Bundesgerichtshof Beschluss, 03. März 2009 - VIII ZR 247/08

bei uns veröffentlicht am03.03.2009
vorgehend
Amtsgericht Iserlohn, 40 C 318/07, 23.04.2008
Landgericht Hagen, 10 S 93/08, 13.08.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR 247/08
vom
3. März 2009
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. März 2009 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, die Richter Dr. Wolst und Dr. Frellesen sowie die
Richterinnen Dr. Milger und Dr. Hessel

beschlossen:
Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Gründe:

1
1. Die Beklagte zu 1 war seit 1990 Mieterin einer Wohnung im Haus der dort auch selbst mit ihrer Familie wohnenden Klägerin in I. , die sie zusammen mit ihrer Tochter, der Beklagten zu 2, bewohnte. Mit Schreiben vom 31. Juli 2006 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis zum 30. April 2007 mit der Begründung, sie wolle die Wohnung dem Bruder ihres Ehemannes und dessen Ehefrau sowie zwei minderjährigen Kindern zur Verfügung stellen; es bestehe zwischen den Familien ein besonders enger persönlicher Kontakt und deshalb ein Wunsch nach größerer Nähe, die sich durch einen Einzug in die bislang von den Beklagten inne gehaltene Wohnung verwirklichen lasse.
2
Das Amtsgericht hat der Räumungsklage stattgegeben, das Landgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision haben die Beklagten geltend gemacht, dass das Berufungsgericht zu Unrecht einen „besonders engen Kontakt“ zwischen der Klägerin und ihrem Schwager bzw. dessen Familie und eine „moralische Verpflichtung und sittliche Verantwortung“ der Klägerin, für den Wohnbedarf ihres Schwagers Sorge zu tragen, angenommen und deshalb den von der Klägerin geltend gemachten Eigenbedarf für begründet erachtet habe.
3
Nachdem die Beklagten im Laufe des Revisionsverfahrens aus der streitgegenständlichen Wohnung ausgezogen sind, hat die Klägerin - mit Zustimmung der Beklagten - den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
4
2. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war über die Kosten gemäß § 91a ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Hiernach waren die Kosten des Rechtsstreits den Beklagten aufzuerlegen.
5
Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit der in der Literatur und der Rechtsprechung der Instanzgerichte überwiegend vertretenen Auffassung zutreffend davon ausgegangen, dass der Wohnbedarf eines Schwagers des Vermieters Eigenbedarf zumindest dann begründen kann, wenn ein besonders enger Kontakt besteht (vgl. LG Frankfurt, NJOZ 2005, 3197; OLG Braunschweig , NJW-RR 1994, 597 (Cousine); MünchKommBGB/Häublein, 5. Aufl., § 573 Rdnr. 78; vgl. ferner Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 9. Auflage, § 573 BGB Rdnr. 51 f. m.w.N.). Einen solch engen Kontakt hat das Berufungsgericht nach persönlicher Anhörung der Parteien in tatrichterlicher Würdigung rechtsfehlerfrei bejaht.
Ball Dr.Wolst Dr.Frellesen
Dr.Hessel Dr.Milger

Vorinstanzen:
AG Iserlohn, Entscheidung vom 23.04.2008 - 40 C 318/07 -
LG Hagen, Entscheidung vom 13.08.2008 - 10 S 93/08 -

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Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91a Kosten bei Erledigung der Hauptsache


(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksich

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 573 Ordentliche Kündigung des Vermieters


(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen. (2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des
Bundesgerichtshof Beschluss, 03. März 2009 - VIII ZR 247/08 zitiert 2 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91a Kosten bei Erledigung der Hauptsache


(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksich

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 573 Ordentliche Kündigung des Vermieters


(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen. (2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des

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Amtsgericht Gelsenkirchen Urteil, 05. Juli 2016 - 210 C 88/16

bei uns veröffentlicht am 05.07.2016

Tenor 1)      Die Klage wird abgewiesen. 2)      Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. 3)      Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. 4)      Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 600,00 EUR    abwenden, wenn

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(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn

1.
der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,
2.
der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder
3.
der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.

(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.

(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.