Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Feb. 2019 - XII ZB 408/18

bei uns veröffentlicht am06.02.2019
vorgehend
Amtsgericht Freiburg im Breisgau, 48 F 59/18, 16.05.2018
Oberlandesgericht Karlsruhe, 18 UF 91/18, 03.08.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 408/18
vom
6. Februar 2019
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Eine Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn eine gegenwärtige
, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr festgestellt wird, dass bei der weiteren
Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls
des Kindes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. An die Wahrscheinlichkeit
des Schadenseintritts sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer
der drohende Schaden wiegt (im Anschluss an Senatsbeschluss BGHZ 213, 107 = FamRZ
2017, 212).

b) Die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit muss auf konkreten Verdachtsmomenten
beruhen. Eine nur abstrakte Gefährdung genügt nicht (im Anschluss an Senatsbeschluss
BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212).

c) Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer gerichtlichen Maßnahme nach § 1666 BGB
ist auch das Verhältnis zwischen der Schwere des Eingriffs in die elterliche Sorge und dem
Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts für das Kind zu beachten. Die – auch
teilweise – Entziehung der elterlichen Sorge ist daher nur bei einer erhöhten Wahrscheinlichkeit
des Schadenseintritts, nämlich ziemlicher Sicherheit, verhältnismäßig (im Anschluss
an Senatsbeschluss BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212).

d) Die Differenzierung der Wahrscheinlichkeitsgrade auf der Tatbestandsebene und der
Rechtsfolgenseite ist geboten, um dem Staat einerseits ein – gegebenenfalls nur niederschwelliges
– Eingreifen zu ermöglichen, andererseits aber im Rahmen der Verhältnismäßigkeit
eine Korrekturmöglichkeit zur Verhinderung übermäßiger Eingriffe zur Verfügung zu
stellen.
BGH, Beschluss vom 6. Februar 2019 - XII ZB 408/18 - OLG Karlsruhe
AG Freiburg im Breisgau
ECLI:DE:BGH:2019:060219BXIIZB408.18.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Februar 2019 durch die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Nedden-Boeger, Dr. Botur und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des 18. Zivilsenats – Senat für Familiensachen – des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 3. August 2018 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Wert: 3.000 €

Gründe:

A.

1
Die Beteiligte zu 2 (im Folgenden: Mutter) wendet sich unter anderem gegen die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für ihre im September 2007 geborene Tochter S.
2
Die Mutter ist Inhaberin des alleinigen Sorgerechts für S. Sie hat ein weiteres Kind aus einer anderen Beziehung, den im Januar 2002 geborenen K. Im Mai 2016 zog die Mutter mit ihrer Tochter bei Herrn G. (im Folgenden: Lebensgefährte ) ein, mit dem sie seit Februar 2016 eine Beziehung unterhält. Ihr Lebensgefährte unterrichtete sie davon, dass er unter anderem wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt worden war. Im Zeitraum zwischen Mai 2009 und April 2013 war dieser unter verschiedenen Aliasnamen in einem Internetforum angemeldet und hatte dort Kontakt zu Mädchen im Alter zwischen zehn und 13 Jahren gesucht. Er hatte sie veranlasst, sich bei Skype mit ihm auszutauschen, sich zu entblößen und ihm Bilder ihres Intimbereichs zu übersenden. Die Bildsequenzen hatte er aufgenommen und sie in seinem Computer gespeichert. Eine Geschädigte hatte er unter Druck gesetzt, nachdem diese freiwillig nicht bereit gewesen war, Aufnahmen von sich zu fertigen, indem er ihr mitgeteilt hatte, er werde Aufnahmen der Geschädigten aus anderer Quelle an Freunde oder die Eltern der Geschädigten weiterleiten oder sie veröffentlichen. In zwei Fällen hatte sich die Geschädigte darauf eingelassen. Eine Begutachtung durch den Sachverständigen D. hatte ergeben, dass der Lebensgefährte an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung litt und bei ihm eine pädo-/hebephile Nebenströmung festzustellen war, ohne dass damit ein Ausschluss oder eine Einschränkung der Schuldfähigkeit verbunden gewesen sei. Wegen dieser Taten wurde der Lebensgefährte im Oktober 2015 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt; ihre Vollstreckung wurde zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Dem Lebensgefährten wurde jede Kontaktaufnahme zu Kindern und Jugendlichen über Internet-Plattformen untersagt.
3
Nachdem das Familiengericht von dem Zusammenleben der Mutter mit ihrer Tochter und dem Lebensgefährten Anfang Januar 2018 unterrichtet worden war, fand am 23. Januar 2018 ein Gespräch statt, an dem das Jugendamt, die Mutter und ihr Lebensgefährte teilnahmen. Letzterer erklärte sich im Rahmen einer Schutzvereinbarung bereit, aus der gemeinsamen Wohnung auszuziehen. Am 24. Januar 2018 nahm das Jugendamt S. gleichwohl in Obhut. Seither befindet sie sich in einer stationären Einrichtung der Jugendhilfe.

4
Das Amtsgericht hat nach Einholung zweier schriftlicher Gutachten der Sachverständigen D. und Sch. und Anhörung der Beteiligten sowie ergänzender Befragung der Sachverständigen Sch. entschieden, dass sorgerechtliche Maßnahmen nicht zu ergreifen seien. Ferner hat es die Herausgabe von S. an die Mutter angeordnet. Auf die hiergegen vom Jugendamt eingelegte Beschwerde hat das Oberlandesgericht der Mutter das Recht zur Aufenthaltsbestimmung und das Recht zur Antragstellung nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch für S. entzogen. Im Umfang der Entziehung des Sorgerechts hat das Oberlandesgericht Ergänzungspflegschaft angeordnet und das Jugendamt zum Pfleger bestellt. Hiergegen wendet sich die Mutter mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

B.

5
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

I.

6
Das Oberlandesgericht hat seine in FamRZ 2018, 1830 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:
7
Aus dem Zusammenleben der Mutter mit ihrem Lebensgefährten resultiere die zwar nicht überwiegende, aber doch signifikante Wahrscheinlichkeit eines sexuellen Übergriffs des Lebensgefährten auf S. Es genüge die "hinreichende Wahrscheinlichkeit" eines Schadenseintritts, die bei hoher Intensität des drohenden Schadens - insbesondere im Fall drohenden sexuellen Missbrauchs - auch bei einer Eintrittswahrscheinlichkeit von rund 30 % bereits bejaht werden könne. Dies gelte unabhängig vom Gewicht der zur Beseitigung dieser Gefährdung zu treffenden Maßnahme. Ausdrücklich offen gelassen habe der Bundesgerichtshof allerdings, ob eine nach diesen Kriterien gegebene hinreichende Wahrscheinlichkeit deckungsgleich sei mit der "ziemlichen Sicherheit" des Schadenseintritts, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Voraussetzung des mit einer Trennung verbundenen Entzugs von Sorgerechtsbefugnissen sei, das heiße, ob trotz Vorliegens einer Kindeswohlgefährdung die (vollständige oder teilweise) Entziehung der elterlichen Sorge zusätzlichen Anforderungen auch an die Eintrittswahrscheinlichkeit des Schadens im Lichte der Verhältnismäßigkeit unterliege.
8
Es bestünden konkrete tatsächliche Anhaltspunkte, aus denen sich die Gefahr eines sexuellen Missbrauchs zum Nachteil von S. ergebe, wobei der drohende Schaden erheblich wäre. Die gleichzeitig gegebenen Schutzfaktoren wögen die bestehenden Risikofaktoren nicht auf. Nach Ausschöpfung aller vorhandenen Erkenntnismöglichkeiten könne der Eintritt eines – schwerwiegenden - Schadens im weiteren Verlauf zwar nicht als wahrscheinlicher angesehen werden als ein Verlauf, in dem sich die bestehenden Risiken nicht realisierten. Damit sei aber eine hinreichende Gefahr im Sinne des Tatbestands letztlich zu bejahen.
9
Die maßgeblichen Risikofaktoren lägen in der Persönlichkeit des Lebensgefährten verbunden mit der ständigen räumlichen Nähe und engen persönlichen Beziehung, die aus dem häuslichen Zusammenleben von S. mit ihm resultierten, sowie der Verletzbarkeit von S. Hinzu komme, dass S. gerade von der Person des Lebensgefährten ein ausgesprochen positives Bild habe. Es könne davon ausgegangen werden, dass das Leben von S. seit dem Beginn der Beziehung ihrer Mutter mit deren Lebensgefährten eine positive Wendung genommen habe. Prognostisch könnten allerdings nicht die Augen davor verschlossen werden, dass die Hemmschwelle für S., etwaigen Übergriffen des Lebensgefährten frühzeitig energisch entgegenzutreten, sehr hoch sein dürfte.
10
Zugleich liege ein bedeutender Schutzfaktor in der positiven Lebenssituation des Lebensgefährten. Der Sachverständige habe ausgeführt, dass er sich in einer befriedigenden beruflichen, privaten und vor allem partnerschaftlichen Situation befinde. Es bestehe eine größere Bereitschaft, Konflikte anzusprechen , und er sei nach jetzigem Wissensstand psychisch stabil. Nicht nur die Berichte des Bewährungshelfers über den Verlauf der Bewährung, sondern auch die Einschätzungen des intensiv mit dem Fall befassten Verfahrensbeistands (Rechtsanwältin B.) und des erfahrenen Kriminalhauptkommissars T. zeichneten ein Gesamtbild, das von einer positiven Entwicklung in dem Leben des Lebensgefährten zeuge. Sehr plausibel seien gerade auch die Ausführungen des Sachverständigen D., dass der Lebensgefährte durch die Idealisierung, die ihm sowohl die Mutter als auch S. entgegenbrächten, eine Bestätigung erfahre , die angesichts seiner Selbstwertproblematik besondere Bedeutung für ihn habe und die ihm in früheren Zeiten ganz offensichtlich gänzlich gefehlt habe. Ein weiterer Schutzfaktor ergebe sich nach den Ausführungen beider Sachverständiger aus der emotionalen Bindung des Lebensgefährten an die Mutter und auch an S. selbst. Für den Sachverständigen D. habe sich der Eindruck ergeben, dass sowohl S. als auch K. für den Lebensgefährten wichtige Personen seien. Er nehme sie in ihrem Lebenszusammenhang wahr und sehe sie – anders als die früheren anonymen Opfer – nicht nur als Objekt. Bei ihm sei jedoch ein erhebliches Bedürfnis wahrzunehmen, einen "Schlussstrich" zu ziehen und die Frage seiner pädo-/hebesexuellen Neigungen ohne gesicherte Grundlage für endgültig geklärt zu halten. Dies stehe jedoch einem angemessenen Umgang des Lebensgefährten mit den vorhandenen Risikofaktoren ob- jektiv im Weg und relativiere deswegen den Schutz, den der durchaus andauernde Eindruck der Verurteilung auf ihn vermittle. Nach der Beurteilung der Sachverständigen Sch. gäbe es auch in der Person von S. hinsichtlich ihrer großen Kontaktbereitschaft und Offenheit durchaus Schutzfaktoren.
11
Nach den Ausführungen des Sachverständigen D. seien bei Fortdauer der derzeitigen günstigen Lebenssituation des Lebensgefährten erneute Sexualstraftaten "sehr unwahrscheinlich". Komme es zu einer Abschwächung der Zufuhr von Anerkennung, erscheine die Begehung erneuter Sexualstraftaten, gar zum Nachteil von S., angesichts der engen emotionalen Beziehung und des Eindrucks, den die Verurteilung 2015 auf ihn gemacht habe, immer noch "eher unwahrscheinlich". Der Lebensgefährte gehöre zu einer Gruppe, bei der der Sachverständige von einer Rückfallwahrscheinlichkeit von 10 % bis 15 % ausgehe. Zusammenfassend befürchte der Sachverständige beim momentanen Stand der Dinge keinen Rückfall. Wenn protektive Faktoren wegfielen, stiege das Risiko deutlich über 10 % bis 15 %. Daraus sei zu schließen, dass eine Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB bereits bejaht werden müsse. Für den Fall eines Fortbestehens günstiger Rahmenbedingungen sei davon auszugehen, dass es – bei Vorhandensein eines Restrisikos – nicht zu einem Übergriff auf S. kommen würde. Allerdings müsse in eine Prognose gleichermaßen auch das Szenario eines Auftretens "ernsterer" oder "sehr ernster" Schwierigkeiten einbezogen werden, da die Fortdauer günstiger äußerer Rahmenbedingungen in keiner Hinsicht gesichert sei. In diesem Fall müsse das Risiko für einen Schadenseintritt mit weniger als 50 % angesetzt werden. Angesichts der Unvorhersagbarkeit einer Fortdauer günstiger Rahmenbedingungen sei zusammenfassend von einer bereits gegenwärtigen signifikanten verbleibenden Missbrauchsgefahr auszugehen, falls S. weiterhin mit dem Lebensgefährten ihrer Mutter in einer Wohnung lebte. Damit liege ein Risiko vor, das deutlich über einem unvermeidlichen Restrisiko liege und dessen Hinnahme nicht als vertretbar erachtet werde.
12
Die Mutter sei als alleinige Sorgeberechtigte zur Abwendung der Gefahr teilweise nicht gewillt und im Übrigen nicht in der Lage. Sie befinde sich im Verhältnis zu ihrem Lebensgefährten in einem tiefen Loyalitätskonflikt. Die Mutter habe durch die Aufnahme und Fortführung ihrer Beziehung zu ihm und deren Intensivierung in Form des Einzugs bei ihm entscheidenden Anteil daran, dass es zu der Kindeswohlgefährdung in ihrer konkret bestehenden Form gekommen sei. Sie habe weder das Strafurteil noch das im Strafverfahren erstattete Gutachten gelesen. Ihr Hinweis auf eigene Missbrauchserfahrungen mache die Abneigung, sich mit entsprechenden Themen im Detail auseinanderzusetzen, zwar verständlich, verstärke aber die Zweifel an ihrer Bereitschaft oder Fähigkeit , Risiken in diesem Bereich wahrzunehmen und damit angemessen umzugehen. Außerdem habe die Mutter von Anfang an dazu geneigt, eine Bewertung des Risikos von außen zu erschweren. Hinzu komme, dass die Mutter im Verhältnis zu S. noch an ihrer Bereitschaft arbeiten müsse, zuzuhören und nachzufragen, wenn S. Andeutungen über belastende Erlebnisse mache. Schließlich ergäben sich aus den beigezogenen Akten betreffend K. Anhaltspunkte , die gewisse Zweifel an der Erziehungsfähigkeit der Mutter begründeten.
13
Derzeit sei allein die Fortdauer der Fremdunterbringung von S. geeignet, die bestehende Kindeswohlgefährdung abzuwenden. Insbesondere das vom Amtsgericht für ausreichend gehaltene und von den Sachverständigen befürwortete Schutzkonzept sei nach intensiver Abwägung des Für und Wider nicht ausreichend, solange die Mutter und ihr Lebensgefährte einen gemeinsamen Hausstand hätten. Auch eine Flankierung des Schutzkonzepts durch Weisungen gegenüber der Mutter und/oder ihrem Lebensgefährten, die auf eine Aufhebung der gemeinsamen Wohnung hinausliefen, komme nicht in Betracht, weil sie jede kritische Auseinandersetzung mit den Taten ihres Lebensgefährten vehement abgewehrt habe und weil sich ihre Kooperationsbereitschaft letztlich darauf reduziert habe, "Spielchen mitzuspielen" und "alles zu unterschreiben". Die Fremdunterbringung sei auch nicht ihrerseits mit derart negativen Folgen für S. verbunden, dass diese in der Abwägung gegen die Maßnahme sprechen würden. Zwar habe der Verfahrensbeistand nachvollziehbar dargestellt, dass die Fremdunterbringung S. belaste und diese sich sehr wünsche, in den Haushalt ihrer Mutter zurückzukehren. Dies habe S. auch bei der Anhörung, ersichtlich emotional bewegt, zum Ausdruck gebracht. Aus den Berichten des Jugendamts und der Einrichtung ergebe sich aber auch, dass sich S. im Alltag durchaus integriere und Freunde gefunden habe. Es gäbe keine Anhaltspunkte für eine psychische Entwicklung, die in Richtung einer Depression ginge.

II.

14
Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
15
1. Gemäß § 1666 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. Bei der Auslegung und Anwendung dieser Norm ist der besondere Schutz zu beachten, unter dem die Familie nach Art. 6 Abs. 1 und 2 GG steht. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung. Die Erziehung des Kindes ist damit primär in ihre Verantwortung gelegt, wobei dieses "natürliche Recht" den Eltern nicht vom Staat verliehen worden ist, sondern von diesem als vorgegebenes Recht anerkannt wird. Die Eltern können grundsätzlich frei von staatlichen Einflüssen und Eingriffen nach eigenen Vorstellungen darüber entschei- den, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen. In der Beziehung zum Kind muss aber das Kindeswohl die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung sein (Senatsbeschluss BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212 Rn. 10 mwN).
16
2. Dem trägt die angefochtene Entscheidung nicht hinreichend Rechnung.
17
a) Allerdings ist im Ergebnis nichts dagegen zu erinnern, dass das Oberlandesgericht eine Kindeswohlgefährdung bejaht und damit ein Eingreifen des Staates für zulässig erachtet hat.
18
aa) Generell ist für Maßnahmen nach § 1666 BGB erforderlich, dass eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls vorliegt, zu deren Abwendung die sorgeberechtigten Personen nicht gewillt oder in der Lage sind. Eine solche besteht bei einer gegenwärtigen, in einem solchen Maß vorhandenen Gefahr, dass bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (Senatsbeschluss BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212 Rn. 13 mwN). Dabei kann das erforderliche Maß der Gefahr nicht abstrakt generell festgelegt werden. Denn der Begriff der Kindeswohlgefährdung erfasst eine Vielzahl von möglichen, sehr unterschiedlichen Fallkonstellationen. Erforderlich ist daher seine Konkretisierung mittels Abwägung der Umstände des Einzelfalls durch den mit dem Fall befassten Tatrichter. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer der drohende Schaden wiegt (Senatsbeschluss BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212 Rn. 14 mwN). Für die Frage, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, kann das Gewicht der zur Beseitigung dieser Gefährdung zu treffenden Maßnahme nach § 1666 BGB hingegen keine Bedeutung erlangen. Erst wenn eine Kindeswohlgefährdung feststeht, stellt sich die Frage nach der erfor- derlichen und geeigneten Maßnahme und nach deren Verhältnismäßigkeit (Senatsbeschluss BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212 Rn. 15 mwN).
19
Die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit muss in jedem Fall auf konkreten Verdachtsmomenten beruhen. Eine nur abstrakte Gefährdung genügt nicht. Schließlich muss der drohende Schaden für das Kind erheblich sein. Selbst bei hoher Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines nicht erheblichen Schadens sind Maßnahmen nach § 1666 BGB nicht gerechtfertigt. In solchen Fällen ist dem elterlichen Erziehungs- und Gefahrabwendungsprimat der Vorrang zu geben (Senatsbeschluss BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212 Rn. 16 mwN).
20
bb) Gemessen hieran liegt die vom Oberlandesgericht getroffene Einschätzung , dass eine Gefahrenlage i.S.v. § 1666 Abs. 1 BGB vorliege, noch im Rahmen zulässiger tatrichterlicher Beurteilung.
21
(1) Das Oberlandesgericht hat richtig erkannt, dass das staatliche Eingreifen gemäß § 1666 BGB die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts erfordert und dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je schwerer der drohende Schaden wiegt.
22
Der drohende Schaden für S. wiegt nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen schwer. Er läge in einem sexuellen Missbrauch der S. und den damit für sie einhergehenden Folgen. Deshalb ist das Oberlandesgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nicht besonders hoch sind.
23
Dass das Oberlandesgericht im Rahmen der von ihm in tatrichterlicher Verantwortung vorgenommenen Gefährdungsprognose eine mögliche Ver- schlechterung der familiären Situation einbezogen hat, ist rechtsbeschwerderechtlich noch vertretbar. Dabei hat es maßgeblich das Hinzutreten "ernsterer" oder "sehr ernster" Schwierigkeiten in seiner Prognose mit der Begründung berücksichtigt , dass die Fortdauer günstiger äußerer Rahmenbedingungen und damit die gegen einen Rückfall des Lebensgefährten sprechende Bestätigung nicht gesichert seien. Allerdings hat es sich nicht die Frage vorgelegt, ob diese – auf eine Verschlechterung der familiären Situation bezogenen – abstrakten Erwägungen überhaupt konkrete Verdachtsmomente begründen können.
24
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es in der Familie zu solchen Schwierigkeiten kommen könnte, sind nach den getroffenen Feststellungen – wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt – nicht gegeben. Vielmehr haben die beiden Gutachter das Familienleben als für alle Beteiligte positiv dargestellt. S. hat sich in der Zeit des Zusammenlebens in jeder Hinsicht vorteilhaft entwickelt. Der Verfahrensbeistand hat dies bestätigt und sich ebenso wie die Sachverständigen für eine Rückführung des Kindes in die Familie ausgesprochen. Die frühere Klassenlehrerin war ausweislich der Angaben der Sachverständigen Sch. sogar "fassungslos", als sie von der Herausnahme S. aus der Familie erfahren habe. Hinzu kommt, dass die Familie von Mai 2016 bis Januar 2018, also über eineinhalb Jahre zusammengelebt hatte, ohne dass nach den getroffenen Feststellungen das Geringste passiert wäre.
25
Gleichwohl lässt sich die vom Oberlandesgericht vorgenommene Gefährdungsprognose vor dem Hintergrund des drohenden Schadens noch vertreten. Denn die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit beruht jedenfalls insoweit auf konkreten Verdachtsmomenten, als der Lebensgefährte mehrere Mädchen, die sich in einem ähnlichen Alter wie S. befanden, im Zeitraum von 2009 bis 2013 mit Hilfe des Internets sexuell missbraucht hat. Auch wenn die Gefahr, dass sich die familiäre Situation verschlechtern könnte, auf abstrak- ten Überlegungen beruht, vermag sie doch nach den sachverständigen Einschätzungen einen Anhalt für einen etwaigen Rückfall des Lebensgefährten zu geben und damit die bereits bestehenden konkreten Verdachtsmomente zu erhärten. Auch ist eine Verschlechterung namentlich der familiären Situation – wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat – tatsächlich jederzeit möglich.
26
Wenn das Oberlandesgericht in tatrichterlicher Verantwortung aufgrund der getroffenen Feststellungen zu dem Ergebnis gelangt, der Lebensgefährte könnte sich auch an der mit ihm in einer Wohnung lebenden S. vergehen, obgleich er seine Taten bislang nur über das Internet begangen hat und ihm wohl deshalb auch nur jede Kontaktaufnahme zu Kindern und Jugendlichen über Internet-Plattformen im Strafurteil untersagt worden ist, hält sich dies noch im rechtsbeschwerderechtlich hinzunehmenden Rahmen.
27
(2) Entgegen den Angriffen der Rechtsbeschwerde ist auch gegen die Einschätzung des Oberlandesgerichts, die Mutter sei zur Abwendung der Gefahr nicht in der Lage, im Ergebnis rechtsbeschwerderechtlich nichts zu erinnern.
28
Allerdings rügt die Rechtsbeschwerde zu Recht, das Oberlandesgericht habe nicht aufgrund der von der Mutter berichteten eigenen Missbrauchserfahrungen auf eine geringere Bereitschaft oder Fähigkeit schließen dürfen, Risiken in diesem Bereich wahrzunehmen und damit angemessen umzugehen. Hierzu hätte es der Darlegung entsprechender Sachkunde bedurft.
29
Soweit das Oberlandesgericht auf das Sorgerechtsverfahren betreffend des weiteren Kindes K. Bezug genommen und aus diesem Zweifel an der Erziehungsfähigkeit der Mutter hergeleitet hat, ist dies für die vorzunehmende Prüfung, ob sie eine Gefahr sexuellen Missbrauchs von S. abwenden kann, rechtlich nicht tragfähig. Denn das Verfahren betrifft ein anderes Kind und eine andere Ausgangslage. Zur Frage, ob die Mutter ihre Tochter vor etwaigen Übergriffen Dritter schützen kann, hat die Sachverständige Sch. in ihrem Gutachten ausgeführt, dass die bereits in einem befriedigenden Maß vorhandene elterliche Kompetenz und Förderkompetenz der Mutter durch die Partnerschaft mit ihrem Lebensgefährten "noch stärker hervorgetreten zu sein" scheine. Demgegenüber ging es in dem anderen Sorgerechtsverfahren um die Frage, ob die Erziehungs- und Förderkompetenz der Mutter ausreicht, um der schwerwiegenden Erkrankung K.s an ADS und der bei ihm bestehenden Bindungsstörung gerecht werden zu können. Im Übrigen führte der Gutachter in jenem Verfahren aus, dass die Defizite im Erziehungsverhalten der Mutter nicht so zu werten seien, dass diese "allein (oder erheblich) als kindeswohlgefährdend anzusehen" seien. Der Hinweis des Beteiligten zu 4 in seiner Rechtsbeschwerdeerwiderung auf ein sexualisiertes Verhalten des K. ist im Rechtsbeschwerdeverfahren unbeachtlich. Insoweit weist der Beteiligte zu 4 bereits selbst darauf hin, dass es sich um neuen Tatsachenvortrag handelt, der in der Rechtsbeschwerdeinstanz grundsätzlich nicht zu berücksichtigen ist, zumal es sich hier nicht einmal um Tatsachen handelt, die sich erst während der Rechtsbeschwerdeinstanz ereignet haben (vgl. Senatsurteil vom 26. Juni 2013 - XII ZR 133/11 - FamRZ 2013, 1366 Rn. 47 mwN zur Revision; s. auch Senatsbeschluss vom 12. Juli 2017 - XII ZB 40/17 - FamRZ 2017, 1599 Rn. 22).
30
Indessen steht das Gutachten der Sachverständigen Sch. – anders als die Rechtsbeschwerde meint – der Einschätzung des Oberlandesgerichts, die Mutter könne die Gefahr für S. nicht abwenden, auch nicht entgegen. Nach dem Sachverständigengutachten ist ihr zwar zuzutrauen, dass sie bei dem Verdacht eines Übergriffs handeln und sich für ihre Tochter entscheiden werde, so dass sie damit die Rolle einer kritischen Schutzperson für S. wahrnehmen könne. Diese Ausführungen beinhalten nur die Aussage, dass sie einen Missbrauch ihrer Tochter durch den Lebensgefährten nicht hinnehmen würde, nicht aber, dass die Mutter in der Lage wäre, diesen auch zu verhindern.
31
Zu Recht führt das Oberlandesgericht zudem aus, dass die Mutter durch ihren Einzug bei ihrem Lebensgefährten entscheidenden Anteil daran hat, dass es zu der Kindeswohlgefährdung gekommen ist. Dabei durfte das Oberlandesgericht auch auf den Umstand abstellen, dass sie weder das Strafurteil noch das diesem zugrundeliegende Gutachten gelesen hat, ungeachtet der Frage, aus welchem Grunde sie von deren Lektüre abgesehen hat. Denn je geringer ihre Kenntnisse von der konkreten Tatbegehung und den ihr zugrundeliegenden Motiven bzw. Ursachen sind, desto schwieriger ist es für sie, eine mögliche Gefahr bereits im Vorfeld zu erkennen und ihr angemessen zu begegnen.
32
b) Jedoch ist die vom Oberlandesgericht angeordnete Maßnahme, der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen mit der Folge, dass das Kind von ihr getrennt wird bzw. bleibt, unverhältnismäßig.
33
aa) Jeder Eingriff in das Elternrecht muss dem – für den Fall der Trennung des Kindes von der elterlichen Familie in § 1666 a BGB ausdrücklich geregelten – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Er gebietet, dass Art und Ausmaß des staatlichen Eingriffs sich nach dem Grund des Versagens der Eltern und danach bestimmen müssen, was im Interesse des Kindes geboten ist. Die anzuordnende Maßnahme muss zur Abwehr der Kindeswohlgefährdung geeignet, erforderlich und auch im engeren Sinne verhältnismäßig sein. Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist gegeben, wenn der Eingriff unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zumutbar ist. Hierbei ist insbesondere auch das Verhältnis zwischen der Schwere des Eingriffs und seiner Folgen, dem Gewicht des dem Kind drohenden Schadens und dem Grad der Gefahr zu berücksichtigen. Die – auch teilweise – Entziehung der elterlichen Sorge als besonders schwerer Eingriff kann daher nur bei einer nachhaltigen Gefährdung des Kindes mit einer höheren – einer ebenfalls im Einzelfall durch Abwägung aller Umstände zu bestimmenden ziemlichen – Sicherheit eines Schadenseintritts verhältnismäßig sein. Die Anordnung weniger einschneidender Maßnahmen kann dagegen bereits bei geringerer Wahrscheinlichkeit verhältnismäßig sein (Senatsbeschluss BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212 Rn. 27 mwN). Auch sind die negativen Folgen einer Trennung des Kindes von den Eltern und einer Fremdunterbringung zu berücksichtigen; sie müssen durch die hinreichend gewisse Aussicht auf Beseitigung der festgestellten Gefahr aufgewogen werden, so dass sich die Situation des Kindes in der Gesamtbetrachtung verbessert (BVerfG FamRZ 2018, 1084 Rn. 16 mwN).
34
Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts hat der Senat die Frage , ob die Begriffe der "hinreichenden Wahrscheinlichkeit" und der "ziemlichen Sicherheit" des Schadenseintritts deckungsgleich sind, nicht offen gelassen. Vielmehr hat er darauf hingewiesen, dass hinsichtlich des Grades der Wahrscheinlichkeit einer Kindeswohlgefährdung zwischen der Tatbestandsebene, die Voraussetzung für ein staatliches Handeln – egal welcher Intensität – ist, und der Rechtsfolgenseite, die sich am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu orientieren hat, zu unterscheiden ist (aA BeckOGK/Burghart [Stand: 1. November 2018] § 1666 BGB Rn. 85; s. auch BeckOK BGB/Veit [Stand: 1. August 2018] § 1666 Rn. 26). Für eine (teilweise) Entziehung des Sorgerechts bedarf es danach einer ziemlichen Sicherheit des Schadenseintritts (s. auch BVerfG FamRZ 2018, 1084 Rn. 16 mwN; Jarass/Pieroth/Jarass GG 15. Aufl. Art. 6 Rn. 65 mwN [zu Art. 6 Abs. 3 GG]; Rake FamRZ 2017, 285, 286; Finke FF 2017, 118, 119; s. auch zur Differenzierung des Gefahrenbegriffs bei der Kindeswohlgefährdung Radtke DRiZ 2019, 56, 59).
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Die Differenzierung der Wahrscheinlichkeitsgrade auf der Tatbestandsebene und der Rechtsfolgenseite ist geboten, um dem Staat einerseits ein – gegebenenfalls nur niederschwelliges – Eingreifen zu ermöglichen, andererseits aber im Rahmen der Verhältnismäßigkeit eine Korrekturmöglichkeit zur Verfügung zu stellen, mittels derer ein übermäßiges Verhalten des Staates vermieden werden kann, und zwar letztlich auch zum Wohle des Kindes.
36
bb) Gemessen hieran ist die vom Oberlandesgericht angeordnete Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts unverhältnismäßig.
37
(1) Die vom Oberlandesgericht als Ausgangspunkt wiedergegebene Rückfallwahrscheinlichkeit von 10 % bis 15 % beruht nach den von ihm getroffenen Feststellungen auf Basisraten, bei denen es sich nach den vom Oberlandesgericht wiedergegebenen Einschätzungen des Sachverständigen D. allein um statistische, "relativ grob gestrickte" Zahlen handelt, die eine individuelle Untersuchung und Beurteilung nicht entbehrlich machen. Hinzu kommt, dass sich das Oberlandesgericht nicht hinreichend mit der Frage auseinandergesetzt hat, mit welcher Begehungsform im Falle eines möglichen Rückfalls zu rechnen ist. Hinsichtlich der von dem Lebensgefährten der Mutter begangenen Straftaten hätte es nahegelegen, Missbrauchstaten zu besorgen, die er via Internet zum Nachteil von – für ihn anonymen – Opfern begehen könnte. Dem wäre eine Gefährdung der mit ihm in einem Haushalt lebenden S., zu der er eine persönliche Beziehung unterhält, gegenüberzustellen gewesen.
38
(2) Auf der Grundlage der vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen ist die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts mit dem Ziel der Fremdunterbringung nicht verhältnismäßig im engeren Sinne, weil es an einer nachhaltigen Gefährdung des Kindes mit einer ziemlichen Sicherheit eines Schadenseintritts fehlt. Das Oberlandesgericht hat unter Bezugnahme auf das Gutachten des Sachverständigen D. ausgeführt, für den Fall eines Fortbeste- hens der bei der Herausnahme von S. aus der Familie vorgefundenen günstigen Rahmenbedingungen sei ein sexueller Missbrauch zum Nachteil von S. "sehr unwahrscheinlich"; selbst bei einer – aktuell nicht konkret zu befürchtenden – Verschlechterung der familiären Situation sei ein Schadenseintritt "gar zum Nachteil von S." als "eher unwahrscheinlich" anzusehen. Wenn das Oberlandesgericht dann trotz der gebotenen Gesamtschau der Gefährdungssituation zu dem Schluss kommt, eine Fremdunterbringung sei gerechtfertigt, was die ziemliche Sicherheit eines sexuellen Missbrauchs zu Lasten der S. voraussetzt, überschreitet es seinen tatrichterlichen Beurteilungsspielraum.
39
(3) Außerdem hat das Oberlandesgericht die negativen Folgen, die die Herausnahme aus der Familie für S. hat, nicht hinreichend in seine Verhältnismäßigkeitsprüfung einbezogen. Von der Entziehung des Sorgerechts und der damit einhergehenden Fremdunterbringung ist nicht nur die Mutter betroffen , sondern besonders nachteilig auch ihr Kind. Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen, insbesondere unter Einbeziehung der Kindesanhörung , des Gutachtens der Sachverständigen Sch. und der Stellungnahme des Verfahrensbeistands, ist davon auszugehen, dass S. erheblich unter der Herausnahme leidet. Soweit das Oberlandesgericht hierzu ausführt, im Alltag finde S. gleichwohl auch zur Fröhlichkeit und es gäbe keine Anhaltspunkte für eine psychische Entwicklung, die in Richtung etwa einer Depression ginge , bleibt das Gericht bereits den Nachweis schuldig, woher es die diesbezügliche Sachkunde nimmt. Schließlich geht auch das Oberlandesgericht davon aus, dass S. die Fremdunterbringung als "Bestrafung" empfindet. Es lässt sich schon jetzt nicht mehr ausschließen, dass S. durch die Fremdunterbringung einen erheblichen Schaden erlitten hat. Damit hätte sich die Situation des Kindes in der Gesamtbetrachtung im Hinblick auf die bestehende Gefährdungsprognose aber nicht verbessert, sondern eher verschlechtert (vgl. auch Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2011 - XII ZB 247/11 - FamRZ 2012, 99 Rn. 29 mwN).
40
c) Ebenso wenig hält die Entziehung des Rechts zur Antragstellung nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch für S. einer rechtlichen Überprüfung stand.
41
Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung insoweit allein damit begründet , dass diese Maßnahme für die Durchführung der Fremdunterbringung erforderlich sei. Da nach dem vorstehend Gesagten schon die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts als rechtliche Grundlage für eine Fremdunterbringung einer Überprüfung nicht standhält, entfällt damit auch die rechtliche Grundlage für die als Annex angeordnete Entziehung des Rechts zur Beantragung von Jugendhilfemaßnahmen.
42
3. Gemäß § 74 Abs. 5 und 6 Satz 2 FamFG ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Oberlandesgericht noch weitere Feststellungen im Rahmen des § 1666 BGB zu treffen hat.
43
a) Die Zurückverweisung gibt dem Oberlandesgericht Gelegenheit, unter Beachtung der vorstehenden Erwägungen des Senats zu prüfen, ob anstelle der nach derzeitiger Sachlage unzulässigen Fremdunterbringung andere Maßnahmen in Betracht kommen, um der Gefährdung des Kindeswohls zu begegnen.
44
Zu Recht weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, dass es – als Vorstufe zu einem etwaigen Rückfall – maßgeblich auf die Verschlechterung der familiären Situation ankommt. Auch wenn es noch hinnehmbar erscheint, diesen an sich auf abstrakten Erwägungen beruhenden Zwischenschritt in die Gefährdungsprognose einzubeziehen, ändert das nichts daran, dass diese besondere Konstellation die Möglichkeit eröffnet, der drohenden Gefahr mit milderen Maßnahmen als einer Fremdunterbringung des Kindes zu begegnen.
45
aa) Danach erscheint es etwa denkbar, zur Unterstützung der Familie einen regelmäßig in der Familie verkehrenden sozialpädagogischen Familienhelfer i.S.v. § 31 SGB VIII hinzuzuziehen, der am ehesten bemerken dürfte, ob und in welchem Maße sich die familiäre Situation verschlechtert. Auch wenn ein Kontrollauftrag nach dem vom Beteiligten zu 4 in seiner Rechtsbeschwerdeerwiderung in Bezug genommenen Abschlussbericht zum Staufener Missbrauchsfall vom September 2018 (veröffentlicht unter https://www.breisgauhochschwarzwald.de – S. 27 f.) nicht originäres Ziel einer sozialpädagogischen Familienhilfe ist, hindert das einen Familienhelfer nicht, dem Familiengericht zeitnah von möglichen Veränderungen zu berichten, so dass hinreichend Gelegenheit bestünde, den Sachverhalt aufzuklären und angemessen zu reagieren. Schließlich ist eine Weisung, die Familienhilfe in Anspruch zu nehmen, in § 1666 Abs. 3 Nr. 1 BGB ausdrücklich geregelt (Senatsbeschluss BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212 Rn. 25).
46
Der Hinweis des Beteiligten zu 4 auf den vorgenannten Abschlussbericht , wonach eine sozialpädagogische Familienhilfe in der Regel nur stundenweise und nicht täglich in einer Familie anwesend und die mit der Installation einer solchen Betreuung einhergehende Kontrolldichte meist gering und zudem abhängig von der Beobachtungsgabe, Aufmerksamkeit und Fähigkeit der jeweiligen Fachkraft sei, zum Beispiel Anzeichen für sexuellen Missbrauch bei einem Kind wahrzunehmen und richtig zu deuten, vermag den Einsatz einer Familienhilfe nicht in Frage zu stellen. Zum einen dürfte danach in besonders gelagerten Fällen ein zeitlich umfangreicherer Einsatz ("in der Regel nur stundenweise") möglich sein. Zum anderen sollte ein solcher Einsatz fachlich versierteren Familienhelfern mit entsprechender Beobachtungsgabe vorbehalten bleiben.
Schließlich ist nach den getroffenen Feststellungen nicht mit einem jederzeit möglichen Übergriff zu rechnen. Maßgeblich ist vielmehr die diesem vorgelagerte Verschlechterung insbesondere der familiären Situation.

47
bb) Ergänzend hierzu käme die Umsetzung einzelner von den Sachverständigen unterbreiteter und vom Oberlandesgericht in seinem Beschluss referierter Vorschläge mit folgender Maßgabe in Betracht:
48
(1) Soweit es die Durchführung einer Therapie seitens des Lebensgefährten anbelangt, dürfte hierfür § 1666 Abs. 3 und 4 BGB als Rechtsgrundlage zwar nicht genügen (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212 Rn. 23). Allerdings hat er die Therapie ersichtlich freiwillig aufgenommen und den Therapeuten unter Entbindung der Schweigepflicht dazu ermächtigt, das Jugendamt darüber zu informieren, falls er die bereits begonnene Therapie gegen fachlichen Rat abbricht.
49
(2) Zudem könnte der Erziehungsbeistand, der das Kind gemäß § 30 SGB VIII bei der Bewältigung von Entwicklungsproblemen möglichst unter Einbeziehung des sozialen Umfelds unterstützen und unter Erhaltung des Lebensbezugs zur Familie seine Verselbständigung fördern soll, bereits frühzeitig von Veränderungen der Familiensituation Kenntnis erhalten und so schon im Vorfeld eines etwaigen Missbrauchs die dann erforderlichen Maßnahmen anregen.
50
(3) Ebenso wenig bestehen Bedenken gegen eine Familienberatung. Das Oberlandesgericht hat hiervon ersichtlich Abstand genommen, weil unklar sei, "ob es in hinreichender Zeit zu einer relevanten Änderung der Risikolage kommen würde". Da es jedoch auf der Grundlage der bislang bestehenden Fa- miliensituation an einer unmittelbaren Gefährdung fehlt, erscheint auch die Inanspruchnahme einer Familienberatung jedenfalls unter Hinzuziehung der weiteren Maßnahmen durchaus angezeigt.
51
(4) Dass Weisungen bzw. Auflagen i.S.d. § 1666 Abs. 3 BGB an der fehlenden Kooperation der Mutter bzw. ihrem Lebensgefährten scheitern könnten, findet nach Auffassung des Senats in den getroffenen Feststellungen keine hinreichende Grundlage.
52
Bezogen auf die vom Oberlandesgericht angedachten Weisungen, die das Zusammenleben der Familie einschränkten, verweist die Rechtsbeschwerde zu Recht auf die Bereitschaft des Lebensgefährten, aus seiner Wohnung auszuziehen und sogar seine Beziehung zur Mutter aufzugeben. Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat allerdings darauf hin, dass in Anbetracht der bisherigen Erwägungen Maßnahmen unverhältnismäßig erschienen, die darauf abzielten, dass entweder die Mutter mit ihrer Tochter oder deren Lebensgefährte selbst aus der Wohnung auszieht, die also ein Zusammenwohnen der Familie unmöglich machten. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass die Familie ausweislich der getroffenen Feststellungen der Tochter Halt gibt und ihre bisherige Entwicklung erheblich gefördert hat.
53
Anders als das Oberlandesgericht meint, lässt sich den Feststellungen vielmehr entnehmen, dass sich die Mutter und ihr Lebensgefährte kooperativ verhalten haben. Zwar haben sie tatsächlich nicht immer offengelegt, dass der Lebensgefährte wegen Sexualdelikten zum Nachteil Minderjähriger verurteilt worden ist. Daraus und aus dem Umstand, dass er unter seine Verurteilung gerne einen Schlussstrich ziehen würde, kann aber nicht zwingend gefolgert werden, dass sie den Ernst der Lage nicht erkannt hätten, gerade auch unter dem Eindruck dieses Sorgerechtsverfahrens. Der Verfahrensbeistand, Rechtsanwältin B., hat hierzu in der Anhörung vor dem Oberlandesgericht ausgeführt, sie habe die Mutter und ihren Lebensgefährten in dem Gespräch als offen erlebt. Für sie sei ihre Kooperationsbereitschaft kein Lippenbekenntnis gewesen. Sie seien auf das Alte, auf die früheren Erlebnisse zurückgeworfen worden und hätten sich damit auseinandergesetzt. Sie habe keine Bagatellisierung erlebt. Der Lebensgefährte habe vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass es ihm bewusst sei, wie sich seelisches Leid von Eltern anfühle, und dies habe er in Bezug zu seinen früheren Taten gesetzt. Sie hätten in dem Gespräch deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie bereit seien, alles zu unternehmen, damit sie weiter als Familie zusammenleben könnten. Wenn die Mutter in Anbetracht der für sie schwer verständlichen Fremdunterbringung von S. insbesondere gegenüber dem Jugendamt mitunter ablehnend reagiert hat, erscheint dies vor dem Hintergrund des gesamten Verfahrens noch nachvollziehbar.
54
(5) Soweit die Sachverständige Sch. allerdings eine vollständige Unterrichtung von S. über die von dem Lebensgefährten begangenen Taten empfiehlt , hält der Senat eine tatrichterliche Überprüfung dieser Einschätzung für geboten. Insoweit wird es womöglich weniger um die Details als um die Bedeutung der Taten gehen. Wie das Oberlandesgericht in Übereinstimmung mit dem Verfahrensbeistand und wohl auch der Rechtsbeschwerdeerwiderung richtig sieht, stellte die vollständige Offenlegung der Taten eine große Belastung für S. dar und könnte überdies eine mögliche Quelle familiärer Konflikte sein.
55
b) Schließlich wird sich das Oberlandesgericht die Frage vorzulegen haben , ob der in der Geburtsurkunde als Vater eingetragene F. H. K. womöglich doch der rechtliche Vater von S. und damit gemäß § 7 FamFG an dem Sorgerechtsverfahren zu beteiligen bzw. gemäß § 160 Abs. 1 Satz 2 FamFG anzuhören ist. Nach § 21 Abs. 1 Nr. 4 iVm § 54 Abs. 1 PStG beweist diese Beurkundung die rechtliche Vaterschaft (Senatsbeschluss vom 23. Januar 2019 - XII ZB 265/17 - zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; OLG Hamm FamRZ 2018, 1036, 1037 mwN; vgl. auch Hepting/Dutta Familie und Personenstand 2. Aufl. S. 357 ff.).
Klinkhammer Schilling Nedden-Boeger Botur Guhling
Vorinstanzen:
AG Freiburg, Entscheidung vom 16.05.2018 - 48 F 59/18 -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 03.08.2018 - 18 UF 91/18 -

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(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der

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(1) Die Beurkundungen in den Personenstandsregistern beweisen Eheschließung, Begründung der Lebenspartnerschaft, Geburt und Tod und die darüber gemachten näheren Angaben sowie die sonstigen Angaben über den Personenstand der Personen, auf die sich de

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(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

47
(a) Zwar ist gemäß § 559 Abs. 1 ZPO neues Tatsachenvorbringen in der Revisionsinstanz grundsätzlich unbeachtlich. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO allerdings einschränkend dahin auszulegen, dass in bestimmtem Umfang auch Tatsachen, die sich erst während der Revisionsinstanz ereignen, in die Urteilsfindung einfließen können, soweit sie unstreitig sind oder ihr Vorliegen in der Revisionsinstanz ohnehin von Amts wegen zu beachten ist und schützenswerte Belange der Gegenseite nicht entgegenstehen. Der Gedanke der Konzentration der Revisionsinstanz auf die rechtliche Bewertung eines festgestellten Sachverhalts verliert nämlich an Gewicht , wenn die Berücksichtigung von neuen tatsächlichen Umständen keine nennenswerte Mehrarbeit verursacht und die Belange des Prozessgegners gewahrt bleiben. Dann kann es aus prozessökonomischen Gründen nicht zu verantworten sein, die vom Tatsachenausschluss betroffene Partei auf einen weiteren , gegebenenfalls durch mehrere Instanzen zu führenden Prozess zu verweisen. In einem solchen Fall ist vielmehr durch die Zulassung neuen Vorbringens im Revisionsverfahren eine rasche und endgültige Streitbereinigung herbeizuführen (Senatsurteile vom 14. Oktober 2009 - XII ZR 146/08 - FamRZ 2009, 1990 Rn. 27 und vom 21. November 2001 - XII ZR 162/99 - FamRZ 2002, 318, 319 mwN - hinsichtlich der Einrede der Verjährung offengelassen in BGHZ 139, 214 = NJW 1998, 2972, 2974).
22
Im instanzgerichtlichen Verfahren ist weder festgestellt noch vorgetragen , ob bzw. wann die Ehe des Beklagten geschieden worden ist. Soweit die Kläger in der Rechtsbeschwerdeerwiderung nunmehr erstmals vortragen, die Ehe sei "mittlerweile" rechtskräftig geschieden, kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Berücksichtigung neuer Tatsachen in der Rechtsbeschwerdeinstanz vorliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 26. Juni 2013 - XII ZR 133/11 - FamRZ 2013, 1366 Rn. 47 mwN). Denn der Vortrag der Kläger ist bereits zu unbestimmt, weil sich ihm nicht entnehmen lässt, wann genau die Ehe geschieden worden ist. Sollte er so zu verstehen sein, dass die Ehescheidung nach der letzten instanzgerichtlichen Entscheidung des Landgerichts rechtskräftig geworden ist, wäre der zeitliche Zusammenhang – hielte man ihn denn überhaupt für erforderlich – ohnehin gewahrt, weil die Klage noch bei bestehender Ehe rechtshängig geworden wäre (vgl. § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO iVm § 113 Abs. 1 FamFG).

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

29
bb) Die Erforderlichkeit einer gerichtlichen Sorgerechtsentziehung nach § 1666 BGB schließt es ferner mit ein, dass die konkrete Maßnahme geeignet ist, um die Gefahr für das Kindeswohl zu beseitigen (Senatsbeschluss vom 12. März 1986 - IVb ZB 87/85 - NJW-RR 1986, 1264, 1265; Staudinger/Coester BGB [2009] § 1666 Rn. 212). An der Eignung fehlt es nicht nur, wenn die Maßnahme die Gefährdung des Kindeswohls nicht beseitigen kann. Vielmehr ist die Maßnahme auch dann ungeeignet, wenn sie mit anderweitigen Beeinträchtigungen des Kindeswohls einhergeht und diese durch die Beseitigung der festgestellten Gefahr nicht aufgewogen werden (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Juli 1984 - IVb ZB 73/83 - FamRZ 1985, 169, 171 - zu § 1671 BGB - OLG Hamm FamRZ 2007, 1677; BayObLG FamRZ 1998, 1044; Staudinger/Coester BGB [2009] § 1666 Rn. 212 mwN; vgl. auch Gottschalk FPR 2007, 308, 309 f.). Selbst wenn demnach die Maßnahme als solche für die Belange, in denen das Kindeswohl gefährdet ist, die erwünschten Wirkungen entfaltet, ist sie dennoch ungeeignet, wenn sie in anderen Belangen des Kindeswohls wiederum eine Gefährdungslage schafft und deswegen in der Gesamtbetrachtung zu keiner Verbesserung der Situation des gefährdeten Kindes führt.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

Sozialpädagogische Familienhilfe soll durch intensive Betreuung und Begleitung Familien in ihren Erziehungsaufgaben, bei der Bewältigung von Alltagsproblemen, der Lösung von Konflikten und Krisen sowie im Kontakt mit Ämtern und Institutionen unterstützen und Hilfe zur Selbsthilfe geben. Sie ist in der Regel auf längere Dauer angelegt und erfordert die Mitarbeit der Familie.

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

Der Erziehungsbeistand und der Betreuungshelfer sollen das Kind oder den Jugendlichen bei der Bewältigung von Entwicklungsproblemen möglichst unter Einbeziehung des sozialen Umfelds unterstützen und unter Erhaltung des Lebensbezugs zur Familie seine Verselbständigung fördern.

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

(1) In Antragsverfahren ist der Antragsteller Beteiligter.

(2) Als Beteiligte sind hinzuzuziehen:

1.
diejenigen, deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird,
2.
diejenigen, die auf Grund dieses oder eines anderen Gesetzes von Amts wegen oder auf Antrag zu beteiligen sind.

(3) Das Gericht kann von Amts wegen oder auf Antrag weitere Personen als Beteiligte hinzuziehen, soweit dies in diesem oder einem anderen Gesetz vorgesehen ist.

(4) Diejenigen, die auf ihren Antrag als Beteiligte zu dem Verfahren hinzuzuziehen sind oder hinzugezogen werden können, sind von der Einleitung des Verfahrens zu benachrichtigen, soweit sie dem Gericht bekannt sind. Sie sind über ihr Antragsrecht zu belehren.

(5) Das Gericht entscheidet durch Beschluss, wenn es einem Antrag auf Hinzuziehung gemäß Absatz 2 oder Absatz 3 nicht entspricht. Der Beschluss ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 der Zivilprozessordnung anfechtbar.

(6) Wer anzuhören ist oder eine Auskunft zu erteilen hat, ohne dass die Voraussetzungen des Absatzes 2 oder Absatzes 3 vorliegen, wird dadurch nicht Beteiligter.

(1) In Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, soll das Gericht die Eltern persönlich anhören. In Verfahren nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind die Eltern persönlich anzuhören.

(2) In sonstigen Kindschaftssachen hat das Gericht die Eltern anzuhören. Dies gilt nicht für einen Elternteil, dem die elterliche Sorge nicht zusteht, sofern von der Anhörung eine Aufklärung nicht erwartet werden kann.

(3) Von der Anhörung darf nur aus schwerwiegenden Gründen abgesehen werden.

(4) Unterbleibt die Anhörung allein wegen Gefahr im Verzug, ist sie unverzüglich nachzuholen.

(1) Im Geburtenregister werden beurkundet

1.
die Vornamen und der Geburtsname des Kindes,
2.
Ort sowie Tag, Stunde und Minute der Geburt,
3.
das Geschlecht des Kindes,
4.
die Vornamen und die Familiennamen der Eltern, ihr Geschlecht.

(2) Ist ein Kind tot geboren, so werden nur die in Absatz 1 Nr. 2 bis 4 vorgeschriebenen Angaben mit dem Zusatz aufgenommen, dass das Kind tot geboren ist. Auf Wunsch einer Person, der bei Lebendgeburt des Kindes die Personensorge zugestanden hätte, sind auch Angaben nach Absatz 1 Nr. 1 einzutragen. Hätte die Personensorge bei Lebendgeburt des Kindes beiden Elternteilen zugestanden und führen sie keinen gemeinsamen Familiennamen, so kann ein Familienname für das Kind nur eingetragen werden, wenn sich die Eltern auf den Namen eines Elternteils einigen.

(2a) Bei einer vertraulichen Geburt nach § 25 Absatz 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes werden nur die in Absatz 1 Nummer 1 bis 3 vorgeschriebenen Angaben aufgenommen. Die zuständige Verwaltungsbehörde bestimmt die Vornamen und den Familiennamen des Kindes.

(3) Zum Geburtseintrag wird hingewiesen

1.
auf die Staatsangehörigkeit der Eltern, wenn sie nicht Deutsche sind und ihre ausländische Staatsangehörigkeit nachgewiesen ist,
2.
bei einem Kind, dessen Eltern miteinander verheiratet sind, auf deren Eheschließung,
3.
auf die Beurkundung der Geburt der Mutter und des Vaters,
4.
auf den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes nach § 4 Absatz 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes,
5.
auf das Sachrecht, dem die Namensführung des Kindes unterliegt.

(1) Die Beurkundungen in den Personenstandsregistern beweisen Eheschließung, Begründung der Lebenspartnerschaft, Geburt und Tod und die darüber gemachten näheren Angaben sowie die sonstigen Angaben über den Personenstand der Personen, auf die sich der Eintrag bezieht. Hinweise haben diese Beweiskraft nicht.

(2) Die Personenstandsurkunden (§ 55 Abs. 1) haben dieselbe Beweiskraft wie die Beurkundungen in den Personenstandsregistern.

(3) Der Nachweis der Unrichtigkeit der beurkundeten Tatsachen ist zulässig. Der Nachweis der Unrichtigkeit einer Personenstandsurkunde kann auch durch Vorlage einer beglaubigten Abschrift aus dem entsprechenden Personenstandsregister geführt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 265/17
vom
23. Januar 2019
in der Personenstandssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Stehen bei Nachbeurkundung einer Auslandsgeburt bis auf das Geburtsdatum
alle einzutragenden Personenstandsmerkmale fest oder können diese
aufgeklärt werden, darf das Standesamt die Beurkundung nicht allein wegen
des nicht aufklärbaren genauen Geburtsdatums ablehnen.

b) Ein hinsichtlich des Geburtsdatums mögliches Verfahren auf Feststellung
des Personenstands nach § 25 PStG hat in diesem Fall keinen Vorrang vor
einer Beurkundung der Geburt.

c) Die Beurkundung der Geburt mit dem angegebenen Geburtsdatum ist mit
einem auf dessen Unklarheit bezogenen Zusatz zu versehen. Eine Geburtsurkunde
kann dann nicht ausgestellt werden, sondern nur ein Auszug aus
dem Geburtenregister.
BGH, Beschluss vom 23. Januar 2019 - XII ZB 265/17 - OLG Hamm
AG Bielefeld
ECLI:DE:BGH:2019:230119BXIIZB265.17.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Januar 2019 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. NeddenBoeger und Guhling und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Der Betroffenen wird als Beschwerdeführerin für das Rechtsbeschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin beigeordnet. Sie hat auf die Verfahrenskos- ten monatliche Raten von 131 € ab dem 1. April 2019 zu zahlen. Die Zahlungen sind an die Bundeskasse zu leisten. Auf die Rechtsbeschwerden der Betroffenen und der weiteren Beteiligten zu 1 und 2 wird der Beschluss des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 20. April 2017 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Wert: 5.000 €

Gründe:

I.

1
Die Beteiligten streiten um die Nachbeurkundung der Geburt der Betroffenen.
2
Der Beteiligte zu 1 ist irakischer Staatsbürger und hält sich seit 1999 in Deutschland auf. Die nach ihren Angaben mit ihm verheiratete Beteiligte zu 2 ist ebenfalls irakische Staatsangehörige. Sie reiste 2001 mit fünf im Irak gebore- nen Kindern, unter anderem der Betroffenen, nach Deutschland ein. Ein weiteres Kind gebar sie im September 2001 in Deutschland. Die Betroffene ist - wie die Beteiligten zu 1 und 2 - anerkannter Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK). Eine Klage der Betroffenen und eines weiteren Kindes auf Einbürgerung wurde wegen ungeklärter Identität rechtskräftig abgewiesen.
3
Die Beteiligten zu 1 und 2 haben gegenüber dem Standesamt (Beteiligter zu 3) die Nachbeurkundung der Geburt der Betroffenen beantragt. Das Standesamt hat die Nachbeurkundung wegen ungeklärter Identität der Betroffenen und der Beteiligten zu 1 und 2 verweigert.
4
Das Amtsgericht hat den Antrag der Beteiligten zu 1 und 2, das Standesamt zur Beurkundung anzuweisen, abgelehnt. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 ist vom Oberlandesgericht zurückgewiesen worden. Dagegen richten sich die zugelassenen Rechtsbeschwerden der Beteiligten zu 1 und 2 und der Betroffenen, die die Anweisung des Standesamts zur Nachbeurkundung weiterverfolgen. Für zwei weitere Kinder sind vor dem Senat unter den Aktenzeichen XII ZB 266/17 und XII ZB 267/17 gleichgerichtete Rechtsbeschwerdeverfahren anhängig.

II.

5
Die Rechtsbeschwerden haben Erfolg.
6
1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts scheitert die Nachbeurkundung daran, dass eine Feststellung des tatsächlichen Geburtsdatums des Kindes ausgeschlossen sei. Eine solche sei für eine Nachbeurkundung rechtlich unverzichtbar.
7
Den Beteiligten zu 1 und 2 seien die Geburtsdaten ihrer Kinder nicht erinnerlich. Die Geburtsdaten hätten nach ihren Angaben in ihrem Kulturkreis kei- nerlei Bedeutung, eine Feier von Geburtstagen gebe es nicht. Auch die vorgelegten Personenstandsurkunden ermöglichten keine hinreichend sichere Feststellung des Geburtsdatums. Diese unterlägen mangels Legalisation nicht nur hinsichtlich ihrer Echtheit, sondern auch ihres Inhalts der freien Beweiswürdigung. Das irakische Registrierungsverfahren werde teilweise aufgrund bewusst unrichtiger Gefälligkeitsbescheinigungen und der offenkundig nicht überprüften Angaben Dritter durchgeführt, die im konkreten Fall mehr als 500 Kilometer vom Ort des Geschehens entfernt gewesen seien. Es dokumentiere offenbar bewusst einen falschen Geburtsort und sei nicht bereit, einen aus den eigenen Urkunden ersichtlichen Fehler zu korrigieren. Das Verfahren könne daher zu keinen Registerinhalten führen, die ihrerseits Grundlage einer Beurkundung in Deutschland sein könnten.
8
Das Defizit lasse sich nicht durch die Anwendung der sogenannten Annäherungstheorie beheben. Diese Möglichkeit scheide für das Geburtsdatum jedenfalls im Fall der Nachbeurkundung aus. Die Annäherungstheorie diene typischerweise dazu, die Beurkundung eines feststehenden Personenstandsfalls zu ermöglichen, auch wenn einzelne Personenstandsmerkmale im Sinne von § 1 Abs. 1 PStG entweder überhaupt nicht bekannt oder nicht beweissicher festgestellt werden könnten. Hier bestehe die Besonderheit darin, dass ein Fall der Nachbeurkundung vorliege, eine Beurkundung also rechtlich nicht zwingend geboten sei. Anstelle eines bestimmten Datums einen Zeitraum zu beurkunden, lasse das Personenstandsrecht ausschließlich für den Eintrag im Sterberegister zu. Fälle eines unbekannten bzw. nur annäherungsweise feststellbaren Geburtszeitpunkts regele das Gesetz dagegen nur in § 25 PStG und verweise diese in die Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsbehörde.
9
Das deutsche Personenstandswesen sei auf die Beurkundung von Personenstandsfällen , also die amtliche Fixierung als feststehend erachteter Tat- sachen ausgerichtet. Zwar könne nicht geleugnet werden, dass die Betroffene geboren sei. Um das nachzuweisen, bedürfe es keiner Urkunde. Hinzutreten müsse aber das statusbegründende Kerndatum des Personenstandsfalls, was bei einer Heirat das Heiratsdatum und bei einer Geburt das Geburtsdatum sei. Es bedürfe vorliegend keiner Entscheidung, ob eine Unsicherheit von bis zu einem Tag der Beurkundung entgegenstünde. Denn im vorliegenden Fall lägen keine verwertbaren Angaben vor, die in tatsächlicher Hinsicht die Überzeugung begründen könnten, "dass die Betroffene tatsächlich in einem datumsmäßig exakt eingrenzbaren Zeitraum geboren worden sei." Die Beteiligten zu 1 und 2 könnten sich nicht erinnern, und die Angaben in der Geburtsbescheinigung des Krankenhauses seien ebenso wie das im Personenstandsregister eingetragene Datum nach den eigenen Angaben der Beteiligten zu 1 und 2 nur fiktiv. Eine zuverlässige zeitliche Eingrenzung des Geburtszeitraums könne deshalb lediglich aufgrund eines medizinischen Sachverständigengutachtens vorgenommen werden. Es müsse jedoch damit gerechnet werden, dass ein auf diese Weise gewonnenes Ergebnis zu einem Geburtszeitraum von deutlich mehr als einem Jahr führe. Da entsprechende Untersuchungen bei allen fünf Kindern durchgeführt werden müssten, könne sich ergeben, dass die bei Anwendung der Annäherungsmethode in einen Geburtseintrag aufzunehmenden möglichen Geburtszeiträume von Geschwistern sich teilweise überschnitten und anhand der Geburtseinträge nicht mehr zweifelsfrei festgestellt werden könne, welches der Geschwister das ältere sei. Das sei ein für das deutsche Personenstandsrecht unvorstellbares Ergebnis.
10
Das Fehlen einer exakten Feststellung des Geburtstags lasse sich nicht durch Feststellungen zu weiteren Personenstandsmerkmalen kompensieren, auch wenn diese im vorliegenden Fall, ggf. nach weiteren Ermittlungen, sämtlich feststellbar seien. Das Datum bleibe das Merkmal, an das sich verschiedene rechtliche Konsequenzen (Volljährigkeit, sozialrechtliche Folgen) anknüpf- ten. Auch für die Nachbeurkundung der Ehe sei weitgehend anerkannt, dass hierzu zwingend das Heiratsdatum feststehen müsse. Das müsse entsprechend für die Nachbeurkundung der Geburt gelten.
11
Es sei zwar nicht zu verkennen, dass die Unaufklärbarkeit des Geburtsdatums zu einer merklichen Einschränkung der Beurkundungsmöglichkeiten nach § 36 PStG führen könne, wenn das Personenstandswesen des Geburtslands Defizite aufweise. Zur Auflösung der Problematik sei aber die Festsetzung des Geburtsdatums durch die Verwaltungsbehörde gemäß § 25 PStG möglich und geboten. Soweit eine Anwendung auf im Ausland geborene Nichtdeutsche abgelehnt oder mit äußerster Zurückhaltung gesehen werde, sei dies für den Anwendungsbereich des § 36 PStG falsch, da die Annäherungstheorie bei einem nicht feststellbaren Geburtsdatum nicht greifen könne und die Standesämter zu fiktiven Festsetzungen nicht befugt seien. Ein völliges Absehen von der Nachbeurkundung ließe den Anwendungsbereich des § 36 Abs. 1 Satz 3 PStG verkümmern.
12
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
13
a) Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 PStG kann, wenn ein Deutscher im Ausland geboren oder gestorben ist, der Personenstandsfall auf Antrag im Geburtenregister oder im Sterberegister beurkundet werden; für den Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit ist der Zeitpunkt der Antragstellung maßgebend. Gleiches gilt nach § 36 Abs. 1 Satz 3 PStG für Staatenlose, heimatlose Ausländer und ausländische Flüchtlinge im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland.
14
Die Beurkundung der Auslandsgeburt steht mithin der Betroffenen offen, die als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt ist und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Auch wenn die Betroffene inzwischen volljährig sein dürfte, steht dies einer Nachbeurkundung der Auslandsgeburt nach § 36 PStG nicht entgegen und lässt zudem die Antragsbefugnis der Beteiligten zu 1 und 2 als - hier zu unterstellende - Eltern gemäß § 36 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 PStG unberührt.
15
b) Das Oberlandesgericht sieht die Beurkundung zu Unrecht dadurch gehindert, dass das Geburtsdatum der Betroffenen nicht feststellbar sei.
16
aa) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Oberlandesgericht das Geburtsdatum als ein wesentliches Merkmal des Personenstands nach § 1 Abs. 1 PStG angesehen.
17
Für die Nachbeurkundung der Auslandsgeburt ist nach § 36 Abs. 1 Satz 2 PStG die Vorschrift des § 21 PStG entsprechend anzuwenden. Gemäß § 21 Abs. 1 PStG sind bei der Beurkundung der Geburt vor allem die Vornamen und der Geburtsname des Kindes (Nr. 1), Ort sowie Tag, Stunde und Minute der Geburt (Nr. 2), das Geschlecht des Kindes (Nr. 3) sowie die Vornamen und die Familiennamen der Eltern (Nr. 4) zu beurkunden.
18
Damit der eingetragene Geburtstag an der Beweiswirkung des Registers nach § 54 Abs. 1 Satz 1 PStG teilnehmen kann, muss er vom Standesamt im Rahmen der diesem nach § 9 PStG, § 5 PStV obliegenden Sachverhaltsermittlung aufgeklärt und zweifelsfrei festgestellt werden. Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 PStG beweist die Beurkundung im Geburtenregister die Geburt und die darüber gemachten näheren Angaben sowie die sonstigen Angaben über den Personenstand der Personen, auf die sich der Eintrag bezieht, wobei der Nachweis der Unrichtigkeit der beurkundeten Tatsachen gemäß § 54 Abs. 3 Satz 1 PStG zulässig ist.
19
bb) Fehlt es für die Geburt oder ein anderes Personenstandsmerkmal an geeigneten Nachweisen nach § 33 PStV, stehen dem Standesamt mehrere Möglichkeiten des Verfahrens offen (vgl. Berkl Personenstandsrecht Rn. 225 ff.). Es kann - abgesehen von der Frage einer Zurückstellung der Beurkundung nach § 7 Abs. 1 PStV (vgl. Wall StAZ 2018, 165, 166) - weitere Ermittlungen einleiten, insbesondere gemäß § 10 PStG bezüglich der Beurkundung der Geburt Auskünfte und Nachweise anfordern. Außerdem hat es die Möglichkeit einer Anrufung des Gerichts nach § 49 Abs. 2 PStG, die sich auch auf tatsächliche Zweifel beziehen kann (Berkl Personenstandsrecht Rn. 228 mwN).
20
Lässt sich der Sachverhalt trotz Ausschöpfung aller zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten nicht aufklären, sieht § 35 PStV für bestimmte Fälle die Möglichkeit vor, einen Zusatz aufzunehmen, der das Fehlen des Merkmals erläutert. Außer dem in § 35 Abs. 1 Satz 1 PStV aufgeführten Fehlen geeigneter Nachweise zu Angaben über die Eltern des Kindes wird davon etwa auch der das Kind betreffende Zusatz "Namensführung nicht nachgewiesen" erfasst, wenn Identität oder Namensführung der den Namen erteilenden Eltern nicht geklärt ist (vgl. KG StAZ 2018, 217). Die Regelung in § 35 Abs. 1 PStV ist Ausdruck des sogenannten Annäherungsgrundsatzes (Annäherungsmethode), der von der Rechtsprechung bereits vor der Neuregelung des Personenstandsrechts zum 1. Januar 2009 angewendet worden ist. Danach wurden die erwiesenen Tatsachen eingetragen, während hinsichtlich der nicht belegten eintragungspflichtigen Tatsachen die Eigenangaben übernommen und mit einem Zusatz versehen wurden, der die Beweiskraft des Eintrags entsprechend einschränkte (vgl. BR-Drucks. 713/08 S. 97 f.; OLG Schleswig StAZ 2014, 242, 243 mwN).
21
Durch die trotz verbleibender Unklarheiten erfolgte Beurkundung wird neben dem staatlichen Ordnungsinteresse an der lückenlosen Registrierung feststehender Personenstandsfälle insbesondere auch dem Anspruch der Betroffenen auf Beurkundung Rechnung getragen, ohne dass zugleich dem Registereintrag eine über die vom Standesamt gewonnenen Erkenntnisse hinausgehende Beweiswirkung verliehen wird.
22
cc) Das beschriebene Verfahren wird entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts nicht dadurch ausgeschlossen, dass hinsichtlich einzelner ungeklärter Merkmale die Möglichkeit einer Bestimmung des Personenstands nach § 25 PStG besteht. Das gilt auch bezüglich des Geburtsdatums jedenfalls dann, wenn der Personenstandsfall als solcher, im vorliegenden Fall also die Geburt, feststeht und die Identität des Betroffenen geklärt ist.
23
(1) Nach § 25 Satz 1 PStG bestimmt für eine im Inland angetroffene Person , deren Personenstand nicht festgestellt werden kann, die zuständige Verwaltungsbehörde , welcher Geburtsort und Geburtstag für sie einzutragen ist; sie bestimmt ferner die Vornamen und den Familiennamen.
24
Die in erster Linie für den Fall eines vollständig unklaren Personenstands und eine fehlende Anzeige geschaffene Vorschrift ist darüber hinaus auch eröffnet , wenn eine Anzeige oder ein Antrag nach § 36 PStG gestellt wird und nur einzelne Personenstandsmerkmale unbekannt sind (Gaaz/Bornhofen/Gaaz Personenstandsgesetz 4. Aufl. § 25 Rn. 3 mwN; Berkl Personenstandsrecht Rn. 468). Dass im vorliegenden Fall nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts nur das Geburtsdatum unbekannt ist, steht dessen Bestimmung durch die Verwaltungsbehörde mithin nicht im Wege (OVG Lüneburg Urteil vom 27. Oktober 1981 - 8 OVG A 41/81 - Umdruck S. 9 f.; VG Braunschweig StAZ 1980, 74; Gaaz/Bornhofen/Gaaz Personenstandsgesetz 4. Aufl. § 25 Rn. 3). § 25 PStG ermöglicht eine ersatzweise Festsetzung des Personenstands durch Verwaltungsakt. Sachlich zuständige Behörde ist in Nordrhein-Westfalen nach § 3 Abs. 1 iVm § 2 Nr. 1 Personenstandsverordnung NRW vom 16. Dezember 2008 (PStVO NRW - GVBl. NRW 2008, 859) die untere Aufsichtsbehörde, im vorliegenden Fall mithin der Beteiligte zu 4 als Standesamtsaufsicht. Das Verfahren kann von Amts wegen oder auf Antrag des Betroffenen eingeleitet werden (vgl. BVerwGE 25,109 = NJW 1967, 458; Gaaz/Bornhofen/Gaaz Personenstandsgesetz 4. Aufl. § 25 Rn. 9). Wird nach einer Bestimmung später der wirkliche Personenstand ermittelt, ist der Eintrag nach § 26 PStG auf Anordnung der Verwaltungsbehörde zu berichtigen.
25
Dass der Geburtsort des Betroffenen außerhalb des Geltungsbereichs des Personenstandsgesetzes liegt, dürfte eine Personenstandsbestimmung nicht hindern (vgl. § 25 Satz 3 PStG sowie VG Braunschweig StAZ 1980, 74; anders noch BVerwGE 25, 113 = NJW 1967, 458; BVerwGE 25, 109 = NJW 1967, 458 zu § 26 PStG aF).
26
(2) Indessen kommt dem Verfahren nach § 25 PStG jedenfalls unter den Umständen des vorliegenden Falls entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts kein Vorrang gegenüber der Nachbeurkundung gemäß § 36 PStG zu.
27
Dafür kann dahinstehen, ob ein Verfahren nach § 25 PStG im vorliegenden Fall überhaupt erfolgversprechend wäre oder ob der Personenstand der Betroffenen aufgrund der irakischen Registereinträge, deren Echtheit das Oberlandesgericht nicht in Zweifel zieht und auf deren Richtigkeit es nicht ankommt (vgl. OVG Lüneburg Urteil vom 27. Oktober 1981 - 8 OVG A 41/81 - Umdruck S. 9, 11), sogar feststeht. Abgesehen davon, dass § 25 PStG von der in § 36 Abs. 1 Satz 2 PStG enthaltenen Verweisung nicht umfasst wird, kann § 25 PStG ein tatbestandlicher Vorrang nur zukommen, wenn der unklare Personenstand eine Beurkundung des Personenstands ausschließt, weil es an festgestellten Daten fehlt und eine mit Beweiswirkung versehene Personenstandsbe- urkundung in jeder Hinsicht ausgeschlossen ist. Dass nicht alle Personenstandsmerkmale für eine Beurkundung der Geburt vollständig festgestellt sein müssen, belegt die Regelung in § 35 PStV, nach der eine Eintragung sogar ohne Nachweise zu den Angaben über die Eltern erfolgen kann. Dass die Beurkundung der Geburt und die Personenstandsbestimmung in keinem Alternativverhältnis stehen, ergibt sich ferner daraus, dass nach § 25 PStG auch einzelne Umstände im Wege der Personenstandsbestimmung festgestellt werden können. Dementsprechend hat auch das Oberlandesgericht im Fehlen anderer Einzeldaten als des Geburtsdatums keinen Hinderungsgrund für die Beurkundung erblickt, obwohl deren Fehlen ebenfalls ein Verfahren nach § 25 PStG ermöglichen würde.
28
Folglich setzt eine Beurkundung nur voraus, dass der Personenstandsfall als solcher und mithin die Identität des Betroffenen feststehen. Verbleibt bei feststehendem Personenstandsfall auch nach erschöpfender Aufklärung durch das Standesamt und ggf. durch das Gericht hinsichtlich einzelner einzutragender Umstände eine Ungewissheit, schließt dies hingegen eine Eintragung für sich genommen noch nicht aus.
29
Der vom Oberlandesgericht angeführte Vergleich von Geburts- und Eheschließungsdatum trägt die gegenteilige Auffassung nicht. Denn bei Geburt einer Person, deren Identität geklärt ist, steht der Personenstandsfall als solcher selbst bei ungewissem Geburtsdatum fest. Dagegen stellt die Ungewissheit über das Datum der Eheschließung zugleich diese selbst in Frage, weil die Wirksamkeit der Eheschließung ohne Kenntnis vom Eheschließungsdatum bereits nicht abschließend geklärt werden kann. Anders als bei der Geburt steht bei ungeklärtem Eheschließungsdatum daher schon der Personenstandsfall als solcher nicht zweifelsfrei fest.
30
Aus dem Umstand, dass § 36 PStG nur eine Nachbeurkundung vorsieht und mithin eine Registrierung der Geburt im Ausland oft schon erfolgt ist, können schließlich entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts keine höheren Anforderungen an die Beurkundung abgeleitet werden. Denn § 36 PStG begründet einen Anspruch auf Nachbeurkundung, der von weiteren als den gesetzlich genannten Voraussetzungen nicht abhängig ist.
31
Stehen mithin die Geburt als Personenstandsfall und die Identität des Kindes fest, ist die Beurkundung trotz des ungeklärten genauen Geburtsdatums vorzunehmen. Dann ist das unter Berücksichtigung der Angaben der Beteiligten wahrscheinlichste Geburtsdatum einzutragen und mit einem einschränkenden Zusatz zu versehen. Das genaue Geburtsdatum ist zwar von wesentlicher Bedeutung für den Eintritt der Volljährigkeit und andere vom Lebensalter abhängige Rechte und Pflichten. Darin erschöpft sich aber die Bedeutung der Geburtsbeurkundung nicht. Bleibt nur die Richtigkeit des angegebenen Geburtsdatums ungeklärt, so ergibt sich aus dem Geburtseintrag dennoch die für den Rechtsverkehr nützliche und wichtige Verlautbarung von Abstammung und Namen des Kindes. Dadurch wird bei noch offensichtlicher Minderjährigkeit nicht zuletzt auch die Feststellung ermöglicht, wer Inhaber der elterlichen Sorge für das minderjährige Kind ist.
32
Dass das genaue Geburtsdatum unklar ist, ist dann entsprechend § 35 Abs. 1 Satz 1 PStV durch einen entsprechenden Zusatz im Register zu vermerken. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts beruht die Beurkundung dann nicht auf einer Befugnis des Standesbeamten zur fiktiven Festlegung, denn die Beurkundung nimmt insoweit nicht an der Beweiskraft des Geburtenregisters teil. Im Übrigen würde das Geburtsdatum auch im Verfahren nach § 25 PStG nicht konstitutiv festgelegt werden, sondern unterläge nach § 26 PStG einer später möglichen Berichtigung.
33
(3) Bei trotz ungeklärten Geburtsdatums erfolgter Eintragung ist schließlich entsprechend § 35 Abs. 1 Satz 2 PStV folgerichtig keine Geburtsurkunde auszustellen, sondern nur ein Auszug aus dem Register.
34
3. Die angefochtene Entscheidung ist danach aufzuheben. Die Sache ist an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, weil noch Feststellungen zu treffen sind, die es - aufgrund seines Rechtsstandpunkts konsequent - bislang noch offengelassen hat. Dose Klinkhammer Nedden-Boeger Guhling Krüger
Vorinstanzen:
AG Bielefeld, Entscheidung vom 04.03.2014 - 3 III 55/12 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 20.04.2017 - I-15 W 152/14 -