Bundesgerichtshof Urteil, 04. Sept. 2008 - 1 StR 383/08

bei uns veröffentlicht am04.09.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 383/08
vom
4. September 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. September
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung und bei der Verkündung -
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung -
Rechtsanwalt
- bei der Verkündung -
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. 1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 16. November 2007 mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufgehoben ,
a) soweit der Angeklagte wegen der Tat II. 1. der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b) im Gesamtstrafenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen. II. Die Revision des Angeklagten wird verworfen. Er hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat II. 1. der Urteilsgründe = angeklagte Tat 1, zwei Jahre Freiheitsstrafe) sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Diebstahl (Tat II. 2. der Urteilsgründe = angeklagte Tat 10, drei Jahre Freiheitsstrafe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und 800 € als Wertersatz für verfallen erklärt. Von dem Vorwurf, in weiteren fünf Fällen mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt gewerbsmäßig Handel getrieben (angeklagte Taten 2 bis 6) und in drei Fällen Beihilfe zur bandenmäßigen unerlaubten Einfuhr von und zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge geleistet (angeklagte Taten 7 bis 9) zu haben, hat es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen (1.).
2
Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft wendet sich mit der Sachrüge dagegen, dass das Landgericht bei der Tat II. 1. der Urteilsgründe einen zu geringen Schuldumfang angenommen und den Angeklagten von den ihm zur Last gelegten Taten 2 bis 6 freigesprochen hat. Das Rechtsmittel hat lediglich hinsichtlich der Tat II. 1. Erfolg (2.). Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten zeigt keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf (3.).
3
1. a) Nach den Feststellungen zur Tat II. 1. war der gesondert verfolgte S. der Kopf einer Gruppierung, die regelmäßig mindestens 25 kg Marihuana aus den Niederlanden nach Deutschland einführte, um es hier gewinnbringend zu verkaufen. An diesen vermittelte der Angeklagte Anfang Januar 2004 den ebenfalls gesondert verfolgten, ihm 2.300 € schuldenden, jedoch arbeitslosen und finanziell schlecht gestellten N. als Kurierfahrer, um einerseits diesem eine Verdienstmöglichkeit zu verschaffen und andererseits S. s Drogengeschäfte zu fördern. Er ging dabei davon aus, dass N. mehrere, zahlenmäßig nicht feststehende Kurierfahrten durchführen werde. Tatsächlich kam es im Zeitraum vom 10. Februar bis 26. März 2004 zu vier Beschaffungsfahrten, für die N. pro Fahrt 1.000 € als Kurierlohn erhielt und von denen er jeweils 200 € an den di es verlangenden Angeklagten für die erfolgte Vermittlung weitergab.
4
b) Zur Tat II. 2. hat das Landgericht festgestellt, dass S. im Frühjahr 2004 einer Darlehensforderung des Angeklagten nicht zu dessen Zufriedenheit entsprach. Der Angeklagte entwickelte deshalb den Plan, eine von N. transportierte Marihuanalieferung an sich zu bringen und auf eigene Rechnung binnen zwei Wochen zu verkaufen. Plangemäß kam es zu folgendem Tatgeschehen :
5
Am 26. März 2004 transportierte N. , der sich mit dem Plan einverstanden erklärt hatte, mit einem Audi A 6 in drei Taschen insgesamt 25 kg Marihuana (Wirkstoffgehalt 5 % Tetrahydrocannabinol), die S. im Kofferraum verstaut hatte, von Maastricht nach Stuttgart-Bad Cannstatt. Dieses schon zuvor von S. s Gruppierung für Betäubungsmitteltransporte genutzte Fahrzeug war zunächst auf den bislang eingesetzten Kurierfahrer zugelassen gewesen , nun aber auf N. umgeschrieben worden, um bei etwaigen Kontrollen nicht aufzufallen. Für eine notwendige Reparatur war S. aufgekommen. Auf der gesamten Strecke fuhr N. ein von S. gelenktes, mit einem wei- teren Angehörigen der Gruppierung besetztes Fahrzeug voraus, aus dem heraus er per Mobilfunktelefon vor Polizeikontrollen gewarnt werden sollte. Am Ziel stellte N. sein Auto auf einem mit S. verabredeten Parkplatz ab, dort allerdings nicht an der üblichen, gut ausgeleuchteten Stelle, sondern hiervon ein Stück entfernt im Dunkeln. Sodann ließ er sich mit dem Begleitfahrzeug nach Hause fahren. Während dessen brachen vom Angeklagten hiermit beauftragte Rumänen das Fahrzeug auf, nahmen die Taschen mit dem Marihuana an sich und übergaben sie an eine ebenfalls rumänische Bekannte des Angeklagten zur Weiterleitung an zwei von diesem eingeschaltete Männer. Je die Hälfte des Verkaufserlöses sollten zum einen der Angeklagte und N. , zum anderen die rumänischen Beteiligten erhalten.
6
2. a) Die Staatsanwaltschaft hat zwar sowohl bei der Einlegung der Revision als auch mit der Revisionsbegründungsschrift einschränkungslos beantragt , das angefochtene Urteil aufzuheben. Sie hat aber zur Begründung ihres Rechtsmittels ausgeführt, sie erhebe die Sachrüge „bezüglich der Anklagepunkte Ziffer 1 bis 6“ (= Tat II. 1. der Urteilsgründe sowie angeklagte Taten 2 bis 6), und auch nur in diesem Rahmen nähere materiell-rechtliche Erwägungen vorgebracht. Soweit der Angeklagte von drei weiteren Tatvorwürfen freigesprochen worden sei, handele es sich um die „von der Revisionseinlegung nicht betroffenen Anklagepunkte Ziffer 7 bis 9“. Auch wenn im Unterschied hierzu die Tat II. 2. von der Anfechtung nicht ausdrücklich ausgenommen worden ist, versteht der Senat ebenso wie der Generalbundesanwalt das gesamte Revisionsvorbringen so (vgl. BGH NStZ 1998, 210), dass das staatsanwaltschaftliche Rechtsmittel insofern weder den Schuld- noch den Strafausspruch angreifen will. In diesem Zusammenhang bemerkt der Senat, dass - zumal bei einer Revision der Staatsanwaltschaft - die Revisionsanträge nicht nur klar und widerspruchsfrei , sondern auch ohne weiteres deckungsgleich mit den Ausführungen zur Revisionsbegründung sein sollten. Das Revisionsverfahren wird nicht unerheblich erleichtert, wenn der Umfang der Anfechtung, also das Ziel des Rechtsmittels, nicht erst durch eine (nicht am Wortlaut haftende) Erforschung des Sinns des Vorbringens und seines gedanklichen Zusammenhangs unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ermittelt zu werden braucht (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 118).
7
b) Im dargelegten Rahmen wendet sich die Revision primär gegen die landgerichtliche Würdigung der Beweise. Sie ist lediglich hinsichtlich der Tat II. 1. erfolgreich, bei der sie die Bewertung des Schuldumfanges zu Recht als unzureichend ansieht.
8
aa) Bei der Zumessung der Strafe für die Tat II. 1. hat das Landgericht zwar ausgeführt, dass sich der Angeklagte bei der Vermittlung N. s bewusst war, dieser würde nicht nur eine, sondern mehrere Fahrten durchführen. „Nachdem aber nicht geklärt werden konnte, von welcher Anzahl Fahrten der Angeklagte ausgegangen ist, hat die Kammer zugunsten des Angeklagten unterstellt , dass sein Gehilfenvorsatz sich auf jedenfalls zwei Kurierfahrten mit jeweils 25 kg Marihuana erstreckt“ hat. Für die Berechnung der Überschreitung des Grenzwertes zur nicht geringen Betäubungsmittelmenge ist sie daher von insgesamt 50 kg Marihuana ausgegangen.
9
Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Denn der vom Landgericht angewendete Zweifelssatz setzt eine vorherige umfassende Würdigung der relevanten Indizien voraus (vgl. BGH NStZ 2001, 609; BGH, Urt. vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06). Eine solche Gesamtbetrachtung lässt sich den schriftlichen Urteilsgründen nicht entnehmen. In diese hätte insbesondere einbezogen werden müssen, dass der Angeklagte nach den Feststellungen mit der Vermitt- lung N. s bezweckte, diesem mit dem Ziel der Tilgung der Schulden in Höhe von 2.300 € eine Einnahmequelle zu verschaffen, und sich dementsprechend für alle vier Betäubungsmitteltransporte jeweils 200 € „Provision“ auszahlen ließ. Mit Blick darauf hätte - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - zudem erwogen werden müssen, ob und ggf. inwieweit der Angeklagte bezüglich weiterer Betäubungsmitteleinfuhren mit zumindest bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Hierzu hätte sich das Landgericht schon deshalb veranlasst sehen müssen, da es festgestellt hat, der Angeklagte sei von mehreren, letztlich aber zahlenmäßig nicht feststehenden Kurierfahrten ausgegangen. Im Übrigen verlangt der Zweifelssatz nicht, von einer dem Angeklagten jeweils (denkbar) günstigsten Fallgestaltung auch dann auszugehen, wenn hierfür keine Anhaltspunkte bestehen. Unterstellungen zugunsten eines Angeklagten sind vielmehr nur dann rechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter hierfür reale Anknüpfungspunkte hat (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 166, 168; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 18).
10
bb) Hingegen ist die den Freisprüchen von den angeklagten Taten 2 bis 6 zugrunde liegende Beweiswürdigung des Landgerichts rechtlich nicht zu beanstanden. Die Aufgabe, sich auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel eine Überzeugung vom tatsächlichen Geschehen zu verschaffen, obliegt grundsätzlich allein dem Tatgericht. Seine Beweiswürdigung hat das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Es ist ihm verwehrt, sie durch eine eigene zu ersetzen oder sie nur deshalb zu beanstanden, weil aus seiner Sicht eine andere Bewertung der Beweise näher gelegen hätte. Dies gilt selbst dann, wenn eine vom Tatgericht getroffene Feststellung „lebensfremd“ erscheinen mag. Kann dieses vorhandene Zweifel nicht überwinden, so kann das Revisionsgericht eine solche Entscheidung nur im Hinblick auf Rechtsfehler überprüfen (vgl. BGH, Urt. vom 20. Juni 2007 - 2 StR 161/07). In diesem Sinne fehlerhaft ist eine Be- weiswürdigung etwa dann, wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (vgl. BGH NStZ 1984, 180).
11
Hieran gemessen deckt die Revision keinen durchgreifenden Fehler auf. Das Landgericht hat die zu den angeklagten Taten 2 bis 6 erzielten Beweisergebnisse umfassend gewürdigt und dabei keine wesentlichen Gesichtspunkte unbeachtet gelassen. Es hat insbesondere die Angaben des Zeugen M. , der als „Finanzverwalter“ S. s fungierte, vertretbar bewertet und dabei rechtlich unangreifbar dessen Einschätzung berücksichtigt, dass die von ihm geführten Listen auch ihre Grundlage in legalen Geschäften gehabt haben können. Der Senat teilt nicht die Besorgnis des Generalbundesanwalts, das Landgericht habe hierdurch zugunsten des - diese Vorwürfe pauschal bestreitenden - Angeklagten einen Sachverhalt unterstellt, für dessen Vorliegen nach den festgestellten Umständen nichts sprach. Denn neben der bereits dargelegten Einschätzung des Zeugen M. hat die Beweisaufnahme Anhaltspunkte für Darlehensgeschäfte ergeben, in die neben dem Angeklagten auch S. involviert gewesen sein kann. Im Übrigen hat das Landgericht die sonstigen Beweisergebnisse beanstandungsfrei in die Gesamtwürdigung eingestellt, wonach bei einer Durchsuchung von Wohnung und Auto des Angeklagten nichts gefunden worden ist, was auf ein Handeltreiben mit Betäubungsmitteln hingedeutet hätte, und Finanzermittlungen ebenfalls keine diesbezüglichen Hinweise erbracht haben. Soweit die Staatsanwaltschaft diese und andere Indizien herausgreift und sich gegen deren (entlastenden) Beweiswert wendet, handelt es sich um den im Revisionsverfahren unbehelflichen Versuch, die eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Tatgerichts zu setzen. Bei der Bewertung der Indizien hat das Landgericht schließlich auch keine tatsächlich nicht existenten Erfahrungssätze herangezogen. Insgesamt ist es danach rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Überzeugung von der Begehung der fünf angeklagten Taten 2 bis 6 durch den Angeklagten nicht hat gewinnen können.
12
c) aa) Die unvollständige Beweiswürdigung bezüglich der Tat II. 1. führt insoweit zur Aufhebung des Schuldspruchs, da sich den Feststellungen nicht entnehmen lässt, auf welche der vier Beschaffungsfahrten sich der Gehilfenvorsatz des Angeklagten bezogen hat. Dies zieht die Aufhebung der Einzelstrafe von zwei Jahren, der Anordnung des Verfalls des Wertersatzes sowie der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich. Hingegen können die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen - namentlich zu Anzahl und Umfang der Beschaffungsfahrten - aufrechterhalten bleiben, da sie keinen Rechtsfehler aufweisen. Sie können in der neuen Verhandlung ergänzt werden.
13
bb) Auch die Strafe für die rechtsfehlerfrei beurteilte Tat II. 2. hat Bestand. Der Senat kann angesichts der vom Landgericht angestellten Zumessungserwägungen und der daraus resultierenden Verhängung einer dreijährigen Freiheitsstrafe bei einer gesetzlich vorgesehenen Mindeststrafe von einem Monat (§ 31 BtMG) ausschließen, dass sie von dem (möglicherweise) zu gering angenommenen Schuldumfang der Tat II. 1. beeinflusst worden ist.
14
3. Die Revision des Angeklagten zeigt keinen materiell-rechtlichen Mangel zu seinem Nachteil auf. Sie meint allerdings, durch die Feststellungen zur Tat II. 2. würde die tateinheitlich zum Betäubungsmitteldelikt erfolgte Verurteilung wegen Diebstahls nicht getragen. Denn es fehle am erforderlichen Bruch fremden Gewahrsams, da zum Zeitpunkt des Aufbrechens des Fahrzeugs des- sen Fahrer N. alleiniger Gewahrsamsinhaber gewesen sei. Dies trifft jedoch im Ergebnis nicht zu.
15
Für die Frage, wer den Gewahrsam an einer Sache innehat, kommt es nach ständiger Rechtsprechung entscheidend auf die Anschauungen des täglichen Lebens an. Der Gewahrsamsbegriff wird wesentlich durch die Verkehrsauffassung bestimmt. Deshalb hängt das Bestehen tatsächlicher Sachherrschaft nicht in erster Linie, jedenfalls nicht allein von der körperlichen Nähe zur Sache und nicht von der physischen Kraft ab, mit der die Beziehung zur Sache aufrechterhalten wird oder aufrechterhalten werden kann (vgl. BGHSt 16, 271, 273).
16
Danach durfte das Landgericht bei seiner rechtlichen Würdigung zu dem Ergebnis gelangen, das dem Angeklagten mittäterschaftlich zuzurechnende Verhalten der das Fahrzeug aufbrechenden Rumänen erfülle den Diebstahlstatbestand. Denn insofern kam es auf die von der Revision ausführlich diskutierten Herrschaftsverhältnisse während der Fahrt aus den Niederlanden nach Stuttgart-Bad Cannstatt nicht an. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung war vielmehr, wer bis zu dem Zeitpunkt, in dem die Rumänen die drei mit Marihuana gefüllten Taschen an sich brachten, den Gewahrsam am Fahrzeug nebst Inhalt hatte. Dies war - wenigstens in der Form des übergeordneten Mitgewahrsams - S. als Kopf der Bande und nicht der von ihm beauftragte, nicht zur Bande gehörende Kurier, zumal einerseits der von diesem vorzunehmende Transport beendet und andererseits S. am von ihm vorgegebenen Abstellort zunächst anwesend war, also trotz des Parkens des Schmuggelfahrzeugs an einer weniger hell erleuchteten Stelle unmittelbar auf das Auto und die darin befindlichen Taschen, die er nach den Feststellungen selbst eingeladen hatte, hätte zugreifen können. Auch der Umstand, dass deren Abhandenkommen nur kurze Zeit, nachdem N. mit dem Begleitfahrzeug nach Hause gefahren worden war, entdeckt wurde, spricht dafür. Hiergegen fiel der Umstand, dass sich die Betäubungsmittel in einem auf N. zugelassenen Auto befanden, nicht ins Gewicht, zumal es sich dabei um das von S. s Gruppierung seit langem genutzte Bandenfahrzeug handelte. Nach allem ist das Landgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise innerhalb des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums geblieben.
17
4. Mit der Teilaufhebung des Urteils hat sich die vom Angeklagten eingelegte Kostenbeschwerde erledigt (vgl. BGHSt 25, 77, 79; 26, 250, 253; BGH, Beschl. vom 10. Dezember 2002 - 4 StR 451/02). Nack Wahl Hebenstreit Elf Sander

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 04. Sept. 2008 - 1 StR 383/08

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an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin und
Rechtsanwältin
als Verteidigerinnen,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger H. C. , E. C. und
M. W. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers T. M. ,
die Nebenklägerin M. W. persönlich,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 21. April 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Stuttgart zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Mordes und des zweifachen Mordversuchs freigesprochen. Nach der Anklage lag ihm zur Last, am 7. Oktober 2004 die Sparkassenfiliale in S. ausgeraubt und dabei eine Sparkassenkundin erschossen und deren Ehemann sowie einen Sparkassenangestellten lebensgefährlich verletzt zu haben. Von seiner Täterschaft konnte sich das Landgericht nicht überzeugen.
2
Mit ihren Revisionen rügen die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Die Rechtsmittel, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, haben mit der Sachrüge Erfolg, da die dem Freispruch zugrunde liegende Beweiswürdigung Rechtsmängel aufweist. Auf die Verfahrensrügen kommt es nicht mehr an.

I.

3
1. Das Landgericht hat festgestellt:
4
Am 7. Oktober 2004 versah in der Sparkassenfiliale S. der Bankkaufmann T. M. den Dienst. Während der von 12.00 Uhr bis 14.00 Uhr dauernden Mittagspause nahm T. M. eine Verabredung in N. mit Kollegen anderer Filialen wahr. Zwischen 13.46 Uhr und spätestens 13.54 Uhr kehrte er in die Filiale S. zurück. Unter nicht näher geklärten Umständen wurde er dort vor 13.56 Uhr von einem unmaskierten und mit einer Pistole bewaffneten Mann gezwungen, im Kassenraum den Banktresor zu öffnen und Geldscheine sowie Münzgeld im Werte von 33.514 € herauszugeben. Anschließend musste sich T. M. in dem benachbarten Beratungsraum hinknien und erhielt von dem Täter mit einem stumpfkantigen Gegenstand bis zu zwölf wuchtige Schläge auf den Kopf, die zu einem lebensgefährlichen Schädel-Hirn-Trauma mit einer handtellergroßen Trümmerfraktur des Schädeldachs und zu Trümmerfrakturen im Bereich der Augenhöhlen sowie Kontasionen des Hirngewebes führten.
5
Um 13.55 Uhr betraten die Eheleute C. die Sparkassenfiliale, um ein Bankgeschäft zu erledigen. Vom Kundenschalterraum aus hörten sie Stöhngeräusche , ohne jemand zu sehen. Mit den Worten "Schnell raus, hier stimmt was nicht" zog H. C. seine Ehefrau in den Windfang und wollte mit ihr die Bank verlassen. Noch bevor sie die Eingangstür erreicht hatten, kam ein Mann aus dem Beratungsraum und drängte sie mit vorgehaltener Pistole zurück in den Kundenschalterraum. Er drückte den Zeugen H. C. bäuchlings über die Sitzfläche eines Stuhles, setzte die Pistole im Nacken des Zeugen an und drückte ab. Das Projektil drang im linken Nackenbereich ein und trat unterhalb des linken Unterkiefers wieder aus. Nunmehr richtete der Täter die Waffe gegen G. C. und gab von vorn zwei Schüsse auf deren Kopf ab mit der Folge, dass G. C. innerhalb weniger Sekunden verstarb. Der Täter flüchtete mit der Beute. Die Verletzungen des T. M. und des H. C. waren lebensgefährlich. Beide überlebten nach Notoperationen, wobei T. M. bis zum 16. Oktober 2004 in ein künstliches Koma versetzt wurde.
6
2. Auf den Angeklagten fiel der Tatverdacht insbesondere aufgrund folgender Erkenntnisse:
7
a) Die beiden die Tat überlebenden Geschädigten T. M. und H. C. haben den Angeklagten als Täter bezeichnet.
8
b) Der Angeklagte fuhr im Tatzeitraum mit seinem Kraftfahrzeug in der Nähe des Tatorts.
9
c) Der Angeklagte befand sich in finanziellen Schwierigkeiten. Am Nachmittag des Tattages zahlte er bei der Volksbankfiliale S. 10.000 € ein, darunter 14 Scheine im Wert von je 500 € - die Tatbeute enthielt 15 Scheine in diesem Wert. Am folgenden Tag zahlte seine Lebensgefährtin dort weitere 4.600 € ein. Bei Durchsuchungen seines Anwesens wurden ca. 20.000 € sichergestellt.
10
d) Im Kniekehlenbereich des Fahrersitzes des von dem Angeklagten benutzten Fahrzeugs wurde eine Blutantragung gesichert, deren molekulargenetische Untersuchung ein DNA-Teilmuster ergab, welches mit einem Häufigkeitswert von 1:10.130 mit den Merkmalen des Geschädigten M. übereinstimmt.
11
e) In einem alten Steinbruch von S. wurde im weiteren Verlauf des Tattages ein Feuer entzündet, das eine starke schwarze Rauchsäule entfaltete. Im Brandschutt dieser Feuerstelle wurden Adressaufkleber des Angeklag- ten, diesem zuzuordnende Rundhölzer und - etwa 13 Monate nach diesem Brand - eine Kautschukmischung aus einem Produkt des französischen Stiefelherstellers Le Chameau sichergestellt. Der Angeklagte hatte zweimal ein paar Gummistiefel dieser Marke gekauft und trug am Tattag Stiefel. Zwei am Tatort gesicherte Schuhabdruckfragmente wurden von einem Gummistiefel der Marke Le Chameau verursacht.
12
3. Das Landgericht hat sich gleichwohl von der Täterschaft des Angeklagten nicht zu überzeugen vermocht.
13
Hinsichtlich des Zeugen M. bestünden wegen der erheblichen Verletzungen im Gehirnbereich Bedenken an der Aussagetüchtigkeit. Der Zeuge C. habe unmittelbar nach der Tat gegenüber verschiedenen Zeugen lediglich geäußert, der Täter habe dem Angeklagten ähnlich gesehen. Die finanzielle Situation des Angeklagten sei nicht ganz aussichtslos gewesen. Hinsichtlich der Blutspur im Fahrzeug des Angeklagten liege das Analyseergebnis im Bereich der unteren Nachweisgrenze; insbesondere sei nicht nachvollziehbar, dass angesichts des äußerst blutigen Geschehens in der Sparkasse in dem nichtgereinigten Fahrzeug des Angeklagten keine weiteren Blutspuren gefunden wurden. Es bestünden aus zeitlichen Gründen erhebliche Zweifel daran, dass es dem Angeklagten überhaupt möglich war, das Feuer in dem Steinbruch zu entzünden. Darüber hinaus lasse sich nicht feststellen, dass die im Brandschutt gefundenen Gegenstände auch tatsächlich aus dem Brand des Tattages stammen.
14
Im Übrigen bestünden ernsthafte Zweifel daran, dass es dem Angeklagten in zeitlicher Hinsicht möglich war, die Tat zu begehen. Die Kammer hält die Angabe des Zeugen B. für glaubhaft, er habe den Angeklagten um genau 13.54 Uhr mit seinem Fahrzeug ca. 100 Meter von der Sparkasse entfernt in die H. straße einbiegen und ortsauswärts fahren sehen. Da die Eheleute C. die Sparkasse um 13.55 Uhr betreten hätten, hätte um 13.54 Uhr - auch wenn die Tat zum Nachteil des Zeugen M. in nicht mehr als eineinhalb Minuten begangen werden konnte - der Täter sich bereits in der Sparkasse befinden müssen.
15
Schließlich gebe es Hinweise auf andere Täter. Die Zeugin G. habe gegen 12.30 Uhr, als T. M. die Sparkasse bereits verlassen gehabt und der Angeklagte sich noch zuhause befunden hätte, eine männliche Stimme aus dem Bankinneren gehört. Im Tatzeitraum habe vor der Sparkasse ein dunkelfarbenes Fahrzeug gestanden, das keinem der in der Hauptverhandlung gehörten Zeugen zugeordnet werden konnte.

II.

16
Die Beweiswürdigung hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
17
1. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung "lebensfremd" erscheinen mag. Es gibt im Strafprozess keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewissheit des Richters, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht.
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Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann rechtsfehlerhaft, wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, z.B. hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert, wenn sie wider- sprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Verfahrenssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (st. Rspr., vgl. etwa BGH NJW 2005, 1727; BGH NStZ-RR 2003, 371; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33, jew. m.w.N.).
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2. Das Landgericht hat umfänglich und detailliert eine Vielzahl den Angeklagten belastender Indizien sowie die ihn entlastenden Umstände aufgelistet und gewürdigt. Die Abwägungen werden gleichwohl den vorstehenden Grundsätzen in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht. Die Strafkammer hat bei der Gesamtwürdigung wichtige belastende Indizien nicht hinreichend einbezogen, denen sie für sich gesehen keinen "zwingenden" Beweiswert beigemessen hat (Buchst. a). Sie sieht erhebliche konkrete Verdachtsmomente aufgrund nicht tragfähiger Hypothesen und bloß denktheoretischer Möglichkeiten als entwertet an (Buchst. b). Einzelne belastende Beweisanzeichen hat sie überhaupt nicht erörtert (Buchst. c). Schließlich liegen Erörterungsmängel hinsichtlich entlastender Beweismittel vor (Buchst. d).
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a) Die Strafkammer hatte zu prüfen, ob die beiden die Tat überlebenden Opfer, H. C. und T. M. den Angeklagten überzeugungskräftig als Täter identifiziert haben. Sie kam - sachverständig beraten - jeweils zu dem Ergebnis, dass sie wegen verbleibender Zweifel nicht feststellen könne, die Zeugen hätten den Angeklagten "sicher" als Täter erkannt. Sie hat damit zwei wesentliche Beweisanzeichen für die Täteridentifikation einzeln unter Zugrundelegung des Zweifelssatzes als letztlich nicht überzeugend erachtet. Der Zweifelssatz, der eine Entscheidungs- und keine Beweisregel ist, darf jedoch nicht auf einzelne Indiztatsachen angewendet werden, sondern kann erst bei der Gesamtbetrachtung zum Tragen kommen (vgl. BGH NStZ 2001, 609 m.w.N.). Es ist deshalb zu besorgen, dass die Kammer nicht hinreichend be- dacht hat, dass diese wichtigen Indizien, auch wenn sie sie - einzeln für sich betrachtet - nicht zum Nachweis der Täterschaft für ausreichend zu erachten vermochte, doch mit ihrem verbleibenden erheblichen Beweiswert in der Gesamtheit aller belastenden Indizien dem Gericht die entsprechende Überzeugung vermitteln könnten (st. Rspr., vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 20 m.w.N.). Gerade angesichts der Häufung und gegenseitigen Durchdringung der den Angeklagten belastenden Umstände erscheint es möglich, dass die Kammer bei einer sachgerechten Gesamtschau die Überzeugung von der Täterschaft gewonnen hätte. Der formelhafte Hinweis, nach einer "Auseinandersetzung mit allen für den Tathergang wesentlichen Umständen und Indizien" verblieben vernünftige Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten, vermag die gebotene Gesamtwürdigung unter Gewichtung der einzelnen Beweise nicht zu ersetzen (vgl. BGH NStZ 1998, 475).
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b) Das Landgericht lässt der molekulargenetisch untersuchten Blutspur aus dem Fahrzeug des Angeklagten insbesondere deshalb "allenfalls Indizwirkung" zukommen, weil weder an den Kleidungsstücken des Angeklagten noch in seinem Fahrzeug weitere entsprechende Blutspuren festgestellt wurden. Die Kammer stellt ihre Erwägung unter den Vorbehalt, dass die betroffenen Kleidungsstücke des Angeklagten gewaschen oder beseitigt worden sein könnten. Entgegen ihrer Ankündigung (UA S. 97) ist sie auf diesen Vorbehalt aber nicht mehr eingegangen. Der Senat kann daher aufgrund dieser Lücke der Urteilsfeststellungen nicht prüfen, ob diese von der Strafkammer selbst als wesentlich angesehene Möglichkeit mit rechtsfehlerfreier Begründung ausgeschlossen wurde. Im Übrigen ändert die Tatsache, dass keine weiteren Blutspuren festgestellt wurden, grundsätzlich nichts an dem Beweiswert der tatsächlich gefundenen Spur mit ihrem molekulargenetisch festgestellten Aussagewert.
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Weiterhin hat das Landgericht den Beweiswert des nach der Tat in einem Steinbruch abgebrannten Feuers in Frage gestellt, weil aus zeitlichen Gründen erhebliche Zweifel daran bestünden, dass es dem Angeklagten möglich gewesen sein könnte, das Feuer zu entzünden. Die Kammer hat sich jedoch bei dieser eher nachrangigen Frage den Blick dafür verstellt, dass in dem Brandschutt tatsächlich sowohl Reste von Gegenständen des Angeklagten als auch Reste eines Jagdgummistiefels der Marke Le Chameau gefunden wurden. Nimmt man hinzu, dass der Angeklagte zweimal ein Paar dieser wenig verbreiteten Stiefel erworben hatte, am Tattage Stiefel trug und dass die am Tatort gefundenen Abdruckfragmente von einem Stiefel der Marke Le Chameau stammen, wird auch hier deutlich, dass gerade in der Kombination dieser einzelnen Fakten ein besonderer Beweiswert liegt. Dem hat die Kammer nicht hinreichend Rechnung getragen, indem sie isoliert auf die Einzelindizien abgestellt hat. Wenn die Kammer im Übrigen angesichts des Umstandes, dass die Stiefelreste erst 13 Monate nach der Tat an der Brandstelle gefunden wurden, die Gefahr einer Manipulation durch Dritte in Rechnung stellt, wird nicht erkennbar, warum es sich dabei um mehr als eine nur theoretische Erwägung handeln könnte, die keinen realen Anknüpfungspunkt hat. Die Kammer stellt selbst fest (UA S. 166), dass der Stiefel verbrannt worden war, bevor die Öffentlichkeit über die Bedeutung von Stiefeln der Marke Le Chameau für das vorliegende Verfahren erfahren hatte.
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c) Die Beweiswürdigung weist zudem Lücken auf.
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Allerdings können und müssen die Gründe auch eines freisprechenden Urteils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalles ab. Dieser kann so beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erüb- rigt. Um einen solchen Fall handelt es sich hier aber nicht. Das Tatgericht hat vielmehr auf Freispruch erkannt, obwohl eine Fülle erheblicher Belastungsindizien vorlag. Bei solcher Sachlage muss es in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung alle wesentlichen für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 338 m.w.N.). Dem wird das angefochtene Urteil trotz der umfangreichen Beweiserwägungen nicht gerecht:
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Die Würdigung der Belastungsindizien erstreckt sich zum einen nicht auf den Umstand, dass der Angeklagte nach mehreren mit Nachdruck ausgesprochenen Mahnungen des Filialleiters der Volksbank selbst davon ausging, bis spätestens zu dem von ihm als "Endtermin" angesehenen 7. Oktober 2004 - dem Tattag - eine größere Summe einzahlen zu müssen.
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Darüber hinaus ist nicht erkennbar in die Beweiswürdigung einbezogen, dass die Tatbeute 15 Scheine im Wert von je 500 € enthielt und der Angeklagte bei der Volksbank 14 Scheine in diesem Wert eingezahlt hat. Der Angeklagte will das eingezahlte Geld in nebenher durchgeführten Schwarzgeldgeschäften - Verkauf von Wild und Ausschlachtungsarbeiten auf einer staatlichen Liegenschaft - verdient haben. Es erscheint nicht ohne weiteres plausibel, dass er aus diesen Geschäften weit überwiegend allein 500-Euro-Scheine erlangt hat.
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Nicht erörtert ist auch - gerade vor dem Hintergrund der von der Strafkammer erörterten These, ein Fremder hätte die Bank überfallen können -, dass es dem nicht maskierten Täter darum ging, die in der Bank anwesenden Personen zu töten, und er zu diesem Zweck sogar die Eheleute C. vom Eingangsbereich zurück in den Kundenraum drängte, um sie dort geradezu hinrichtungsartig zu töten. Dies legt den erörterungsbedürftigen Schluss sehr nahe, dass die Opfer den Täter gekannt haben und dieser von seiner Identifizierung ausgehen musste, wenn sie am Leben blieben.
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d) Von der Zuverlässigkeit der Aussage des Alibizeugen B. - dem zentralen Entlastungsbeweismittel - hat sich das Landgericht in einer für den Senat nicht nachprüfbaren Weise vorschnell überzeugt. Daher hat es auch dessen Zeitangabe bei der Abwägung mit den übrigen Beweisanzeichen rechtsfehlerhaft als bereits feststehend behandelt.
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aa) Das Landgericht hält die Angabe des Zeugen B. für glaubhaft, er habe den Angeklagten mit seinem Fahrzeug um exakt 13.54 Uhr gesehen, als dieser - aus der L. gasse kommend - nach rechts stadtauswärts abgebogen sei. Die Zeitangabe habe der Zeuge deshalb so präzise machen können, weil er dabei von seinem Hofeingangsbereich aus auf die katholische Kirchturmuhr gesehen habe, die er immer kontrolliere. Wäre diese Zeitangabe des Zeugen auf die Minute genau zuverlässig, dann wäre es - wie das Landgericht ausgehend von dieser Prämisse zu Recht folgert - dem Angeklagten in der Tat zeitlich nicht möglich gewesen, vor dem Eintreffen der Eheleute C. um 13.55 Uhr die Bank zu betreten und es wäre auch ausgeschlossen, dass der Angeklagte zu dem davor liegenden Zeitpunkt, als der Bankangestellte M. die Bank betrat, schon an der Bank gewesen sein konnte.
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bb) Von dem Blick auf die Kirchturmuhr hat der Zeuge in der Hauptverhandlung berichtet, jedoch ergibt sich aus dem Urteil nicht, wie er sich dazu bei seinen polizeilichen Vernehmungen geäußert hatte. Das Landgericht bewertet die Aussageentstehung jedenfalls dahin, dass "keine gravierenden Widersprüche hinsichtlich seiner Angaben in der Hauptverhandlung und bei seinen polizeilichen Vernehmungen" vorhanden seien.
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Ob diese Bewertung zutrifft, kann der Senat anhand der Urteilsausführungen (vgl. UA S. 144 ff.) nicht überprüfen: Bei seiner ersten Befragung am 8. Oktober 2004 (dem Tag nach der Tat) hatte der Zeuge offenbar nur bekundet , er sei "kurz vor zwei" losgefahren; dass er den Angeklagten zuvor gesehen habe, scheint er nicht erwähnt zu haben ("Ansonsten sei ihm im Bereich der Sparkasse nichts aufgefallen."). Bei der zweiten Vernehmung, am Vormittag des 9. Oktober 2004, berichtete er davon, den Angeklagten "fünf bis sechs Minuten vor 14.00 Uhr" gesehen zu haben. Bei seiner dritten Vernehmung, am Nachmittag dieses Tages, präzisierte er den Zeitpunkt auf 13.54 Uhr. Unklar bleibt danach, ob, wann und wie der Zeuge bei diesen polizeilichen Vernehmungen seine Erinnerung mit dem Blick auf die Kirchturmuhr begründet oder den Zeitpunkt, zu dem er den Angeklagten sah, gar anderweitig rekonstruiert hat (etwa allein durch den mitgeteilten Blick auf die Küchenuhr um 13.45 Uhr).
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cc) Bei der zentralen Bedeutung der Aussage des Entlastungszeugen B. hätte die Aussageentstehung - offenbar von einer zunächst vagen zu einer schließlich ganz präzisen Zeitangabe - näherer Wiedergabe und Erörterung bedurft. Es erscheint nämlich eher fern liegend, dass der zeitnah zur Tat vernommene Zeuge eine derart markante Besonderheit - wie den Kontrollblick auf die Kirchturmuhr - zunächst nicht erwähnt, obwohl es schon bei der ersten Befragung auf minutengenaue Zeitangaben angekommen war. Danach kommt ernsthaft in Betracht, dass der Zeuge, der sich darauf festgelegt hat, dass der Angeklagte nicht der Täter sein könne (UA S. 147), sich nicht konkret an die Uhrzeit erinnert, sondern diesen Zeitpunkt lediglich rekonstruiert hat.
33
Wegen dieses Erörterungsmangels besorgt der Senat, dass das Landgericht die - möglicherweise nur scheinbar präzise - Zeitangabe des Zeugen B. allein aufgrund dessen eigener Aussage, also vorschnell und damit rechtsfehlerhaft , als feststehenden zeitlichen Fixpunkt im Beweisgebäude angesehen hat. Die Frage, ob die Zeitangabe des Zeugen B. zur Überzeugung des Landgerichts zuverlässig war, durfte vielmehr erst im Rahmen der abschließenden Gesamtschau mit den übrigen Beweisanzeichen beantwortet werden. Wäre dies geschehen, dann ist nicht auszuschließen, dass die Alibibekundung des Zeugen B. als nicht hinreichend zuverlässig eingestuft worden wäre. In diesem Fall wäre es dem Angeklagten zeitlich doch möglich gewesen, die Tat zu begehen.

III.

34
Da diese sachlich-rechtlichen Mängel bereits zur Aufhebung führen, kommt es auf die übrigen Beanstandungen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger nicht an.

IV.

35
Mit der Aufhebung des Urteils entfällt der an den Freispruch anknüpfende Ausspruch über die Entschädigung des Angeklagten für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen , sodass die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegenstandslos ist.

V.

36
Die Sache muss somit neu verhandelt und entschieden werden. Der Senat verweist sie gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 (2. Alt.) StPO an ein anderes Landgericht zurück. Nack Wahl Boetticher Kolz Elf

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nummer 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. § 46b Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 451/02
vom
10. Dezember 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 10. Dezember 2002 gemäß
§§ 206a Abs. 1, 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II 3 verurteilt worden ist; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten;
b) das Urteil des Landgerichts Halle vom 24. Juni

2002

aa) aufgehoben, soweit der Angeklagte im Fall II 6 verurteilt worden ist; bb) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte in den Fällen II 1, 2, 4 und 5 der Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch einer Schutzbefohlenen sowie des sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in drei Fällen schuldig ist; cc) im Strafausspruch in den Fällen II 1, 2 und 5 sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die übrigen Ko-
sten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer (Jugendschutzkammer) des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten "wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen, wegen dreifachen sexuellen Mißbrauchs von Kindern, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen, wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen und wegen eines weiteren Mißbrauchs von Schutzbefohlenen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlußformel ersichtlichen Teilerfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 28. Oktober 2002 zutreffend ausgeführt hat, steht der Verurteilung wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in den Fällen II 1 bis 3 und 5 der Urteilsgründe das von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrenshindernis der Strafverfolgungsverjährung entgegen. Der Senat stellt daher das Verfahren im Fall II 3 (Verurteilung wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen zum Nachteil der Sandy B. ) ein und berichtigt die Schuldsprüche in den Fäl-
len II 1, 2 und 5 (sexueller Mißbrauch eines Kindes in drei Fällen; die jeweils tateinheitliche Verurteilung wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen entfällt). Der Schuldspruch im Fall II 4 (Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch einer Schutzbefohlenen) ist rechtsfehlerfrei.
2. Die Verurteilung im Fall II 6 der Urteilsgründe wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB) muß aufgehoben werden, weil den Feststellungen nicht zu entnehmen ist, daß dem Angeklagten die 15jährige Reitschülerin Maja P. "zur Betreuung in der Lebensführung" anvertraut war. Dazu wäre erforderlich gewesen, daß zwischen beiden ein Verhältnis bestand, kraft dessen dem Angeklagten das Recht und die Pflicht oblag, die Lebensführung der Jugendlichen und damit deren geistig-sittliche Entwicklung zu überwachen und zu leiten (vgl. BGHSt 41, 137, 138 ff.; BGHR StGB § 174 Abs. 1 Obhutsverhältnis 1; BGH bei Pfister NStZ-RR 2000, 353 f.). Festgestellt ist aber lediglich, daß die Mutter des Mädchens "ihre Tochter in die Verantwortung des Angeklagten (übergeben hatte)", weil diese einen Nachmittag , eine Nacht und den folgenden Tag auf dem Reiterhof des Angeklagten verbringen sollte. Ein dem Schutzzweck des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB entsprechendes "Abhängigkeitsverhältnis" (BGHSt 41, 137, 139) ist damit nicht dargetan. Da ergänzende Feststellungen, die ein Obhutsverhältnis belegen können , nicht ausgeschlossen erscheinen, verweist der Senat die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurück.
3. Die Schuldspruchänderung in den Fällen II 1, 2 und 5 der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der Strafaussprüche in diesen Fällen; denn es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die fehlerhafte Verurteilung auch wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen strafschärfend berücksichtigt
wurde. Die für den Fall II 4 rechtsfehlerfrei festgesetzte Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe wird davon nicht berührt; sie kann bestehen bleiben. Als Folge der Aufhebung der Einzelstrafen - außer im Fall II 4 - entfällt auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe.
4. Mit der Teilaufhebung des Urteils hat sich die vom Angeklagten eingelegte Kostenbeschwerde erledigt (vgl. Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 464 Rdn. 20).
Tepperwien Maatz Kuckein