Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Apr. 2006 - XII ZB 74/05

bei uns veröffentlicht am12.04.2006
vorgehend
Amtsgericht Nauen, 21 F 70/03, 10.09.2004
Brandenburgisches Oberlandesgericht, 15 UF 227/04, 13.04.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 74/05
vom
12. April 2006
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die nach § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO erforderliche Einwilligung des Gegners in die
Verlängerung der Begründungsfrist muss, wenn der Gegner sie nicht selbst gegenüber
dem Gericht erklärt, in dem Fristverlängerungsantrag im Regelfall ausdrücklich
dargelegt werden. Ausnahmsweise reicht eine konkludente Darlegung
aus, etwa wenn sich die Einwilligung des Gegners zweifelsfrei aus dem Zusammenhang
des Antrags mit bereits zuvor gestellten Verlängerungsanträgen
ergibt.
BGH, Beschluss vom 12. April 2006 - XII ZB 74/05 - OLG Brandenburg
AG Nauen
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. April 2006 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Prof. Dr. Wagenitz, die
Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose beschlossen:
beschlossen: Der Klägerin wird als Rechtsbeschwerdeführerin für das Rechtsbeschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin Scheuch beigeordnet. Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluß des 3. Senats für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 13. April 2005 aufgehoben. Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt.

Gründe:


I.

1
Die Parteien streiten um Unterhalt. Die Klägerin hat gegen das ihr am 16. September 2004 zugestellte teilweise klagabweisende Urteil des Amtsgerichts fristgerecht Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungfrist ist wiederholt verlängert worden, und zwar zunächst wegen Erkrankung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin bis zum 15. Dezember 2004. Auf am 13. Dezember 2004 und 12. Januar 2005 eingegangene Anträge der Klägerin ist die Frist er- neut, und zwar bis zum 13. Januar und sodann bis zum 3. Februar 2005, verlängert worden. In der Begründung beider Anträge ist ausgeführt, dass zwischen den Parteien Vergleichsverhandlungen schwebten und die Gegenseite mit der Fristverlängerung einverstanden sei.
2
In einem am 2. Februar 2005 eingegangenen Schriftsatz vom 1. Februar 2005 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin eine erneute Fristverlängerung bis zum 3. März 2005 beantragt, weil die Vergleichsverhandlungen kurz vor dem Abschluss stünden, die Parteien jedoch noch Zeit benötigten, den Vergleich abschließend abzustimmen. Der Vorsitzende des Senats des Berufungsgerichts hat am 4. Februar 2005 verfügt, dass ein Abdruck dieses Antrags dem gegnerischen Anwalt zugeleitet wird; zugleich hat er mit dem Vermerk "Zust. GE?" eine Wiedervorlage nach zwei Wochen angeordnet. Außerdem hat er an diesem Tage den Prozessbevollmächtigten der Klägerin telefonisch darauf hingewiesen , dass dem Verlängerungsantrag nicht stattgegeben werden könne, weil die Einwilligung der Gegenseite nicht dargelegt sei. Am 1. März 2005 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin "mit versichertem Einverständnis der Gegenseite" beantragt, die Frist für die Berufungsbegründung bis zum 17. März 2005 zu verlängern.
3
Die Klägerin hat am 15. März 2005 die Berufung begründet. Mit FaxSchreiben vom 16. März 2005 hat der Vorsitzende des Senats des Berufungsgerichts dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mitgeteilt, dass ein zulässiger Antrag auf weitere Fristverlängerung nicht gestellt worden und die Berufungsbegründung deshalb verfristet sei. Die Klägerin hat daraufhin am 24. März 2005 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt. Diesen Antrag hat das Oberlandesgericht mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen.

II.

4
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 238 Abs. 2 i.V. mit § 522 Abs. 1, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässig, da der angefochtene Beschluss die Klägerin in ihrem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verletzt und eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts deshalb zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.
5
2. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Das Oberlandesgericht hat der Klägerin die begehrte Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist zu Unrecht versagt.
6
a) Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin es versäumt, rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist ein Fristverlängerungsgesuch anzubringen, das einer positiven Bescheidung zugänglich ist. Der Antrag vom 1. Februar 2005 erfülle diese Voraussetzung nicht. Diesem Antrag hätte nur mit Einwilligung des Gegners stattgegeben werden können. Dabei genüge nicht, dass diese Einwilligung tatsächlich vorliege. Der Beantragende müsse diese zwingende Voraussetzung in seinem Verlängerungsgesuch (zumindest) auch darlegen. Diese Darlegung habe der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, dessen Verschulden der Klägerin zuzurechnen sei, unterlassen. Hinzu komme, dass das Wiedereinsetzungsgesuch nicht innerhalb der hierfür vorgesehenen Frist von zwei Wochen eingereicht worden sei. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe spätestens durch den - nach seiner Angabe am 4. Februar 2005 erfolgten - telefonischen Hinweis des Vorsitzenden des Senats des Oberlandesgerichts Kenntnis erlangt, dass die beantragte Fristverlängerung nicht ohne schriftliche Darlegung der Zustimmung des Gegners gewährt werden könne. Er habe deshalb nicht bis zum schriftlichen Hinweis des Senatsvorsitzenden vom 16. März 2005 darauf vertrauen dürfen, die Fristverlängerung sei stillschweigend gewährt worden.
7
b) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
8
aa) Die Klägerin war ohne ihr Verschulden an der fristgerechten Berufungsbegründung gehindert; denn sie durfte darauf vertrauen, dass ihren Anträgen , diese Frist bis zum 3. März 2005 bzw. weiter bis zum 17. März 2005 zu verlängern, entsprochen würde.
9
Da die Berufungsbegründungfrist bereits zuvor über einen Monat hinaus verlängert worden war, konnte diese Frist nur mit Einwilligung des Gegners erneut verlängert werden (§ 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss diese Einwilligung nicht schriftlich und gegenüber dem Berufungsgericht erklärt werden; sie kann vielmehr auch vom Prozessbevollmächtigten des Berufungsklägers eingeholt werden (BGH Beschluss vom 9. November 2004 - XI ZB 6/04 - FamRZ 2005, 267). In diesem Fall muss die Erteilung der Einwilligung in dem Fristverlängerungsantrag dargelegt werden (BGH Beschluss vom 22. März 2005 - XI ZB 36/04 - FamRZ 2005, 1082 m.w.N.).
10
Dem Fristverlängerungsgesuch der Klägerin vom 1. Februar 2005 lässt sich konkludent die Erklärung entnehmen, der gegnerische Anwalt habe auch in die nunmehr erneut beantragte Fristverlängerung eingewilligt. Dafür spricht der Zusammenhang dieses Antrags mit den vorangegangenen Verlängerungsgesuchen , in denen der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf die schwebenden Vergleichsverhandlungen hingewiesen und ausdrücklich die Einwilligung des gegnerischen Anwalts dargelegt hat. Der Fristverlängerungsantrag der Klägerin vom 1. Februar 2005 stellt ausdrücklich den Abschluss dieser Vergleichsverhandlungen in Aussicht und betont, dass "die Parteien" - also auch der Be- klagte - die Fristverlängerung benötigten, um den Vergleich abschließend abzustimmen und zur Protokollierung im schriftlichen Verfahren vorzulegen.
11
bb) Die Klägerin hat auch rechtzeitig auf die Wiedereinsetzung angetragen und die hierfür maßgebenden Gründe fristgerecht geltend gemacht.
12
Die Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist muss - entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts - nicht innerhalb von zwei Wochen, sondern, wie sich aus § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO ergibt, binnen eines Monats beantragt werden. Diese Frist begann nicht, wie das Oberlandesgericht meint, schon deshalb am 4. Februar 2005, weil der Vorsitzende des Senats des Oberlandesgerichts an diesem Tag den Prozessbevollmächtigten der Klägerin angerufen und ihm - auf dessen Rückruf - mitgeteilt hat, dass dem Fristverlängerungsgesuch vom 1. Februar 2005 nicht entsprochen werden könne.
13
Zum Inhalt dieses durch Nachweis der Telefongesellschaft belegten Telefonats hat die Klägerin glaubhaft gemacht, ihr Prozessbevollmächtigter habe dem Senatsvorsitzenden ausdrücklich versichert, dass der Beklagten-Vertreter in die Fristverlängerung eingewilligt und zugesagt habe, diese Einwilligung unmittelbar und rechtzeitig dem Oberlandesgericht zu übermitteln. Der Senatsvorsitzende habe sich daraufhin erkundigt, ob denn tatsächlich begründete Hoffnung bestehe, den Rechtsstreit durch Vergleich zu beenden. Der Prozessbevollmächtigte habe dies bejaht.
14
Ausweislich des Akteninhalts hat der Senatsvorsitzende am selben Tag (4. Februar 2005) verfügt, dass ein Abdruck des Fristverlängerungsgesuchs dem gegnerischen Anwalt zugeleitet wird; zugleich hat er mit dem Vermerk "Zust. GE?" eine Wiedervorlage nach zwei Wochen angeordnet. Bei Würdigung dieser Umstände ist nicht ersichtlich, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bereits aufgrund des mit dem Senatsvorsitzenden geführten Telefonge- sprächs zu dem Ergebnis kommen musste, dass sein Fristverlängerungsgesuch endgültig abschlägig beschieden worden sei. Vielmehr ist im Verfahren der Rechtsbeschwerde der Vortrag der Klägerin zu unterstellen, sie habe dem Telefongespräch entnehmen können, über die begehrte Fristverlängerung werde erst später und unter Berücksichtigung ihrer Darlegungen zur Einwilligung des Beklagtenvertreters entschieden. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin durfte deshalb bis zu einer endgültigen abschlägigen Entscheidung darauf vertrauen , dass seinem Gesuch um Fristverlängerung entsprochen würde, und konnte deshalb mit einem Wiedereinsetzungsgesuch zunächst zuwarten.
15
Dieses Vertrauen war erst dann nicht mehr gerechtfertigt, nachdem der Vorsitzende des Senats des Oberlandesgerichts mit Fax-Schreiben vom 16. und 24. März 2005 eine Fristverlängerung endgültig abgelehnt hatte. Die einmonatige Wiedereinsetzungsfrist begann deshalb frühestens am 16. März 2005; sie wurde durch das am 24. März 2005 eingegangene Wiedereinsetzungsgesuch in Verbindung mit der zuvor eingegangenen Berufungsbegründung gewahrt.
Hahne Sprick Wagenitz Vézina Dose

Vorinstanzen:
AG Nauen, Entscheidung vom 10.09.2004 - 21 F 70/03 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 13.04.2005 - 15 UF 227/04 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Apr. 2006 - XII ZB 74/05

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Apr. 2006 - XII ZB 74/05

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw
Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Apr. 2006 - XII ZB 74/05 zitiert 5 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Apr. 2006 - XII ZB 74/05 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Apr. 2006 - XII ZB 74/05 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Nov. 2004 - XI ZB 6/04

bei uns veröffentlicht am 09.11.2004

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XI ZB 6/04 vom 9. November 2004 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja _____________________ ZPO (1.1.2002) § 520 Abs. 2 Satz 2 Die Einwilligung des Berufungsbeklagten in die Verlängerung der Berufung

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. März 2005 - XI ZB 36/04

bei uns veröffentlicht am 22.03.2005

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XI ZB 36/04 vom 22. März 2005 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja _____________________ ZPO (Fassung: 1. Januar 2002) §§ 233 Ff, 520 Das Vertrauen auf die Bewilligung der beantragten Verlängerun
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Apr. 2006 - XII ZB 74/05.

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juli 2012 - III ZB 57/11

bei uns veröffentlicht am 26.07.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS III ZB 57/11 vom 26. Juli 2012 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 520 Abs. 2 Satz 2 Der bloße Hinweis auf laufende Vergleichsverhandlungen reicht nicht aus, um die gemäß § 5

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Aug. 2019 - X ZB 13/18

bei uns veröffentlicht am 20.08.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZB 13/18 vom 20. August 2019 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 233 Satz 1 D, § 520 Abs. 2 Satz 3 Der Rechtsmittelführer darf die Verlängerung der Frist zur Berufungsbe

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Juni 2017 - V ZB 106/16

bei uns veröffentlicht am 01.06.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 106/16 vom 1. Juni 2017 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 520 Abs. 2 Satz 2 Die Berufungsbegründungsfrist kann nicht unter einer Bedingung verlängert werden. Geschie

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Mai 2017 - VIII ZB 69/16

bei uns veröffentlicht am 09.05.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VIII ZB 69/16 vom 9. Mai 2017 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 233 B, C, Ff Im Wiedereinsetzungsverfahren kann sich der Berufungsführer nur dann mit Erfolg auf sein Vertra

Referenzen

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 6/04
vom
9. November 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
_____________________
ZPO (1.1.2002) § 520 Abs. 2 Satz 2
Die Einwilligung des Berufungsbeklagten in die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist
bedarf nicht der Schriftform, sondern kann vom Prozeßbevollmächtigten
des Berufungsklägers eingeholt und gegenüber dem Gericht anwaltlich versichert
werden.
BGH, Beschluß vom 9. November 2004 - XI ZB 6/04 - KG Berlin
LG Berlin
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Nobbe, den Richter Dr. Joeres, die Richterin Mayen sowie die
Richter Dr. Appl und Dr. Ellenberger
am 9. November 2004

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluß des 14. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 2. Dezember 2003 aufgehoben.
Der Klägerin wird gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 26. Juni 2003 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt.
Der Gegenstandswert beträgt 6.000 €.

Gründe:


I.


Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hat gegen d as die Klage abweisende Urteil des Landgerichts fristgerecht Berufung eingelegt. Auf seinen Antrag hat der Vorsitzende des zuständigen Zivilsenats des Kammergerichts die Begründungsfrist um einen Monat bis zum
16. Oktober 2003 verlängert. Zugleich hat er darauf hingewiesen, daß eine weitere Verlängerung nur mit Einwilligung des Gegners, die dem Gericht vor Fristablauf schriftsätzlich vorliegen müsse, bewilligt werden dürfe. Am 16. Oktober 2003 hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin wegen Arbeitsüberlastung eine weitere Fristverlängerung bis zum 23. Oktober 2003 beantragt und mitgeteilt, der gegnerische Prozeßbevollmächtigte habe dieser Verlängerung zugestimmt. Nach einem gerichtlichen Hinweis vom 17. Oktober 2003, daß die Frist ohne Vorlage der schriftsätzlichen Zustimmung der Gegenseite nicht verlängert werden könne, hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten dem Gericht am 20. Oktober 2003 schriftlich mitgeteilt, daß er einer Fristverlängerung bis zum 23. Oktober 2003 zustimme. Am 23. Oktober 2003 ist die Berufungsbegründung bei Gericht eingegangen.
Nachdem der Vorsitzende des zuständigen Zivilsenat s am 24. Oktober 2003 darauf hingewiesen hatte, daß die Begründungsfrist nicht verlängert werden könne, weil die schriftsätzliche Zustimmung der Gegenseite erst nach Ablauf der bisherigen Frist eingegangen sei, hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin am 29. Oktober 2003 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Begründungsfrist beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, daß der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten der beantragten Fristverlängerung am 16. Oktober 2003 telefonisch zugestimmt habe. Die Vorlage der schriftlichen Zustimmung vor Fristablauf sei nicht erforderlich und vom Kammergericht in vergleichbaren früheren Fällen auch nie verlangt worden.
Das Kammergericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Mit der Rechtsbe-
schwerde erstrebt die Klägerin die Aufhebung dieses Beschlusses und die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

II.


Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.
1. Sie ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluß gewahrt sein müssen (BGHZ 151, 42, 43; 151, 221, 223; 155, 21, 22; Senat, Beschluß vom 11. Mai 2004 - XI ZB 39/03, NJW 2004, 2222, 2223), sind erfüllt. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Frage, ob die Einwilligung gemäß § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO in schriftlicher Form erklärt und dem Gericht vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist zugehen muß, ist, wie die Rechtsbeschwerde zu Recht geltend macht, für eine Vielzahl von Verfahren bedeutsam und bedarf grundsätzlicher Klärung.
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

a) Das Kammergericht hat zur Begründung seiner Ent scheidung im wesentlichen ausgeführt, die Begründungsfrist habe nicht über den 16. Oktober 2003 hinaus verlängert werden können, weil die hierfür gemäß § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO erforderliche Einwilligung der Beklagten erst nach Ablauf der verlängerten Begründungsfrist bei Gericht einge-
gangen sei. Die Einwilligung sei gemäß § 183 Satz 1 BGB eine vorherige Zustimmung und müsse dem Gericht vor Ablauf der Begründungsfrist in schriftlicher Form zugehen. Da hierauf bereits bei der Fristverlängerung bis zum 16. Oktober 2003 hingewiesen worden sei, könne Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden.

b) Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfu ng nicht stand.
aa) Die Klägerin war ohne ihr Verschulden und das ihres Prozeßbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) gehindert, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten (§ 233 ZPO). Ihr Prozeßbevollmächtigter durfte darauf vertrauen, daß seinem Verlängerungsantrag vom 16. Oktober 2003 stattgegeben würde. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Rechtsanwalt erwarten kann, daß nach einer bereits bewilligten Fristverlängerung auch einem zweiten Antrag auf Fristverlängerung entsprochen wird, ist höchstrichterlich noch nicht abschließend entschieden (vgl. Senat, Beschluß vom 6. November 2001 - XI ZB 14/01, BGHR ZPO § 233 Fristverlängerung 22; BGH, Beschluß vom 21. Februar 2000 - II ZB 16/99, NJW-RR 2000, 947, 948). Sie bedarf auch hier keiner generellen Klärung, weil das Vertrauen des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin auf die Bewilligung der beantragten Fristverlängerung jedenfalls aufgrund der konkreten Umstände des Falles gerechtfertigt war. Der Vorsitzende des zuständigen Zivilsenats des Kammergerichts hatte ihm gleichzeitig mit der ersten Fristverlängerung mitgeteilt, daß eine weitere Verlängerung die Einwilligung des Gegners voraussetze. Dies durfte der Prozeßbevollmächtigte so verstehen, daß der Vorsitzende bei der Ausübung seines Ermessens gemäß § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO im Falle der Einwilligung des Gegners keine besonderen Anforderungen an den zwei-
ten Verlängerungsantrag stellen werde, wenn der Berufungskläger einen erheblichen Grund im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO für eine Fristverlängerung darlege. Das ist hier geschehen; der Berufungskläger hat mit Arbeitsüberlastung seines Prozeßbevollmächtigten einen erheblichen Grund für eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vorgetragen (vgl. Musielak/Ball, ZPO 4. Aufl. § 520 Rdn. 8).
bb) Daß der Vorsitzende bei der ersten Fristverlän gerung die Rechtsauffassung vertreten hatte, die Einwilligung des Gegners müsse dem Gericht vor Fristablauf schriftsätzlich vorliegen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Da diese Ansicht unzutreffend war, durfte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin gleichwohl erwarten, daß seinem Verlängerungsantrag entsprochen würde.
Die Einwilligung gemäß § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO bed arf nicht der Schriftform, sondern kann - wie im vorliegenden Fall geschehen - vom Prozeßbevollmächtigten des Berufungsklägers eingeholt und gegenüber dem Gericht anwaltlich versichert werden (Gerken, in: Wieczorek/ Schütze, ZPO 3. Aufl. § 520 Rdn. 37, 41; a.A.: Rimmelspacher, in: MK/ZPO 2. Aufl. Aktualisierungsband § 520 Rdn. 11; Albers, in: Baumbach /Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 62. Aufl. § 520 Rdn. 11). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO, der, anders als § 566 Abs. 2 Satz 4 ZPO für die Einwilligung in die Sprungrevision, keine Schriftform verlangt. Die Schriftformbedürftigkeit des Verlängerungsantrages (BGHZ 93, 300, 303 f.) ist auf die Einwilligung nicht übertragbar. Der rechtzeitige Eingang eines Verlängerungsantrages oder einer Begründungsschrift hindert den Eintritt der formellen Rechtskraft. Damit hierüber im Interesse der Rechtssicherheit Klarheit besteht, bedarf
der Verlängerungsantrag der Schriftform (BGHZ 93, 300, 303). Die Einwilligung gemäß § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO hat keine vergleichbare Bedeutung für den Eintritt der formellen Rechtskraft. Eine bewilligte Fristverlängerung ist auch dann wirksam, wenn die erforderliche Einwilligung nicht vorliegt (BGH, Beschluß vom 18. November 2003 - VIII ZB 37/03, NJW 2004, 1460, 1461). Hinzu kommt, daß das durch das Zivilprozeßreformgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I 2001, S. 1887) eingeführte Einwilligungserfordernis die Voraussetzungen einer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gegenüber der früheren Rechtslage ohnehin verschärft hat und die entsprechende Regelung für die Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist (§ 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 ZPO) durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004 (BGBl. I 2004, S. 2198) bereits wieder gelockert worden ist. Vor diesem Hintergrund besteht kein Anlaß, an die Einwilligung gemäß § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO erhöhte Anforderungen zu stellen und sie als schriftformbedürftig anzusehen.

c) Die angefochtene Entscheidung war daher aufzuhe ben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO) und gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren.
Nobbe Joeres Mayen
Appl Ellenberger

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 36/04
vom
22. März 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
ZPO (Fassung: 1. Januar 2002) §§ 233 Ff, 520
Das Vertrauen auf die Bewilligung der beantragten Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist
ist nicht gerechtfertigt, wenn der Prozeßbevollmächtigte des Berufungsklägers
die ihm gegenüber erklärte, gemäß § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO erforderliche
Einwilligung des Gegners in dem Verlängerungsantrag nicht erwähnt.
BGH, Beschluß vom 22. März 2005 - XI ZB 36/04 - OLG Bremen
LG Bremen
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Richter
Dr. Joeres, Dr. Müller, die Richterin Mayen und die Richter Dr. Appl und
Dr. Ellenberger
am 22. März 2005

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluß des 4. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 8. Juli 2004 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert beträgt 161.587,18 €.

Gründe:


I.


Der Kläger hat gegen das seine Klage abweisende Ur teil des Landgerichts fristgerecht Berufung eingelegt. Auf seinen ersten - ohne Zustimmung des Beklagten gestellten - Antrag hat der Vorsitzende des zuständigen Zivilsenats die Begründungsfrist um einen Monat bis zum 26. Mai 2004 verlängert. Am 26. Mai 2004 um 17.25 Uhr reichte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers per Telefax einen zweiten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen weiteren Monat bis zum 26. Juni 2004 ein, den er mit Arbeitsüberlastung begründete.

Der Senatsvorsitzende lehnte diesen Antrag am 1. J uni 2004 ab, weil die gemäß § 520 Abs. 2 ZPO erforderliche Einwilligung des Gegners nicht binnen der am 26. Mai 2004 abgelaufenen Frist dargetan worden sei. Diese Verfügung wurde dem Prozeßbevollmächtigen des Klägers am 15. Juni 2004 zugestellt, der mit Telefax vom 17. Juni 2004 die schriftliche Einverständniserklärung des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten vom 26. Mai 2004 vorlegte.
Am 29. Juni 2004 hat der Kläger seine Berufung beg ründet und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe auf die Gewährung der beantragten Fristverlängerung vertrauen dürfen, weil die Zustimmung des gegnerischen Prozeßbevollmächtigten objektiv vorgelegen habe. Daß dem Gericht im Antrag vom 26. Mai 2004 diese Zustimmung nicht mitgeteilt und die Zustimmungserklärung nicht mitübersandt worden sei, beruhe darauf, daß die zuständige und sonst immer zuverlässige Bürokraft seines Prozeßbevollmächtigten die ihr insofern erteilte Einzelweisung versehentlich nicht beachtet habe. Sie sei angewiesen worden, den Fristverlängerungsantrag zu schreiben und auf das vorliegende Einverständnis der Gegenseite hinzuweisen sowie den Fristverlängerungsantrag vorab per Telefax unter Beifügung der Einverständniserklärung abzusenden. Sein Prozeßbevollmächtigter habe den Fristverlängerungsantrag im Vertrauen darauf unterzeichnet, daß er ordnungsgemäß vorbereitet worden sei.
Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsant rag zurückgewiesen und gleichzeitig die Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist verworfen. Zur Begründung hat es im wesentli-
chen ausgeführt, der Kläger sei nicht ohne sein Verschulden gehindert gewesen, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Insbesondere könne der Kläger seinen Wiedereinsetzungsantrag nicht darauf stützen, daß er mit der Ablehnung seines zweiten Fristverlängerungsantrages nicht habe rechnen müssen. Da die Berufungsbegründungsfrist bereits erstmals um einen Monat verlängert gewesen sei, sei für eine weitere Fristverlängerung nach § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Einwilligung des Gegners notwendig gewesen. Nachdem der Kläger das Vorliegen dieser unverzichtbaren Voraussetzung für eine erneute Fristverlängerung nicht vorgetragen habe - und zwar weder bis zum Fristablauf noch bis zur Entscheidung des Vorsitzenden vom 1. Juni 2004 -, sei die Ablehnung des Fristverlängerungsantrages zu Recht erfolgt. Die Verfügung des Vorsitzenden werde nicht dadurch gesetzeswidrig, daß dem Kläger die Einwilligung des Gegners tatsächlich bei Stellung des Fristverlängerungsantrages vorgelegen habe. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne nicht gewährt werden, weil der Prozeßbevollmächtigte des Klägers es zu vertreten habe, daß die vorliegende Zustimmung des Gegners im Antrag weder erwähnt noch diesem beigefügt worden sei.
Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt der Kläger die A ufhebung dieses Beschlusses und die Bewilligung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

II.


Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 N r. 1 ZPO i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO), aber unzulässig. Die
Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluß gewahrt sein müssen (Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2004 - XI ZB 39/03, WM 2004, 1407, 1408 m.w.Nachw. zur Veröffentlichung in BGHZ 159, 135 vorgesehen und vom 9. November 2004 - XI ZB 6/04, NJW 2005, 72, 73 m.w.Nachw. zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen ), sind nicht erfüllt.
1. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat d ie Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Rechtsbeschwerde formuliert zwar die für grundsätzlich gehaltene Zulassungsfrage , ob „einem Berufungskläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren ist, wenn bei einem rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist gestellten Fristverlängerungsantrag die nach § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO erforderliche Einwilligung des Gegners tatsächlich vorliegt und diese nur aufgrund eines Versehens einer Büroangestellten dem Gericht nicht mitgeteilt wird“. In Rechtsprechung und Literatur ist aber bereits geklärt, daß ein berechtigtes Vertrauen auf die Gewährung einer beantragten Fristverlängerung die Vollständigkeit des Verlängerungsantrages voraussetzt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Oktober 1992 - VIII ZB 28/92, NJW 1993, 134, 135 und vom 4. Dezember 1997 - V ZB 26/97, NJW-RR 1998, 573, 574; Stein/Jonas/Herbert Roth, ZPO 22. Aufl. § 233 Rdn. 33 Stichwort Fristverlängerung; Zöller/Greger, ZPO 25. Aufl. § 233 Rdn. 23 Stichwort Fristverlängerung; Musielak/Grandel, ZPO 4. Aufl. § 233 Rdn. 28; jeweils m.w. Nachw.). Dazu gehört, wie das Oberlandesgericht zu Recht angenommen hat, die Darlegung der Einwilligung des Gegners (vgl. Schumann/Kramer, Die Berufung in Zivilsachen 6. Aufl.
Rdn. 142; Wieczorek/Schütze/Uwe Gerken, ZPO 3. Aufl. § 520 Rdn. 37), wenn dieser sie nicht unmittelbar gegenüber dem Gericht erklärt hat.
2. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist au ch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die angefochtene Entscheidung verletzt kein Verfahrensgrundrecht des Klägers (vgl. BGHZ 154, 288, 296 zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO; Senatsbeschluß vom 11. Mai 2004 - XI ZB 39/03, WM 2004, 1407, 1408 m.w.Nachw., zur Veröffentlichung in BGHZ 159, 135 vorgesehen).

a) Das Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungs vollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ) verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfGE 41, 323, 326 f.; 41, 332, 334 f.; 69, 381, 385; BVerfG NJW 2001, 2161, 2162 und NJW 2005, 814, 815; BGHZ 151, 221, 227). Deshalb darf ein Gericht einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von überspannten Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozeßbevollmächtigten versagen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen die Partei auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Gerichts nicht rechnen mußte (BVerfGE 79, 372, 376 f.; BVerfG NJW-RR 2002, 1004; BGHZ 151, 221, 227 f.; BGH, Beschluß vom 13. Mai 2003 - VI ZB 76/02, FamRZ 2003, 1271).
Gegen diese Grundsätze hat das Berufungsgericht ni cht verstoßen. Insbesondere hat es die an die Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwalts
zu stellenden Anforderungen nicht in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise überspannt. Die Entscheidung des Berufungsgerichts entspricht vielmehr der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach darf ein Rechtsanwalt die Anfertigung von Rechtsmittelschriften nicht seinem Büropersonal überlassen, ohne das Arbeitsergebnis auf Richtigkeit und Vollständigkeit selbst sorgfältig zu überprüfen (BGH, Beschluß vom 20. Februar 1995 - II ZB 16/94, NJW 1995, 1499; Urteil vom 1. Dezember 1997 - II ZR 85/97, NJW 1998, 908; jeweils m.w.Nachw.). Dasselbe gilt für Anträge auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist (BGH, Beschluß vom 11. Februar 1998 - VIII ZB 50/97, NJW 1998, 2291, 2292). Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers kann sich deshalb zu seiner Entschuldigung nicht darauf berufen, die Büroangestellte, die die Antragsschrift geschrieben habe, habe die Einwilligung des Gegners versehentlich nicht erwähnt. Dies entlastet den Prozeßbevollmächtigten des Klägers nicht, weil er die Antragsschrift nicht selbst sorgfältig auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft hat.

b) Der angefochtene Beschluß verletzt auch nicht d ie Ansprüche des Klägers auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG und auf ein faires Verfahren gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. hierzu BVerfGE 93, 99, 113; BVerfG NJW 2005, 814, 815; Senatsbeschluß vom 11. Mai 2004 - XI ZB 39/03, WM 2004, 1407, 1409, zur Veröffentlichung in BGHZ 159, 135 vorgesehen). Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht den Prozeßbevollmächtigten des Klägers nicht bereits vor der Bescheidung seines Verlängerungsantrages darauf hingewiesen hat, daß in diesem Antrag die erforderliche Einwilligung des Gegners nicht erwähnt war. Einen gerichtlichen Hinweis, der ihm die Vorlage der Einwilligung des Gegners
noch innerhalb der am 26. Mai 2004 ablaufenden Frist ermöglicht hätte, konnte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers nicht erwarten, weil er den Verlängerungsantrag erst so spät gestellt hatte, daß mit seiner Vorlage an den Vorsitzenden nicht mehr innerhalb der Frist zu rechnen war. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers durfte auch nicht darauf vertrauen , der Vorsitzende werde selbst ermitteln, ob die Einwilligung des Gegners vorliege. Hierzu bestand kein Anlaß, weil der Antragsschrift nicht zu entnehmen war, daß der Gegner bereits von dem Verlängerungsantrag unterrichtet worden war. Der Vorsitzende mußte deshalb nicht die fern liegende Möglichkeit in Erwägung ziehen, der Prozeßbevollmächtigte des Klägers habe die Einwilligung des Gegners zwar eingeholt, aber in der Antragsschrift nicht erwähnt. Er konnte vielmehr davon ausgehen, der Prozeßbevollmächtigte des Klägers habe das Einwilligungserfordernis übersehen. Ob eine Fristverlängerung noch zulässig gewesen wäre, wenn die vor Fristablauf erteilte Einwilligung dem Vorsitzenden nach Fristablauf, aber noch vor seiner Entscheidung über den Verlängerungsantrag bekannt geworden wäre, kann dahinstehen. Entscheidend ist, daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers mangels Darlegung der Einwilligung auf die Gewährung der Fristverlängerung nicht vertrauen durfte.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Joeres Müller Mayen
Appl Ellenberger

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.