Bundesgerichtshof Urteil, 04. Feb. 2015 - 2 StR 266/14

bei uns veröffentlicht am04.02.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 2 6 6 / 1 4
vom
4. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. Februar
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Zeng,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
der Angeklagte in Person,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18. März 2014
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in weiterer Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist;
b) im Strafausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Daneben hat es unter anderem die sichergestellten Betäubungsmittel eingezogen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts verkaufte der Angeklagte am 6. Juli 2012 in Frankfurt am Main für einen Bekannten namens I. rund 10 kg lose Haschischplatten an den gesondert verfolgten J. . Die Haschischplatten hatte der Angeklagte zuvor von einem Beauftragten des I. erhalten und in einzelne Pakete verpackt. Auf der Rückfahrt nach N. wurden die Kuriere des J. von der Polizei festgenommen; dabei konnten 9.772,4 g Haschisch mit einem durchschnittlichen THC-Gehalt von 5,6 % sichergestellt werden (Fall 1).
3
Einige Tage vor dem 27. Juli 2012 rief J. , der zwischenzeitlich ebenfalls festgenommen worden war und sich auf Veranlassung der Polizei zur Durchführung eines Scheingeschäfts bereit erklärt hatte, den Angeklagten an und bestellte bei diesem Betäubungsmittel. Der Angeklagte gab die Bestellung an den Beauftragten seines Bekannten I. weiter und erhielt rund 10 kg Haschisch (THC-Gehalt: 926,8 g). Da der Angeklagte das Haschisch nicht in seiner Wohnung lagern wollte, brachte er es in die Wohnung der Zeugin L. , die sich mit ihrer Familie in Urlaub befand und über deren Wohnungsschlüssel der Angeklagte verfügte und bewahrte es dort auf. Am 27. Juli 2012 holte der Angeklagte das Haschisch aus der Wohnung der Zeugin L. und fuhr zu dem mit J. vereinbarten Treffpunkt, an dem das Haschisch übergeben werden sollte. Bei der Übergabe der Betäubungsmittel wurde der Angeklagte festgenommen (Fall 2).
4
Ebenfalls einige Tage vor dem 27. Juli 2012 hatte ein weiterer Bekannter den Angeklagten gebeten, für ihn Betäubungsmittel zu lagern. Der Angeklagte hatte daraufhin rund 45,5 kg Haschisch (THC-Gehalt: 4.142,8 g), 4.135 g Marihuana (THC-Gehalt: 406,43 g) und 205 g Kokain (Kokain-Hydrochlorid-Anteil: 138,31 g) in die Wohnung der Zeugin L. verbracht und dort - getrennt von den gelagerten anderen Betäubungsmitteln. Die portionsweise verpackten Betäubungsmittel waren - wie der Angeklagte wusste - jeweils zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Als Gegenleistung für die Lagerung der Betäubungsmittel erhielt der Angeklagte aus dem Vorrat 938,67 g Haschisch (THC-Anteil: 78,53 g), das er selbst gewinnbringend an seinen Cousin weiterverkaufen wollte und zu diesem Zweck in seiner Wohnung in O. lagerte (Fall 3).
5
Die in den Wohnungen der Zeugin L. und des Angeklagten gelagerten Betäubungsmittel wurden sichergestellt.

II.

6
Die Revision des Angeklagten führt zur Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen ist sie unbegründet.
7
1. Der Angeklagte hat in allen Fällen den Straftatbestand des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) erfüllt, indem er die Betäubungsmittel im Fall 1 an sich genommen und in den Fällen 2 und 3 aufbewahrt hat (Senatsurteil vom 3. März 1978 - 2 StR 717/77, BGHSt 27, 380, 381 f.). Zudem hat er hierdurch jeweils Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ge- leistet (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 1986 - 5 StR 330/86, BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Konkurrenzen 1; Beschluss vom 2. Oktober 2008 - 3 StR 352/08, NStZ-RR 2009, 58). Das Landgericht ist darüber hinaus im Fall 3 zutreffend von einem täterschaftlichen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ausgegangen, da der Angeklagte die Menge von 938,7 g Haschisch, die er als Gegenleistung für die Lagerung der Betäubungmittel erhalten hatte, selbst gewinnbringend weiterverkaufen wollte (BGH, Urteil vom 23. September 1992 - 3 StR 275/92, NStZ 1993, 44, 45).
8
2. Allerdings hält die konkurrenzrechtliche Bewertung der Taten durch das Landgericht, das drei selbständige Taten angenommen hat, revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
9
Der gleichzeitige Besitz der Betäubungsmittel in den Fällen 2 und 3 verbindet die jeweils selbständigen Taten der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Tat. Dies gilt auch, obwohl im Fall 3 ein täterschaftliches Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hinzukommt.
10
Der gleichzeitige Besitz verschiedener Betäubungsmittel erfüllt den Tatbestand des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln nur einmal. Leistet der Angeklagte bezüglich dieser Betäubungsmittel zugleich Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, behält der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge seinen Unrechtsgehalt und verklammert die an sich selbständigen Beihilfetaten zur Tateinheit (BGH, Beschluss vom 16. Juli 2013 - 4 StR 144/13, NStZ 2014, 163). Die Klammerwirkung entfällt nicht dadurch, dass - wie hier im Fall 3 - ein täterschaftliches Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hinzutritt. Der Umstand, dass das täterschaftliche Handeltreiben mit Betäubungs- mitteln in nicht geringer Menge trotz gleicher Strafdrohung im Grundsatz einen höheren Unrechtsgehalt aufweist als der täterschaftliche Besitz und die Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Mai 1996 - 3 StR 631/95, BGHSt 42, 162, 164), führt zu keiner abweichenden rechtlichen Bewertung. Wiegt - wie hier - nur eines der betroffenen anderen Delikte schwerer als dasjenige, das die Verbindung begründet, bleibt die Klammerwirkung einer Dauerstraftat bestehen (vgl. Senatsbeschluss vom 4. April 2012 - 2 StR 70/12, NStZ 2013, 158; Fischer, StGB, 62. Aufl., Vor § 52 Rn. 30).
11
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 Abs. 1 StPO steht der Änderung nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
12
3. Infolge der Änderung des Schuldspruchs entfällt ohne Weiteres die im Fall 2 verhängte Einzelstrafe. Da der Senat auch unter Berücksichtigung des weitgehend gleichbleibenden Unrechts- und Schuldgehalts nicht ausschließen kann, dass bei nur zwei verbliebenen Einzelstrafen die Gesamtstrafe geringer ausgefallen wäre, unterliegt auch diese der Aufhebung. Der Senat hebt auch die zwei Einzelstrafen - hinsichtlich des Falles 3 der mit Blick auf den durch die Konkurrenzänderung erhöhten Unrechtsgehalt der Tat - auf, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu einer in sich stimmigen Strafzumessung zu geben. Fischer Schmitt Krehl Eschelbach Zeng

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 04. Feb. 2015 - 2 StR 266/14

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 04. Feb. 2015 - 2 StR 266/14

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt,

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.
Bundesgerichtshof Urteil, 04. Feb. 2015 - 2 StR 266/14 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt,

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juli 2013 - 4 StR 144/13

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 144/13 vom 16. Juli 2013 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesan

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Apr. 2012 - 2 StR 70/12

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 70/12 vom 4. April 2012 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am

Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Okt. 2008 - 3 StR 352/08

bei uns veröffentlicht am 02.10.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 352/08 vom 2. Oktober 2008 in der Strafsache gegen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des.
6 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 04. Feb. 2015 - 2 StR 266/14.

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Referenzen

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 352/08
vom
2. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
2. Oktober 2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 17. März 2008 im Schuldspruch dahin geändert , dass die in den Fällen II. 1. bis 7. und 9. erfolgte tateinheitliche Verurteilung wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge entfällt. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung der Strafe aus einer früheren Verurteilung zur Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, und wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zur weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Zudem hat das Landgericht gegen den Angeklagten den Verfall von Wertersatz in Höhe von 31.675 € angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision führt in den Fällen der Verurteilung des Angeklagten wegen täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fälle II. 1. bis 7. und 9. der Urteilsgründe) zum Wegfall der Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und zur entsprechenden Änderung des Schuldspruchs ; denn der Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tritt gegenüber dem täterschaftlich begangenen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zurück (st. Rspr.; vgl. BGHSt 42, 162, 165 f.). Im Verhältnis zu den Begehungsweisen, die ebenso zu Verbrechenstatbeständen erhoben und in § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG aufgeführt sind, hat der Besitz seine Funktion als (bloßer) Auffangtatbestand nicht verloren (vgl. Weber, BtMG 2. Aufl. § 29 a Rdn. 197). Gleiches gilt dagegen nicht im Fall II. 8. der Urteilsgründe für das konkurrenzrechtliche Verhältnis der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu dem damit zusammentreffenden täterschaftlichen Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Hier besteht - wie auch im Grunddelikt des § 29 BtMG beim Zusammentreffen von Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln mit einem täterschaftlich begangenen Besitz von Betäubungsmitteln - Tateinheit (vgl. Weber aaO § 29 Rdn. 408 m. w. N.), sodass der Schuldspruch des Landgerichts in diesem Fall Bestand hat. Auch im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Senat schließt aus, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung der betroffenen Taten auf geringere Einzelstrafen und mildere Gesamtstrafen erkannt hätte.
3
Angesichts des nur geringen Teilerfolgs ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO). Becker Miebach Pfister RiinBGH Sost-Scheible befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Hubert

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 144/13
vom
16. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 16. Juli 2013 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Die Revisionen der Angeklagten Ö. und P. gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 20. August 2012 werden mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass
a) der Tenor des angefochtenen Urteils dahin klargestellt wird, dass aa) der Angeklagte P. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen und wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt ist, bb) der Angeklagte Ö. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt ist,
b) das Urteil im Ausspruch über den Wertersatzverfall dahin geändert wird, dass gegen die Angeklagten der Verfall von Wertersatz in Höhe von 2.500 € als Gesamtschuldner angeordnet wird.
2. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen (P. ) bzw. zwei Fällen (Ö. ) und wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen (Ö. ) bzw. einem Fall (P. ) zu „Freiheitsstrafen“ von vier Jahren und neun Monaten (P. ) bzw. vier Jahren und drei Monaten (Ö. ) verurteilt und den Verfall von Wertersatz angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Gegen die Wirksamkeit des Berichtigungsbeschlusses des Landgerichts vom 22. Oktober 2012 bestehen im vorliegenden Fall keine Bedenken. Die nachträgliche Berichtigung eines schriftlichen Urteils ist allerdings nur ganz ausnahmsweise bei offenbaren Versehen möglich. Es muss zweifelsfrei feststehen , dass sich hinter der Berichtigung nicht etwa eine nachträgliche sachliche Änderung verbirgt. Daraus folgt, dass eine Berichtigung dann zulässig ist, wenn sie sich zwanglos aus Tatsachen ergibt, die für alle Verfahrensbeteiligten klar zu Tage liegen und jeden Verdacht einer späteren sachlichen Änderung ausschließen, wo also das Versehen schon ohne die Berichtigung offensichtlich ist (BGH, Urteile vom 3. Februar 1959 – 1 StR 644/58, BGHSt 12, 374, 377; vom 22. November 1960 – 1 StR 426/60 S. 2 f.; vom 29. Januar 1975 – 3 StR 165/74 S. 3 f.; vom 22. Januar 1981 – 4 StR 97/80 S. 4 f.; Beschluss vom 23. November 2004 – 4 StR 362/04 S. 3 f.).
3
So liegt der Fall hier. Wie im Berichtigungsbeschluss überzeugend dargelegt wird, war die Verurteilung wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall 8 der Urteilsgründe von der Strafkammer beraten und beschlossen worden. Unmittelbar vor der Urteilsverkündung ist die Strafkammer erneut in die Beweisaufnahme eingetreten und hat einen Hinweis zur möglichen rechtlichen Würdigung bezüglich dieses Falles gegeben. Die mündliche Mitteilung des wesentlichen Inhalts der Urteilsgründe verhielt sich ausdrücklich zu den tatsächlichen Feststellungen, den Strafzumessungsgesichtspunkten und der Einzelstrafe in diesem Fall. Durch die Berichtigung hat die Strafkammer lediglich die äußere Übereinstimmung zwischen dem Urteilsspruch und den Urteilsgründen im Sinne des wirklich Beschlossenen wieder hergestellt.
4
Die aus dem Tenor ersichtliche Klarstellung war gleichwohl geboten, da das Landgericht die Angeklagten nur zu „Freiheitsstrafen“ verurteilt hat.

II.


5
Die gegenüber den Angeklagten getroffene Anordnung des Verfalls von Wertersatz war im Sinne einer gesamtschuldnerischen Haftung zu ändern.
6
1. Nach den Feststellungen wurden die Angeklagten P. und Ö. von dem gesondert verfolgten S. angeworben, Drogen aus den Niederlanden nach Deutschland zu transportieren. S. versprach ihnen 1.300 bis 1.400 € pro Fahrt. Die Fahrten liefen so ab, dass der Angeklagte P. die Drogen in seinem Fahrzeug über die Grenze transportierte, wobei ihn eine Frau B. zur Tarnung begleitete, während der Angeklagte Ö. die Fahrt jeweils in seinem eigenen Fahrzeug absicherte. Für die Fahrt am 10. November 2010 (Fall 3 der Urteilsgründe) zahlte S. zunächst 400 € und später 800 € an P. , der jeweils den halben Betrag an Ö. abgab. Für die Fahrt am 23. November 2010 (Fall 4 der Urteilsgründe) erhielt der Angeklagte P. über einen Mittelsmann 2.200 €; er gab davon 600 € an den Angeklagten Ö. und 100 € an Frau B. , 900 € zahlte er zurück an S. . Der Angeklagte P. selbst behielt 600 €. Für die Fahrt am 7. Dezember 2010 (Fall 6 der Urteilsgründe ) erhielt zunächst der Angeklagte P. 400 € von S. , von denen er 200 € an den Angeklagten Ö. weitergab. Beide Angeklagte erhielten später von S. weitere 800 €, von denen sie 100 € an Frau B. gaben; den Rest teilten sie sich hälftig. Für die Fahrt am 13. Dezember 2010 (Fall 7 der Urteilsgründe) erhielten beide Angeklagte 1.300 € von S. , von denen sie wiederum 100 € an Frau B. gaben und1.200 € untereinander teilten. Das Landgericht hat gegen beide Angeklagte jeweils den Verfall von Wertersatz in Höhe von 2.500 € angeordnet, weil sie insgesamt 5.000 € erhalten und hälftig unter sich geteilt hätten; die Zahlungen an Frau B. seien als „Aufwendun- gen“ unter dem Gesichtspunkt des Bruttoprinzips nicht zu berücksichtigen.
7
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Angeklagte P. hatte Mitverfügungsmacht an dem Gesamtbetrag von 5.000 €, der Angeklagte Ö. zumindest Mitverfügungsmacht in Höhe eines Betrages von 3.500 €, soweit er nicht, was nahe liegt, nach der Absprache der Angeklagten mit S. (UA S. 13) von vornherein auch Mitverfügungsmacht an dem allein dem Angeklagten P. übergebenen Geld hatte. In einem solchen Fall haften die Angeklagten beim Verfall bzw. Verfall von Wertersatz als Gesamtschuldner (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2011 – 4 StR 516/11, NStZ 2012, 382, 383; Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 52). Zwar hat das Landgericht lediglich den Verfall eines Betrages von jeweils 2.500 € angeordnet , der dem jeweiligen Angeklagten im Ergebnis zugeflossen ist. Da aber auch insoweit der jeweils andere Mitangeklagte an diesem Geld zunächst Mitverfügungsmacht hatte, sind die Angeklagten durch die Nichtberücksichtigung der Gesamtschuldnerschaft beschwert. Eine Erhöhung der Verfallsanordnung auf den Gesamtbetrag scheidet wegen des Verbots der reformatio in peius (§ 358 Abs. 2 StPO) aus.

III.


8
Weil das Rechtsmittel nur einen geringen Teilerfolg hat, ist es nicht unbillig , die Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten und ihren eigenen Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
Mutzbauer Roggenbuck RiBGH Dr. Franke ist infolge Urlaubs ortsabwesend und daher an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 70/12
vom
4. April 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 4. April 2012 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 28. November 2011 mit den Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte wegen Nötigung, Freiheitsberaubung und gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist (Tatkomplex II. 3. der Urteilsgründe),
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Körperverletzung und mit Nötigung (Fall II. 2. der Urteilsgründe) sowie wegen Nötigung, Freiheitsberaubung und gefährlicher Körperverletzung (Tatkomplex II. 3. der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Urteils in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
I. Nach den Feststellungen zum Tatgeschehen vom 8. Juli 2011 (Tatkomplex II. 3. der Urteilsgründe) versteckte sich der Angeklagte am Arbeitsplatz seiner ehemaligen Freundin, die sich einige Zeit zuvor von ihm getrennt hatte. Als sie den Raum betrat, packte der Angeklagte die Geschädigte am Hals, nahm sie in einen Würgegriff und drückte sie gegen einen Spind. Er verlangte von ihr, die Beziehung zu ihm wieder aufzunehmen. Die Geschädigte, die sich schon wegen früherer Nachstellungen und tätlicher Übergriffe des Angeklagten auf kein Gespräch mit ihm einlassen wollte, wies sein Ansinnen ab und versuchte den Raum zu verlassen. Dies verhinderte der Angeklagte, indem er sich ihr in den Weg stellte und den Raum verschloss. Nachdem die Geschädigte ihm erneut erklärt hatte, eine Fortsetzung der Beziehung abzulehnen, stach der Angeklagte , als sie ihm den Rücken zuwandte, unvermittelt zweimal mit einem Küchenmesser auf sie ein. Als die Geschädigte daraufhin aufgrund der Stichverletzungen kaum Luft bekam und vor Schmerzen stöhnte, forderte der Angeklagte sie auf, ruhig zu sein, und drohte damit, ihr sonst ins Herz zu stechen. Mit gleicher Todesdrohung zwang der Angeklagte die Geschädigte im weiteren Verlauf, ihm arabische Verse nachzusprechen. Schließlich ließ der Angeklagte die Geschädigte etwa 25 Minuten nach seinen Messerstichen telefonisch Hilfe herbeirufen.
3
II. Die Verurteilung des Angeklagten in Bezug auf das Tatgeschehen vom 8. Juli 2011 wegen Nötigung, Freiheitsberaubung und gefährlicher Körperverletzung hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
4
1. Die nicht näher begründete Annahme des Landgerichts, die nach seiner rechtlichen Würdigung verwirklichten Straftatbestände stünden untereinander im Verhältnis der Tatmehrheit, ist rechtsfehlerhaft.
5
Grundsätzlich kann ein Delikt, das sich über einen gewissen Zeitraum hinzieht, andere Straftaten, die bei isolierter Betrachtung in Tatmehrheit zueinander stehen, zur Tateinheit verbinden, wenn es seinerseits mit jeder dieser Straftaten tateinheitlich zusammentrifft. Diese Wirkung tritt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nur dann nicht ein, wenn eine minderschwere Dauerstraftat jeweils mit schwereren Gesetzesverstößen zusammentrifft. Wiegt dagegen nur eines der betroffenen Delikte schwerer als dasjenige, das die Verbindung begründet, so bleibt es bei der Klammerwirkung mit der Folge, dass alle während der Begehung des Dauerdelikts zusätzlich verwirklichten Gesetzesverstöße zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammengefasst werden (BGHSt 31, 29, 31; BGH NStZ 1993, 39, 40; 2008, 209, 210 mwN; BGH, Beschluss vom 10. November 2010 - 5 StR 464/10 Tz. 5; vgl. auch BGH NStZ 2011, 577, 578). Danach steht hier einer Verklammerung der Nötigung und der gefährlichen Körperverletzung durch die Freiheitsberaubung zur Tateinheit nicht entgegen, dass das Dauerdelikt der Freiheitsberaubung in seinem strafrechtlichen Unwert, wie er in der Strafdrohung Ausdruck findet, deutlich hinter dem Körperverletzungsdelikt zurückbleibt.
6
2. Die Strafkammer hat mit ihrem Schuldspruch zudem den Unrechtsgehalt der von ihr festgestellten Tat nicht ausgeschöpft und ist somit ihrer Kognitionspflicht nicht nachgekommen.
7
a) So hat das Landgericht nicht erörtert, ob sich der Angeklagte der Geiselnahme (§ 239b StGB) schuldig gemacht hat. Diese Erörterung drängte sich nach den Feststellungen auf. Danach bemächtigte sich der Angeklagte der Geschädigten zwar zunächst nicht, um sie - wie später geschehen - zum Nachsprechen der Verse zu nötigen. Soweit er sich hierzu aber später während des andauernden psychischen Herrschaftsverhältnisses über das Tatopfer entschloss , könnte er objektiv und subjektiv die von ihm geschaffene Lage zu einer (qualifizierten) Nötigung mittels der von ihm ausgesprochenen Todesdrohung genutzt haben, § 239b Abs. 1 2. Halbsatz StGB (vgl. auch BGH NStZ 2008, 209, 210; NStZ-RR 2011, 142, 143).
8
b) Der festgestellte Sachverhalt enthält eine weitere Körperverletzung, die von der im Hinblick auf die Messerstiche erfolgten Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung nicht erfasst ist: Danach nahm der Angeklagte die Geschädigte zu Beginn des Tatgeschehens zunächst in einen Würgegriff.
9
3. Die Verurteilung des Angeklagten zum Tatgeschehen vom 8. Juli 2011 (Tatkomplex II. 3.) hat deshalb keinen Bestand. Dies führt zur Aufhebung des Urteils auch im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
10
4. Ergänzend bemerkt der Senat:
11
Das Landgericht hat hinsichtlich der Einzelstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, die es im Tatkomplex II. 3. wegen der gefährlichen Körperverletzung verhängt hat, sowohl bei der Bestimmung des anzuwendenden Strafrahmens als auch im Rahmen der konkreten Strafzumessung zulasten des Angeklagten darauf abgestellt, "dass ein versuchtes Tötungsdelikt nur wegen des strafbefreienden Rücktritts ausscheidet" (UA S. 13). Diese Erwägung ist rechtsfehlerhaft. Ist ein Täter vom Versuch einer Straftat strafbefreiend zurückgetreten , gleichwohl aber wegen eines zugleich verwirklichten vollendeten Delikts zu bestrafen, darf der auf die versuchte Straftat gerichtete Vorsatz nicht strafschärfend berücksichtigt werden (st. Rspr., vgl. BGHSt 42, 43, 45; Senat, NStZ 2003, 533; BGH, Beschluss vom 4. November 2010 - 4 StR 414/10; Fischer, StGB 59. Aufl., § 24 Rn. 46 mwN).
Fischer Appl Berger Eschelbach Ott

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.