Bundesgerichtshof Urteil, 18. Nov. 2014 - KZR 15/12

bei uns veröffentlicht am18.11.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts München vom 9. Februar 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich des Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt von den beiden Beklagten die Erstattung von Zahlungen auf eine Geldbuße, die die Europäische Kommission gegen alle drei Parteien als Gesamtschuldner verhängt hat.

2

Die Klägerin war alleinige Gesellschafterin der Beklagten zu 2, die damals unter Arques Beteiligungsgesellschaft mbH firmierte. Mit Vertrag vom 30. August 2004 erwarb die Beklagte zu 2 sämtliche Geschäftsanteile an der Beklagten zu 1, die damals unter SKW Stahl-Technik Verwaltungs-GmbH firmierte, sowie sämtliche Kommanditanteile an der SKW Stahl-Technik GmbH & Co. KG (nachfolgend: Kommanditgesellschaft), deren alleinige Komplementärin die Beklagte zu 1 war. Zum 31. Dezember 2004 trat die Beklagte zu 2 aus der Kommanditgesellschaft aus. Deren Vermögen ging dadurch ohne Liquidation auf die Beklagte zu 1 über.

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Zum 25. Mai 2006 wurde die Beklagte zu 2 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Die Klägerin veräußerte in der Folgezeit ihre Anteile. Am 30. November 2006 hielt sie noch eine Beteiligung von 57%, zum 22. Juli 2007 schied sie vollständig aus.

4

Seit dem 22. April 2004 nahmen Beschäftigte der Beklagten zu 1 und der Kommanditgesellschaft an Kartellabsprachen zum Vertrieb von Calciumcarbid und seit dem 14. Juli 2005 an Absprachen zum Vertrieb von Magnesiumgranulat teil.

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Mit Entscheidung vom 22. Juli 2009 verhängte die Europäische Kommission (COMP/39.396, K(2009) 5791 endg - Calciumcarbid und Reagenzien auf Magnesiumbasis für die Stahl- und die Gasindustrien) gegen die Klägerin und die Beklagten als Gesamtschuldner eine Geldbuße in Höhe von 13,3 Millionen Euro wegen einer einzigen und fortdauernden Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 des EWR-Abkommens. Als Tatzeitraum stellte sie für die Beklagte zu 1 die Zeit von 22. April 2004 bis 16. Januar 2007 und für die Klägerin sowie die Beklagte zu 2 die Zeit von 30. August 2004 bis 16. Januar 2007 fest. Die Klägerin und die Beklagten erhoben gegen diese Entscheidungen jeweils Nichtigkeitsklage beim Gericht der Europäischen Union.

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Die Klägerin zahlte - entsprechend dem Verlangen der Kommission - auf die Geldbuße und angefallene Zinsen insgesamt 6.798.012,49 Euro. Die Beklagten stellten der Kommission Bankgarantien in Höhe von insgesamt 6,7 Millionen Euro.

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Die Klägerin begehrt - soweit noch von Bedeutung - von den Beklagten die vollständige Erstattung des von ihr gezahlten Betrags nebst Verzugszinsen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner weiter. Hilfsweise beantragt sie, die Beklagten jeweils zur Zahlung eines Drittels der Klagesumme zu verurteilen.

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Während des Revisionsverfahrens hat das Gericht der Europäischen Union mit Urteilen vom 23. Januar 2014 (T-395/09, NZKart 2014, 106 - Gigaset, und T-384/09, NZKart 2014, 99 - SKW) auf die Nichtigkeitsklage der Klägerin die gegen diese festgesetzte Geldbuße auf 12,3 Millionen Euro reduziert und die Nichtigkeitsklagen der Parteien im Übrigen abgewiesen. Die Beklagten haben dagegen Rechtsmittel zum Gerichtshof der Europäischen Union (C-154/14 P) eingelegt.

9

Mit Beschluss vom 9. Juli 2013 hat der Senat (KZR 15/12, WuW/E DE-R 3935 = NZKart 2013, 425 - Calciumcarbid-Kartell) dem Gerichtshof der Europäischen Union mehrere Fragen zur internen Aufteilung einer gegen mehrere natürliche oder juristische Personen als Gesamtschuldner verhängten Geldbuße zur Vorabentscheidung vorgelegt. Mit Beschluss vom 3. Juni 2014 hat der Senat das Ersuchen im Hinblick auf in der Zwischenzeit ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs zurückgenommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

11

A. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

12

Der Innenausgleich der Geldbuße unterliege - aufgrund konkludenter Rechtswahl und im Übrigen wegen Erwägungsgrund 30 zur Verordnung (EG) Nr. 1/2003 - deutschem Recht. Danach sei die Klage unabhängig vom Ausgang der Nichtigkeitsklagen unbegründet, weil die Klägerin verpflichtet sei, die Geldbuße im Innenverhältnis allein zu tragen. Die Grundregel des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach Gesamtschuldner im Innenverhältnis zu gleichen Teilen verpflichtet seien, komme in der hier zu beurteilenden Konstellation nicht zum Tragen. Es entspreche vielmehr der Billigkeit, denjenigen Gesamtschuldner zu belasten, dem die wirtschaftlichen Erfolge aus dem kartellrechtswidrigen Verhalten zugeflossen seien. Dies sei hier die Klägerin. Etwaige Erlöse aus dem kartellrechtswidrigen Verhalten seien entweder an sie ausgeschüttet worden oder hätten den Wert ihrer Geschäftsanteile beeinflusst. Ob das Kartell tatsächlich eine Rendite erzielt habe, sei unerheblich. Auf Verursachungs- oder Verschuldensbeiträge komme es nicht an. Schadensersatzansprüche der Klägerin bestünden nicht, weil die Belastung mit der Geldbuße kein vom Schutzbereich der kartellrechtlichen Anspruchsgrundlagen erfasster Schaden sei und dem Vorbringen der Klägerin auch keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung zu entnehmen sei.

13

B. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

14

I. Allerdings war das Berufungsgericht nicht gehindert, darüber zu entscheiden, wie die Geldbuße im Verhältnis zwischen den Parteien aufzuteilen ist.

15

1. Wie der Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) mittlerweile entschieden hat, ist die Kommission entgegen der Auffassung des Gerichts der Europäischen Union (im Folgenden: Gericht) weder verpflichtet noch befugt, die Anteile der Gesamtschuldner im Innenverhältnis zu bestimmen (Urteile vom 10. April 2014 - C-231/11 P u.a., WuW/E EU-R 2970 = NZKart 2014, 177 Rn. 58 - Siemens Österreich; C-247/11 P u.a., WuW/E EU-R 2996 = NZKart 2014, 181 Rn. 151 - Areva). Vielmehr sind dazu erforderlichenfalls die nationalen Gerichte berufen (EuGH, WuW/E EU-R 2970 Rn. 62, 67 - Siemens Österreich; WuW/E EU-R 2996 Rn. 152, 157 - Areva).

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2. Der Gerichtshof hat hierbei abweichend von den Schlussanträgen des Generalanwalts (Schlussanträge vom 19. September 2013 - C-231/11 u.a., Rn. 54 f., 85 ff. - Siemens Österreich) nicht danach differenziert, ob alle Rechtsträger, gegen die die Geldbuße festgesetzt worden ist, weiterhin der wirtschaftlichen Einheit angehören, die die Zuwiderhandlung begangen hat, oder ob - wie im Streitfall - einer oder mehrere von ihnen ausgeschieden sind. Er hat vielmehr entschieden, dass der unionsrechtliche Grundsatz der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung nur für das Unternehmen gilt, dessen Zuwiderhandlung geahndet wird, nicht aber für die ihm angehörenden natürlichen oder juristischen Personen.

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3. Einen Wechsel in der personellen Zusammensetzung des Unternehmens hat der Gerichtshof nur für den Fall als relevant angesehen, dass eine Gesellschaft während des Tatzeitraums nacheinander mehreren Unternehmen angehört und die gegen diese Unternehmen festgesetzten Geldbußen zusammengefasst werden. In solchen Fällen muss die Kommission für jedes Unternehmen individuell festlegen, in welcher Höhe sich die festgesetzte Geldbuße auf Zuwiderhandlungen bezieht, die diesem Unternehmen angelastet werden (EuGH, WuW/E EU-R 2996 Rn. 129 ff. - Areva).

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Diesem Gesichtspunkt hat das Gericht dadurch Rechnung getragen, dass es die gegen die Klägerin festgesetzte Geldbuße auf entsprechende Rüge hin um eine Million auf 12,3 Millionen Euro reduziert hat, weil die Klägerin die Beteiligung erst nach Beginn der Zuwiderhandlungen erworben hat (Urteil vom 23. Januar 2014 - T-395/09, NZKart 2014, 106 Rn. 152-192 - Gigaset). Die verbleibende Geldbuße bezieht sich ausschließlich auf Zuwiderhandlungen, die demselben Unternehmen angelastet werden.

19

4. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach juristische Personen, die im Zeitpunkt des Erlasses einer Geldbuße kein einheitliches Unternehmen mehr bilden, jeweils Anspruch auf individuelle Anwendung der Obergrenze von 10% des Umsatzes nach Art. 23 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1/2003 haben (dazu EuGH, Urteil vom 26. November 2013 - C-50/12 P, WuW/E EU-R 2886 = NZKart 2014, 138 Rn. 57 - Kendrion; EuG, Urteil vom 15. Juni 2005 - T-71/03 u.a. Rn. 390 - Tokai Carbon), führt im Streitfall ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

20

Diese Rechtsprechung betrifft das Außenverhältnis der Gesamtschuldner zur Kommission, nicht aber die hier zu beurteilenden Ansprüche auf internen Ausgleich zwischen den Gesamtschuldnern.

21

II. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass für den Gesamtschuldnerausgleich das deutsche Recht maßgeblich ist.

22

1. Allerdings könnte die vom Berufungsgericht als ausschlaggebend angesehene Rechtswahl nicht zur Anwendung einzelstaatlichen Rechts anstelle von Unionsrecht führen.

23

Mit einer Rechtswahl können die Beteiligten lediglich die Anwendung ausländischen Rechts ausschließen, nicht aber die Anwendung des Unionsrechts, das in allen Mitgliedstaaten unmittelbar wirksam ist (BGH, WuW/E DE-R 3935 Rn. 22 - Calciumcarbid-Kartell; vgl. Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim, EU-Recht, Stand Aug. 2012, AEUV Art. 288 Rn. 101).

24

2. Die Anwendbarkeit einzelstaatlichen Rechts ergibt sich jedoch daraus, dass das Unionsrecht das Rechtsverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern einer durch die Kommission verhängten Geldbuße nicht regelt.

25

Wie der Gerichtshof entschieden hat, enthalten weder die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 noch das Unionsrecht im Allgemeinen Regeln zur Lösung eines Streitfalls, der die interne Aufteilung der Gesamtschuld betrifft. Insbesondere besteht keine unionsrechtliche Auffangregel, wonach die Gesamtschuldner einander im Zweifel zu gleichen Anteilen verpflichtet wären (EuGH, WuW/E EU-R 2970 Rn. 61, 70 - Siemens Österreich). Vielmehr sind die Anteile der Gesamtschuldner einer Geldbuße unter Beachtung des Unionsrechts nach dem auf den Rechtsstreit anwendbaren nationalen Recht zu bestimmen (EuGH, WuW/E EU-R 2970 Rn. 62, 67, 70 - Siemens Österreich; WuW/E EU-R 2996 Rn. 152 - Areva).

26

3. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht das deutsche Recht als maßgeblich angesehen.

27

Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, die Parteien hätten ihren Willen, das streitige Rechtsverhältnis der deutschen Rechtsordnung zu unterwerfen, hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, indem sie sich im Rechtsstreit auf deutsches Recht berufen hätten.

28

Diese Beurteilung wird von den Parteien nicht angegriffen. Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.

29

III. Rechtsfehlerhaft ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin habe als frühere Obergesellschaft die Geldbuße im Innenverhältnis alleine zu tragen.

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1. Wie das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend angenommen hat, richtet sich der Ausgleich zwischen den Parteien nach § 426 Abs. 1 BGB.

31

Diese Vorschrift ist im Verhältnis zwischen Rechtsträgern des Privatrechts auch dann anwendbar, wenn die Verpflichtung im Außenverhältnis auf öffentlich-rechtlichen oder strafrechtlichen Grundlagen beruht (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39 Rn. 26; Urteil vom 23. Mai 2007 - XII ZR 250/04, NJW 2007, 2554 Rn. 14; Urteil vom 6. Dezember 1978 - IV ZR 82/77, BGHZ 73, 29, 37; Urteil vom 10. Juli 2014 - III ZR 441/13, NJW 2014, 2730 Rn. 20; Urteil vom 29. Januar 2013 - II ZR 91/11, ZIP 2013, 409 Rn. 10; Urteil vom 1. Dezember 2003 - II ZR 202/01, WM 2004, 228, 229 mwN; Urteil vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 244/91, BGHZ 120, 50, 55 f.; BFHE 226, 391, 398; BVerwG, NJW 1993, 1667, 1668; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Auflage, § 426 Rn. 3; Staudinger/Looschelders, BGB, Neubearbeitung 2012, § 426 Rn. 275 f.). Dies gilt auch für den Fall der gesamtschuldnerischen Haftung für eine von der Europäischen Kommission festgesetzte Geldbuße.

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2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist für die Höhe der von den einzelnen Gesamtschuldnern zu tragenden Anteile nicht allein die Stellung der Klägerin als Obergesellschaft von Bedeutung. Die Ausgleichsansprüche sind vielmehr anhand der Umstände des Einzelfalls zu bemessen, insbesondere anhand der individuellen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge der Beteiligten sowie anhand der für die Bemessung der Geldbuße maßgeblichen Tatsachen.

33

a) Nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Eine andere Bestimmung in diesem Sinne kann sich aus einer (auch stillschweigenden) Vereinbarung der Beteiligten (BGH, Urteil vom 21. Juli 2010 - XII ZR 104/08, NJW-RR 2010, 1513 Rn. 14 ff.; Urteil vom 14. Juli 1983 - IX ZR 40/82, BGHZ 88, 185, 190), aus sonstigen zwischen ihnen bestehenden Rechtsbeziehungen (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 2010 - XII ZR 53/08, NJW 2010, 868 Rn. 10), aus besonderen gesetzlichen Regeln (MünchKommBGB/Bydlinski, 6. Auflage, § 426 Rn. 21 mwN) oder aus der Natur der Sache und den Grundsätzen von Treu und Glauben ergeben (BGH, NJW 2010, 868 Rn. 9, 11; Urteil vom 11. Juni 1992 - IX ZR 161/91, NJW 1992, 2286, 2287;siehe dazu insgesamt Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Auflage, § 426 Rn. 9 ff.).

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b) Im Streitfall ergibt sich die Höhe der Ausgleichspflicht nicht aus Vereinbarungen zwischen den Parteien.

35

aa) Nach den vom Bundesgerichtshof zu § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB entwickelten Grundsätzen können Ausgleichsansprüche einer Obergesellschaft ausgeschlossen sein, wenn mit der anderen Gesellschaft ein Gewinnabführungsvertrag besteht, aufgrund dessen die Belastung im Ergebnis stets bei der Obergesellschaft verbleibt - sei es aufgrund einer Pflicht zum Ausgleich eines Fehlbetrags (§ 302 AktG), sei es, weil eine Ausgleichszahlung den abzuführenden Gewinn mindert (BGH, Urteil vom 29. Januar 2013 - II ZR 91/11, ZIP 2013, 409 Rn. 20; Urteil vom 1. Dezember 2003 - II ZR 202/01, WM 2004, 228, 229; vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 244/91, BGHZ 120, 50, 55 f.; siehe auch Klahold/Kremer, ZGR 2010, 113, 122).

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bb) Diese Grundsätze sind in der hier zu beurteilenden Konstellation anwendbar.

37

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs steht der Sanktionszweck einer wegen eines Verstoßes gegen Art. 101 AEUV festgesetzten Geldbuße einer privatautonomen Regelung der Haftung der Gesamtschuldner im Innenverhältnis nicht entgegen (vgl. EuGH, WuW/E EU-R 2970 Rn. 62 - Siemens Österreich; WuW/E EU-R 2996 Rn. 152, 157 - Areva). Demgemäß steht es den betroffenen Gesamtschuldnern frei, vor oder nach Entstehung des Gesamtschuldverhältnisses Vereinbarungen über die Ausgleichspflicht zu schließen.

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cc) Ob eine Ausgleichspflicht nach diesen Grundsätzen auch dann ausgeschlossen ist, wenn ein bestehender Gewinnabführungsvertrag vor der Festsetzung des Bußgelds beendet worden ist (vgl. dazu Lüdeke/Skala, BB 2004, 1436, 1337 f.; Paschos in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2. Auflage, AktG § 302 Rn. 7, 10), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.

39

Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich nicht, dass die Klägerin mit einer der Beklagten einen Gewinnabführungsvertrag oder eine sonstige Vereinbarung geschlossen hat, die Auswirkungen auf den Gesamtschuldnerausgleich haben könnte.

40

c) Mangels einer vertraglichen Vereinbarung sind die Ausgleichsansprüche anhand der Umstände des Einzelfalls zu bemessen, insbesondere anhand der individuellen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge der Beteiligten sowie anhand der für die Bemessung der Geldbuße maßgeblichen Tatsachen.

41

aa) Bei einer Haftung auf Schadensersatz bestimmt sich das Innenverhältnis der Gesamtschuldner nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entsprechend dem Rechtsgedanken des § 254 Abs. 1 BGB regelmäßig danach, inwieweit die einzelnen Gesamtschuldner zur Verursachung der für die Haftung maßgeblichen Umstände beigetragen haben und in welchem Maß sie ein Verschulden trifft (vgl. nur BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 - III ZR 441/13, NJW 2014, 2730 Rn. 21; Urteil vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 286/09, NJW 2011, 292 Rn. 9; Beschluss vom 9. Juni 2008 - II ZR 268/07, NJW-RR 2009, 49 Rn. 2; Urteil vom 9. März 1965 - VI ZR 218/63, BGHZ 43, 178, 187; MünchKommBGB/Bydlinski, 6. Auflage, § 426 Rn. 21).

42

bb) Diese Gesichtspunkte sind auch in der hier zu beurteilenden Konstellation relevant.

43

(1) Die Haftung eines Unternehmens für eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV ist mit einer Schadensersatzhaftung für schuldhaftes Handeln vergleichbar, weil sie gemäß Art. 23 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1/2003 eine vorsätzliche oder fahrlässige Beteiligung des betreffenden Unternehmens voraussetzt. Schon dies legt es nahe, die Verursachungs- und Verschuldensbeiträge der an dem Verstoß beteiligten Unternehmen auch in diesem Zusammenhang bei der Bemessung der Ausgleichsansprüche zu berücksichtigen.

44

(2) Eine Berücksichtigung dieser Umstände erscheint zudem deshalb folgerichtig, weil insbesondere die Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung sowie Umstände, die die Schuld mindern oder erschweren, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (dazu insgesamt EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - C-389/10 P, WuW/E EU-R 2213 Rn. 58 ff., 122 ff. - KME; vgl. auch EuGH, WuW/E EU-R 2970 Rn. 52 f. - Siemens Österreich; Nowak in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, 2. Auflage, VO 1/2003/EG, Art. 23 Rn. 36 mwN) auch für die Bemessung der Geldbuße von Bedeutung sind.

45

Die Heranziehung dieser Umstände im Rahmen des internen Gesamtschuldnerausgleichs stellt sicher, dass die Geldbuße gerade auch für unmittelbar am Geschehen beteiligte Gesellschaften eine wirksame und bleibende Sanktion darstellt (vgl. Aberle, Sanktionsdurchgriff und wirtschaftliche Einheit im deutschen und europäischen Kartellrecht, S. 139). Sie steht deshalb in Einklang mit dem Zweck der festgesetzten Sanktion.

46

(3) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung und des Landgerichts kann aus dem unionsrechtlichen Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit in Verbindung mit der gesamtschuldnerischen Haftung einer Obergesellschaft für eine Geldbuße nicht hergeleitet werden, dass diese im Innenverhältnis stets die alleinige Verantwortung für das Handeln aller im Unternehmen beschäftigten Personen treffen muss.

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Der Gerichtshof hat klargestellt, dass das Unionsrecht der internen Aufteilung einer Geldbuße unter Berücksichtigung der Verantwortung oder relativen Schuld der einzelnen Gesellschaften nicht entgegensteht (EuGH, WuW/E EU-R 2970 Rn. 71 - Siemens Österreich). Der Gerichtshof hat zudem ausgeführt, eine Gesamtschuld lasse sich nicht auf eine Form von Bürgschaft reduzieren, die eine Obergesellschaft leiste, um die Zahlung der gegen eine abhängige Gesellschaft verhängten Geldbuße zu garantieren (EuGH, WuW/E EU-R 2886 Rn. 56 - Kendrion; Urteil vom 19. Juni 2014 - C-243/12 P, NZKart 2014, 321 Rn. 107 - FLS Plast). Vielmehr sei die Muttergesellschaft so anzusehen, als habe sie selbst die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht begangen (EuGH, WuW/E EU-R 2970 Rn. 46 f. - Siemens Österreich). Daraus ist einerseits zu entnehmen, dass eine Obergesellschaft nicht stets und ohne weiteres zum Ausgleich in voller Höhe berechtigt ist. Andererseits kann aber auch eine abhängige Gesellschaft nicht stets und ohne weiteres als lediglich sekundär im Außenverhältnis haftende Schuldnerin angesehen werden, gegen die der Obergesellschaft im Innenverhältnis keine Ausgleichsansprüche zustehen.

48

(4) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der Berücksichtigung der jeweiligen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge nicht entgegen, dass die Kommission diese Kriterien bei der Auswahl der einzelnen Gesamtschuldner nicht heranzieht.

49

Die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Gesellschaften hat nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs unter anderem zur Folge, dass sich der erforderliche Ermittlungsaufwand für die Kommission verringert. Diese braucht eine persönliche Beteiligung von Vertretern der Muttergesellschaft an der Zuwiderhandlung nicht nachzuweisen (EuGH, Urteil vom 10. September 2009 - C-97/08 P, Slg. 2009, I-8237 = WuW/E EU-R 1639 Rn. 59 f. - Akzo Nobel; Urteil vom 20. Januar 2011 - C-90/09 P, WuW/E EU-R 1899 Rn. 38 f. - General Química) und ist auch nicht verpflichtet, vorrangig zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Zurechnung der Zuwiderhandlung zur Muttergesellschaft erfüllt sind (EuGH, Urteil vom 24. September 2009 - C-125/07 P u.a., Slg. 2009, I-8681 = WuW/E EU-R 1633 Rn. 82 - Erste Group Bank).

50

Dieser Aspekt betrifft lediglich die Haftung im Außenverhältnis. Wenn feststeht, dass ein Unternehmen eine Geldbuße in bestimmter Höhe verwirkt hat, ist es im Wesentlichen eine Frage der Zweckmäßigkeit, ob die Kommission diese Geldbuße nur gegen eine der zum Unternehmen gehörenden Gesellschaften festsetzt oder ob sie weitere Gesellschaften als Gesamtschuldner heranzieht. Sofern der festgesetzte Betrag von den Adressaten der Bußgeldentscheidung beigetrieben werden kann, ist es im Ergebnis bedeutungslos, ob wegen desselben Betrags noch weitere Schuldner zur Verfügung stünden.

51

Auf den internen Ausgleich unter mehreren Gesamtschuldnern lassen sich diese Erwägungen nicht übertragen. Zwar mag es innerhalb eines Konzerns in Einzelfällen ebenfalls nur eine Frage der Zweckmäßigkeit sein, welchen Anteil die einzelnen in Anspruch genommenen Gesellschaften im Ergebnis zu tragen haben. Zumindest in einer Konstellation, wie sie dem Streitfall zugrunde liegt, ist dies indes nicht der Fall. Jedenfalls in solchen Konstellationen muss der Ausgleich anhand von inhaltlichen Kriterien vorgenommen werden.

52

Das Ziel, einen hohen Ermittlungsaufwand für die Kommission zu vermeiden, steht dem schon deshalb nicht entgegen, weil die Kommission für die Entscheidung über interne Ausgleichsansprüche nicht zuständig ist. Die zur Entscheidung berufenen Gerichte der Mitgliedstaaten sind demgegenüber auch in anderen Fällen des Gesamtschuldnerausgleichs gehalten, die dafür relevanten Tatsachen festzustellen.

53

(5) Entgegen der Auffassung des Bundeskartellamts gebietet der Zweck des Kartellverbots und der Bußgeldfestsetzung nicht, in Abweichung von § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB unabhängig von den sonstigen Umständen des jeweiligen Einzelfalls stets eine Aufteilung nach Kopfteilen vorzunehmen.

54

Im Interesse einer effektiven Durchsetzung des Kartellverbots mag es zwar häufig geboten sein, keiner der von einer Bußgeldentscheidung betroffenen natürlichen oder juristischen Personen eine vollständige Abwälzung ihrer finanziellen Belastung auf die übrigen Gesamtschuldner zu ermöglichen. Zur Erreichung dieses Zwecks ist eine starre Aufteilung nach Kopfteilen ohne Berücksichtigung der sonstigen Umstände des Einzelfalls aber weder geeignet noch erforderlich.

55

Die Frage, ob die interne Verteilung des Bußgelds mit dem Ziel einer effektiven Durchsetzung des Kartellverbots in Einklang steht, kann nicht unabhängig vom Einzelfall beurteilt werden. Ihre Beurteilung kann vielmehr ebenfalls davon abhängen, welche Verursachungs- und Verschuldensbeiträge den einzelnen Gesamtschuldnern zur Last fallen und welche Faktoren für die Bemessung des Bußgeldes von Bedeutung waren. Eine starre Verteilung, die unabhängig von den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles jedem Gesamtschuldner denselben Anteil zuweist, könnte diesen Anforderungen nicht gerecht werden. Die Anwendung des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB ermöglicht demgegenüber auch unter diesem Aspekt eine angemessene und den Umständen des jeweiligen Einzelfalles Rechnung tragende Verteilung.

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cc) Soweit sich der Gesamtschuldnerausgleich nach den Verursachungs- und Verschuldensbeiträgen bestimmt, kann auch von Bedeutung sein, welcher Art die Tatbeiträge der einzelnen Gesellschaften waren.

57

Nach allgemeinen Grundsätzen tritt die bloße Verletzung einer Aufsichtspflicht in der Abwägung regelmäßig hinter dem unmittelbaren und schuldhaften Verursachungsbeitrag des zu beaufsichtigenden Gesamtschuldners zurück. Wer eigenverantwortlich eine ihm obliegende Pflicht verletzt, kann sich im Innenverhältnis nach Treu und Glauben grundsätzlich nicht darauf berufen, bei der Erfüllung eben dieser Pflicht nicht genügend überwacht worden zu sein (BGH, Urteil vom 10. Mai 2005 - VI ZR 366/03, NJW 2005, 2309, 2310; Urteil vom 22. April 1980 - VI ZR 134/78, NJW 1980, 2348, 2349; Urteil vom 16. Februar 1971 - VI ZR 125/69, NJW 1971, 752, 753; MünchKommBGB/Bydlinski, 6. Auflage, § 426 Rn. 22; zu möglichen Ausnahmen vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 1965 - GSZ 1/64, BGHZ 43, 227, 235).

58

Diese Grundsätze sind in der hier zu beurteilenden Konstellation ebenfalls heranzuziehen. Eine Gesellschaft, die in eigener Verantwortung Zuwiderhandlungen gegen Wettbewerbsvorschriften begeht, handelt in der Regel treuwidrig, wenn sie einer mit ihrer Aufsicht betrauten Gesellschaft vorwirft, sie bei der Einhaltung dieser Vorschriften nicht genügend beaufsichtigt zu haben.

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dd) Zu den nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB maßgeblichen Umständen gehört ferner der wirtschaftliche Erfolg, den die einzelnen Gesamtschuldner aufgrund der Zuwiderhandlung erzielt haben.

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(1) Dies gilt insbesondere, soweit die Geldbuße zur Abschöpfung verbotswidrig erwirtschafteter Vorteile dient, was nach Nr. 31 der Leitlinien der Kommission für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Art. 23 Abs. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 1/2003 (ABl. 2006 C 210/02; dazu Dannecker/Biermann in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage, VO (EG) 1/2003, Art. 23 Rn. 224 mwN) möglich ist, wovon die Kommission aber nicht in jedem Fall Gebrauch macht (vgl. BFHE 243, 493 Rn. 33 ff.).

61

Derjenige Teil einer Geldbuße, der ausschließlich ein Äquivalent zu dem von einer Gesellschaft aufgrund der Tat erzielten Erlös darstellt, ist entsprechend dem Zweck der Sanktion im Innenverhältnis grundsätzlich von demjenigen Gesamtschuldner zu tragen, dem der Erlös ohne die Sanktionierung verblieben wäre (vgl. OLG Hamm, NJW 2002, 1054; OLG Bamberg, OLGR 2002, 162, 163 f.; siehe auch OLG Stuttgart, NJW-RR 1994, 876, 877).

62

(2) Aber auch insoweit, als die festgesetzte Geldbuße nicht der Abschöpfung dient, kann der aufgrund der Zuwiderhandlung erzielte Erlös beim Gesamtschuldnerausgleich von Bedeutung sein.

63

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs hat die Festsetzung von Geldbußen den Zweck, unerlaubte Verhaltensweisen zu ahnden und künftigen Zuwiderhandlungen durch Abschreckung vorzubeugen (EuGH, Urteil vom 17. Juni 2010 - C-413/08 P, Slg. 2010, I-5406 Rn. 102 - Lafarge mwN; siehe auch EuGH, WuW/E EU-R 2970 Rn. 59 - Siemens Österreich; WuW/E EU-R 2996 Rn. 132 - Areva). Die Kommission kann bei einer an der Schwere der Zuwiderhandlung orientierten Bemessung der Geldbuße daher auch den Gewinn, den das Unternehmen aus diesen Vereinbarungen oder Verhaltensweisen ziehen konnte, in ihre Erwägungen einbeziehen, weil dies die abschreckende Wirkung der Geldbuße gewährleistet (vgl. EuGH, Urteil vom 28. Juni 2005 - C-189/02 P u.a., Slg 2005, I-5488 = WuW/E EU-R 913 Rn. 242, 260, 292 mwN - Dansk Rørindustri, WuW/E EU-R 2970 Rn. 53 - Siemens Österreich).

64

Angesichts dessen ist es folgerichtig, diesem Umstand auch beim Gesamtschuldnerausgleich Bedeutung zuzumessen. Dies gilt auch dann, wenn die Kommission die Höhe der Geldbuße nicht mit entstandenen Gewinnen begründet hat. Die Berücksichtigung der Gewinnzuordnung fördert auch in dieser Konstellation den Abschreckungszweck der Geldbuße (Köhler, WRP 2011, 277, 282, 284). Sie hat insbesondere zur Folge, dass keine der beteiligten Gesellschaften darauf vertrauen kann, Vermögensvorteile, die sie aufgrund von Zuwiderhandlungen einer mit ihr verbundenen Gesellschaft erlangt hat, ungeachtet einer festgesetzten Geldbuße behalten zu können.

65

In dieser Konstellation dürfte es aber allenfalls in Ausnahmefällen in Betracht kommen, einem einzelnen Gesamtschuldner intern die volle Haftung zuzuweisen. Die erzielten Vermögensvorteile bilden in der Regel nur einen von mehreren Aspekten, die für die Bemessung der Geldbuße von Bedeutung sind. Angesichts dessen ist es in aller Regel verfehlt, diesen einzelnen Gesichtspunkt beim internen Ausgleich als allein ausschlaggebend zu behandeln. Dies gilt umso mehr in Fällen, in denen eine konkrete Zuordnung erlangter Vermögensvorteile nicht möglich ist - etwa deshalb, weil die Vorteile nicht bezifferbar sind oder weil aufgrund der Art und Weise, in der die beteiligten Gesellschaften bei der Zuwiderhandlung zusammengewirkt haben, nicht zu ermitteln ist, welchem der Gesamtschuldner sie in welcher Höhe zugeflossen sind.

66

ee) Im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung sind in der Regel ferner die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die tatbefangenen Umsätze der einzelnen Gesellschaften zu berücksichtigen.

67

(1) Dies ist schon deshalb geboten, weil eine Geldbuße gemäß Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 und Abs. 4 Unterabs. 5 VO (EG) Nr. 1/2003 einen Betrag von 10% des Gesamtumsatzes in dem der Entscheidung der Kommission vorausgegangenen Geschäftsjahr nicht überschreiten darf.

68

Diese Grenze bezieht sich nach den genannten Vorschriften zwar auf das betroffene Unternehmen bzw. die betroffene Unternehmensvereinigung insgesamt. Beim Gesamtschuldnerausgleich ist sie jedoch nach Sinn und Zweck des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB auch für die zum Unternehmen gehörenden Gesellschaften heranzuziehen.

69

Die umsatzabhängigen Bußgeldobergrenzen des Art. 23 VO (EG) Nr. 1/2003 sollen gewährleisten, dass die Geldbußen nicht außer Verhältnis zur Größe des betroffenen Unternehmens stehen (Dannecker/Biermann in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage, VO EG 1/2003, Art. 23 Rn. 114). Eine vergleichbare Interessenlage besteht auch beim Innenausgleich zwischen den zum Unternehmen gehörenden und als Gesamtschuldner in Anspruch genommenen Gesellschaften. Ansonsten könnte eine einzelne Gesellschaft, auf die nur ein geringer Anteil der für die Bemessung der Geldbuße im Außenverhältnis maßgeblichen Umsätze entfällt, die aber an der Zuwiderhandlung an führender Stelle beteiligt war, mit einer Ausgleichsforderung konfrontiert werden, die außer Verhältnis zu ihrer Größe steht oder sogar ihre Existenz bedroht.

70

Wenn es bereits vor der Ahndung der Zuwiderhandlung zu einer Aufspaltung des Unternehmens kommt, ist diesem Aspekt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs dadurch Rechnung zu tragen, dass die umsatzbezogene Obergrenze bereits im Außenverhältnis gegenüber jeder in Anspruch genommenen juristischen Person individuell zu berechnen ist (EuGH, WuW/E EU-R 2886 Rn. 57 - Kendrion; ebenso bereits EuG, Urteil vom 15. Juni 2005 - T-71/03 u.a. Rn. 390 - Tokai Carbon). Für den Fall, dass die Aufspaltung erst nach der Festsetzung der Geldbuße erfolgt, kann für die Verteilung im Innenverhältnis nichts anderes gelten.

71

(2) Unabhängig davon, ob die Obergrenzen des Art. 23 VO (EG) Nr. 1/2003 erreicht werden, sind ferner das Verhältnis der Umsätze und die jeweilige wirtschaftliche Bedeutung der einzelnen Gesamtschuldner für den Binnenmarkt zu berücksichtigen.

72

Die Größe des Unternehmens, der Wert der betroffenen Waren und die Gefahren, die die Zuwiderhandlungen für die Ziele der Union begründen, sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (EuGH, WuW/E EU-R 2970 Rn. 53 mwN - Siemens Österreich) für die Bemessung der Geldbuße von Bedeutung. Die Finanzkraft des Unternehmens ist insbesondere auch dafür maßgeblich, welche Höhe die Geldbuße annehmen muss, um für das Unternehmen abschreckend zu wirken (Dannecker/Biermann in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage, VO (EG) 1/2003, Art. 23 Rn. 117 f. mwN; vgl. auch BGH, Beschluss vom 26. Februar 2013 - KRB 20/12, BGHSt 58, 158 = WuW/E DE-R 3861 Rn. 70 - Grauzementkartell; siehe auch Kommission, Leitlinien, aaO Nr. 4, 30).

73

Blieben diese Aspekte beim internen Ausgleich unberücksichtigt, so könnte die festgesetzte Sanktion zumindest für einzelne Gesamtschuldner ihren Zweck verfehlen. Dies stünde in Widerspruch zu den Zielen der Geldbuße.

74

(3) Ebenfalls von Bedeutung sind die Beiträge der einzelnen Gesamtschuldner zum Umfang der relevanten Marktbeteiligung des Unternehmens.

75

Dies gilt namentlich in Fällen, in denen gemäß den Leitlinien der Kommission (aaO Nr. 5 f., 12 f.) die Größenordnung der Geldbuße durch einen Grundbetrag bestimmt wird, in den der Wert der auf dem räumlich relevanten Markt verkauften Waren oder Dienstleistungen einfließt, mit denen der Verstoß in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang steht. In solchen Fällen wäre es verfehlt, einer Gesellschaft, die zu den danach relevanten Umsätzen wenig oder nichts beigetragen hat, einen übermäßig hohen Anteil der Geldbuße zuzuweisen. Soweit sich dieser Aspekt auf die Bemessung der Geldbuße ausgewirkt hat, ist diese vielmehr zu entsprechenden Anteilen auf die Gesamtschuldner umzulegen.

76

Dies entspricht den Grundsätzen, die der Bundesgerichtshof zum Innenausgleich zwischen einer Organgesellschaft und einem Organträger entwickelt hat, die als Gemeinschuldner für die Umsatzsteuer haften. In solchen Fällen ist - dem Verursachungsprinzip folgend - für den Gesamtschuldnerausgleich daran anzuknüpfen, ob und in welchem Umfang die Steuerschuld aus dem Gewerbebetrieb der Organgesellschaft oder aus demjenigen des Organträgers herrührt (BGH, Urteil vom 29. Januar 2013 - II ZR 91/11, ZIP 2013, 409 Rn. 11, 20; Urteil vom 19. Januar 2012 - IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 Rn. 28, 36; Urteil vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 244/91, BGHZ 120, 50, 59; BFHE 226, 391, 398). In der hier zu beurteilenden Konstellation ist in entsprechender Weise daran anzuknüpfen, ob und in welchem Umfang die Umsätze der einzelnen Gesellschaften in die Bemessung der Geldbuße eingeflossen sind.

77

ff) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist es mit dem Zweck der Geldbuße nicht schlechthin unvereinbar, dass eine Obergesellschaft einen Teil der Haftung im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs auf eine abhängige Gesellschaft abwälzt.

78

Die insoweit auch vom Landgericht geäußerte Befürchtung, kartellanfällige Geschäfte könnten zur Vermeidung von Haftungsrisiken auf kapitalschwache Gesellschaften ausgelagert werden, ist schon deshalb unbegründet, weil sich das ausschlaggebende Haftungsrisiko aus dem Außenverhältnis ergibt. Soweit eine zum Unternehmen gehörende Gesellschaft finanziell nicht in der Lage ist, die Geldbuße zu bezahlen, verbleibt die Zahlungspflicht im wirtschaftlichen Ergebnis bei der als Gesamtschuldnerin mithaftenden Obergesellschaft. Unabhängig davon wirkt schon die entsprechende Anwendung der in Art 23 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1/2003 normierten Obergrenzen einer die finanziellen Möglichkeiten übersteigenden Inanspruchnahme einzelner Gesellschaften entgegen.

79

Die vom Landgericht und vom Bundeskartellamt geäußerte Befürchtung, eine Obergesellschaft könnte sich der Haftung für Geldbußen im Ergebnis entziehen, indem sie ihre Anteile an einer abhängigen Gesellschaft, auf die ein Großteil der Haftung im Innenverhältnis entfällt, auf einen Dritten überträgt, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Die Aufteilung der aus einer gesamtschuldnerischen Haftung für eine Geldbuße resultierenden Haftungsrisiken unterliegt im Falle einer Veräußerung der vertraglichen Regelung zwischen Veräußerer und Erwerber. Sofern die Risiken bekannt sind, bleibt es dem Erwerber unbenommen, diese bei seinem Kaufpreisangebot zu berücksichtigen oder sich Gewährleistungsrechte auszubedingen. Sofern die Risiken unbekannt sind oder vom Veräußerer verschwiegen werden, können dem Erwerber je nach Fallgestaltung Ansprüche wegen Leistungsstörung, Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen oder arglistiger Täuschung zustehen. Ob und in welchem Umfang solche Ansprüche im Veräußerungsvertrag ausgeschlossen werden, obliegt der Vereinbarung zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber. Eine Modifikation des Gesamtschuldnerausgleichs zwischen der veräußernden und der veräußerten Gesellschaft ist daneben weder geboten noch systemgerecht.

80

3. Ausgehend von diesen Grundsätzen halten die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht Ausgleichsansprüche der Klägerin gegen die Beklagten verneint hat, der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

81

a) Wie bereits ausgeführt, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, dass zwischen der Klägerin und den Beklagten ein Unternehmensvertrag bestand, aufgrund dessen die Beklagten alle aus den Zuwiderhandlungen erzielten Gewinne an die Klägerin abgeführt haben. Im Revisionsverfahren ist deshalb zugunsten der Klägerin zu unterstellen, dass eine Gewinnabführung auf vertraglicher Grundlage nicht stattgefunden hat.

82

b) Die vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen zum wirtschaftlichen Erfolg der Klägerin vermögen die angefochtene Entscheidung nicht zu tragen.

83

aa) Den Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich nicht entnehmen, ob und in welcher Höhe ein kartellbedingter Mehrerlös oder sonstige Vorteile angefallen sind.

84

Das Berufungsgericht hat unterstellt, schon die Durchführung des Kartells habe eine sichere Gewinnerwartung begründet. Dies vermag die Feststellung konkret entstandener Vorteile nicht zu ersetzen.

85

Die Bildung und Durchführung eines Kartells sprechen zwar in der Regel dafür, dass den Beteiligten hieraus ein wirtschaftlicher Vorteil erwächst. Dies entbindet den Tatrichter aber nicht davon, Feststellungen dazu zu treffen, ob sich diese Erwartung im konkreten Fall verwirklicht hat.

86

bb) Unabhängig davon ermöglichen die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht die Schlussfolgerung, dass eventuell entstandene Vorteile in vollem Umfang der Klägerin zuzuordnen sind.

87

Eine solche Zuordnung mag im Einzelfall auch ohne vollständige Gewinnabführung möglich sein. Der Umstand, dass der Wert der Beteiligung aufgrund der vom abhängigen Unternehmen erzielten Gewinne gestiegen ist, reicht dafür aber nicht aus. Soweit der interne Ausgleich an erzielte Vermögensvorteile anknüpft, ist es vielmehr geboten, die daraus resultierende Ausgleichspflicht derjenigen Gesellschaft aufzuerlegen, in deren Vermögen sich die Vorteile befinden. Eine Belastung der nur mittelbar, nämlich über den Wert ihrer Beteiligung profitierenden Obergesellschaft würde demgegenüber dazu führen, dass die eigentlich verantwortliche Gesellschaft den rechtswidrig erzielten Vorteil auf Dauer behalten darf. Eine Belastung der abhängigen Gesellschaft führt hingegen dazu, dass auch die Obergesellschaft mittelbar belastet wird, und zwar dadurch, dass der Wert der von ihr gehaltenen Beteiligung wieder entsprechend sinkt.

88

cc) Die Frage, ob die Klägerin eine mögliche Wertsteigerung durch die Veräußerung ihrer Anteile realisieren konnte, ist auch in diesem Zusammenhang unerheblich.

89

Wie bereits oben dargelegt wurde, sind Äquivalenzprobleme, die sich daraus ergeben, dass die veräußerte Gesellschaft mit Forderungen aus dem Gesamtschuldnerausgleich belastet ist, im Verhältnis zwischen der veräußernden Gesellschaft und dem Erwerber zu lösen. Auf den internen Ausgleich zwischen den Gesamtschuldnern hat die Veräußerung hingegen keine Auswirkung.

90

dd) Selbst wenn der Klägerin ein Teil der Vorteile zugeflossen wäre, dürfte zudem nicht außer Betracht bleiben, dass sie während eines Teils des in Rede stehenden Tatzeitraums nur 57% der Anteile an der Beklagten zu 2 gehalten hat. Schon dies lässt es eher fernliegend erscheinen, dass entstandene Vorteile in vollem Umfang an sie weitergereicht wurden.

91

ee) Der vom Berufungsgericht herangezogene Umstand, dass der Klägerin aufgrund der Konzernstruktur jedenfalls die Gewinnchancen zugeordnet waren, vermag die angefochtene Entscheidung ebenfalls nicht zu tragen.

92

Soweit die Erzielung von Kartellmehrerlösen oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteilen nicht festgestellt werden kann, mag es zulässig sein, auf die im Vorhinein bestehenden Gewinnaussichten abzustellen. Dieser Umstand bildet in aller Regel aber nur einen der in die gebotene Gesamtabwägung einzustellenden Faktoren und kann allenfalls in Ausnahmefällen eine alleinige Ausgleichspflicht eines der Gesamtschuldner begründen.

93

Im Streitfall erscheint eine alleinige oder mindestens hälftige Ausgleichspflicht der Klägerin zudem schon deshalb fernliegend, weil diese wie erwähnt nicht während des gesamten Tatzeitraums sämtliche Anteile an der Beklagten zu 2 gehalten hat.

94

C. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar (§ 561 ZPO).

95

1. Der Klageanspruch ist nicht wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Klägerin unbegründet.

96

a) Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin kann nicht darin gesehen werden, dass sie die Entscheidung der Kommission angefochten hat, die Beklagten aber dennoch auf Ausgleich in Anspruch nimmt.

97

Ein Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB entsteht nicht erst mit Zahlung durch einen Gesamtschuldner, sondern schon mit der Entstehung der Gesamtschuld im Außenverhältnis. Ist die Schuld fällig, kann der mithaftende Gesamtschuldner schon vor Erbringung seiner eigenen Leistung von seinen Mitschuldnern verlangen, ihren Anteilen entsprechend an der Befriedigung des Gläubigers mitzuwirken und ihn von einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger freizustellen (BGH, Urteil vom 7. November 1985 - III ZR 142/84, NJW 1986, 978, 979; Urteil vom 15. Oktober 2007 - II ZR 136/06, NJW-RR 2008, 256 Rn. 14). Ob diese Freistellung durch Zahlung geschieht oder dadurch, dass die Zahlungspflicht durch Einlegung von Rechtsbehelfen abgewendet wird, bleibt, soweit es um den auf ihn entfallenden Anteil geht, jedem der zum Ausgleich verpflichteten Schuldner selbst überlassen. Soweit ein Gesamtschuldner mehr als den von ihm im Innenverhältnis geschuldeten Anteil an den Gläubiger zahlt, wandelt sich der ihm zustehende Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch um (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1985 - III ZR 90/84, NJW 1986, 1097; Beschluss vom 10. Dezember 2002 - X ARZ 208/02, BGHZ 153, 173, 175 f.).

98

b) Ob der Schuldner einer Geldbuße sich rechtsmissbräuchlich verhält, wenn er die übrigen Schuldner aufgrund einer von ihm erbrachten Zahlung in Regress nimmt, obwohl er die Möglichkeit gehabt hätte, die Zahlung durch Sicherheitsleistung abzuwenden (in diesem Sinne Köhler, WRP 2011, 277, 286), oder ob ein Schuldner schon wegen des damit verbundenen Zinsrisikos nicht gehalten ist, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen (vgl. dazu Kredel, BB 2013, 2644), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.

99

Selbst wenn diese Frage grundsätzlich im zuerst genannten Sinne zu beantworten wäre, könnte das Begehren der Klägerin im Streitfall jedenfalls deshalb nicht (mehr) als rechtsmissbräuchlich angesehen werden, weil die Entscheidung der Kommission ihr gegenüber inzwischen bestandskräftig ist. Dieser neue Umstand kann im Revisionsverfahren berücksichtigt werden, weil er unstreitig geblieben und eine Beeinträchtigung der Rechte der Beklagten nicht zu besorgen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Mai 1992 - V ZR 192/91, NJW-RR 1992, 1149).

100

Mit der Bestandskraft der Entscheidung hat die Klägerin die Möglichkeit verloren, eine Vollstreckung der Geldbuße durch Sicherheitsleistung abzuwenden. Jedenfalls in diesem Stadium ist es nicht rechtsmissbräuchlich, wenn sie die Beklagten auf Zahlung in Anspruch nimmt. Dass die Klägerin es unterlassen hat, den Eintritt der Bestandskraft durch Einlegung eines weiteren Rechtsmittels zu verhindern, kann für sich gesehen nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden.

101

2. Ebenfalls keiner Entscheidung bedarf die Frage, ob es als treuwidrig angesehen werden kann, wenn ein Gesamtschuldner einen Teilbetrag der Geldbuße bezahlt, der über den im Innenverhältnis auf ihn entfallenden Anteil hinausgeht, ohne den übrigen Gesamtschuldnern zuvor Gelegenheit zu geben, den auf sie entfallenden Teil der Geldbuße selbst zu bezahlen oder in entsprechender Höhe Sicherheit zu leisten, gleichwohl aber vor Bestandskraft der Bußgeldentscheidung Ausgleich verlangt.

102

Selbst wenn diese Frage zu bejahen wäre, stünde dies dem Klagebegehren im Streitfall jedenfalls deshalb nicht entgegen, weil nicht ersichtlich ist, dass die Beklagten einem Begehren der Klägerin nachgekommen wären, Sicherheit auch für den Teil der Geldbuße zu leisten, den die Kommission gegenüber der Klägerin geltend gemacht hatte.

103

Die Beklagten haben nur hinsichtlich der Hälfte der insgesamt verhängten Geldbuße Sicherheit geleistet. Im vorliegenden Rechtsstreit machen sie geltend, die Klägerin sei im Innenverhältnis allein verpflichtet, dürfe aber jedenfalls keine Ausgleichsansprüche gegen die Beklagten geltend machen. Bei dieser Ausgangslage bedürfte es besonderer Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagten trotz der damit verbundenen Risiken einem nach Festsetzung der Geldbuße an sie herangetragenen Begehren der Klägerin, weitergehende Sicherheit zu leisten, nachgekommen wären. Solche Umstände sind nicht festgestellt und werden auch von der Revisionserwiderung nicht aufgezeigt.

104

D. Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif.

105

1. Ob und in welchem Umfang der Klägerin gegen die Beklagten ein Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB zusteht, lässt sich mangels Feststellungen zu den maßgeblichen Umständen nicht beurteilen.

106

a) Der Tatbeitrag der Beklagten zu 1, deren Beschäftigte sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts an den Kartellabsprachen beteiligt haben, führt wegen der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht ohne weiteres zu deren alleiniger Haftung im Innenverhältnis.

107

b) Hinsichtlich der weiteren für den Ausgleich relevanten Umstände bedarf es ergänzender tatrichterlicher Feststellungen.

108

Die Revision weist insoweit mit Recht auf den Vortrag der Klägerin hin, wonach die Beklagte zu 2 - anders als die Klägerin - von den Verstößen Kenntnis gehabt und diese nicht unterbunden habe und die Klägerin nicht Nutznießerin des Kartells gewesen sei. Sofern dieser Vortrag zutrifft, kann nicht ausgeschlossen werden, dass auf die Klägerin intern ein geringerer Betrag entfällt als derjenige, den sie an die Kommission gezahlt hat.

109

Das Berufungsgericht, das sich - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - mit diesem Vorbringen nicht befasst hat, wird deshalb die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Ergänzend wird es den Parteien Gelegenheit geben müssen, zu sonstigen Gesichtspunkten vorzutragen, die nach den oben aufgezeigten Grundsätzen für den Gesamtschuldnerausgleich relevant sind.

110

c) Vorsorglich weist der Senat für das weitere Verfahren darauf hin, dass eine Anwendung der Auffangregel des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht ohne weiteres eine hälftige Belastung der Klägerin oder eine gesamtschuldnerische Belastung der Beklagten zur Folge hätte.

111

Nach der Grundregel des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB haftet jeder Gesamtschuldner zu gleichen Anteilen. Im Streitfall entfiele danach auf die Klägerin und die beiden Beklagten je ein Drittel des Gesamtbetrags. Ein Ausgleichsanspruch stünde der Klägerin nur insoweit zu, als ihre Zahlungen an die Kommission den auf sie entfallenden Anteil überschritten haben.

112

Zudem haftet, sofern mehrere Gesamtschuldner zum Ausgleich verpflichtet sind, im Innenverhältnis jeder von ihnen grundsätzlich nur in Höhe des auf ihn entfallenden Anteils (BGH, Urteil vom 24. April 1952 - III ZR 78/51, BGHZ 6, 3, 25).

113

Eine abweichende Verteilung und eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten gegenüber der Klägerin kämen nach der Grundregel allenfalls dann in Betracht, wenn die Beklagten zu einer Haftungseinheit zusammenzufassen und im Verhältnis zur Klägerin wie eine Person zu behandeln wären (dazu BGH, Urteil vom 17. Dezember 2009 - VII ZR 172/08, NJW 2010, 1592 Rn. 23 mwN; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Auflage, § 426 Rn. 15 mwN). Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann eine solche Haftungseinheit zwischen den Beklagten indes nicht bejaht werden. Die Beklagte zu 2 ist zwar wegen Handlungen in Anspruch genommen worden, die Beschäftigte der Beklagten zu 1 und der Kommanditgesellschaft begangen haben. Dasselbe gilt aber auch für die Klägerin. Für eine Zusammenfassung (nur) der beiden Beklagten und die Bildung einer einheitlichen Haftungsquote für diese im Verhältnis zur Klägerin ist auf dieser Grundlage kein Raum.

114

2. Eine eigene Entscheidung des Senats kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines auf die Klägerin übergegangenen Anspruchs der Kommission in Betracht.

115

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob § 426 Abs. 2 BGB in der hier zu beurteilenden Konstellation anwendbar ist. Ein Anspruchsübergang nach dieser Vorschrift tritt jedenfalls nur in dem Umfang ein, in dem der zahlende Gesamtschuldner gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB zum Ausgleich berechtigt ist.

116

3. Der Klage kann nicht auf der Grundlage eines Schadensersatzanspruchs der Klägerin gegen die Beklagten stattgegeben werden.

117

a) Schadensersatzansprüche auf kartellrechtlicher Grundlage scheiden schon wegen des Zwecks solcher Ansprüche aus.

118

Ein kartellrechtlicher Anspruch auf Schadensersatz dient nach den Vorgaben des Unionsrechts dem Zweck, den Schaden auszugleichen, der den durch die Zuwiderhandlung Geschädigten entstanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - KZR 75/10, BGHZ 190, 145 Rn. 62 - ORWI). Angesichts dessen kommen, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, Ansprüche auf Erstattung einer gezahlten Geldbuße auf dieser Grundlage schon deshalb nicht in Betracht, weil das Wettbewerbsrecht der Union nicht dazu dient, einzelne Organisationseinheiten eines gegen dieses Recht verstoßenden Unternehmens vor der Belastung mit einer Geldbuße zu schützen. Ansprüche dieser Art sind weder zur effektiven Durchsetzung der Wettbewerbsregeln der Union (dazu EuGH, Urteil vom 13. Juli 2006 - C-295/04 u.a., Slg. 2006, I-6641 = WuW/E EU-R 1107 Rn. 60, 91 ff. - Manfredi; Urteil vom 20. September 2001 - C-453/99, Slg. 2001, I-6314 = WuW/E EU-R 479 Rn. 25 ff. - Courage; BGHZ 190, 145 Rn. 34, 37, 62 - ORWI) notwendig noch dieser förderlich. Die jeweils anzuwendenden einzelstaatlichen Regelungen über den Gesamtschuldnerausgleich, hier § 426 BGB, ermöglichen es, eine gegen mehrere Gesellschaften als Gesamtschuldner verhängte Geldbuße sachgerecht auf die einzelnen Schuldner zu verteilen.

119

b) Der von der Klägerin gegen die Beklagte zu 2 geltend gemachte Anspruch aus § 826 BGB ist ebenfalls unbegründet.

120

Dabei kann offenbleiben, ob sich auf dieser Grundlage überhaupt eine von § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB abweichende Verteilung ergeben könnte, obwohl Umstände, die die Beklagte einem Schadensersatzanspruch gemäß § 254 BGB entgegenhalten kann, beim Ausgleich nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich in entsprechender Weise zu berücksichtigen sind. Das Berufungsgericht hat jedenfalls eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Beklagten zu 2 durch die Klägerin ohne Rechtsfehler verneint.

121

Die Revision macht unter Bezugnahme auf entsprechendes Vorbringen der Klägerin geltend, die Beklagte zu 2 sei nach dem Wettbewerbsrecht der Union, insbesondere den Grundsätzen der gesamtschuldnerischen Haftung für Geldbußen, verpflichtet gewesen, die Beteiligung der Beklagten zu 1 an dem Verstoß zu unterbinden, nachdem ihre gesetzlichen Vertreter davon Kenntnis erlangt hätten.

122

Hierbei verkennt die Revision, dass ein Unterlassen nicht allein deshalb gegen die guten Sitten verstößt, weil den in Anspruch Genommenen eine Rechtspflicht zum Handeln trifft. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzutreten, die das schädigende Verhalten wegen seines Zwecks, wegen des angewandten Mittels oder mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als "anständig" Geltenden verwerflich machen (BGH, Urteil vom 4. Juni 2013 - VI ZR 288/12, NJW-RR 2013, 1448 Rn. 14 mwN). Solche Umstände sind im Streitfall weder festgestellt noch dem in der angefochtenen Entscheidung wiedergegebenen Parteivortrag zu entnehmen. Weitergehenden Vortrag der Klägerin zeigt die Revision nicht auf.

123

E. Eine Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 148 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage der Beklagten hält der Senat nicht für zweckmäßig.

124

Zwar ist eine Entscheidung in dem noch vor dem Gerichtshof anhängigen Verfahren in dem Sinne vorgreiflich, dass die Klageansprüche auf jeden Fall unbegründet wären, wenn die Festsetzung der Geldbuße gegen beide Beklagte in vollem Umfang für nichtig erklärt würde. Dass es zu einer Entscheidung dieses Inhalts kommen wird, erscheint im Hinblick auf den bisherigen Verfahrensverlauf aber nicht hinreichend wahrscheinlich, zumal die Nichtigkeitsklage der Beklagten in erster Instanz in vollem Umfang erfolglos geblieben ist.

Limperg                    Meier-Beck                        Kirchhoff

                Bacher                          Deichfuß

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 18. Nov. 2014 - KZR 15/12

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 18. Nov. 2014 - KZR 15/12

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 254 Mitverschulden


(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung


Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 561 Revisionszurückweisung


Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.
Bundesgerichtshof Urteil, 18. Nov. 2014 - KZR 15/12 zitiert 9 §§.

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Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 426 Ausgleichungspflicht, Forderungsübergang


(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zu

Zivilprozessordnung - ZPO | § 148 Aussetzung bei Vorgreiflichkeit


(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde

Aktiengesetz - AktG | § 302 Verlustübernahme


(1) Besteht ein Beherrschungs- oder ein Gewinnabführungsvertrag, so hat der andere Vertragsteil jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, daß den anderen Gewinnrü

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 441/13 Verkündet am: 10. Juli 2014 K i e f e r Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 426; NBran
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Oberlandesgericht München Endurteil, 28. Sept. 2017 - 23 U 1788/17

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Tenor I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein, Az. 1 HK O 4388/16 vom 21.04.2017 abgeändert wie folgt: „a. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.331,09 Euro nebst Zinsen in

Oberlandesgericht München Urteil, 11. Apr. 2019 - U 3283/11 Kart

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Bundesgerichtshof Urteil, 30. Mai 2017 - VI ZR 501/16

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Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
KZR 15/12 Verkündet am:
9. Juli 2013
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Calciumcarbid-Kartell
AEUV Art. 101 Abs. 1, Art. 267 Abs. 1 und 3; Verordnung (EG) Nr. 1/2003 Art. 23
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 Abs. 1 und 3 AEUV folgende
die Auslegung des Unionsrechts betreffenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Muss die Kommission in einer Entscheidung, mit der sie wegen eines Verstoßes gegen
Art. 101 AEUV eine Geldbuße gegen mehrere natürliche oder juristische Personen als Gesamtschuldner
verhängt, auch eine abschließende Regelung zu der Frage treffen, in welchem
Verhältnis die Geldbuße intern auf die einzelnen Gesamtschuldner aufzuteilen ist?
2. Für den Fall, dass Frage 1 zu bejahen ist:

a) Ist eine Entscheidung der Kommission, die keine ausdrückliche Anordnung zur Verteilung im
Innenverhältnis enthält, dahin auszulegen, dass die Geldbuße intern von allen Gesamtschuldnern
zu gleichen Teilen zu tragen ist?

b) Für den Fall, dass Frage 2 a zu verneinen ist:
Kann die Entscheidungslücke, die entsteht, wenn die Kommission die Verteilung der Geldbuße
im Innenverhältnis nicht regelt, durch die Gerichte der Mitgliedstaaten geschlossen
werden, ohne dass es einer ergänzenden Entscheidung der Kommission bedarf?
3. Für den Fall, dass Frage 1 zu verneinen oder Frage 2 b zu bejahen ist:
Enthält das Unionsrecht Vorgaben zu der Frage, wie die Geldbuße im Innenverhältnis auf
die Gesamtschuldner zu verteilen ist?
4. Für den Fall, dass Frage 1 oder Frage 3 zu bejahen ist:
Kann ein Gesamtschuldner, der die Geldbuße ganz oder teilweise gezahlt hat, Ausgleichsansprüche
gegen die anderen Gesamtschuldner schon geltend machen, bevor eine rechtskräftige
Entscheidung über ein gegen die Festsetzung der Geldbuße eingelegtes Rechtsmittel
ergangen ist?
BGH, Beschluss vom 9. Juli 2013 - KZR 15/12 - OLG München
LG München
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. April 2013 durch die Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und Prof. Dr. Meier-Beck sowie die Richter Dr. Kirchhoff, Dr. Bacher und
Dr. Deichfuß

beschlossen:
Das Verfahren wird ausgesetzt. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 Abs. 1 und 3 AEUV folgende die Auslegung des Unionsrechts betreffenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1. Muss die Kommission in einer Entscheidung, mit der sie wegen eines Verstoßes gegen Art. 101 AEUV eine Geldbuße gegen mehrere natürliche oder juristische Personen als Gesamtschuldner verhängt, auch eine abschließende Regelung zu der Frage treffen, in welchem Verhältnis die Geldbuße intern auf die einzelnen Gesamtschuldner aufzuteilen ist? 2. Für den Fall, dass Frage 1 zu bejahen ist:
a) Ist eine Entscheidung der Kommission, die keine ausdrückliche Anordnung zur Verteilung im Innenverhältnis enthält, dahin auszulegen, dass die Geldbuße intern von allen Gesamtschuldnern zu gleichen Teilen zu tragen ist?
b) Für den Fall, dass Frage 2 a zu verneinen ist: Kann die Entscheidungslücke, die entsteht, wenn die Kommission die Verteilung der Geldbuße im Innenverhältnis nicht regelt, durch die Gerichte der Mitgliedstaaten geschlossen werden, ohne dass es einer ergänzenden Entscheidung der Kommission bedarf? 3. Für den Fall, dass Frage 1 zu verneinen oder Frage 2 b zu bejahen ist: Enthält das Unionsrecht Vorgaben zu der Frage, wie die Geldbuße im Innenverhältnis auf die Gesamtschuldner zu verteilen ist? 4. Für den Fall, dass Frage 1 oder Frage 3 zu bejahen ist: Kann ein Gesamtschuldner, der die Geldbuße ganz oder teilweise gezahlt hat, Ausgleichsansprüche gegen die anderen Gesamtschuldner schon geltend machen, bevor eine rechtskräftige Entscheidung über ein gegen die Festsetzung der Geldbuße eingelegtes Rechtsmittel ergangen ist?

Gründe:


I.


1
Die Klägerin verlangt von den beiden Beklagten internen Ausgleich nach Zahlung einer Geldbuße, die die Europäische Kommission gegen alle drei Parteien als Gesamtschuldner verhängt hat.
2
Die Klägerin war alleinige Gesellschafterin der Beklagten zu 2, die damals unter Arques Beteiligungsgesellschaft mbH firmierte. Mit Kaufvertrag vom 30. August 2004 erwarb die Beklagte zu 2 sämtliche Geschäftsanteile an der Beklagten zu 1, die damals unter SKW Stahl-Technik Verwaltungs-GmbH firmierte , sowie sämtliche Kommanditanteile an der SKW Stahl-Technik GmbH & Co. KG (nachfolgend: Kommanditgesellschaft), deren alleinige Komplementärin die Beklagte zu 1 war. Zum 31. Dezember 2004 trat die Beklagte zu 2 aus der Kommanditgesellschaft aus. Deren Vermögen ging dadurch ohne Liquidation auf die Beklagte zu 1 über.
3
Zum 25. Mai 2006 wurde die Beklagte zu 2 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Die Klägerin veräußerte in der Folgezeit ihre Anteile. Am 30. November 2006 hielt sie noch eine Beteiligung von 57%, zum 22. Juli 2007 schied sie vollständig aus.
4
Seit dem 22. April 2004 nahmen Beschäftigte der Beklagten zu 1 und der Kommanditgesellschaft an Kartellabsprachen zum Vertrieb von Calciumcarbid und seit dem 14. Juli 2005 an Absprachen zum Vertrieb von Magnesiumgranulat teil.
5
Mit Entscheidung vom 22. Juli 2009 verhängte die Europäische Kommission (COMP/39.396, K(2009) 5791 endg - Calciumcarbid und Reagenzien auf Magnesiumbasis für die Stahl- und die Gasindustrien) gegen die Klägerin und die Beklagten als Gesamtschuldner eine Geldbuße in Höhe von 13,3 Millionen Euro wegen einer einzigen und fortdauernden Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 des EWR-Abkommens. Als Tatzeitraum stellte sie für die Beklagte zu 1 die Zeit von 22. April 2004 bis 16. Januar 2007 und für die Klägerin sowie die Beklagte zu 2 die Zeit von 30. August 2004 bis 16. Januar 2007 fest. Über die gegen diese Entscheidungen erhobenen Nichtigkeitsklagen der Klägerin (T-395/09, ABl. C 297 vom 5. Dezember 2009, S. 27 f.) und der Beklagten (T-384/09, ebenda S. 23 f.) hat das Gericht der Europäischen Union noch nicht entschieden.
6
Die Klägerin zahlte auf die Geldbuße und angefallene Zinsen insgesamt 6.798.012,49 Euro. Die Beklagten stellten der Kommission Bankgarantien in Höhe von insgesamt 6,7 Millionen Euro.
7
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin - soweit noch von Bedeutung - von den Beklagten als Gesamtschuldner die vollständige Erstattung des von ihr gezahlten Betrags nebst Verzugszinsen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner weiter. Hilfsweise beantragt sie, die Beklagten jeweils zur Zahlung eines Drittels der Klagesumme zu verurteilen.

II.


8
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
9
Der Innenausgleich der Geldbuße unterliege - aufgrund konkludenter Rechtswahl und im Übrigen wegen Erwägungsgrund 30 zur Verordnung (EG) Nr. 1/2003 - deutschem Recht. Danach sei die Klage unabhängig vom Ausgang der Nichtigkeitsklagen unbegründet, weil die Klägerin verpflichtet sei, die Geldbuße im Innenverhältnis allein zu tragen. Die Grundregel des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach Gesamtschuldner im Innenverhältnis zu gleichen Teilen verpflichtet seien, komme in der hier zu beurteilenden Konstellation nicht zum Tragen. Es entspreche vielmehr der Billigkeit, denjenigen Gesamtschuldner zu belasten, dem die wirtschaftlichen Erfolge aus dem kartellrechtswidrigen Verhalten zugeflossen seien. Dies sei hier die Klägerin. Etwaige Erlöse aus dem kartellrechtswidrigen Verhalten seien entweder an sie ausgeschüttet worden oder hätten den Wert ihrer Geschäftsanteile beeinflusst. Ob das Kartell tatsächlich eine Rendite erzielt habe, sei unerheblich. Auf Verursachungs- oder Ver- schuldensbeiträge komme es nicht an. Schadensersatzansprüche der Klägerin bestünden nicht, weil die Belastung mit der Geldbuße kein vom Schutzbereich der kartellrechtlichen Anspruchsgrundlagen erfasster Schaden sei und dem Vorbringen der Klägerin auch keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung zu entnehmen sei.

III.


10
Vor einer Entscheidung über die Revision der Klägerin ist das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 und 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
11
Für den Erfolg der Revision ist maßgebend, ob der Klägerin Ausgleichsansprüche gegen die Beklagten zustehen. Dies hängt davon ab, ob die Entscheidung über Grund und Höhe solcher Ausgleichsansprüche bei der Kommission liegt und wie zu verfahren ist, wenn die Kommission es versäumt hat, eine solche Entscheidung zu treffen. Diese Fragen sind durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht geklärt. Ihre Beantwortung ist auch nicht offenkundig.
12
1. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist geklärt, dass die Kommission bei einem Verstoß gegen Art. 101 AEUV eine Geldbuße gegen mehrere natürliche oder juristische Personen als Gesamtschuldner verhängen darf, wenn diese als ein Unternehmen anzusehen sind.

13
a) Unternehmen im Sinne von Art. 101 AEUV ist nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einrichtung, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung. Dies gilt auch dann, wenn sie rechtlich aus mehreren natürlichen oder juristi- schen Personen gebildet wird. Verstößt eine solche wirtschaftliche Einheit gegen die Wettbewerbsregeln, hat sie nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung einzustehen. Da Geldbußen aber nur gegen einen Rechtsträger festgesetzt werden können, muss die Zuwiderhandlung eindeutig einer (juristischen) Person zugerechnet werden (EuGH, Urteil vom 10. September 2009 - C-97/08 P, Slg. 2009, I-8237 Rn. 57 = WuW/E EU-R 1639 - Akzo Nobel).
14
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist einer Muttergesellschaft das Verhalten einer unmittelbaren oder mittelbaren (dazu EuGH, Urteil vom 20. Januar 2011 - C-90/09 P, WuW/E EU-R 1899 Rn. 86 ff. - General Química) Tochtergesellschaft zuzurechnen, wenn diese trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt, und zwar vor allem wegen der wirtschaftlichen , organisatorischen und rechtlichen Bindungen, die die beiden Rechtssubjekte verbinden. Eine persönliche Beteiligung von Organen oder Mitarbeitern der Muttergesellschaft an der Zuwiderhandlung muss dafür nicht nachgewiesen werden. Denn in einem solchen Fall sind Mutter- und Tochtergesellschaft Teil derselben wirtschaftlichen Einheit und bilden deshalb ein Unternehmen im obengenannten Sinn (EuGH, Slg. 2009, I-8237 Rn. 58 f. - Akzo Nobel). Hält eine Muttergesellschaft das gesamte Kapital ihrer Tochtergesellschaft, streitet nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine widerlegliche Vermutung dafür , dass sie tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausübt (EuGH, Slg. 2009, I-8237 Rn. 60 - Akzo Nobel; WuW/E EU-R 1899 Rn. 39 f., 50 ff. - General Química).
15
Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen kann die Kommission die Haftung für die Zahlung der gegen die Tochteruntergesellschaft verhängten Geldbuße der Muttergesellschaft als Gesamtschuldnerin zuweisen (EuGH, Slg. 2009, I-8237 Rn. 61 - Akzo Nobel). Darin liegt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs keine verschuldensunabhängige, sondern eine auf dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit der wirtschaftlichen Einheit beruhende Haftung der Obergesellschaft (EuGH ebenda Rn. 77; Urteil vom 19. Juli 2012 - C-628/10 P, WuW/E EU-R 2532 Rn. 42 ff. - Alliance One; zustimmend Köhler, WRP 2011, 277, 282; kritisch de Bronett, EWS 2012, 113 ff.; Kling, WRP 2010, 506, 510).
16
b) Im Ausgangsfall hat die Kommission in Anwendung dieser Grundsätze gegen die Parteien als Gesamtschuldner eine Geldbuße verhängt. Die Haftung der Beklagten zu 2 hat sie auf den Umstand gestützt, dass diese im Tatzeitraum sämtliche Anteile an der Beklagten zu 1 gehalten hat. Die Haftung der Klägerin hat sie hinsichtlich des Zeitraums bis 30. November 2006 auf deren durch die Beklagte zu 2 vermittelte Alleininhaberschaft an der Beklagten zu 1 gestützt und für die Zeit danach auf Tatsachen, die ihrer Ansicht nach die Ausübung eines entscheidenden Einflusses aufgrund der verbliebenen Mehrheitsbeteiligung belegen (Entscheidung der Kommission vom 22. Juli 2009 Rn. 226 f., 245 ff., 251 ff.; vgl. aber auch Rn. 250, 262). Die Wirkung dieser Entscheidung ist durch die dagegen erhobenen Nichtigkeitsklagen nicht aufgeschoben (Art. 278 Satz 1 AEUV, ex-Art. 242 EG; vgl. Hirsch, ZWeR 2003, 233, 248).
17
2. Nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob die Kommission dazu berechtigt und verpflichtet ist, die interne Verteilung der Geldbuße auf die Gesamtschuldner zu regeln.
18
a) Nach der Rechtsprechung des Gerichts der Europäischen Union löst eine Entscheidung, mit der die Kommission eine Geldbuße gegen mehrere Gesellschaften als Gesamtschuldner verhängt, sämtliche Wirkungen aus, die von Rechts wegen an die rechtliche Regelung der Zahlung von Geldbußen im Wettbewerbsrecht anknüpfen, und dies sowohl in den Beziehungen zwischen Gläubiger und Gesamtschuldnern als auch in den Beziehungen zwischen den Gesamtschuldnern untereinander (EuG, Urteile vom 3. März 2011 - T-117/07, Slg. 2011, II-633 Rn. 214 - Areva und T-122/07, Slg. 2011, II-793 Rn. 156 = WuW/E EU-R 1939 - Siemens Österreich).
19
Nach Auffassung dieses Gerichts können die Gesellschaften nicht frei darüber bestimmen, wie sie die Geldbuße untereinander aufteilen (EuG, Slg. 2011, II-633 Rn. 214 - Areva). Die Aufteilung könne auch nicht den nationalen Gerichten überlassen werden (EuG, Slg. 2011, II-793 Rn. 156 f. - Siemens Österreich ). Vielmehr sei allein die Kommission zur Entscheidung befugt. Eine Gesellschaft , die den gesamten Betrag der Geldbuße entrichtet habe, könne schon auf der Grundlage der Entscheidung der Kommission gegenüber den anderen Gesamtschuldnern Erstattung verlangen, und zwar gegen jeden in Höhe des von der Kommission bestimmten Anteils. Es sei davon auszugehen, dass die Kommission in Ermangelung einer gegenteiligen Angabe in der Entscheidung die Zuwiderhandlung, die zur Verhängung der Geldbuße geführt habe, allen Gesellschaften zu gleichen Teilen zurechne (EuG, Slg. 2011, II-633 Rn. 215 - Areva; Slg. 2011, II-793 Rn. 158 - Siemens Österreich).
20
b) Wenn die Rechtsauffassung des Gerichts der Europäischen Union zuträfe, wäre im vorliegenden Verfahren die Revision hinsichtlich des auf vollständigen Ersatz der geleisteten Zahlung gerichteten Hauptantrags unbegründet. Der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf anteiligen Ausgleich wäre hinsichtlich desjenigen Teilbetrages begründet, der den von der Klägerin zu tragenden Anteil von einem Drittel übersteigt. Insoweit würde sich zusätzlichdie Frage stellen, ob dieser Ausgleichsanspruch schon geltend gemacht werden kann, bevor die Entscheidung der Kommission bestandskräftig ist.
21
aa) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist die Revision auch insoweit zulässig, als die Klägerin hilfsweise begehrt, jede Beklagte zur Erstattung eines Teils der erbrachten Bußgeldzahlung zu verurteilen. Zwar ist eine Klageänderung in der Revisionsinstanz wegen der in § 559 Abs. 1 ZPO vorgesehenen Beschränkung des Streitstoffs grundsätzlich unzulässig. Eine Beschränkung des Klageantrags (§ 264 Nr. 2 ZPO) ist aber zulässig, wenn sie sich auf einen Sachverhalt stützt, der vom Tatrichter bereits gewürdigt worden ist (BGH, Urteil vom 18. Juni 1998 - IX ZR 311/95, NJW 1998, 2969, 2970). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Klägerin stützt den hilfsweise gel- tend gemachten Anspruch nicht auf einen neuen Sachverhalt, sondern auf die vom Gericht der Europäischen Union vertretene Rechtsauffassung. Ihr Begehren , die Beklagten zu einer anteiligen Erstattung der erbrachten Zahlung zu verurteilen, ist damit im Verhältnis zu dem in erster Linie geltend gemachten Begehren nach vollständiger Erstattung kein Aliud, sondern ein schon vom ursprünglichen Antrag umfasstes Minus. Dass der rechtliche Gesichtspunkt, auf den der Anspruch auf anteilige Erstattung gestützt wird, im Berufungsverfahren nicht näher erörtert wurde, führt nicht zu einer anderen Beurteilung.
22
bb) Die Beantwortung der unionsrechtlichen Fragen kann auch nicht wegen einer Rechtswahlvereinbarung der Parteien offenbleiben. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Innenausgleich unterliege dem (einzelstaatlichen) deutschen Recht, weil sich die Parteien im Rechtsstreit darauf berufen und damit ihren Willen zum Ausdruck gebracht hätten, das streitige Rechtsverhältnis dieser Rechtsordnung zu unterwerfen. Diese Begründung vermag die Nichtanwendung von Unionsrecht nicht zu tragen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die revisionsrechtlich nur eingeschränkt nachprüfbare (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 2008 - I ZR 12/06, NJW 2009, 1205 Rn. 18 f. mwN) Beurteilung des Berufungsgerichts, die Parteien hätten sich im Laufe des Rechtsstreits konkludent auf die Anwendbarkeit des deutschen Rechts geeinigt, frei von Rechtsfehlern ist. Selbst wenn die Parteien eine solche Rechtswahlvereinbarung getroffen hätten, wäre lediglich die Anwendung ausländischen Rechts ausgeschlossen , nicht aber die Anwendung des Unionsrechts, das in allen Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht ist (vgl. Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim , EU-Recht, Stand August 2012, AEUV Art. 288 Rn. 101).
23
cc) Die Klageforderung kann auch nicht auf einen von der Ausgleichspflicht im Innenverhältnis unabhängigen Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz gestützt werden.
24
(1) Kartellrechtliche Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagten scheiden schon deshalb aus, weil das Kartellverbot nicht dem Zweck dient, einzelne Organisationseinheiten eines Unternehmens, das gegen Art. 101 AEUV verstößt, vor der Belastung mit einer Geldbuße zu schützen. Ansprüche dieser Art sind zur effektiven Durchsetzung der Wettbewerbsregeln der Union (dazu EuGH, Urteil vom 13. Juli 2006 - C-295/04, Slg. 2006, I-6619 Rn. 60, 91 ff. = WuW/E EU-R 1107 - Manfredi; Urteil vom 20. September 2001 - C-453/99, Slg. 2001, I-6297 Rn. 25 ff. = WuW/E EU-R 479 - Courage; BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - KZR 75/10, BGHZ 190, 145 Rn. 34, 37, 61 f. - ORWI) weder notwendig noch förderlich.
25
Sofern die Verteilung der Geldbuße im Innenverhältnis durch das Unionsrecht abschließend geregelt sein sollte, käme die Anwendung einzelstaatlicher Vorschriften, die aufgrund von Schadensersatzansprüchen zu einer abweichenden Verteilung führen, ohnehin nicht in Betracht.
26
Sofern das Unionsrecht keine abschließenden Regelungen enthält, kann einer effektiven Durchsetzung der unionsrechtlichen Wettbewerbsregeln bei Anwendbarkeit deutschen Rechts schon durch § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB Rechnung getragen werden. Die genannte Vorschrift sieht grundsätzlich eine Aufteilung nach Köpfen vor. Sie gebietet aber eine davon abweichende Verteilung, soweit etwas anderes bestimmt ist. Eine andere Bestimmung in diesem Sinne kann sich aus einer Vereinbarung der Beteiligten, aus sonstigen zwischen ihnen bestehenden Rechtsbeziehungen, aus besonderen gesetzlichen Regeln oder aus den Umständen des Einzelfalles ergeben. Insbesondere ist auch der Rechtsgedanke des § 254 Abs. 1 BGB heranzuziehen, wonach sich die Aufteilung danach richtet, inwieweit die einzelnen Gesamtschuldner zur Verursachung der für die Haftung maßgeblichen Umstände beigetragen haben und in welchem Maße sie ein Verschulden trifft (vgl. nur BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 286/09, NJW 2011, 292 Rn. 9; Beschluss vom 9. Juni 2008 - II ZR 268/07, NJW-RR 2009, 49 Rn. 2; Urteil vom 9. März 1965 - VI ZR 218/63, BGHZ 43, 178, 187). Diese Regelung ermöglicht es, eine gegen mehrere Gesellschaften als Gesamtschuldner verhängte Geldbuße sachgerecht auf die einzelnen Schuldner zu verteilen. Ein ergänzender kartellrechtlicher Schadensersatzanspruch eines Gesamtschuldners ist angesichts dessen zur Durchsetzung des Unionsrechts nicht erforderlich. Unabhängig davon könnte der Schuldner auch einem solchen Anspruch gemäß § 254 BGB den Einwand der Mitverursachung entgegenhalten, so dass sich jedenfalls unter diesem Aspekt keine andere Aufteilung ergäbe als bei Anwendung des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB.
27
(2) Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche aus § 826 BGB sind für das Rechtsverhältnis zur Beklagten zu 1 schon deshalb nicht entscheidungserheblich , weil sie nur gegen die Beklagte zu 2 gerichtet sind.
28
Unabhängig davon wäre auch ein solcher Anspruch ausgeschlossen, sofern das Unionsrecht die interne Verteilung der Geldbuße auf die Gesamtschuldner abschließend regeln würde. Sofern das Unionsrecht Raum für die Anwendung einzelstaatlicher Vorschriften lässt, könnte ein Anspruch aus § 826 BGB jedenfalls insoweit nicht zu einer abweichenden Verteilung führen, als die Umstände, die einem Ausgleichsanspruch der Klägerin nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegenstehen, auch dem Ersatzanspruch aus § 826 BGB entgegengehalten werden können. Dies gilt insbesondere für den bereits erwähnten Einwand der Mitverursachung (§ 254 Abs. 1 BGB).
29
c) Die danach entscheidungserheblichen Fragen zur Auslegung des Unionsrechts sind durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht hinreichend geklärt. Gegen die oben dargestellte Rechtsprechung des Gerichts der Europäischen Union sind Bedenken erhoben worden, die nach Einschätzung des Senats nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen sind.
30
aa) Die Kommission hat das Urteil in der Sache Siemens Österreich angefochten (C-231/11 P). Sie macht geltend, ihre Befugnisse beträfen allein das Außenverhältnis, also die Verhängung von Geldbußen und gegebenenfalls die Bestimmung der gesamtschuldnerischen Haftung der Adressaten. Insoweit seien auch den Befugnissen der Unionsgerichte Grenzen gesetzt. Das aus der Festsetzung gesamtschuldnerischer Haftung resultierende Innenverhältnis der Gesamtschuldner einschließlich möglicher Regressansprüche unterliege dem Recht der Mitgliedstaaten (ABl. C 204 vom 9. Juli 2011, S. 17; ebenso Schlussanträge der Generalanwältin Stix-Hackl vom 26. September 2002 - C-196/99 P, Slg. 2003, I-11005 Rn. 118 Fn. 21 - Aristrain).
31
bb) In der deutschen Literatur und in Entscheidungen deutscher Instanzgerichte wird die Rechtsprechung des Gerichts der Europäischen Union unterschiedlich beurteilt. Einige Autoren sehen die gesamtschuldnerische Haftung als genuin unionsrechtliches autonomes Rechtsinstitut an. Dies ergebe sich daraus , dass diese Haftung aus dem Unternehmensbegriff des Art. 101 AEUV hergeleitet werde (Bueren, ZWeR 2011, 285, 302 f.; Kellerbauer/Weber, EuZW 2011, 666, 669; Kokott/Dittert, WuW 2012, 670, 681 f.). Ferner spreche der Grundsatz der Rechtssicherheit dafür, dass die Kommission auch für das Innenverhältnis eine Regelung treffe. Nach einer abweichenden Auffassung soll sich der interne Ausgleich unter den Gesamtschuldnern nach nationalem Recht richten (Köhler, WRP 2011, 277, 279; LG München I, WUW/E DE-R 3247, 3254) oder jedenfalls nicht der Entscheidung durch die Kommission unterliegen (Thomas, JZ 2011, 485, 494).
32
cc) Vor diesem Hintergrund bedarf es einer Klärung der aufgeworfenen Frage durch den Gerichtshof.
33
d) Allerdings dürfte nicht zu bezweifeln sein, dass der Union die Kompetenz zusteht, abschließende Regelungen zur internen Verteilung einer gegen mehrere Personen als Gesamtschuldner verhängten Geldbuße zu treffen.
34
Gemäß Art. 103 Abs. 1 AEUV können zweckdienliche Verordnungen oder Richtlinien zur Verwirklichung der in Art. 101 und 102 AEUV niedergelegten Grundsätze geschaffen werden. Dazu zählen gemäß Art. 103 Abs. 2 Buchst. a AEUV insbesondere Vorschriften, welche die Beachtung der darin genannten Verbote durch die Möglichkeit der Verhängung von Geldbußen und Zwangsgeldern zu gewährleisten bezwecken. Die Verhängung von Geldbußen bezweckt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs insbesondere, unerlaubte Verhaltensweisen zu ahnden und künftigen Zuwiderhandlungen durch Abschreckung vorzubeugen (EuGH, Urteil vom 17. Juni 2010 - C-413/08 P, Slg. 2010, I-5406 Rn. 102 - Lafarge; Urteil vom 7. Juli 2007 - C-76/06 P, Slg. 2007, I-4443 Rn. 22 - Britannia Alloys & Chemicals). Diese Ziele können dadurch gefördert werden, dass die Kommission den einzelnen Gesamtschuldnern der Geldbuße bestimmte Haftungsanteile verbindlich zuweist und damit sicherstellt, dass die Geldbuße für jeden Gesamtschuldner eine wirksame und bleibende Sanktion darstellt.
35
e) Nicht hinreichend geklärt erscheint indes, ob die auf der Grundlage von Art. 83 EG (nunmehr Art. 103 AEUV) erlassene Verordnung (EG) Nr. 1/2003 eine solche Entscheidungskompetenz der Kommission vorsieht.
36
aa) Entgegen der Einschätzung des Berufungsgerichts kann allerdings nicht schon aus Erwägungsgrund 30 der Verordnung die sichere Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Auffassung des Gerichts der Europäischen Union unzutreffend ist. Nach diesem Erwägungsgrund erfolgt die Zahlung der Geldbuße durch eines oder mehrere Mitglieder einer Vereinigung unbeschadet der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, die einen Rückgriff auf andere Mitglieder der Vereinigung zur Erstattung des gezahlten Betrages ermöglichen. Dies betrifft indes lediglich Geldbußen, die gegen Unternehmensvereinigungen verhängt werden, und die für diesen Fall in Art. 23 Abs. 4 der Verordnung vorgesehene Ausfallhaftung. Zwar spricht einiges dafür, dass der in Erwägungsgrund 30 zum Ausdruck gekommene Regelungsgedanke auch auf die hier zu beurteilende Konstellation der Verhängung einer Geldbuße gegen mehrere Gesellschaften als Gesamtschuldner übertragbar ist. Angesichts des Umstandes, dass der Gerichtshof die gesamtschuldnerische Haftung aus dem autonomen Unternehmensbegriff des Art. 101 AEUV hergeleitet hat, ist indes nicht auszuschließen , dass auch der interne Ausgleich zwischen den Gesamtschuldnern ausschließlich dem Unionsrecht unterliegt und dass die in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung vorgesehene Befugnis zur Verhängung von Geldbußen auch eine Ermächtigung und Verpflichtung zur Regelung des Innenverhältnisses umfasst.
37
bb) Gegen die Auffassung des Gerichts der Europäischen Union könnte sprechen, dass es für die Kommission in der Regel mit höherem Ermittlungsaufwand verbunden sein dürfte, wenn sie auch die Verteilung der Geldbuße im Innenverhältnis abschließend regeln müsste.
38
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs führt die Verhängung einer Geldbuße gegen mehrere Gesellschaften als Gesamtschuldner zu einer Verringerung des Ermittlungsaufwandes für die Kommission. Diese braucht eine persönliche Beteiligung von Vertretern der Muttergesellschaft an der Zuwiderhandlung nicht nachzuweisen. Vielmehr genügt der Nachweis, dass die Muttergesellschaft das gesamte Kapital der Tochtergesellschaft hält (EuGH - Akzo Nobel Rn. 59 f.; General Química Rn. 39 f.). Die Kommission ist zudem nicht verpflichtet , vorrangig zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Zurechnung der Zuwiderhandlung zur Muttergesellschaft erfüllt sind, weil ansonsten die Ermittlungen der Kommission erheblich erschwert würden (EuGH, Urteil vom 24. September 2009 - C-125/07 P, Slg. 2009, I-8681 Rn. 82 = WuW/E EU-R 1633 - Erste Group Bank; anderer Auffassung wohl Generalanwältin Stix-Hackl - Aristrain Rn. 114 ff.).
39
Dieser Zielsetzung könnte es zuwiderlaufen, wenn die Kommission die Umstände ermitteln müsste, die für die Verteilung der verhängten Geldbuße im Innenverhältnis maßgeblich sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Verteilung im Innenverhältnis davon abhängen sollte, inwieweit die einzelnen Gesellschaften zur Verursachung der für die Haftung maßgeblichen Umstände beigetragen haben und inwieweit ihnen ein Verschulden zur Last fällt. Dann hätte die Kommission im Ergebnis diejenigen Ermittlungen durchzuführen, von denen sie bei Verhängung einer Geldbuße gegen Gesamtschuldner gerade entlastet sein soll.
40
Wenn solche Ermittlungen allein zum Zwecke der Verteilung der Geldbuße im Innenverhältnis vorzunehmen wären, könnte der dafür erforderliche Aufwand zudem schon deshalb als nicht gerechtfertigt anzusehen sein, weil die wirtschaftlichen Auswirkungen einer solchen Aufteilung in den meisten Fällen gering sein dürften. Die als Gesamtschuldner haftenden Unternehmen gehören in der Regel einem einheitlichen Konzern an. Selbst wenn ihnen, wie das Gericht der Europäischen Union meint, Vereinbarungen über eine Erstattung von Bußgeldzahlungen verwehrt sind, dürften ihnen andere konzerninterne Instrumente zur Verfügung stehen, die es ermöglichen, die aus der Geldbuße resultierende wirtschaftliche Belastung innerhalb des Konzerns nach ihren Vorstellungen zu verteilen. Zu Rechtsstreitigkeiten über die interne Aufteilung dürfte es nur in Ausnahmefällen kommen, etwa dann, wenn der Konzernverbund nach der Zuwiderhandlung und vor deren Ahndung aufgelöst wurde, wie dies im hier zu beurteilenden Fall geschehen ist.
41
f) Ebenfalls nicht hinreichend geklärt erscheint die Frage, welche Wirkung einer Entscheidung der Kommission zukommt, die keine ausdrückliche Regelung dazu enthält, wie die Geldbuße auf die einzelnen Gesamtschuldner zu verteilen ist.
42
aa) Die bereits aufgezeigte Rechtsprechung des Gerichts der Europäischen Union, mangels einer abweichenden Angabe sei davon auszugehen, dass die Kommission die verhängte Geldbuße den einzelnen Gesamtschuldnern zu gleichen Teilen zurechne, ist ebenfalls auf Kritik gestoßen. In der deutschen Literatur wird insbesondere eingewendet, aus einem bloßen Schweigen der Kommission könne nicht gefolgert werden, dass sie die Zahlungspflichten der betroffenen Gesellschaften auch im Innenverhältnis habe regeln wollen. Eine interne Verteilung nach Köpfen könne zudem im Einzelfall sachwidrig, in bestimmten Fällen sogar rechtswidrig sein (Bueren, ZWeR 2011, 285, 304, 310; Mäsch, GRUR-Prax 2012, 268; ähnlich Thomas, JZ 2011, 485, 494). In ähnlichem Sinne hat sich die Kommission geäußert (EuG, Slg. 2011, II-633 Rn. 42 - Areva; Rechtsmittel C-231/11 P, ABl. C 204 vom 9. Juli 2011, S. 17 f. - Siemens Österreich).
43
bb) Nach Auffassung des Senats ist nicht auszuschließen, dass die Rechtsprechung des Gerichts der Europäischen Union zumindest in diesem Punkt einer Überprüfung durch den Gerichtshof nicht standhalten wird. Wenn die Kommission in einer Entscheidung nicht zu allen regelungsbedürftigen Fragen Stellung genommen hat, kann nach Auffassung des Senats nicht ohne weiteres unterstellt werden, sie habe dennoch eine bestimmte Regelung treffen wollen. Eine nach dem Wortlaut der Entscheidung verbleibende Regelungslücke mag im Einzelfall geschlossen werden können, indem aus dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe oder aus sonstigen Umständen eine konkludente Regelung abgeleitet wird. Dies setzt aber voraus, dass ein entsprechender Regelungswille der Kommission feststellbar ist. Daran dürfte es im vorliegenden Zusammenhang schon deshalb fehlen, weil die Kommission sich nicht für verpflichtet hält, die Verteilung von Geldbußen im Innenverhältnis zu regeln. Angesichts dessen spricht vieles dafür, dass eine Entscheidung der Kommission, die die Frage der internen Verteilung nicht regelt, obwohl diese der Regelung bedarf, als lückenhaft und damit als ergänzungsbedürftig anzusehen ist (ähnlich Bueren, ZWeR 2011, 285, 304).
44
g) Sollte der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangen, dass eine Entscheidung der Kommission, die keine Regelung zur internen Verteilung der Geldbuße enthält, lückenhaft ist, stellt sich die weitere Frage, ob die Gerichte der Mitgliedstaaten befugt sind, diese Lücke ohne ergänzende Entscheidung der Kommission zu schließen.
45
Wenn eine Entscheidung der Kommission nicht zu allen regelungsbedürftigen Fragen eine Regelung enthält, erscheint es naheliegend, sie als rechtswidrig anzusehen. Dies hätte zur Folge, dass die Entscheidung jedenfalls auf das Rechtsmittel eines Betroffenen hin zu ergänzen wäre - sei es durch die Kommission, sei es durch das zur Entscheidung über das Rechtsmittel berufe- ne Unionsgericht. Andererseits erscheint es nicht ausgeschlossen, dass eine lückenhafte Entscheidung der Kommission Bestandskraft erlangt, ohne dass die Lücke geschlossen worden ist. Zumindest für solche Fälle könnte in Betracht kommen, dass das Gericht eines Mitgliedstaats die Entscheidung über die Verteilung der Geldbuße im Innenverhältnis nachholt, wenn es mit einem Rechtsstreit über interne Ausgleichsansprüche befasst wird. Dies wiederum könnte die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass die Gerichte der Mitgliedstaaten auch in anderen Konstellationen über die interne Verteilung der Geldbuße zu entscheiden haben, wenn und solange eine Entscheidung der Kommission hierzu nicht ergangen ist.
46
h) Falls die Gerichte der Mitgliedstaaten die Verteilung der Geldbuße auf die Gesamtschuldner in eigener Zuständigkeit zu beurteilen haben, stellt sich die Frage, ob das Unionsrecht hierzu inhaltliche Vorgaben enthält.
47
Für die Beantwortung dieser Frage dürften im Wesentlichen die bereits im Zusammenhang mit Frage 1 aufgezeigten Gesichtspunkte von Bedeutung sein. Nach Einschätzung des Senats erscheint es jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Gerichtshof einerseits zu dem Ergebnis gelangt, die Kommission dürfe die Verteilung der Geldbuße im Innenverhältnis den Gerichten der Mitgliedstaaten überlassen, andererseits aber die Auffassung vertreten wird, die materiellen Regeln oder zumindest die grundlegenden Leitlinien für die Verteilung seien dem Unionsrecht zu entnehmen. Dann würde sich für den Senat die Frage stellen , nach welchen Kriterien er die Verteilung der Geldbuße im Innenverhältnis vorzunehmen hat. Mangels einer ausdrücklichen Bestimmung in der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 müsste er hierzu auf allgemeine Rechtsgrundsätze zurückgreifen. Diese bedürften näherer Klärung.
48
aa) Allgemeine Rechtsgrundsätze könnten möglicherweise unmittelbar aus dem Unionsrecht abgeleitet werden. Maßgebliche Bedeutung könnte dabei vor allem dem Grundsatz der schuldangemessenen Sanktionierung und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zukommen (dazu Dannecker/Biermann in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., VO (EG) 1/2003, Art. 23 Rn. 138 mit weiteren Nachweisen).
49
Die Haftung des Unternehmens beruht auf dessen persönlicher Verantwortlichkeit und setzt nach Art. 23 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1/2003 Vorsatz oder Fahrlässigkeit voraus. Bei der Bemessung der Geldbuße sind gemäß Art. 23 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1/2003 sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen. Dabei sind insbesondere Umstände zu würdigen , welche die Schuld mindern oder erschweren (dazu insgesamt EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - C-389/10 P, WuW/E EU-R 2213 Rn. 58 ff., 122 ff. - KME; Nowak in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, 2. Aufl., VO 1/2003/EG, Art. 23 Rn. 36 mit weiteren Nachweisen).
50
Diese Grundsätze dürften auch die Ausgestaltung des internen Verhältnisses zwischen den eine wirtschaftliche Einheit bildenden Gesamtschuldnern prägen. Dem dürfte entgegen der vom Bundeskartellamt in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung nicht entgegenstehen, dass die Kommission diese Kriterien bei der Auswahl der einzelnen Gesamtschuldner nicht heranzieht. Wie bereits oben in Randnummer 38 f. dargelegt wurde, wird die Kommission durch die Möglichkeit, eine Geldbuße gegen mehrere Personen als Gesamtschuldner zu verhängen, davon entlastet, die Verursachungsbeiträge einzelner Beteiligter innerhalb eines Unternehmens im Einzelnen zu ermitteln. Diese Zielsetzung wird nicht in Frage gestellt, wenn die einzelnen Verursachungsbeiträge in einem nachfolgenden Rechtsstreit zwischen den einzelnen Gesamtschuldnern vom Gericht eines Mitgliedstaats ermittelt werden, um die interne Verteilung der Geldbuße festzulegen. Es gehört gerade zu den typischen Wirkungen einer gesamtschuldnerischen Haftung, dass der Gläubiger davon enthoben ist, sich mit Umständen zu befassen, die nur für die interne Verteilung von Bedeutung sind. Dies hat in der Regel aber nicht zur Folge, dass diese Umstände auch in einem Rechtsstreit zwischen den einzelnen Gesamtschuldnern unberücksichtigt bleiben dürfen oder müssen.
51
bb) Allgemeine Rechtsgrundsätze dieses Inhalts können möglicherweise auch aus Regelungen hergeleitet werden, die allen Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten gemeinsam sind (vgl. dazu etwa EuGH, Urteil vom 14. September 2010 - C-550/07 P, Slg. 2010, I-8301 Rn. 69, 76 - Akzo Nobel; Urteil vom 18. Mai 1982 - C-155/79, Slg. 1982, 1575 Rn. 18 ff. - AM & S Europe).
52
Jedenfalls einige dem Senat zugängliche Rechtsordnungen sehen vor, dass sich die Verteilung einer gesetzlich oder sonst hoheitlich begründeten gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit im Innenverhältnis regelmäßig insbesondere danach richtet, inwieweit die einzelnen Gesamtschuldner zur Verursachung der für die Haftung maßgeblichen Umstände beigetragen haben und in welchem Maße sie hierbei ein Verschulden trifft (vgl. zum deutschen Recht die oben in Rn. 26 zitierten Entscheidungen; zum französischen Recht Bentele, Gesamtschuld und Erlass, S. 85 mit weiteren Nachweisen; zum spanischen Recht v. Bar/Santdiumenge, Deliktsrecht in Europa, Spanien, S. 34; zum englischen Recht Sec. 2 (1) Civil Liability (Contribution) Act 1978).

53
cc) Nicht ausgeschlossen erscheint es, die oben aufgezeigten Rechtsgrundsätze dahin zu verallgemeinern, dass die interne Verteilung der Geldbuße aufgrund einer Gesamtabwägung vorzunehmen ist, bei der insbesondere die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die Beteiligung der einzelnen Gesamtschuldner am wirtschaftlichen Erfolg der Zuwiderhandlung, ihre individuellen Verursachungsbeiträge und ihre individuellen Verschuldensanteile (vgl. Bueren, ZWeR 2011, 285, 303, 310; anderer Auffassung Köhler, WRP 2011, 277, 280 ff.), aber auch sonstige im Einzelfall relevante Umstände Berücksichtigung finden müssen. Insbesondere könnte der von einem Gesamtschuldner im Innenverhältnis zu tragende Anteil in entsprechender Anwendung von Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 und Abs. 4 Unterabs. 5 VO (EG) Nr. 1/2003 durch die dort vorgesehene umsatzbezogene Obergrenze beschränkt sein (siehe auch EuG, Urteil vom 15. Juni 2005 - T-71/03 Rn. 390 - Tokai Carbon).
54
i) Sofern das Unionsrecht Regelungen für die Verteilung der Geldbuße auf die einzelnen Gesamtschuldner enthält, stellt sich ferner die Frage, ob ein Gesamtschuldner, der die Geldbuße ganz oder teilweise zahlt, Ausgleichsansprüche gegen die anderen Gesamtschuldner schon geltend machen kann, bevor die Entscheidung der Kommission bestandskräftig geworden ist.
55
aa) In der deutschen Literatur wird die Ansicht vertreten, einem Ausgleichsverlangen in diesem Stadium stehe der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Der Ausgleichsberechtigte handle missbräuchlich, wenn er einerseits mit einer Nichtigkeitsklage geltend mache, er sei zur Zahlung einer Geldbuße nicht verpflichtet, andererseits aber Zahlungsansprüche gegen die anderen Gesamtschuldner erhebe und diesen damit das Risiko seiner Insolvenz aufbürde. Ein Gesamtschuldner, der mehr als den im Innenverhältnis auf ihn entfallenden Teil der Geldbuße gezahlt habe, könne bis zum Eintritt der Rechtskraft von den anderen Gesamtschuldner nur verlangen, ihn so zu stellen, dass ihm kein bleibender Nachteil erwachse. Dieser Anspruch könne namentlich durch Leistung einer Bankbürgschaft erfüllt werden (vgl. Köhler, WRP 2011, 277, 286).
56
bb) Diese Erwägungen vermögen nach Auffassung des Senats nicht vollständig zu überzeugen.
57
Eine Gesellschaft, gegen die als Gesamtschuldnerin eine Geldbuße verhängt worden ist, kann ein berechtigtes Interesse daran haben, die Geldbuße schon vor Bestandskraft der Entscheidung zu bezahlen. Zwar besteht die Möglichkeit , eine Vollstreckung bis zur Bestandskraft durch Sicherheitsleistung abzuwenden. Dann besteht aber die Gefahr, dass die Höhe des zu zahlenden Betrags aufgrund einer angeordneten Verzinsung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über eine Nichtigkeitsklage erheblich ansteigt. Wenn ein Gesamtschuldner diesem Nachteil nicht ausgesetzt sein will, kann dies kaum als rechtsmissbräuchlich angesehen werden.
58
Treuwidrig könnte es allerdings sein, wenn ein Gesamtschuldner auch einen im Innenverhältnis auf die übrigen Gesamtschuldner entfallenden Anteil der Geldbuße bezahlt, ohne diesen zuvor Gelegenheit zu geben, ihn hinsichtlich dieses Anteils vor einer späteren Inanspruchnahme einschließlich einer drohenden Belastung mit Zinsen abzusichern, indem jeder Gesamtschuldner den auf ihn entfallenden Teil der Geldbuße selbst bezahlt oder der Kommission wegen dieses Betrags zuzüglich der zu erwartenden Zinsen Sicherheit leistet. Im vorliegenden Fall haben die Beklagten eine solche Leistung nur hinsichtlich der Hälfte der verhängten Geldbuße erbracht. Wenn die Rechtsauffassung des Gerichts der Europäischen Union zuträfe, hätten sie aber für zwei Drittel der Geldbuße eine Sicherheitsleistung erbringen müssen. Hinsichtlich des Differenzbetrages dürfte es kaum treuwidrig sein, dass sich die Klägerin für eine Zahlung statt für die Erbringung einer eigenen Sicherheitsleistung entschieden hat.

IV.


59
Der Senat hält es nicht für sachgerecht, den Rechtsstreit vor einer Vorlage an den Gerichtshof gemäß § 148 ZPO auszusetzen.
60
1. Eine Aussetzung des Rechtsstreits wegen des beim Gerichtshof anhängigen Rechtsmittels in der Sache Siemens Österreich (C-231/11 P) ist entgegen der Ansicht der Revision ausgeschlossen. Jenes Verfahren betrifft kein Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die hier zu treffende Entscheidung abhängt. Zwar kann eine Aussetzung in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO im Hinblick auf ein anhängiges Vorabentscheidungsverfahren erfolgen (BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 - VIII ZR 236/10, RIW 2012, 405 mit weiteren Nachweisen; anderer Auffassung Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 148 Rn. 3b). Anders als bei einem Vorabentscheidungsverfahren wird der Gerichtshof aber in der Sache Siemens Österreich, welche die Gültigkeit einer Entscheidung der Kommission zum Gegenstand hat, nicht die Funktion wahrnehmen, über eine bestimmte, ihm vorgelegte klärungsbedürftige abstrakte Rechtsfrage zu entscheiden. Deshalb kommt eine Aussetzung nach § 148 ZPO nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2012 - III ZB 3/12, WM 2012, 2024 Rn. 22).
61
2. Ob eine Aussetzung im Hinblick auf die von den Parteien erhobenen Nichtigkeitsklagen zulässig wäre, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Eine solche Aussetzung wäre im vorliegenden Verfahren jedenfalls deshalb nicht sachgerecht, weil die Klägerin die Beklagten möglicherweise schon vor der endgültigen Entscheidung über diese Rechtsmittel auf Ausgleich in Anspruch nehmen kann und weil auch diese Frage der Klärung durch den Gerichtshof bedarf.
Bornkamm Vors. Richter am BGH Prof. Dr. Meier-Beck Kirchhoff ist in Urlaub und kann daher nicht unterschreiben. Bornkamm
Bacher Deichfuß
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 13.07.2011 - 37 O 20080/10 -
OLG München, Entscheidung vom 09.02.2012 - U 3283/11 Kart -

(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.

(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.

26
Dem steht nicht entgegen, dass hierbei dem (Mit-)Täter mehr entzogen werden könnte, als er - nachdem er zunächst in größerem Umfang (Mit-)Verfügungsmacht hatte - letztlich als seinen Anteil an der Tatbeute "erlangt" hat. Nach der Rechtsprechung ist der Verfall keine Strafe (BVerfG, Beschlüsse vom 14. Januar 2004 - 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1, 14 f., 16, 19; vom 14. Juni 2004 - 2 BvR 1136/03, wistra 2004, 378, 381; ferner BGH, Urteil vom 16. Mai 2006 - 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, 67), sondern weist dem Täter oder Teilnehmer - in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise - "wirtschaftliche Verlustrisiken" zu (BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 - 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1, 21). Diese werden indes dadurch verringert, dass ihm die Durchführung eines Gesamtschuldnerausgleichs nach § 426 BGB mit den weiteren Mittätern oder Teilnehmern offensteht. Zur Erreichung des Präventionszwecks der §§ 73 ff. StGB ist es gerechtfertigt, diesen Innenausgleich den Tatbeteiligten zu überlassen und hinzunehmen, dass zuvor einzelnen von ihnen mehr entzogen wird, als sie letztlich erlangt haben (SSW-StGB/Burghart, § 73 Rn. 41; da Rosa NJW 2009, 1702, 1705 f.).
14
a) Die nach § 26 b EStG zusammen veranlagten Ehegatten haben gemäß § 44 Abs. 1 AO als Gesamtschuldner für die festgesetzten Steuern aufzukommen. Im Innenverhältnis besteht zwischen Gesamtschuldnern eine Aus- gleichspflicht nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB. Danach haften sie im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Eine solche abweichende Bestimmung kann sich aus dem Gesetz, einer Vereinbarung , dem Inhalt und Zweck des Rechtsverhältnisses oder der Natur der Sache, mithin aus der besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens ergeben (BGHZ 87, 265, 268 = FamRZ 1983, 795; BGHZ 77, 55, 58 = FamRZ 1980, 664; Senatsurteile vom 30. November 1994 - XII ZR 59/93 - FamRZ 1995, 216, 217; vom 13. Januar 1993 - XII ZR 212/90 - FamRZ 1993, 676, 677 f.; vom 20. März 2002 - XII ZR 176/00 - FamRZ 2002, 739, 740 und vom 31. Mai 2006 - XII ZR 111/03 - FamRZ 2006, 1178, 1179). Vorrangig ist allerdings, was die Gesamtschuldner ausdrücklich oder konkludent vereinbart haben.
20
d) Steht nun aber - wie im Streitfall - fest, dass im Außenverhältnis zur Behörde mehrere Störer als Gesamtschuldner haften, dann muss im Innenverhältnis zwischen den Störern § 426 BGB gelten. Die öffentlich-rechtliche Natur des Anspruchs der Polizeibehörde gegenüber dem Störer steht dem nicht entgegen. § 426 BGB ist wegen der Selbständigkeit des Ausgleichsanspruchs auch anwendbar, wenn das Außenverhältnis zwischen dem Gläubiger und den Gesamtschuldnern öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist (Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 426 Rn. 3). So haften etwa gemeinsam veranlagte Ehegatten gemäß § 44 Abs. 1 AO gesamtverbindlich für die Steuern, der Innenausgleich hat jedoch gemäß § 426 BGB stattzufinden (BGH, Urteil vom 6. Dezember 1978 - IV ZR 82/77, BGHZ 73, 29, 36 f).
10
a) Aufgrund der zwischen den Parteien nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bestehenden umsatzsteuerlichen Organschaft im Zeitraum von Januar bis Juni 2003 war die Beklagte als Organträgerin nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG Steuerschuldnerin der auf die Umsätze der Organschaft entfallenden Umsatzsteuer (vgl. BFH, Urteil vom 23. September 2009 - VII R 43/08, BFHE 226, 391, 395). Neben dem Organträger als Steuerschuldner haftet bei einer umsatzsteuerlichen Organschaft die Organgesellschaft nach § 73 Satz 1 AO für solche Steuern des Organträgers, für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist. Die Vorschrift behandelt den Organkreis als einheitliches Ganzes und erfasst infolgedessen auch diejenigen Steuern, die im Unternehmen des Organträgers angefallen sind (BGH, Urteil vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 244/91, BGHZ 120, 50, 53 f.). Nach § 73 Satz 2 AO erstreckt sich die Haftung der Organgesellschaft auf Ansprüche der Finanzbehörden auf Erstattung von Steuervergütungen, die dem Organträger zugeflossen sind. Der Organträger als Steuerschuldner und die nach § 219 Satz 1 AO nur nachrangig haftende Organgesellschaft werden - obwohl es an der Gleichstufigkeit der Schuld fehlt - im Hinblick auf § 44 Abs. 1 AO als Gesamtschuldner behandelt. Ein eventueller Innenausgleich wird nach bürgerlichem Recht entsprechend § 426 BGB vorgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 244/91, BGHZ 120, 50, 55 f.; Urteil vom 1. Dezember 2003 - II ZR 202/01, ZIP 2004, 164, 165; Urteil vom 19. Januar 2012 - IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 Rn. 19; BFH, Urteil vom 23. September 2009 - VII R 43/08, BFHE 226, 391, 398).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 202/01 Verkündet am:
1. Dezember 2003
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Bei einer (steuerrechtlichen) Organschaft mit Ergebnisabführungsvertrag
(§ 291 Abs. 1 AktG) bestimmen sich Umfang und Grenzen eines etwaigen
Steuererstattungsanspruchs des Organträgers gegenüber der Organgesellschaft
nach den für den Ergebnisabführungsvertrag geltenden Grundsätzen
(Ergänzung zu BGHZ 120, 50).

b) Mit der Abführung des Jahresüberschusses einer Organgesellschaft an den
Organträger sind im Verhältnis zu ihm auch Steuerzahlungen ausgeglichen,
welche er später für die Organgesellschaft nachentrichten muß.
BGH, Urteil vom 1. Dezember 2003 - II ZR 202/01 - KG Berlin
LG Berlin
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 1. Dezember 2003 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Kraemer, Dr. Graf und
Dr. Strohn

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Kammergerichts Berlin vom 28. März 2001 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen 90 des Landgerichts Berlin vom 12. November 1998 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die seit 1990 mit der Klägerin verschmolzene B. E. AG (künftig: BE-AG) hielt ursprünglich sämtliche Aktien an ihrer Tochtergesellschaft , der B. K. AG (künftig: BK-AG). Diese hatte sich gegenüber der Beklagten durch einen "Geschäftsbesorgungsvertrag" vom
3. April 1978 verpflichtet, ihre Erzeugnisse nach den Weisungen der Beklagten im eigenen Namen, jedoch für Rechnung der Beklagten zu fertigen und zu vertreiben. Als Entgelt dafür hatte die Beklagte der BK-AG u.a. die kalkulatorischen Abschreibungen auf ihr Anlagevermögen sowie "alle übrigen Aufwendungen wie Instandhaltung, Steuern (Grundsteuer, Vermögenssteuer, Vermögensabgabe , Kfz-Steuer, Gewerbekapitalsteuer) und Versicherungen" zu erstatten, die im Zusammenhang mit der Nutzung des Anlagevermögens der BK-AG für Rechnung der Beklagten entstanden. Ab 1. Januar 1981 übernahm die BE-AG aufgrund entsprechenden Vertrages mit der BK-AG deren jährliche Handelsbilanzergebnisse (Gewinn oder Verlust) zum jeweiligen Abschlußstichtag und hatte in ihrer Eigenschaft als Organträgerin auch die auf die BK-AG entfallenden Gewerbe- und Umsatzsteuern zu zahlen, die sie dann regelmäßig auf die BK-AG umlegte. Durch Vertrag vom 23. Dezember 1988 veräußerte die BE-AG ihre Anteile an der BK-AG unter Aufhebung des mit ihr geschlossenen Ergebnisabführungsvertrages an die Beklagte, welche die BK-AG im Mai 1990 mit sich verschmolz. Aufgrund des Ergebnisses einer Betriebsprüfung vom Juni 1993 mußte die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der BE-AG für den Veranlagungszeitraum 1985 bis 1988 auf die frühere BK-AG entfallende Umsatzsteuern in Höhe von 1.215.764,00 DM sowie Gewerbesteuern von 256.420,00 DM nachentrichten.
Mit der Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten Erstattung dieser Beträge. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat ihr entsprochen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet und führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
1. Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist allerdings die Feststellung des Berufungsgerichts, daß sich aus der zwischen der BE-AG und der BKAG geübten Steuerumlagepraxis eine von dem Ergebnisabführungsvertrag zwischen beiden unabhängige vertragliche Verpflichtung der BK-AG gegenüber der BE-AG zur Erstattung der auf die BK-AG entfallenden und von der BE-AG als Organträgerin zu zahlenden Steuern nicht hinreichend entnehmen läßt. Ein Erstattungsanspruch der BE-AG bzw. der Klägerin als deren Rechtsnachfolgerin aus § 670 BGB scheidet schon deshalb aus, weil die BE-AG als Organträgerin aufgrund der organschaftlichen Eingliederung der BK-AG in ihr Unternehmen (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG; § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG i.V.m. § 14 Nr. 1-3 KStG) selbst Steuerschuldnerin war und die BK-AG für deren Steuerschuld gemäß §§ 73, 219 AO lediglich subsidiär haftete. Die BE-AG leistete daher die Steuerzahlungen nicht "im Auftrag" der BK-AG, sondern aufgrund eigener Verpflichtung. Da jedoch die BK-AG aufgrund des Ergebnisabführungsvertrages mit ihrer Muttergesellschaft ohnehin ihren gesamten Jahresüberschuß an ihre Muttergesellschaft abzuführen hatte, spielte es im wirtschaftlichen Ergebnis keine Rolle, ob sie eine Steuerumlage oder statt ihrer einen entsprechend höheren Gewinn abführte. Auch aus Sicht des Organträgers (Klägerin) stellt sich die Steuerumlage in solchem Fall wirtschaftlich - mit entsprechender Auswirkung auf die Bilanzierung gemäß § 277 Abs. 3 Satz 2 HGB - als "Vorweg -Gewinnabführung" dar (vgl. Förschle in: Beck'scher Bilanzkommentar, 5. Aufl. § 275 Rdn. 258 m.N.; im Ergebnis ebenso Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen 6. Aufl. § 275 Rdn. 192 f.).
Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, daß die Steuerumlagepraxis der Rechtsvorgängerinnen der Prozeßparteien aufgrund sowie im Rahmen des Ergebnisabführungsvertrages und nicht aufgrund einer zusätzlich übernommenen vertraglichen Verpflichtung der BK-AG zur Steuererstattung erfolgt ist.
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht der Klägerin aber auch kein gesetzlicher Erstattungsanspruch entsprechend § 426 Abs. 2 BGB zum Ausgleich der nachentrichteten Steuern zu.

a) Zwar schließt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die gemäß § 219 AO nur subsidiäre Haftung der Organgesellschaft (hier: BK-AG) für die Steuerschulden des Organträgers gemäß § 73 AO ein zwischen beiden bestehendes Gesamtschuldverhältnis gegenüber dem Steuerfiskus (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 2 AO) mit der Folge eines Innenausgleichs entsprechend § 426 BGB für die auf das Unternehmen der Organgesellschaft entfallende Steuerschuld des Organträgers nicht aus (BGHZ 120, 50; Senat, BGHZ 141, 79, 85). Ein Ausgleichsanspruch des Organträgers gemäß § 426 BGB kommt jedoch nur in Betracht, "soweit nicht ein anderes bestimmt ist" (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ob deshalb bei Bestehen eines Unternehmensvertrages eine entsprechende Anwendung des § 426 BGB schlechthin ausscheidet, wie in BGHZ 120, 50, 55 offenbar angenommen, kann dahinstehen. Denn unabhängig davon richten sich Umfang und Grenzen eines Ausgleichsanspruchs gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB nach dem Innenverhältnis der Gesamtschuldner (vgl. BGHZ 103, 72, 76). Besteht - wie hier - ein Ergebnisabführungsvertrag, so kann der Organträger z.B. einen zu einem Fehlbetrag der Organgesellschaft führenden oder diesen vertiefenden Regreßanspruch nicht geltend machen, weil er den entsprechenden Betrag gemäß § 302 Abs. 1 AktG sogleich zurückgewähren müßte (§ 242 BGB). Deckt oder übersteigt dagegen - wie offenbar im vorlie-
genden Fall - der sonstige Ertrag der Organgesellschaft die auf sie entfallenden Steuern, so könnte der Organträger entweder - bei Fehlen einer Ausgleichspflicht gemäß § 426 BGB - die Abführung des gesamten Gewinns vor Steuern fordern und daraus seine durch die Organgesellschaft verursachte Steuerbelastung decken oder anderenfalls die Steuerbelastung gesondert auf die Organgesellschaft umlegen und die Abführung des danach verbleibenden Gewinns verlangen. Insgesamt kann er auch hier im Ergebnis nicht mehr als den Gewinn vor Steuern beanspruchen.
Dementsprechend konnte auch die BE-AG von der BK-AG für den Zeitraum von 1985 bis 1988 unabhängig von etwaigen späteren Steuernachforderungen nicht mehr verlangen als die bereits bezahlte Steuer und den darüber hinaus abgeführten Gewinn, mit dem der von der Klägerin geltend gemachte Steuermehrbetrag bereits abgegolten ist. Der von dem Berufungsgericht herangezogenen Hilfsaufrechnung der Beklagten mit einem Gegenanspruch wegen zuviel abgeführten Gewinns bedarf es nicht.

b) Ein noch bestehender Steuererstattungsanspruch der Klägerin ergibt sich - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - auch nicht daraus, daß die Beklagte aufgrund des Geschäftsbesorgungsvertrages vom 3. April 1978 der BK-AG gegenüber zur Steuererstattung verpflichtet war. Diese Verpflichtung umfaßte zwar - entgegen der Ansicht der Revision - gemäß § 13 Nr. 3 des Vertrages auch die Umsatzsteuer, soweit die in dem Vertrag vereinbarten Leistungen umsatzsteuerpflichtig waren. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin war jedoch weder Partei dieses Vertrages noch wurde er gemäß § 328 BGB zu ihren Gunsten abgeschlossen, zumal er aus der Zeit vor Abschluß des Ergebnisabführungsvertrages datiert. Soweit das Berufungsgericht die Klage gleichwohl für begründet hält, weil die von der Klägerin für den Zeitraum 1985 bis 1988 nach-
entrichteten Steuern bei rückschauender Betrachtung von der Beklagten (aufgrund des Geschäftsbesorgungsvertrages) an die BK-AG und von dieser ohne Schmälerung des tatsächlichen abgeführten Gewinns an die BE-AG zu erstatten gewesen wären, geht dies fehl. Zwar haftet die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der BK-AG für deren Schulden. Diese hatte aber gemäß § 301 AktG höchstens den in ihren damaligen Gewinn- und Verlustrechnungen ausgewiesenen Gewinn abzuführen, der die streitige Steuernachforderung gegenüber der Beklagten nicht enthielt. Selbst wenn man materiell-rechtlich einen in den Jahren 1985 bis 1988 entstandenen Anspruch der BK-AG gegen die Beklagte auf Steuernachzahlung annähme, wäre dieser durch Konfusion infolge der Verschmelzung der BK-AG mit der Beklagten erloschen und könnte daher nicht mehr zur (mittelbaren) Begründung eines Steuernachzahlungsanspruchs der Klägerin gegenüber der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der BK-AG herangezogen werden.
Wollte die Klägerin bzw. die BE-AG sich etwaige Ansprüche gegen die Beklagte wegen nachzuentrichtender Steuern sichern, so hätten sie dies in dem
Vertrag über den Verkauf der BK-Anteile an die Beklagte regeln müssen. Dieser Vertrag enthält eine Schiedsklausel und ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits.
Röhricht Goette Kraemer
Graf Strohn

(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.

(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.

14
bb) Ein Vorrang des Güterrechts besteht dagegen nicht im Verhältnis zu einem Gesamtschuldnerausgleich zwischen Ehegatten. Denn bei richtiger Handhabung der güterrechtichen Vorschriften vermag der Gesamtschuldnerausgleich das Ergebnis des Zugewinnausgleichs nicht zu verfälschen (st. Rspr., vgl. BGHZ 87, 265, 273; Senatsurteile vom 30. September 1987 - IVb ZR 94/86 - FamRZ 1987, 1239, 1240; vom 27. April 1988 - IVb ZR 55/87 - FamRZ 1988, 920, 921 und vom 13. Juli 1988 - IVb ZR 96/87 - FamRZ 1988, 1031). Gesamtschuldner sind einander zu gleichen Anteilen verpflichtet, sofern nicht ein anderes bestimmt ist (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine solche abweichende Bestimmung kann sich aus dem Gesetz, einer Vereinbarung, dem Inhalt und Zweck des Rechtsverhältnisses oder der Natur der Sache ergeben (Senatsurteile vom 30. November 1994 - XII ZR 59/93 - FamRZ 1995, 216, 217; vom 11. Mai 2005 - XII ZR 289/02 - FamRZ 2005, 1236, 1237; vom 26. September 2007 - XII ZR 90/05 - FamRZ 2007, 1975, 1976 und vom 9. Januar 2008 - XII ZR 184/05 - FamRZ 2008, 602). Scheidet eine abweichende gesetzliche Regelung aus, kommt es mithin in erster Linie darauf an, ob die Ehegatten eine abweichende Bestimmung über den Ausgleich im Innenverhältnis getroffen haben.
10
2. a) Während einer Ehe kann die grundsätzliche Haftung von Gesamtschuldnern zu gleichen Teilen von der ehelichen Lebensgemeinschaft der Partner in der Weise überlagert werden, dass sich im Innenverhältnis eine andere Aufteilung ergibt, etwa dergestalt, dass der alleinverdienende Teil zugunsten des haushaltführenden Teils die gemeinsamen Verpflichtungen allein trägt und daher ein Ausgleichsanspruch ausscheidet (Senatsurteile vom 13. Januar 1993 - XII ZR 212/90 - FamRZ 1993, 676, 678; vom 30. November 1994 - XII ZR 59/93 - FamRZ 1995, 216, 217). Daraus kann sich bis zum Scheitern der Ehe eine anderweitige Bestimmung ohne besondere Vereinbarung ergeben.

(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.

(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.

(1) Besteht ein Beherrschungs- oder ein Gewinnabführungsvertrag, so hat der andere Vertragsteil jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, daß den anderen Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind.

(2) Hat eine abhängige Gesellschaft den Betrieb ihres Unternehmens dem herrschenden Unternehmen verpachtet oder sonst überlassen, so hat das herrschende Unternehmen jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit die vereinbarte Gegenleistung das angemessene Entgelt nicht erreicht.

(3) Die Gesellschaft kann auf den Anspruch auf Ausgleich erst drei Jahre nach dem Tag, an dem die Eintragung der Beendigung des Vertrags in das Handelsregister nach § 10 des Handelsgesetzbuchs bekannt gemacht worden ist, verzichten oder sich über ihn vergleichen. Dies gilt nicht, wenn der Ausgleichspflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan oder Restrukturierungsplan geregelt wird. Der Verzicht oder Vergleich wird nur wirksam, wenn die außenstehenden Aktionäre durch Sonderbeschluß zustimmen und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt.

(4) Die Ansprüche aus diesen Vorschriften verjähren in zehn Jahren seit dem Tag, an dem die Eintragung der Beendigung des Vertrags in das Handelsregister nach § 10 des Handelsgesetzbuchs bekannt gemacht worden ist.

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a) Aufgrund der zwischen den Parteien nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bestehenden umsatzsteuerlichen Organschaft im Zeitraum von Januar bis Juni 2003 war die Beklagte als Organträgerin nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG Steuerschuldnerin der auf die Umsätze der Organschaft entfallenden Umsatzsteuer (vgl. BFH, Urteil vom 23. September 2009 - VII R 43/08, BFHE 226, 391, 395). Neben dem Organträger als Steuerschuldner haftet bei einer umsatzsteuerlichen Organschaft die Organgesellschaft nach § 73 Satz 1 AO für solche Steuern des Organträgers, für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist. Die Vorschrift behandelt den Organkreis als einheitliches Ganzes und erfasst infolgedessen auch diejenigen Steuern, die im Unternehmen des Organträgers angefallen sind (BGH, Urteil vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 244/91, BGHZ 120, 50, 53 f.). Nach § 73 Satz 2 AO erstreckt sich die Haftung der Organgesellschaft auf Ansprüche der Finanzbehörden auf Erstattung von Steuervergütungen, die dem Organträger zugeflossen sind. Der Organträger als Steuerschuldner und die nach § 219 Satz 1 AO nur nachrangig haftende Organgesellschaft werden - obwohl es an der Gleichstufigkeit der Schuld fehlt - im Hinblick auf § 44 Abs. 1 AO als Gesamtschuldner behandelt. Ein eventueller Innenausgleich wird nach bürgerlichem Recht entsprechend § 426 BGB vorgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 244/91, BGHZ 120, 50, 55 f.; Urteil vom 1. Dezember 2003 - II ZR 202/01, ZIP 2004, 164, 165; Urteil vom 19. Januar 2012 - IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 Rn. 19; BFH, Urteil vom 23. September 2009 - VII R 43/08, BFHE 226, 391, 398).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 202/01 Verkündet am:
1. Dezember 2003
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Bei einer (steuerrechtlichen) Organschaft mit Ergebnisabführungsvertrag
(§ 291 Abs. 1 AktG) bestimmen sich Umfang und Grenzen eines etwaigen
Steuererstattungsanspruchs des Organträgers gegenüber der Organgesellschaft
nach den für den Ergebnisabführungsvertrag geltenden Grundsätzen
(Ergänzung zu BGHZ 120, 50).

b) Mit der Abführung des Jahresüberschusses einer Organgesellschaft an den
Organträger sind im Verhältnis zu ihm auch Steuerzahlungen ausgeglichen,
welche er später für die Organgesellschaft nachentrichten muß.
BGH, Urteil vom 1. Dezember 2003 - II ZR 202/01 - KG Berlin
LG Berlin
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 1. Dezember 2003 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Kraemer, Dr. Graf und
Dr. Strohn

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Kammergerichts Berlin vom 28. März 2001 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen 90 des Landgerichts Berlin vom 12. November 1998 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die seit 1990 mit der Klägerin verschmolzene B. E. AG (künftig: BE-AG) hielt ursprünglich sämtliche Aktien an ihrer Tochtergesellschaft , der B. K. AG (künftig: BK-AG). Diese hatte sich gegenüber der Beklagten durch einen "Geschäftsbesorgungsvertrag" vom
3. April 1978 verpflichtet, ihre Erzeugnisse nach den Weisungen der Beklagten im eigenen Namen, jedoch für Rechnung der Beklagten zu fertigen und zu vertreiben. Als Entgelt dafür hatte die Beklagte der BK-AG u.a. die kalkulatorischen Abschreibungen auf ihr Anlagevermögen sowie "alle übrigen Aufwendungen wie Instandhaltung, Steuern (Grundsteuer, Vermögenssteuer, Vermögensabgabe , Kfz-Steuer, Gewerbekapitalsteuer) und Versicherungen" zu erstatten, die im Zusammenhang mit der Nutzung des Anlagevermögens der BK-AG für Rechnung der Beklagten entstanden. Ab 1. Januar 1981 übernahm die BE-AG aufgrund entsprechenden Vertrages mit der BK-AG deren jährliche Handelsbilanzergebnisse (Gewinn oder Verlust) zum jeweiligen Abschlußstichtag und hatte in ihrer Eigenschaft als Organträgerin auch die auf die BK-AG entfallenden Gewerbe- und Umsatzsteuern zu zahlen, die sie dann regelmäßig auf die BK-AG umlegte. Durch Vertrag vom 23. Dezember 1988 veräußerte die BE-AG ihre Anteile an der BK-AG unter Aufhebung des mit ihr geschlossenen Ergebnisabführungsvertrages an die Beklagte, welche die BK-AG im Mai 1990 mit sich verschmolz. Aufgrund des Ergebnisses einer Betriebsprüfung vom Juni 1993 mußte die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der BE-AG für den Veranlagungszeitraum 1985 bis 1988 auf die frühere BK-AG entfallende Umsatzsteuern in Höhe von 1.215.764,00 DM sowie Gewerbesteuern von 256.420,00 DM nachentrichten.
Mit der Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten Erstattung dieser Beträge. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat ihr entsprochen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet und führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
1. Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist allerdings die Feststellung des Berufungsgerichts, daß sich aus der zwischen der BE-AG und der BKAG geübten Steuerumlagepraxis eine von dem Ergebnisabführungsvertrag zwischen beiden unabhängige vertragliche Verpflichtung der BK-AG gegenüber der BE-AG zur Erstattung der auf die BK-AG entfallenden und von der BE-AG als Organträgerin zu zahlenden Steuern nicht hinreichend entnehmen läßt. Ein Erstattungsanspruch der BE-AG bzw. der Klägerin als deren Rechtsnachfolgerin aus § 670 BGB scheidet schon deshalb aus, weil die BE-AG als Organträgerin aufgrund der organschaftlichen Eingliederung der BK-AG in ihr Unternehmen (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG; § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG i.V.m. § 14 Nr. 1-3 KStG) selbst Steuerschuldnerin war und die BK-AG für deren Steuerschuld gemäß §§ 73, 219 AO lediglich subsidiär haftete. Die BE-AG leistete daher die Steuerzahlungen nicht "im Auftrag" der BK-AG, sondern aufgrund eigener Verpflichtung. Da jedoch die BK-AG aufgrund des Ergebnisabführungsvertrages mit ihrer Muttergesellschaft ohnehin ihren gesamten Jahresüberschuß an ihre Muttergesellschaft abzuführen hatte, spielte es im wirtschaftlichen Ergebnis keine Rolle, ob sie eine Steuerumlage oder statt ihrer einen entsprechend höheren Gewinn abführte. Auch aus Sicht des Organträgers (Klägerin) stellt sich die Steuerumlage in solchem Fall wirtschaftlich - mit entsprechender Auswirkung auf die Bilanzierung gemäß § 277 Abs. 3 Satz 2 HGB - als "Vorweg -Gewinnabführung" dar (vgl. Förschle in: Beck'scher Bilanzkommentar, 5. Aufl. § 275 Rdn. 258 m.N.; im Ergebnis ebenso Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen 6. Aufl. § 275 Rdn. 192 f.).
Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, daß die Steuerumlagepraxis der Rechtsvorgängerinnen der Prozeßparteien aufgrund sowie im Rahmen des Ergebnisabführungsvertrages und nicht aufgrund einer zusätzlich übernommenen vertraglichen Verpflichtung der BK-AG zur Steuererstattung erfolgt ist.
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht der Klägerin aber auch kein gesetzlicher Erstattungsanspruch entsprechend § 426 Abs. 2 BGB zum Ausgleich der nachentrichteten Steuern zu.

a) Zwar schließt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die gemäß § 219 AO nur subsidiäre Haftung der Organgesellschaft (hier: BK-AG) für die Steuerschulden des Organträgers gemäß § 73 AO ein zwischen beiden bestehendes Gesamtschuldverhältnis gegenüber dem Steuerfiskus (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 2 AO) mit der Folge eines Innenausgleichs entsprechend § 426 BGB für die auf das Unternehmen der Organgesellschaft entfallende Steuerschuld des Organträgers nicht aus (BGHZ 120, 50; Senat, BGHZ 141, 79, 85). Ein Ausgleichsanspruch des Organträgers gemäß § 426 BGB kommt jedoch nur in Betracht, "soweit nicht ein anderes bestimmt ist" (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ob deshalb bei Bestehen eines Unternehmensvertrages eine entsprechende Anwendung des § 426 BGB schlechthin ausscheidet, wie in BGHZ 120, 50, 55 offenbar angenommen, kann dahinstehen. Denn unabhängig davon richten sich Umfang und Grenzen eines Ausgleichsanspruchs gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB nach dem Innenverhältnis der Gesamtschuldner (vgl. BGHZ 103, 72, 76). Besteht - wie hier - ein Ergebnisabführungsvertrag, so kann der Organträger z.B. einen zu einem Fehlbetrag der Organgesellschaft führenden oder diesen vertiefenden Regreßanspruch nicht geltend machen, weil er den entsprechenden Betrag gemäß § 302 Abs. 1 AktG sogleich zurückgewähren müßte (§ 242 BGB). Deckt oder übersteigt dagegen - wie offenbar im vorlie-
genden Fall - der sonstige Ertrag der Organgesellschaft die auf sie entfallenden Steuern, so könnte der Organträger entweder - bei Fehlen einer Ausgleichspflicht gemäß § 426 BGB - die Abführung des gesamten Gewinns vor Steuern fordern und daraus seine durch die Organgesellschaft verursachte Steuerbelastung decken oder anderenfalls die Steuerbelastung gesondert auf die Organgesellschaft umlegen und die Abführung des danach verbleibenden Gewinns verlangen. Insgesamt kann er auch hier im Ergebnis nicht mehr als den Gewinn vor Steuern beanspruchen.
Dementsprechend konnte auch die BE-AG von der BK-AG für den Zeitraum von 1985 bis 1988 unabhängig von etwaigen späteren Steuernachforderungen nicht mehr verlangen als die bereits bezahlte Steuer und den darüber hinaus abgeführten Gewinn, mit dem der von der Klägerin geltend gemachte Steuermehrbetrag bereits abgegolten ist. Der von dem Berufungsgericht herangezogenen Hilfsaufrechnung der Beklagten mit einem Gegenanspruch wegen zuviel abgeführten Gewinns bedarf es nicht.

b) Ein noch bestehender Steuererstattungsanspruch der Klägerin ergibt sich - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - auch nicht daraus, daß die Beklagte aufgrund des Geschäftsbesorgungsvertrages vom 3. April 1978 der BK-AG gegenüber zur Steuererstattung verpflichtet war. Diese Verpflichtung umfaßte zwar - entgegen der Ansicht der Revision - gemäß § 13 Nr. 3 des Vertrages auch die Umsatzsteuer, soweit die in dem Vertrag vereinbarten Leistungen umsatzsteuerpflichtig waren. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin war jedoch weder Partei dieses Vertrages noch wurde er gemäß § 328 BGB zu ihren Gunsten abgeschlossen, zumal er aus der Zeit vor Abschluß des Ergebnisabführungsvertrages datiert. Soweit das Berufungsgericht die Klage gleichwohl für begründet hält, weil die von der Klägerin für den Zeitraum 1985 bis 1988 nach-
entrichteten Steuern bei rückschauender Betrachtung von der Beklagten (aufgrund des Geschäftsbesorgungsvertrages) an die BK-AG und von dieser ohne Schmälerung des tatsächlichen abgeführten Gewinns an die BE-AG zu erstatten gewesen wären, geht dies fehl. Zwar haftet die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der BK-AG für deren Schulden. Diese hatte aber gemäß § 301 AktG höchstens den in ihren damaligen Gewinn- und Verlustrechnungen ausgewiesenen Gewinn abzuführen, der die streitige Steuernachforderung gegenüber der Beklagten nicht enthielt. Selbst wenn man materiell-rechtlich einen in den Jahren 1985 bis 1988 entstandenen Anspruch der BK-AG gegen die Beklagte auf Steuernachzahlung annähme, wäre dieser durch Konfusion infolge der Verschmelzung der BK-AG mit der Beklagten erloschen und könnte daher nicht mehr zur (mittelbaren) Begründung eines Steuernachzahlungsanspruchs der Klägerin gegenüber der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der BK-AG herangezogen werden.
Wollte die Klägerin bzw. die BE-AG sich etwaige Ansprüche gegen die Beklagte wegen nachzuentrichtender Steuern sichern, so hätten sie dies in dem
Vertrag über den Verkauf der BK-Anteile an die Beklagte regeln müssen. Dieser Vertrag enthält eine Schiedsklausel und ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits.
Röhricht Goette Kraemer
Graf Strohn

(1) Besteht ein Beherrschungs- oder ein Gewinnabführungsvertrag, so hat der andere Vertragsteil jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, daß den anderen Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind.

(2) Hat eine abhängige Gesellschaft den Betrieb ihres Unternehmens dem herrschenden Unternehmen verpachtet oder sonst überlassen, so hat das herrschende Unternehmen jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit die vereinbarte Gegenleistung das angemessene Entgelt nicht erreicht.

(3) Die Gesellschaft kann auf den Anspruch auf Ausgleich erst drei Jahre nach dem Tag, an dem die Eintragung der Beendigung des Vertrags in das Handelsregister nach § 10 des Handelsgesetzbuchs bekannt gemacht worden ist, verzichten oder sich über ihn vergleichen. Dies gilt nicht, wenn der Ausgleichspflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan oder Restrukturierungsplan geregelt wird. Der Verzicht oder Vergleich wird nur wirksam, wenn die außenstehenden Aktionäre durch Sonderbeschluß zustimmen und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt.

(4) Die Ansprüche aus diesen Vorschriften verjähren in zehn Jahren seit dem Tag, an dem die Eintragung der Beendigung des Vertrags in das Handelsregister nach § 10 des Handelsgesetzbuchs bekannt gemacht worden ist.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

20
d) Steht nun aber - wie im Streitfall - fest, dass im Außenverhältnis zur Behörde mehrere Störer als Gesamtschuldner haften, dann muss im Innenverhältnis zwischen den Störern § 426 BGB gelten. Die öffentlich-rechtliche Natur des Anspruchs der Polizeibehörde gegenüber dem Störer steht dem nicht entgegen. § 426 BGB ist wegen der Selbständigkeit des Ausgleichsanspruchs auch anwendbar, wenn das Außenverhältnis zwischen dem Gläubiger und den Gesamtschuldnern öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist (Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 426 Rn. 3). So haften etwa gemeinsam veranlagte Ehegatten gemäß § 44 Abs. 1 AO gesamtverbindlich für die Steuern, der Innenausgleich hat jedoch gemäß § 426 BGB stattzufinden (BGH, Urteil vom 6. Dezember 1978 - IV ZR 82/77, BGHZ 73, 29, 36 f).
9
a) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Haftung der Beklagten zu 1 und 2 nicht deshalb gemindert, weil sich der Kläger die Mithaftung der Beklagten zu 3 bis 5 zurechnen lassen müsste. Bei mehreren nebeneinander verantwortlichen Schädigern besteht zum Geschädigten grundsätzlich die volle Haftung, ohne dass einer der Schädiger auf den Tatbeitrag des anderen verweisen könnte. Lediglich im Innenverhältnis ist zwischen den Gesamtschuldnern nach § 426 Abs. 1 BGB die Last des Schadens nach den Anteilen an dessen Herbeiführung aufzuteilen (vgl. Senatsurteil vom 13. Dezember 2005 - VI ZR 68/04, VersR 2006, 369, Rn. 12). Anderes gilt zwar, wenn den Geschädigten ein Mitverschuldensvorwurf trifft und die Abwägung nach § 254 BGB oder § 17 StVG dazu führt, dass die Ersatzansprüche, die dem Verletzten gegen mehrere Nebentäter zustehen, zu mindern sind. In einem solchen Fall ist das Prinzip der gesamtschuldnerischen Haftung mit dem Abwägungsprinzip des § 254 BGB bzw. des § 17 StVG in Einklang zu bringen, indem die Einzelabwägungen zwischen dem Geschädigten und den jeweiligen Schädigern mit einer aus der Gesamtschau gewonnenen Solidarabwägung im Sinne einer Gesamtabwägung verknüpft werden (vgl. Senatsurteile vom 16. Juni 1959 - VI ZR 95/58, BGHZ 30, 203, 211 f.; ebenso vom 8. November 1973 - VI ZR 129/71, BGHZ 61, 351, 354 und vom 13. Dezember 2005 - VI ZR 68/04, aaO). Die Gesamtschuld umfasst unter solchen Umständen nicht den gesamten Schaden, weil der jeweilige Schädiger dem Geschädigten, soweit dieser seinen Verantwortungsanteil selbst zu tragen hat, dessen Mithaftungsquote entgegenhalten kann. Jedoch ist im Streitfall ein unfallursächliches Mitverschulden des Klägers nicht gegeben, so dass die Gesamtschuld aller Beklagten in vollem Umfang besteht.
2
I. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt der von ihm formulierten Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Grundsätze des Innenausgleichs unter BGB-Gesellschaftern sind in der Rechtsprechung des erkennenden Senats, wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat, hinreichend geklärt (siehe zuletzt Sen.Urt. v. 15. Oktober 2007 - II ZR 136/06, ZIP 2007, 2313 ff. Tz. 14, 25 m.w.Nachw.). Für eine ärztliche Gemeinschaftspraxis gelten insoweit keine Besonderheiten. Sind die Gesellschafter, wie hier, zu gleichen Teilen an Gewinn und Verlust der Gesellschaft beteiligt, ist dieser Maßstab grundsätzlich auch für den Ausgleich im Innenverhältnis maßgeblich (Sen.Urt. v. 17. Dezember 2001 - II ZR 382/99, ZIP 2002, 394, 396; BGHZ 103, 72, 76; v. 15. Oktober 2007 aaO Tz. 25). Anderes kann gelten, wenn die der gesamtschuldnerischen Haftung zugrunde liegende Verbindlichkeit der Gesellschaft auf dem schuldhaften Verhalten eines der Gesellschafter beruht. Wie auch sonst im Gesamtschuldner-Innenausgleich (s. dazu Staudinger/Noack, BGB 2005 § 426 Rdn. 97 ff.) kann dies unter Heranziehung des Gedankens des § 254 BGB im Innenverhältnis zu einer Alleinhaftung des schuldhaft handelnden Gesellschafters im Verhältnis zu seinen Mitgesellschaftern führen (Sen.Urt. v. 15. Oktober 2007 aaO). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist jedoch eine Frage des Einzelfalls und daher nicht von grundsätzlicher Bedeutung.

(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.

(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 366/03 Verkündet am:
10. Mai 2005
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 831 A, 823 Hb, 840 Abs. 1 und 2; PflVG § 3 Nr. 1 und 8; SGB VII § 106 Abs.
3 Alt. 3
Eine Haftungsfreistellung des nicht selbst auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätigen
Unternehmers wegen Störung des Gesamtschuldverhältnisses mit einem nach
§ 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII haftungsprivilegierten Verrichtungsgehilfen setzt voraus,
daß der Verrichtungsgehilfe nachweislich schuldhaft gehandelt hat (Fortführung des
Senatsurteils BGHZ 157, 9 ff.).
BGH, Urteil vom 10. Mai 2005 - VI ZR 366/03 - OLG Brandenburg
LG Cottbus
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren nach
Ende der Schriftsatzfrist bis 18. März 2005 durch die Vorsitzende Richterin
Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter
Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten zu 2 wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 26. November 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagte zu 2 verurteilt worden ist, an den Kläger Schmerzensgeld zu zahlen und seine Ersatzpflicht hinsichtlich sämtlicher immaterieller Schäden aus dem Unfall vom 10. Mai 1999 festgestellt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger nimmt den Beklagten zu 2 als Haftpflichtversicherer des an einem Unfall beteiligten Lkw auf Zahlung von Schmerzensgeld sowie auf Fest-
stellung der Ersatzpflicht für weitere materielle und immaterielle Schäden in Anspruch. Der Kläger und der Beklagte zu 1 waren als Lkw-Fahrer für verschiedene Arbeitgeber tätig, für die sie am 10. Mai 1999 Asphalt zur Erneuerung des Straßenbelags einer Brücke transportierten. Die Brücke führt über die Gleise der Deutschen Bahn. Die elektrischen Oberleitungen für die Züge sind im Luftraum über der Brücke verspannt. Um den Asphalt ordnungsgemäß auf der Fahrbahn verteilen zu können, mußte der den Asphalt liefernde Lkw mit dem Ladegut rückwärts an die Asphaltiermaschine herangefahren werden. Die Asphaltiermaschine , die über eine eigene Lenkeinrichtung gesteuert wurde, schob sodann den Lkw vor sich her, der durch Anheben der Kippmulde die Maschine mit frischem Asphalt versorgte. Zum Unfallzeitpunkt ließ sich der Beklagte zu 1 in entsprechender Weise mit dem bei dem Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Lkw, dessen Halter der Arbeitgeber des Beklagten zu 1 war, schieben. Der Kläger hatte den von ihm geführten Lkw abgestellt und wartete auf die Beendigung des Arbeitsvorgangs, um den von ihm angelieferten Asphalt abladen zu können. Als der Kläger die geöffnete Beifahrertür des von dem Beklagten zu 1 gesteuerten Lkw anfaßte, um sich zu erkundigen, wie lange der Entladevorgang noch dauere, erlitt er auf nicht geklärte Weise einen Stromschlag. Er wurde dadurch schwer verletzt. Die Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen hat den Unfall des Klägers als Arbeitsunfall anerkannt. Der Kläger meint, der Beklagte zu 1 habe den Unfall fahrlässig herbeigeführt. Der Arbeitgeber und Halter des Fahrzeugs - der Inhaber der Spedition L. - hafte für den Beklagten zu 1 aus vermutetem Auswahl- oder Überwachungs-
verschulden, weshalb der entsprechende Direktanspruch auch gegen den Beklagten zu 2 gegeben sei. Das Landgericht hat die Ersatzpflicht des Beklagten zu 2 für die materiellen Schäden aufgrund der Haftung für die Betriebsgefahr des Lkw festgestellt. Es hat im übrigen die Klage abgewiesen, weil der Beklagte zu 1 gemäß § 106 Abs. 3 3. Alt. SGB VII von der Haftung für das streitgegenständliche Unfallgeschehen freigestellt sei. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels und der Anschlußberufung des Beklagten zu 2 diesen zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 € verurteilt und festgestellt, daß er verpflichtet sei, dem Kläger neben den materiellen Schäden auch künftige immaterielle Schäden zu ersetzen. Der erkennende Senat hat die nur vom Beklagten zu 2 eingelegte Revision zugelassen, soweit dieser verurteilt worden ist, an den Kläger Schmerzensgeld zu zahlen und seine Ersatzpflicht hinsichtlich sämtlicher immaterieller Schäden aus dem Unfall vom 10. Mai 1999 festgestellt worden ist. Mit der im Umfang dieser Zulassung geführten Revision begehrt der Beklagte zu 2 die Zurückweisung der Berufung des Klägers in vollem Umfang und die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


I.

Das Berufungsgericht hat hinsichtlich der allein noch im Streit befindlichen Haftung des Beklagten zu 2 auf Ersatz des immateriellen Schadens des
Klägers ausgeführt, daß der Schaden durch den Betrieb eines Kraftfahrzeugs verursacht worden sei. Der Beklagte zu 2 hafte als Haftpflichtversicherer des vom Beklagten zu 1 gesteuerten Lkw gemäß § 3 Nr. 1 PflVG allerdings nur, soweit der Arbeitgeber - zugleich der Halter des Lkw - zur Leistung von Schmerzensgeld verpflichtet sei. Diesen treffe nach § 831 Abs. 1 BGB ein Verschulden bei der Auswahl und Überwachung seines Verrichtungsgehilfen, des Beklagten zu 1. Ob dieser die Verletzung schuldhaft verursacht habe, sei für die Haftung nach § 831 Abs. 1 BGB unerheblich. Zwar könne nach dem Schutzzweck des § 831 BGB der Geschäftsherr ausnahmsweise vom Geschädigten trotz rechtswidriger Schadenszufügung durch einen Verrichtungsgehilfen nicht in Anspruch genommen werden, wenn dieser objektiv fehlerfrei gehandelt habe. Hierfür sei der Beweis jedoch nicht erbracht. Es sei Sache des Geschäftsherrn und im Anschluß daran auch des nach § 3 PflVG direkt haftenden Versicherers, den Ausschluß der Widerrechtlichkeit zu beweisen. Auch den Entlastungsbeweis nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB habe der Beklagte zu 2 nicht geführt.

II.

Das Urteil hält den Angriffen der Revision nicht stand. Das Berufungsgericht hat außer Acht gelassen, daß unter den Umständen des Streitfalls ein Ausschluß der Haftung des Beklagten zu 2 nach den §§ 831, 823, 847 BGB (a.F.) nach den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld in Betracht kommt (vgl. Senatsurteil BGHZ 157, 9 ff.). Darauf weist die Revision mit Recht hin. 1. Aufgrund der insoweit eingetretenen Rechtskraft ist nicht Gegenstand der revisionsrechtlichen Überprüfung, daß die Klage gegen den Beklagten zu 1 wegen der Haftungsprivilegierung nach § 106 Abs. 3 3. Alt. SGB VII abgewiesen worden ist. Die Revisionserwiderung übersieht mit ihrem Einwand, die
rechtskräftige Klagabweisung wirke nur für und gegen den einzelnen Gesamtschuldner und gelte nach § 425 BGB nicht für die Verpflichtung des Beklagten zu 2 als weiteren Gesamtschuldner, die Rechtskrafterstreckung nach § 3 Nr. 8 PflVG. Diese gilt nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats, auch dann wenn der Direktanspruch und der Haftpflichtanspruch nicht in getrennten , nacheinander geführten Prozessen geltend gemacht, sondern Versicherer und Schädiger als - einfache (vgl. BGHZ 63, 51, 53 ff.) - Streitgenossen gemeinsam im selben Rechtsstreit in Anspruch genommen worden sind (vgl. Senatsurteile vom 13. Dezember 1977 - VI ZR 206/75 - VersR 1978, 862, 865; vom 29. Mai 1979 - VI ZR 128/77 - VersR 1979, 841 f.; vom 14. Juli 1981 - VI ZR 254/79 - VersR 1981, 1156 ff.; ebenfalls vom 14. Juli 1981 - VI ZR 304/79 - VersR 1981, 1158 f. und vom 24. Juni 2003 - VI ZR 256/02 - VersR 2003, 1121). 2. Für die Entscheidung des Falles ist jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts von Bedeutung, ob der Beklagte zu 1 schuldhaft gehandelt hat. Träfe den Beklagten zu 1 ein Verschulden, hätte seine Haftungsprivilegierung eine Störung des dann bestehenden Gesamtschuldverhältnisses zur Folge, aufgrund deren der Beklagte zu 2 dem Kläger nicht für den Ersatz immateriellen Schadens haften würde.
a) Besteht zwischen mehreren Schädigern ein Gesamtschuldverhältnis, können Ansprüche des Geschädigten gegen einen Gesamtschuldner (Zweitschädiger ) auf den Betrag beschränkt sein, der auf diesen im Innenverhältnis zu dem anderen Gesamtschuldner (Erstschädiger) endgültig entfiele, wenn die Schadensverteilung nach § 426 BGB nicht durch eine sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierung des Erstschädigers gestört wäre (st. Rspr. vgl. Senat BGHZ 61, 551, 55; 94, 173, 176; 155, 205, 212 f.; 157, 9, 14 ff.; vom 17. Februar 1987 - VI ZR 81/86 - NJW 1987, 2669, 2670). Diese Beschränkung
der Haftung des Zweitschädigers beruht auf dem Gedanken, daß einerseits die haftungsrechtliche Privilegierung nicht durch eine Heranziehung im Gesamtschuldnerausgleich unterlaufen werden soll, es aber andererseits bei Mitberücksichtigung des Grundes der Haftungsprivilegierung, nämlich der anderweitigen Absicherung des Geschädigten durch eine gesetzliche Unfallversicherung, nicht gerechtfertigt wäre, den Zweitschädiger den Schaden allein tragen zu lassen (hierzu grundlegend Senat BGHZ 61, 51, 53 ff.). Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist der Zweitschädiger "in Höhe des Verantwortungsteils" freizustellen , der auf den Erstschädiger im Innenverhältnis entfiele, wenn man seine Haftungsprivilegierung hinwegdenkt (vgl. Senat BGHZ 61; 155 und 157 jeweils aaO). Unter "Verantwortungsteil" ist die Zuständigkeit für die Schadensverhütung und damit der eigene Anteil des betreffenden Schädigers an der Schadensentstehung zu verstehen (Senat BGHZ 110, 114, 119).
b) Nach diesen Grundsätzen hätte der Beklagte zu 1 bei Annahme seines Verschuldens im Innenverhältnis zu seinem Arbeitgeber die Verantwortung für die Schadensentstehung ohne die Haftungsprivilegierung des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII allein zu tragen, weil diesen als Geschäftsherrn nach §§ 831, 823, 840 Abs. 1 BGB die gesamtschuldnerische Haftung nur aus vermutetem Auswahl- und Überwachungsverschulden treffen könnte. Darüber hinaus bietet der Sachverhalt keine Anhaltspunkte für eine eigene "Verantwortlichkeit" des Arbeitgebers zur Schadensverhütung, etwa wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten oder eines Organisationsverschuldens (vgl. Senatsurteil BGHZ 157, aaO, 19 f.). Bei dieser Sachlage wäre im Verhältnis der beiden Gesamtschuldner zueinander der Beklagte zu 1 nach § 840 Abs. 2 BGB allein verpflichtet, wenn er nachweislich schuldhaft gehandelt hätte (Senatsurteil BGHZ 157, aaO, 15). Dann wäre nämlich "ein anderes bestimmt" im Sinne des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Dies beruht auf dem Grundgedanken, daß - wenn auf der einen Seite nur eine Gefährdungshaftung oder eine Haftung aus vermutetem Verschulden, auf der anderen Seite jedoch erwiesenes Verschulden vorliegt - im Innenverhältnis der schuldhaft Handelnde den ganzen Schaden tragen soll. Auch kann derjenige , der seinerseits eine Pflicht verletzt hat, im Innenausgleich sich nicht mit Erfolg darauf berufen, in der Erfüllung eben dieser Pflicht nicht genügend überwacht worden zu sein (vgl. Senat BGHZ 110, 114, 122). Mithin wäre es, falls den Beklagten zu 1 ein Verschulden trifft, nicht gerechtfertigt , den Arbeitgeber des Beklagten zu 1 und im Wege des Direktanspruchs nach § 3 Nr. 1 PflVG den Beklagten zu 2 als Haftpflichtversicherer gleichwohl für den Personenschaden des Klägers haften zu lassen, so daß die Frage eines Verschuldens des Beklagten zu 1 nicht offenbleiben konnte.
c) An diesem Ergebnis ändert sich nichts durch einen etwa bestehenden arbeitsrechtlichen Freistellungsanspruch des Beklagten zu 1 gegen seinen Arbeitgeber. Darauf weist die Revision mit Recht hin. Diese Besonderheiten des innerbetrieblichen Schadensausgleichs gelten grundsätzlich nur im Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Sie beschränken weder Haftpflichtansprüche von außerhalb des Betriebes stehenden Dritten (st. Rspr. vgl. etwa Senatsurteile BGHZ 110, 114; 108, 305; vom 21. Dezember 1993 - VI ZR 103/93 - VersR 1994, 477, 478; BAG VersR 1958, 54, 55), noch können sie umgekehrt bei einer Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers im Rahmen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses die haftungsrechtliche "Verantwortlichkeit" des Arbeitgebers im Verhältnis zum geschädigten außenstehenden Dritten erweitern (vgl. Senat BGHZ 157, aaO, 17 m.w.N.).

III.

Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur Klärung des Verschuldens des Beklagten zu 1 an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll

(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.

(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.

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a) Aufgrund der zwischen den Parteien nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bestehenden umsatzsteuerlichen Organschaft im Zeitraum von Januar bis Juni 2003 war die Beklagte als Organträgerin nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG Steuerschuldnerin der auf die Umsätze der Organschaft entfallenden Umsatzsteuer (vgl. BFH, Urteil vom 23. September 2009 - VII R 43/08, BFHE 226, 391, 395). Neben dem Organträger als Steuerschuldner haftet bei einer umsatzsteuerlichen Organschaft die Organgesellschaft nach § 73 Satz 1 AO für solche Steuern des Organträgers, für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist. Die Vorschrift behandelt den Organkreis als einheitliches Ganzes und erfasst infolgedessen auch diejenigen Steuern, die im Unternehmen des Organträgers angefallen sind (BGH, Urteil vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 244/91, BGHZ 120, 50, 53 f.). Nach § 73 Satz 2 AO erstreckt sich die Haftung der Organgesellschaft auf Ansprüche der Finanzbehörden auf Erstattung von Steuervergütungen, die dem Organträger zugeflossen sind. Der Organträger als Steuerschuldner und die nach § 219 Satz 1 AO nur nachrangig haftende Organgesellschaft werden - obwohl es an der Gleichstufigkeit der Schuld fehlt - im Hinblick auf § 44 Abs. 1 AO als Gesamtschuldner behandelt. Ein eventueller Innenausgleich wird nach bürgerlichem Recht entsprechend § 426 BGB vorgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 244/91, BGHZ 120, 50, 55 f.; Urteil vom 1. Dezember 2003 - II ZR 202/01, ZIP 2004, 164, 165; Urteil vom 19. Januar 2012 - IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 Rn. 19; BFH, Urteil vom 23. September 2009 - VII R 43/08, BFHE 226, 391, 398).
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Die Schuldnerin hatte gemäß § 73 AO als Haftungsschuldner für die Umsatzsteuerschuld des Organträgers gegenüber dem beklagten Land einzu- stehen. Im Innenverhältnis zu dem Organträger musste freilich die Schuldnerin die durch ihre eigene Geschäftstätigkeit ausgelöste Umsatzsteuer tragen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 244/91, BGHZ 120, 50, 54 ff). Das interne Ausgleichsverhältnis ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Organgesellschaft im Rahmen einer Organschaft Zahlungen an die Finanzverwaltung allein auf der Grundlage des gegen sie gerichteten Haftungsanspruchs (§ 73 AO) erbringt. Darum greift die Deckungsanfechtung gegen den Zahlungsempfänger durch, wenn der Schuldner diesem aufgrund einer von ihm übernommenen Sicherung im Rahmen einer eigenen Rechtsbeziehung zur Zahlung der gegen einen Dritten gerichteten Verbindlichkeit verpflichtet ist (BGH, Urteil vom 5. Februar 2004 - IX ZR 473/00, WM 2004, 932, 933; vom 9. Oktober 2008 - IX ZR 59/07, WM 2008, 2178 Rn. 23 a.E.; MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO § 130 Rn. 19; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, aaO § 130 Rn. 51; HmbKomm -InsO/Rogge, aaO § 130 Rn. 3; HK-InsO/Kreft, aaO § 130 Rn. 10; ähnlich im Ergebnis Jaeger/Henckel, aaO § 130 Rn. 19 a.E.).

Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.

(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.

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bb) Noch zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass zwischen mehreren - analog § 128 BGB persönlich haftenden - Gesellschaftern einer BGB-Außen-Gesellschaft ein echtes Gesamtschuldverhältnis besteht, auf das § 426 Abs. 1 BGB Anwendung findet (Sen.Urt. v. 2. Juli 1979 - II ZR 132/78, WM 1979, 1282; MünchKommBGB/Ulmer 4. Aufl. § 705 Rdn. 217; § 714 Rdn. 56). Anders als das Berufungsgericht in Verkennung der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung gemeint hat, entsteht jedoch der selbständige Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht erst mit der Befriedigung des Gläubigers, sondern schon mit der Entstehung des Gesamtschuldverhältnisses (BGH, Urt. v. 7. November 1985 - III ZR 142/84, WM 1986, 170; BGHZ 114, 117, 122; BGH, Urt. v. 20. Juli 2006 - IX ZR 44/05, ZIP 2006, 1591, 1592). Ist die Schuld fällig, kann der mithaftende Gesamtschuldner schon vor Erbringung seiner eigenen Leistung von seinen Mitschuldnern verlangen, ihren Anteilen entsprechend an der Befriedigung des Gläubigers mitzuwirken und ihn von einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger freizustellen (BGH, Urt. v. 5. März 1981 - III ZR 115/80, ZIP 1981, 594, 596; BGH, Urt. v. 7. November 1985 aaO; Urt. v. 20. Juli 2006 aaO). Diese Grundsätze gelten auch unter mehreren persönlich haftenden Gesellschaftern, wenn von der Gesellschaft kein Ausgleich zu erlangen ist (BGHZ 37, 299, 303; Sen.Urt. vom 2. Juli 1979 aaO). In diesem Fall kann ein Gesellschafter von seinen Mitgesellschaftern schon dann Freistellung fordern, wenn die ernsthafte Möglichkeit seiner Inanspruchnahme durch einen Gesellschaftsgläubiger besteht (MünchKommHGB/K. Schmidt 2. Aufl. § 128 Rdn. 36; Hillmann in Ebenroth /Boujong/Joost, HGB § 128 Rdn. 37).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ARZ 208/02
vom
10. Dezember 2002
in der Sache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : ja
BGHR : ja
Nach Inkrafttreten von § 17 Abs. 2 GVG in der Fassung des Gesetzes vom
17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2809) hat das nach § 32 ZPO örtlich zuständige
Gericht den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten
zu entscheiden, wenn im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung
im Rahmen der Darlegung eines Anspruchs aus unerlaubter Handlung ein
einheitlicher prozessualer Anspruch geltend gemacht wird.
BGH, Beschl. v. 10. Dezember 2002 - X ARZ 208/02 - Hanseatisches OLG
Hamburg
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 10. Dezember 2002
durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richter Prof. Dr. Jestaedt,
Scharen, die Richterin Mühlens und den Richter Dr. Meier-Beck

beschlossen:
Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Gründe:


I. Die Antragstellerin will die Beklagten als Gesamtschuldner im Wege des Gesamtschuldner-Regresses in Anspruch nehmen. Nach ihrer Darstellung beruht ihr Begehren auf folgender Begebenheit: Zwischen einem Rettungswagen der Antragstellerin und einem von dem in H. wohnenden Antragsgegner zu 2 gelenkten PKW kam es in H. zu einem Verkehrsunfall. Halter des geleasten PKWs war die in P. ansässige Antragsgegnerin zu 1. Die Antragstellerin ersetzte der Leasinggeberin den am Leasingfahrzeug entstandenen Schaden in voller Höhe. Sie meint, die Antragsgegner hätten sich jedenfalls in Höhe einer Haftungsquote von 30 % (entsprechend 2.541,90 diese Weise entstandenen Kosten zu beteiligen.

Die Antragstellerin hat am 10. April 2002 bei dem Hanseatischen Ober- landesgericht Hamburg beantragt, für die beabsichtigte Klage einen gemeinsamen Gerichtsstand zu bestimmen.
Das Oberlandesgericht möchte diesen Antrag ablehnen, weil seiner Ansicht nach ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand besteht. An dem gemäß § 32 ZPO begründeten Gerichtsstand der unerlaubten Handlung in H. könnten auch konkurrierende Ansprüche aus § 426 Abs. 1 BGB geltend gemacht werden.
Das Oberlandesgericht sieht sich an der beabsichtigten Entscheidung gehindert durch den Beschluß des Senats vom 19. Februar 2002 (X ARZ 334/01, NJW 2002, 1425) und durch Entscheidungen verschiedener anderer Oberlandesgerichte.
II. Die Vorlage ist nach § 36 Abs. 3 Satz 1 ZPO zulässig.
Die vom vorlegenden Oberlandesgericht vertretene Rechtsauffassung, wonach im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung auch über konkurrierende materiell-rechtliche Ansprüche nicht deliktsrechtlicher Art entschieden werden darf, steht in Widerspruch zu Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z.B. Urt. v. 11.2.1980 - II ZR 259/78, VersR 1980, 846; Urt. v. 4.2.1986 - VI ZR 220/84, NJW 1986, 2436, 2437) aus der Zeit vor Inkrafttreten von § 17 Abs. 2 GVG in der Fassung des Gesetzes vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2809; zukünftig: n.F.) und der Rechtsprechung verschiedener Oberlandesgerichte (OLG Hamm NJW-RR 2002, 1291; KG KGR 1995, 202; OLG Karlsruhe TranspR 1997, 166; OLG Köln MDR 2000, 170).

III. Der Antrag auf Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstands ist unbegründet. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sind nicht erfüllt. Für alle materiellen Ansprüche, die mit der beabsichtigten Klage geltend gemacht werden sollen, ist ein gemeinsamer Gerichtsstand am Ort des Unfalls (H. ) begründet.
1. Voraussetzung für die örtliche Zuständigkeit nach § 32 ZPO ist, daß der Kläger sein Begehren auf eine unerlaubte Handlung stützt, d.h. daß er einen materiellen Anspruch aus unerlaubter Handlung darlegt (vgl. Sen.Beschl. v. 19.2.2002 - X ARZ 334/01, NJW 2002, 1425). Eine dadurch begründete örtliche Zuständigkeit erstreckt sich nach dem Wortlaut der Bestimmung auf die "Klage". Der Gesetzeswortlaut knüpft damit insoweit nicht an materiell-rechtliche Kategorien an, sondern an den mit der Klage geltend gemachten prozessualen Streitgegenstand. Wird bei Darlegung einer unerlaubten Handlung mit der hierauf gestützten Klage ein einheitlicher prozessualer Anspruch geltend gemacht, hat das insoweit örtlich zuständige Gericht deshalb den Rechtsstreit nicht nur unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung, sondern unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen und zu entscheiden.
2. Das ist auch hier der Fall. Die Darlegung der Antragstellerin ergibt, daß gegen beide Antragsgegner sowohl ein im Wege der Legalzession nach § 426 Abs. 2 BGB erworbener materieller Schadensersatzanspruch nach dem Straßenverkehrsgesetz, für den die örtliche Zuständigkeit jeweils nach § 32 ZPO am Unfallort H. begründet ist, als auch ein Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB in Betracht kommt. Die hiernach möglichen materiellen Rechte bilden einen einheitlichen prozessualen Anspruch. Nach heutigem Ver-

ständnis sind hierfür maßgeblich der Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und der Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (st. Rspr., vgl. z.B. BGHZ 117, 1, 5 m.w.N.; auch Sen.Urt. v. 18.7.2000 - X ZR 62/98, NJW 2000, 3492, 3493). Insoweit decken sich die hier in materieller Hinsicht einmal auf das StVG in Verbindung mit § 426 Abs. 2 BGB, zum anderen auf § 426 Abs. 1 BGB gestützten Begehren. Der materielle Anspruch aus § 426 Abs. 1 BGB ist zwar zunächst darauf gerichtet, daß der andere Gesamtschuldner seinem Anteil entsprechend zur Befriedigung des Gläubigers mitwirkt, also bei Fälligkeit der Schuld einen seinem Anteil entsprechenden Betrag an den Gläubiger zahlt und dadurch so handelt, daß es überhaupt nicht zu einem Rückgriff zu kommen braucht (st. Rspr., vgl. z.B. BGH, Urt. v. 7.11.1985 - III ZR 142/84, NJW 1986, 978, 979; RGZ 79, 288, 290, 291). Sobald ein Gesamtschuldner mehr als den von ihm im Innenverhältnis geschuldeten Anteil an den Gläubiger gezahlt hat, kann jedoch unter Berufung auf ein und denselben Sachverhalt derselbe Klageantrag sowohl nach dem StVG in Verbindung mit § 426 Abs. 2 BGB als auch nach § 426 Abs. 1 BGB begründet sein.
3. Soweit vor Inkrafttreten des § 17 Abs. 2 GVG n.F. in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - dem Reichsgericht (RGZ 27, 385) folgend - aus § 32 ZPO entnommen wurde, im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung dürfe trotz Geltendmachung eines einheitlichen prozessualen Anspruchs nur über die deliktsrechtlichen materiellen Anspruchsgrundlagen entschieden werden (BGH, Urt. v. 4.2.1986 - VI ZR 220/84, NJW 1986, 2436, 2437; BGH, Urt. v. 11.2.1980 - II ZR 259/78, VersR 1980, 846, jeweils m.w.N.; vgl. auch BGHZ 98, 362; BGH, Beschl. v. 3.3.1983 - I ARZ 682/82, NJW 1983, 1799), kann hieran nicht mehr festgehalten werden. Die dieser Auffassung zu Grunde liegende

Auslegung von § 32 ZPO, die zur Folge hat, daß dasselbe Begehren im allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten unter Berufung auf nicht deliktsrechtliche Anspruchsgrundlagen erneut geltend gemacht werden kann (BGH, Urt. v. 5.7.1977 - VI ZR 268/75, VersR 1978, 59), ist in Anbetracht von § 17 Abs. 2 GVG in der seit dem 1. Januar 1991 geltenden Fassung nicht mehr sachgerecht.

a) Nach dieser Vorschrift muß ein Gericht, zu dem für ein bestimmtes Begehren der Rechtsweg eröffnet ist, den Streitgegenstand auch unter anderen , an sich nicht zur Zuständigkeit seines Rechtswegs gehörenden rechtlichen Gesichtspunkten prüfen und entscheiden. Hierdurch wird vermieden, daß es über denselben Streitgegenstand zu mehreren Verfahren in verschiedenen Gerichtszweigen kommt (BGHZ 114, 1, 2). Dabei wird in Kauf genommen, daß das zur Entscheidung berufene Gericht über Sachverhalt und Rechtsfragen zu befinden hat, die nicht zu seinem angestammten Zuständigkeitsbereich gehören und für die ein anderer Gerichtszweig möglicherweise größere Sachnähe besäße.
Der darin zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke muß im Zusammenhang mit der örtlichen Zuständigkeit ebenfalls zur Anwendung kommen. Wenn nach der Entscheidung des Gesetzgebers ein Gericht befugt und verpflichtet ist, über "rechtswegfremde" Anspruchsgrundlagen zu entscheiden, muß es erst recht befugt sein, über in seine Rechtswegzuständigkeit fallende Anspruchsgrundlagen zu entscheiden, die für sich gesehen seine örtliche Zuständigkeit nicht begründen würden.

Diesem Unstimmigkeiten zwischen den Regelungsbereichen von § 32 ZPO einerseits und § 17 Abs. 2 GVG n.F. andererseits vermeidenden Schluß steht die Entstehungsgeschichte des Gesetzes vom 17. Dezember 1990 nicht entgegen. Danach sollten die Regelungen der ZPO über Verweisungen wegen örtlicher und sachlicher Zuständigkeit von den Regelungen über die Rechtswegzuständigkeit unberührt bleiben. Das zielte insbesondere auf § 281 ZPO, nicht auf § 32 ZPO; denn diese Vorschrift beinhaltet keine Regelung über Verweisungen ; sie betrifft die einer Verweisung vorgelagerte Frage, ob ein Gericht zur Entscheidung zuständig ist. Zwischen der Frage, ob ein Gericht als örtlich zuständiges entscheiden darf, und der Frage, wie im Falle der Unzuständigkeit zu verfahren ist, besteht auch kein Zusammenhang, der es verlangte, von einer der Sache nach gebotenen Auslegung in dem einen Bereich abzusehen, solange die Regelungen im anderen Bereich unverändert bleiben.

b) Allerdings haben sich auch nach Inkrafttreten von § 17 Abs. 2 GVG n.F. zahlreiche Stimmen für eine Beibehaltung der bisherigen Rechtsprechung zu § 32 ZPO ausgesprochen (vgl. die bereits zitierten Entscheidungen verschiedener Oberlandesgerichte; ferner OLG Hamburg OLG-Rep Hamburg 1996, 347, 348 sowie aus der Literatur MünchKomm.ZPO/Patzina, 2. Aufl., § 32 Rdn. 19; Musielak/Smid, ZPO, 3. Aufl., § 12 Rdn. 8 ff. u. § 32 Rdn. 10; Stein/ Jonas/Schumann, ZPO, 21. Aufl., § 32 Rdn. 17; Jauernig, Zivilprozeßrecht, 26. Aufl., § 12 II, S. 42; Würthwein, ZZP 106 (1993), 51, 75 f.; Hager, Festschrift Kissel, 1994, S. 327, 340 m. Fn. 51; Banniza v. Bazan, Der Gerichtsstand des Sachzusammenhangs im EUGVÜ, dem Lugano-Abkommen und im deutschen Recht, 1995, S. 152 ff. (mit dem Vorschlag, das Gesetz zu ändern); Spickhoff, ZZP 109 (1996), 493, 495 ff.; Mankowski, IPRax 1997, 173, 178; Peglau, MDR 2000, 723). Die hierfür angeführten Gründe stehen einer Auslegung des § 32

ZPO nach Maßgabe des § 17 Abs. 2 GVG in der seit dem 1. Januar 1991 geltenden Fassung jedoch nicht entgegen (im Ergebnis ebenso: BayObLG NJW-RR 1996, 509; OLG Koblenz ZMR 1997, 77; OLG Frankfurt NJW-RR 1996, 1341; OLG Hamburg MDR 1997, 884; OLG Köln NJW-RR 1999, 1081, 1082; OLG Hamm NJW-RR 2000, 727 f.; KG MDR 2000, 413; MünchKomm.ZPO /Lüke, 2. Aufl., vor § 253 Rdn. 39 u. § 261 Rdn. 59; Zimmermann, ZPO, 5. Aufl., § 32 Rdn. 5; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 12 Rdn. 21 u. § 32 Rdn. 20; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 15. Aufl., § 36 VI 2, S. 181; Schwab, Festschrift Zeuner, 1994, S. 499, 505 ff.; Hoffmann, ZZP 107 (1994), 3, 11 ff.; Geimer, LM § 29 ZPO Nr. 8; Gottwald, JZ 1997, 92, 93; U. Wolf, ZZP Int. 2 (1997), 125, 134 f.; Windel, ZZP 111 (1998), 3, 13 f.; Vollkommer, Festschrift Deutsch, 1999, S. 385, 395 ff.).
Maßgeblicher Gesichtspunkt ist, daß der Gesetzgeber durch § 17 Abs. 2 GVG n.F. zum Ausdruck gebracht hat, daß das Interesse an einer möglichst schnellen und einfachen Beilegung des Rechtsstreits höher zu bewerten ist als das Anliegen, das Bestehen von Rechten stets von demjenigen Gericht beantworten zu lassen, das zu der jeweiligen Rechtsmaterie die engsten Beziehungen hat. Das kann seitdem auch bei der Auslegung von § 32 ZPO nicht unberücksichtigt bleiben. Denn auch im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit besteht die durch § 17 Abs. 2 GVG n.F. im Sinne der Prozeßökonomie gelöste Interessenlage. Auch hier könnte es - wie ausgeführt - ansonsten dazu kommen , daß derselbe Streitgegenstand mehrfach Gegenstand eines Rechtsstreits werden kann.

c) Demgegenüber ist nicht entscheidend (so aber OLG Hamburg OLGRep Hamburg 1996, 347, 348; OLG Karlsruhe TranspR 1997, 166, 167 f.;

Peglau, MDR 2000, 723; Spickhoff, ZZP 109 (1996), 493, 498; Würthwein, ZZP 106 (1993), 51, 76), daß der Kläger im Zivilprozeß - anders als in den Fällen des § 17 Abs. 2 GVG n.F. - jedenfalls bei Inanspruchnahme lediglich eines Beklagten - die Möglichkeit hat, eine einheitliche Entscheidung über alle Anspruchsgrundlagen herbeizuführen, indem er im allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten klagt. Der Kläger braucht diese Möglichkeit nämlich nicht zu nutzen; für ihn mag es im Einzelfall sogar verlockend sein, eine "zweite Chance" zu haben. Demgegenüber ist der Beklagte regelmäßig und berechtigter Weise daran interessiert ist, daß er nach einer ersten Klage und deren Abweisung nicht erneut mit demselben, auf denselben Sachverhalt gestützten Begehren gerichtlich konfrontiert werden kann.
Vor diesem Hintergrund vermag es auch nicht zu überzeugen, wenn eine umfassende Entscheidungsbefugnis des Gerichts im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung als unberechtigte Bevorzugung des Klägers angesehen wird (so aber OLG Köln MDR 2000, 170; Peglau, MDR 2000, 723; Würthwein, ZZP 106 (1993), 51, 75 f.). Die vor Inkrafttreten von § 17 Abs. 2 GVG n.F. in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 32 ZPO vertretene Meinung wie die nunmehr vorgenommene Auslegung der Bestimmung bieten sowohl für den Kläger als auch für den Beklagten Vor- und Nachteile (vgl. Vollkommer, Festschrift Deutsch, 1999, S. 385, 398; Windel, ZZP 111 (1998), 3, 14). Keiner dieser Nachteile ist so gravierend, daß die eine oder andere Lösungsmöglichkeit von vornherein ausschiede. Im Ergebnis gibt deshalb die in § 17 Abs. 2 GVG in der seit dem 1. Januar 1991 geltenden Fassung zum Ausdruck kommende sachbezogene Wertung den Ausschlag zugunsten einer umfassenden Entscheidungskompetenz des berechtigter Weise angerufenen Gerichts des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung.

Hieran ändert auch die verschiedentlich hervorgehobene Gefahr einer mißbräuchlichen Erschleichung von Zuständigkeiten (OLG Hamburg OLG-Rep Hamburg 1996, 347, 348; MünchKomm.ZPO/Patzina, § 32 Rdn. 19; Spickhoff, ZZP 109 (1996), 493, 502; Würthwein, ZZP 106 (1993), 51, 76 f.) nichts. Ihr wird schon dadurch begegnet, daß die Zuständigkeit nach § 32 ZPO nur dann besteht, wenn der Kläger einen Anspruch aus unerlaubter Handlung darlegt (Sen.Beschl. v. 19.2.2002 - X ARZ 334/01, NJW 2002, 1425). Hat der Kläger seiner Darlegungslast insoweit genügt und ist lediglich ein einheitlicher Streitgegenstand zu beurteilen, führt eine Klage im Gerichtstand der unerlaubten Handlung überdies regelmäßig dazu, daß der Streit insgesamt von einem ortsnahen Gericht erledigt werden kann, was die zu beurteilenden Handlungen anbelangt. Das dient nicht nur der Prozeßökonomie, sondern kann auch eine sachgerechte Entscheidung des Einzelfalls fördern.

d) Der vorgenommenen Auslegung von § 32 ZPO steht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur internationalen Zuständigkeit nicht entgegen. Danach ist die Entscheidungsbefugnis der deutschen Gerichte allerdings auf deliktsrechtliche Anspruchsgrundlagen beschränkt, soweit § 32 ZPO zur Begründung der internationalen Zuständigkeit herangezogen wird (BGHZ 132, 105, 112 f.; zur entsprechenden Rechtsprechung des EuGH zu Art. 5 EuGVÜ vgl. EuGH, Beschl. v. 27.9.1998 - Rs. 189/87, NJW 1988, 3088, 3089). Die Entscheidung über die internationale Zuständigkeit ist aber mit besonders weitreichenden Konsequenzen verknüpft. Von ihr hängt ab, welche nationalen Vorschriften für das Verfahrensrecht und das Kollisionsrecht anwendbar sind. Auch unabhängig davon ist es für die Beteiligten in aller Regel von besonderer Bedeutung , ob sie in ihrem Heimatstaat oder im Ausland vor Gericht stehen (vgl.

BGHZ 132, 105, 113 f.). Schon die Entscheidung, ob im Inland die ordentlichen Gerichte oder die Gerichte eines anderen Rechtswegs zuständig sind, ist demgegenüber von deutlich geringerem Gewicht. Erst recht gilt dies, wenn es allein um die örtliche Zuständigkeit innerhalb desselben Gerichtszweigs geht. Die Folge, daß die Entscheidungsbefugnis des Gerichts weniger weit reicht, wenn § 32 ZPO nicht für die örtliche, sondern für die internationale Zuständigkeit maßgeblich ist, kann deshalb hingenommen werden. Zwar leitet sich nach innerstaatlichem Recht die internationale Zuständigkeit gesetzestechnisch aus der örtlichen Zuständigkeit ab. Dennoch bleibt die internationale Zuständigkeit eine selbständige Prozeßvoraussetzung, bei der sich im Vergleich zur örtlichen Zuständigkeit unterschiedliche Interessen der Parteien ergeben können und zu beachten sind.

e) Die vorgenommene Auslegung von § 32 ZPO steht schließlich auch nicht im Widerspruch zu Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Diese Vorschrift verlangt, daß sich der für den Einzelfall zuständige Richter möglichst eindeutig aus einer allgemeinen Norm ergibt (BVerfGE 48, 246, 253). Ist die Zuständigkeit in einem förmlichen Gesetz geregelt, sind die insoweit geltenden allgemeinen Auslegungsgrundsätze heranzuziehen. Danach hat sich die Auslegung nicht auf den Wortlaut der Norm zu beschränken; zur Erfassung ihres Sinns sind vielmehr auch alle anderen Auslegungskriterien heranzuziehen (BVerfGE aaO, 254). Sie ergeben hier - wie ausgeführt - eine umfassende Entscheidungszuständigkeit im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG es zuläßt, von einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Auslegung einer Zuständigkeitsnorm ohne Anlaß abzuweichen. Ein solcher Fall ist hier nämlich nicht gegeben. Der Wortlaut des § 32 ZPO ist zwar unverändert geblieben. Durch das Inkrafttreten des § 17 Abs. 2

GVG n.F. ist die Norm aber in einen anderen Regelungszusammenhang gestellt worden. Dies erlaubt und gebietet, sie in anderem Sinne auszulegen als es in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bis dahin geschehen ist.

f) § 132 Abs. 2 GVG hindert nicht, daß der für Gerichtstandsbestimmungen geschäftsplanmäßig zuständige X. Zivilsenat die gebotene Entscheidung ohne Vorlage an den Großen Senat trifft. Auch dies folgt aus dem soeben Ausgeführten. Durch Inkrafttreten von § 17 Abs. 2 GVG n.F. stellt sich die Rechtsfrage der Tragweite von § 32 ZPO auf Grund einer geänderten Gesetzeslage neu; bis dahin ergangene Entscheigungen anderer Senate des Bundesgerichtshofs sind gleichsam überholt. Wie bei anderem zu Grunde liegendem Sachverhalt fehlt es mithin an der nach § 132 Abs. 2 GVG erforderlichen Identität der Rechtslage (vgl. BVerfG, Beschl. v. 2.7.1992 - 2 BvR 972/92, NStZ 1993, 90; Beschl. v. 16.8.1994 - 2 BvR 647/93, NStZ 1995, 76).
3. Da nach allem im vorliegenden Fall gemäß § 32 ZPO für alle geltend zu machenden Anspruchsgrundlagen ein gemeinsamer Gerichtsstand in H. besteht und es deshalb einer Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts nicht bedarf, ist der Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung kostenpflichtig

(vgl. BGH, Beschl. v. 5.2.1987 - I ARZ 703/86, MDR 1987, 735) durch den nach § 36 Abs. 3 Satz 2 ZPO zur Entscheidung berufenen Bundesgerichtshof zurückzuweisen.
Melullis Jestaedt Scharen
Mühlens Meier-Beck

(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.

(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.

(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.

(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.

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aa) Die Qualifizierung eines Verhaltens als sittenwidrig ist eine Rechtsfrage , die der uneingeschränkten Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt (Senatsurteile vom 25. März 2003 - VI ZR 175/02, BGHZ 154, 269, 274 f. mwN; vom 13. Juli 2003 - VI ZR 136/03, VersR 2004, 1273, 1275 und vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 248/08, juris Rn. 12 f.). Ein Verhalten ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (st. Rspr. seit RGZ 48, 114, 124). In diese rechtliche Beurteilung ist einzubeziehen , ob es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist (BGH, Urteile vom 6. Mai 1999 - VII ZR 132/97, BGHZ 141, 357, 361 mwN; vom 19. Juli 2004 - II ZR 402/02, BGHZ 160, 149, 157; vom 14. Mai 1992 - II ZR 299/90, WM 1992, 1184, 1186 mwN und vom 19. Juli 2004 - II ZR 217/03, NJW 2004, 2668, 2670). Ein Unterlassen verletzt die guten Sitten nur dann, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Hierfür reicht die Nichterfüllung einer allgemeinen Rechtspflicht, aber auch einer vertraglichen Pflicht nicht aus. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die das schädigende Verhalten wegen seines Zwecks oder wegen des angewandten Mittels oder mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als "anständig" Geltenden verwerflich machen (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 124/09, VersR 2010, 1659 Rn. 12 und - vom selben Tag - VI ZR 248/08, juris Rn. 13 jeweils mwN und vom 20. November 2012 - VI ZR 268/11, VersR 2013, 200 Rn. 25). Ein solches Unwerturteil rechtfertigt das Verhalten der Beklagten gegenüber der Klägerin nicht.

(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.