Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Sept. 2013 - II ZR 291/11

bei uns veröffentlicht am24.09.2013
vorgehend
Landgericht Heilbronn, 8 O 427/08, 18.03.2011
Oberlandesgericht Stuttgart, 14 U 17/11, 30.11.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 291/11
vom
24. September 2013
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. September 2013 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, die Richterinnen Caliebe und
Dr. Reichart sowie die Richter Born und Sunder

beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30. November 2011 wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen den Beklagten zu 1 richtet. Auf die weitergehende Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30. November 2011 aufgehoben, soweit das Berufungsgericht die gegen den Beklagten zu 2 gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen hat. Die im angefochtenen Urteil getroffene Kostenentscheidung bleibt bestehen, soweit der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 auferlegt wurden; im Übrigen wird sie aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens - mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1, die die Klägerin zu tragen hat -, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Streitwert: 500.000 €

Gründe:

1
I. Die klagende GmbH betreibt gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung und unterhält zu diesem Zweck Niederlassungen an unterschiedlichen Standorten. Der Beklagte zu 1 und K. waren - zunächst mittelbar über den Beklagten zu 2 als Treuhänder, dann unmittelbar - an der Klägerin jeweils zu 45% beteiligt. Im Juni 2005 übertrug der Beklagte zu 1 seinen Geschäftsanteil auf den Mitgesellschafter K. , der seitdem 90% der Anteile hält. Weiterer Gesellschafter mit einem Anteil von 10% ist der Beklagte zu 2, der bis Ende September 2005 auch Geschäftsführer der Klägerin war. Seine Ehefrau gründete am 29. April 2005 die S. GmbH , die ebenfalls gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung betreibt.
2
Die Klägerin wirft den Beklagten zu 1 und 2 vor, sie hätten spätestens seit April 2005 versucht, Niederlassungsleiter und Disponenten abzuwerben, um sie und in ihrem Gefolge die Leiharbeitnehmer und Kunden der Klägerin auf die von ihnen mittelbar betriebene S. GmbH überzuleiten. Zum Teil sei ihnen dies auch gelungen. In den Abwerbegesprächen hätten die Beklagten wahrheitswidrig nachteilige Behauptungen über die wirtschaftliche Lage der Klägerin und die gesundheitliche Verfassung des Hauptgesellschafters K. aufgestellt. Durch den (teilweisen) Verlust der gewinnbringenden Niederlassungen in S. und C. sei der Klägerin ein Schaden in Höhe von insgesamt 1.595.528 € entstanden.
3
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung von 500.000 € nebst Zinsen zum Ersatz des ihr durch die Abwerbemaßnahmen entstandenen Schadens in Anspruch. Weitere Ansprüche sind nicht mehr Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Die Klägerin hat bereits in erster Instanz erklärt, dass sie aus dem vorliegenden Lebenssachverhalt abschließend Schadensersatz in Hö- he von 590.000 € beanspruche. Dieser Anspruch ist in Höhe eines Teilbetrags von 90.000 €, den die Klägerin in einem Parallelverfahren widerklagend geltend gemacht hatte, inzwischen rechtskräftig abgewiesen worden.
4
Das Landgericht hat die Klage, soweit sie den Schadensersatzanspruch in Höhe von 500.000 € betrifft (Klageantrag zu 1) abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin insoweit die Zulassung der Revision und die Aufhebung des Berufungsurteils.
5
II. Soweit sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin gegen den Beklagten zu 1 richtet, ist sie unzulässig, weil sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist eingelegt worden ist (§ 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
6
1. Der rechtzeitig beim Revisionsgericht eingegangenen Beschwerdeschrift war nicht zu entnehmen, dass sich die Beschwerde auch gegen den Beklagten zu 1 richten sollte. Vielmehr ließ die Beschwerdeschrift, auch unter Berücksichtigung des beigefügten Berufungsurteils, eine Beschränkung der Anfechtung auf den Beklagten zu 2 erkennen.
7
a) An den notwendigen Inhalt der Beschwerdeschrift gemäß § 544 Abs. 1 ZPO sind die gleichen Anforderungen zu stellen, denen die Revisionsschrift (§ 549 Abs. 1 ZPO) - und hiermit übereinstimmend die Berufungsschrift (vgl. Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 549 Rn. 1; Saenger/Kayser/Raphael Koch, ZPO, 5. Aufl., § 549 Rn. 1) - unterliegt, da nach § 544 Abs. 6 Satz 2 ZPO die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde im Fall der Revisionszulassung als Einlegung der Revision gilt (MünchKommZPO/Krüger, 4. Aufl., § 544 Rn. 9; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 544 Rn. 11; Saenger/Kayser/Raphael Koch, ZPO, 5. Aufl., § 544 Rn. 9; a.A. Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 544 Rn. 9).
8
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur BGH, Beschluss vom 15. Mai 2006 - II ZB 5/05, juris Rn. 7; Beschluss vom 9. September 2008 - VI ZB 53/07, NJW-RR 2009, 208 Rn. 5; Beschluss vom 11. Mai 2010 - VIII ZB 93/09, NJW-RR 2011, 281 Rn. 9; Urteil vom 15. Dezember 2010 - XII ZR 18/09, NJW-RR 2011, 359 Rn. 10; Beschluss vom 12. Juli 2011 - XI ZB 36/10, juris Rn. 6 - jew. mwN) gehört zu dem notwendigen Inhalt der Berufungsschrift nach § 519 Abs. 2 ZPO wie auch der Revisionsschrift nach § 549 Abs. 1 ZPO die Angabe, für und gegen welche Partei das Rechtsmittel eingelegt wird. Die Rechtsmittelschrift muss entweder für sich allein betrachtet oder mit Hilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig erkennen lassen, wer Rechtsmittelführer und wer Rechtsmittelgegner sein soll.
9
Dabei sind an die Bezeichnung des Rechtsmittelgegners weniger strenge Anforderungen zu stellen. Besteht der in der Vorinstanz obsiegende Gegner aus mehreren Streitgenossen, richtet sich das Rechtsmittel im Zweifel gegen die gesamte angefochtene Entscheidung und somit gegen alle gegnerischen Streitgenossen, es sei denn, die Rechtsmittelschrift lässt eine Beschränkung der Anfechtung erkennen (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2006 - II ZB 5/05, juris Rn. 9; Beschluss vom 9. September 2008 - VI ZB 53/07, NJW-RR 2009, 208 Rn. 5; Beschluss vom 11. Mai 2010 - VIII ZB 93/09, NJW-RR 2011, 281 Rn. 11). Eine solche Beschränkung kann sich daraus ergeben, dass in der Rechtsmittelschrift nur einige der auf der Gegenseite stehenden Streitgenossen angegeben werden (BGH, Beschluss vom 26. September 1961 - V ZB 24/61, NJW 1961, 2347; Urteil vom 29. Juni 1987 - II ZR 173/86, ZIP 1987, 1316, 1317). Dies ist jedoch nicht zwingend. So hat der Bundesgerichtshof eine unbeschränkte Berufungseinlegung auch in Fällen bejaht, in denen als Rechtsmittelgegner nur einer von mehreren Streitgenossen, und zwar der im Urteilsrubrum an erster Stelle Stehende, genannt wurde (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 1983 - VI ZR 245/81, NJW 1984, 58 f.; Urteil vom 8. November 2001 - VII ZR 65/01, NJW 2002, 831, 832; Beschluss vom 11. Mai 2010 - VIII ZB 93/09, NJW-RR 2011, 281 Rn. 12; Urteil vom 15. Dezember 2010 - XII ZR 18/09, NJW-RR 2011, 359 Rn. 12). Werden in der Rechtsmittelschrift nur einige der gegnerischen Streitgenossen als Rechtsmittelbeklagte bezeichnet, so lässt dies nicht stets und unabhängig von den Umständen des einzelnen Falles eine entsprechende Beschränkung des Rechtsmittels erkennen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 21. Juni 1983 - VI ZR 245/81, NJW 1984, 58, 59; Urteil vom 20. Januar 1988 - VIII ZR 296/86, NJW 1988, 1204, 1205; Urteil vom 8. November 2001 - VII ZR 65/01, NJW 2002, 831, 832; Urteil vom 11. Juli 2003 - V ZR 233/01, NJW 2003, 3203, 3204; Urteil vom 14. Februar 2008 - III ZR 73/07, juris Rn. 6 f.).
10
Weil auch die Bezeichnung einer Partei als Teil einer Prozesshandlung auslegungsfähig ist, kommt es für die Frage, ob eine Beschränkung der Anfechtung gewollt ist, letztlich auf eine vollständige Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist an. Dabei können sich aus einer beigefügten Ausfertigung oder beglaubigten Abschrift des angefochtenen Urteils oder aus sonstigen beigefügten Unterlagen entscheidende Hinweise auf den Umfang der Anfechtung ergeben. Besondere Bedeutung kommt der Frage zu, ob eine Beschränkung des Rechtsmittelangriffs auf einen Teil der bisherigen Prozessgegner in Anbetracht des der Vorinstanz unterbreiteten Streitstoffs ungewöhnlich oder gar fernliegend erscheint (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2010 - XII ZR 18/09, NJW-RR 2011, 359 Rn. 12 f. mwN).
11
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist der vorliegenden Beschwerdeschrift eine Beschränkung der Anfechtung auf den Beklagten zu 2 zu entnehmen. In der Beschwerdeschrift sind alle (ursprünglich) Beklagten aufgeführt, auch die Beklagte zu 3, gegen die die Klage bereits in der ersten Instanz zurückgenommen wurde. Angesichts dessen belegt die Einbeziehung des Beklagten zu 1 in das Rubrum der Beschwerdeschrift nicht, dass sich die Nichtzulassungsbeschwerde auch gegen ihn richten solle. Die Parteirollen des Beklagten zu 2 sind mit „Beklagter, Berufungskläger, Berufungsbeklagter und Beschwerdegegner (Revisionsbeklagter)“ ebenso vollständigund präzise bezeichnet wie diejenige der Beklagten zu 3, die schon am Berufungsverfahren nicht mehr beteiligt war und daher folgerichtig nur als Beklagte bezeichnet wird. Unter diesen besonderen Umständen des vorliegenden Falles hat die Bezeichnung des Be- klagten zu 1 als „Beklagter und Berufungsbeklagter“ einen erheblich deutliche- ren Aussagewert, als er mit einer bei mehreren gegnerischen Streitgenossen unterschiedlichen Verwendung der Bezeichnung als Rechtsmittelbeklagter ansonsten verbunden sein mag. Sie belegt im Streitfall, dass der Beklagte zu 1 nicht Beschwerdegegner sein, die Nichtzulassungsbeschwerde sich also nicht (auch) gegen ihn richten soll.
12
Aus dem der Beschwerdeschrift beigefügten Berufungsurteil ergibt sich nichts anderes. Insbesondere erscheint eine Beschränkung des Rechtsmittelangriffs auf den Beklagten zu 2 plausibel. Zwar betrifft die der Klageabweisung zugrunde gelegte Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe ihren Schaden nicht hinreichend dargetan, die Ansprüche gegen die Beklagten zu 1 und 2 gleichermaßen. Gleichwohl liegt es nahe, die Rechtsverfolgung gegen den Beklagten zu 2 im Endergebnis für aussichtsreicher zu halten, da er im Unterschied zu dem Beklagten zu 1 nicht nur Gesellschafter der Klägerin, sondern bis Ende September 2005 auch deren Geschäftsführer war und aufgrund dieser Stellung weitergehenden Treuepflichten unterlegen haben kann. Tatsächlich besteht nach § 8 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags für die Gesellschafter der Klägerin kein Wettbewerbsverbot, während einem Gesellschafter-Geschäftsführer zwar durch einen Gesellschafterbeschluss Befreiung erteilt werden kann, das Berufungsgericht aber nicht festgestellt hat, dass ein solcher Beschluss gefasst wurde.
13
c) Die aus der Beschwerdeschrift ersichtliche Beschränkung der Nichtzulassungsbeschwerde führt entgegen dem Einwand der Beschwerdeführerin nicht dazu, dass im Verhältnis zu dem Beklagten zu 1 keine Beschwerde eingelegt sei und sie daher auch nicht als unzulässig verworfen werden könne. Die - verspätete - Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gegenüber dem Beklagten zu 1 ergibt sich aus der Beschwerdebegründung und der nachfolgenden klarstellenden Erklärung der Beschwerdeführerin, dass die Beschwerde auch den Beklagten zu 1 erfassen sollte.
14
III. Die gegen den Beklagten zu 2 gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet und führt insoweit unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt (§ 544 Abs. 7 ZPO).
15
1. Das Berufungsgericht hat den Schadensersatzanspruch der Klägerin abgewiesen, weil die Klägerin ihren Vortrag zur Schadenshöhe nicht hinreichend substantiiert habe und tatsächliche Anhaltspunkte für eine Schadens- schätzung nach § 287 ZPO nicht dargetan seien. Hierzu hat das Berufungsgericht weiter ausgeführt: Im Hinblick auf den - von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten - entgangenen Gewinn fehle es an einer Darstellung des Gewinns, der hinsichtlich des Gesamtunternehmens der Klägerin erwartet werden konnte. Selbst wenn man als zutreffend unterstelle, dass es sich bei den Niederlassungen in S. und C. um selbständige Filialen der Klägerin mit eigenen betriebswirtschaftlichen Auswertungen gehandelt habe, wäre gleichwohl zu berücksichtigen, dass in den von der Klägerin vorgelegten tabellarischen Aufstellungen keine anteiligen Gemeinkosten enthalten seien.
16
Damit hat das Berufungsgericht überspannte Anforderungen an den Vortrag der Klägerin zu dem Gewinn gestellt, der ihr durch den (teilweisen) Verlust ihrer Niederlassungen in S. und C. entgangen ist. Infolgedessen hat das Berufungsgericht den Parteivortrag der Klägerin nicht in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise zur Kenntnis genommen und sich mit ihm auseinandergesetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2008 - II ZR 202/07, ZIP 2008, 1675 Rn. 6; Beschluss vom 22. Juni 2009 - II ZR 143/08, ZIP 2009, 1467 Rn. 2; Beschluss vom 27. Oktober 2010 - XII ZR 128/09, GuT 2010, 343 Rn. 2).
17
a) § 252 BGB enthält für den Geschädigten eine § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung, wonach dieser nur die Umstände darzulegen und in den Grenzen des § 287 ZPO zu beweisen braucht, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falles die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt. An die dem Geschädigten insoweit obliegende Darlegung dürfen keine zu strengen Anforderungen gestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 2002 - II ZR 355/00, ZIP 2002, 895, 896; Urteil vom 26. Juli 2005 - X ZR 134/04, WM 2005, 2303, 2304; Urteil vom 6. Februar 2007 - X ZR 117/04, WM 2007, 1097 Rn. 15; Beschluss vom 27. Oktober 2010 - XII ZR 128/09, GuT 2010, 343 Rn. 3; BAG, NJW 2013, 331 Rn. 20). Dies gilt auch für den Nachweis eines wettbewerblichen, namentlich eines durch unzulässige Abwerbung von Mitarbeitern oder Kunden begründeten Schadens, für den es hinsichtlich der künftigen Entwicklungen des Geschäftsverlaufs in der Natur der Sache liegende Beweisschwierigkeiten gibt (vgl. BAG, NJW 2013, 331 Rn. 20; BAG, NZA 2013, 748 Rn. 26; siehe auch BGH, Urteil vom 17. Juni 1992 - I ZR 107/90, BGHZ 119, 20, 30 f. - Tchibo/Rolex II; Urteil vom 17. April 1997 - X ZR 2/96, NJW-RR 1998, 331, 333 - Chinaherde).
18
Der ohne das schädigende Ereignis zu erwartende Umsatz eines Unternehmers kann im Regelfall auf der Grundlage des in der Vergangenheit nachhaltig erzielten Umsatzes geschätzt werden (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2002 - II ZR 354/99, ZIP 2002, 531, 533; Beschluss vom 22. Juni 2009 - II ZR 143/08, ZIP 2009, 1467 Rn. 3; siehe auch BGH, Urteil vom 6. Februar 2001 - VI ZR 339/99, NJW 2001, 1640, 1641; Beschluss vom 27. Oktober 2010 - XII ZR 128/09, GuT 2010, 343 Rn. 4), sofern die der Schadensschätzung zugrunde zu legende Umsatzentwicklung nicht durch weitere, in ihren Auswirkungen nicht messbare, Sonderfaktoren beeinflusst wurde (vgl. BAG, NJW 2013, 331 Rn. 26).
19
b) Im Streitfall hat die Klägerin für die Niederlassung S. , die sie infolge unzulässiger Abwerbemaßnahmen der Beklagten vollständig verloren habe, die Ertragslage für den Zeitraum Januar bis August 2005 dargestellt, indem sie im Einzelnen aufgeschlüsselte Aufstellungen (Anlagen K 34 - K 36) vorgelegt hat, die für jeden dort beschäftigten Arbeitnehmer den durch seine Tätigkeit erzielten Umsatz, die darauf entfallenden Kosten und den danach verbleibenden Erlös ausweisen. Aus dem Gesamterlös hat die Klägerin einen mo- natlichen Durchschnittserlös in Höhe von 40.116,32 € errechnet und hiervon die im Monatsdurchschnitt durch den Betrieb der Niederlassung allgemein angefallenen Kosten (Verwaltungs- und allgemeine Bürokosten, Mietzahlungen, Gehälter der Disponenten) abgesetzt, die sie mit 12.883,65 € ermittelt hat. Den da- nach verbleibenden Betrag von 27.232,67 € hat die Klägerin als durch den Wegfall der Niederlassung S. seit September 2005 monatlich entgangenen Gewinn geltend gemacht.
20
Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag ebenso wie das vergleichbare Vorbringen der Klägerin zu dem Gewinn, der ihr durch die Abwerbung von in der Niederlassung C. tätigen Arbeitnehmern entgangen sei, schon im Ansatz für unzureichend gehalten und ist ihm nicht weiter nachgegangen, weil die Klägerin keine Gesamtbetrachtung ihres Unternehmens vorgenommen habe. Für eine solche Gesamtbetrachtung besteht aber im vorliegenden Fall unter keinem erkennbaren Gesichtspunkt eine Notwendigkeit. Vielmehr hat gerade eine auf die konkreten Umstände des Falles bezogene Schadensdarlegung die Verhältnisse derjenigen Niederlassungen ins Auge zu fassen, die von dem schädigenden Eingriff betroffen waren (vgl. hierzu LAG Düsseldorf, Urteil vom 23. Februar 2010 - 17 Sa 1133/08, juris, Rn. 103). Auszugehen ist von dem Verlust des Ertrags, den die abgeworbenen oder infolge der Abwerbung von Disponenten abgewanderten Mitarbeiter zuvor erwirtschaftet hatten. Dass eine solche Umsatzeinbuße den Umsatz des Unternehmens insgesamt mindert, bedarf grundsätzlich keiner weiteren Darlegung. Würde demgegenüber im Rahmen einer Gesamtbetrachtung darauf abgestellt, wie sich Umsatz und Gewinn des Unternehmens insgesamt entwickelt haben, so könnte gerade dies zur Berücksichtigung solcher Faktoren führen, die mit dem schädigenden Eingriff in keinem Zusammenhang stehen und daher richtigerweise außer Betracht zu bleiben haben.
21
Sollte das Berufungsgericht erwogen haben, dass die durch den Verlust von Mitarbeitern bedingte Umsatzeinbuße einer Niederlassung zu einer Umsatzsteigerung anderer Niederlassungen der Klägerin geführt haben und hierdurch kompensiert worden sein könnte, hätte es dieser Frage durch Erteilung eines konkreten Hinweises weiter nachgehen können. Der allgemein gehaltene Hinweis, dass eine Gesamtbetrachtung des Unternehmens vorzunehmen sei, war zur Klärung nicht geeignet. Im Übrigen sind auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts und des beiderseitigen Vortrags der Parteien im Beschwerdeverfahren keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Einbußen der hier betroffenen Niederlassungen durch Verlagerungen innerhalb des Unternehmens aufgefangen worden sein könnten. Vielmehr hat die Klägerin vorgetragen , abgeworbene Arbeitskräfte seien von der mit ihr in Konkurrenz stehenden S. GmbH eingestellt worden, die zugleich die Kunden „übernommen“ habe, die in der Vergangenheit die abgeworbenen Leiharbeit- nehmer eingesetzt hätten.
22
Auch soweit eine durch den schädigenden Eingriff bedingte Verminderung der auf Unternehmensebene anfallenden Gemeinkosten in Betracht zu ziehen ist, geht es nicht um eine allgemeine Gesamtbetrachtung des Unternehmens , sondern allenfalls um die Berücksichtigung einzelner konkret zu benennender Faktoren. Insoweit hat sich das Berufungsgericht der Erkenntnis verschlossen, dass die von dem Beklagten zu 2 angeführten Unternehmenskosten , die durch den Verlust der Niederlassung S. entfallen seien, den von der Klägerin vorgetragenen entgangenen Gewinn nicht aufzehren und schon deshalb nicht zur vollständigen Abweisung des Schadensersatzanspruchs führen können. Gleiches gilt für den von dem Beklagten zu 2 aufgrund seiner Erinnerung geschätzten Kostenbetrag, der in der Niederlassung S. monatlich angefallen sei.
23
2. Der Verfahrensfehler ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht zu einer anderen Beurteilung gelangt wäre, wenn es nicht schon wegen fehlenden Vortrags zu dem entgangenen Gewinn des Gesamtunternehmens und anteiligen Gemeinkosten davon abgesehen hätte, sich mit dem Vorbringen der Klägerin zur Schadenshöhe näher zu befassen.
24
a) Mit dem Einwand der Beschwerdeerwiderung, dass die Klägerin in einem kurzfristig agierenden Geschäftszweig in einer umkämpften Branche tätig sei und ein längerer Verbleib ihrer Arbeitskräfte nicht unterstellt werden könne, kann eine auf zurückliegende Umsätze gestützte Schadensschätzung nach § 252 Satz 2 BGB, § 287 ZPO zwar zeitlich begrenzt, aber nicht vollständig abgelehnt werden.
25
Der von der Klägerin zur Darlegung früherer Umsätze bisher zugrunde gelegte Zeitraum, der kein volles Jahr umfasst und damit jahreszeitlich bedingte Nachfrageschwankungen teilweise ausblendet, ist allerdings zu kurz bemessen. Der Klägerin ist jedoch Gelegenheit zu geben, ihren Vortrag entsprechend zu ergänzen, zumal sie die Vorlage einer Auswertung der Jahre 2003 und 2004 auf entsprechende gerichtliche Anforderung selbst angeboten hatte.
26
b) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann auch keine die Klageforderung insgesamt umfassende Verjährung angenommen werden. Soweit einzelne, hier in Betracht kommende materiell-rechtliche Ansprüche einer kurzen Verjährungsfrist unterliegen, wird möglicherweise zu berücksichtigen sein, dass die Klägerin in einer dem Senat vorliegenden Parallelsache (LG Heilbronn - 4 O 234/05) im Rahmen einer noch in 2005 erhobenen, später zu- rückgenommenen Widerklage die Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten zu 2 begehrt hatte.
Bergmann Caliebe Reichart Born Sunder
Vorinstanzen:
LG Heilbronn, Entscheidung vom 18.03.2011 - 8 O 427/08 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 30.11.2011 - 14 U 17/11 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Sept. 2013 - II ZR 291/11

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Sept. 2013 - II ZR 291/11

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung


(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit e

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur
Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Sept. 2013 - II ZR 291/11 zitiert 8 §§.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 252 Entgangener Gewinn


Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrschei

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(1) Die Revision wird durch Einreichung der Revisionsschrift bei dem Revisionsgericht eingelegt. Die Revisionsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Revision gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Revisi

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Referenzen

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Die Revision wird durch Einreichung der Revisionsschrift bei dem Revisionsgericht eingelegt. Die Revisionsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Revision gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Revision eingelegt werde.
§ 544 Absatz 8 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Revisionsschrift anzuwenden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

7
Allerdings muss gemäß § 519 Abs. 2 ZPO in der Berufungsschrift angegeben werden, gegen welches Urteil sich die Berufung richten soll. Dazu gehört die Angabe, von wem und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt werden soll. Diese Information muss sich aber nicht aus der Rechtsmittelschrift allein ergeben. Vielmehr können dafür auch die mit dem Schriftsatz eingereichten sonstigen Unterlagen herangezogen werden, insbesondere die beigefügte Abschrift des erstinstanzlichen Urteils. Lässt sich daraus innerhalb der Berufungsfrist für das Gericht und für den Gegner mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen, für und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt werden soll, reicht das aus (BGH, Urt. v. 6. Februar 1985 - I ZR 235/83, NJW 1985, 2651; Beschl. v. 31. März 1992 - VI ZB 7/92, VersR 1992, 761; Urt. v. 8. November 2001 - VII ZR 65/01, NJW 2002, 831, 832).
5
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist den Anforderungen des § 519 Abs. 2 ZPO nur genügt, wenn bei der Einlegung der Berufung aus der Berufungsschrift sowohl der Rechtsmittelkläger als auch der Rechtsmittelbeklagte erkennbar sind oder - ggf. aus anderen im Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsfrist vorliegenden Unterlagen - eindeutig erkennbar werden. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist die Berufung unzulässig (vgl. BGHZ 21, 168, 170 ff.; 65, 114, 115; 113, 228, 230; BGH, Urteil vom 14. Februar 2008 - III ZR 73/07 - juris Rn. 6; Beschluss vom 10. Oktober 2006 - XI ZB 14/06 - NJW-RR 2007, 413, 414). An die Bezeichnung des Rechtsmittelgegners sind indessen jedenfalls in denjenigen Fallgestaltungen, in denen der in der Vorinstanz obsiegende Gegner aus mehreren Streitgenossen bestand , keine strengen Anforderungen zu stellen. Unter solchen Umständen richtet sich das Rechtsmittel im Zweifel gegen die gesamte angefochtene Entscheidung , d.h. gegen alle gegnerischen Streitgenossen. Etwas anderes gilt nur, wenn die Rechtsmittelschrift eine Beschränkung der Anfechtung erkennen lässt (vgl. Senatsurteil vom 21. Juni 1983 - VI ZR 245/81 - VersR 1983, 984, 985; BGH, Urteile vom 19. März 1969 - VIII ZR 63/67 - NJW 1969, 928 f.; vom 16. November 1993 - XI ZR 214/92 - NJW 1994, 512, 514 unter B. II. 1., insoweit in BGHZ 124, 151 nicht abgedruckt; vom 8. November 2001 - VII ZR 65/01 - NJW 2002, 831, 832; vom 14. Februar 2008 - III ZR 73/07 - aaO; Beschluss vom 15. Mai 2006 - II ZB 5/05 - NJW-RR 2006, 1569, 1570). Eine solche Beschränkung kann sich, wenn auf der Gegenseite mehrere Streitgenossen stehen, beispielsweise daraus ergeben, dass in der Rechtsmittelschrift nur einige von ihnen angegeben werden (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 1969 - VIII ZR 63/67 - aaO, 929).
10
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass zum notwendigen Inhalt der Berufungsschrift nach § 519 Abs. 2 ZPO neben den weiteren, gesetzlich normierten Voraussetzungen auch die Angabe gehört, für und gegen welche Partei das Rechtsmittel eingelegt wird. Die Berufungsschrift muss entweder für sich allein betrachtet oder mit Hilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig erkennen lassen, wer Berufungskläger und wer Berufungsbeklagter sein soll (BGH Beschluss vom 11. Mai 2010 - VIII ZB 93/09 - MDR 2010, 828 Rn. 9 m.w.N. und Urteil vom 14. Februar 2008 - III ZR 73/07 - Juris Rn. 6).
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1. a) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung richtet sich das Rechtsmittel in denjenigen Fallgestaltungen, in denen der in der Vorinstanz obsiegende Gegner aus mehreren Streitgenossen besteht, im Zweifel gegen die gesamte angefochtene Entscheidung und somit gegen alle gegnerischen Streitgenossen, es sei denn die Rechtsmittelschrift lässt eine Beschränkung der Anfechtung erkennen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Mai 2010 - VIII ZB 93/09, NJW-RR 2011, 281 Rn. 12 und vom 30. Mai 2011 - IX ZR 207/08, Rn. 2 mwN). Letztlich kommt es aber für die Frage, ob eine Beschränkung der Anfechtung gewollt ist, auf eine verständige Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist an (vgl. BGH aaO). Dabei sind an die Bezeichnung des Rechtsmittelgegners weniger strenge Anforderungen zu stellen als an die des Rechtsmittelführers. Eine Beschränkung kann sich, wenn auf der Gegenseite mehrere Streitgenossen stehen, etwa daraus ergeben, dass in der Rechtsmittelschrift nur einige von ihnen angegeben werden. Dies ist jedoch nicht zwingend. Auch aus einer beigefügten Ausfertigung oder beglaubigten Abschrift des angefochtenen Urteils können sich entscheidende Hinweise auf den Umfang der Anfechtung ergeben. Hierbei kommt insbesondere der Frage Bedeutung zu, ob eine Beschränkung des Rechtsmittelangriffs auf einen Teil der bisherigen Prozessgegner in Anbetracht des der Vorinstanz unterbreiteten Streitstoffes ungewöhnlich oder gar fernliegend (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2010 - VIII ZB 93/09, NJW-RR 2011, 281 Rn. 12) bzw. - umgekehrt - naheliegend oder gar zwingend erscheint.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Die Revision wird durch Einreichung der Revisionsschrift bei dem Revisionsgericht eingelegt. Die Revisionsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Revision gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Revision eingelegt werde.
§ 544 Absatz 8 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Revisionsschrift anzuwenden.

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Allerdings muss gemäß § 519 Abs. 2 ZPO in der Berufungsschrift angegeben werden, gegen welches Urteil sich die Berufung richten soll. Dazu gehört die Angabe, von wem und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt werden soll. Diese Information muss sich aber nicht aus der Rechtsmittelschrift allein ergeben. Vielmehr können dafür auch die mit dem Schriftsatz eingereichten sonstigen Unterlagen herangezogen werden, insbesondere die beigefügte Abschrift des erstinstanzlichen Urteils. Lässt sich daraus innerhalb der Berufungsfrist für das Gericht und für den Gegner mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen, für und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt werden soll, reicht das aus (BGH, Urt. v. 6. Februar 1985 - I ZR 235/83, NJW 1985, 2651; Beschl. v. 31. März 1992 - VI ZB 7/92, VersR 1992, 761; Urt. v. 8. November 2001 - VII ZR 65/01, NJW 2002, 831, 832).
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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist den Anforderungen des § 519 Abs. 2 ZPO nur genügt, wenn bei der Einlegung der Berufung aus der Berufungsschrift sowohl der Rechtsmittelkläger als auch der Rechtsmittelbeklagte erkennbar sind oder - ggf. aus anderen im Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsfrist vorliegenden Unterlagen - eindeutig erkennbar werden. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist die Berufung unzulässig (vgl. BGHZ 21, 168, 170 ff.; 65, 114, 115; 113, 228, 230; BGH, Urteil vom 14. Februar 2008 - III ZR 73/07 - juris Rn. 6; Beschluss vom 10. Oktober 2006 - XI ZB 14/06 - NJW-RR 2007, 413, 414). An die Bezeichnung des Rechtsmittelgegners sind indessen jedenfalls in denjenigen Fallgestaltungen, in denen der in der Vorinstanz obsiegende Gegner aus mehreren Streitgenossen bestand , keine strengen Anforderungen zu stellen. Unter solchen Umständen richtet sich das Rechtsmittel im Zweifel gegen die gesamte angefochtene Entscheidung , d.h. gegen alle gegnerischen Streitgenossen. Etwas anderes gilt nur, wenn die Rechtsmittelschrift eine Beschränkung der Anfechtung erkennen lässt (vgl. Senatsurteil vom 21. Juni 1983 - VI ZR 245/81 - VersR 1983, 984, 985; BGH, Urteile vom 19. März 1969 - VIII ZR 63/67 - NJW 1969, 928 f.; vom 16. November 1993 - XI ZR 214/92 - NJW 1994, 512, 514 unter B. II. 1., insoweit in BGHZ 124, 151 nicht abgedruckt; vom 8. November 2001 - VII ZR 65/01 - NJW 2002, 831, 832; vom 14. Februar 2008 - III ZR 73/07 - aaO; Beschluss vom 15. Mai 2006 - II ZB 5/05 - NJW-RR 2006, 1569, 1570). Eine solche Beschränkung kann sich, wenn auf der Gegenseite mehrere Streitgenossen stehen, beispielsweise daraus ergeben, dass in der Rechtsmittelschrift nur einige von ihnen angegeben werden (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 1969 - VIII ZR 63/67 - aaO, 929).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 65/01 Verkündet am:
8. November 2001
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Die fehlende Bezeichnung "Berufungsbeklagter" allein rechtfertigt nicht, die Berufung
als unzulässig zu behandeln, wenn die Auslegung der Berufungsschrift ergibt,
gegen wen sich die Berufung richtet.
BGH, Urteil vom 8. November 2001 - VII ZR 65/01 - OLG Schleswig-Holstein
LG Lübeck
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. November 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
die Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka und Bauner

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Teilurteil des 3. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 23. Januar 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 21. Juli 1999 betreffend den Drittwiderbeklagten als unzulässig verworfen worden ist. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger, ein Architekt, verlangt von der Beklagten Honorar aus einem Architektenvertrag mit der Behauptung, alleiniger Inhaber der Forderung zu sein. Die Beklagte bestreitet das. Wegen behaupteter Mängel aus einem anderen Vertrag rechnet die Beklagte zudem auf und erhebt wegen des durch die
Aufrechnung nicht gedeckten Betrages Widerklage gegen den Kläger und den Drittwiderbeklagten, einen weiteren Architekten. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Im Rubrum des landgerichtlichen Urteils wird zunächst der Kläger und Widerbeklagte, anschließend nach "gegen" die Beklagte und Widerklägerin sowie im Anschluß hieran der Drittwiderbeklagte aufgeführt. Die Beklagte und Widerklägerin hat dagegen unter Vorlage des landgerichtlichen Urteils Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift richtet sich im Rubrumsteil "gegen" den Kläger, Widerbeklagten und Berufungsbeklagten. Sie ist eingelegt für die Beklagte , Widerklägerin und Berufungsklägerin. Diese wird zuerst aufgeführt, im Anschluß daran ist der Drittwiderbeklagte nur mit dieser Bezeichnung genannt. Das Berufungsgericht hat durch Teilurteil u.a. die Berufung der Beklagten , soweit sie sich gegen den Drittwiderbeklagten richtet, als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 547 ZPO zulässige Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit die Berufung als unzulässig verworfen worden ist und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hält die Berufung für unzulässig, weil sie nicht der Form des § 518 Abs. 2 ZPO entspreche. Die Auslegung der Berufungsschrift ergebe eindeutig, daû die Beklagte nur gegen den Kläger und Widerbeklagten habe Berufung einlegen wollen, nicht aber im Verhältnis zum Drittwiderbeklagten. Unter der Rubrik "gegen", die kennzeichne, gegen wen sich die Beklagte wende, sei nur der Kläger mit der Bezeichnung "Kläger, Widerbeklagter und Berufungsbeklagter" aufgeführt. Der Drittwiderbeklagte sei nur mit seiner erstinstanzlichen Parteirolle bezeichnet. Es fehle der Zusatz "und Berufungsbeklagter". Folgerichtig habe der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Senats die Berufungsschrift nur dem Prozeûbevollmächtigten des Klägers zugestellt. Eine andere Auslegung sei auch nicht deswegen geboten, weil eine Urteilskopie beigefügt worden sei.

II.

Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Die Berufung hinsichtlich des Drittwiderbeklagten genügt der Form des § 518 Abs. 2 ZPO. 1. Die Form des § 518 Abs. 2 ZPO ist nur beachtet, wenn bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist angegeben ist, für wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt werden soll (BGH, Beschluû vom 16. Juli 1998 - VII ZB 7/98, NJW 1998, 3499 = BGHR ZPO § 518 Abs. 2 Parteibezeichnung 14). Die Berufung darf auch unter Beachtung der Verfahrensgarantie des Grundgesetzes,
den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingerichteten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren, nicht an unvollständigen oder fehlerhaften Angaben scheitern, wenn für Gericht und Prozeûgegner das wirklich Gewollte deutlich wird (BGH, Urteil vom 15. Dezember 1998 - VI ZR 316/97, NJW 1999, 1554 = BGHR ZPO § 518 Abs. 2 Parteibezeichnung 16). Eine uneingeschränkt eingelegte Berufung gegen ein klageabweisendes Urteil richtet sich im Zweifel gegen alle erfolgreichen Streitgenossen. Ist nur der an erster Stelle des Urteilsrubrums stehende Streitgenosse als Berufungsbeklagter genannt, so ist das Urteil auch gegenüber den anderen angefochten, auûer wenn die Berufungsschrift eine Beschränkung erkennen läût (BGH, Urteil vom 16. November 1993 - XI ZR 214/92, NJW 1994, 512, 514). Eine unbeschränkte Berufungseinlegung wird vom Bundesgerichtshof auch dann bejaht, wenn als Rechtsmittelgegner nur einer von mehreren Streitgenossen und zwar der im Urteilsrubrum an erster Stelle Stehende genannt wird oder wenn die Streitgenossen auf seiten des Rechtsmittelgegners nur teilweise als "Beklagte und Berufungsbeklagte", im übrigen aber nur als "Beklagte" bezeichnet worden waren (BGH, Urteil vom 20. Januar 1988 - VIII ZR 296/86, NJW 1988, 1204, 1205). 2. Nach diesen Grundsätzen genügt die Berufungsschrift in Verbindung mit dem vom Prozeûbevollmächtigten der Beklagten vorgelegten angefochtenen Urteil den Formerfordernissen des § 518 Abs. 2 ZPO. Der Berufungsschrift ist zu entnehmen, daû sich die Berufung auch gegen den Drittwiderbeklagten richten soll. Für die Auslegung ist nicht maûgebend , daû der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle nur die Zustellung an den Prozeûbevollmächtigten des Klägers veranlaût hat und nur eine Urteilsabschrift vorgelegt worden ist. Das Berufungsgericht hat im wesentlichen wegen
der fehlenden Bezeichnung des Drittwiderbeklagten als "Berufungsbeklagten" die Berufung für unzulässig gehalten. Es hat nicht bedacht, daû die Berufung sich in ihrem Aufbau nach dem Rubrum des landgerichtlichen Urteils richtet. Die Beklagte und Widerklägerin wird entsprechend den Gepflogenheiten im Rechtsmittelverfahren als Rechtsmittelführerin an erster Stelle genannt. Im Anschluû hieran wird wie im landgerichtlichen Urteil der Drittwiderbeklagte aufgeführt. Auch wenn er nicht gleichzeitig als "Berufungsbeklagter" bezeichnet ist, wird durch die an das Rubrum des angefochtenen Urteils angepaûte Bezeichnung der Parteien deutlich, daû er nicht an der Seite der Beklagten, Widerklägerin und Berufungsklägerin steht. Die Nennung des Drittwiderbeklagten im Rubrum der Berufungsschrift auf der Seite der berufungsführenden Beklagten und Widerklägerin ist erkennbar fehlerhaft. Der Fehler war schon im Rubrum des beigefügten Urteils des Landgerichts angelegt. Ein Widerbeklagter kann nicht auf seiten des einzigen Widerklägers stehen, der das Rechtsmittel führt. Er ist notwendigerweise dem Gegner zuzuordnen. Dem Drittwiderbeklagten kann nur die Rolle des Rechtsmittelgegners zukommen. Die fehlende Bezeichnung des Drittwiderbeklagten als "Berufungsbeklagter" ist wegen der umfassend eingelegten Berufung unschädlich (BGH, Urteil vom 16. November 1993 - XI ZR 294/92 aaO). Die Berufung weist nämlich keine Beschränkung auf. Ullmann Thode Kuffer Kniffka Bauner
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8. November 2001 - VII ZR 65/01, NJW 2002, 831, unter II 1; jeweils m.w.N.). Eine solche Beschränkung kann sich, wenn auf der Gegenseite mehrere Streitgenossen stehen, daraus ergeben, dass in der Rechtsmittelschrift nur einige von ihnen angegeben werden (BGH, Beschluss vom 9. September 2008, aaO). Dies ist jedoch nicht zwingend. Der Bundesgerichtshof hat eine unbeschränkte Berufungseinlegung auch in Fällen bejaht, in denen als Rechtsmittelgegner nur einer von mehreren Streitgenossen, und zwar der im Urteilsrubrum an erster Stelle Stehende genannt wurde (BGH, Urteile vom 8. November 2001, aaO; vom 21. Juni 1983 - VI ZR 245/81, NJW 1984, 58, unter III 1; jeweils m.w.N.). Letztlich kommt es für die Frage, ob eine Beschränkung der Anfechtung gewollt ist, auf eine verständige Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist an. Dabei können sich aus einer beigefügten Ausfertigung oder beglaubigten Abschrift des angefochtenen Urteils häufig entscheidende Hinweise auf den Umfang der Anfechtung ergeben. Hierbei kommt insbesondere der Frage Bedeutung zu, ob eine Beschränkung des Rechtsmittelangriffs auf einen Teil der bisherigen Prozessgegner in Anbetracht des der Vorinstanz unterbreiteten Streitstoffs ungewöhnlich oder gar fern liegend erscheint (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 9. September 2008, aaO, Tz. 7; BGH, Urteil vom 11. Juli 2003 - V ZR 233/01, NJW 2003,
10
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass zum notwendigen Inhalt der Berufungsschrift nach § 519 Abs. 2 ZPO neben den weiteren, gesetzlich normierten Voraussetzungen auch die Angabe gehört, für und gegen welche Partei das Rechtsmittel eingelegt wird. Die Berufungsschrift muss entweder für sich allein betrachtet oder mit Hilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig erkennen lassen, wer Berufungskläger und wer Berufungsbeklagter sein soll (BGH Beschluss vom 11. Mai 2010 - VIII ZB 93/09 - MDR 2010, 828 Rn. 9 m.w.N. und Urteil vom 14. Februar 2008 - III ZR 73/07 - Juris Rn. 6).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 65/01 Verkündet am:
8. November 2001
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Die fehlende Bezeichnung "Berufungsbeklagter" allein rechtfertigt nicht, die Berufung
als unzulässig zu behandeln, wenn die Auslegung der Berufungsschrift ergibt,
gegen wen sich die Berufung richtet.
BGH, Urteil vom 8. November 2001 - VII ZR 65/01 - OLG Schleswig-Holstein
LG Lübeck
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. November 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
die Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka und Bauner

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Teilurteil des 3. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 23. Januar 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 21. Juli 1999 betreffend den Drittwiderbeklagten als unzulässig verworfen worden ist. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger, ein Architekt, verlangt von der Beklagten Honorar aus einem Architektenvertrag mit der Behauptung, alleiniger Inhaber der Forderung zu sein. Die Beklagte bestreitet das. Wegen behaupteter Mängel aus einem anderen Vertrag rechnet die Beklagte zudem auf und erhebt wegen des durch die
Aufrechnung nicht gedeckten Betrages Widerklage gegen den Kläger und den Drittwiderbeklagten, einen weiteren Architekten. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Im Rubrum des landgerichtlichen Urteils wird zunächst der Kläger und Widerbeklagte, anschließend nach "gegen" die Beklagte und Widerklägerin sowie im Anschluß hieran der Drittwiderbeklagte aufgeführt. Die Beklagte und Widerklägerin hat dagegen unter Vorlage des landgerichtlichen Urteils Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift richtet sich im Rubrumsteil "gegen" den Kläger, Widerbeklagten und Berufungsbeklagten. Sie ist eingelegt für die Beklagte , Widerklägerin und Berufungsklägerin. Diese wird zuerst aufgeführt, im Anschluß daran ist der Drittwiderbeklagte nur mit dieser Bezeichnung genannt. Das Berufungsgericht hat durch Teilurteil u.a. die Berufung der Beklagten , soweit sie sich gegen den Drittwiderbeklagten richtet, als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 547 ZPO zulässige Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit die Berufung als unzulässig verworfen worden ist und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hält die Berufung für unzulässig, weil sie nicht der Form des § 518 Abs. 2 ZPO entspreche. Die Auslegung der Berufungsschrift ergebe eindeutig, daû die Beklagte nur gegen den Kläger und Widerbeklagten habe Berufung einlegen wollen, nicht aber im Verhältnis zum Drittwiderbeklagten. Unter der Rubrik "gegen", die kennzeichne, gegen wen sich die Beklagte wende, sei nur der Kläger mit der Bezeichnung "Kläger, Widerbeklagter und Berufungsbeklagter" aufgeführt. Der Drittwiderbeklagte sei nur mit seiner erstinstanzlichen Parteirolle bezeichnet. Es fehle der Zusatz "und Berufungsbeklagter". Folgerichtig habe der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Senats die Berufungsschrift nur dem Prozeûbevollmächtigten des Klägers zugestellt. Eine andere Auslegung sei auch nicht deswegen geboten, weil eine Urteilskopie beigefügt worden sei.

II.

Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Die Berufung hinsichtlich des Drittwiderbeklagten genügt der Form des § 518 Abs. 2 ZPO. 1. Die Form des § 518 Abs. 2 ZPO ist nur beachtet, wenn bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist angegeben ist, für wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt werden soll (BGH, Beschluû vom 16. Juli 1998 - VII ZB 7/98, NJW 1998, 3499 = BGHR ZPO § 518 Abs. 2 Parteibezeichnung 14). Die Berufung darf auch unter Beachtung der Verfahrensgarantie des Grundgesetzes,
den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingerichteten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren, nicht an unvollständigen oder fehlerhaften Angaben scheitern, wenn für Gericht und Prozeûgegner das wirklich Gewollte deutlich wird (BGH, Urteil vom 15. Dezember 1998 - VI ZR 316/97, NJW 1999, 1554 = BGHR ZPO § 518 Abs. 2 Parteibezeichnung 16). Eine uneingeschränkt eingelegte Berufung gegen ein klageabweisendes Urteil richtet sich im Zweifel gegen alle erfolgreichen Streitgenossen. Ist nur der an erster Stelle des Urteilsrubrums stehende Streitgenosse als Berufungsbeklagter genannt, so ist das Urteil auch gegenüber den anderen angefochten, auûer wenn die Berufungsschrift eine Beschränkung erkennen läût (BGH, Urteil vom 16. November 1993 - XI ZR 214/92, NJW 1994, 512, 514). Eine unbeschränkte Berufungseinlegung wird vom Bundesgerichtshof auch dann bejaht, wenn als Rechtsmittelgegner nur einer von mehreren Streitgenossen und zwar der im Urteilsrubrum an erster Stelle Stehende genannt wird oder wenn die Streitgenossen auf seiten des Rechtsmittelgegners nur teilweise als "Beklagte und Berufungsbeklagte", im übrigen aber nur als "Beklagte" bezeichnet worden waren (BGH, Urteil vom 20. Januar 1988 - VIII ZR 296/86, NJW 1988, 1204, 1205). 2. Nach diesen Grundsätzen genügt die Berufungsschrift in Verbindung mit dem vom Prozeûbevollmächtigten der Beklagten vorgelegten angefochtenen Urteil den Formerfordernissen des § 518 Abs. 2 ZPO. Der Berufungsschrift ist zu entnehmen, daû sich die Berufung auch gegen den Drittwiderbeklagten richten soll. Für die Auslegung ist nicht maûgebend , daû der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle nur die Zustellung an den Prozeûbevollmächtigten des Klägers veranlaût hat und nur eine Urteilsabschrift vorgelegt worden ist. Das Berufungsgericht hat im wesentlichen wegen
der fehlenden Bezeichnung des Drittwiderbeklagten als "Berufungsbeklagten" die Berufung für unzulässig gehalten. Es hat nicht bedacht, daû die Berufung sich in ihrem Aufbau nach dem Rubrum des landgerichtlichen Urteils richtet. Die Beklagte und Widerklägerin wird entsprechend den Gepflogenheiten im Rechtsmittelverfahren als Rechtsmittelführerin an erster Stelle genannt. Im Anschluû hieran wird wie im landgerichtlichen Urteil der Drittwiderbeklagte aufgeführt. Auch wenn er nicht gleichzeitig als "Berufungsbeklagter" bezeichnet ist, wird durch die an das Rubrum des angefochtenen Urteils angepaûte Bezeichnung der Parteien deutlich, daû er nicht an der Seite der Beklagten, Widerklägerin und Berufungsklägerin steht. Die Nennung des Drittwiderbeklagten im Rubrum der Berufungsschrift auf der Seite der berufungsführenden Beklagten und Widerklägerin ist erkennbar fehlerhaft. Der Fehler war schon im Rubrum des beigefügten Urteils des Landgerichts angelegt. Ein Widerbeklagter kann nicht auf seiten des einzigen Widerklägers stehen, der das Rechtsmittel führt. Er ist notwendigerweise dem Gegner zuzuordnen. Dem Drittwiderbeklagten kann nur die Rolle des Rechtsmittelgegners zukommen. Die fehlende Bezeichnung des Drittwiderbeklagten als "Berufungsbeklagter" ist wegen der umfassend eingelegten Berufung unschädlich (BGH, Urteil vom 16. November 1993 - XI ZR 294/92 aaO). Die Berufung weist nämlich keine Beschränkung auf. Ullmann Thode Kuffer Kniffka Bauner

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 233/01 Verkündet am:
11. Juli 2003
Kanik
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Wird in der Berufungsschrift ein gegnerischer (einfacher) Streitgenosse als Berufungsbeklagter
bezeichnet, der andere dagegen nicht, ist das Rechtsmittel gegenüber
dem Nichtbezeichneten unzulässig, wenn Zweifel an seiner Inanspruchnahme
als Rechtsmittelbeklagter verbleiben.

b) Bei der Prüfung, ob das Rechtsmittel auch gegen einen nicht als Berufungsbeklagten
bezeichneten Streitgenossen eingelegt ist, hat das Berufungsgericht,
wenn rechtlich beide Möglichkeiten in Frage kommen, nicht darauf abzustellen,
welche aus der Sicht des Rechtsmittelklägers die zweckmäßigere ist.

c) Eine verfassungsrechtliche Pflicht des Gerichts zur Rücksichtnahme gegenüber
den Verfahrensbeteiligten schließt nicht das Gebot ein, die Interessen der nachlässigen
Partei zu Lasten des Gegners zu wahren; im Zweifel ist derjenigen Aus-
legung einer prozessualen Erklärung der Vorzug zu geben, die den Belangen der
Partei, der kein Normverstoß anzulasten ist, gerecht wird.
BGH, Urt. v. 11. Juli 2003 - V ZR 233/01 - OLG Düsseldorf
LG Mönchengladbach
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Juli 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Dr. Klein, Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten zu 1 gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. Mai 2001 wird, soweit sie nicht Gegenstand des Beschlusses des Senats vom 21. November 2002 ist, zurückgewiesen.
Die Kosten der Revisionsinstanz trägt die Beklagte zu 1 zu 99 v.H. allein, zu 1 v.H. gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 2.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin hat von der Beklagten, der sie ein Hausgrundstück verkauft hatte, die Herausgabe von Inventar verlangt. Widerklagend hat die Beklagte die Klägerin und deren Ehemann (Drittwiderbeklagter) aufgrund Anfechtung wegen arglistiger Täuschung über die baurechtliche Genehmigung des Anwesens auf Rückgängigmachung des Kaufs und wegen Verschuldens bei Vertragsschluß auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage, soweit sie sich gegen die Klägerin
gerichtet hat, bis auf einen Teilbetrag des Schadensersatzes stattgegeben. Die Klage gegen den Drittwiderbeklagten hat es abgewiesen. In der Berufungs- schrift der Beklagten ist die Klägerin als "Klägerin, Widerbeklagte und Berufungsbeklagte" , der Drittwiderbeklagte dagegen nur als "Widerbeklagter" bezeichnet. Im Berufungsrechtszug hat die Beklagte die gegen die Klägerin gerichtete Berufung zurückgenommen und das Rechtsmittel gegen den Drittwiderbeklagten weiterverfolgt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung verworfen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht geht unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 26. September 1961 (Senat, V ZB 24/61, NJW 1961, 2347) und vom 19. März 1969 (VIII ZR 63/67, NJW 1969, 928 = LM ZPO § 518 Abs. 2 Ziff. 1, Nr. 4) von dem Grundsatz aus, daß ein Rechtsmittel sich gegen die angefochtene Entscheidung als solche richtet (§ 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, § 518 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a.F.), diese mithin im Umfang der Beschwer des Rechtsmittelklägers angreift. Anderes gelte, wenn die Rechtsmittelschrift eine Beschränkung der Anfechtung erkennen lasse. Dies sei bei mehreren, als Rechtsmittelbeklagte in Frage kommenden, Streitgenossen der Fall, wenn in der Rechtsmittelschrift nur einzelne von ihnen als Rechtsmittelbeklagte bezeichnet seien. Allerdings genüge es mit Rücksicht auf zum Teil bestehende Gerichtsgepflogenheiten, wenn der Rechtsmittelkläger nur den gegnerischen Streitgenossen, der in dem angefochtenen Urteil als erster bezeichnet ist
("Spitzenreiter"), in die Rechtsmittelschrift aufnehme. Die Berufungsschrift der Beklagten, die die gegnerischen Streitgenossen vollständig anführe, aber nur einen von ihnen, die Klägerin, als Berufungsbeklagte bezeichne, lasse demgegenüber die Auslegung, auch der Drittwiderbeklagte sei Rechtsmittelgegner, nicht zu.

II.


Dies hält den Angriffen der Revision stand.
Sie meint, das Berufungsgericht habe der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21. Juni 1983 (VI ZR 245/81, NJW 1984, 58 = LM ZPO § 518 Abs. 2 Ziff. 1, Nr. 8; vgl. auch BGH, Urt. v. 8. November 2001, VIII ZR 65/01, NJW 2002, 831 = LM ZPO § 518 Abs. 2 Ziff. 2, Nr. 18 - passim -) nicht Rechnung getragen, wonach sich "im Zweifel" die uneingeschränkt eingelegte Berufung gegen alle erfolgreichen Streitgenossen richtet, wenn diese in der Berufungsschrift aufgeführt, aber nur teilweise auch als Berufungsbeklagte bezeichnet sind (Leitsatz). Dies greift nicht durch. Allerdings gebieten die im Grundgesetz gewährleisteten Prozeßgrundrechte, daß der Zugang zu den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in einer von Sachgründen nicht gedeckten Weise durch Förmelei erschwert wird (BGH, Urt. v. 19. Februar 2002, VI ZR 394/00, NJW 2002, 1430). Mängel der Parteibezeichnung in Rechtsmittelschriften sind deshalb unbeachtlich, wenn sie in Anbetracht der jeweiligen Umstände keinen vernünftigen Zweifel an der Person des Rechtsmittelklägers oder des Rechtsmittelbeklagten offenlassen (Senat, Beschl. v. 19. September 2002, V ZB 31/02, BGH-Report 2002, 1112). Dies ist
auch die Auffassung des VI. Senats, die er in seiner der Entscheidung vom 21. Juni 1983 folgenden Rechtsprechung wiederholt bestätigt hat (Beschl. v. 7. November 1995, V ZB 12/95, NJW 1996, 320 = LM ZPO § 518 Abs. 2 Ziff. 2, Nr. 14; v. 15. Dezember 1998, VI ZR 316/97, NJW 1999, 1554 = LM ZPO § 518 Abs. 2 Ziff. 1, Nr. 17; Urt. v. 19. Februar 2002, aaO). Danach können lediglich theoretische Zweifel, für die tatsächliche Anhaltspunkte nicht festgestellt sind, bei der Auslegung der Berufungsschrift nicht maßgeblich sein. Der Entscheidung vom 21. Juni 1983 ist mithin, wie sich des näheren aus ihrer Begründung, aber auch im Lichte der weiteren Rechtsprechung ergibt, nicht zu entnehmen, daß eine differente Bezeichnung der gegnerischen Streitgenossen, teils unter Beifügung einer Parteirolle im Rechtsmittelverfahren, teils ohne eine solche, stets nur einen theoretischen, mithin nicht maßgeblichen Zweifel an der Person des Rechtsmittelbeklagten begründen könne. Maßgeblich für die Auslegung der Rechtsmittelschrift sind alle dem Rechtsmittelgericht innerhalb der Rechtsmittelfrist (BGH, Urt. v. 7. November 1995, aaO; Senat, Beschl. v. 19. September 2002, aaO) zugänglichen Umstände, neben der Rechtsmittelschrift selbst auch die dieser beizufügende (§ 519 Abs. 3 ZPO; § 518 Abs. 3 ZPO a.F.) Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils oder weiter vorhandene Unterlagen (BGH, Urt. v. 13. Oktober 1998, VI ZR 81/98, NJW 1999, 291 = LM ZPO § 518 Abs. 2 Ziff. 2 Nr. 15). In dem am 21. Juni 1983 entschiedenen Fall war die Einteilung in zwei Beklagtengruppen auf die jeweils verschiedene anwaltliche Vertretung der gegnerischen Streitgenossen zurückzuführen gewesen, die Gesamtzahl der Rechtsmittelgegner wurde durch die Anzahl der der Berufungsschrift beigefügten Abschriften bestimmt; zudem lag bei dem zu beurteilenden zusammenhängenden Unfallgeschehen eine Aufspaltung der Rechtsmittelbeklagten eher fern.
Im Streitfall dagegen hatte das Landgericht der gegen die Klägerin gerichteten Widerklage dem Grunde und, bis auf einen Teilbetrag von 28.000 DM (Erstattung von Grunderwerbsteuer wegen Verschuldens bei Vertragsschluß), auch der Höhe nach stattgegeben, beim Drittwiderbeklagten, der nicht Vertragspartei war, dagegen die Passivbefugnis verneint. Der Beschränkung des Rechtsmittels auf die abgewiesene Teilforderung gegen die Klägerin konnte ein eigenständiger, von einem Rechtsmittelverfahren gegen den Drittwiderbeklagten losgelöster Sinn nicht abgesprochen werden. Die Frage, welches Rechtsmittel, die Berufung allein gegen die Klägerin oder gegen diese und den Drittwiderbeklagten, auch unter Berücksichtigung der jeweiligen Erfolgschancen , das zweckmäßigere war, hatte bei der Auslegung der Rechtsmittelschrift zurückzutreten. Zu solchen Überlegungen ist vor Eingang der Rechtsmittelbegründungsschrift in der Regel keine Grundlage gegeben. Vor allem aber steht die Richtung des Rechtsmittelangriffs nicht zur Disposition des Gerichts. Diesem ist es versagt, mittels Überlegungen zur Zweckmäßigkeit und Erfolgsaussicht der Angriffsrichtung die Disposition der Parteien durch eine eigene zu ersetzen. Der Umstand, daß die Beklagte nachträglich die Berufung gegen die Klägerin zurückgenommen hat, ist mithin nicht dafür signifikant, daß das Berufungsgericht die möglichen Auslegungsquellen nicht erschöpft hätte. Abweichend von dem, der Entscheidung vom 21. Juni 1983 zugrundeliegenden Sachverhalt standen dem Berufungsgericht hier keine weiteren Auslegungsmittel zur Verfügung.
Die ernstlichen Zweifel an der Inanspruchnahme des Drittwiderbeklagten als Berufungsbeklagten, die die wenige Tage vor Ablauf der Berufungsfrist eingegangene Rechtsmittelschrift hinterließ, mußten zur Verwerfung des Rechtsmittels führen. Dies geboten einmal die Belange des Drittwiderbeklagten, der
als erstinstanzlich siegreich gebliebener Streitgenosse ein schutzwürdiges Interesse daran hatte zu wissen, ob diese Position Gegenstand eines Rechtsmittelangriffs sein würde oder bereits Bestand hatte (Senatsbeschl. v. 19. September 2002, V ZB 31/02, aaO; BGH, Beschl. v. 15. Juli 1999, IX ZB 45/99, NJW 1999, 3124 = LM ZPO § 518 Abs. 2 Ziff. 2 Nr. 17). Die aus Art. 2 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Forderung an die Gerichte zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten Situation (BVerfG, Beschl. v. 9. August 1991, NJW 1991, 3140 m.w.N. zur Rspr. d. Bundesverfassungsgerichts) schließt keine Anleitung in sich, die Interessen der nachlässigen Partei zu Lasten des Gegners zu wahren. Im Zweifel ist vielmehr derjenigen Auslegung einer prozessualen Erklärung der Vorzug zu geben, die den Belangen des Zustellungsadressaten (bei der Berufung : § 521 ZPO, § 519a ZPO a.F.), dem kein Normverstoß anzulasten ist, gerecht wird. Zum anderen gebieten auch die wohlverstandenen Interessen des Rechtsmittelklägers Zurückhaltung. Würde das Gericht bei nicht behebbaren Zweifeln über die Person des Rechtsmittelgegners eine von mehreren gleichermaßen in Frage kommenden Möglichkeiten wählen, wäre es zu Recht der Rüge ausgesetzt, der sachlich ohne Erfolg gebliebene Rechtsmittelangriff sei nicht gewollt gewesen.

III.


Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO.
Wenzel Tropf Klein Lemke Schmidt-Räntsch
6
1. Richtig ist, dass den Anforderungen des § 519 Abs. 2 ZPO nur dann genügt ist, wenn bei der Einlegung der Berufung aus der Berufungsschrift sowohl der Rechtsmittelkläger als auch der Rechtsmittelbeklagte erkennbar sind oder doch jedenfalls bis zum Ablauf der Berufungsfrist eindeutig erkennbar werden. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist die Berufung unzulässig (st. Rspr.; vgl. BGHZ 21, 168, 170 ff.; 65, 114, 115; 113, 228, 230; BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2006 - XI ZB 14/06 - NJW-RR 2007, 413, 414 Rn. 8; jeweils m.w.N.). An die Bezeichnung des Rechtsmittelgegners sind indessen jedenfalls in denjenigen Fallgestaltungen, in denen der in der Vorinstanz obsiegende Gegner aus mehreren Streitgenossen bestand, keine strengen Anforderungen zu stellen. Unter solchen Umständen richtet sich das Rechtsmittel im Zweifel gegen die gesamte angefochtene Entscheidung, d.h. gegen alle gegnerischen Streitgenossen. Etwas anderes gilt nur, wenn die Rechtsmittelschrift eine Beschränkung der Anfechtung erkennen lässt (BGH, Urteil vom 19. März 1969 - VIII ZR 63/67 - NJW 1969, 928 f.; Urteil vom 21. Juni 1983 - VI ZR 245/81 - VersR 1983, 984, 985; Urteil vom 16. November 1993 - XI ZR 214/92 - NJW 1994, 512, 514 unter B II 1, insoweit in BGHZ 124, 151 nicht abgedruckt; Urteil vom 8. November 2001 - VII ZR 65/01 - NJW 2002, 831, 832; Beschluss vom 15. Mai 2006 - II ZB 5/05 - NJW-RR 2006, 1569, 1570 Rn. 9). Das stellt auch das vom Berufungsgericht für seine Rechtsauffassung angeführte Urteil des V. Zivilsenats vom 11. Juli 2003 (V ZR 233/01 - NJW 2003, 3203, 3204) nicht in Frage.
10
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass zum notwendigen Inhalt der Berufungsschrift nach § 519 Abs. 2 ZPO neben den weiteren, gesetzlich normierten Voraussetzungen auch die Angabe gehört, für und gegen welche Partei das Rechtsmittel eingelegt wird. Die Berufungsschrift muss entweder für sich allein betrachtet oder mit Hilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig erkennen lassen, wer Berufungskläger und wer Berufungsbeklagter sein soll (BGH Beschluss vom 11. Mai 2010 - VIII ZB 93/09 - MDR 2010, 828 Rn. 9 m.w.N. und Urteil vom 14. Februar 2008 - III ZR 73/07 - Juris Rn. 6).

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

6
Das Berufungsgericht hat den Vortrag der Klägerinnen zur Schadenshöhe für unsubstantiiert erachtet und das zur weiteren Substantiierung vorgelegte Gutachten nicht mehr berücksichtigt, weil dieser Vortrag verspätet sei. Damit hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die Substantiierung verfahrensfehlerhaft überspannt und sich der Erkenntnis verschlossen, dass nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Partei ihrer Darlegungslast genügt, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung , kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden (vgl. nur Sen.Beschl. v. 21. Mai 2007 - II ZR 266/04, ZIP 2007, 1524; Sen.Urt. v. 25. Juli 2005 - II ZR 199/03, ZIP 2005, 1738, 1740 m.w.Nachw.). Es ist vielmehr Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten, dabei ggf. die benannten Zeugen nach weiteren Einzelheiten zu befragen bzw. einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten.
2
1. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt, weil es überspannte Anforderungen an den Vortrag der Beklagten zu dem Gewinn gestellt hat, der ihr dadurch entgangen ist, dass die Klägerin ihr die Mieträume ab 6. Januar 2007 nicht in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand überlassen hat. Dadurch hat das Berufungsgericht den Parteivortrag der Beklagten nicht in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise zur Kenntnis genommen und sich mit ihm auseinandergesetzt (vgl. Senatsbeschluss vom 31. August 2005 - XII ZR 63/03 - NJW-RR 2005, 1603; BGH Beschluss vom 22. Juni 2009 - II ZR 143/08 - NJW 2009, 2598 Rn. 2 mwN).

Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 355/00 Verkündet am:
18. Februar 2002
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 252, 254 Dc Abs. 1, 2; ZPO § 287

a) § 252 BGB enthält für den Geschädigten eine § 287 ZPO ergänzende
Beweiserleichterung, wonach dieser nur die Umstände darzulegen
und in den Grenzen des § 287 ZPO zu beweisen braucht, aus
denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen
Umständen des Falles die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts
ergibt.

b) Als Verzugsschaden ist grundsätzlich auch ein entgangener
Gewinn aus Spekulationsgeschäften in Aktien zu ersetzen. Dabei ist
mit einer vom Gläubiger beabsichtigten Aktienanlage in Standardwerten
(z.B. Dax-30) nach heutigen Maßstäben in der Regel nicht die
- eine Warnobliegenheit auslösende - Gefahr eines ungewöhnlich hohen
Schadens i. S. v. § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB verbunden.

c) Der Verzugsgläubiger ist grundsätzlich nicht gemäß § 254
Abs. 1 BGB verpflichtet, zur Minderung des aus einer beabsichtigten
Geldanlage in Aktien drohenden Schadens (Spekulations-) Kredit aufzunehmen.
BGH, Urteil vom 18. Februar 2002 - II ZR 355/00 -OLG Rostock
LG Neubrandenburg
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Februar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die
Richter Prof. Dr. Henze, Prof. Dr. Goette Dr. Kurzwelly und die Richterin Münke

für Recht erkannt:
I. Auf die Revision des Klägers wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen - das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 15. November 2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Neubrandenburg vom 22. März 1999 zurückgewiesen worden ist.
II. Auf die Berufung des Klägers wird das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts Neubrandenburg weitergehend dahin abgeändert , daß die Beklagte verurteilt wird, über den vorinstanzlich zuerkannten Betrag von 139.723,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 10. Februar 1998 hinaus an den Kläger 53.793,83 DM (= 27.504,35 ?) nebst 4 % Zinsen seit dem 10. Februar 1999 zu zahlen.
III. Wegen des weitergehenden Zahlungsbegehrens in Höhe von 6.483,17 DM (= 3.314,79 ?) nebst anteiligen Zinsen wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger und D. L. waren je zur Hälfte Gesellschafter der "B. Dr. Bu. & L. GbR, der "Ba.- und U. Institut Dipl.-Ing. L. und Dr. Bu. GbR" sowie der beklagten GmbH. Aufgrund einer in drei Verträgen vom 20. November 1996 geregelten Gesamtauseinandersetzung der beiderseitigen Beteiligungen führte der Kläger die beiden Gesellschaften bürgerlichen Rechts allein als Einzelfirmen weiter, während er andererseits seinen Geschäftsanteil an der Beklagten auf D. L. übertrug. Zugleich vereinbarten die Beteiligten diverse Ausgleichszahlungen, darunter eine solche D. L. an den Kläger in Höhe von insgesamt 723.000,00 DM nebst Vertragszinsen, die ab dem 20. Dezember 1996 zu verschiedenen Zeitpunkten innerhalb eines Jahres zahlbar war. In der Vergleichsvereinbarung vom 20. November 1996 verpflichtete sich die Beklagte zur Auszahlung der Abgeltungsbeträge aus zwei Versorgungszusagen vom 1. Februar 1992 in Höhe von 139.723,00 DM und vom 3. Dezember 1993 in Höhe von 135.335,00 DM an den Kläger bis zum 20. Januar 1997. Die aus der zweiten
Zusage geschuldeten 135.335,00 DM beglich die Beklagte (vollständig) erst am 14. November 1997. Den bislang überhaupt nicht gezahlten Betrag von 139.723,00 DM aus der ersten Zusage macht der Kläger - nebst 4 % Zinsen seit 10. Februar 1998 - mit der Klage geltend.
Der Kläger beabsichtigte, die von der Beklagten geschuldeten Abgeltungsbeträge aus beiden Versorgungszusagen zum Kauf von je 1.000 Stück Dr. Bank-Aktien und S.-Vorzugsaktien zu verwenden und teilte dies am 17. Januar 1997 seiner Hausbank unter Avisierung des erwarteten Zahlungseingangs mit. Da die Beklagte nicht fristgerecht leistete, erwarb der Kläger aus seinerzeit verfügbaren sonstigen Geldern am 21. Januar 1997 100 Stück Dr. Bank-Aktien zu einem Gesamtaufwand von 5.366,80 DM und am 25. Februar 1997 100 Stück S.-Aktien zu einem Aufwand von 25.590,43 DM, jeweils inklusive Spesen und Provisionen. Die S.-Aktien verkaufte der Kläger am 25. September 1997 mit einem Gutschriftbetrag von 46.245,90 DM, die Dr. Bank-Aktien am 9. Februar 1998 mit einem solchen von 8.248,21 DM. Auf der Grundlage dieser beiden Wertpapiergeschäfte errechnet sich der Kläger als Folge des Verzugs der Beklagten mit den geschuldeten Auszahlungen der Versorgungszusagen in Höhe von insgesamt 275.058,00 DM einen entgangenen Gewinn aus dem fest geplanten Erwerb und Verkauf weiterer 900 Dr. Bank-Aktien in Höhe von 25.932,69 DM und aus dem entsprechenden Geschäft mit weiteren 900 S.-Vorzugsaktien in Höhe von 185.899,30 DM. Unter Zugrundelegung der anteiligen Forderungen aus den Versorgungszusagen macht der Kläger im Wege der Teilklage einen entgangenen Teilgewinn aus dem verzugsbedingt unterbliebenem Geschäft mit Dr. Bank-Aktien in Höhe von
12.966,35 DM und bezüglich der S.-Aktien einen solchen von 47.310,65 DM nebst Zinsen geltend. Die Beklagte hat wegen angeblicher Darlehens- und Aufwendungsersatzansprüche in Höhe von 249.276,00 DM Widerklage erhoben.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung des Abgeltungsbetrages aus der ersten Versorgungszusage in Höhe von 139.723,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21. Januar 1997 verurteilt und die weitergehende Klage auf Ersatz entgangenen Gewinns sowie die Widerklage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Auch die Anschlußberufung der Beklagten ist im wesentlichen erfolglos geblieben; lediglich den Zinsanspruch bezüglich der zuerkannten Klageforderung von 139.723,00 DM hat das Oberlandesgericht entsprechend dem - im Berufungsrechtszug nicht erweiterten - erstinstanzlichen Antrag des Klägers auf die Zeit ab 10. Februar 1998 beschränkt. Mit der Revision begehrt die Beklagte - die die Abweisung ihrer Widerklage hinnimmt - die vollständige Klageabweisung, während der Kläger mit seinem Rechtsmittel weiterhin die Zuerkennung entgangenen Gewinns und die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Zinsentscheidung erstrebt. Der Senat hat nur die Revision des Klägers angenommen.

Entscheidungsgründe:


Die Revision des Klägers ist im wesentlichen begründet.
Sie führt hinsichtlich des begehrten entgangenen Gewinns zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 53.793,83 DM - darunter anteilige 47.310,65 DM aus dem unterlasse-
nen An- und Verkauf von insgesamt 900 S.-Vorzugsaktien und anteilige 6.483,18 DM aus dem unterbliebenen Geschäft mit insgesamt 900 Dr. Bank-Aktien - sowie im Umfang der weiteren Hälfte des geltend gemachten entgangenen Gewinns von 6.483,17 DM aus dem Geschäft mit Dr. BankAktien mangels Endentscheidungsreife zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Demgegenüber bleibt das Rechtsmittel bezüglich der weitergehenden Zinsforderung aus 139.723,00 DM erfolglos.
A. Anspruch auf entgangenen Gewinn.
I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Kläger habe keinen Anspruch auf entgangenen Gewinn aus den angeblich beabsichtigten, aber wegen des Zahlungsverzuges der Beklagten nicht durchgeführten Aktienkäufen und -verkäufen, weil er die tatsächlichen Voraussetzungen des § 252 Satz 1 BGB nicht hinreichend dargetan habe. Der Kläger habe nicht dargelegt, weshalb er nicht nach dem Fälligkeitszeitpunkt erhaltene Beträge, insbesondere die am 14. November 1997 gezahlten 135.335,00 DM aus der zweiten Versorgungszusage , für einen späteren Aktienkauf eingesetzt habe, um den Schaden zu mindern. Auffällig sei auch, daß der von der Beklagten insgesamt geschuldete Betrag von 275.058,00 DM um 3.557,00 DM zu niedrig gewesen wäre, um die vom Kläger behauptete Spekulationsabsicht in vollem Umfang umzusetzen. Zudem habe der Kläger dadurch seine Schadensminderungspflicht verletzt, daß er die Beklagte nicht zumindest im Umfang des im November gezahlten Abgeltungsbetrages aus der zweiten Versorgungszusage auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens hingewiesen habe. Schließlich habe der Kläger
zur Schadensminderung den beabsichtigten Aktienkauf auch dergestalt finanzieren können, daû er für die aus der Gesamtauseinandersetzung erworbenen weitergehenden Zahlungsansprüche gegen D. L. in Höhe von insgesamt 723.000,00 DM, die laut notarieller Vereinbarung ab 20. Dezember 1996 in Teilbeträgen bis Ende des Jahres 1997 fällig gewesen seien, zur Besicherung und Tilgung eines Spekulationskredits verwendet hätte.
II. Das hält in wesentlichen Punkten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Den Vortrag des Klägers zum entgangenen Gewinn sieht das Berufungsgericht in Verkennung des Umfangs der Darlegungs- und Beweislast sowie im Widerspruch zu dem im Tatbestand seines Urteils festgestellten unstreitigen Sachverhalt als nicht hinreichend an (§ 286 ZPO).
Gemäû § 252 BGB ist auch der entgangene Gewinn aus Spekulationsgeschäften in Aktien zu ersetzen, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (Sen.Urt. v. 29. November 1982 - II ZR 80/82, NJW 1983, 758 im Anschluû an die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts, z.B. RG JW 1911, 35 ff.; JW 1929, 2508 f.; JW 1931, 3089 ff.). § 252 BGB enthält für den Geschädigten eine § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung, wonach dieser nur die Umstände darzulegen und in den Grenzen des § 287 ZPO zu beweisen braucht, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falles die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt; da die Beweiserleichterung der §§ 252 BGB, 287 ZPO auch die Darlegungslast
derjenigen Partei, die Ersatz des entgangenen Gewinns verlangt, mindert, dürfen insoweit keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Den erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit für einen spekulativen anderweitigen Gewinn wird der Geschädigte zwar am ehesten in der Weise begründen, daû er seine Absichten zu Kauf und Verkauf dem Schuldner frühzeitig detailliert mitteilt; dadurch beugt er einerseits dem Risiko vor, daû seine erst im Nachhinein offenbarte Spekulationsabsicht als bloûe Erfindung ("Milchmädchenrechnung" ) abgetan wird, andererseits wirkt er auch der naheliegenden Einwendung des Schuldners entgegen, er, der Gläubiger, habe eine etwaige Warnpflicht nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB verletzt. Im vorliegenden Fall war indessen angesichts der als unstreitig festgestellten Spekulationsabsicht des Klägers und der tatsächlichen Umsetzung der Aktienanlage im Umfang seiner damaligen finanziellen Möglichkeiten der notwendige Grad von Wahrscheinlichkeit für einen spekulativen anderweitigen Gewinn im Falle rechtzeitiger Leistung der Beklagten auch ohne vorherige Mitteilung gegeben. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts plante nämlich der Kläger, die gesamten 275.058,00 DM aus beiden Versorgungszusagen bei fristgerechtem Eingang (20. Januar 1997) zusammen mit weiteren verfügbaren Geldmitteln zum Kauf von je 1.000 Stück Dr. Bank-Aktien und S.-Aktien zu verwenden. Ausweislich der vom Kläger vorgelegten und in Bezug genommenen - ebenfalls unstreitigen - Bestätigung seiner Hausbank offenbarte er dieser am 17. Januar 1997 den detaillierten Kaufwunsch und avisierte zugleich den erwarteten "gröûeren Zahlungseingang". Nachdem die von der Beklagten geschuldete Auszahlung der Versorgungszusagen zum kalendermäûig bestimmten Termin (§ 284 Abs. 2 BGB) unterblieben war, kaufte der Kläger mit den anderweitig verfügbaren Geldmitteln am 21. Januar 1997 100 Stück Dr. Bank-Aktien und am 25. Februar
1997 100 Stück S.-Vorzugsaktien zum jeweiligen Tageskurs. Unstreitig realisierte er durch den Verkauf der S.-Aktien bereits am 25. September 1997 einen Gewinn von 20.655,47 DM und durch den Verkauf der Dr. BankAktien am 9. Februar 1998 einen solchen von 2.881,41 DM. Diesem unstreitigen Kernsachverhalt etwa widersprechende Tatsachenfeststellungen lassen sich dem Berufungsurteil - entgegen der von der Beklagten in der Revisionsverhandlung geäuûerten Ansicht - nicht entnehmen; eine Tatbestandsberichtigung ist insoweit nicht beantragt worden. Im übrigen ist ohnehin eindeutig, daû es sich bei dem der Bank avisierten "erwarteten" Zahlungseingang um die von der Beklagten geschuldeten Auszahlungen beider Versorgungszusagen und nicht etwa - wie die Beklagte jetzt erstmals mutmaût - um schon früher anderweitig erhaltenes Geld handelt. Auf den zusätzlich vom Kläger angebotenen Zeugenbeweis kam es danach nicht mehr an.
2. Angesichts dessen lassen sich aus den sonstigen Erwägungen des Berufungsgerichts keine durchgreifenden Schlüssigkeitsbedenken gegen den vom Kläger erhobenen Anspruch auf Gewinnentgang im Hinblick auf die Ernsthaftigkeit der von ihm beabsichtigten Wertpapieranlage ableiten.

a) Der vom Oberlandesgericht errechnete Fehlbetrag von 3.557,00 DM stellt kein erhebliches Indiz für das Fehlen jeglicher Spekulationsabsicht des Klägers dar. Es handelt sich dabei - im Verhältnis zur Gesamtanlage - ersichtlich nur um einen vergleichsweise geringfügigen Spitzenbetrag, wie er bei Wertpapierkäufen in der beabsichtigten Gröûenordnung von 275.058,00 DM und einem "bestens" erteilten Kaufauftrag fast zwangsläufig als Zuviel- oder Zuwenigbetrag verbleibt, weil die Endabrechnung unter Berücksichtigung der Nebenkosten und insbesondere der schwankenden Tageskurse fast nie genau
den verfügbaren Anlagebetrag ausmacht. Zudem würde diese bloûe rechnerische Ungenauigkeit allenfalls zur Korrektur der vorgetragenen Anzahl von Aktien führen, ohne die Schlüssigkeit des Klägervortrags im übrigen in Frage zu stellen.

b) Soweit das Berufungsgericht meint, der "Abfindungsbetrag" sei dem Kläger bereits in Teilbeträgen ab Dezember 1996 gezahlt worden, handelt es sich ersichtlich um eine unscharfe Formulierung, mit der anderweitige Ausgleichszahlungen aus der Gesamtauseinandersetzung gemeint sind. An anderer Stelle geht das Oberlandesgericht selbst - insoweit zutreffend - davon aus, daû entgegen der Annahme des Landgerichts dem Kläger im Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgeltung aus den Versorgungszusagen kein sechsstelliger Betrag (anderweitig) zur Verfügung stand; vielmehr hat der Kläger detailliert - und von der Beklagten nicht substantiiert bestritten - vorgetragen, er habe seinerzeit lediglich den tatsächlich angelegten Geldbetrag erübrigen können. Auch das spätere Verhalten des Klägers nach teilweiser Beendigung des Verzugs - Nichtanlage des erst im November 1997 gezahlten rückständigen Teilbetrages aus der zweiten Versorgungszusage - läût einen durchgreifenden Rückschluû gegen die in anderem Zusammenhang festgestellte unstreitige ernsthafte Anlageabsicht bei Verzugsbeginn nicht zu.
3. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet ferner die Annahme des Berufungsgerichts, ein etwaiger Anspruch des Klägers auf entgangenen Gewinn sei gemäû § 254 Abs. 2 BGB sowohl wegen Verletzung einer Warnobliegenheit als auch wegen Unterlassung einer Kreditaufnahme zur Finanzierung der beabsichtigten Aktienanlage ausgeschlossen.

a) Allerdings ist der geplante Erwerb von Wertpapieren zu Spekulationszwecken im Zusammenhang mit der Geltendmachung entgangenen Gewinns früher generalisierend als typischer Anwendungsfall einer Warnobliegenheit des Gläubigers gegenüber dem Schuldner wegen Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens im Sinne des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB angesehen worden (RG JW aaO; vgl. auch die Nachweise bei Schimmel, WM 2000, 946, 950). Dem vermag der Senat in dieser Verallgemeinerung nicht zu folgen. Gerade im Bereich der Geld- und Wertpapieranlagen ist - zumal wegen der Vielgestaltigkeit der Anlageformen und des raschen Wandels der Anschauungen - in diesem Zusammenhang der Begriff des ungewöhnlich hohen Schadens im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB relativ. Bereits im Jahre 1965 ist zutreffend darauf hingewiesen worden, daû die alte reichsgerichtliche Rechtsprechung im wesentlichen überholt sei, weil vorausgesetzt werden könne, daû jeder Gläubiger weiû, daû die Anlage einkommenden Geldes so schnell und so günstig wie möglich erfolgen sollte; der Schuldner müsse voraussetzen, daû der Gläubiger wie ein vernünftiger Geschäftsmann handelt, der immer die beste Gelegenheit wahrnimmt , die sich aus der Anlagemöglichkeit bereiten Geldes ergibt (Meyer, NJW 1965, 1419). Dem ist auch nach heutigen Maûstäben jedenfalls für den Bereich einer - hier vorliegenden - Aktienanlage in Standardwerten nicht zuletzt deshalb zuzustimmen, weil seit geraumer Zeit immer mehr Menschen derartige Aktien als Kapitalanlage halten und deshalb der damit möglicherweise verbundene Gewinn oder Verlust in der Regel nicht mehrals u n g e w ö h n l i c h hoch angesehen wird (vgl. z.B. den Begriff der sogenannten Volksaktien). Insbesondere im Geschäftsverkehr unter Kaufleuten muû der Schuldner - zumal wenn es sich um eine Kapitalgesellschaft handelt - bei Verzug mit einer Geldschuld erheblicher Gröûenordnung schon im Regelfall damit rechnen, daû der Gläubiger entgangenen Gewinn geltend macht; dabei ist auch ein Gewinnent-
gang aus verzugsbedingt unterlassener Anlage in Standardaktien in Betracht zu ziehen. Mit einer solchen Möglichkeit muûte hier auch die Beklagte ohne "Vorwarnung" rechnen, zumal da es sich bei der geschuldeten Leistung um Abgeltungsbeträge aus Versorgungszusagen handelte, die entsprechend ihrer Zweckbestimmung heutzutage üblicherweise kurz-, mittel- oder langfristig möglichst gewinnbringend auch in Standardaktien angelegt werden. Daû auch Standardwerte aus dem sogenannten Dax-30 (z.B. S.-Aktien, früher auch Dr. BankAktien ) sich zeitweise volatil entwickeln können, ist nicht als so ungewöhnlich zu erachten, daû daran regelmäûig eine Hinweispflicht im Sinne von § 254 Abs. 2 BGB anknüpfen würde. Konkrete Umstände in dieser Richtung hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
Angesichts dessen kommt es nicht darauf an, daû es eines Hinweises auf die drohende Höhe des Schadens ohnehin dann nicht bedarf, wenn der Schuldner - wie hier die Beklagte hinsichtlich des Teilbetrages von 139.723,00 DM - im Rechtsstreit seine Verpflichtung bestreitet (vgl. dazu Sen.Urt. v. 20. Oktober 1955 - II ZR 196/54, DB 1956, 110); hinzu kommt, daû auch hinsichtlich des weiteren, erst nach geraumer Zeit des Verzuges gezahlten Betrages eine etwaige Warnung des Klägers nach § 254 Abs. 2 BGB höchstwahrscheinlich unbeachtet geblieben wäre, weil die Beklagte oder der hinter ihr stehende neue Alleingesellschafter D. L. angesichts der vielfältigen sonstigen beträchtlichen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Kläger zu einer früheren Leistung jenes geschuldeten Betrages auûerstande war.

b) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet ferner die Annahme des Berufungsgerichts, den Kläger treffe ein seinen Schadensersatzanspruch ausschlieûendes Mitverschulden wegen unterlassener eigener Kreditaufnahme. Der Geschädigte ist schon grundsätzlich nicht verpflichtet, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder gar Kredit zur Schadensbehebung aufzunehmen (vgl. BGH, Urteil v. 26. Mai 1988 - III ZR 42/87, NJW 1989, 290, 291 m.N.); allenfalls könnte ausnahmsweise eine solche Pflicht dann bejaht werden, wenn der Geschädigte sich den Kredit ohne Schwierigkeiten beschaffen kann und er durch die Rückzahlung nicht über seine wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus belastet wird (vgl. MünchKomm. BGB/Oetker, 4. Aufl. § 254 Rdn. 97, 99 m.w.N.). Für die Zumutbarkeit einer derartigen Aufnahme eines Spekulationskredits fehlen hinreichende Anhaltspunkte, zumal die Beklagte konkret dazu nichts vorgetragen hat. Der bloûe Hinweis des Berufungsgerichts auf die Regelung anderweitiger Zahlungsansprüche des Klägers in einer Auseinandersetzungsvereinbarung zwischen den Gesellschaftern ist unbehelflich, weil daraus nicht einmal ersichtlich ist, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang weitere Zahlungen zu welchen Zeitpunkten seitens des Mitgesellschafters erfolgt sind. Die Tilgungsstreckung sowie die Aufnahme von Vertragszinsen in die Vereinbarung lassen vielmehr erkennen, daû der Mitgesellschafter nicht ohne weiteres zur Tilgung der gesamten Schuld in der Lage war, wie auch dem Vorbringen der Beklagten zu entnehmen ist, L. habe seine Schulden "Stück für Stück abarbeiten" müssen. Vor allem ist aber von der insoweit darlegungs - und beweispflichtigen Beklagten nicht vorgetragen worden, daû solche theoretischen Ansprüche als Grundlage für eine Kreditbesicherung geeignet gewesen und insbesondere von der Hausbank des Klägers oder sonstigen Kreditinstituten akzeptiert worden wären; das gilt insbesondere deshalb, weil
hier die Schuldnerin offenbar im Fälligkeitszeitpunkt nicht einmal zur Zahlung der 275.058,00 DM in der Lage war.
4. Das Berufungsurteil läût sich auch nicht (teilweise) gemäû § 563 a.F. ZPO deshalb aufrecht erhalten, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der Verzug der Beklagten mit der Verbindlichkeit aus der zweiten Versorgungszusage in Höhe von 135.335,00 DM mit der Zahlung am 14. November 1997 beendet war und es danach für die Berechnung des entgangenen Gewinns aus diesem Teil der Primärverbindlichkeit grundsätzlich auf diesen Zeitpunkt ihrer Erfüllung ankommt (zur Maûgeblichkeit dieses Zeitpunkts : vgl. BGHZ 29, 393, 398; 79, 258). Demzufolge ist regelmäûig darauf abzustellen, welchen Vermögenszuwachs der Gläubiger bei Verzugsende wirklich erwirtschaftet haben würde. Freilich fielen hier nach dem Klägervortrag die Endzeitpunkte seiner beiden hypothetischen Spekulationen nicht mit der teilweisen Verzugsbeendigung zusammen. Soweit die Schadensentwicklung hinsichtlich der Spekulation mit S.-Aktien schon vor dem Verzugsende endgültig abgeschlossen war, ist auf jenen früheren Zeitpunkt während des Verzuges abzustellen. Liegt der Zeitpunkt der hypothetischen Gewinnrealisierung - wie bezüglich der Dr. Bank-Aktien in Betracht kommt - nach dem Verzugsende, so erscheint es nicht sachgerecht, dem Gläubiger von vornherein jeglichen Gewinnentgang nur deshalb abzuerkennen, weil er den hypothetischen Gewinn zum Verzugsende nach dem vorgetragenen Verlauf nicht "glattgestellt" hat, sondern entsprechend seiner von vornherein gefaûten Absicht die Spekulation über den nicht vorhersehbaren Zeitpunkt der Erfüllung des Schuldners hinaus fortgeführt hätte (z.B. um eine etwaige "Spekulationsfrist" nach § 23 EStG einzuhalten ). Andererseits darf das Risiko von Kursveränderungen nach Ver-
zugsende nicht einseitig dem Schuldner angelastet werden. Ist der Aktienkurs im Zeitpunkt der hypothetischen Gewinnrealisierung niedriger als bei Verzugsende , so muû sich der Gläubiger nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) jedenfalls an dem von ihm selbst vorgetragenen niedrigeren Wert festhalten lassen. Ist der Kurs bei Ende der Spekulation hingegen höher, so muû sich der Gläubiger gemäû §§ 242, 254 BGB schadensmindernd anrechnen lassen, daû er die Primärleistung des Schuldners in Abweichung von der vorgetragenen Schadenshypothese tatsächlich bereits vor diesem Zeitpunkt "zusätzlich" erhalten hat. Er muû sich dann so behandeln lassen, als hätte er den erhaltenen Betrag der Primärschuld nach Art eines Deckungsgeschäfts vom Verzugsende bis zum hypothetischen Ende der Spekulation in derselben Anlageform angelegt und die entsprechende Kursdifferenz realisiert; diesen Betrag muû er bei der Schadensberechnung im Wege der Schadensminderung zugunsten des Schuldners - gegebenenfalls abzüglich einer fiktiv anfallenden Spekulationssteuer - absetzen. Eine solche Situation kann hier vorliegen, soweit der Kläger die verzugsbedingt unterlassene Spekulation in Dr. Bank-Aktien mit Mitteln aus der zweiten Versorgungszusage über 135.335,00 DM bestritten hätte. Hierzu hat das Berufungsgericht bislang - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen. Damit kann das angefochtene Urteil, soweit hinsichtlich des entgangenen Gewinns zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist, auch nicht teilweise aufrechterhalten werden.
III. Ob und gegebenenfalls inwieweit der Senat zugleich mit der bezüglich des entgangenen Gewinns gebotenen Aufhebung des Berufungsurteils in der Sache selbst zugunsten des Klägers entscheiden kann oder eine Zurückverweisung geboten ist, hängt wesentlich von der hinreichenden Bestimmtheit
der vorliegenden Teilklage ab. Der Kläger hat nämlich in den Tatsacheninstanzen den eingeklagten Teilbetrag von 60.277,00 DM aus dem gesamten von ihm beanspruchten entgangenen Gewinn in Höhe von 211.831,99 DM nur unvollkommen dahin aufgegliedert, daû er 50 % der beiden Schadenspositionen mit der Maûgabe beanspruche, daû von der Schadensposition "entgangener Gewinn Dr. Bank-Aktien" die Hälfte, nämlich 12.966,35 DM, und von der anderen Position "entgangener Gewinn S.-Vorzugsaktien" die weiteren 47.310,65 DM geltend gemacht werden. Damit ist indessen der gemäû § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu fordernden Bestimmtheit des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs nicht hinreichend Rechnung getragen, weil insbesondere nicht erkennbar wird, worüber im Falle des Zusprechens oder der Abweisung der Klage rechtskräftig erkannt sein könnte. Es ist nämlich nicht ohne weiteres ersichtlich, aus welchem Teil der zugrundeliegenden Primärforderungen aus den beiden Versorgungszusagen der im vorliegenden Rechtsstreit durch Teilklage geltend gemachte entgangene anteilige Gewinn abgeleitet wird; die Unterscheidung ist zumindest deshalb bedeutsam, weil - wie dargelegt - die Schadensberechnung bezüglich der zweiten Versorgungszusage wegen fehlender Feststellungen zu dem bedeutsamen Tageskurs der Dr. Bank-Aktien bei Verzugsende noch nicht vollständig möglich ist und insoweit eine Endentscheidung nicht in Betracht kommt. Dem Gesamtzusammenhang des bisherigen Vorbringens des Klägers, insbesondere seiner erklärten Absicht, möglichst jeweils 50 % der in Betracht kommenden Schadenspositionen jeweils zur Entscheidung des Gerichts zu stellen, damit durch die Teilklage abschlieûend die Berechtigung des restlichen Teils seiner Ansprüche geklärt werden kann, entnimmt der Senat, daû die eingeklagten Teilbeträge aus den beiden verschiedenen Aktienanlagen jeweils hälftig aus den Primärforderungen der ersten und zweiten Versorgungszusage hergeleitet werden: Damit bezieht sich der geltend
gemachte entgangene Gewinn aus Dr. Bank-Aktien in Höhe von 12.966,35 DM auf jeweils 12.075,30 DM Kapitalaufwand aus den beiden Versorgungszusagen , der entgangene Gewinn aus S.-Vorzugsaktien von 47.310,65 DM anteilig auf je 29.307,05 DM Kapitalaufwand beider Zusagen. Diese hälftige Verteilung hat der Kläger in der Revisionsverhandlung vor dem Senat - was in dieser Instanz zulässig ist (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 1953 - III ZR 66/52, NJW 1954, 757 m.w.N.) - unwidersprochen klargestellt.
IV. Ausgehend von der vorstehenden anteiligen Zuordnung des mit der Teilklage geltend gemachten entgangenen Gewinns kann der Senat unter Aufhebung des angefochtenen Urteils wie folgt entscheiden:
1. In Höhe von insgesamt 53.793,83 DM ist auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen die Sache endentscheidungsreif und die Klage zuzusprechen (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 a.F. ZPO).

a) Bezüglich des geltend gemachten entgangenen Gewinns von 47.310,65 DM aus der verzugsbedingt unterlassenen Anlage von 229 S.Aktien (basierend auf einem Kapitalaufwand von jeweils 29.307,05 DM aus den beiden Versorgungszusagen) ist die Klage aus §§ 286 a.F., 284 a.F., 249, 252 BGB begründet. Da der maûgebliche Verkauf dieser Aktien am 25. September 1997 stattgefunden und damit in jedem Falle vor Beendigung des Verzuges im Hinblick auf die beiden zugrundeliegenden Versorgungszusagen gelegen hätte , ist dieser frühere Zeitpunkt für die Schadensberechnung allein maûgeblich.

b) Hinsichtlich des entgangenen Gewinns aus dem Aktiengeschäft mit Dr. Bank-Aktien ist die Klage nur zur Hälfte, nämlich in Höhe von
6.483,18 DM, endentscheidungsreif. Nur soweit das zugrundeliegende Anlagekapital in Höhe von 12.075,30 DM aus der ersten Versorgungszusage über 139.723,00 DM stammt, erweist sich die Berechnung des Klägers auf der Grundlage eines Verkaufszeitpunkts vom 9. Februar 1998 als zutreffend, weil der Verzug mit dieser - rechtshängig gewordenen - Primärforderung über jenen Zeitpunkt hinaus andauerte.
2. Wegen der zweiten Hälfte des entgangenen Gewinns von 6.483,17 DM aus Dr. Bank-Aktien, die auf einem Kapitalaufwand von 12.075,30 DM aus der zweiten Versorgungszusage basiert, besteht hingegen keine Endentscheidungsreife, weil bislang die erforderlichen Feststellungen zum Aktienkurs bei Verzugsende fehlen. Damit dies nachgeholt werden kann, ist die Sache insoweit an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.
B. Zinsanspruch
Hinsichtlich des Zinsanspruchs des Klägers aus dem zuerkannten Betrag von 139.723,00 DM hat das Berufungsgericht mit Recht das Landgerichtsurteil abgeändert und den Anspruch entsprechend dem erstinstanzlichen Antrag des Klägers auf die Zeit ab dem 10. Februar 1998 begrenzt. Die weitergehende Entscheidung des Landgerichts beruhte auf einem Verstoû gegen § 308 ZPO. Eine Antragserweiterung hat der Kläger zweitinstanzlich nicht vorgenommen ; eine solche läût sich auch nicht dem allgemeinen Antrag auf Zurückweisung der Anschluûberufung der Beklagten entnehmen. Abgesehen davon könnte der Kläger für den betreffenden Zeitraum ohnehin nicht Zinsen - auch nicht im Sinne eines Mindestschadens - zusätzlich zum entgangenen Gewinn beanspruchen.

Röhricht Henze Goette
Kurzwelly Münke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 134/04 Verkündet am:
26. Juli 2005
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Grundsatz, daß sich der Tatrichter seiner Aufgabe, eine Schadensermittlung
vorzunehmen, nicht vorschnell unter Hinweis auf die Unsicherheit möglicher
Prognosen entziehen darf (BGH, Urt. v. 17.2.1998 - VI ZR 342/96, NJW
1998, 1633), gilt auch im Bereich der Vertragshaftung.
BGH, Urt. v. 26.7.2005 - X ZR 134/04 - OLG München
LG München I
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. Juli 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die
Richter Scharen, Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und den Richter
Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 3. Februar 1999 verkündete Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 1.150.000,- DM (entsprechend 587.985,66 EUR) nebst Zinsen abgewiesen worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin und die während des Verfahrens insolvent gewordene M. A. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) schlossen im Jahr 1989 eine Vereinbarung über die Produktion, Nachentwicklung und den Vertrieb eines von der Klägerin entwickelten, als "Mi. " bezeichneten Analy-
segeräts, das in einer isokratischen und einer binären Version hergestellt werden sollte. In der Vereinbarung war festgelegt, daß die Schuldnerin, die zum B. gehörte, zunächst fünf Geräte einer Nullserie, und zwar drei in der isokratischen und zwei in der binären Version, herstellen sollte. Die Klägerin rief diese Geräte im Juli 1989 ab. Die Schuldnerin lieferte im Frühjahr 1990 die drei Geräte in der isokratischen Version aus, von denen die Klägerin eines bezahlte. Die Herstellung der binären Geräte bereitete der Schuldnerin Schwierigkeiten. Die Schuldnerin entschloß sich deshalb, die Zusammenarbeit zu beenden , und kündigte nach einem Gespräch mit dem Geschäftsführer der Klägerin den Vertrag fristgemäß zum 30. Juni 1991. Die Klägerin und die Schuldnerin einigten sich darauf, die noch nicht erledigten Bestellungen in eine solche über zwei isokratische Geräte abzuändern, die seitens der Schuldnerin auch bereitgestellt, aber von der Klägerin nicht mehr abgerufen wurden. Die Schuldnerin führte die Bemühungen wegen der binären Version nicht weiter; die Klägerin tätigte keine weiteren Bestellungen.
Die Klägerin machte gegen die Schuldnerin einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.150.000,- DM nebst Zinsen mit der Behauptung geltend, ihr sei bis zum 30. Juni 1991 ein Gewinn aus der Vermarktung der Geräte in dieser Höhe entgangen. Außerdem stritten die Klägerin und die Schuldnerin über die Vergütung für die drei ausgelieferten Geräte; insoweit ist das Verfahren nach Ablehnung der Annahme der Revision der Klägerin abgeschlossen. Das Landgericht hat dem Schadensersatzanspruch zunächst durch Teil- und Grundurteil zur Hälfte stattgegeben. Nach Aufhebung und Zurückverweisung durch das Oberlandesgericht hat es der Klage wiederum teilweise entsprochen. Im Berufungsverfahren hat das Oberlandesgericht die Klage insgesamt abgewiesen und einer Widerklage der Schuldnerin im wesentlichen stattgegeben. Der Senat hat die Revision der Klägerin nur insoweit angenommen, als die Klage in Höhe von 1.150.000,- DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist. In diesem Umfang hat die Klägerin ihr Begehren zunächst weiterverfolgt. Wäh-
rend des Revisionsverfahrens ist über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die Klägerin hat den Rechtsstreit gegen den Insolvenzverwalter aufgenommen und beantragt nunmehr, zur Insolvenztabelle festzustellen, daß der Klägerin eine Insolvenzforderung in Höhe von 587.985,66 EUR nebst bezifferter Zinsen zusteht. Der Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision führt im Umfang der Annahme zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht , dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen ist.
I. Das Berufungsgericht hat Schadensersatzansprüche der Klägerin wegen Pflichtverletzungen hinsichtlich der isokratischen Analysegeräte durch die Schuldnerin verneint. Die Revision rügt, daß das Berufungsgericht insoweit einen möglichen Interessewegfall bei der Klägerin auch im Hinblick auf diese Geräte nicht berücksichtigt habe. Das Berufungsgericht wird im wiedereröffneten Berufungsrechtszug die Möglichkeit haben, sich mit diesem Gesichtspunkt näher zu befassen.
II. Nicht beigetreten werden kann dem Berufungsgericht im Ergebnis in seiner Verneinung von Schadensersatzansprüchen auch hinsichtlich der binären Geräte.
1. Das Berufungsgericht hat insoweit eine schuldhafte Pflichtverletzung durch die Schuldnerin jedenfalls im Ergebnis zutreffend bejaht.

a) Insoweit ergibt sich aus den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen , daß die Schuldnerin dadurch in Verzug geraten ist, daß sie die für die Herstellung dieser Version erforderlichen Leistungen nicht erbracht hat. Allerdings fehlt es an einer nach § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. grundsätzlich notwendigen Ablehnungsandrohung. Jedoch war diese dann nicht erforderlich, wenn bezüglich des binären Geräts eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung vorlag. Nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Verhalten der Schuldnerin (Stornierung der Bestellung neuer Pumpen und Abbruch der Weiterentwicklung des binären Geräts sowie Schreiben vom 13. September 1990) ist jedenfalls für das Revisionsverfahren von einer endgültigen und ernsthaften Erfüllungsverweigerung auszugehen.

b) Die Klägerin kann, soweit sich nach erneuter Prüfung kein Interessewegfall hinsichtlich der isokratischen Geräte ergeben sollte, allerdings nur Schadensersatz wegen des nicht erfüllten Teils verlangen (§ 326 Abs. 1 Satz 3 BGB i.V.m. § 325 Abs. 1 Satz 2 BGB, jeweils in der vor dem 1.1.2002 geltenden Fassung - nachfolgend: a.F. -; Art. 229 Abs. 5 EGBGB).

c) Soweit das Berufungsgericht mangelnde Vertragstreue und Mitverschulden der Klägerin verneint hat, treten Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin nicht hervor.
2. Das Berufungsgericht hat gleichwohl Schadensersatzansprüche der Klägerin im Ergebnis daran scheitern lassen, daß diese einen Schaden nicht nachgewiesen habe. Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Das Berufungsgericht hat sich dabei darauf gestützt, daß es die hierzu gehörte Sachverständige für unmöglich gehalten habe, hierüber eine Aussage zu treffen. Nach ihren Bekundungen habe zwar ein Gewinn, aber glei-
chermaßen auch ein Verlust entstehen können, da derartige Geräte noch niemals gebaut worden seien.

b) Das Berufungsgericht hat es für möglich gehalten, daß das binäre Gerät bis zum 30. Juni 1996 habe fertiggestellt werden können. Hiervon ist auch im Revisionsverfahren zugunsten der Klägerin auszugehen. Damit kommt, nachdem die Schuldnerin hierzu auch verpflichtet war, ein Schaden, der einen Schadensersatzanspruch begründen konnte, grundsätzlich in Betracht.

c) Für die Schadensfeststellung gilt nach § 252 Satz 2 1. Alt. BGB derjenige Gewinn als entgangen, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Zweck der Bestimmung ist es, dem Geschädigten den Beweis zu erleichtern (vgl. BGHZ 74, 221, 224 m.w.N.; BGHZ 100, 36, 49). Ist ersichtlich, daß der Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder den besonderen Umständen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte, dann wird vermutet, daß er gemacht worden wäre. Volle Gewißheit, daß der Gewinn gezogen worden wäre, ist nicht erforderlich (vgl. BGHZ 29, 393, 398; BGHZ 100, 36, 50; BGH, Urt. v. 2.5.2002 - III ZR 100/01, NJW 2002, 2556 = BGHR BGB § 252 Kapitalanlage 1). Insoweit dürfen an das Vorbringen eines selbständigen Unternehmers, ihm seien erwartete Gewinne entgangen, wegen der damit regelmäßig verbundenen Schwierigkeiten keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden (BGH, Urt. v. 9.4.1992 - IX ZR 104/91, NJW-RR 1992, 997, 998 = BGHR ZPO § 287 Abs. 1 Gewinnentgang

6).


Die Klägerin hat einen Gewinnentgang dahin substantiiert, daß sie nach einem von ihr mit der Schuldnerin erstellten Absatzplan 60 Geräte, und zwar je 30 beider Versionen, davon 17 Geräte fix, mit einem Gewinn von jeweils mindestens 26.800 DM hätte absetzen können. Damit hat sie Ausgangs- und Anknüpfungstatsachen für eine Wahrscheinlichkeitsprognose nach § 252 BGB
und eine daran anknüpfende Schadensschätzung nach § 287 ZPO dargelegt. Auf dieser Grundlage konnte - wie das Berufungsgericht dies auch versucht hat - Beweis erhoben werden. Die erstinstanzlich gehörte Sachverständige hat sich dazu dahin geäußert, daß sowohl ein höherer Gewinn als 30.000 DM in Betracht komme als auch ein Verlust.
Das Berufungsgericht durfte nach § 252 Satz 2 BGB einen Schadensersatzanspruch nur dann verneinen, wenn ein Schadenseintritt nicht mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten war. Eine entsprechende Gewinnerwartung bestand jedenfalls hinsichtlich der isokratischen Geräte und führte insoweit jedenfalls dann zu einem Schaden, wenn sich, was noch zu klären ist, die Klägerin insoweit auf Interessewegfall berufen kann. Aber auch hinsichtlich der binären Geräte kann mit der Argumentation des Berufungsgerichts ein Schaden nicht verneint werden. Jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem es um die Markteinführung eines neu entwickelten Geräts geht, ist die Wahrscheinlichkeitsprognose notwendig unsicher; eine Differenzierung zwischen "gewisser" oder "überwiegender" Wahrscheinlichkeit führt hier nicht ohne weiteres weiter. Dieser Schwierigkeit muß auch im Bereich der Vertragshaftung nach den gleichen Grundsätzen Rechnung getragen werden, wie sie der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs für Ansprüche aus unerlaubter Handlung entwickelt hat (BGH, Urt. v. 17.2.1998 - VI ZR 342/96, NJW 1998, 1633, 1634; vgl. BGH, Urt. v. 3.3.1998 - VI ZR 385/96, NJW 1998, 1634, 1636 = BGHR BGB § 842 Selbständige 1; v. 20.4.1999 - VI ZR 65/98, VersR 2000, 233; v. 6.2.2001 - VI ZR 339/99, NJW 2001, 1640, 1641 = BGHR BGB § 252 Satz 2 Verdienstausfall 8). Demnach darf sich der Tatrichter seiner Aufgabe, auf der Grundlage der §§ 252 BGB und 287 ZPO eine Schadensermittlung vorzunehmen , nicht vorschnell unter Hinweis auf die Unsicherheit möglicher Prognosen entziehen. Wird dem Geschädigten durch vertragswidriges Verhalten des Schädigers die Möglichkeit genommen oder beschränkt, sein neues Produkt auf den Markt zu bringen, darf der Wahrscheinlichkeitsnachweis nicht schon
deshalb als nicht geführt angesehen werden, weil sich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit nicht feststellen läßt. Vielmehr liegt es im Bereich der Vertragshaftung in einem solchen Fall nahe, nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge von einem angemessenen Erfolg des Geschädigten beim Vertrieb auszugehen und auf dieser Grundlage die Prognose hinsichtlich des entgangenen Gewinns und des infolgedessen entstandenen Schadens anzustellen, wobei auch ein Risikoabschlag in Betracht kommen mag.

d) Den sich hieraus ergebenden Anforderungen an die zu treffende Prognoseentscheidung ist das Berufungsgericht nicht gerecht geworden. Es hat sich von Rechtsirrtum beeinflußt die Bekundung der Sachverständigen zu eigen gemacht, eine Voraussage des wirtschaftlichen Erfolgs sei letztlich nicht möglich. Es hat damit versäumt, aus den tatsächlichen Grundlagen, von denen es ausgegangen ist, die nach § 252 BGB erforderlichen Schlüsse zu ziehen und die demnach auf der Grundlage des § 287 ZPO zumindest gebotene Schätzung eines Mindestschadens (vgl. u.a. Sen.Urt. v. 1.2.2000 - X ZR 222/98, NJW-RR 2000, 1340, 1341) selbst vorzunehmen.
III. Bei der erneuten Verhandlung wird das Berufungsgericht zunächst zu prüfen haben, ob hinsichtlich der isokratischen Geräte ein Interessewegfall bei der Klägerin eingetreten ist. Es wird weiter unter Berücksichtigung der Beweiserleichterungen , die sich aus den §§ 252 BGB, 287 ZPO ergeben, die Höhe des entgangenen Gewinns festzustellen haben.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Mühlens Kirchhoff
2
1. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt, weil es überspannte Anforderungen an den Vortrag der Beklagten zu dem Gewinn gestellt hat, der ihr dadurch entgangen ist, dass die Klägerin ihr die Mieträume ab 6. Januar 2007 nicht in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand überlassen hat. Dadurch hat das Berufungsgericht den Parteivortrag der Beklagten nicht in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise zur Kenntnis genommen und sich mit ihm auseinandergesetzt (vgl. Senatsbeschluss vom 31. August 2005 - XII ZR 63/03 - NJW-RR 2005, 1603; BGH Beschluss vom 22. Juni 2009 - II ZR 143/08 - NJW 2009, 2598 Rn. 2 mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
II ZR 354/99 Verkündet am:
14. Januar 2002
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 812 Abs. 1 Satz 2, 2. Altern., 818 Abs. 2
Die Erfüllbarkeit des Bereicherungsanspruchs auf Herausgabe eines bereits in
das Unternehmen des Bereicherungsschuldners eingegliederten Kundenstammes
ist in der Regel nicht allein vom Willen und der Rechtsmacht des Schuldners
, sondern vornehmlich davon abhängig, daß die Kunden den Wechsel vom
Bereicherungsschuldner zum Gläubiger mit vollziehen; sind diese nicht dazu
bereit, so ist der Bereicherungsschuldner zur Herausgabe außerstande mit der
Folge, daß er nach § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz schuldet (vgl. BGH, Urt. v.
13. November 1990 - KZR 2/89, MDR 1991, 617 f.).
Zur Substantiierung der für die Bewertung eines Kundenstammes erforderlichen
Anknüpfungstatsachen.
BGH, Urt. v. 14. Januar 2002 - II ZR 354/99 - OLG Hamm
LG Münster
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. h.c. Röhricht und die Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Goette,
Dr. Kurzwelly und die Richterin Münke

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. Oktober 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die erweiterte Klage in Höhe von 100.000,00 DM (Ersatz für den Kundenstamm) abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger betrieb zunächst in der Rechtsform einer Einmann-GmbH und später - im Anschluû an eine mangels Masse abgelehnte Konkurseröff-
nung über deren Vermögen - als Einzelkaufmann einen Zierfischhandel. Die Beklagte, deren Geschäftsführer der Bruder des Klägers ist, betrieb und betreibt weiterhin ebenfalls einen Handel mit Zierfischen. Im Januar 1995 kamen die Parteien auf Empfehlung der Industrie- und Handelskammer überein, ihre geschäftlichen Aktivitäten zusammenzulegen. Danach sollte der Kläger sein Unternehmen in die Beklagte einbringen und im Gegenzug Geschäftsanteile an ihr erwerben sowie zu einem ihrer Geschäftsführer bestellt werden. Zur Umsetzung der mündlichen Absprachen, die notariell beurkundet werden sollten, stellte der Kläger ab Mitte Januar 1995 der Beklagten den Warenbestand sowie eine Liste mit Adressen von Kunden aus dem von ihm vornehmlich betriebenen Versandhandel mit Zierfischen und Zubehör zur Verfügung; auûerdem wurden die auf dem Betriebsgelände des Klägers liegenden Wasserbecken, in denen Fische gehalten wurden, von der Beklagten mitbenutzt. Die Beklagte beschäftigte den Kläger im Rahmen eines Dienstvertrages gegen Gehaltszahlung , wobei sein Aufgabenbereich dem eines Geschäftsführers entsprach. Diese der Vorbereitung des dauerhaften Eintritts des Klägers in die Beklagte dienende Zusammenarbeit endete am 31. Oktober 1995, weil letztlich eine notarielle Vereinbarung wegen Differenzen über den Umfang der Beteiligung des Klägers und seine künftige Tätigkeit in der Geschäftsführung der Beklagten nicht zustande kam. Mit der Klage hat der Kläger erstinstanzlich Bereicherungsansprüche in Höhe von 50.491,95 DM wegen der von ihm im Zuge der Kooperation aus seinen Beständen zugunsten der Beklagten eingebrachten Fische, Pflanzen oder sonstigen Gegenstände geltend gemacht; für eine auûerdem beabsichtigte Klage auf Auskunftserteilung hinsichtlich des Umfangs der Nutzung des von ihm eingebrachten Kundenstammes durch die Beklagte ist ihm Prozeûkostenhilfe verweigert worden. Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, Bereicherungsansprüche des Klägers hätten
zwar in Höhe von 19.500,00 DM bestanden, seien aber durch zur Aufrechnung gestellte Gegenansprüche der Beklagten in gleicher Höhe erloschen. Mit der Berufung hat der Kläger seine Bereicherungsansprüche wegen der eingebrachten Fische, Pflanzen und sonstigen Gegenstände im - erweiterten - Umfang von 54.915,45 DM weiterverfolgt und auûerdem Ersatz des Wertes des eingebrachten Kundenstammes gemäû überlassener Kundenliste in Höhe von 100.000,00 DM begehrt.
Das Oberlandesgericht hat unter Berücksichtigung eines Bereicherungsanspruchs des Klägers von 19.500,00 DM für eingebrachtes Material und von Gegenansprüchen der Beklagten im Umfang von 9.858,82 DM der Klage in Höhe von 9.641,18 DM stattgegeben; im übrigen hat es die Klage - insbesondere in vollem Umfang hinsichtlich des für den Kundenstamm begehrten Wertersatzes - abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt der Kläger - nachdem sein darüber hinausgehendes Prozeûkostenhilfegesuch zurückgewiesen worden ist - nur noch den Bereicherungsanspruch auf Wertersatz für den überlassenen Kundenstamm in Höhe von 100.000,00 DM weiter.

Entscheidungsgründe:


A. Da die Beklagte im Verhandlungstermin trotz dessen rechtzeitiger Bekanntgabe nicht vertreten war, ist über die Revision des Klägers durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO). Das Urteil beruht jedoch in-
haltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 82).
B. Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Oberlandesgericht ist der Ansicht, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Wertersatz wegen der der Beklagten zur Verfügung gestellten Kundenliste nicht zu. Zwar komme im Ansatz auch bezüglich des Kundenstammes ein Bereicherungsanspruch wegen Nichteintritts des mit der Leistung bezweckten Erfolges im Hinblick auf das Scheitern der Beteiligung des Klägers an der Beklagten und der damit verbundenen Zusammenlegung der beiden Zierfischbetriebe gemäû § 812 Abs. 1 Satz 2, 2. Variante BGB in Betracht. Ein derartiger Anspruch sei jedoch in erster Linie auf Herausgabe der Kundenliste und Unterlassung des Abschlusses von Geschäften mit diesen Kunden gerichtet. Selbst wenn insoweit von einer Unmöglichkeit der Herausgabe des Erlangten auszugehen sei, sei die Beklagte nicht zum Wertersatz verpflichtet. Ein objektiv meûbarer Verkehrswert komme der Kundenliste nicht zu, da diese von einem insolvent gewordenen Unternehmen stamme, dessen Konkurs wegen Massearmut abgelehnt worden sei. Auf die etwa von der Beklagten in der Zeit von Januar bis Oktober 1995 oder vom Kläger davor mit den betreffenden Kunden erzielten Umsätze komme es in diesem Zusammenhang nicht an. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
II. Das Berufungsgericht hat bei der Abweisung des vom Kläger geltend gemachten bereicherungsrechtlichen Wertersatzanspruchs wegen Nichteintritts des bezweckten Erfolges hinsichtlich des Kundenstammes rechtsfehlerhaft die
mit der Rückabwicklung der Einbringung jenes Kundenstammes in das Unternehmen der Beklagten verbundenen tatsächlichen und rechtlichen Besonderheiten übersehen und zudem erhebliches, unter Beweis gestelltes Vorbringen des Klägers auûer Betracht gelassen (§ 286 ZPO).
1. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet bereits die Annahme des Berufungsgerichts, der Wertersatzanspruch wegen Zweckverfehlung scheide schon im Ansatz aus, weil der Beklagten die primär von ihr nach § 812 Abs. 1 Satz 2, 2. Variante BGB geschuldete Herausgabe des Kundenstammes nicht unmöglich geworden, sondern im Wege der Herausgabe der Kundenliste unter gleichzeitiger Verpflichtung zur Nichtbelieferung der darin aufgeführten Kunden zu erfüllen sei. Zwar gilt auch für die bereicherungsrechtliche Rückgängigmachung der Einbringung eines Kundenstammes, daû der Anspruch nach § 812 Abs. 1 BGB (in allen Varianten) in erster Linie auf Herausgabe des Erlangten selbst gerichtet und daû demgegenüber der Wertersatzanspruch nach § 818 Abs. 2 BGB subsidiär ist (vgl. dazu: BGH, Urt. v. 7. Oktober 1994 - V ZR 4/94, NJW 1995, 53, 55). Tatsächlich ist indessen die Erfüllbarkeit des primären Anspruchs auf Herausgabe des bereits in das Unternehmen des Bereicherungsschuldners eingegliederten Kundenstammes nicht allein vom Willen und der Rechtsmacht des Schuldners, sondern vornehmlich davon abhängig , daû die Kunden den Wechsel vom Bereicherungsschuldner zum Gläubiger mit vollziehen; fehlt es an der in ihrem freien Willen liegenden - hier nicht festgestellten - Bereitschaft der Kunden zur Rückkehr zum Gläubiger, so ist der Bereicherungsschuldner zur Herausgabe auûerstande mit der Folge, daû er nach § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz schuldet (vgl. BGH, Urt. v. 13. November 1990 - KZR 2/89, MDR 1991, 617, 618). Durch die bloûe Rückgabe der Kundenliste (die sich ohnehin in Kopie im Besitz des Klägers befindet) kann daher
die Beklagte ihre primäre Verbindlichkeit zur Rückübertragung des Kundenstammes an den Kläger ebensowenig erfüllen wie durch die - zusätzliche - Verpflichtung lediglich zur Unterlassung weiterer Geschäftsabschlüsse mit jenen Kunden. Abgesehen davon fehlte für das vom Berufungsgericht in Betracht gezogene Unterlassungsbegehren die gesetzliche Grundlage, da es nicht dem Leitbild der Herausgabe i.S. des § 812 Abs. 1 BGB entspräche (BGH, Urt. v. 13. November 1990, aaO S. 618). Daû hier andere erfolgversprechende Maûnahmen zur Ermöglichung der effektiven Rückübertragung des Kundenstammes durch die Beklagte auf den Kläger in Betracht kämen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt; sie sind auch sonst nicht ersichtlich, zumal der Kläger infolge des Scheiterns der beabsichtigten Zusammenlegung der beiden Unternehmen den Handel mit Zierfischen endgültig aufgegeben hat und die Beklagte den Kundenstamm seit längerem weiternutzt.
2. Von durchgreifenden Rechtsfehlern beeinfluût sind auch die Erwägungen , mit denen das Berufungsgericht einen - hilfsweise in Betracht gezogenen - Wertersatzanspruch nach § 818 Abs. 2 BGB verneint hat.

a) Ersichtlich verfehlt ist seine Annahme, der in der Kundenliste verkörperte , vom Kläger in das Unternehmen der Beklagten eingebrachte Kundenstamm habe keinen objektiv meûbaren Wert, weil die Liste von einem insolvent gewordenen Unternehmen stamme. Das Oberlandesgericht übersieht bereits, daû zwar die frühere GmbH des Klägers in Konkurs gefallen ist, der Kläger aber anschlieûend den Versandhandel als Einzelkaufmann weiterbetrieben und dementsprechend Umsätze mit dem Kundenstamm erzielt hat; solche sind nach Darstellung des Klägers damit auch von der Beklagten nach Überlassung der Liste erzielt worden.


b) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht insbesondere konkretes Vorbringen des Klägers zum Wert des von ihm eingebrachten Kundenstammes für unsubstantiiert und rechtlich unerheblich erachtet. Der Kläger hat seine zunächst pauschalen Angaben in der Berufungsbegründung hinsichtlich eines Wertes des Kundenstammes von 100.000,00 DM auf der Grundlage eines behaupteten erzielbaren Jahresumsatzes von 1 Mio. DM nach dem seinen Antrag auf Prozeûkostenhilfe insoweit ablehnenden Beschluû des Oberlandesgerichts näher konkretisiert und unter Beweis gestellt. So hat er unter Bezugnahme auf das Zeugnis des Unternehmensberaters S. und auf dessen zu den Akten gereichten Unternehmensbewertungsbericht vorgetragen, daû nur durch die von ihm eingebrachten Kunden des Versandhandels, den die Beklagte zuvor nicht betrieben habe, deren Umsatz während der Zeit seiner Mitarbeit von 34.450,00 DM auf durchschnittlich 84.750,00 DM im Monat nachhaltig gestiegen sei. Dem mit detaillierten Zahlenangaben angereicherten Bewertungsbericht zufolge waren die Umsatzerlöse bei der Beklagten vor dem Eintritt des Klägers sehr stark rückläufig und wurden negative Ergebnisse erwirtschaftet, während der Kläger mit seinem Eintritt ein erhebliches Kundenpotential in die Beklagte einbrachte, mit dem der Umsatz schon nach kurzem in der genannten Gröûenordnung deutlich gesteigert werden konnte; die Ergebnisrechnung des Unternehmensberaters schlieût für die Beklagte im Geschäftsjahr 1995/1996 mit einem Plus von durchschnittlich 5,8 % monatlich bei einem mittleren Rohertrag von 40 % monatlich ab. Da die Beklagte den gesamten diesbezüglichen Vortrag des Klägers nicht substantiiert bestritten hat (nachdem sie bereits erstinstanzlich Umsatzsteigerungen - allerdings ohne konkrete Festlegung - eingeräumt hatte), hätte das Berufungsgericht ihn gemäû § 138 Abs. 2, 3 ZPO als unstreitig seiner Entscheidungsfindung zugrunde legen und den vom Kläger
ergänzend angetretenen Sachverständigenbeweis zu dem behaupteten Wert des Kundenstammes erheben müssen. Das detaillierte Vorbringen des Klägers zum Wert des Kundenstammes war auch nicht etwa deshalb rechtlich unerheblich , weil sich die behaupteten Umsatzsteigerungen und die dem zugrundeliegenden Zahlen im wesentlichen auf den Zeitraum seiner Beschäftigung bei der Beklagten bezogen. Selbst wenn maûgeblicher Zeitpunkt für die Wertermittlung grundsätzlich der Zeitpunkt des Entstehens des Bereicherungsanspruchs - hier das endgültige Scheitern der geplanten Zusammenlegung der Unternehmen Ende Oktober 1995 - ist (vgl. BGHZ 35, 356 u. st. Rspr.), so folgt daraus nicht, daû eine diesbezügliche Bewertung nicht aufgrund der Entwicklung der mit dem Kundenstamm zuvor erzielten Umsätze möglich wäre; maûgeblicher Faktor für die Bewertung des Kundenstammes eines Einzelhandelsunternehmens ist gerade der mit dem vorhandenen Kundenbestand vor dem Bewertungsstichtag in der Vergangenheit nachhaltig erzielte Umsatz, auf dem die Wertentwicklungsprognose für die Zukunft aufbaut (§ 287 ZPO).
III. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die gebotenen weiteren Feststellungen treffen kann; erforderlichenfalls ist den Parteien Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu ergänzen.
Soweit es in der neuen Tatsacheninstanz auf noch genauere konkrete Zahlen zu den von der Beklagten mit dem Kundenstamm des Klägers - auch nach dessen Ausscheiden - erwirtschafteten Umsätzen ankommen sollte, ist darauf hinzuweisen, daû der Kläger - anders als die Tatrichter dies im bisherigen Verfahren gemeint haben - insoweit zur Berechnung seines bereicherungsrechtlichen Wertersatzanspruchs grundsätzlich von der Beklagten nach § 242 BGB Auskunft verlangen kann, da er sich als Anspruchsberechtigter unverschuldet in Unkenntnis über den Umfang seines Anspruchs befindet (vgl. BGH, Urt. v. 6. Mai 1997 - KZR 42/95, ZIP 1997, 1979, 1982).
Röhricht Hesselberger Goette
Kurzwelly Münke
2
1. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt, weil es überspannte Anforderungen an den Vortrag der Beklagten zu dem Gewinn gestellt hat, der ihr dadurch entgangen ist, dass die Klägerin ihr die Mieträume ab 6. Januar 2007 nicht in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand überlassen hat. Dadurch hat das Berufungsgericht den Parteivortrag der Beklagten nicht in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise zur Kenntnis genommen und sich mit ihm auseinandergesetzt (vgl. Senatsbeschluss vom 31. August 2005 - XII ZR 63/03 - NJW-RR 2005, 1603; BGH Beschluss vom 22. Juni 2009 - II ZR 143/08 - NJW 2009, 2598 Rn. 2 mwN).

Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.