Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Okt. 2006 - VII ZB 39/06

bei uns veröffentlicht am26.10.2006
vorgehend
Landgericht Ellwangen, 5 O 272/05, 01.02.2006
Oberlandesgericht Stuttgart, 19 W 12/06, 29.03.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 39/06
vom
26. Oktober 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Aussetzung eines Hauptsacheverfahrens im Hinblick auf ein anderweit anhängiges
selbständiges Beweisverfahren ist grundsätzlich zulässig.

b) Bei der Ermessensentscheidung über die Aussetzung muss das Gericht der
Hauptsache auch berücksichtigen, ob die gebotene Förderung und Beschleunigung
des Prozesses auf andere Weise besser zu erreichen ist.
BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2006 - VII ZB 39/06 - OLG Stuttgart
LG Ellwangen
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Oktober 2006 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Dr. Haß, Hausmann,
Dr. Wiebel und Prof. Dr. Kniffka

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 29. März 2006 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Beschwerdewert: 2.160 €

Gründe:

I.

1
Die Beklagte wendet sich gegen die Aussetzung eines Verfahrens.
2
Die Beklagte führte für die Klägerin aufgrund eines Rahmen -Bauvertrages Putzarbeiten an mehreren Bauvorhaben durch. Im November 2004 beantragte die Klägerin, im selbständigen Beweisverfahren Beweis über Putzrisse an den Außenwänden von mehreren, näher bezeichneten Bauvorhaben , deren Ursache sowie zur Schadenshöhe zu erheben. Das für das selbständige Beweisverfahren zuständige Gericht hat im Januar 2005 einen Sachverständigen beauftragt, der bislang noch kein Gutachten vorgelegt hat.
3
Die Klägerin hat im Juni 2005 Klage erhoben und Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung verlangt. Die Klage ist bei derselben landgerichtlichen Kammer anhängig wie das selbständige Beweisverfahren. Diese hat den Hauptsacheprozess im Hinblick auf das selbständige Beweisverfahren in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO ausgesetzt. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser begehrt die Beklagte die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie die Abänderung des landgerichtlichen Beschlusses.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
5
1. Das Beschwerdegericht führt aus, die Aussetzung des Hauptsacheverfahrens sei in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO ermessensfehlerfrei. Die Feststellung von Tatsachen im selbständigen Beweisverfahren sei vorgreiflich im Sinne des § 148 ZPO, weil die Mängel, über deren Vorliegen und deren Ursache die Klägerin eine Beweisaufnahme im selbständigen Beweisverfahren begehrt habe, im Hauptsacheverfahren streitig und beweiserheblich seien. Da die im selbständigen Beweisverfahren durchzuführende Beweisaufnahme nach § 493 ZPO für das Hauptsacheverfahren verbindlich sei, entspreche es der Prozessökonomie und dem wirtschaftlichen Interesse der Parteien, den Ausgang des selbständigen Beweisverfahrens abzuwarten.
6
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Landgericht hat ermessensfehlerfrei das Hauptsacheverfahren entsprechend dem in § 148 ZPO enthaltenen Rechtsgedanken ausgesetzt.
7
a) Die Befugnis des Gerichts der Hauptsache, den Rechtsstreit auszusetzen , ist für die Fälle streitig, in denen zwischen denselben Parteien zu einem behaupteten Baumangel bereits vor Prozessbeginn ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet worden ist. Teilweise wird eine unmittelbare oder analoge Anwendung des § 148 ZPO abgelehnt (vgl. z. B. OLG Düsseldorf, BauR 2004, 1033; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 148 Rdn. 24 f). Nach dieser Auffassung steht der Aussetzung der Zweck der Vorschrift entgegen, weil die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen nicht gegeben sei und weil die Aussetzung des Hauptsacheverfahrens im Hinblick auf das selbständige Beweisverfahren dessen Sinn und Zweck widerspreche. Demgegenüber halten andere eine Aussetzung im Hinblick auf § 493 ZPO für zulässig (KG, KGR 2000, 266 = BauR 2000, 1232; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Aufl., Rdn. 6).
8
b) Letztere Auffassung trifft zu. Der Bundesgerichtshof hat in seinen Beschlüssen vom 29. April 2004 - VII ZB 39/03, BauR 2004, 1484 = ZfBR 2004, 677 und vom 10. Juli 2003 - VII ZB 32/02 = BauR 2003, 1607 = ZfBR 2003, 765 = NZBau 2003, 563 bereits erkennen lassen, dass er zur Möglichkeit einer Aussetzung in diesen Fällen neige und dass dem Gedanken der Prozessökonomie Bedeutung zukomme. Dieser Gedanken gebietet es, mehrfache Beweiserhebungen wegen desselben Gegenstandes mit möglicherweise unterschiedlichen Ergebnissen zu vermeiden. Dies kann erreicht werden, wenn die bereits angeordnete Beweiserhebung im selbständigen Beweisverfahren fortgesetzt wird und eine parallele Beweiserhebung im Hauptsacheverfahren wegen dessen Aussetzung ausscheidet.
9
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde wäre das Gericht der Hauptsache ohne Aussetzung nicht bereits im Hinblick auf die §§ 485 Abs. 3, 412 ZPO gehindert, eine weitere Beweisaufnahme zu derselben streitigen Tatsache , auf die sich das selbständige Beweisverfahren bezieht, anzuordnen. Die genannten Regelungen beziehen sich jeweils ausschließlich auf das Verfahren, in dem die Beweisaufnahme bereits angeordnet ist.
10
c) Die Anordnung einer Aussetzung setzt eine fehlerfrei Ermessensausübung voraus, von der hier ausgegangen werden kann.
11
Bei der Ermessensentscheidung muss das Gericht der Hauptsache auch berücksichtigen, ob die gebotene Förderung und Beschleunigung des Prozesses auf andere Weise besser zu erreichen ist. Es hat in seine Erwägungen die Möglichkeit einzubeziehen, die Zuständigkeit für das Beweisverfahren auf sich überzuleiten, indem es die Akten des selbständigen Beweisverfahrens zum Zwecke der Beweiserhebung beizieht (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2004 - VII ZB 3/03, BauR 2004, 1656 = ZfBR 2005, 52 = NZBau 2004, 550). Ein solches Vorgehen kann insbesondere dann nahe liegen, wenn das selbständige Beweisverfahren zwischen denselben Parteien bei einem anderen Gericht anhängig ist und die erforderliche Beweiserhebung denselben Gegenstand betrifft. Auch unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts ist die getroffene Aussetzungsentscheidung nicht zu beanstanden. Der Gedanke der Prozessökonomie wird hier dadurch ausreichend gewahrt, dass das selbständige Beweisverfahren und das Hauptsacheverfahren von vornherein bei derselben Kammer anhängig gemacht worden sind.
12
Entgegen der Rüge der Rechtsbeschwerde stand der Aussetzung hier auch nicht entgegen, dass im Hauptsacheverfahren nur die Schadenshöhe, nicht aber die Mängel selbst und ihre Verursachung bestritten worden seien. Eine derartige Beschränkung des Beklagtenvortrags musste das Landgericht seinem bisherigen Vorbringen nicht entnehmen. Dressler Haß Hausmann Wiebel Kniffka
Vorinstanzen:
LG Ellwangen, Entscheidung vom 01.02.2006 - 5 O 272/05 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 29.03.2006 - 19 W 12/06 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Okt. 2006 - VII ZB 39/06

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Okt. 2006 - VII ZB 39/06

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 148 Aussetzung bei Vorgreiflichkeit


(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde

Zivilprozessordnung - ZPO | § 485 Zulässigkeit


(1) Während oder außerhalb eines Streitverfahrens kann auf Antrag einer Partei die Einnahme des Augenscheins, die Vernehmung von Zeugen oder die Begutachtung durch einen Sachverständigen angeordnet werden, wenn der Gegner zustimmt oder zu besorgen is

Zivilprozessordnung - ZPO | § 493 Benutzung im Prozess


(1) Beruft sich eine Partei im Prozess auf Tatsachen, über die selbständig Beweis erhoben worden ist, so steht die selbständige Beweiserhebung einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleich. (2) War der Gegner in einem Termin im selbständigen
Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Okt. 2006 - VII ZB 39/06 zitiert 4 §§.

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(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde

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(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.

(1) Während oder außerhalb eines Streitverfahrens kann auf Antrag einer Partei die Einnahme des Augenscheins, die Vernehmung von Zeugen oder die Begutachtung durch einen Sachverständigen angeordnet werden, wenn der Gegner zustimmt oder zu besorgen ist, dass das Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird.

(2) Ist ein Rechtsstreit noch nicht anhängig, kann eine Partei die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, dass

1.
der Zustand einer Person oder der Zustand oder Wert einer Sache,
2.
die Ursache eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels,
3.
der Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels
festgestellt wird. Ein rechtliches Interesse ist anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann.

(3) Soweit eine Begutachtung bereits gerichtlich angeordnet worden ist, findet eine neue Begutachtung nur statt, wenn die Voraussetzungen des § 412 erfüllt sind.

(1) Beruft sich eine Partei im Prozess auf Tatsachen, über die selbständig Beweis erhoben worden ist, so steht die selbständige Beweiserhebung einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleich.

(2) War der Gegner in einem Termin im selbständigen Beweisverfahren nicht erschienen, so kann das Ergebnis nur benutzt werden, wenn der Gegner rechtzeitig geladen war.

(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.

(1) Beruft sich eine Partei im Prozess auf Tatsachen, über die selbständig Beweis erhoben worden ist, so steht die selbständige Beweiserhebung einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleich.

(2) War der Gegner in einem Termin im selbständigen Beweisverfahren nicht erschienen, so kann das Ergebnis nur benutzt werden, wenn der Gegner rechtzeitig geladen war.

(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.

(1) Beruft sich eine Partei im Prozess auf Tatsachen, über die selbständig Beweis erhoben worden ist, so steht die selbständige Beweiserhebung einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleich.

(2) War der Gegner in einem Termin im selbständigen Beweisverfahren nicht erschienen, so kann das Ergebnis nur benutzt werden, wenn der Gegner rechtzeitig geladen war.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 39/03
vom
29. April 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Erklären die Parteien vor dem Prozeßgericht übereinstimmend, sie seien damit einverstanden
, daß die Ergebnisse eines noch nicht abgeschlossenen selbständigen
Beweisverfahrens im Hauptsacheverfahren abgewartet und später verwertet werden,
soweit sie für dieses Verfahren erheblich sind, ist das Prozeßgericht aufgrund dieser
Erklärungen befugt, das Hauptsacheverfahren erst nach Abschluß des selbständigen
Beweisverfahrens fortzusetzen.
BGH, Beschluß vom 29. April 2004 - VII ZB 39/03 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. April 2004 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Prof. Dr. Thode, Hausmann,
Dr. Kuffer und Bauner

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 31. Oktober 2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Die Streithelfer tragen ihre eigenen Kosten. Gegenstandswert: 1.763,45 €

Gründe:

I.

1. Die Klägerin fordert von den beiden Beklagten, die von ihr Wohnungseigentum erworben hatten, restliche Zahlung. Die Beklagten berufen sich demgegenüber in Übereinstimmung mit anderen Erwerbern auf Mängel am Gemeinschaftseigentum. Noch vor Klageerhebung hat die "Wohnungseigentümergemeinschaft D.-Straße 47, vertreten durch den Verwalter" gegen die Klägerin ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet, in dem das Vorliegen von Mängeln am Gemeinschaftseigentum , mit denen sich die Beklagten u.a. im Hauptsacheverfah-
ren verteidigen, festgestellt werden soll. Das selbständige Beweisverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Das Landgericht hat am 31. Juli 2003 beschlossen, die im selbständigen Beweisverfahren zu treffenden Feststellungen seien entscheidungserheblich, so daß dessen Ergebnis abzuwarten und das Hauptsacheverfahren erst alsdann fortzusetzen sei. Es hat der Beschwerde der Klägerin mit der Begründung nicht abgeholfen, das Hauptsacheverfahren befinde sich im Stadium der Beweisaufnahme (analog § 493 ZPO). Zudem hätten sich beide Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 20. September 2001 damit einverstanden erklärt, daß die Ergebnisse des selbständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht Frankfurt am Main im hiesigen Verfahren verwertet werden, soweit sie dafür erheblich sind. Aufgrund dieser Erklärung sei das Gericht des Hauptsacheverfahrens berechtigt, das Ergebnis des selbständigen Verfahrens abzuwarten. 2. Das Beschwerdegericht hat mit Beschluß vom 31. Oktober 2003 die Beschwerde zurückgewiesen. Es hat sich der Begründung des Landgerichts angeschlossen und ausgeführt, § 493 ZPO sei jedenfalls entsprechend anzuwenden. Das Ende der Beweiserhebung sei ebenso abzuwarten wie wenn die Beweisaufnahme vom Prozeßgericht selbst angeordnet worden wäre. Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO sei mit dem Beschluß des Landgerichts nicht verbunden. Jedenfalls habe mit den Erklärungen der Parteien, sich mit der Verwertung der Feststellungen im selbständigen Beweisverfahren einverstanden zu erklären, eine erneute Beweisaufnahme verhindert werden sollen. Diese Erklärungen seien unwiderruflich. Im Hinblick auf Divergenzen in der Rechtsprechung hat es die Rechtsbeschwerde zugelassen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Begründung des Beschwerdegerichts hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. 1. Eine Aussetzung der Verhandlung nach § 148 ZPO hat das Beschwerdegericht , wie im angefochtenen Beschluß ausdrücklich ausgeführt ist, in Übereinstimmung mit dem Landgericht nicht angeordnet. Der Senat hat daher nicht darüber zu entscheiden, ob eine - im Einzelfall auf eine tatrichterliche Ermessensentscheidung zu gründende - Aussetzung hier in Betracht gekommen wäre. Im Beschluß vom 10. Juli 2003 - VII ZB 32/02, BauR 2003,1607 = ZfBR 2003, 765 hat der Senat die Frage offengelassen, ob ein Rechtsstreit nach § 148 ZPO analog ausgesetzt werden darf, wenn die vom Gericht der Hauptsache für beweiserheblich gehaltenen Tatsachen in einem selbständigen Beweisverfahren geklärt werden sollen. Der Senat hat allerdings die Tendenz erkennen lassen, diese Frage zu bejahen; eine abschließende Entscheidung ist auch im vorliegenden Fall nicht veranlaßt. 2. Sollte eine Aussetzung nicht in Betracht kommen, könnte die entsprechende Heranziehung des § 493 ZPO allein einen faktischen Stillstand des Hauptsacheverfahrens bis zum Abschluß des selbständigen Beweisverfahrens nicht rechtfertigen. Das Beschwerdegericht weist zu Recht daraufhin, daß die in § 493 ZPO abschließend geregelte Verwertbarkeit nur die Beweise betrifft, die im selbständigen Beweisverfahren bereits erhoben wurden. Die Bestimmung sagt nichts darüber aus, wie zu verfahren ist, wenn das selbständige Beweisverfahren noch nicht abgeschlossen ist und noch kein Beweisergebnis vorliegt.
3. Das Beschwerdegericht hat allerdings zu Recht auf die übereinstimmenden Erklärungen der Prozeßbevollmächtigten im Verhandlungstermin vom 20. September 2001 vor dem Landgericht abgestellt und sie als Prozeßhandlungen mit bindender Wirkung angesehen, von der sich eine Partei grundsätzlich nicht einseitig lösen kann. Diese Erklärungen gehen über die Wirkung des § 493 Abs. 1 ZPO hinaus. Sie sollen etwaige Zweifelsfragen bezüglich der Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens beseitigen und zugleich die uneingeschränkte Fortsetzung des selbständigen Beweisverfahrens bis zu seinem Abschluß gewährleisten. Sie vermindern damit für beide Parteien das Risiko, daß die Feststellungen der Sachverständigen zu den behaupteten Mängeln in dem Ende 2001 bereits knapp zwei Jahre dauernden selbständigen Beweisverfahren in einer erneuten Beweisaufnahme vor dem Prozeßgericht nochmals getroffen werden müssen. Unter Berücksichtigung der Bedeutung sowie der Tragweite dieser Erklärungen für das weitere Verfahren ist der Beschluß des Landgerichts, das Hauptsacheverfahren bis zum Abschluß des selbständigen Beweisverfahrens nicht fortzusetzen, nicht zu beanstanden. Dressler Thode Hausmann Kuffer Bauner

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 32/02
vom
10. Juli 2003
in Sachen
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
Die Aussetzung eines Rechtsstreits gegen mehrere Beklagte wegen eines anderweitig
anhängigen selbständigen Beweisverfahrens kommt jedenfalls dann nicht in Betracht
, wenn das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens deshalb nicht verwertbar
ist, weil nicht alle Beklagten an diesem Verfahren beteiligt sind.
BGH, Beschluß vom 10. Juli 2003 - VII ZB 32/02 - KG Berlin
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Juli 2003 durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Dressler und die Richter Hausmann, Dr. Kuffer, Prof. Dr.
Kniffka und Bauner

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Kläger gegen den Beschluß des 26. Zivilsenats des Kammergerichts vom 17. Juni 2002 ist erledigt. Soweit zum Nachteil der Kläger entschieden worden ist, ist der angefochtene Beschluß des Kammergerichts gegenstandslos. Die Beklagten tragen die Kosten der Rechtsmittelzüge. Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 9.000

Gründe:

I.

Die Kläger sind Eigentümer eines Hauses mit einem mangelbehafteten Keller. Sie verlangen im vorliegenden Rechtsstreit von den beiden beklagten Architekten Schadensersatz wegen mangelhafter Bauüberwachung. In dem Verfahren des Kammergerichts 4 U 6060/98, in dem sich die Kläger gegen die Restwerklohnklage des Bauunternehmers u.a. mit Gewährleistungsansprüchen wegen des mangelhaften Kellers verteidigen, hat das Kammergericht ein selbständiges Beweisverfahren angeordnet, an dem die Kläger als Antragsteller und der Bauunternehmer sowie der Beklagte zu 1 als Antragsgegner beteiligt waren. Mit dem einzuholenden Gutachten sollte sich der Sach-
verständige zu den Mängeln und auch zur technischen Verursachung äußern. Daraufhin hat das Landgericht das vorliegende Verfahren nach § 148 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits 4 U 6060/98 der Kläger ausgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde hat das Kammergericht den Beschluß insoweit neu gefaßt, als der Rechtsstreit nur bis zum Abschluß des gegen den Beklagten zu 1 gerichteten selbständigen Beweisverfahrens ausgesetzt wird. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Kläger. Nachdem aufgrund übereinstimmenden Vortrags im Rechtsbeschwerdeverfahren der Aussetzungsgrund entfallen ist und der Rechtsstreit beim Landgericht fortgesetzt werden kann, haben die Kläger das Rechtsbeschwerdeverfahren für erledigt erklärt und beantragt, den Beklagten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Diese widersprechen der Erledigungserklärung.

II.

Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist erledigt. Eine einseitige Rechtsmittelerledigungserklärung ist zulässig; dies gilt jedenfalls dann, wenn dem Rechtsmittel durch ein nachträgliches prozessuales Ereignis die Grundlage entzogen wird (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1998 – XI ZR 219/97, NJW 1998, 2453). Das ist hier der Fall. Der Aussetzungsgrund ist nach Vorlage des Gutachtens im selbständigen Beweisverfahren entfallen. Die Rechtsbeschwerde der Kläger war bis zum erledigenden Ereignis begründet. Dies führt dazu, daß die Rechtsbeschwerde erledigt ist und der angefochtene Beschluß des Kammergerichts, soweit zum Nachteil der Kläger entschieden worden ist, gegenstandslos ist.
Die Beschwerde und die Rechtsbeschwerde waren bis zum Abschluß des selbständigen Beweisverfahrens begründet. Das Landgericht durfte, auch soweit das Kammergericht den angefochtenen Aussetzungsbeschluß des Landgerichts nicht bereits zugunsten der Kläger abgeändert hat, den Rechtsstreit nicht gemäß § 148 ZPO aussetzen. Dabei braucht die in Rechtsprechung und Literatur streitige Frage, ob ein Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO analog ausgesetzt werden darf, wenn die vom Gericht der Hauptsache für beweiserheblich gehaltenen Tatsachen in einem selbständigen Beweisverfahren geklärt werden sollen (verneinend: z.B. OLG Dresden, BauR 1998, 595; bejahend: z.B. KG, KGR 2000, 266), nicht entschieden zu werden. Selbst wenn die letztere Auffassung , die den Gedanken der Prozeßökonomie in den Vordergrund stellt, zutreffen sollte, so setzt das voraus, daß das im selbständigen Beweisverfahren einzuholende Sachverständigengutachten im anhängigen Rechtsstreit gemäß § 493 Abs. 1 ZPO uneingeschränkt verwertbar ist. Nur in diesem Fall kann dem Gesichtspunkt der Prozeßökonomie Bedeutung zukommen. Das nunmehr vorliegende Gutachten im selbständigen Beweisverfahren ist für den vorliegenden Rechtsstreit nicht uneingeschränkt verwertbar. Das Beweisergebnis eines selbständigen Beweisverfahrens dient der Vorbereitung und beweismäßigen Vereinfachung des Hauptsacheverfahrens; es ist daher bei Identität der Beteiligten wie ein vor dem Prozeßgericht erhobener Beweis zu behandeln (Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 493 Rdn. 1). Ausweislich des Akteninhalts ist der Beklagte zu 2 an dem selbständigen Beweisverfahren weder als Antragsgegner noch als Streitverkündeter beteiligt gewesen. Er kann sich daher vorliegend mit den ihm zur Verfügung stehenden Beweismitteln uneingeschränkt verteidigen. Die im Interesse der Verfahrensbeschleunigung geltenden Einschränkungen gemäß §§ 360, 398, 411 Abs. 4, 412 ZPO treffen auf ihn nicht zu.
Die Kosten des Verfahrens, soweit darüber noch nicht entschieden worden ist, tragen die Beklagten, § 91 ZPO.
Dressler Hausmann Kuffer Kniffka Bauner

(1) Während oder außerhalb eines Streitverfahrens kann auf Antrag einer Partei die Einnahme des Augenscheins, die Vernehmung von Zeugen oder die Begutachtung durch einen Sachverständigen angeordnet werden, wenn der Gegner zustimmt oder zu besorgen ist, dass das Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird.

(2) Ist ein Rechtsstreit noch nicht anhängig, kann eine Partei die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, dass

1.
der Zustand einer Person oder der Zustand oder Wert einer Sache,
2.
die Ursache eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels,
3.
der Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels
festgestellt wird. Ein rechtliches Interesse ist anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann.

(3) Soweit eine Begutachtung bereits gerichtlich angeordnet worden ist, findet eine neue Begutachtung nur statt, wenn die Voraussetzungen des § 412 erfüllt sind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 3/03
vom
22. Juli 2004
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wird nach Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens zwischen den Beteiligten
der Rechtsstreit in der Hauptsache anhängig, geht die Zuständigkeit für
das Beweisverfahren erst dann auf das Gericht der Hauptsache über, wenn
dieses eine Beweisaufnahme für erforderlich hält und deshalb die Akten des
selbständigen Beweisverfahrens beizieht.
BGH, Beschluß vom 22. Juli 2004 - VII ZB 3/03 - OLG Naumburg
LG Magdeburg
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Dressler und die Richter Dr. Haß, Dr. Wiebel, Prof. Dr. Kniffka und Bauner
am 22. Juli 2004

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsteller werden der Beschluß des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 14. Januar 2003 sowie der Beschluß der 8. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 25. September 2000 aufgehoben. Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 37.054,96 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller erwarben von der Antragsgegnerin ein von dieser mit einem Mehrfamilienhaus zu bebauendes Grundstück. Mit der Behauptung, die in Erfüllung des Vertrages erbrachten Bauleistungen seien mangelhaft, leiteten sie im Februar 1999 bei dem Landgericht M. ein selbständiges Beweisverfahren ein, in dem die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet wurde. Noch bevor dieses vorlag, erbaten die Antragsteller eine Erweiterung des Beweisthemas; das Landgericht ordnete daraufhin eine ergänzende Begutach-
tung an, die bisher nicht erfolgt ist. In einem Klageverfahren umgekehrten Rubrums vor dem Landgericht D., in dem die Antragsgegnerin die Zahlung eines Resterwerbspreises und die Rückgabe von Sicherheiten verlangt, hatten sich die Antragsteller ebenfalls auf Mängel berufen. Mit Rücksicht auf die Einwendungen in jenem Rechtsstreit erklärte das Landgericht M. das selbständige Beweisverfahren für beendet und übersandte die Akten an das Landgericht D.. Dieses gab das Verfahren mit dem Hinweis zurück, daß der Streitgegenstand der beiden Verfahren nicht identisch sei, es in D. vielmehr nur um abnahmerelevante Mängel gehe, während in dem vorliegenden Beweisverfahren Mängel in Rede stünden, die sich nicht aus dem Abnahmeprotokoll ergäben. Die den beteiligten Landgerichten übergeordneten Oberlandesgerichte D. und N. lehnten eine Zuständigkeitsbestimmung ab. Die Antragsteller legten daraufhin gegen den Beschluß des Landgerichts M. zur Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens Beschwerde ein. Gegen deren Zurückweisung richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg und führt zur Fortsetzung des selbständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht M. 1. Das Beschwerdegericht hat das Rechtsmittel der Antragsteller als zulässig , aber nicht begründet erachtet. Die Zuständigkeit für das selbständige Beweisverfahren sei auf das Landgericht D. übergegangen, als die Hauptsache dort anhängig geworden sei. Ein solcher Zuständigkeitsübergang werde den Grundsätzen der Prozeßwirtschaftlichkeit und der Unmittelbarkeit der Beweis-
aufnahme am besten gerecht. Für eine Übertragung des selbständigen Beweisverfahrens auf das Prozeßgericht genüge es, daß die Gegenstände des selbständigen Beweisverfahrens in einem dort geführten Verfahren einredeweise geltend gemacht würden. Trete während des selbständigen Beweisverfahrens ein Zuständigkeitswechsel ein, habe das ursprünglich angerufene Gericht auf Antrag zu verweisen; werde ein entsprechender Antrag wie hier nicht gestellt, sei das Verfahren einzustellen. 2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Zuständigkeit des Landgerichts M. für das selbständige Beweisverfahren ist durch die Geltendmachung von Einwendungen durch die Antragsteller in dem Verfahren vor dem Landgericht D. nicht beendet worden.
a) Die auf Rückgabe der Gewährleistungssicherheiten und Zahlung von Restwerklohn gerichtete Klage vor dem Landgericht D. ist, wie sich aus dem vorgelegten Protokoll der öffentlichen Sitzung der 15. Zivilkammer des Landgerichts D. vom 2. Juli 1999 ergibt, bereits vor Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens eingereicht worden. Darauf hat das Beschwerdegericht aber erkennbar nicht abgestellt, sondern gemeint, daß die Zuständigkeit zu dem Zeitpunkt übergegangen ist, zu dem sich die Antragsteller in dem vor dem Landgericht D. geführten Verfahren auf Mängel berufen haben.
b) Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Hauptsacheverfahren auch dann vorliegt, wenn der Antragsteller sich gegen eine vom Antragsgegner erhobene Klage mit Ansprüchen verteidigt, die im Zusammenhang mit dem Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens stehen. Für einen Zuständigkeitswechsel genügt ein Anhängigmachen, dem in der vorliegenden Fallgestaltung die Geltendmachung der Gegenrechte entsprechen würde, jedenfalls nicht.

c) Der Gesetzgeber hat nicht bestimmt, ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt selbständige Beweisverfahren bei Einleitung eines Streitverfahrens zwischen den Beteiligten auf das später angerufene Prozeßgericht übergehen. In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und im Schrifttum ist umstritten, ob die Zuständigkeit des ursprünglich nach § 486 Abs. 2 Satz 1 ZPO angerufenen Gerichts bereits mit der Einreichung einer denselben Gegenstand betreffenden Klage, mit der Beiziehung der Akten durch das Prozeßgericht zu Beweiszwekken (so Werner/Pastor, Bauprozeß, 10. Aufl., Rdn. 73; Fischer MDR 2001, 608, 612; in gleicher Richtung OLG München, Beschluß vom 20. Oktober 1981 - 25 W 1958/81, OLGZ 1982, 200) oder erst mit Abschluß der Beweisaufnahme endet (so Zimmermann, ZPO, 6. Aufl., § 486, Rdn. 2, wohl auch Thomas /Putzo/Reichold, ZPO, 25. Aufl., § 486, Rdn. 5).
d) Maßgebend ist der Zeitpunkt der Beiziehung der Akten zu Beweiszwecken durch das Prozeßgericht. Das selbständige Beweisverfahren soll vor allem die Vermeidung oder rasche Erledigung von Rechtsstreitigkeiten fördern und damit der Prozeßwirtschaftlichkeit dienen. Diesem Zweck entspricht es, das
Verfahren möglichst bei dem zunächst angerufenen Gericht abzuschließen. Erst dann, wenn das Gericht der Hauptsache seinerseits eine Beweisaufnahme für erforderlich hält und deshalb die Akten des selbständigen Beweisverfahrens beizieht, geht die Zuständigkeit jedenfalls im Umfang der vom Gericht der Hauptsache für erforderlich gehaltenen Beweisaufnahme auf dieses über.
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