gewesenes Gericht nicht verpflichtet, die Partei oder ihre Prozessbevollmächtigten innerhalb der Berufungsfrist durch Telefonat oder Telefax von der Einreichung der Berufung beim unzuständigen Gericht zu unterrichten (st. Rspr., vgl. etwa Senatsbeschluss vom 22. November 2005 - VI ZB 15/05, AnwBl. 2006, 212; BGH, Beschlüsse vom 27. Juli 2016 - XII ZB 203/15, NJW-RR 2016, 1340 Rn. 13; vom 13. September 2012 - IX ZB 251/11, NJW 2013, 236 Rn. 10; vom 4. April 2007 - III ZB 109/06, VersR 2008, 511 Rn. 14; BVerfG NJW 2001, 1343). Andernfalls würde den Parteien und ihren Prozessbevollmächtigten die Verantwortung für die Einhaltung der Formalien vollständig abgenommen und den hierfür nicht zuständigen Gerichten übertragen. Damit würden die Anforderungen an die richterliche Fürsorgepflicht überspannt.
7
Aus den von der Rechtsbeschwerde in Bezug genommenen Entscheidungen ergibt sich nichts anderes. Soweit der Bundesgerichtshof ausgesprochen hat, dass ein Gericht, dem die Weiterleitung des fristgebundenen Schrift- satzes im ordnungsgemäßem Geschäftsgang ohne weiteres möglich war, stattdessen auch einen Hinweis an die Partei oder ihren Prozessbevollmächtigten erteilen kann (BGH, Beschluss vom 20. April 2011 - VII ZB 78/09, NJW 2011, 2053 Rn. 14), kann die Beschwerde daraus nichts herleiten. Denn daraus ergibt sich weder die Verpflichtung des Gerichts, einen Hinweis zu erteilen, noch eine Pflicht, außerhalb des ordnungsgemäßen Geschäftsgangs Maßnahmen zur Fristwahrung zu ergreifen. Aus dem gleichen Grund stellt die angefochtene Entscheidung auch gemessen an dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14. Dezember 2010 (VIII ZB 20/09, NJW 2011, 683 Rn. 14) keine strengeren Anforderungen an die Gewährung von Wiedereinsetzung als die höchstrichterliche Rechtsprechung. Denn auch in dieser, zudem einen Ausnahmefall betreffenden , Entscheidung wäre - anders als im Streitfall - eine Weiterleitung der Berufungsschrift an das zuständige Gericht im ordnungsgemäßen Geschäftsgang noch ohne weiteres möglich gewesen.
8
b) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts konnten die Kläger hier nicht erwarten, dass die am 18. Mai 2016 - dem letzten Tag der Berufungsfrist - gegen 13.00 Uhr bei der Geschäftsstelle des Landgerichts eingegangene Berufungsschrift bei einer Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang noch am selben Tag das Berufungsgericht erreichen werde.
9
c) Da die Frage, ob ein Gericht, das auf Grund seiner Fürsorgepflicht einen fristgebundenen Schriftsatz an das zuständige Gericht weiterzuleiten hat, verpflichtet ist, der Partei einen entsprechenden Hinweis zu erteilen, durch die dargestellte höchstrichterliche und verfassungsgerichtliche Rechtsprechung bereits geklärt ist, kommt ihr entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch keine grundsätzliche Bedeutung zu (BGH, Beschluss vom 19. Juli 2016 - II ZB 3/16, NJW-RR 2016, 1529 Rn. 16 ff. mwN).
Galke Wellner Oehler
Roloff Klein

Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 11.04.2016 - 9 O 17578/12 -
OLG München, Entscheidung vom 01.07.2016 - 1 U 2428/16 -

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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 41/03
vom
17. März 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Auch wenn der Prozeßbevollmächtigte die von seiner Angestellten in den Fristenkalender
eingetragene Frist überprüft hat, befreit ihn dies nicht davon, im
Rahmen seiner Vorbereitung einer Prozeßhandlung die Einhaltung der für
diese vorgeschriebenen Frist nachzuprüfen.
BGH, Beschluß vom 17. März 2004 - IV ZB 41/03 - LG Gera
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno und die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt
und Felsch
am 17. März 2004

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen die Beschlüsse der 6. Zivilkammer des Landgerichts Gera vom 6. und 29. Oktober 2003 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Streitwert: 3.855 €

Gründe:


I. Die Klägerin begehrt Wiedereinsetzung in den vo rigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung ihrer Berufung.
Ihrem Prozeßbevollmächtigten wurde am 25. April 20 03 das klageabweisende Urteil des Amtsgerichts zugestellt. Auf dessen Vorderseite vermerkte die Büroangestellte zutreffend den 26. Mai 2003 als letzten Tag der Berufungsfrist sowie den 25. Juni 2003 als letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist und trug diese Daten auch in den Fristenkalender der Kanzlei ein. Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin überprüfte die eingetragenen Fristen, als ihm die Akte am 12. Mai 2003 vorgelegt wur-

de, und legte rechtzeitig Berufung ein. Als die Angestellte die Mitteilung des Landgerichts erhielt, daß die Berufung dort am 26. Mai 2003 eingegangen sei, notierte sie den 26. Juni 2003 als Datum des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender und strich den 25. Juni 2003 aus. Sie hat an Eides Statt versichert, dieses Versehen sei ihr unerklärlich ; sie sei über die Änderung der Berufungsbegrün dungsfrist durch das am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des Zivilprozesses unterrichtet gewesen, wie ihre ursprüngliche Eintragung auf der Ausfertigung des amtsgerichtlichen Urteils zeige. Am 18. Juni 2003 legte die Angestellte die Akte dem Prozeßbevollmächtigten mit einem außen angebrachten Zettel in DIN-A-6 Größe vor, auf dem als Tag des Fristablaufs der 26. Juni 2003 angegeben war. Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hat eidesstattlich versichert, er habe sich auf diese Angabe verlassen , als er am 25. Juni 2003 die Berufungsbegründung diktiert habe, weil die Fristberechnung von ihm bereits vor Einlegung der Berufung überprüft und für richtig befunden worden war. Die Berufungsbegründung wurde am 26. Juni 2003 unterschrieben und ging am gleichen Tag per Telefax beim Landgericht ein.
Am 10. Juli 2003 erhielt der Prozeßbevollmächtigte den Hinweis des Landgerichts, daß die Frist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gewahrt sei. Am 18. Juli 2003 ging beim Landgericht der Antrag auf Wiedereinsetzung ein. Mit Beschluß vom 6. Oktober 2003 hat das Landgericht den Antrag zurückgewiesen, da die Versäumung der Prozeßhandlung auf einem der Klägerin gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbaren eigenen Verschulden des Prozeßbevollmächtigten beruhe. Dieser habe nicht durch geeignete organisatorische Maßnahmen Sorge dafür getragen , daß eine Büroangestellte nicht eigenmächtig die im Fristenkalender

notierten Daten ändere. Jedenfalls habe er nach Vorlage der Akte zum Zweck der Berufungsbegründung den Ablauf der Frist selbst nachrechnen müssen. Die als Gegenvorstellung zu wertende Beschwerde der Klägerin hat das Landgericht mit Beschluß vom 29. Oktober 2003 als unzulässig verworfen. Darin wird hervorgehoben, dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin sei nicht nur zuzumuten, sondern im Rahmen seiner Berufungsbegründung auch ohne weiteres möglich gewesen, noch einmal den Fristablauf anhand des Eingangsstempels auf dem angefochtenen Urteil zu kontrollieren.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit der am 6. Nov ember 2003 beim Bundesgerichtshof eingegangenen Rechtsbeschwerde.
II. Das Rechtsmittel ist statthaft. Auch wenn die Berufung wie hier noch nicht als unzulässig verworfen worden ist, kann gegen den die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagenden Beschluß gemäß §§ 238 Abs. 2, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Rechtsbeschwerde eingelegt werden (BGHZ 152, 195, 197 f.). Deren formelle Voraussetzungen (§ 575 ZPO) sind eingehalten. Die Rechtsbeschwerde ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und auch wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung zulässig (§ 574 Abs. 2). Sie bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
Der Beschwerdeführer macht im wesentlichen geltend , zwar sei ein Rechtsanwalt nach ständiger Rechtsprechung verpflichtet, den Fristablauf selbst nachzuprüfen, wenn ihm die Sache zur Vorbereitung einer fristgebundenen Prozeßhandlung vorgelegt wird (BGH, Beschluß vom

13. November 1975 - III ZB 18/75 - NJW 1976, 627, 628; Beschluß vom 11. Februar 1992 - VI ZB 2/92 - NJW 1992, 1632; Beschluß vom 5. Februar 2003 - VIII ZB 115/02 - NJW 2003, 1815 unter II 2). Nicht geklärt sei indessen, ob diese Prüfung notwendig in engem zeitlichen Zusammenhang mit der fristgebundenen Prozeßhandlung und insbesondere auch dann erfolgen müsse, wenn der Prozeßbevollmächtigte wie im vorliegenden Fall die korrekte Eintragung des Ablaufs der für die Prozeßhandlung maßgebenden Frist in den Kalender der Kanzlei bereits zu einem früheren Zeitpunkt überprüft habe. Eine doppelte Prüfung könne von ihm ebenso wenig erwartet werden wie die doppelte Führung von Fristenkalendern (dazu BGH, Beschluß vom 29. Juni 2000 - VII ZB 5/00 - NJW 2000, 3006 unter II 2 a).
Dem ist nicht zu folgen. Die Pflicht des Prozeßbev ollmächtigten, den Fristablauf bei der Vorbereitung einer fristgebundenen Prozeßhandlung selbständig zu prüfen, beruht darauf, daß die sorgfältige Vorbereitung der Prozeßhandlung stets auch die Prüfung aller gesetzlichen Anforderungen an ihre Zulässigkeit einschließt. Diese Aufgabe ist von der Fristberechnung und Fristkontrolle zu unterscheiden, die lediglich der rechtzeitigen Vorlage der Akten zum Zweck ihrer Bearbeitung durch den Rechtsanwalt dienen. Nur insoweit kann sich der Rechtsanwalt von der routinemäßigen Fristenüberwachung entlasten (BGH, Beschluß vom 13. November 1975 aaO). Anders als bei der doppelten Führung von Fristenkalendern geht es hier um unterschiedliche Aufgaben des von den Angestellten geführten Fristenkalenders einerseits und der Pflicht des Prozeßbevollmächtigten selbst zur Vorbereitung der Prozeßhandlung andererseits. Hat der Prozeßbevollmächtigte - wie er hier vorträgt - die von seiner Angestellten in den Fristenkalender eingetragene Frist über-

prüft, obwohl dies von der Aufgabenstellung her an sich nicht erforderlich gewesen wäre, befreit ihn dies nicht davon, im Rahmen seiner Vorbereitung einer Prozeßhandlung die Einhaltung der für diese vorgeschriebenen Frist nochmals zu überprüfen. Zwar muß die Prozeßhandlung nicht in einem Zuge und zeitnah mit dem Ablauf einer für sie geltenden Frist vorbereitet werden. Das ändert aber nichts an der Eigenverantwortung des Rechtsanwalts für die Richtigkeit und die Einhaltung der etwa von ihm zu einem früheren Zeitpunkt bereits berechneten Frist.
Die Rechtsbeschwerde war daher zurückzuweisen. Auf die Frage, ob der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin durch besondere Maßnahmen Vorsorge dafür getroffen hatte, daß eine im Fristenkalender notierte, von ihm überprüfte Frist nicht von der Angestellten eigenmächtig verändert wurde, kommt es nicht mehr an.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Wendt Felsch

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

6
a) Mit Recht hat das Berufungsgericht dem Beklagten eine Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist versagt, weil die Fristversäumnis auf einem dem Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten beruht.
9
c) Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat der Beklagten zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist versagt, weil sich das ihr zuzurechnende Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten im Hinblick auf die fehlerhafte Vorgehensweise des zunächst angerufenen Rechtsmittelgerichts nicht mehr ausgewirkt hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 15/05
vom
22. November 2005
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. November 2005 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen sowie
die Richter Stöhr und Zoll

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 3. Februar 2005 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 82.596 €.

Gründe:

I.

1
Der Kläger hat gegen das am 23. September 2004 zugestellte Urteil des Landgerichts München I vom 8. September 2004 am 25. Oktober 2004 Berufung eingelegt. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23. November 2004 bat er um Fristverlängerung zur Berufungsbegründung bis zum 23. Dezember 2004. Der Schriftsatz war an das Landgericht München I zur Geschäftsnummer des erstinstanzlichen Verfahrens gerichtet und ging dort per Fax am 23. November 2004 ein. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle leitete den Fristverlängerungsantrag am selben Tag an das Oberlandesgericht München weiter. Dort ging das Schriftstück am 24. November 2004 ein. Am 26. November 2004 wurde der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist wegen verspäteter Antragsstellung zurückgewiesen.
2
Mit einem am 9. Dezember 2004 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz stellte der Kläger einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und begründete gleichzeitig seine Berufung. Das Berufungsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Die Frist zur Begründung der Berufung sei am 23. November 2004 abgelaufen. Eine Fristverlängerung habe nicht mehr gewährt werden können, weil der Antrag beim Oberlandesgericht erst nach Fristablauf eingegangen sei. Der Antrag auf Wiedereinsetzung sei als unbegründet zurückzuweisen gewesen, weil der Kläger nicht ohne sein Verschulden gehindert gewesen sei, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten (§ 233 ZPO). Ohne Auswirkung auf das Verschulden des Klägers sei es, dass der beim Landgericht eingegangene Fristverlängerungsantrag mit normaler Gerichtspost weitergeleitet und demgemäß erst am nächsten Tag beim zuständigen Oberlandesgericht eingegangen sei. Die Geschäftsstelle des Landgerichts sei nicht verpflichtet gewesen, für den Kläger eilige, ggf. telefonische Vorabklärungen durchzuführen und den Antrag per Telefax an das Oberlandesgericht weiterzuleiten.
3
Gegen diesen Beschluss hat der Kläger fristgemäß Rechtsbeschwerde eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist begründet.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthaft und auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 575 Abs. 1, 2, 238 Abs.2 Satz 1 ZPO). Sie ist aber nicht zulässig, weil es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Entge- gen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Dem Berufungsgericht ist weder ein Rechtsfehler von symptomatischer Bedeutung unterlaufen noch verletzt die angefochtene Entscheidung den Kläger in seinem Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip).
5
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass ein unzuständiges Gericht, das - wie hier - vorher mit der Sache befasst gewesen ist, verpflichtet ist, fristgebundene Schriftsätze für das Rechtsmittelverfahren, die bei ihm eingereicht werden, im ordentlichen Geschäftsgang an das zuständige Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Geschieht dies tatsächlich nicht, ist der Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unabhängig davon zu gewähren, auf welchen Gründen die fehlerhafte Einreichung beruht. Mit dem Übergang des Schriftsatzes in die Verantwortungssphäre des zur Weiterleitung verpflichteten Gerichts wirkt sich ein etwaiges Verschulden der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten nicht mehr aus (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Januar 2003 - VI ZB 29/02 - juris; BGH, Urteil vom 1. Dezember 1997 - II ZR 85/97 - VersR 1998, 608, 609; Beschlüsse vom 3. September 1998 - IX ZB 46/98 - VersR 1999, 1170, 1171; vom 27. Juli 2000 - III ZB 28/00 - NJW-RR 2000, 1730, 1731; vom 26. Oktober 2000 - V ZB 32/00 - juris; vgl. auch BVerfGE 93, 99, 114 f.). Zu Maßnahmen außerhalb des ordentlichen Geschäftsgangs besteht dagegen keine Verpflichtung. Insbesondere ist auch ein mit der Sache im vorausgegangenen Rechtszug befasst gewesenes Gericht nicht verpflichtet, die Partei oder ihre Prozessbevollmächtigten innerhalb der Berufungsfrist durch Telefonat oder Telefax von der Einreichung der Berufung beim unzuständigen Gericht zu unterrichten (vgl. BVerfG, NJW 2001, 1343; Senatsbeschluss vom 28. Januar 2003 - VI ZB 29/02 - aaO; BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2000 - V ZB 32/00 - aaO; BAG, NJW 1998, 923, 924; BFH, BFH/NV 2005, 563, 564).
Andernfalls würde den Parteien und ihren Prozessbevollmächtigten die Verantwortung für die Einhaltung der Formalien vollständig abgenommen und den hierfür nicht zuständigen Gerichten übertragen. Damit würden die Anforderungen an die richterliche Fürsorgepflicht überspannt.
6
Nach diesen Grundsätzen ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden, weil der beim unzuständigen Gericht eingegangene Fristverlängerungsantrag im ordentlichen Geschäftsgang sofort weitergeleitet worden ist, allerdings beim Berufungsgericht nicht mehr innerhalb der Frist eingehen konnte.

III.

7
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 08.09.2004 - 9 O 17682/02 -
OLG München, Entscheidung vom 03.02.2005 - 1 U 5086/04 -
12
Geht eine fristgebundene Rechtsmittelbegründung statt beim Rechtsmittelgericht bei dem erstinstanzlichen Gericht ein, ist dieses grundsätzlich verpflichtet , den Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten (Senatsbeschlüsse vom 16. Januar 2014 – XII ZB 571/12 – FamRZ 2014, 550 Rn. 14; vom 23. Mai 2012 – XII ZB 375/11 – FamRZ 2012, 1205 Rn. 26 und vom 15. Juni 2011 – XII ZB 468/10 – FamRZ 2011, 1389 Rn. 12). Dies folgt aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch des Rechtsu- chenden auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip ). Geht der Schriftsatz so zeitig ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, darf die Partei darauf vertrauen, dass der Schriftsatz noch rechtzeitig beim Rechtsmittelgericht eingeht. Geschieht dies tatsächlich nicht, wirkt sich das Verschulden der Partei oder ihrer Verfahrensbevollmächtigten nicht mehr aus, so dass ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (Senatsbeschluss vom 23. Mai 2012 – XII ZB 375/11 – FamRZ 2012, 1205 Rn. 23 und BGH Beschluss vom 6. November 2008 – IX ZB 208/06 – FamRZ 2009, 320 Rn. 7 mwN).
6
a) Mit Recht hat das Berufungsgericht dem Beklagten eine Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist versagt, weil die Fristversäumnis auf einem dem Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten beruht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 187/06
vom
28. Juni 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ist ein für das Rechtsmittelgericht bestimmter fristgebundener Schriftsatz bei
dem mit der Sache befassten erstinstanzlichen Gericht eingereicht worden, darf
der Rechtsanwalt auf dessen Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang auch
dann vertrauen, wenn er seinen Fehler noch rechtzeitig vor Fristablauf bemerkt.
BGH, Beschl. v. 28. Juni 2007 - V ZB 187/06 - OLG Dresden
LGChemnitz
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 28. Juni 2007 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin Dr.
Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 30. Oktober 2006 aufgehoben. Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt. Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 49.143,66 €.

Gründe:

I.

1
Die Beklagte ist durch ein am 2. Dezember 2005 verkündetes Urteil des Landgerichts zur Zahlung verurteilt worden. Mit einem an das Landgericht gerichteten Schriftsatz vom 24. April 2006 legte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten gegen das noch nicht zugestellte Urteil Berufung ein und beantragte zugleich, ihm das Urteil kurzfristig zu übermitteln. Dies geschah am 2. Mai 2006. Den Schriftsatz vom 24. April 2006 leitete das Landgericht nicht an das Oberlandesgericht weiter.
2
Am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist fragte ein Mitarbeiter des Prozessbevollmächtigten der Beklagten bei dem Oberlandesgericht nach dem dortigen Aktenzeichen und erhielt die Mitteilung, dass eine Berufung in dieser Sache nicht registriert sei. Die Beklagte hat ihre rechtzeitig eingegangene Berufungsbegründung mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Berufungsfrist verbunden.
3
Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.

4
Das Berufungsgericht meint, die Beklagte könne sich nicht darauf berufen , dass das Landgericht verpflichtet gewesen sei, die Berufungsschrift an das Oberlandesgericht zu senden. Zwar müsse ein zuvor mit dem Verfahren befasstes Gericht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Rechtsmittelschrift an das zuständige Gericht weiterleiten. Hier gelte aber etwas anderes, weil der Schriftsatz vom 24. April 2006 inhaltlich nicht nur für das Oberlandesgericht, sondern auch für das Landgericht bestimmt gewesen sei. Zudem habe der Prozessbevollmächtigte der Beklagten anlässlich der Zustellung des Urteils am 2. Mai 2006 die falsche Adressierung der Berufungsschrift bemerken und die rechtzeitige Berufungseinlegung sicherstellen können. Er habe auch damit rechnen müssen, dass das Landgericht den Schriftsatz vom 24. April 2006 durch die Urteilszustellung als beantwortet ansehen und ihn deshalb nicht an das Oberlandesgericht weiterleiten würde. Der Prozessbevollmächtigte sei deshalb gehalten gewesen, innerhalb der bis zum 2. Juni 2006 laufenden Berufungsfrist bei dem Oberlandesgericht nachzufragen , ob der Schriftsatz dort eingegangen sei. Da er dies unterlassen habe, sei die Berufungsfrist nicht ohne Verschulden der Beklagten versäumt worden.

III.

5
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) und auch zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts , weil das Berufungsgericht die Anforderung an das, was eine Partei veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, überspannt und dadurch den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt hat (vgl. Senat, BGHZ 151, 221, 226).
6
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
7
a) Das Berufungsgericht geht zwar zutreffend davon aus, dass die Beklagte die Berufungsfrist (§ 517 ZPO) versäumt hat, weil die Einreichung einer Rechtsmittelschrift bei einem unzuständigen Gericht nicht fristwahrend wirkt und der Schriftsatz vom 24. April 2006 nicht innerhalb eines Monats seit Zustellung des erstinstanzlichen Urteils an das Oberlandesgericht gelangt ist.
8
b) Der Beklagten ist auf ihren rechtzeitigen Antrag hin jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§§ 233, 234 ZPO).
9
aa) Nach der auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zurückgehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Rechtssuchender darauf vertrauen, dass ein mit der Sache bereits befasstes Gericht einen bei ihm eingereichten, aber für das Rechtsmittelgericht bestimmten Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang dorthin weiterleiten wird. Geht der Schriftsatz dabei so zeitig ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, darf die Partei auch darauf vertrauen, dass er noch fristgerecht bei dem Rechtsmittelgericht eingeht. Geschieht dies tatsächlich nicht, ist der Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unabhängig davon zu gewähren , auf welchen Gründen die fehlerhafte Einreichung beruht (vgl. BVerfGE 93, 99, 115; BGH, Beschl. v. 1. Dezember 1997, II ZR 85/97, NJW 1998, 908; Beschl. v. 3. September 1998, IX ZB 46/98, VersR 1999, 1170, 1171; Beschl. v. 27. Juli 2000, III ZB 28/00, NJW-RR 2000, 1730, 1731; Beschl. v. 6. Juni 2005, II ZB 9/04, NJW-RR 2005, 1373; Beschl. v. 3. Juli 2006, II ZB 24/05, NJW 2006, 3499). Hiernach durfte die Beklagte darauf vertrauen, dass ihre mehr als fünf Wochen vor Ablauf der Berufungsfrist bei dem Landgericht eingereichte Berufungsschrift an das Oberlandesgericht weitergeleitet werden und dort rechtzeitig eingehen würde.
10
bb) Die von dem Berufungsgericht hervorgehobenen Besonderheiten des Sachverhalts rechtfertigen keine Abweichung von diesem Grundsatz.
11
(1) Die Verpflichtung des Landgerichts, den Schriftsatz vom 24. April 2006 an das Oberlandesgericht weiterzuleiten, entfiel entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht deshalb, weil dieser neben der Berufungseinlegung auch den - zutreffenderweise - an das Landgericht gerichteten Antrag enthielt, das erstinstanzliche Urteil zu übermitteln. Zwar durfte und musste sich das Landgericht zunächst mit dem in seinen Zuständigkeitsbereich fallenden Antrag befassen. Da dieser in der Sache aber nur eine Erinnerung an die Zustellung des verkündeten Urteils enthielt, also nichts erforderlich machte, was nicht ohnehin von Amts wegen zu geschehen hatte (§ 317 Abs. 1 Satz 1 ZPO), hätte das Landgericht feststellen müssen, dass der Antrag die Weiterleitung des Schriftsatzes an das Oberlandesgericht nicht hinderte. Aus diesem Grund und weil die Einlegung der Berufung - auch der äußeren Gestaltung nach - erkennbar das Hauptanliegen des Schriftsatzes war, musste der Prozessbevollmächtigte der Beklagten auch nicht damit rechnen, dass das Landgericht den Schriftsatz durch die nachfolgende Zustellung des erstinstanzlichen Urteils als beantwortet ansehen würde.
12
Die Weiterleitung an das Oberlandesgericht durfte, anders als das Berufungsgericht meint, nicht deshalb unterbleiben, weil der Schriftsatz, da er inhaltlich auch für das Landgericht bestimmt war, in die Akte des Landgerichts gehörte. Der Schriftsatz hätte seine Eigenschaft als Aktenbestandteil nicht dadurch verloren, dass er an das Oberlandesgericht weitergereicht worden wäre, dieses anschließend die Akten des Landgerichts angefordert und den Schriftsatz dann in diese oder in einen neu anzulegenden Aktenband eingeheftet hätte.
13
(2) Ob der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die falsche Adressierung der Berufungsschrift anlässlich der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils erkennen konnte oder tatsächlich erkannt hat, ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unerheblich. Es trifft nicht zu, dass die Verpflichtung eines Gerichts, eine Rechtsmittelschrift an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten, nur dann zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand führt, wenn die falsche Adressierung bis zum Fristablauf unbemerkt bleibt. Der Rechtssuchende darf darauf vertrauen, dass das mit der Sache befasst gewesene Gericht den bei ihm eingegangenen, aber für das Rechtsmittelgericht bestimmten Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang dorthin weiterleiten wird (BVerfGE 93, 99, 115). Wer darauf vertrauen darf, dass sein Fehler korrigiert wird, darf dies auch und gerade dann tun, wenn er seinen Fehler bemerkt. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass es, wenn eine fristgerechte Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang erwartet werden konnte, ohne Bedeutung ist, ob die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter die falsche Adressierung der Rechtsmittelschrift noch rechtzeitig bemerkt hat und daher selbst in der Lage war, durch Einreichung einer neuen fehlerfreien Berufungsschrift die Frist auch auf anderem Weg zu wahren (Beschl. v. 1. Dezember 1997, II ZR 85/97, NJW 1998, 908, 909). Krüger Klein Stresemann Czub Roth
Vorinstanzen:
LG Chemnitz, Entscheidung vom 02.12.2005 - 5 O 4791/04 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 30.10.2006 - 10 U 1270/06 -
27
Weitere Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung ist, dass die bei einer Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang verbleibende Zeit für die Fristwahrung ausreichend ist.
6
a) Mit Recht hat das Berufungsgericht dem Beklagten eine Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist versagt, weil die Fristversäumnis auf einem dem Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten beruht.
16
Unterbleibt die gebotene Weiterleitung der Beschwerdeschrift an das Amtsgericht, ist weitere Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung, dass die bei einer Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang verbleibende Zeit für die Fristwahrung ausreichend gewesen wäre (Senatsbeschluss vom 17. August 2011 - XII ZB 50/11 - FamRZ 2011, 1649 Rn. 27). Dies hat grundsätzlich der die Wiedereinsetzung begehrende Beteiligte darzulegen und glaubhaft zu machen (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Mai 2012 - XII ZB 375/11 - FamRZ 2012, 1205 Rn. 29 mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 15/05
vom
22. November 2005
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. November 2005 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen sowie
die Richter Stöhr und Zoll

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 3. Februar 2005 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 82.596 €.

Gründe:

I.

1
Der Kläger hat gegen das am 23. September 2004 zugestellte Urteil des Landgerichts München I vom 8. September 2004 am 25. Oktober 2004 Berufung eingelegt. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23. November 2004 bat er um Fristverlängerung zur Berufungsbegründung bis zum 23. Dezember 2004. Der Schriftsatz war an das Landgericht München I zur Geschäftsnummer des erstinstanzlichen Verfahrens gerichtet und ging dort per Fax am 23. November 2004 ein. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle leitete den Fristverlängerungsantrag am selben Tag an das Oberlandesgericht München weiter. Dort ging das Schriftstück am 24. November 2004 ein. Am 26. November 2004 wurde der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist wegen verspäteter Antragsstellung zurückgewiesen.
2
Mit einem am 9. Dezember 2004 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz stellte der Kläger einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und begründete gleichzeitig seine Berufung. Das Berufungsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Die Frist zur Begründung der Berufung sei am 23. November 2004 abgelaufen. Eine Fristverlängerung habe nicht mehr gewährt werden können, weil der Antrag beim Oberlandesgericht erst nach Fristablauf eingegangen sei. Der Antrag auf Wiedereinsetzung sei als unbegründet zurückzuweisen gewesen, weil der Kläger nicht ohne sein Verschulden gehindert gewesen sei, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten (§ 233 ZPO). Ohne Auswirkung auf das Verschulden des Klägers sei es, dass der beim Landgericht eingegangene Fristverlängerungsantrag mit normaler Gerichtspost weitergeleitet und demgemäß erst am nächsten Tag beim zuständigen Oberlandesgericht eingegangen sei. Die Geschäftsstelle des Landgerichts sei nicht verpflichtet gewesen, für den Kläger eilige, ggf. telefonische Vorabklärungen durchzuführen und den Antrag per Telefax an das Oberlandesgericht weiterzuleiten.
3
Gegen diesen Beschluss hat der Kläger fristgemäß Rechtsbeschwerde eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist begründet.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthaft und auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 575 Abs. 1, 2, 238 Abs.2 Satz 1 ZPO). Sie ist aber nicht zulässig, weil es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Entge- gen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Dem Berufungsgericht ist weder ein Rechtsfehler von symptomatischer Bedeutung unterlaufen noch verletzt die angefochtene Entscheidung den Kläger in seinem Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip).
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In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass ein unzuständiges Gericht, das - wie hier - vorher mit der Sache befasst gewesen ist, verpflichtet ist, fristgebundene Schriftsätze für das Rechtsmittelverfahren, die bei ihm eingereicht werden, im ordentlichen Geschäftsgang an das zuständige Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Geschieht dies tatsächlich nicht, ist der Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unabhängig davon zu gewähren, auf welchen Gründen die fehlerhafte Einreichung beruht. Mit dem Übergang des Schriftsatzes in die Verantwortungssphäre des zur Weiterleitung verpflichteten Gerichts wirkt sich ein etwaiges Verschulden der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten nicht mehr aus (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Januar 2003 - VI ZB 29/02 - juris; BGH, Urteil vom 1. Dezember 1997 - II ZR 85/97 - VersR 1998, 608, 609; Beschlüsse vom 3. September 1998 - IX ZB 46/98 - VersR 1999, 1170, 1171; vom 27. Juli 2000 - III ZB 28/00 - NJW-RR 2000, 1730, 1731; vom 26. Oktober 2000 - V ZB 32/00 - juris; vgl. auch BVerfGE 93, 99, 114 f.). Zu Maßnahmen außerhalb des ordentlichen Geschäftsgangs besteht dagegen keine Verpflichtung. Insbesondere ist auch ein mit der Sache im vorausgegangenen Rechtszug befasst gewesenes Gericht nicht verpflichtet, die Partei oder ihre Prozessbevollmächtigten innerhalb der Berufungsfrist durch Telefonat oder Telefax von der Einreichung der Berufung beim unzuständigen Gericht zu unterrichten (vgl. BVerfG, NJW 2001, 1343; Senatsbeschluss vom 28. Januar 2003 - VI ZB 29/02 - aaO; BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2000 - V ZB 32/00 - aaO; BAG, NJW 1998, 923, 924; BFH, BFH/NV 2005, 563, 564).
Andernfalls würde den Parteien und ihren Prozessbevollmächtigten die Verantwortung für die Einhaltung der Formalien vollständig abgenommen und den hierfür nicht zuständigen Gerichten übertragen. Damit würden die Anforderungen an die richterliche Fürsorgepflicht überspannt.
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Nach diesen Grundsätzen ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden, weil der beim unzuständigen Gericht eingegangene Fristverlängerungsantrag im ordentlichen Geschäftsgang sofort weitergeleitet worden ist, allerdings beim Berufungsgericht nicht mehr innerhalb der Frist eingehen konnte.

III.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 08.09.2004 - 9 O 17682/02 -
OLG München, Entscheidung vom 03.02.2005 - 1 U 5086/04 -
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Geht eine fristgebundene Rechtsmittelbegründung statt beim Rechtsmittelgericht bei dem erstinstanzlichen Gericht ein, ist dieses grundsätzlich verpflichtet , den Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten (Senatsbeschlüsse vom 16. Januar 2014 – XII ZB 571/12 – FamRZ 2014, 550 Rn. 14; vom 23. Mai 2012 – XII ZB 375/11 – FamRZ 2012, 1205 Rn. 26 und vom 15. Juni 2011 – XII ZB 468/10 – FamRZ 2011, 1389 Rn. 12). Dies folgt aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch des Rechtsu- chenden auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip ). Geht der Schriftsatz so zeitig ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, darf die Partei darauf vertrauen, dass der Schriftsatz noch rechtzeitig beim Rechtsmittelgericht eingeht. Geschieht dies tatsächlich nicht, wirkt sich das Verschulden der Partei oder ihrer Verfahrensbevollmächtigten nicht mehr aus, so dass ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (Senatsbeschluss vom 23. Mai 2012 – XII ZB 375/11 – FamRZ 2012, 1205 Rn. 23 und BGH Beschluss vom 6. November 2008 – IX ZB 208/06 – FamRZ 2009, 320 Rn. 7 mwN).
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c) Soweit die Rechtsbeschwerde meint, das Landgericht sei verpflichtet gewesen, entweder ihre fehlerhaft an das Erstgericht adressierte Berufungs- schrift per Telefax an das Berufungsgericht weiterzuleiten oder die Prozessbevollmächtigten des Klägers telefonisch auf die fehlerhafte Adressierung hinzuweisen , besteht eine solche Pflicht, Maßnahmen zur besonderen Beschleunigung zu ergreifen, um eine mögliche Verfristung aufzufangen, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die vom Bundesverfassungsgericht gebilligt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 2008, aaO Rn. 8; BVerfG NJW 1995, 3173, 3175; BVerfG NJW 2001, 1343), nicht. Andernfalls würde den Parteien und ihren Prozessbevollmächtigten die Verantwortung für die Einhaltung der Formalien abgenommen und den unzuständigen Gerichten übertragen.
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Dieser normale Geschäftsgang, der nicht darauf eingerichtet sein muss, fehlgeleitete Schriftstücke frühzeitig zu entdecken und gesondert zu befördern, ist nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend festgestellt, dass der Berufungsschriftsatz nicht mit einem augenfälligen Hinweis auf eine besondere Eilbedürftigkeit versehen war. Nur bei einer inhaltlichen Durchsicht der Berufungsschrift wäre daher aufgefallen, dass im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Urteils am 8. Juni 2006 die Berufungsfrist am 10. Juli 2006, einem Montag, ablief. Zu einer solchen inhaltlichen Überprüfung war die Geschäftsstelle der Zivilkammer des unzuständigen Landgerichts nicht verpflichtet. Umso weniger bestand eine Pflicht, die Kläger innerhalb der Rechts- mittelfrist telefonisch oder per Telefax auf die fehlerhafte Einlegung des Rechtsmittels hinzuweisen (vgl. BVerfG NJW 2001, 1343).
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c) Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat der Beklagten zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist versagt, weil sich das ihr zuzurechnende Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten im Hinblick auf die fehlerhafte Vorgehensweise des zunächst angerufenen Rechtsmittelgerichts nicht mehr ausgewirkt hat.
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2. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde der Beklagten zu 1 und 2 ist zulässig, weil eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gefordert ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Die angegriffene Entscheidung verletzt den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch der Beklagten auf Gewährleistung wirkungsvollen Rechtsschutzes und eines fairen Verfahrens (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip; Art. 19 Abs. 4 GG). Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen überspannt und dadurch den Beklagten zu 1 und 2 den Zugang zur Rechtsmittelinstanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert (vgl. zu diesen Kriterien etwa BVerfGE 78, 88, 99; 84, 366, 369 f.; BGH, Beschluss vom 24. Juni 2010 - V ZB 170/09, WuM 2010, 592 Rn. 4; jeweils mwN).
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat eine Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche , klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, d.h. allgemein von Bedeutung ist. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn die durch das Berufungsurteil aufgeworfene Rechtsfrage zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen unter anderem dann, wenn die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden. Derartige Unklarheiten bestehen nicht, wenn abweichende Ansichten in der Literatur vereinzelt geblieben und nicht oder nicht nachvollziehbar begründet sind (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2010 - II ZR 54/09, ZIP 2010, 985). Gemessen daran hat die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung. Es bedarf auch nicht der Rechtsfortbildung.