Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juli 2017 - XII ZR 11/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:050717BXIIZR11.17.0
bei uns veröffentlicht am05.07.2017
vorgehend
Landgericht Chemnitz, 1 O 752/14, 26.02.2016
Oberlandesgericht Dresden, 5 U 452/16, 07.12.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZR 11/17
vom
5. Juli 2017
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Mit dem Ziel, die Einreichung einer inhaltlich seinen Vorstellungen entsprechenden
Nichtzulassungsbeschwerdebegründung zu erreichen, kann die Bestellung
eines Notanwalts nicht verlangt werden (im Anschluss an BGH Beschluss
vom 18. Dezember 2013 - III ZR 122/13 - NJW-RR 2014, 378).
BGH, Beschluss vom 5. Juli 2017 - XII ZR 11/17 - OLG Dresden
LG Chemnitz
ECLI:DE:BGH:2017:050717BXIIZR11.17.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Juli 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Botur und Guhling und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Der Antrag der Beklagten auf Beiordnung eines Notanwalts zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde vom 9. Januar 2017 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Die - widerklagenden - Beklagten streben den Abschluss eines Kaufvertrages über Grundstücksflächen an, deren Räumung und Herausgabe der Kläger begehrt.
2
Das Landgericht hat die Beklagten verurteilt, die von ihnen angemieteten und als Lagerfläche und Werkstatt genutzten Grundstücksflächen zu räumen und an den Kläger herauszugeben; die auf Abschluss eines Kaufvertrages über diese Flächen gerichtete Widerklage hat es abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen.
3
Durch ihren beim Bundesgerichtshof zugelassenen Prozessbevollmächtigten haben die Beklagten fristgerecht Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der Berufungsentscheidung erhoben. Die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist antragsgemäß bis einschließlich 18. Mai 2017 verlängert worden. Mit Schriftsatz vom 10. Mai 2017 hat der beim Bundesgerichtshof zugelassene Prozessbevollmächtigte angezeigt, dass er die Beklagten nicht mehr vertrete.
4
Am 18. Mai 2017 haben die Beklagten persönlich einen Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts gestellt, weil sie einen anderen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt, der zu ihrer Vertretung bereit gewesen wäre, nicht hätten finden können.
5
Die Beklagten machen geltend, ihr Prozessbevollmächtigter habe trotz ihrer umfassenden vorbereitenden Unterstützung wenig Engagement gezeigt. Obwohl sie - durch entsprechende Anklageerhebung - eine schwerwiegende arglistige Täuschung der für sämtliche Verkaufsverhandlungen bevollmächtigten Vertreterin des Klägers nachgewiesen hätten, habe ihr Prozessbevollmächtigter die offensichtlichen Zusammenhänge des Strafverfahrens und der vorliegenden Rechtssache nicht erkennen können und trotz aller ihrer Unterstützung die Erarbeitung einer entsprechenden Begründung abgelehnt. Neunundzwanzig weitere Anfragen an beim Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwälte seien abschlägig beschieden worden.

II.

6
1. Nach § 78 b Abs. 1 ZPO hat das Gericht, soweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, einer Partei auf ihren Antrag einen Notanwalt beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.
7
Hat die Partei - wie hier - zunächst einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden und entsprechend mandatiert, so kommt im Falle einer späteren Mandatsniederlegung die Beiordnung eines Notanwalts nur dann in Betracht, wenn die Partei die Beendigung des Mandats nicht zu vertreten hat (vgl. BGH Beschluss vom 18. Dezember 2013 - III ZR 122/13 - NJW-RR 2014, 378 Rn. 9 mwN).
8
Dabei rechtfertigen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allein Differenzen einer Partei über die von ihrem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt avisierte Nichtzulassungsbeschwerdebegründung und die darauf folgende Mandatsniederlegung nicht die Beiordnung eines Notanwalts. Mit dem Ziel, die Einreichung einer inhaltlich seinen Vorstellungen entsprechenden Revisions- oder Nichtzulassungsbeschwerdebegründung zu erreichen , kann die Beiordnung eines Notanwalts gemäß § 78 b ZPO nicht verlangt werden. Nach den gesetzlichen Vorschriften dürfen diese Rechtsmittel nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt begründet werden. Dieser trägt auch die Verantwortung für die Fassung. Eine Beiordnung allein zu dem Zweck, die von einer nicht postulationsfähigen Person verfasste Rechtsmittelbegründung in das Verfahren einzuführen, würde dem Sinn und Zweck der Zulassungsbeschränkung zuwiderlaufen und stünde im Widerspruch zur Eigenverantwortung des Rechtsanwalts. Scheitert die Einreichung einer Nichtzulassungsbeschwerdebegründung daran, dass der beauftragte postulationsfähige Rechtsanwalt nicht bereit ist, den rechtlichen Überlegungen der Partei zu folgen und sie zur Grundlage eines Begründungsschriftsatzes zu machen, rechtfertigt dies für sich genommen nicht die Beiordnung eines Notanwalts nach § 78 b Abs. 1 ZPO. Hierauf hat eine Partei nämlich kein Recht. Sinn und Zweck der Zulassungsbeschränkung für Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof ist, die Rechtspflege durch eine leistungsfähige und in Revisionssachen besonders qualifizierte Anwaltschaft zu stärken. Die Rechtsuchenden sollen kompetent beraten werden und im Vorfeld von aussichtslosen Rechtsmitteln Abstand nehmen können, was ihnen Kosten erspart. Zugleich soll der Bundesgerichtshof von unzulässigen Rechtsmitteln entlastet werden. Dem liefe es zuwider, wenn der Kläger einen Anspruch darauf hätte, seine Rechtsansicht gegen den Anwalt durchzusetzen (vgl. BGH Beschluss vom 18. Dezember 2013 - III ZR 122/13 - NJW-RR 2014, 378 Rn. 12 mwN).
9
2. Gemessen an diesen Grundsätzen vermögen die Ausführungen der Beklagten in ihrem Antrag die Notwendigkeit der Beiordnung eines Notanwalts nicht zu begründen.
10
Die Beklagten tragen selbst vor, dass der Mandatskündigung Differenzen über den Inhalt der einzureichenden Nichtzulassungsbeschwerdebegründung zugrunde lagen. Eine Notanwaltsbeiordnung zum Zweck der inhaltlichen Veränderung der einzureichenden Nichtzulassungsbeschwerde kommt indessen, wie ausgeführt, nicht in Betracht. Dose Klinkhammer Botur Guhling Krüger
Vorinstanzen:
LG Chemnitz, Entscheidung vom 26.02.2016 - 1 O 752/14 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 07.12.2016 - 5 U 452/16 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juli 2017 - XII ZR 11/17

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juli 2017 - XII ZR 11/17

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 78 Anwaltsprozess


(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so m
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(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so müssen sich die Parteien vor diesem ebenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.

(2) Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich als Beteiligte für die Nichtzulassungsbeschwerde durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

(3) Diese Vorschriften sind auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter sowie auf Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht anzuwenden.

(4) Ein Rechtsanwalt, der nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

9
Hat die Partei - wie hier - zunächst einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden und entsprechend mandatiert, so kommt im Falle einer späteren Mandatsniederlegung die Bestellung eines Notanwalts beziehungsweise eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann in Betracht, wenn die Partei die Beendigung des Mandats nicht zu vertreten hat (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 1993 - II ZB 6/93, n.v.; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 233 Rn. 23 "Niederlegung des Mandats"; Musielak/Weth, ZPO, 10. Aufl., § 78b Rn. 5; Musielak/Grandel aaO § 233 Rn. 38). Wird der Verkehr zwischen der Partei und dem beim Rechtsmittelgericht tätigen Rechtsanwalt - wie hier - durch den Instanzanwalt geführt, so ist der Partei nach § 85 Abs. 2 ZPO auch ein Verschulden des Instanzanwalts zuzurechnen. Dass die Beendigung des Mandats nicht auf ein Verschulden der Partei zurückzuführen ist, hat diese ebenfalls noch innerhalb der laufenden Frist darzulegen (BGH, Beschluss vom 11. April 2003 - XI ZB 57/03, BGHR § 78b Abs. 1 ZPO Anstrengungen, zumutbare 2 - Mandatsniederlegung; Senatsbeschluss vom 27. April 1995 - III ZB 4/95, NJW-RR 1995, 1016).