Bundesgerichtshof Urteil, 14. Dez. 2016 - 2 StR 338/16

bei uns veröffentlicht am14.12.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 338/16
vom
14. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen schweren Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:141216U2STR338.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Dezember 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach, Zeng, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grube, Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten K. , Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten C. , Rechtsanwalt als Verteidiger der Angeklagten N. , Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 17. März 2016 wird verworfen. Die Staatsanwaltschaft hat die Kosten ihres Rechtsmittels sowie die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten C. wegen schweren Raubes in vier Fällen und schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt (Fälle II.1 bis 6 der Urteilsgründe). Den Angeklagten K. hat es wegen schwerenRaubes in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt (Fälle II.1 bis 4 der Urteilsgründe), die Angeklagte N. unter Freisprechung im Übrigen wegen schwerer räuberischer Erpressung, Beihilfe zum schweren Raub und Hehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten (Fälle II.3, 5 und 6 der Urteilsgründe).
2
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Strafaussprüche beschränkte, zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.

3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Zur Finanzierung des gemeinsamen Drogenkonsums überfielen die Angeklagten C. und K. im Zeitraum zwischen dem 13. und 26. September 2015 unter Verwendung von Sturmhauben und einer funktionsunfähigen Schreckschuss-/Reizstoffpistole gemeinschaftlich – in einem Fall unterstützt von der Angeklagten N. – eine Spielhalle, zwei Lottogeschäfte und eine Tankstelle in W. und Umgebung, wodurch sie insgesamt ca. 3.600 Euro Bargeld und Zigaretten erbeuteten (Fälle II.1 bis II.4 der Urteilsgründe ). Am 29. September 2015 überfiel der Angeklagte C. gemeinsam mit der Angeklagten N. einen Getränkemarkt in E. . Unter Einsatz der bei den vorangegangenen Überfällen eingesetzten Tatmittel erbeuteten sie ca. 1.770 Euro Bargeld (Fall II.5 der Urteilsgründe). Am 30. September 2015 verübte der Angeklagte C. mit denselben Tatmitteln einen weiteren Überfall auf eine Tankstelle. Die Tatbeute in Höhe von rund 880 Euro teilte er später hälftig mit der Angeklagten N. (Fall II.6 der Urteilsgründe).
5
2. Im Rahmen der Strafzumessung ist das Landgericht bei der Bewertung der von den Angeklagten C. und K. verübten Taten jeweils von minder schweren Fällen im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB ausgegangen. Beim Angeklagten C. hat es darüber hinaus eine weitere Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 46b, 49 StGB vorgenommen. Bezüglich der Angeklagten N. hat das Landgericht im Fall II.3 das Vorliegen eines minder schweren Falles im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB bejaht.

II.

6
Die wirksam auf die Strafaussprüche beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
7
1. Die Entscheidung des Landgerichts, bezüglich der von den Angeklagten K. und C. verübten Taten jeweils von minder schweren Fällen im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB auszugehen, hält rechtlicher Überprüfung stand.
8
a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320). Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt1/86, BGHSt 34, 345, 349). Diese Maßstäbe gelten auch für die dem Tatrichter obliegende Prüfung, ob ein minder schwerer Fall im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB vorliegt. Bei der dabei gebotenen Gesamtwürdigung obliegt es dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters, welches Gewicht er den einzel- nen Milderungsgründen im Verhältnis zu den Erschwerungsgründen beimisst; seine Wertung ist vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar (Senat, Urteil vom 29. August 2001 – 2 StR 276/01, StV 2002, 20).
9
b) Daran gemessen hat das Landgericht rechtsfehlerfrei bei den Angeklagten C. und K. mehrere gewichtige Strafmilderungsgründe dargelegt. Strafschärfend hat es insoweit lediglich berücksichtigt, dass der Wert der Beute jeweils nicht unerheblich war. Einer Berücksichtigung von Auswirkungen auf die Tatopfer und von gemäß § 154 StPO eingestellten Taten bedurfte es entgegen der Annahme der Staatsanwaltschaft bereits deshalb nicht, weil das Landgericht dazu keine entsprechenden Feststellungen getroffen hat. Dass das Landgericht im Rahmen der Gesamtwürdigung den Seriencharakter der Taten nicht erwähnt hat, stellt ebenfalls keinen Rechtsfehler dar. Da es diesen erschwerenden Umstand ausdrücklich bei der konkreten Strafzumessung erörtert hat (UA S. 31, 34), ist auszuschließen, dass es diesen Gesichtspunkt zuvor bei der Bestimmung des Strafrahmens übersehen hat.
10
c) Dass das Landgericht die von ihm angenommene Aufklärungshilfe des Angeklagten C. nicht bereits jeweils zur Begründung eines minder schweren Falles herangezogen hat, begegnet entgegen der Annahme der Staatsanwaltschaft keinen rechtlichen Bedenken.
11
In den Fällen, in denen das Gesetz bei einer Straftat einen minder schweren Fall vorsieht und im Einzelfall ein gesetzlicher Milderungsgrund nach § 49 StGB gegeben ist, ist bei der Strafrahmenwahl vorrangig zu prüfen, ob ein minder schwerer Fall vorliegt (vgl. Senat, Beschluss vom 14. März 1990 – 2 StR 457/89, BGHR StGB vor § 1 minder schwerer Fall Strafrahmenwahl 7; Beschluss vom 21. November 2007 – 2 StR 449/07, NStZ-RR 2008, 105; BGH, Urteil vom 10. September 1986 – 3 StR 287/86, NStZ 1987, 72; Beschluss vom 27. April 2010 – 3 StR 106/10, NStZ-RR 2010, 336; Fischer, StGB 63. Aufl., § 50 Rn. 3 f. mwN). Dabei ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zunächst zu prüfen, ob die allgemeinen Milderungsgründe allein zur Annahme eines minder schweren Falls führen. Begründen schon sie allein einen minder schweren Fall, ist ein vertypter Milderungsgrund wie § 46b StGB nicht verbraucht und kann bei Vorliegen der Voraussetzungen eine weitere Strafrahmenmilderung nach § 49 StGB begründen. Die Entscheidung des Landgerichts, beim AngeklagtenC. von der weiteren Milderungsmöglichkeit gemäß §§ 46b, 49 Abs. 1 StGB Gebrauch zu machen, ist frei von Rechtsfehlern.
12
2. Ebenso rechtsfehlerfrei ist die bezüglich der Angeklagten N. getroffene Annahme eines minder schweren Falles im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB im Fall II.3 der Urteilsgründe.
13
3. Beim Angeklagten K. ist die Bemessung der Einzelstrafen und der daraus gebildeten Gesamtstrafe – auch in Anbetracht der Vorgehensweise und der Tatbeiträge – noch ausreichend begründet und hält sich im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums. Die Strafen unterscheiden sich von den in vergleichbaren Fällen üblicherweise verhängten Strafen nicht so erheblich , dass der mit ihnen verfolgte Zweck des Schutzes der Rechtsordnung durch gerechten Schuldausgleich nicht mehr erreicht werden könnte.
14
4. Auch das Verhältnis der verhängten Strafen zueinander ist nicht zu beanstanden. Werden mehrere Angeklagte in einem Verfahren abgeurteilt, muss für jeden von ihnen die Strafe aus der Sache selbst gefunden werden. Der Gesichtspunkt, dass gegen Mittäter verhängte Strafen auch in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen sollten, darf zwar nicht völlig außer Betracht bleiben (BGH, Beschluss vom 11. September 1997 – 4 StR 297/97, StV 1998, 481; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 23). Im Hinblick darauf, dass die nicht vorbestraften Angeklagten C. und K. – anders als die Angeklagte N. – jeweils ein umfassendes und erkennbar von Reue getragenes Geständnis abgegeben und sich bei den Tatopfern entschuldigt haben und die Strafkammer bei den Einzelstrafen für die Taten II.1 bis II.4 der Urteilsgründen zwischen den Angeklagten C. und K. eine Abstufung vorgenommen hat, halten sich die Abweichungen aber noch im Rahmen des Vertretbaren. Da die Unterschiede in der Bestrafung insoweit nachvollziehbar sind, bedurfte es insoweit keiner näheren Erläuterung. Fischer Eschelbach Zeng Bartel Grube

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 14. Dez. 2016 - 2 StR 338/16

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Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

Strafgesetzbuch - StGB | § 250 Schwerer Raub


(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider

Strafgesetzbuch - StGB | § 46b Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten


(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist, 1. durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs.
Bundesgerichtshof Urteil, 14. Dez. 2016 - 2 StR 338/16 zitiert 5 §§.

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(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 276/01
vom
29. August 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. August
2001, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. h.c. Detter,
Dr. Bode,
die Richterinnen am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
Elf
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 9. Januar 2001 wird verworfen. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Vergewaltigung unter Verwendung eines anderen gefährlichen Werkzeugs" unter Einbeziehung von Geldstrafen aus einem Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie darüber hinaus wegen tateinheitlich begangener Beleidigung und Bedrohung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 45,-- DM verurteilt, das Verfahren in einem weiteren Fall eingestellt und den Angeklagten im übrigen freigesprochen. Gegen dieses Urteil richtet sich die zum Nachteil des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, die - wie sich aus der Begründung ergibt - auf den Einzelstrafausspruch hinsichtlich der Vergewaltigung (Einzelstrafe zwei Jahre und vier Monate) sowie den Gesamtstrafausspruch beschränkt ist. Sie wendet sich mit der Sachrüge insbesondere gegen die Annahme eines minder schweren Falles gemäß § 177 Abs. 5 StGB durch das
Landgericht. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

II.

Der Angeklagte, der seit ca. 30 Jahren in Deutschland lebt, war von 1974/75 bis November 2000 mit der Nebenklägerin verheiratet. Beide sind türkische Staatsangehörige. In der zunächst harmonischen Ehe kam es ab 1995 zu erheblichen Spannungen, weshalb die Nebenklägerin im August 1998 aus der ehelichen Wohnung auszog und im Januar 1999 einen Scheidungsantrag beim Familiengericht einreichte. Im Juli 1999 kehrte sie auf Drängen der gemeinsamen Söhne in die eheliche Wohnung zurück, bestand aber auf getrennten Schlafzimmern und vereinbarte mit dem Angeklagten, daß es nicht zu sexuellen Kontakten kommen solle. Der Angeklagte hielt sich zunächst an die getroffene Verabredung. Ab August 1999 ruhte das Scheidungsverfahren vorerst , da die Eheleute um eine Aussöhnung bemüht waren. Am 11. November 1999 erklärte der Angeklagte der Nebenklägerin, daß er mit ihr "schlafen" wolle und sie in das gemeinsame Schlafzimmer zurückkehren solle. Als diese sein Ansinnen ablehnte, hielt er ihr ein ca. 15 cm langes Obstmesser an den Bauch und vollzog gegen ihren Willen den Geschlechtsverkehr bis zur Ejakulation mit ihr. Nachdem sie etwas später zusammen Kaffee getrunken hatten, ergriff der Angeklagte erneut das Messer, um mit der Nebenklägerin ein weiteres Mal - auch gegen ihren Willen - geschlechtlich zu verkehren , gab sein Vorhaben jedoch freiwillig wieder auf. Anschließend saßen beide noch einige Stunden zusammen.
In der Folgezeit kam es häufig zu Streitigkeiten zwischen den Eheleuten. Nachdem der Angeklagte die Nebenklägerin am 31. Dezember 1999 mit dem Kopf gegen die Wand gestoßen und getreten hatte, zog diese endgültig aus der gemeinsamen Wohnung aus und erstattete Strafanzeige wegen Körperverletzung. Der Angeklagte beschimpfte die Nebenklägerin in den folgenden Monaten mehrfach und drohte ihr, sie umzubringen. Nach dem Scheidungstermin im Juli 2000 beruhigte sich die Situation weitgehend. Es kam zu mehreren Treffen zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin. Nach der Festnahme des Angeklagten bemühte sie sich um seine Freilassung und bat in der Hauptverhandlung mehrfach, daß er keine hohe Strafe erhalten solle, um die Familie nicht noch weiter auseinanderzubringen.

III.

Die Strafkammer, die das Geschehen rechtlich zutreffend als Vergewaltigung nach § 177 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, Abs. 4 StGB gewürdigt hat, hat die Strafe dem Strafrahmen des § 177 Abs. 5 StGB - ein Jahr bis zehn Jahre Freiheitsstrafe - entnommen. Die vom Landgericht vorgenommene Bestimmung des Strafrahmens und die Strafzumessung halten rechtlicher Prüfung stand.
1. Für die Entscheidung, ob ein minder schwerer Fall angenommen werden kann, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgebend , ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle so sehr abweicht, daß die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. Hierzu ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat
und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen , sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (BGHSt 26, 97, 98; BGH NStZ 2000, 254; BGHR StGB § 177 Abs. 2 Strafrahmenwahl 1, 5, 6). Dabei obliegt es dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters, welches Gewicht er den einzelnen Milderungsgründen im Verhältnis zu den Erschwerungsgründen beimißt; seine Wertung ist vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar (BGH, Urt. v. 26. Juni 2001 - 5 StR 151/01; BGH NStZ 1982, 26; BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall Gesamtwürdigung 8). Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei zahlreiche gewichtige Strafmilderungsgründe dargelegt. Entgegen der Auffassung der Revision konnte es die langjährige eheliche Beziehung zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin berücksichtigen. Daß es seit zwei Jahren nicht mehr zu sexuellen Kontakten zwischen den Eheleuten gekommen war, hat es nicht übersehen. Nach den Urteilsfeststellungen wollte der Angeklagte die Nebenklägerin durch die Tat nicht bestrafen oder seine "Rechte" demonstrieren, sondern sehnte sich nach ihrer Zuneigung. Nach der Rückkehr der Nebenklägerin hatte er gehofft, sie zurückzugewinnen und ein normales Eheleben führen zu können.
Die Kammer hat auch nicht in Frage gestellt, daß für den Angeklagten als türkischen Staatsangehörigen in Deutschland das deutsche Strafrecht verbindlich ist. Es durfte aber strafmildernd werten, daß der Angeklagte zur Begehung dieser Tat eine geringere Hemmschwelle zu überwinden hatte. Sowohl der Angeklagte als auch die Nebenklägerin stammen aus einem anderen Kulturkreis mit auf dem Islam basierenden Wertvorstellungen und waren trotz ihres langen Aufenthalts in Deutschland dem traditionellen Rollenverständnis verhaftet, bei dem von der Ehefrau Unterordnung und Gehorsam erwartet wird. So hatte etwa die Nebenklägerin den Angeklagten zu fragen, wenn sie Besu-
che bei Verwandten oder Bekannten beabsichtigte. Auch die Nebenklägerin hatte die Vergewaltigung nicht zum Anlaß genommen, aus der Wohnung auszuziehen , wie sie es einige Zeit später nach Mißhandlungen des Angeklagten tat.
Schließlich konnte die Strafkammer auch aus der Tatsache, daß die Nebenklägerin erst zwei Monate später anläßlich einer Körperverletzung aus der gemeinsamen Wohnung auszog und erst im Rahmen dieser Strafanzeige eher beiläufig auch die Vergewaltigung erwähnt hat, sowie den weiteren Treffen nach der Trennung den Schluß ziehen, daß sie aus der Vergewaltigung keine nachhaltigen psychischen oder körperlichen Schäden davongetragen hat.
Das Landgericht hat allerdings bei der Erörterung des minder schweren Falls die straferschwerenden Gesichtspunkte nicht ausdrücklich erwähnt. Dazu gehörte hier insbesondere die Verwirklichung des Regelbeispiels des § 177 Abs. 2 StGB. Daß die Kammer die straferschwerenden Umstände übersehen haben könnte, ist jedoch auszuschließen. Denn sie hat nicht nur die Tat ausführlich geschildert und rechtlich zutreffend als Vergewaltigung unter Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs nach § 177 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 StGB eingeordnet, sondern die erschwerenden Umstände bei der konkreten Strafzumessung ausdrücklich erörtert, so daß ihr diese Gesichtspunkte auch zuvor bei der Bestimmung des Strafrahmens nicht entgangen sein können. Aus einer Gesamtschau der Urteilsgründe ergibt sich vielmehr, daß der Kammer trotz der straferschwerenden Umstände die Anwendung des Normalstrafrahmens des § 177 Abs. 4 StGB (mit einer Mindeststrafe fünf Jahren Freiheitsstrafe) wegen des überragenden Gewichts der Strafmilderungsgründe unangemessen hart erschien.

Zutreffend weist die Revision allerdings darauf hin, daß der Tatrichter, soweit er im Fall der Verwirklichung des Qualifikationstatbestands des § 177 Abs. 4 StGB einen minder schweren Fall nach Absatz 5 annehmen will, dann, wenn zugleich ein Regelbeispiel nach Absatz 2 gegeben ist, berücksichtigen muß, daß Absatz 2 einen schärferen Strafrahmen als Absatz 5 2. Halbsatz vorsieht. Kommt er daher zum Strafrahmen des Absatzes 5, so hat er die Untergrenze des § 177 Abs. 2 StGB zu beachten, wenn dieser Strafrahmen ohne das Vorliegen der Qualifikation nach Absatz 4 gegeben wäre, da nur so Wertungswidersprüche vermieden werden können (BGH NStZ 2000, 419; BGH, Urt. v. 16. August 2000 - 2 StR 159/00; BGH, Urt. v. 11. Juli 2001 - 3 StR 214/01). Daß das Landgericht sich damit nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat, gefährdet den Bestand des Urteils hier nicht. Denn das Vorliegen eines Regelbeispiels nach Absatz 2 schließt die Annahme einer Strafrahmenuntergrenze von einem Jahr nach Abs. 5 2. Halbsatz nicht grundsätzlich aus, vielmehr können gewichtige schuldmindernde Umstände auch die Abweichung von der in Absatz 2 vorgesehenen Strafuntergrenze rechtfertigen. Eine solche Sachverhaltsgestaltung hat das Landgericht hier ersichtlich angenommen. Es hat gerade auch Gesichtspunkte angeführt, die die Verwirklichung des Regelbeispiels nach Absatz 2 als minder schwer erscheinen lassen und ausdrücklich ausgeführt, daß trotz der Verwirklichung des Regelbeispiels nach § 177 Abs. 2 StGB es die Verhängung einer höheren Freiheitsstrafe nicht für gerechtfertigt halte, da "der Tat... im Verhältnis zu anderen Fällen der Vergewaltigung kein derart hoher Stellenwert" zukomme (UA S. 29 3. Absatz). Diese Wertung des Tatrichters ist vom Revisionsgericht hinzunehmen.
Die Strafzumessung weist auch im übrigen keinen Rechtsfehler auf. Das Landgericht hat bei der Bemessung der Einzelstrafe für die Vergewaltigung alle wesentlichen belastenden und entlastenden Gesichtspunkte ausführlich abgewogen. Die Strafe unterscheidet sich auch von den in vergleichbaren Fällen üblicherweise verhängten Strafen nicht so erheblich, daß der mit ihr verfolgte Zweck des Schutzes der Rechtsordnung durch gerechten Schuldausgleich nicht mehr erreicht werden könnte. Die von der Revision vorgetragenen weiteren straferschwerenden Gesichtspunkte sind urteilsfremd und können im Revisionsverfahren keine Berücksichtigung finden. 3. Einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der nach § 301 StPO auch zugunsten des Angeklagten wirkenden Revision der Staatsanwaltschaft nicht ergeben.
Jähnke Detter Bode Otten Elf

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 106/10
vom
27. April 2010
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 27. April
2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 22. Dezember 2009 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zur Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sie sich mit ihrer auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Das Landgericht hat im Rahmen seiner Strafzumessung die (fakultative) Strafrahmenmilderung gemäß § 23 Abs. 2 StGB bejaht und den nach § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 212 StGB zugrunde gelegt. Das Vorliegen eines Totschlags in (sonst) einem minder schweren Fall gemäß § 213 StGB hat es unter Abwägung der bestimmenden allgemeinen Strafzumessungsgründe für sich gesehen mit rechtsfehlerfreier Begründung verneint. Gleichwohl hält der Strafausspruch rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat ersichtlich nicht bedacht, dass nach Ablehnung des Vorliegens eines minder schweren Falles auf der Grundlage einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände bei der weitergehenden Prüfung, ob der mildere Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt, zunächst eventuell gegebene gesetzlich vertypte Strafmilderungsgründe zusätzlich heranzuziehen sind (st. Rspr.; vgl. nur Fischer, StGB 57. Aufl. § 50 Rdn. 4). Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen.
3
Ferner hat das Landgericht im Rahmen seiner konkreten Strafzumessung zu Lasten der Angeklagten berücksichtigt, dass das Opfer der Angeklagten "objektiv betrachtet keinerlei Anlass für die Tat geboten hatte" und damit einen nicht gegebenen Strafmilderungsgrund strafschärfend herangezogen. Dies ist hier rechtsfehlerhaft (vgl. BGHSt 34, 345, 350). Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich die dargestellten Rechtsfehler auf die Höhe der verhängten Strafe ausgewirkt haben.
4
Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird dabei Gelegenheit haben, die näheren Umstände festzustellen, die in der Vergangenheit zu einem Aufenthalt der Angeklagten in einer jugendpsychiatrischen Einrichtung sowie ab Oktober 2007 zu ihrer - nach den bisherigen Feststellungen bis zuletzt andauernden - Behandlung in der Karl-Jaspers-Klinik geführt haben. Gleiches gilt für die Gründe der im September 2008 vom Amtsgericht Oldenburg angeordneten Betreuung , in deren Rahmen die Angeklagte am Morgen des Tattages in dieser Klinik, in der die Tat begangen wurde, untergebracht worden ist. Die insoweit getroffenen Feststellungen werden in die Prüfung der Frage einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit der Angeklagten bei Begehung der Tat (§ 21 StGB) einzubeziehen sein. Dass die Angeklagte dabei ohne Schuld im Sinne des § 20 StGB gehandelt hat, kann der Senat unter den gegebenen Umständen ausschließen.
Becker von Lienen Sost-Scheible Hubert RiBGH Dr. Schäfer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.