Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Apr. 2012 - XI ZB 4/11

bei uns veröffentlicht am17.04.2012
vorgehend
Landgericht Mannheim, 11 O 339/09, 07.09.2010
Oberlandesgericht Karlsruhe, 17 U 213/10, 07.02.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 4/11
vom
17. April 2012
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Dr. Joeres,
Dr. Grüneberg, Maihold, Dr. Matthias und Pamp
am 17. April 2012

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 7. Februar 2011 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert beträgt 47.946,70 €.

Gründe:

I.

1
Der Kläger nimmt die beklagte Bank auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Wertpapieren in Anspruch.
2
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 20. September 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger fristgerecht Berufung eingelegt. Die vom 22. November 2010, einem Montag, datie- rende zwölfseitige Berufungsbegründung übermittelte der Klägervertreter vorab mittels Telefax an das Berufungsgericht. Der bei den Gerichtsakten befindliche Faxausdruck trägt Aufdrucke des Absendegerätes mit dem Datum des 23. November 2010 sowie Uhrzeitangaben von 00:49 Uhr (Seite 1) bis 00:51 Uhr (Seite 12). Datums- und Uhrzeitaufdrucke des Empfangsgeräts des Berufungsgerichts weist die Faxkopie wegen einer ab dem 22. November 2010 bestehenden mehrtägigen Störung dieses Geräts nicht auf. Das Original der Berufungsbegründung ging am 24. November 2010 bei Gericht ein.
3
Mit Verfügung vom 24. November 2010 hat das Berufungsgericht den Kläger darauf hingewiesen, dass die Berufungsbegründung am 23. November 2010 per Telefax eingegangen sei, und mit Verfügung vom 13. Dezember 2010 ergänzend mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
4
Der Kläger hat demgegenüber geltend gemacht, die Berufungsbegründung sei am 22. November 2010 vor 24:00 Uhr und daher rechtzeitig bei dem Berufungsgericht eingegangen. Hierzu hat er vorgetragen, der seinem Prozessbevollmächtigten vorliegende Sendebericht weise zwar als Eingang des Telefaxes bei dem Berufungsgericht ebenfalls den 23. November 2010, 00:49 Uhr, aus. Sein Prozessbevollmächtigter sei sich aber sicher, dass die Faxübertragung am 22. November 2010 vor 24:00 Uhr beendet gewesen sei, weil ihm noch vor 24:00 Uhr der Sendebericht vorgelegen habe. Nach dem Ausdruck des Sendeberichtes habe der Prozessbevollmächtigte auf die schräg gegenüber dem Faxgerät in etwa 1,50 m Entfernung an der Wand hängende und bequem einzusehende Funkuhr geschaut; danach sei es deutlich vor 24:00 Uhr gewesen. Die Funkuhr habe seit Jahren keine Ungenauigkeiten gezeigt und ein nach dem hier streitigen Vorfall über das Internet durchgeführter Abgleich der Funkuhr mit der Atomuhr habe eine sekundengenaue Überein- stimmung beider Uhren ergeben. Um 00:49 Uhr sei der Prozessbevollmächtigte bereits zu Hause gewesen.
5
Nach Bekanntwerden des Vorgangs in der Kanzlei habe eine Mitarbeiterin erklärt, am 24. November 2010 festgestellt zu haben, dass das Faxgerät eine falsche Uhrzeit angebe. Sie habe daraufhin die Uhr des Faxgeräts - in Orientierung an der Funkuhr - um 53 Minuten zurückgestellt. Die Übermittlung der Berufungsbegründung per Telefax sei deshalb tatsächlich 53 Minuten früher erfolgt als Sendebericht und Faxaufdruck dies auswiesen. Die Vorlage eines entsprechenden Einzelverbindungsnachweises sei nach der - zu den Gerichtsakten gereichten - schriftlichen Auskunft des zuständigen Providers für Verbindungen zu einer Festnetznummer wie derjenigen des Berufungsgerichts nicht möglich, weil bei der von der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten gewählten Flatrate solche Verbindungen nicht registriert würden. Als Erklärung der falschen Uhrzeitangabe im Faxgerät könne nur darauf verwiesen werden, dass die Zeitumstellung am 31. Oktober 2010 nicht mit vollzogen worden sei, so dass die Uhr am 22. November 2010 noch immer die Sommerzeit angezeigt habe. Wegen der Differenz von 7 Minuten zum einstündigen Unterschied zwischen Sommer- und Winterzeit sei auf die "normale" Ungenauigkeit, mit der bei einer Faxuhr immer gerechnet werden müsse, zu verweisen.
6
Hilfsweise hat der Kläger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.
7
Zur Glaubhaftmachung seines Vorbringens hat er sich auf die anwaltliche Versicherung seines Prozessbevollmächtigten und die eidesstattliche Versicherung einer Mitarbeiterin der Anwaltskanzlei bezogen sowie in verschiedener Hinsicht Zeugen- bzw. Sachverständigenbeweis angetreten.
8
Das Berufungsgericht hat die Berufung unter gleichzeitiger Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die fristwahrende Übermittlung der Berufungsbegründung lasse sich nicht feststellen. Der Vorgang könne nicht weiter aufgeklärt werden, da insbesondere ein Empfangsprotokoll des gerichtlichen Faxgeräts nicht vorliege. Dies müsse zu Lasten des für die Fristwahrung beweisbelasteten Klägers gehen, in dessen Sorgfalts- und Nachweisbereich die Ungewissheit der rechtzeitigen Übermittlung falle.
9
Auf das Empfangsjournal könne der Kläger sich nicht beziehen, da das Telefaxgerät des Oberlandesgerichts an dem fraglichen Tag gestört gewesen sei. Der rechtzeitige Zugang könne auch nicht durch einen Einzelverbindungsnachweis des gerichtlichen Telekommunikationsdienstleisters nachgewiesen werden. Das Berufungsgericht habe sich hierum bemüht, jedoch die Auskunft der zuständigen Staatszentrale erhalten, dass ein Zeitnachweis für eingehende Nachrichten nicht möglich sei.
10
Der Uhrzeitaufdruck des Sendegeräts weise als Sendezeit Dienstag, den 23. November 2010, 00:49 Uhr, aus. Demnach sei der Empfang der Faxnachricht erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erfolgt.
11
Ohne Erfolg mache der Kläger geltend, dass das Faxgerät seines Prozessbevollmächtigten zum maßgeblichen Zeitpunkt 53 Minuten vorgegangen sei. Der Berufungssenat vermöge aus den eidesstattlichen Versicherungen des Prozessbevollmächtigten und der Kanzleimitarbeiterin nicht die vom Kläger gewünschte Schlussfolgerung zu ziehen. Der Nachweis des Eingangs bei Gericht noch am 22. November 2010 sei damit nicht geführt.
12
Dass die Uhrzeitanzeige des Faxgeräts noch am 22. November 2010 den Stand vor der am 31. Oktober 2010 erfolgten Zeitumstellung ausgewiesen haben solle, setze voraus, dass das Kanzleipersonal über drei Wochen die Zeitdifferenz nicht bemerkt habe. Das erscheine ausgeschlossen. Die auf dem Display ersichtliche falsche Uhrzeit müsse schon viel früher aufgefallen sein. Dabei könne durchaus davon ausgegangen werden, dass die betreffende Kanzleimitarbeiterin am 24. November 2010 die falsche Zeitangabe bemerkt und unverzüglich korrigiert habe. Die Möglichkeit einer Manipulation an der Uhrzeitangabe des Sendegeräts sei nach dem Ablauf der Dinge nicht ausgeräumt. Nach den kanzleiinternen Vorgängen erscheine es möglich, dass ein Kanzleimitarbeiter im fraglichen Zeitraum in Kenntnis der Fristüberschreitung die Uhr im Faxgerät wieder vorgestellt habe und dies alsbald von der Mitarbeiterin bemerkt worden sei.
13
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei unbegründet.
14
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers, mit der er sich lediglich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht den Nachweis der Fristwahrung nicht als geführt angesehen hat.

II.

15
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
16
1. Die kraft Gesetzes (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), weil der angefochtene Beschluss den Kläger in seinem Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) sowie in seinem verfas- sungsrechtlich garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.
17
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Jedenfalls aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen durfte das Berufungsgericht die Berufung des Klägers nicht mit der Begründung nach § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verwerfen, die Berufungsbegründung sei nicht bis zum Ablauf des 22. November 2010 - und damit verspätet - eingereicht worden.
18
a) Das Berufungsgericht hat nach § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Bei der Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels gilt, auch soweit es um die Rechtzeitigkeit der Begründung geht, der so genannte Freibeweis. Danach ist das Gericht weder von einem Beweisantritt der Parteien abhängig noch auf die gesetzlichen Beweismittel beschränkt. Im Rahmen des Freibeweises können deshalb grundsätzlich auch eidesstattliche Versicherungen berücksichtigt werden. Eine eidesstattliche Versicherung reicht allerdings für sich genommen regelmäßig nicht zum Nachweis der Fristwahrung aus, da sie lediglich auf Glaubhaftmachung angelegt ist, für die schon eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des behaupteten Geschehensablaufs genügt. Die Rechtzeitigkeit des Eingangs der Berufungsbegründung muss indessen - wie auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels - zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen werden; an die Überzeugungsbildung werden insoweit keine geringeren oder höheren Anforderungen gestellt als sonst (BGH, Beschlüsse vom 16. Januar 2007 - VIII ZB 75/06, NJW 2007, 1457 Rn. 8 ff. mwN und vom 15. September 2005 - III ZB 81/04, NJW 2005, 3501). Hiernach etwa verbleibende Zweifel gehen zu Lasten des Rechtsmittelführers, der zu beweisen hat, dass er die Berufung rechtzeitig begründet hat (BGH, Beschluss vom 24. Juli 2003 - VII ZB 8/03, NJW 2003, 3487; Senatsbeschluss vom 15. September 2009 - XI ZB 29/08, juris Rn. 12).
19
b) Für die Rechtzeitigkeit des Eingangs eines per Telefax übersandten Schriftsatzes kommt es allein darauf an, ob die gesendeten Signale bei Ablauf des letzten Tages der Frist - hier also am 22. November 2010 bis 24:00 Uhr - vom Telefaxgerät des Gerichts vollständig empfangen, d.h. gespeichert worden sind (BGH, Beschlüsse vom 25. April 2006 - IV ZB 20/05, BGHZ 167, 214 Rn. 18, vom 8. Mai 2007 - VI ZB 74/06, NJW 2007, 2045 Rn. 12, vom 15. September 2009 - XI ZB 29/08, juris Rn. 16 und vom 18. November 2010 - I ZB 62/10, juris Rn. 5). Die Eingangszeit ist dabei nach der gesetzlichen Zeit gemäß § 4 i.V.m. § 6 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über die Einheiten im Messwesen und die Zeitbestimmung (Einheiten- und Zeitgesetz - EinhZeitG) i.d.F. durch Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes vom 3. Juli 2008 (BGBl. I S. 1185), das mit Wirkung vom 12. Juli 2008 an die Stelle des früheren Gesetzes über die Zeitbestimmung (Zeitgesetz) getreten ist, zu beurteilen, wofür grundsätzlich den Auskünften des Telekommunikationsunternehmens aus den Aufzeichnungen über die Dauer zeitabhängiger Verbindungen wesentliche Bedeutung zukommt (Senatsbeschluss vom 15. September 2009 - XI ZB 29/08, juris Rn. 12).
20
c) Hiernach erweist sich die Annahme des Berufungsgerichts, eine fristwahrende Übermittlung der Berufungsbegründung vom 22. November 2010 an das Oberlandesgericht lasse sich nicht feststellen, zumindest aufgrund der bislang erfolgten Sachaufklärung als nicht tragfähig.
21
aa) Für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist davon auszugehen, dass weder für das Absendegerät des Prozessbevollmächtigten des Klägers noch für das gerichtliche Empfangsgerät Einzelverbindungsnachweise zur Verfügung stehen und wegen einer im fraglichen Zeitraum bestehenden Störung dieses Geräts auch kein automatischer Uhrzeitaufdruck der Empfangszeit auf dem Faxausdruck erfolgt ist. Nicht zweifelsfrei geklärt erscheint hiernach freilich, ob die betreffende Störung des Empfangsgeräts lediglich den Aufdruck der Eingangsdaten auf dem Faxaufdruck als solchen oder auch schon die interne Speicherung dieser Daten im Gerät betraf, so dass auch deren "Auslesen" - etwa durch Ausdruck eines sämtliche Eingangsdaten eines bestimmten Zeitraums zusammenfassenden Faxjournals oder auf andere Weise - nicht erfolgte bzw. nicht möglich war. Insbesondere die bei den Gerichtsakten befindliche E-Mail betreffend eine telefonische Auskunft der Staatszentrale enthält hierzu keine Erkenntnisse.
22
bb) Die Rechtsbeschwerde macht geltend, die auf eine mögliche Manipulation der Uhrzeitanzeige des Sendegeräts abstellende Schlussfolgerung des Berufungsgerichts - das seiner Entscheidung zufolge von einer zwischen dem 31. Oktober und dem 22. November 2010 bereits erfolgten Umstellung von Sommer- auf Winterzeit an dem Sendegerät ausgegangen sei - sei derart spekulativ und verwickelt, dass sie nicht Grundlage einer ordnungsgemäßen Würdigung des klägerischen Sachvortrags sein könne. Das Berufungsgericht habe bereits übersehen, dass bei einer unterstellten Absendung des Telefaxes nach Mitternacht die "einfachste" Manipulation darin bestanden habe, die Uhrzeitanzeige des Sendegerätes vor der Übermittlung des Schriftsatzes an das Gericht um eine Stunde zurückzusetzen, so dass in der Kopfzeile des Ausdrucks das Datum des 22. November 2010 erschienen wäre. Gegen die stattdessen vom Berufungsgericht für möglich gehaltene Manipulation erst im Nachhinein spreche entscheidend, dass der Absender zu diesem Zeitpunkt nicht habe wissen können, dass das Empfangsgerät die Eingangszeit nicht aufdruckte und von den beteiligten Telekommunikationsdienstleistern auch keine Einzelverbindungsnachweise zu erlangen waren. Ein Vorstellen der Sendezeit nach Absendung des Telefaxes, damit der betreffende Fehler am übernächsten Morgen - nach dem Klägervortrag am 24. November 2010 - einer Sekretärin auffalle, die sodann eine bislang unterbliebene Zeitumstellung auf die Winterzeit bezeugen solle, erscheine ex ante nicht als erfolgversprechender Manipulationsversuch.
23
Zudem habe das Berufungsgericht im Rahmen der von Amts wegen gebotenen Prüfung den Inhalt der Gerichtsakten nicht vollständig zur Kenntnis genommen. Insbesondere habe es übersehen, dass bei der gleichfalls mittels Telefax erfolgten Übersendung der Berufungsschrift am 20. Oktober 2010 (Sendezeit: 17:25 Uhr, Empfangszeit: 17:30 Uhr) die Sommerzeit annähernd richtig eingestellt gewesen sei und sich hieran bei der Telefax-Übermittlung eines Empfangsbekenntnisses an das Landgericht am 2. November 2010 (Sendezeit : 16:53 Uhr, Empfangszeit: 16:02 Uhr) fehlerhafter Weise noch nichts geändert gehabt habe.
24
cc) Ob diese Ausführungen - einschließlich der im Rechtsbeschwerdeverfahren ergänzend vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen aller in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Klägers tätigen Rechtsanwälte und Mitarbeiterinnen zur Frage einer etwa vor dem 24. November 2010 erfolgten Umstellung des Faxgeräts von Sommer- auf Winterzeit - geeignet sind, die in tatrichterlicher Würdigung des Streitstoffs gewonnene Annahme des Berufungsgerichts , eine (nachträgliche) Manipulation des Sendegerätes sei nicht auszuschließen, durchgreifend in Zweifel zu ziehen, kann im Ergebnis auf sich beruhen. Denn diebetreffende Annahme vermag die Verwerfung der Berufung jedenfalls aus einem anderen Grunde zumindest derzeit nicht zu rechtfertigen:
25
(1) Der Kläger hat auf die Hinweise des Berufungsgerichts zur Verfristung der Berufungsbegründung mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2010 auch vorgetragen, sein Prozessbevollmächtigter sei sich "ganz sicher", dass die Telefax -Übertragung noch am 22. November 2010 vor 24:00 Uhr beendet gewe- sen sei, weil vor diesem Zeitpunkt bereits der Sendebericht vorgelegen habe. Nach dem Ausdruck des Sendeberichtes habe der Prozessbevollmächtigte auf die in dem betreffenden Büroraum befindliche Funkuhr geschaut, wonach es "deutlich" vor 24:00 Uhr gewesen sei. Ein aufgrund der gerichtlichen Hinweise in dieser Sache erfolgter Abgleich der Funkuhr mit der Atomuhr habe eine sekundengenaue Übereinstimmung ergeben. Die Richtigkeit dieser Sachdarstellung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers anwaltlich versichert.
26
(2) Dieser Sachverhalt ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen mit der vom Berufungsgericht für nicht ausgeräumt erachteten Möglichkeit einer nachträglichen Manipulation der Uhrzeitanzeige des Sendegeräts nicht in Einklang zu bringen. Wenn bei Ausdruck des Sendeberichts, d.h. also nach Abschluss des Sendevorgangs, die Funkuhr die - mangels gegenteiliger Anhaltspunkte - zutreffende tatsächliche Uhrzeit "deutlich" vor 24:00 Uhr anzeigte, dann kann jedenfalls nach derzeitigem Sach- und Streitstand nicht ausgeschlossen werden, dass die vom Sendegerät der Prozessbevollmächtigten des Klägers versendeten Signale auch bereits vor 24:00 Uhr vom Empfangsgerät des Berufungsgerichts vollständig empfangen (gespeichert) waren. In diesem Falle wäre für die vom Berufungsgericht auf der Grundlage des übrigen Klägervortrags für möglich erachtete nachträgliche Manipulation der Zeitangabe kein Raum.
27
Anders als die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint, steht dem nicht von vornherein entgegen, dass die von der Rechtsbeschwerde an anderer Stelle in Bezug genommene Telefax-Übermittlung eines Empfangsbekenntnisses von der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Klägers an das Landgericht für den 2. November 2010 einen Zeitunterschied von lediglich 51 Minuten (Sendezeit : 16:53 Uhr, Empfangszeit: 16:02 Uhr) belegt, so dass - da der Faxausdruck der letzten Seite der Berufungsbegründung vom 22. November 2010 die Sen- dezeit "00:51 Uhr" ausweist - die vollständige Begründungsschrift nicht vor dem 23. November 2010, 0:00 Uhr, bei Gericht eingegangen sein könne, was schon verspätet sei (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 8. Mai 2007 - VI ZB 74/06, NJW 2007, 2045 Rn. 12). Denn nach dem durch das Zeugnis einer Kanzleimitarbeiterin unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers ging die Uhr des Sendegeräts an dem auf den 22. November 2010 folgenden übernächsten Tag, am 24. November 2010, im Abgleich mit der Funkuhr um 53 Minuten vor. Bei einer solchen Zeitdifferenz ist die noch fristgerechte Übermittlung grundsätzlich möglich.
28
(3) Die angefochtene Entscheidung lässt - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt - nicht erkennen, dass das Berufungsgericht den vorstehenden Sachvortrag in seine Erwägungen einbezogen bzw. aus welchen Gründen es ihn ggf. für unbeachtlich gehalten hat (Art. 103 Abs. 1 GG). Sofern die Formulierung in der angefochtenen Entscheidung, das Berufungsgericht vermöge "aus den eidesstattlich versicherten Darstellungen des Prozessbevollmächtigten und der Mitarbeiterin H. nicht die vom Kläger gewünschte Schlussfolgerung zu ziehen", auch in dem Sinne gemeint sein sollte, dass allein die bloße anwaltliche Versicherung des betreffenden Geschehens nicht geeignet sei, um den vollen Beweis für die fristgerechte Einreichung der Berufungsbegründung zu erbringen, hätte das Berufungsgericht darin auch ein Angebot zur Vernehmung des Anwalts als Zeugen sehen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Dezember2011 - VII ZB 35/11 Rn. 10 mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen), jedenfalls die Parteien darauf hinweisen und ihnen Gelegenheit geben müssen, Zeugenbeweis anzutreten oder auf andere Beweismittel zurückzugreifen (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 16. Januar 2007 - VIII ZB 75/06, NJW 2007, 1457 Rn. 11 mwN). Im vorliegenden Falle wäre nach Lage der Dinge vor allem eine zeugenschaftliche Benennung des vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers in Betracht zu ziehen gewesen (vgl. BGH aaO), den der Kläger - wie die Rechtsbeschwerde ausdrücklich geltend macht - im Falle eines gerichtlichen Hinweises auch zu den in Rede stehenden Umständen benannt hätte.
29
(4) Entgegen der Rechtsbeschwerdeerwiderung war ein entsprechender Hinweis hier nicht allein schon deshalb entbehrlich, weil das Berufungsgericht dem Kläger mit Verfügung vom 12. Januar 2011 aufgegeben hatte, "durch Vorlage eines Einzelverbindungsnachweises bezüglich des in Rede stehenden Faxschreibens seinen Vortrag weiter zu belegen und zum Grund des falschen Uhrzeitaufdrucks (Uhrzeit des Sendegeräts) näher vorzutragen". Der Kläger - der der gerichtlichen Auflage durch Vorlage des Schreibens der Kundenbetreuung vom 15. Januar 2011 sowie durch den Vortrag, die Zeitdifferenz sei nur durch den unterbliebenen Vollzug der Zeitumstellung zu erklären, nachgekommen ist - musste aufgrund dieses Hinweises, in dem ausdrücklich von einem "falschen Uhrzeitaufdruck[s]" die Rede war, nicht damit rechnen, das Berufungsgericht werde sodann seiner Entscheidung - gerade umgekehrt - zugrunde legen, der Uhrzeitaufdruck des Sendegeräts sei zutreffend. Er hatte deshalb keine Veranlassung, seinen zum Zeitpunkt des gerichtlichen Hinweises vom 12. Januar 2011 bereits erfolgten Sachvortrag betreffend den Blick auf die Funkuhr und deren späteren Abgleich mit der Atomuhr, dessen Richtigkeit sein Prozessbevollmächtigter ebenfalls schon anwaltlich versichert hatte, für unzureichend , geschweige denn insoweit über diese Versicherung hinaus den Antritt des Zeugenbeweises für erforderlich zu halten.
30
3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts kann nach alledem keinen Bestand haben. Da es noch weiterer tatsächlicher Aufklärung bedarf, ist die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
31
Die weitere Sachaufklärung gibt insbesondere auch Gelegenheit, der Frage nachzugehen, ob in anderen Verfahren als dem vorliegenden unmittelbar vor dem 22. November 2010 - als die Störung des gerichtlichen Empfangsgeräts betreffend den Aufdruck der Eingangszeit noch nicht bestand - bei dem Berufungsgericht Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten des Klägers eingegangen sind, die die hier in Rede stehende zeitliche Divergenz zum Sendezeitpunkt aufweisen; auf der Grundlage des Klägervortrags müsste dies der Fall sein. Da die Prozessbevollmächtigten des Klägers in L. ansässig sind, liegt die Annahme zumindest nicht fern, dass sie zum fraglichen Zeitpunkt auch in weiteren Verfahren bei dem Berufungsgericht tätig waren und Schriftsätze (mittels Telefax) eingereicht haben.
32
In seine abschließende Würdigung wird das Berufungsgericht auch den erklärungsbedürftigen Umstand einzubeziehen haben, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers, der nach dem Klägervortrag einerseits einen - bislang nicht bei den Gerichtsakten befindlichen - Sendebericht erhalten hat, wonach der Eingang des Telefaxes bei dem Berufungsgericht eindeutig verspätet erfolgte, andererseits bei Ausdruck eben dieses Berichts gesehen haben will, dass die Funkuhr eine hiervon abweichende Uhrzeit "deutlich" vor Mitternacht anzeigte, dieser Divergenz offenbar seinerzeit keinerlei Bedeutung beigemessen hat.
33
Die umfassende Ausschöpfung der dem Berufungsgericht zu Gebote stehenden Erkenntnismöglichkeiten erscheint hier nicht zuletzt auch deshalb unerlässlich, weil - ungeachtet der grundsätzlich den Kläger treffenden Beweislast - die bestehende Unsicherheit hinsichtlich der zutreffenden Eingangsdaten zumindest auch auf einem Defekt des gerichtlichen Empfangsgeräts beruht.
Joeres Grüneberg Maihold Matthias Pamp

Vorinstanzen:
LG Mannheim, Entscheidung vom 07.09.2010 - 11 O 339/09 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 07.02.2011 - 17 U 213/10 -

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XI ZB 14/15 vom 19. Januar 2016 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2016:190116BXIZB14.15.0 Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Januar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ellenberger, die Richter Dr. G

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Nov. 2013 - II ZB 16/12

bei uns veröffentlicht am 19.11.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZB 16/12 vom 19. November 2013 in dem Rechtsstreit Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. November 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, den Richter Prof. Dr. Strohn, die Richterin Dr.

Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 27. Aug. 2012 - 12 U 32/12

bei uns veröffentlicht am 27.08.2012

Tenor Der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen. Die Berufung des Beklagten gegen das am 26. Januar 2012 verkündete Einzelrichterurteil der 6. Zivi

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

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Das Berufungsgericht hat nach § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Bei der Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels gilt, auch soweit es um die Rechtzeitigkeit der Begründung des Rechtsmittels geht, der so genannte Freibeweis (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999 - VI ZB 30/99, NJW 2000, 814, unter II 2 m.w.Nachw.). Danach ist das Gericht weder von einem Beweisantritt der Parteien abhängig noch auf die gesetzlichen Beweismittel beschränkt (Senatsbeschluss vom 30. Januar 1991 - VIII ZB 44/90, VersR 1991, 896, unter II 2 b m.w.Nachw.). Im Rahmen des Freibeweises können deshalb auch eidesstattliche Versicherungen berücksichtigt werden (BGH, Beschluss vom 27. Mai 2003 - VI ZB 77/02, NJW 2003, 2460, unter II 2; BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999, aaO, jeweils m.w.Nachw.).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 81/04
vom
15. September 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum im Wege des Freibeweises zu führenden Nachweis, dass die Prozesshandlung
- entgegen dem Eingangsstempel des angegangenen Gerichts - rechtzeitig erfolgt
ist.
BGH, Beschluss vom 15. September 2005 - III ZB 81/04 - LG Essen
AG Essen
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. September 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr
und Galke

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 26. November 2004 - 10 S 284/04 - wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsbeschwerderechtszuges zu tragen.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 1.197,12 €.

Gründe:


I.


Das klageabweisende Urteil des Amtsgerichts ist der Kläger in am 15. Juni 2004 zugestellt worden. Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht Berufung eingelegt. Die an sich am 16. August 2004 endende Frist zur Begründung der Berufung ist antragsgemäß bis zum 16. September 2004 verlängert worden. Die Klägerin hat die Berufung mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtig-
ten vom 16. September 2004 begründet; dieser Schriftsatz trägt den Eingangsstempel
"Landgericht Essen <= Berufungsgericht> Eing 17. SEP. 2004 N …"
Das Berufungsgericht hat den Prozessbevollmächtigten der K lägerin am 20. September 2004 darauf hingewiesen, die Berufungsbegründung sei am 17. September 2004, "mithin nach Fristablauf, eingegangen". Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat daraufhin vorgetragen und an Eides Statt versichert , der am 16. September 2004 ausgefertigte Berufungsbegründungsschriftsatz sei von ihm unter dem gleichen Datum auf dem Nachhauseweg in der Zeit zwischen 18.00 und 19.00 Uhr in den Notfristbriefkasten des Berufungsgerichts geworfen worden. Zugleich hat er - aus denselben Gründen - hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beantragt. Das Berufungsgericht hat eine dienstliche Äußerung der Wachtmeisterei eingeholt. Es hat diese und einen Abdruck der mit dem Eingangsstempel versehenen ersten Seite der Berufungsbegründung dem Vertreter der Klägerin zugeleitet und darauf hingewiesen, der Eingangsstempel weise den Zusatz "N" auf. Die eingehende Post werde dergestalt präsentiert , dass die bis mittags vorgelegte Post einen Eingangsstempel mit dem Zusatz "V" erhalte. Ab Mittag werde der Stempel umgestellt; dann erscheine neben dem Datum der Zusatz "N" als Symbol dafür, dass die Post erst nachmittags eingegangen sei. Der Anwalt der Klägerin hat daraufhin im Wesentlichen wiederholt, er habe den Schriftsatz vom 16. September 2004 noch an diesem Tag in den Fristbriefkasten des Berufungsgerichts eingeworfen.
Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgew iesen und die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.


Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Zwar ist die in förmli cher Hinsicht nicht zu beanstandende Rechtsbeschwerde statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist aber nicht im Übrigen zulässig, weil Zulassungsgründe nicht vorliegen (§ 574 Abs. 2 i.V.m. § 577 Abs. 1 Satz 2 ZPO analog; vgl. Zöller/Gummer, ZPO 25. Aufl. 2005 § 574 Rn. 11).
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert i m Streitfall die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Weder hat das Berufungsgericht Verfahrensgrundrechte der Klägerin verletzt noch grundlegend die Möglichkeit verkannt, den Gegenbeweis im Sinne des § 418 Abs. 2 ZPO und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu führen.
Die rechtzeitige Vornahme einer Prozesshandlung - hier die Rechtzeitigkeit der Berufungsbegründung - wird im Regelfall durch den Eingangsstempel des angegangenen Gerichts auf dem entsprechenden Schriftsatz nachgewiesen (§ 418 Abs. 1 ZPO). Der im Wege des Freibeweises zu führende Gegenbeweis ist aber zulässig (§ 418 Abs. 2 ZPO). Er erfordert mehr als bloße Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO). Notwendig ist die volle Überzeugung des Gerichts von dem rechtzeitigen Eingang, wobei allerdings die Anforderungen wegen der Beweisnot des Berufungsführers hinsichtlich gerichtsinterner Vorgänge nicht überspannt werden dürfen (st. Rspr., z.B. Senatsbeschluss vom 14. Juli
1987 - III ZB 20/87 - BGHR ZPO § 418 Abs. 2 Eingangsstempel 1; BGH, Beschlüsse vom 7. Oktober 1992 - XII ZB 100/92 - FamRZ 1993, 313, 314, vom 27. November 2002 - VIII ZB 45/02 - NJOZ 2003, 329, 330 und vom 14. Oktober 2004 - VII ZR 33/04 - NJW-RR 2005, 75).
Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, durch den Eingangsstempel sei nachgewiesen, dass die Berufungsbegründungsschrift am Nachmittag des 17. September 2004, mithin nach Ablauf der am Donnerstag, dem 16. September 2004 endenden Frist zur Berufungsbegründung, eingegangen sei. Dem hat es die eidesstattliche Versicherung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegenübergestellt, wonach er den Schriftsatz in den frühen Abendstunden des 16. September 2004 in den Notfristbriefkasten des Berufungsgerichts eingeworfen habe, dies aber nicht für glaubhaft - geschweige denn für erwiesen - erachtet. Nicht auszuschließen sei zwar, dass bis 24.00 Uhr eingehende Post - hier die nach dem Vortrag der Klägerin am 16. September 2004 zwischen 18.00 und 19.00 Uhr eingeworfene Berufungsbegründung - aus Versehen den "Vormittagsstempel" des folgenden Tages ("17. September 2004 V") erhalte; wenig wahrscheinlich sei aber, dass sie - wie im Streitfall - erst den "Nachmittagsstempel" des folgenden Tages ("17. September 2004 N"), also die übernächste Einstellung des Stempels, erhalten haben könnte.
Gegen die Würdigung des Berufungsgerichts kann nicht ang eführt werden , es habe über die - allerdings karge - dienstliche Ä ußerung der Wachtmeisterei hinaus möglichen Gründen für eine fehlerhafte Stempelung nachgehen müssen. Dafür bot der Sachverhalt - anders als in den von der Rechtsbeschwerde herangezogenen Entscheidungen (BGH, Beschlüsse vom 14. Okto-
ber 2004 aaO, vom 5. Oktober 2000 - X ZB 13/00 - NJW-RR 2001, 571 und vom 7. Oktober 1992 aaO) - keinen hinreichenden Anhalt. Die Klägerin hat, nachdem ihr die dienstliche Stellungnahme zur Kenntnis gebracht worden war, selbst nicht geltend gemacht, dass der Nachtbriefkasten aus technischen Gründen nicht richtig funktioniert habe oder bei der Abstempelung Fehler unterlaufen sein könnten. Ihr Vorbringen erschöpfte sich im Grunde in der (eidesstattlich versicherten) Behauptung, ihr Prozessbevollmächtigter habe die Berufungsbegründungsschrift am 16. September 2004 in den Notfristbriefkasten des Berufungsgerichts eingeworfen. Trotz gerichtlichen Hinweises auf die Ausgestaltung der Präsentation mittels Vor- und Nachmittagsstempel erhärtete sie ihren Vortrag und die eidesstattliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten nicht, z.B. durch einen Vermerk ihres Prozessbevollmächtigten über die erfolgte "Zustellung" der Berufungsbegründung in dessen Handakten (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2004 aaO) oder durch einen entsprechenden Nachweis in dessen Postausgangsbuch (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2002 aaO S. 330 f).
Aus den vorgenannten Erwägungen ergibt sich, dass das Ber ufungsgericht zu Recht die Berufung als unzulässig verworfen hat. Wiedereinsetzungsgründe sind nicht ersichtlich.
Schlick Wurm Kapsa
Dörr Galke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 8/03
vom
24. Juli 2003
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Maßgeblich für die Zeitbestimmung, die erforderlich ist, um die Einhaltung von
prozessualen Fristen zu beurteilen, ist die gesetzliche Zeit im Sinne von §§ 1
und 2 des Gesetzes über die Zeitbestimmung vom 25. Juli 1978 (BGBl. I 1110,
ber. 1262).

b) Zur Bedeutung des Zeitnachweises in Abrechnungen von Telekommunikationsverbindungen
der Telekom für die Ermittlung der gesetzlichen Zeit, wenn die
Zeitangabe der Abrechnung von der Zeitangabe eines gerichtlichen Telefaxgerätes
abweicht.
BGH, Beschluß vom 24. Juli 2003 - VII ZB 8/03 - OLG München
LG München I
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juli 2003 durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Dressler und die Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Kuffer,
Prof. Dr. Kniffka und Bauner

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 20. Februar 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Gründe:


I.

1. Die Beklagte hat gegen ein Endurteil des Landgerichts M. Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung ist bis zum 9. Dezember 2002 verlängert worden. Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten hat die Berufung mit Telefax begründet. Nach seiner Behauptung ist das Fax am 9. Dezember 2002 um 23.58 Uhr beim Oberlandesgericht M. vollständig eingegangen. Zum Beleg hat er eine Abrechnung der Telekom übergeben, wonach mit der Sendung um 23:46:49 Uhr begonnen wurde und die Sendung 11:14 Minuten dauerte. Das Empfangsjournal des Oberlandesgerichts weist als Empfangsbeginn 23:53 Uhr, eine Sendedauer von 11:15 Minuten und als Ende des Ausdrucks 00:04 Uhr aus. Der Aufdruck auf der Kennung des Telefaxge-
rätes des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten weist als Sendebeginn 00:52 und als Sendeende 01:02 auf. Auf diesem Gerät war noch die Sommerzeit eingestellt. 2. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Berufung sei rechtzeitig eingegangen. Hilfsweise hat sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Die Bürokraft ihres Prozeßbevollmächtigten habe das Faxgerät ohne seine Kenntnis auf eine langsamere Datenübertragung umgestellt. Dieser habe das beim ersten Versuch, die Berufungsbegründung per Telefax zu übersenden , alsbald gemerkt, den Vorgang abgebrochen, das Gerät zurückgestellt und sodann die Berufungsbegründung vollständig übersandt. Eine eventuelle Überschreitung der Begründungsfrist sei auf das nicht autorisierte Verhalten der Bürokraft zurückzuführen und von der Beklagten bzw. ihrem Prozeßbevollmächtigten nicht zu vertreten.

II.

1. Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Die Berufung sei erst am 10. Dezember 2002 eingegangen. Das ergebe sich aus den Journalen sowohl des Faxgerätes des Oberlandesgerichts als auch des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten. Die Abrechnung der Telekom könne nicht überzeugen, weil es insoweit nur auf die Sendedauer, nicht aber auf die genaue Zeiterfassung des Vorgangs ankomme. Die Zeiten der Telekom stimmten auch nicht mit der Zeitangabe eines anderen Faxgerätes des Oberlandesgerichts überein. 2. Das Berufungsgericht hat auch den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Der Prozeßbevollmächtigte, der die Beru-
fungsbegründung in letzter Minute abgesendet habe, hätte sich von dem ordnungsgemäßen Funktionieren des Telefaxgerätes überzeugen müssen. Er hätte sich nicht darauf verlassen dürfen, daß Einstellungen noch vorhanden gewesen seien, die ca. 4 bis 5 Tage zuvor vorhanden waren.

III.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Die Sache hat grundsätzliche Bedeutung. Denn es ist zu klären, welche Anforderungen an die Ermittlung der Zeit zu stellen sind, die für die Einhaltung von Fristen maßgeblich ist. 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß es darauf ankommt , ob der vollständige Schriftsatz am 9. Dezember 2002 eingegangen ist. Eine Übermittlung ist durch Telefax möglich. Vorausgesetzt wird allerdings, daß das Fernschreiben unmittelbar von der Fernschreibestelle des Gerichts aufgenommen wird, daß es seinem Inhalt nach den Anforderungen entspricht, die die Prozeßordnung an bestimmende Schriftsätze stellt und daß es abschließend - als Ersatz der an sich erforderlichen, technisch aber nicht möglichen Unterschrift - den Namen des Erklärenden anführt (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluß vom 5. April 2000 - GmS-OBG 1/98, BGHZ 144, 160, 164).

b) Maßgebend ist dabei, ob der Inhalt des Telefaxes vollständig bis zur abschließenden Namenskennzeichnung am 9. Dezember 2002 eingegangen ist. Auf die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob die abschließende Namenskennzeichnung durch eine Unterschrift zu erfolgen hat, kommt es nicht an. Denn die Begründung ist unterschrieben. Die vom Berufungsgericht offen gelassene Frage, ob es auf den Eingang der elektronischen Signale oder den Ausdruck ankommt, stellt sich nach der Auskunft der Einlaufstelle des Oberlandesgerichts M. nicht. Danach erfolgt der Empfang der Sendung zeitgleich mit dem Ausdruck.
c) Ob ein Schriftsatz binnen einer bestimmten Frist eingegangen ist, richtet sich danach, ob er vor Beginn desjenigen Tages eingeht, der dem Fristende folgt. Dieser Tag beginnt um 00:00 Uhr. Maßgeblich ist die gesetzliche Zeit, denn im amtlichen und geschäftlichen Verkehr werden Datum und Uhrzeit nach der gesetzlichen Zeit verwendet. Die gesetzliche Zeit ist die mitteleuropäische Zeit. Diese wird von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt dargestellt und verwaltet, vgl. §§ 1 und 2 des Gesetzes über die Zeitbestimmung (ZeitG) vom 25. Juli 1978 (BGBl I S. 1110, ber. S. 1262).
d) Die Beklagte hat zu beweisen, daß die Berufung rechtzeitig begründet worden ist. Das Berufungsgericht hat von Amts wegen alle entscheidungserheblichen Umstände, wie sie sich aus dem Akteninhalt ergeben, zu prüfen (BGH, Urteil vom 14. März 2001 - XII ZR 51/99, ZIP 2001, 718, 719). Dem genügt die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts nicht. Es würdigt den Umstand , daß die Telekom in ihrer Abrechnung das Ende des Sendevorgangs mit 23:58 Uhr angegeben hat, nur unvollständig. Mangels entgegenstehender Feststellungen ist davon auszugehen, daß die Zeitangabe der Telekom auf ihrer Kundenabrechnung sich aus einer Zeit-
ermittlung ergibt, die unter regelmäßiger Abgleichung mit einem amtlichen Zeitnormal erfolgt. Die Telekom ist nach § 5 Nr. 1 der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung (TKV) vom 11. Dezember 1997 (BGBl. I 2910), geändert durch die Erste Verordnung zur Änderung der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung vom 14. April 1999 (BGBl. I 705), verpflichtet, bei der Abrechnung die Dauer zeitabhängig tarifierter Verbindungen von Telekommunikationsleistungen für die Öffentlichkeit unter regelmäßiger Abgleichung mit einem amtlichen Zeitnormal zu ermitteln. Diese Voraussetzungen für die Abrechnung sind durch ein Qualitätssicherungssystem sicherzustellen oder einmal jährlich durch vereidigte, öffentliche bestellte Sachverständige oder vergleichbare Stellen überprüfen zu lassen, § 5 Nr. 3 TKV. Diese Regelungen gewährleisten eine möglichst genaue Zeiterfassung. Es spricht deshalb alles dafür, daß eine nach diesen Grundsätzen ermittelte Sendezeit dem amtlichen Zeitnormal entspricht. Anderweitig ermittelte Uhrzeiten haben demgegenüber geringeren Beweiswert, wenn nicht dargelegt wird, daß sie sich ebenfalls vom amtlichen Zeitnormal ableiten. Es fehlen jegliche Feststellungen dazu, daß die Uhrzeiten, auf die das Berufungsgericht zurückgreift, sich vom amtlichen Zeitnormal ableiten. Insbesondere ist nicht festgestellt, daß die Uhren des Oberlandesgerichts M. in einer Weise mit dem amtlichen Zeitnormal verglichen werden, daß die von der Telekom angegebene Zeit dadurch erschüttert würde. Auch der Umstand, daß nicht nur die Uhr des Empfangsgerätes, sondern auch die eines anderen Gerätes und die Uhr des Sendegerätes andere Zeiten auswiesen als die von der Telekom angegebene Zeit, vermögen den Beweiswert der Telekomangaben nicht ohne weiteres zu erschüttern. Uhren, die sich nicht an dem amtlichen Zeitnormal orientieren, sind unzuverlässig. Das ist eine allgemeine Lebenserfahrung und zeigt sich auch daran, daß die Zeitangaben aller drei Uhren nicht übereinstimmen.
Die Überlegungen, mit denen das Berufungsgericht eine Heranziehung der in der Abrechnung der Telekom genannten Zeit zurückweist, sind nicht tragfähig. Sie setzen voraus, daß die Telekom trotz der ihr auferlegten Verpflichtung in der Abrechnung eine Zeitangabe aufnimmt, die der von ihr unter Abgleichung am amtlichen Zeitnormal ermittelten Zeit nicht entspricht. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Dagegen spricht die Verfügung 168/199 der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (Amtsblatt der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post 1999, 4101). Soweit das Berufungsgericht meint, für die Abrechnung komme es nur auf die Sendedauer, nicht aber auf die genaue Zeiterfassung an, kann ihm schon deshalb nicht gefolgt werden, weil es vom Zeitpunkt der Telekommunikationsdienstleistungen abhängige Tarife gibt, so daß auch der genaue Sendebeginn wichtig ist. Im übrigen hätte die Auffassung des Berufungsgerichts nur dann Überzeugungskraft, wenn die Telekom zwar die Zeitdauer nach dem vorgeschriebenen System erfassen würde, nicht aber den Sendeanfang oder das Sendeende oder wenn die Telekom zwar die Zeit der Verordnung entsprechend erfassen würde, diese Erfassung jedoch auf der Abrechnung nicht erschiene. Beides ist so fernliegend, daß es ohne eine weitere Aufklärung nicht unterstellt werden konnte. Nach dem augenblicklichen Stand des Verfahrens besteht eine hinreichende Sicherheit, daß die Berufungsbegründung um 23:58 Uhr beim Berufungsgericht eingegangen ist. Der Senat kann jedoch nicht abschließend entscheiden , so daß die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen wird. Soweit das Berufungsgericht seine Zweifel hinsichtlich der Zeitangaben in der Abrechnung trotz der im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgelegten Auskunft aufrecht erhält, wird es eine weitere Auskunft der Telekom einzuholen haben. Außerdem erhält das Berufungsgericht Gelegenheit, amtliche Auskünfte darüber einzuholen, wie die Zeitangaben auf den Telefaxgeräten des Gerichts zustande gekommen sind und ob gewährleistet ist, daß sie mit dem amtlichen Zeitnormal
übereinstimmen. Schließlich wird das Berufungsgericht den weiteren Einwendungen der Klägerin nachgehen können.

IV.

Soweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt worden ist, ist der Beschluß ebenfalls aufzuheben. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist hilfsweise gestellt worden. Eine Entscheidung ergeht nur, wenn die Berufung als unzulässig verworfen wird. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, daß er die Auffassung des Berufungsgerichts zum Wiedereinsetzungsantrag teilt.
Dressler Thode Kuffer Kniffka Bauner
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In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Eingangszeit per Telefax übersandter Schriftsätze nach der gesetzlichen Zeit gemäß § 1 und 2 des Gesetzes über die Zeitbestimmung, nunmehr § 4 i.V.m. § 6 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über die Einheiten im Messwesen und die Zeitbestimmung, zu beurteilen ist und dabei den Auskünften des Telekommunikationsunternehmens aus den Aufzeichnungen über die Dauer zeitabhängiger Verbindungen wesentliche Bedeutung zukommt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2003 - VII ZB 8/03, WM 2004, 648, 649). Da die für den rechtzeitigen Eingang ihrer Berufungsbegründung beweispflichtige Beklagte jedoch trotz eines entsprechenden Hinweises des Berufungsgerichts einen Einzelverbindungsnachweis ihres Telekommunika- tionsanbieters nicht vorgelegt hat, hatte das Berufungsgericht zu einer weiteren Aufklärung des Sendezeitpunkts keine Veranlassung.
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liegt Es auf der Hand, dass ein solcher gewollter Aufschub des Ausdrucks der Partei nicht zum Nachteil gereicht (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Mai 2004 aaO). In Anbetracht der mittlerweile zur Verfügung stehenden vielfältigen Möglichkeiten, den Zeitpunkt des Ausdrucks eingegangener Telefaxsendungen auch bei Gericht den Bedürfnissen entsprechend zu variieren, erscheint es angezeigt, diesen Zeitpunkt bei der Beurteilung, ob ein per Telefax übermitteltes Dokument fristgerecht oder verspätet bei Gericht eingegangen ist, generell nicht mehr heranzuziehen und stattdessen auf den Zeitpunkt des vollständigen Empfangs (Speicherung ) der gesendeten technischen Signale im Telefaxgerät des Gerichts abzustellen. Dieser Zeitpunkt lässt sich in aller Regel zuverlässig bestimmen - wie hier mittels Einzelverbindungsübersicht des in Anspruch genommenen Dienstleisters D. T. , deren Zeitangaben mangels entgegenstehender Feststellungen der gesetzlichen Zeit im Sinne des Zeitgesetzes entsprechen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2003 aaO unter II 2 c und d) - und unterscheidet sich auch dadurch von demjenigen des Ausdrucks, der mitunter - wie im vorliegenden Fall - nicht einmal erfasst wird.
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Entscheidend zur Wahrung einer solchen Frist ist, ob der fristwahrende Schriftsatz bis zum Ablauf des letzten Tages der Begründungsfrist, hier also am 13. Juli 2006 bis 24.00 Uhr eingegangen ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2000 - II ZR 268/98 - NJW 2000, 1328; Beschluss vom 24. Juli 2003 - VII ZB 8/03 - NJW 2003, 3487; BVerfG, BVerfGE 52, 203, 207; 102, 254, 295). Zu berücksichtigen ist hierbei, dass es maßgeblich nicht auf den Zeitpunkt ankommt, zu dem die Rechtsmittelbegründungsschrift im Telefaxgerät des Gerichts ausgedruckt worden ist, sondern auf den Zeitpunkt, in dem die gesendeten Signale vom Empfangsgerät des Gerichts vollständig empfangen (gespeichert) wurden (vgl. BGH, BGHZ 167, 214, 219 ff.). Die Frist ist gewahrt, wenn dies bei Ablauf des letzten Tages der Frist, also am 13. Juli 2006 24.00 Uhr der Fall war (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2000 - II ZR 268/98 - NJW 2000, 1328; Beschluss vom 24. Juli 2003 - VII ZB 8/03 - NJW 2003, 3487; BVerfG, BVerfGE 52, 203, 207, 209). Der Schriftsatz muss vor Beginn des Folgetages 00:00 Uhr eingegangen sein (so ausdrücklich BGH, Beschluss vom 24. Juli 2003 - VII ZB 8/03 - aaO "vor Beginn" des Folgetages; vgl. BVerfG, BVerfGE 41, 323, 328) und damit - weil zwischen 24:00 Uhr und 00:00 Uhr keine, auch keine logische Sekunde exisitiert - vor Ablauf von 23:59 Uhr. Das aber bedeutet, dass das Empfangsgerät des Gerichts als Empfangszeit 23:59 Uhr hätte angeben müssen.
12
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Eingangszeit per Telefax übersandter Schriftsätze nach der gesetzlichen Zeit gemäß § 1 und 2 des Gesetzes über die Zeitbestimmung, nunmehr § 4 i.V.m. § 6 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über die Einheiten im Messwesen und die Zeitbestimmung, zu beurteilen ist und dabei den Auskünften des Telekommunikationsunternehmens aus den Aufzeichnungen über die Dauer zeitabhängiger Verbindungen wesentliche Bedeutung zukommt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2003 - VII ZB 8/03, WM 2004, 648, 649). Da die für den rechtzeitigen Eingang ihrer Berufungsbegründung beweispflichtige Beklagte jedoch trotz eines entsprechenden Hinweises des Berufungsgerichts einen Einzelverbindungsnachweis ihres Telekommunika- tionsanbieters nicht vorgelegt hat, hatte das Berufungsgericht zu einer weiteren Aufklärung des Sendezeitpunkts keine Veranlassung.
5
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist geklärt, dass es für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Eingangs eines per Telefax übersandten Schriftsatzes allein darauf ankommt, ob die gesendeten Signale noch vor Ablauf des letzten Tages der Frist vom Telefaxgerät des Gerichts vollständig empfangen (gespeichert) worden sind und dass sich dieser Zeitpunkt mit der Einzelverbindungsübersicht des Telefaxgerätes zuverlässig bestimmen lässt (BGH, Beschluss vom 25. April 2006 - IV ZB 20/05, BGHZ 167, 214 Rn. 18).

(1) Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt ist eine bundesunmittelbare, nicht rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Sie ist eine Bundesoberbehörde.

(2) Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt hat

1.
die gesetzlichen Einheiten darzustellen, weiterzugeben und die dafür benötigten Verfahren weiterzuentwickeln,
2.
die gesetzliche Zeit darzustellen und zu verbreiten,
3.
die Temperaturskala nach der Internationalen Temperaturskala der Internationalen Meterkonvention darzustellen und weiterzugeben,
4.
die Prototypen der Bundesrepublik Deutschland sowie die Einheitenverkörperungen und Normale aufzubewahren und an die internationalen Prototypen oder Etalons nach der Internationalen Meterkonvention anzuschließen oder anschließen zu lassen,
5.
die Verfahren bekannt zu machen, nach denen nicht verkörperte Einheiten, einschließlich der Zeiteinheit und der Zeitskalen sowie der Temperatureinheit und Temperaturskalen, dargestellt werden.
Wirkt sie bei der Erfüllung der unter den Nummern 1 bis 5 beschriebenen Aufgaben mit Dritten zusammen, hat sie die Einheitlichkeit des Messwesens zu sichern.

(3) Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt hat ferner

1.
das Messwesen wissenschaftlich zu bearbeiten, insbesondere Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet des Messwesens zu betreiben,
2.
Prüfungen und Untersuchungen auf dem Gebiet des Messwesens vorzunehmen,
3.
den Wissens- und Technologietransfer auf diesem Gebiet zu fördern,
4.
zur Einheitlichkeit des internationalen Messwesens beizutragen.

12
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Eingangszeit per Telefax übersandter Schriftsätze nach der gesetzlichen Zeit gemäß § 1 und 2 des Gesetzes über die Zeitbestimmung, nunmehr § 4 i.V.m. § 6 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über die Einheiten im Messwesen und die Zeitbestimmung, zu beurteilen ist und dabei den Auskünften des Telekommunikationsunternehmens aus den Aufzeichnungen über die Dauer zeitabhängiger Verbindungen wesentliche Bedeutung zukommt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2003 - VII ZB 8/03, WM 2004, 648, 649). Da die für den rechtzeitigen Eingang ihrer Berufungsbegründung beweispflichtige Beklagte jedoch trotz eines entsprechenden Hinweises des Berufungsgerichts einen Einzelverbindungsnachweis ihres Telekommunika- tionsanbieters nicht vorgelegt hat, hatte das Berufungsgericht zu einer weiteren Aufklärung des Sendezeitpunkts keine Veranlassung.
12
Entscheidend zur Wahrung einer solchen Frist ist, ob der fristwahrende Schriftsatz bis zum Ablauf des letzten Tages der Begründungsfrist, hier also am 13. Juli 2006 bis 24.00 Uhr eingegangen ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2000 - II ZR 268/98 - NJW 2000, 1328; Beschluss vom 24. Juli 2003 - VII ZB 8/03 - NJW 2003, 3487; BVerfG, BVerfGE 52, 203, 207; 102, 254, 295). Zu berücksichtigen ist hierbei, dass es maßgeblich nicht auf den Zeitpunkt ankommt, zu dem die Rechtsmittelbegründungsschrift im Telefaxgerät des Gerichts ausgedruckt worden ist, sondern auf den Zeitpunkt, in dem die gesendeten Signale vom Empfangsgerät des Gerichts vollständig empfangen (gespeichert) wurden (vgl. BGH, BGHZ 167, 214, 219 ff.). Die Frist ist gewahrt, wenn dies bei Ablauf des letzten Tages der Frist, also am 13. Juli 2006 24.00 Uhr der Fall war (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2000 - II ZR 268/98 - NJW 2000, 1328; Beschluss vom 24. Juli 2003 - VII ZB 8/03 - NJW 2003, 3487; BVerfG, BVerfGE 52, 203, 207, 209). Der Schriftsatz muss vor Beginn des Folgetages 00:00 Uhr eingegangen sein (so ausdrücklich BGH, Beschluss vom 24. Juli 2003 - VII ZB 8/03 - aaO "vor Beginn" des Folgetages; vgl. BVerfG, BVerfGE 41, 323, 328) und damit - weil zwischen 24:00 Uhr und 00:00 Uhr keine, auch keine logische Sekunde exisitiert - vor Ablauf von 23:59 Uhr. Das aber bedeutet, dass das Empfangsgerät des Gerichts als Empfangszeit 23:59 Uhr hätte angeben müssen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

8
Das Berufungsgericht hat nach § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Bei der Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels gilt, auch soweit es um die Rechtzeitigkeit der Begründung des Rechtsmittels geht, der so genannte Freibeweis (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999 - VI ZB 30/99, NJW 2000, 814, unter II 2 m.w.Nachw.). Danach ist das Gericht weder von einem Beweisantritt der Parteien abhängig noch auf die gesetzlichen Beweismittel beschränkt (Senatsbeschluss vom 30. Januar 1991 - VIII ZB 44/90, VersR 1991, 896, unter II 2 b m.w.Nachw.). Im Rahmen des Freibeweises können deshalb auch eidesstattliche Versicherungen berücksichtigt werden (BGH, Beschluss vom 27. Mai 2003 - VI ZB 77/02, NJW 2003, 2460, unter II 2; BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999, aaO, jeweils m.w.Nachw.).

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.