Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Sept. 2015 - VI ZR 391/14

bei uns veröffentlicht am15.09.2015
vorgehend
Landgericht Köln, 28 O 116/13, 15.01.2014
Oberlandesgericht Köln, 15 U 28/14, 16.09.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR391/14
vom
15. September 2015
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. September 2015 durch
den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Wellner und Stöhr und die Richterinnen
von Pentz und Dr. Oehler

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerinnen wird der Beschluss des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 16. September 2014 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Streitwert: 2.764.704,69 €, davon 556.422,38 € für die Beschwerde der Klägerin zu 1 und 2.208.282,31 € für diejenige der Klägerin zu 2.

Gründe:

I.

1
Die Klägerin zu 1 vertrieb von der Klägerin zu 2 hergestellte "Bio-Tragetaschen" , unter anderem an Einzelhandelsketten, die die Taschen an Endkunden weiterverkauften. In aufgedruckten Slogans waren die Taschen als umweltschonend und "100 % kompostierbar" beschrieben.
2
Am 10. und 13. April 2012 gab der Beklagte zu 1, dessen Bundesgeschäftsführer der Beklagte zu 2 ist, Pressemitteilungen heraus, die sich mit den Tüten befassten. In der Überschrift der ersten Pressemitteilung heißt es, die - namentlich benannten - Einzelhandelsketten täuschten die Verbraucher "mit vermeintlich nachhaltigen Einkaufstüten"; die als kompostierbar beworbenen Tragetaschen bestünden zu mehr als zwei Dritteln aus Erdöl und würden weder kompostiert noch recycelt. Im weiteren Text wird eine Äußerung des Beklagten zu 2 zitiert, wonach die angeblich "grünen" Plastiktüten nicht kompostiert würden. Weiter heißt es, in industriellen Kompostierungsanlagen würden die Tüten gemeinsam mit herkömmlichen Plastiktüten als Störstoffe aussortiert. Eine Umfrage unter mehr als 80 deutschen Anlagen belege, dass eine Kompostierung biologisch abbaubarer Kunststoffe - darunter auch die vermeintlich zu 100 % kompostierbaren Tragetaschen der Handelsketten - praktisch nicht stattfinde. Zwar seien die Tüten nach der DIN EN 13432 biologisch abbaubar. Diese Norm offenbare jedoch bei genauerer Betrachtung eine große Schwäche. Denn nach ihrer Vorgabe müssten die Plastiktüten erst innerhalb von zwölf Wochen unter bestimmten Bedingungen zu 90 Prozent zersetzt sein, während deutsche Kompostierungsanlagen in der Regel mit erheblich kürzeren Verweilzeiten zwischen ein bis acht Wochen arbeiteten. In der zweiten Pressemitteilung werden die Vorwürfe wiederholt und es wird berichtet, der Beklagte zu 1 habe die Einzelhandelsketten wegen Verbrauchertäuschung abgemahnt.
3
Die benannten Einzelhandelsketten stellten daraufhin den Verkauf der Tüten ein. Mit ihrer Klage verlangen die Klägerinnen Ersatz des ihnen durch den Abbruch der Lieferbeziehungen entstandenen Schadens. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerinnen zurückgewiesen.

II.

4
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
5
1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die nicht erfolgte Berücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Mai 2009 - VI ZR 275/08, VersR 2009, 1137 Rn. 2 mwN).
6
2. So verhält es sich im Streitfall. Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet zu Recht, das Berufungsgericht habe gehörswidrig unter Beweis gestellten erstinstanzlichen Vortrag der Klägerinnen zur Behandlung kompostierbarer Kunststoffe in deutschen Kompostierungsanlagen übergangen.
7
a) Das Berufungsgericht hat seine Feststellung, dass eine Kompostierung der "Bio-Tragetaschen" in deutschen Kompostierungsanlagen praktisch nicht stattfinde, im Wesentlichen auf eine von den Beklagten durchgeführte Umfrage unter den Betreibern von mehr als 80 Anlagen gestützt. Obwohl es davon ausgegangen ist, dass bei der Umfrage Informationen über lediglich etwa 8 % der deutschen Anlagen zur Verfügung gestellt wurden, hat es das Umfrageergebnis als tragfähig angesehen. Das hat es damit begründet, dass sich aus dem eigenen Vorbringen der Klägerinnen nicht ergebe, dass und ggf. in welchem Umfang die übrigen Anlagen im maßgeblichen Zeitraum die fraglichen "Bio-Tragetaschen" tatsächlich kompostiert hätten. Bei dieser Würdigung hat es zwar gesehen, dass die Klägerinnen sich erstinstanzlich auf einzelne Mitteilungen berufen haben, nach denen eine Kompostierung der "Bio-Tragetaschen" tatsächlich stattfindet. Es hat aber nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Klägerinnen die in Rede stehenden Anlagen nur beispielhaft benannt haben. Darüber hinaus haben sie mit Bezug auf die fraglichen Tragetaschen in erster Instanz unter Benennung eines Zeugen vorgetragen, es sei "bei einer Mehrzahl der deutschen Bioabfallkompostanlagen davon auszugehen […], dass die kompostierbaren Kunststoffe im Prozess verbleiben". Indem es diesen Beweis nicht erhoben hat, hat das Berufungsgericht gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen. Denn das Beweisangebot war erheblich und seine Nichtberücksichtigung findet im Prozessrecht keine Stütze (vgl. nur Senatsbeschluss vom 12. Mai 2009 - VI ZR 275/08, VersR 2009, 1137 Rn. 2; BVerfG, WM 2012, 492, 493; jeweils mwN).
8
Die unter Beweis gestellte Behauptung widerspricht der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellung. Wenn als Bioabfall entsorgte kompostierbare Kunststoffe und damit auch die "Bio-Tragetaschen" der Klägerinnen bei den meisten deutschen Kompostierungsanlagen im Prozess verbleiben, also nicht aussortiert werden, kann nicht angenommen werden, dass eine Kompostierung der Taschen in solchen Anlagen praktisch nicht stattfindet.
9
b) Der Annahme einer Gehörsverletzung steht es nicht entgegen, dass die Klägerinnen im Berufungsverfahren nicht auf ihr vom Berufungsgericht nicht berücksichtigtes Beweisangebot zurückgekommen sind.
10
aa) Zwar ist das Bundesverfassungsgericht bezüglich des bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Berufungsrechts davon ausgegangen, dass eine - hier vorliegende - globale Bezugnahme des Berufungsklägers auf sein Vorbringen erster Instanz im Regelfall nicht ausreicht, um das Berufungsgericht verfassungsrechtlich in die Pflicht zu nehmen, den gesamten erstinstanzlichen Vortrag auf seine Bedeutsamkeit für das Berufungsverfahren hin zu überprüfen. Eine Ausnahme hiervon hat das Bundesverfassungsgericht jedoch für den Fall anerkannt, dass das erstinstanzliche Gericht ein unter Beweis gestelltes Vorbringen des Berufungsklägers als unerheblich behandelt hat, der Berufungskläger mit seiner Berufung gerade diese Rechtsauffassung angreift und das Berufungsgericht den betreffenden Sachvortrag ebenfalls als erheblich ansieht (BVerfGE 36, 92, 99; 46, 315, 319 f.; 60, 305, 311; BVerfG, NJW-RR 1995, 828; vgl. auch Senatsurteil vom 3. Juni 1997 - VI ZR 133/96, VersR 1997, 1422, 1423). In solchen Fällen verstößt die Nichtberücksichtigung des Beweisantritts auch unter der Geltung des reformierten Berufungsrechts gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Denn ebenso wie im früheren Recht gibt es im neuen Recht keine Vorschrift , die den Berufungskläger dazu anhält, einen erstinstanzlichen Vortrag zu wiederholen, auf den es aus Sicht des erstinstanzlichen Gerichts nicht ankam (für den Berufungsbeklagten vgl. BVerfG, NJW 2015, 1746 Rn. 17). Vielmehr gelangt mit einem zulässigen Rechtsmittel grundsätzlich der gesamte aus den Akten ersichtliche Prozessstoff der ersten Instanz ohne weiteres in die Berufungsinstanz (vgl. Senatsurteil vom 20. Dezember 2005 - VI ZR 180/04, BGHZ 165, 290, 297 mwN).
11
bb) Nach diesen Grundsätzen hätte das Berufungsgericht den Beweisantritt auch ohne Wiederholung im Berufungsverfahren berücksichtigen müssen, um den Anspruch der Klägerinnen auf rechtliches Gehör zu erfüllen.
12
Für die Würdigung des Landgerichts kam es nicht auf das Beweisangebot an. Das Landgericht hat die in Rede stehende Tatsachenbehauptung betreffend die Behandlung der "Bio-Tragetaschen" in Kompostierungsanlagen enger verstanden als das Berufungsgericht. Es hat die Behauptung nur auf 79 von 81 Kompostierungsanlagen bezogen, für die im Rahmen der von den Beklagten durchgeführten Umfrage Antworten eingegangen waren. Gegen diese Würdigung haben die Klägerinnen sich mit der Berufung gewandt. Das Berufungsgericht hat dann die fragliche Äußerung weitergehend dahin ausgelegt, dass sie sich - von vereinzelten Ausnahmen abgesehen - auf die Praxis aller deutschen Kompostierungsanlagen bezieht. In dem Umfrageergebnis hat es lediglich den entscheidenden Beleg für die Richtigkeit dieser Behauptung gesehen. Bei dieser Würdigung hätte es zur Vermeidung eines Gehörsverstoßes auch die erstinstanzlichen Beweisangebote der Klägerinnen berücksichtigen müssen, soweit diese erst auf Grund des vom Landgericht abweichenden Auslegungsergebnisses erheblich wurden.
13
cc) Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung dieses Vorbringens zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Wegen der deswegen erheblichen Verletzung des rechtlichen Gehörs ist die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Bei der neuen Verhandlung wird das Berufungsgericht Gelegenheit haben, auch die weiteren Rügen der Nichtzulassungsbeschwerde bezüglich eines übergangenen Vorbringens zu berücksichtigen. Dies gilt insbesonde- re für den Vortrag, dass die "Bio-Tragetaschen" in deutlich kürzerer Zeit verrotten als nach der DIN EN 13432 vorgegeben ist. Galke Wellner Stöhr von Pentz Oehler
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 15.01.2014 - 28 O 116/13 -
OLG Köln, Entscheidung vom 16.09.2014 - 15 U 28/14 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Sept. 2015 - VI ZR 391/14

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Sept. 2015 - VI ZR 391/14

Referenzen - Gesetze

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur
Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Sept. 2015 - VI ZR 391/14 zitiert 3 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Referenzen - Urteile

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Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Sept. 2015 - VI ZR 391/14 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Dez. 2005 - VI ZR 180/04

bei uns veröffentlicht am 20.12.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 180/04 Verkündet am: 20. Dezember 2005 Böhringer-Mangold, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Mai 2009 - VI ZR 275/08

bei uns veröffentlicht am 12.05.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZR 275/08 vom 12. Mai 2009 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja GG Art. 103 Abs. 1, ZPO § 544 Abs. 7 Wird ein Sachverständiger, ohne dass er vorher ein den Parteien zur kritische
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Sept. 2015 - VI ZR 391/14.

Bundesgerichtshof Urteil, 24. Okt. 2018 - VIII ZR 66/17

bei uns veröffentlicht am 24.10.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 66/17 Verkündet am: 24. Oktober 2018 Reiter, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BG

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Apr. 2016 - V ZR 23/15

bei uns veröffentlicht am 22.04.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 23/15 Verkündet am: 22. April 2016 Rinke Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

2
a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dabei soll das Gebot des rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebotes verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. BVerfGE 50, 32, 35; 60, 247, 249; NJW 2003, 1655; BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - IX ZR 173/03 - VersR 2007, 666; vom 12. Dezember 2007 - IV ZR 178/06 - VersR 2008, 483).

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

2
a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dabei soll das Gebot des rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebotes verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. BVerfGE 50, 32, 35; 60, 247, 249; NJW 2003, 1655; BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - IX ZR 173/03 - VersR 2007, 666; vom 12. Dezember 2007 - IV ZR 178/06 - VersR 2008, 483).

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 180/04 Verkündet am:
20. Dezember 2005
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Auch nach In-Kraft-Treten des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember
1992 ist Vertragspartner eines Kassenpatienten, der in einer Krankenhausambulanz
behandelt wird, grundsätzlich der zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigte
Krankenhausarzt.

b) Werden in den Räumlichkeiten des Krankenhauses durch angestellte Ärzte des
Krankenhausträgers ambulante Operationen durchgeführt, ohne dass die behandelnden
Ärzte oder der die Ambulanz betreibende Chefarzt zur vertragsärztlichen
Versorgung ermächtigt sind, haftet grundsätzlich der Krankenhausträger.
BGH, Urteil vom 20. Dezember 2005 - VI ZR 180/04 - OLG Jena
LGMeiningen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Dezember 2005 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 2. Juni 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin ist Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse. Sie hat den früheren Beklagten zu 1 als operierenden Arzt und die Beklagte zu 2 als Trägerin des Kreiskrankenhauses B. S. auf Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen fehlgeschlagener ärztlicher Behandlung in Anspruch genommen.
2
Die Klägerin begab sich am 8. Mai 1998 wegen eines schnellenden Fingers in die Handsprechstunde des Chefarztes Dr. G. in der Ambulanz im Kreiskrankenhaus der Beklagten zu 2. Sie wurde vom bei der Beklagten zu 2 ange- stellten Oberarzt Dr. K. untersucht. Dieser verabredete für den 13. Juli 1998 eine ambulante Operation, die vom Beklagten zu 1, einem ebenfalls bei der Beklagten zu 2 angestellten Oberarzt, durchgeführt wurde. Dessen Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nach § 116 SGB V war mit Ablauf des 31. Dezember 1997 erloschen. Dr. K. verfügte nur über eine Ermächtigung für "besondere Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, eingeschränkt auf Problemfälle der Traumatologie", die nicht die Durchführung der an der Klägerin vorgenommenen Operation erfasste. Die Beklagte zu 2 hatte für ihre chirurgische Klinik mit Standort B. L., nicht aber für das Kreiskrankenhaus in B. S. eine Mitteilung nach § 115 b Abs. 2 Satz 2 SGB V abgegeben.
3
Der linke Daumen der Klägerin blieb postoperativ trotz einer am 12. August 1998 vom Beklagten zu 1 durchgeführten Revisionsoperation, die mit einem anschließenden stationären Krankenhausaufenthalt verbunden war, nur eingeschränkt beweglich.
4
Das Landgericht hat der Klage gegen beide Beklagte stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zu 1 nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten zu 2 die gegen sie gerichtete Klage abgewiesen. Nach Zulassung der Revision durch den erkennenden Senat verfolgt die Klägerin ihren Anspruch gegen die Beklagte zu 2 weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Das Berufungsgericht meint, die Beklagte zu 2 (im Folgenden: Beklagte) sei nicht Vertragspartnerin der Klägerin geworden. Die vertragliche Gestaltung bei der medizinischen Versorgung von Mitgliedern einer gesetzlichen Kranken- kasse werde von dem im Sozialgesetzbuch V geregelten Zusammenwirken der Krankenkassen und der Ärzte zur Sicherung der medizinischen Grundversorgung geprägt. Vertragspartner des Kassenpatienten sei deshalb bei der ambulanten Behandlung ausschließlich der an der kassenärztlichen Versorgung beteiligte Arzt. Zwar bestehe für Krankenhäuser gemäß § 115 b Abs. 2 Satz 1 SGB V eine gesetzliche Zulassung für ambulantes Operieren. Die dafür erforderliche Mitteilung der Beklagten nach § 115 b Abs. 2 Satz 2 SGB V habe aber für das Krankenhaus B. S. nicht vorgelegen. Die Beklagte habe auch nicht einen Anschein dafür gesetzt, selbst Partner des Behandlungsvertrages zu sein, sondern lediglich den Betrieb der Ambulanz mit personellen und sachlichen Mitteln unterstützt.
6
Dass die Zulassung des Beklagten zu 1 abgelaufen gewesen sei und die Zulassung des Dr. K. die vorgenommene Behandlung nicht erfasst habe, begründe nicht einen Vertragsschluss mit der Beklagten. Wegen der rechtlichen Trennung zwischen Ambulanz und Krankenhaus berührten Wirksamkeitshindernisse nur das in Aussicht genommene Vertragsverhältnis. Selbst die Ermöglichung oder Duldung einer unzulässigen Praxis bei der ambulanten Behandlung von Kassenpatienten durch nachgeordnete Ärzte eines Krankenhauses führten nicht zu einer vertraglichen Mithaftung des Krankenhausträgers.

II.

7
Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
8
1. Das Berufungsgericht ist unter Anwendung der vom erkennenden Senat entwickelten Grundsätze (vgl. Senatsurteile BGHZ 100, 363, 367 f.; 105, 189, 194; 120, 376, 382 ff.; 124, 128, 131ff.) zu der Auffassung gelangt, die Klägerin sei jedenfalls nicht in vertragliche Beziehungen zu der Beklagten getreten , weil die ambulante Versorgung von Kassenpatienten in erster Linie Aufgabe der zugelassenen Kassenärzte bzw. des zur kassenärztlichen Versorgung zugelassenen Chefarztes sei. Nach dieser Rechtsprechung tritt der Kassenpatient , der zur ambulanten Behandlung in ein Krankenhaus überwiesen wird, in vertragliche Beziehungen nur zu dem die Ambulanz kraft kassenärztlicher Zulassung gemäß den geltenden Vorschriften (früher § 368 a Abs. 8 RVO, nachfolgend §§ 95, 116 SGB V) betreibenden Chefarzt, nicht aber in eine solche zu dem Krankenhausträger. Dies gilt auch dann, wenn die Überweisung des Hausarztes auf das Krankenhaus lautet und die Behandlung in der Krankenhausambulanz von einem nachgeordneten Krankenhausarzt durchgeführt wird (vgl. BGHZ 100, 363, 367 ff.; 124, 128, 132 f.; ebenso BGHZ 105, 189, 192 ff. für Privatpatienten). Auch der Umstand, dass der Krankenhausträger eine unzulässige Praxis der Behandlung von überwiesenen Kassenpatienten durch nachgeordnete Ärzte des Krankenhauses organisatorisch ermöglicht und geduldet hat, führt nicht zu seiner vertraglichen Mithaftung aus dem Behandlungsvertrag zwischen dem beteiligten Chefarzt und dem in seine Ambulanz überwiesenen Kassenpatienten. An den Krankenhausträger ist dieser Patient nicht überwiesen. Dieser bleibt deshalb Patient des zur Beteiligung an der kassenärztlichen Versorgung zugelassenen Chefarztes, und nur für diesen rechnet die Krankenkasse über die kassenärztliche Vereinigung ab (BGHZ 100, 363, 370 f.). Etwas anderes gilt allerdings bei der Haftung gegenüber dem Kassenpatienten einer vom Krankenhaus getragenen Institutsambulanz (vgl. BGHZ 120, 376, 385).
9
2. Diese Rechtsprechung beruht auf der Gesetzeslage vor dem 1. Januar 1993, an welchem das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2266) in Kraft getreten ist. Hintergrund war das damalige System einer weitgehenden Trennung von ambulanter und stationärer Krankenpflege.
Die ambulante Versorgung von Kassenpatienten war in erster Linie Aufgabe der zugelassenen Kassenärzte und, wenn sie im Krankenhaus anfiel, der an der kassenärztlichen Versorgung beteiligten Chefärzte. Das Krankenhaus als Institution konnte eine ambulante Behandlung grundsätzlich nur in Notfällen übernehmen , für die weder ein Kassenarzt noch ein "beteiligter" Chefarzt zur Verfügung stand (vgl. BGHZ 100, 363, 366; 105, 189, 194; 124, 128, 132).
10
Die für die frühere Rechtslage entwickelten Grundsätze werden der Gesetzeslage nach In-Kraft-Treten des Gesundheitsstrukturgesetzes nicht mehr in vollem Umfang gerecht. Die Gesetzesänderung verfolgte nämlich das Ziel, eine teure vollstationäre Versorgung zu vermeiden, wenn medizinisch eine ambulante Durchführung bisher stationär erbrachter Eingriffe möglich ist (vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs, BT-Drucksache 12/3608, S. 103). Daher sind Krankenhäuser nunmehr von Gesetzes wegen zur ambulanten Durchführung der Operationen zugelassen, die in einem dreiseitigen Vertrag zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen gemeinsam, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder den Bundesverbänden der Krankenhausträger gemeinsam und den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen aufgrund der Ermächtigung aus § 115 b Abs. 1 SGB V vereinbart wurden. Einer separaten Zulassung durch Entscheidung der Zulassungsinstanzen nach § 96 SGB V bedarf es nicht, jedoch ist für das Wirksamwerden der Zulassung eine Mitteilung des Krankenhausträgers an die in § 115 b Abs. 2 Satz 2 SGB V genannten Stellen erforderlich (vgl. BSG MedR 2000, 242, 243; Hess in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht , Stand 1. Juni 2005, SGB V, § 115 b, Rn. 4). Da es sich beim ambulanten Operieren nach § 115 b SGB V um einen Teil der Krankenhausbehandlung gemäß § 39 SGB V und - anders als bei der ambulanten Operation durch nach § 116 SGB V ermächtigte Krankenhausärzte - nicht um einen Teil der vertragsärztlichen Versorgung handelt, bedarf es auch einer Überweisung durch einen Vertragsarzt nicht; der Versicherte darf das Krankenhaus vielmehr unmittelbar aufsuchen (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucksache 12/3608, S. 103; Hess in Kasseler Kommentar, aaO, Rn. 6; Jung in Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung, Stand: September 1994, § 115 b, Rn. 5).
11
Hier gehörte die bei der Klägerin durchgeführte Operation zu dem Katalog nach § 115 b SGB V. Dies ergibt sich daraus, dass die Beklagte nach den Feststellungen der Instanzgerichte für eine andere von ihr betriebene Klinik in B. L. eine Mitteilung nach § 115 b Abs. 2 SGB V für derartige Operationen abgegeben hat.
12
3. a) Seit dem 1. Januar 1993 ist die ambulante operative Versorgung von gesetzlich versicherten Patienten nicht mehr in erster Linie Aufgabe der zugelassenen Vertragsärzte. Vielmehr soll nach der Intention des Gesetzgebers und der neuen rechtlichen Ausgestaltung die ambulante Operation als Krankenhausleistung in Verantwortung des Krankenhausträgers gegenüber der vertragsärztlichen Ermächtigung des einzelnen Krankenhausarztes den Regelfall darstellen (Kern NJW 1996, 1561, 1564). Dem gemäß ist für die Zulassung eines Krankenhausarztes zur ambulanten Operation nach § 116 SGB V kein Raum, wenn die Leistungen, die Gegenstand der Ermächtigung sein sollen, vom Krankenhaus bereits auf der Grundlage des § 115 b SGB V angeboten und erbracht werden (vgl. BSG aaO; vgl. auch BSG MedR 1997, 286; Kruschinsky in Noftz u.a., SGB V Gesetzliche Krankenversicherung, Stand XII/01, K § 116, Rn. 21; Hess in Kasseler Kommentar, aaO; Hencke in Peters, Handbuch der Krankenversicherung - Sozialgesetzbuch V, Stand: 1. März 2005, § 115 b Rn. 4).
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Da der Gesetzgeber dem Krankenhausträger die Entscheidungsfreiheit darüber einräumt, ob und in welchem Umfang er ambulante Operationen anbie- tet, kann ohne Feststellung besonderer Umstände des Einzelfalles, die eine solche Zuschreibung rechtfertigen, allerdings nicht davon ausgegangen werden , dass die von einem Krankenhausträger für eines seiner Krankenhäuser abgegebene Mitteilung auch für alle anderen in seiner Trägerschaft gilt (vgl. BSG MedR 2000, 242, 243 f.). Somit fehlt es an einer Erklärung der Beklagten nach § 115 b SGB V für das hier betroffene Krankenhaus.
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b) Für den Patienten erschließt sich nach der Gesetzesänderung wegen des gleichen Zugangswegs zum Behandelnden nicht, ob er bei einer ambulanten Operation im Krankenhaus vertragsärztliche oder Krankenhausleistungen in Anspruch nimmt. Der gesetzlich Versicherte benötigt nämlich nicht mehr eine Überweisung zur Inanspruchnahme ambulanter Operationsleistungen als Krankenhausleistung ; auch für die Inanspruchnahme einer ambulanten Operation als vertragsärztliche Leistung durch einen ermächtigten Krankenhausarzt ist eine Überweisung nur dann erforderlich, wenn die Ermächtigung des Krankenhausarztes eine entsprechende Einschränkung enthält, was der Patient nicht überprüfen kann (vgl. Steege in Noftz u.a., aaO, K § 115 b, Rn. 17 und Kruschinsky in Noftz u.a., aaO, § 116, Rn. 17; Hencke in Peters, aaO, Rn. 6 und § 116, Rn. 5). Der Patient wird daher im Regelfall - wie bisher - als seinen Vertragspartner denjenigen Arzt ansehen, dem aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht die Honorierung zusteht (vgl. Senatsurteil BGHZ 100, 363, 371).
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c) Darf somit der gesetzlich versicherte Patient aufgrund der §§ 115 b, 116 SGB V davon ausgehen, dass es einen sozialrechtlich befugten Behandler für die Durchführung der ambulanten Operation gibt, nämlich entweder das Krankenhaus oder einen ermächtigten Krankenhausarzt, so darf eine Unklarheit - wie im Streitfall - darüber, ob er vertragsärztliche Leistungen oder Krankenhausleistungen in Anspruch genommen hat, haftungsrechtlich nicht zu seinen Lasten gehen. Der Tatrichter muss deshalb in solchen Fällen klären, ob in die konkrete Behandlung eingebundene Ärzte oder der - wie hier nach den Feststellungen des Berufungsgerichts - die Ambulanz betreibende Chefarzt, dem das Handeln dieser Ärzte gegebenenfalls gemäß § 278 BGB zuzurechnen wäre , eine kassenärztliche Ermächtigung für die konkret durchgeführte Operation besaßen. Wenn nämlich in den Räumlichkeiten des Krankenhauses durch angestellte Ärzte des Krankenhausträgers ambulante Operationen durchgeführt werden, ohne dass die behandelnden Ärzte oder der Chefarzt zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt sind, wird aufgrund des gesetzlichen Leitbildes der Anschein erweckt, dass zumindest der Krankenhausträger als von Gesetzes wegen grundsätzlich zur ambulanten Operation zugelassener Leistungsträger sozialrechtlich befugt ist. Deshalb muss dem gesetzlich Versicherten in dem Fall, dass keine anderen sozialrechtlich als befugt anzusehenden Ärzte zu ermitteln sind, jedenfalls der Krankenhausträger als zumindest aufgrund eines Organisationsverschuldens nach § 823 Abs. 1 BGB Haftender zur Verfügung stehen.
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Dies entspricht zum einen dem sich aus den §§ 115 b, § 116 SBG V ergebenden Grundsatz, dass der Durchführung ambulanter Operationen im Krankenhaus als Krankenhausleistungen ein Vorrang gegenüber der vertragsärztlichen Leistung durch nach § 116 SGB V ermächtigte Krankenhausärzte einzuräumen ist (vgl. BSG MedR 2000, 242, 243). Zum anderen belastet es den Krankenhausträger nicht über Gebühr. Aufgrund der Verträge mit seinen angestellten Ärzten über die Überlassung von Operationsräumen und der - auch hier vom Berufungsgericht festgestellten - Unterstützung mit personellen und sachlichen Mitteln sowie der nach § 120 Abs. 1 Satz 3 SGB V auch im Falle der Operation durch einen nach § 116 SGB V ermächtigten Krankenhausarzt über den Krankenhausträger erfolgenden Abrechnung der ärztlichen Tätigkeit (vgl. hierzu BSGE 69, 1 ff.) hat er nämlich jederzeit einen Überblick darüber, in welchem Bereich und für welche zeitliche Dauer ein ermächtigter Krankenhausarzt zur ambulanten vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist. Wenn er es dennoch zulässt, dass ambulante Operationen durch nicht oder nicht mehr nach § 116 SGB V ermächtigte angestellte Krankenhausärzte durchgeführt werden, muss er dafür haftungsrechtlich einstehen. Dem stehen die Ausführungen des erkennenden Senats in BGHZ 100, 363, 370 im Hinblick auf die veränderte Gesetzeslage nicht entgegen, weil damals eine ambulante Operation grundsätzlich nur von einem zugelassenen Kassenarzt und nicht von einem Krankenhaus vorgenommen werden durfte. Demgegenüber kommt aus den dargelegten Gründen nunmehr eine Haftung des Krankenhausträgers durchaus in Betracht.
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4. Zudem rügt die Revision zu Recht, das Berufungsgericht habe den unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin übergangen, die Beklagte habe beide Operationen mit der Krankenkasse der Klägerin abgerechnet. Das Berufungsgericht hat dazu festgestellt, die Abrechnung der Behandlungsleistungen des Beklagten zu 1 sei mit der Krankenkasse der Klägerin von dem Beklagten zu 1 über die kassenärztliche Vertragsnummer des Dr. K. erfolgt. Einen Tatbestandsberichtigungsantrag der Klägerin hat es mit der Begründung zurückgewiesen , diese sei dem anders lautenden Vortrag der Beklagten in der Berufungsinstanz nicht mehr entgegengetreten. Dass die Klägerin auf das detaillierte Vorbringen der Gegenpartei nicht reagiert habe, lasse den Schluss darauf zu, dass das ursprüngliche Vorbringen nicht mehr aufrechterhalten werde.
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Das Berufungsgericht hat insoweit verkannt, dass mit einem zulässigen Rechtsmittel grundsätzlich der gesamte aus den Akten ersichtliche Prozessstoff der ersten Instanz ohne weiteres in die Berufungsinstanz gelangt und vom Berufungsgericht in dem von §§ 529 ff. ZPO vorgegebenen Rahmen zu berücksichtigen ist (vgl. BGHZ 158, 269, 278). Im Hinblick darauf hätte es den Vortrag nicht übergehen dürfen. Wird ein in erster Instanz gestellter Beweisantrag im Berufungsrechtszug nicht wiederholt, obwohl ihm dort erst seine eigentliche Bedeutung zukommt, und sind keine Umstände dafür zu erkennen, dass die Partei auf ihn bewusst nicht mehr zurückgreifen will, so hat das Gericht gemäß § 139 Abs. 1 ZPO nachzufragen, bevor es den Antrag für nicht mehr gestellt erachtet (vgl. Senatsurteil vom 3. Juni 1997 - VI ZR 133/96 - VersR 1997, 1422, 1423). Dies muss auch gelten, wenn sowohl der entsprechende Vortrag als auch der Beweisantrag übergangen sind. Nach Lage des Falles spricht nichts dafür, dass die Klägerin ihren Vortrag fallen lassen wollte, zumal die Revision zu Recht darauf hinweist, dass eine unmittelbare Abrechnung mit der Krankenkasse eher für eine Haftung der Beklagten spricht. Die im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen Leistungen der ermächtigten Krankenhausärzte werden nämlich vom Krankenhausträger für diese mit der Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet (§ 120 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Handelt es sich jedoch um eine Institutsambulanz, also eine Krankenhausleistung, erfolgt die Abrechnung der Vergütung unmittelbar mit der Krankenkasse (vgl. Hencke in Peters, aaO, § 115 b, Rn. 5; Hess in Kasseler Kommentar, aaO, Rn. 5; Steege in Noftz u.a., aaO, K § 115 b, Rn. 7, 23).
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5. Ebenso hat die Revision Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht nicht geprüft hat, ob eine Haftung der Beklagten wegen einer fehlerhaften Revisionsoperation begründet ist.
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Bei der Revisionsoperation handelt es sich um eine stationäre Krankenhausbehandlung. Unabhängig davon, ob die Entscheidung zum Verbleib der Patientin über Nacht bereits zu Beginn der Behandlung getroffen wurde, liegt nämlich eine - einheitliche - vollstationäre Krankenhausbehandlung vor (vgl. BSGE 92, 223, 229 f. Rn. 21, 23 und BSG, Urteil vom 8. September 2004 - B 6 KA 14/03 R - GesR 2005, 39).
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Die Revision hat insoweit geltend gemacht, nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, die die Klägerin zum Gegenstand ihres erstinstanzlichen Vortrags gemacht habe, sei die Revisionsoperation nicht ausreichend gewesen, wenn bei dem Eingriff "nur ein Anteil des Ringbands A 1" entfernt worden sei. Eine abschließende Klärung sei wegen des fehlenden OPBerichts nicht möglich gewesen. Auch der Privatgutachter Dr. Sch. habe die Revisionsoperation als fehlerhaft bezeichnet. Das erstinstanzliche Gericht musste diese Frage nicht klären, weil es der Klage auch gegen die Beklagte stattgegeben hat. Das Berufungsgericht hätte aber den entsprechenden Vortrag nicht übergehen dürfen, weil im Falle einer fehlerhaften Revisionsoperation eine Haftung der Beklagten aus dem Behandlungsvertrag und aus §§ 823, 831 BGB in Betracht kommt.

III.

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Nach alldem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der erkennende Senat ist an einer eigenen Entscheidung gehindert , weil es nach den vorstehenden Ausführungen weiterer Feststellungen des Berufungsgerichts bedarf. Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG Meiningen, Entscheidung vom 04.06.2003 - 2 O 945/01 -
OLG Jena, Entscheidung vom 02.06.2004 - 4 U 630/03 -