Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Okt. 2010 - XII ZR 128/09
vorgehend
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Die Nichtzulassungsbeschwerde ist teilweise begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 2
- 1. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt, weil es überspannte Anforderungen an den Vortrag der Beklagten zu dem Gewinn gestellt hat, der ihr dadurch entgangen ist, dass die Klägerin ihr die Mieträume ab 6. Januar 2007 nicht in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand überlassen hat. Dadurch hat das Berufungsgericht den Parteivortrag der Beklagten nicht in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise zur Kenntnis genommen und sich mit ihm auseinandergesetzt (vgl. Senatsbeschluss vom 31. August 2005 - XII ZR 63/03 - NJW-RR 2005, 1603; BGH Beschluss vom 22. Juni 2009 - II ZR 143/08 - NJW 2009, 2598 Rn. 2 mwN).
- 3
- a) Gemäß § 252 Satz 2 BGB gilt u.a. der Gewinn als entgangen, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann. Danach ist die volle Gewissheit, dass der Gewinn gezogen worden wäre, nicht erforderlich; es genügt vielmehr der Nachweis einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Ist ersichtlich, dass der Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte, wird vermutet, dass er erzielt worden wäre. Dem Ersatzpflichtigen obliegt dann der Beweis, dass er nach dem späteren Verlauf oder aus anderen Gründen dennoch nicht erzielt worden wäre. Dabei dürfen keine zu strengen Anforderungen an die Darlegungs - und Beweislast des Geschädigten gestellt werden (BGH Urteile vom 30. Mai 2001 - VIII ZR 70/00 - NJW-RR 2001, 1542; vom 19. Oktober 2005 - VIII ZR 392/03 - NJW-RR 2006, 243, 244). § 252 Satz 2 BGB bietet dem Ge- schädigten zwei Möglichkeiten der Schadensberechnung, nämlich die abstrakte Methode, die von dem regelmäßigen Verlauf im Handelsverkehr ausgeht, dass der Kaufmann gewisse Geschäfte im Rahmen seines Gewerbes tätigt und daraus Gewinn erzielt und die konkrete Methode, bei der der Geschädigte nachweist , dass er an der Durchführung bestimmter Geschäfte gehindert worden ist und dass ihm wegen Nichtdurchführbarkeit dieser Geschäfte Gewinn entgangen ist.
- 4
- Ist der Erwerbsschaden eines Selbständigen festzustellen, so ist es im Rahmen der §§ 252 BGB, 287 ZPO in der Regel erforderlich und angebracht, an die Geschäftsentwicklung und die Geschäftsergebnisse in den letzten Jahren anzuknüpfen (BGH Urteil vom 6. Februar 2001 - VI ZR 339/99 - NJW 2001, 1640, 1641). Zur Darlegung des entgangenen Gewinns im Rahmen der abstrakten Schadensberechnung nach § 252 Satz 2 BGB genügt es, diese Tatsachen vorzutragen.
- 5
- b) Hier hat die Beklagte den ihr durch die Nichtgewährung des Gebrauchs der Mietsache entgangenen Gewinn abstrakt berechnet. Sie hat die von ihr in den vergangenen Jahren erzielten Gewinne dargelegt und unter Zeugen - und Sachverständigenbeweis gestellt. Damit hat sie gemäß § 252 Satz 2 BGB hinreichend dargelegt und unter Beweis gestellt, welchen Gewinn sie nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwarten konnte.
- 6
- Die Annahme des Berufungsgerichts, es fehle an den Eckdaten der Berechnung der Beklagten, ist somit rechtsfehlerhaft. Selbst im Hinblick auf die gesunkenen Einnahmen im Jahr 2006 kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass in den Folgejahren der Gewinn Null betragen hätte. Vielmehr ist diese Entwicklung bei der Ermittlung des entgangenen Gewinns zu berücksichtigen.
- 7
- 2. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben, soweit die Widerklage in Höhe von 44.338,58 € (entgangener Gewinn) und die Feststellungswiderklage abgewiesen worden sind. Insoweit ist der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zur Erhebung der angebotenen Beweise zurückzuverweisen.
- 8
- 3. Im Übrigen ist die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen, weil ein Zulassungsgrund (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegt. Der Rechtsstreit der Parteien hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Der Senat hat die insoweit erhobenen Verfahrensrügen geprüft und hinsichtlich der weitergehenden Ansprüche der Beklagten für nicht durchgreifend erachtet. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen. Hahne Vézina Dose Schilling Günter
LG Oldenburg, Entscheidung vom 03.12.2008 - 2 O 3000/07 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 18.06.2009 - 14 U 1/09 -
Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Okt. 2010 - XII ZR 128/09
Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Okt. 2010 - XII ZR 128/09
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Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Okt. 2010 - XII ZR 128/09 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt entgangenen Gewinn für den vom 15. Oktober 1996 bis 17. März 1997 vorenthaltenen Gebrauch des mit Vertrag vom 19. Juli 1996 angemieteten Geschäftslokals D…straße … in B. . Er hat vorgetragen, durch den Verkauf von Damen-, Herrenbekleidung und Textilwaren hätte er in dieser Zeit einen Gewinn von 26.326, 59 € erwirtschaften können.Zum Nachweis seiner Forderung hat der Kläger den Wareneinsatz und die Betriebskosten des Folgejahres (15. Oktober 1997 bis 17. März 1998) dargelegt und sich zur Richtigkeit seiner Schadensberechnung auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens berufen. Er hat Umsatzbögen, betriebswirtschaftliche Auswertungen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen vorgelegt und entsprechend einer Auflage des Landgerichts Angaben zu seinen weiteren Geschäftslokalen gemacht und die angeforderten Umsatzaufstellungen, Steuererklärungen und -bescheide vorgelegt. Landgericht und Berufungsgericht haben die Klage ohne Beweisaufnahme abgewiesen. Sie haben die Klage dem Grunde nach für berechtigt, jedoch der Höhe nach mit unterschiedlicher Begründung für nicht schlüssig gehalten. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers. Er begehrt die Zulassung der Revision und im Ergebnis weiterhin die Verurteilung des Beklagten.
II.
Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet, denn das Berufungsgericht hat, wie der Beschwerdeführer zu Recht rügt, entscheidungserheblichen Sachvortrag des Klägers übergangen und damit dessen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 86, 133, 145; BVerfG NJW 1998, 2583, 2584; BVerfG ZIP 2004, 1762, 1763).Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
a) Das Berufungsgericht ist der Ansicht, aus den von dem Kläger für den Vergleichszeitraum (15. Oktober 1997 bis 17. März 1998) vorgelegten Unterlagen lasse sich nicht schlüssig nachvollziehen, ob die behaupteten Warenverkäufe getätigt worden seien. Die vorgelegten Kassenunterlagen und Umsatzbögen enthielten lediglich Warengruppenberichte bzw. deren Zusammenfassung. Aus diesen könnten die behaupteten Warenverkäufe nicht nachvollzogen werden. Es fehle deshalb an hinreichenden Anknüpfungstatsachen zur Ermittlung des von dem Kläger behaupteten entgangenen Gewinns.
b) Bei dieser Annahme hat das Berufungsgericht die vom Kläger vorgelegten Umsatzbögen, aus denen sich - nach seinem Vortrag - die erzielten Tageseinnahmen ergeben, und den für deren Richtigkeit angetretenen Zeugenbeweis übergangen. Es hat weiter die von dem Kläger vorgelegten Steuererklärungen , Steuerbescheide, Gewinn- und Verlustrechnungen, betriebswirtschaftlichen Auswertungen und Wareneingangsbücher unberücksichtigt gelassen. Diese von dem Kläger vorgelegten Unterlagen, deren Richtigkeit er unter Beweis gestellt hat, enthalten ausreichend Anknüpfungstatsachen zur Ermittlung des entgangenen Gewinns, gegebenenfalls durch Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens.
Das Berufungsgericht hat damit wesentlichen Tatsachenvortrag des Klägers übergangen und dadurch dessen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.
Hahne Weber-Monecke Fuchs Vézina Dose
Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.