Bundesgerichtshof Urteil, 21. Feb. 2018 - 2 StR 431/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:210218U2STR431.17.0
bei uns veröffentlicht am21.02.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 431/17
vom
21. Februar 2018
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:210218U2STR431.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Februar 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grube, Schmidt,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin als Verteidigerin,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Fulda vom 30. Mai 2017 im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben bestehen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehenden Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft werden verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, sowie wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen.
2
Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft wendet sich zunächst gegen den Teilfreispruch, wobei die Staatsanwaltschaft den Freispruch im Fall 2 der Anklage (Tatvorwurf zum Nachteil der Zeugin T. ) von ihrem Rechtsmittelangriff ausgenommen hat. Zudem richtet sich ihr Rechtsmittel gegen den Gesamtstrafenausspruch. Die sich mit der Sachrüge gegen die Verurteilung richtende Revision des Angeklagten wie auch das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft führen zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Im Übrigen bleiben beide Rechtsmittel ohne Erfolg.

I.

3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
Der Angeklagte ist der leibliche Großvater mütterlicherseits der am 29. November 1989 geborenen R. , der am 31. März 1989 geborenen T. und der am 13. April 1997 geborenen H. .
5
1. Zwischen August 1996 und April 2000 nahmen R. und T. ein Bad im großelterlichen Haus. Als sie die Badewanne verlassen hatten und sich abtrockneten, betrat der Angeklagte das Badezimmer. Er forderte die Zeugin R. auf, sich auf den geschlossenen Toilettendeckel zu setzen. Dort betastete er das Mädchen für kurze Zeit im Vaginal - und Analbereich, ohne hierbei in die Zeugin einzudringen. T. war während des Vorfalls ebenfalls im Badezimmer. Einen Übergriff des Angeklagten zu deren Nachteil hat die Strafkammer nicht festzustellen vermocht und ihn insoweit freigesprochen.
6
2. In der Küche des großelterlichen Wohnhauses kam es zwischen 1996 und Mai 2000 mindestens zu drei sexuellen Übergriffen auf R. . Dabei zog der Angeklagte die Zeugin zu sich. Er setzte sie auf seinen Schoß, um sexuelle Handlungen an ihr vorzunehmen oder an sich vornehmen zu lassen. Dabei hat die Strafkammer folgende drei Taten festgestellt:
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Der Anklagte griff der Zeugin unter der Kleidung an den Schambereich. Er streichelte sie mit den Fingern an der Vaginalöffnung ohne dabei in die Zeugin einzudringen. Sodann öffnete er Knopf und Reißverschluss seiner Hose und forderte die Zeugin sinngemäß auf, an seinem Glied zu reiben. Die Zeugin kam der Aufforderung nach und manipulierte am erigierten Glied des Angeklagten. Zu einem Samenerguss kam es nicht.
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In einem anderen Fall griff der Angeklagte der Zeugin in die Hose und Unterhose und streichelte die Zeugin ohne Einzudringen mit den Fingern an der Scheidenöffnung. Nach einigen Minuten ließ er von der Zeugin ab.
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In einem weiteren Fall öffnete der Angeklagte Knopf und Reißverschluss seiner Hose und forderte die Zeugin sinngemäß auf, an seinem Glied zu reiben. Diese kam der Aufforderung nach und manipulierte zunächst auf der Unterhose und dann in der Unterhose das erigierte Glied des Angeklagten. Zu einem Samenerguss kam es nicht. Nach einigen Minuten ließ der Angeklagte von der Zeugin ab.
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Die Taten fanden ein Ende, nachdem die Zeugin R. im Sexualkundeunterricht aufgeklärt worden war. Hiernach setzte sie sich gegen die Handlungen des Angeklagten zur Wehr.
11
Das Landgericht hat den den Tatvorwurf bestreitenden Angeklagten aufgrund der Angaben der Zeugin R. als überführt angesehen. Es hat ihn von weiteren 86 angeklagten Missbrauchsfällen zum Nachteil dieser Zeugin freigesprochen, da insoweit eine Eingrenzung bzw. Konkretisierung weiterer Übergriffe anhand individueller Umstände wie einem abweichenden Tatort, abweichenden Tatmodalitäten oder sonstigen konkreten individuellen Bezugsmerkmalen nicht möglich gewesen sei. Die Strafkammer hat sich auch außerstande gesehen, anhand objektiv nachvollziehbarer Kriterien eine Frequenz der Übergriffe festzustellen, um Gewissheit für eine weitergehende Mindestzahl von Übergriffen zu gewinnen.
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3. Hinsichtlich der Taten zum Nachteil der H. hat das Landgericht festgestellt, dass die Zeugin seit ihrer Einschulung im Jahr 2003 bereits vor der Schule von dem Angeklagten und seiner Ehefrau betreut wurde. Dabei kam es vor, dass sich H. zu dem mit Unterhose und Unterhemd bekleideten Angeklagten unter dessen Bettdecke legte. In dieser Situation kam es zwischen August 2003 und August 2006 zu folgenden Vorfällen:
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Nachdem der Angeklagte H. zunächst den Rücken, dann ihren Bauch gestreichelt hatte, zog er die von ihr getragene Unterbekleidung ein Stück nach unten. Er streichelte sie im Intimbereich und drang schließlich mit dem Finger in die Scheide der Zeugin ein, wobei er diesen hin und her bewegte. Während des Geschehens forderte er die Zeugin auf, mit ihrer Hand an sei- nen Penis „herumzuspielen“. Hierzu führte er die Hand des Kindes an sein nacktes erigiertes Glied und demonstrierte hierbei reibende Bewegungen. Die Zeugin leistete der Anweisung Folge und manipulierte am Glied des Angeklagten. Das sich über mehrere Minuten erstreckende Geschehen endete, als die Großmutter nach H. rief.
14
Zudem ereignete sich ein im Wesentlichen inhaltsgleicher Übergriff, wobei es in diesem Fall ausschließlich zu einer Manipulation samt mehrfachen Eindringens mit dem Finger durch den Angeklagten kam, während H. nicht an seinem Glied manipulieren sollte bzw. musste.
15
Überdies kam es zu einem im Wesentlichen identischen Vorfall, wobei der Angeklagte jedoch nicht mit dem Finger in die Vagina der Zeugin eindrang, sondern diese lediglich streichelte.
16
Darüber hinaus zog der Angeklagte in einem weiteren Fall in der eingangs beschriebenen Situation die von der Zeugin getragene Unterbekleidung nach unten und streichelte die Zeugin sodann ohne Einzudringen mit dem Finger an der Vagina.
17
Schließlich kam es zu einem mit dem vorstehenden Vorfall identischen Geschehen, wobei der Angeklagte die Geschädigte im Rahmen dieses Vorfalls zusätzlich dazu aufforderte, an seinem Glied zu manipulieren. Hierzu führte er die Hand der Zeugin an sein Glied. Er unterwies sie unter Führen der Hand, welche Bewegungen sie ausführen solle. Die Zeugin leistete dem Folge, bis es beim Angeklagten zu einem Samenerguss kam.
18
Das Landgericht hat den den Tatvorwurf bestreitenden Angeklagten aufgrund der Angaben der Zeugin H. verurteilt. Soweit dem Angeklagten darüber hinaus mit der Anklageschrift vom 19. Juli 2016 vorgeworfen worden war, die Zeugin H. in seinem Bett und weiteren 17 Fällen missbraucht zu haben, hat es den Angeklagten freigesprochen. Auch insoweit ist die Strafkammer , wie bei der Zeugin R. davon ausgegangen, dass sich mehr als die konkret festgestellten Übergriffe zu Lasten der Zeugin ereigneten. Allerdings hat sich das Landgericht auch hier zu einer Eingrenzung bzw. Konkretisierung weiterer Übergriffe außer Stande gesehen.
19
Das Landgericht hat den Angeklagten ferner von dem weitergehenden Vorwurf freigesprochen, die Zeugin H. in mindestens zehn Fällen im Zeitraum zwischen August 2003 und August 2006 nachmittags in der Küche oder im Wohnzimmer missbraucht zu haben. Die Strafkammer hat insoweit nicht auszuschließen vermocht, dass es aufgrund des Kontakts zwischen der Zeugin H. und der Zeugin R. nach deren jeweils erster polizeilichen Vernehmung zu einer Vermengung der Erinnerungen der Zeugin H. mitden Schilderungen der Zeugin R. gekommen sei.
II. Revision des Angeklagten
20
Die auf die Sachrüge vorzunehmende umfassende materiellrechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils führt zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs ; im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 9. November 2017 als unbegründet.
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1. Die Bemessung der Gesamtstrafe ist gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB im Wege einer Gesamtschau des Unrechtsgehalts und des Schuldumfangs durch einen eigenständigen Zumessungsakt vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 269 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 4 StR 261/13, juris Rn. 3). Dabei sind vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre größere oder geringere Selbständigkeit , die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und die Begehungsweise sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, aaO).
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Das Revisionsgericht darf nur bei Rechtsfehlern in diesen Strafzumessungsakt eingreifen. Diese können insbesondere dann vorliegen, wenn die Gesamtstrafe sich nicht innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens bewegt, die gebotene Begründung für die Gesamtstrafe fehlt, oder wenn die Besorgnis besteht , der Tatrichter habe sich von der Summe der Einzelstrafen leiten lassen (BGH, Beschluss vom 10. November 2016 – 1 StR 417/16, juris).
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2. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Die Strafkammer hat zwar die gegen den Angeklagten verhängten Einzelstrafen hinreichend begründet, jedoch ihre Überlegungen zur Gesamtstrafe nicht dargestellt. Mangels jeglicher Ausführungen zur Begründung des Gesamtstrafenausspruchs ist nicht nachvollziehbar, welche für sowie gegen den Angeklagten sprechenden Kriterien für die Strafkammer bei der Bestimmung des Gesamtstrafenausspruchs leitend gewesen sind. Insofern bleibt offen, wie sie die insgesamt neun Einzelstrafen mit einer Einsatzstrafe von einem Jahr und sechs Monaten und einer Summe der Einzelstrafen von sechs Jahren und vier Monaten auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten zusammengeführt hat. Dem Senat ist daher eine Überprüfung verwehrt.
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3. Die zugehörigen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können daher aufrechterhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
III. Revision der Staatsanwaltschaft
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1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist rechtswirksam innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs auf die aus Sicht der Staatsanwaltschaft als zu gering empfundene Gesamtfreiheitsstrafe sowie auf die Teilfreisprüche hinsichtlich der angeklagten Taten zum Nachteil der Zeuginnen R. und H. beschränkt.
26
Widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung , ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV das Angriffsziel durch Auslegung zu ermitteln (st. Rspr.; vgl. Urteil vom 20. September 2017 – 1 StR 112/17, juris Rn. 11; Senat, Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; Urteil vom 26. April 2017 – 2 StR 47/17, NStZ-RR 2017, 201; BGH, Urteil vom 22. Februar 2017 – 5 StR 545/16, juris Rn. 10, jew. mwN). Dies führt zu der genannten Beschränkung. Ungeachtet der in der Revisionsbegründung enthaltenen Formulierung, die Revision sei, „soweit der An- geklagte verurteilt wurde, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt“, liegt kein umfassender Angriff gegen den Rechtsfolgenausspruch vor. Denn die Begründung des Rechtsmittels enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass die Staatsanwaltschaft auch die Festsetzung der Einzelstrafen anfechten wollte. Sie wendet sich in der Sache vielmehr ausschließlich gegen die aus ihrer Ansicht zu gering bemessene Gesamtfreiheitsstrafe.
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2. Die unterbliebene Begründung der Gesamtstrafe führt aus den bei der Revision des Angeklagten dargestellten Erwägungen auch auf die Revision der Staatsanwaltschaft zu Ungunsten des Angeklagten zu deren Aufhebung.
28
3. Soweit die Kammer den Angeklagten wegen des Vorwurfs weiterer Taten zum Nachteil der Zeuginnen R. und H. freigesprochen hat, ist das Rechtsmittel unbegründet.
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a) Die Urteilsgründe genügen den formellen Anforderungen an einen Teilfreispruch (§ 267 Abs. 5 Satz 1 StPO).
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aa) Wird der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, so müssen nach Mitteilung des Anklagevorwurfs im Urteil zunächst diejenigen Tatsachen dargestellt werden, die das Tatgericht für erwiesen erachtet. Erst auf dieser Grundlage ist in der Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen die zur Verurteilung notwendigen Feststellungen nicht getroffen werden konnten (BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 – 1 StR 722/13, NStZ-RR 2014, 220 (Ls.); Urteil vom 21. Oktober 2003 – 1 StR 544/02, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 13, jew. mwN). Hierdurch wird das Revisionsgericht in die Lage versetzt, nachprüfen zu können, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht (BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 – 1 StR 722/13, aaO; Urteil vom 5. Februar 2013 – 1 StR 405/12, NJW 2013, 1106, jew. mwN).
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bb) Diesen Anforderungen wird das Urteil gerecht. Die Strafkammer hat zunächst die Feststellungen geschlossen dargestellt, die sie für erwiesen gehalten hat (UA S. 5-12). Sie hat sodann über 40 Seiten eine umfangreiche Beweiswürdigung vorgenommen. Dabei hat sie im Rahmen der Beweiswürdigung zum jeweiligen Aussageinhalt im Ermittlungsverfahren, zu Entstehung und Konstanz der Aussagen, zu möglichen Falschbelastungsmotiven und zu der Aussage in der Hauptverhandlung der beiden Geschädigten umfassende Ausführungen gemacht. Sie hat sich auch mit den unterschiedlichen Tatörtlichkeiten auseinandergesetzt. Diese sowie die weitergehenden Ausführungen im Rahmen der Teilfreisprüche versetzen das Revisionsgericht hinreichend in die Lage , nachprüfen zu können, ob die Teilfreisprüche auf rechtsfehlerfreien Erwägungen beruhen. Vor diesem Hintergrund ist eine Wiederholung der Ausführungen , die nicht zur Überzeugungsbildung des Landgerichts ausgereicht haben, nicht erforderlich gewesen.
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b) Das Urteil genügt auch den inhaltlichen Anforderungen an einen Freispruch bei Sexualdelikten.
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aa) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Dem Tatrichter obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. September 2016 – 1 StR 104/15, juris Rn. 33, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179). Die revisionsgerichtliche Prüfung erstreckt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungsgesetze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2016 – 1 StR 94/16 mwN). Der Tatrichter ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinander zu setzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, aaO). Die Anforderungen an eine umfassende Würdigung der festgestellten Tatsachen sind bei einem Freispruch nicht geringer als im Fall der Verurteilung (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2009 – 1 StR 479/08, NStZ 2009, 512,

513).

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Der Tatrichter darf zudem keine überspannten Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit stellen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 26. Juli 2016 – 1 StR 607/15, juris Rn. 12). Im Hinblick auf die Probleme der Stofffülle und der Beweisschwierigkeiten bei vielen sexuellen Übergriffen auf ein allein als Beweismittel zur Verfügung stehendes Kind dürfen an die Indi- vidualisierbarkeit der einzelnen Taten im Urteil keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden (BGH, Beschluss vom 25. März 2010 – 5 StR 83/10, juris Rn. 8; Beschluss vom 10. Mai 1994 – 5 StR 239/94, NStZ 1994, 502). Der Tatrichter muss sich aber, möglichst unter Konkretisierung der einzelnen Handlungsabläufe (BGH, Beschluss vom 25. März 2010 – 5 StR 83/10, aaO; Beschluss vom 20. Juni 2001 – 3 StR 166/01, StV 2002, 523; Beschluss vom 24. August 1994 – 1 StR 432/94, NStZ 1995, 78), wie bei jeder anderen Verurteilung auch die Überzeugung verschaffen, dass es im gewissen Zeitraum zu einer bestimmten Mindestanzahl von Straftaten gekommen ist (BGH, Beschluss vom 27. März 1996 – 3 StR 518/95, BGHSt 42, 107, 110). Dabei muss das Tatgericht darlegen, aus welchen Gründen es die Überzeugung gerade von dieser Mindestzahl von Straftaten gewonnen hat (BGH, Beschluss vom 5. März 2008 – 5 StR 611/07, BGHSt 42, 107,109; Beschluss vom 25. März 2010 – 5 StR 83/10, aaO). Ist eine Individualisierung einzelner Taten mangels Besonderheiten im Tatbild oder der Tatumstände nicht möglich, sind zumindest die Anknüpfungspunkte zu bezeichnen, anhand derer der Tatrichter den Tatzeitraum eingrenzt und auf die sich seine Überzeugung von der Mindestzahl und der Begehungsweise der Mißbrauchstaten des Angeklagten in diesem Zeitraum gründet (BGH, Beschluss vom 20. Juni 2001 – 3 StR 166/01, aaO; Beschluss vom 12. November 1997 – 3 StR 559/97, NStZ 1998, 208).
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bb) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil gerecht. Es ist insbesondere nicht zu erkennen, dass das Landgericht einen überzogenen Maßstab an die Überzeugungsbildung angelegt hat.
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(1) Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht aufgrund der Schilderung der Zeugin R. einerseits davon ausgegangen ist, dass es zu mehr als den vier konkret festgestellten Übergriffen zu Lasten der Zeugin gekommen ist, es sich andererseits aber außerstande gesehen hat, eine höhere Mindestanzahl von Missbrauchsfällen auf der Basis der schwankenden und nicht objektivierbaren Angaben der Zeugin zur Tathäufigkeit festzustellen. Die Strafkammer hat dies damit begründet, dass die Zeugin im Rahmen der ersten polizeilichen Ver- nehmung nur davon gesprochen habe, dass die Übergriffe „öfters“ vorgekom- men seien. Im Rahmen einer weiteren Vernehmung habe sie von mindestens drei Übergriffen im Monat gesprochen und schließlich in der Hauptverhandlung ausgeführt, dass es zu zwei Übergriffen in der Woche gekommen sei. Der hieraus von dem Landgericht gezogene Schluss, die Zeugin spekuliere letztlich über die Häufigkeit der Übergriffe, ist nicht nur möglich, sondern naheliegend. Die Strafkammer hat sich in diesem Zusammenhang ausdrücklich damit ausei- nandergesetzt, warum die von der Staatsanwaltschaft erstrebte „Hochrechnung“ der Anzahl der Taten nicht möglich gewesen ist. Sie hat ihre Schlussfol- gerung zusätzlich damit begründet, dass es zum einen auch Zeiträume gegeben haben müsse, in denen es durch den Angeklagten nicht zu Übergriffen auf die Zeugin gekommen sein könne (Schlaganfall des Angeklagten; Urlaub /Krankheit der Großmutter; unterschiedliche Arbeitszeiten der Großmutter im Schichtbetrieb). Zum anderen sei es der Zeugin nicht möglich gewesen, den Beginn oder das Ende der Übergriffe verlässlich einzuordnen.
37
Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang ebenfalls rechtsfehlerfrei begründet, warum es keine sichere Überzeugung dahingehend hat gewinnen können, dass es auch im Wohnzimmer zu einem Übergriff auf die Geschädigte R. gekommen ist. Zwar hatte die Zeugin im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung einen derartigen Übergriff geschildert, sich an diesen aber im Rahmen der Hauptverhandlung auch auf Vorhalt nicht zu erinnern vermocht. Dass die Strafkammer sich bei diesem Beweisergebnis außerstande gesehen hat, eine sichere Überzeugung von der Richtigkeit des Anklagevorwurfs zu gewinnen , ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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(2) Auch der Teilfreispruch hinsichtlich der 27 weiteren angeklagten Taten zum Nachteil der Geschädigten H. ist rechtsfehlerfrei. Die Zeugin hat einerseits dargestellt, eine Quantifizierung falle ihr sehr schwer. Auf Befragen hat sie in der Hauptverhandlung hinsichtlich der Häufigkeit von einer schwankenden Zahl von Übergriffen berichtet (20-mal, eher mehr; mindestens zehnmal). Angesichts dieser divergierenden Angaben ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden , dass sich die Strafkammer zur Schätzung einer Mindestzahl außerstande gesehen hat.
39
Soweit das Landgericht sich ebenfalls nicht davon hat überzeugen können , dass weitere Übergriffe in der Küche der Großeltern stattfanden, hat es dies ausreichend damit begründet, dass aufgrund des Kontakts zwischen der Zeugin H. und der Zeugin R. nach deren jeweiliger erster polizeilicher Vernehmung eine Vermengung der Erinnerungen bei der Zeugin H. mit den Schilderungen der Zeugin R. nicht auszuschließen sei. Denn die Zeugin H. habe in ihrer ersten polizeilichen Vernehmung keine Vorfälle in der Küche geschildert, sondern als Tatort das Bett und ganz selten das Wohnzimmer beschrieben, wohingegen es an anderen Orten zu keinen Übergriffen gekommen sei. Schäfer Eschelbach Bartel Grube Schmidt

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 21. Feb. 2018 - 2 StR 431/17

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Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafgesetzbuch - StGB | § 54 Bildung der Gesamtstrafe


(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener
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(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

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Referenzen

(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.

(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.

(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.

3
a) Die Bemessung der Gesamtstrafe nach § 54 Abs. 1 Satz 3 StGB ist ein eigenständiger Strafzumessungsakt, bei dem die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend zu würdigen sind. Dabei ist im Rahmen einer Gesamtschau vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre größere oder geringere Selbstständigkeit, die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der Begehungsweisen sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 269 f.). Die Erhöhung der Einsatzstrafe hat in der Regel niedriger auszufallen, wenn zwischen gleichartigen Taten ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang besteht (BGH, Beschluss vom 13. April 2010 – 3 StR 71/10, NStZ-RR 2010, 238; Beschluss vom 13. November 2008 – 3 StR 485/08). Wird die Einsatzstrafe erheblich erhöht, bedarf dies näherer Begründung (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2006 – 2 StR 346/06, NStZ 2007, 326). Kommt die Gesamtstrafe der Summe der Einzelstrafen nahe, ist eine eingehende Darlegung erforderlich, aus welchen Gründen der durch § 54 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 StGB vorgesehene Rahmen für die Gesamtstrafenbildung nahezu ausgeschöpft wurde (BGH, Beschluss vom 13. April 2010 – 3 StR 71/10, NStZ-RR 2010, 238; Beschluss vom 13. November 2008 – 3 StR 485/08).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 417/16
vom
10. November 2016
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge mit Waffen u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:101116B1STR417.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. November 2016
beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8. März 2016 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Entgegen dem Revisionsvorbringen erfolgte die Bildung der Gesamtstrafe gemäß § 54 StGB ohne Rechtsfehler. Der Tatrichter war nicht gehindert, die in drei von neun Fällen verwirkte höchste Einzelstrafe (fünf Jahre und sechs Monate) auf 13 Jahre und sechs Monate zu erhöhen. 1. Die Bemessung der Gesamtstrafe im Rahmen der Gesamtstrafenbildung nach § 54 Abs. 1 StGB ist im Wege einer Gesamtschau des Unrechtsgehalts und des Schuldumfangs durch einen eigenständigen Zumessungsakt vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 269 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 4 StR 261/13). Der Summe der Einzelstrafen kommt nur ein geringes Gewicht zu, maßgeblich ist die angemessene Erhöhung der Einsatzstrafe unter zusammenfassender Würdigung der Person des Täters und der einzelnen Straftaten (§ 54 Abs. 1 Satz 3 StGB). Dabei ist vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre größere oder geringere Selbstständigkeit, die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der Begehungsweisen sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 269 f.). Besteht zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang hat die Erhöhung der Einsatzstrafe in der Regel geringer auszufallen (BGH, Beschlüsse vom 13. April 2010 – 3 StR 71/10, NStZ-RR 2010, 238 und vom 13. November 2008 – 3 StR 485/08). Wird die Einsatzstrafe erheblich erhöht, bedarf dies näherer Begründung (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2006 – 2 StR 346/06, NStZ 2007, 326). Eine starke Erhöhung der Einsatzstrafe bedarf besonderer Begründung, wenn sich diese nicht aus den fehlerfrei getroffenen Feststellungen von selbst ergibt. Da der Strafzumessung eine "Mathematisierung" fremd ist, kann – anders als der Revisionsführer meint – ein Rechtsfehler nicht allein darin gesehen werden, dass die Einsatzstrafe auf das etwa Zweieinhalbfache erhöht wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 25. August 2010 – 1 StR 410/10, NStZ 2011, 32; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 54 Rn. 7a). Derartige mathematische Überlegungen finden im Gesetz keine Stütze; auch bei der Bemessung einer Gesamtstrafe gilt, dass das Gesetz bei der Strafzumessung "von jedem Schematismus" weit entfernt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 351; Urteil vom 28. März 2013 – 4 StR 467/12). Der Tatrichter kann auch nicht dazu gezwungen werden, eine schuldunangemessene erhöhte Einsatzstrafe festzusetzen, um die rechtsfehlerfreie Verhängung einer tat- und schuldangemessenen Gesamtstrafe zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 1997 – 3 StR 16/97, BGHR StGB § 54 Strafhöhe

1).


Das Revisionsgericht hat nur auf Rechtsfehler einzugreifen. Diese können insbesondere dann vorliegen, wenn die Gesamtstrafe sich nicht innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens befindet oder die gebotene Begründung für die Gesamtstrafe fehlt, oder wenn die Besorgnis besteht, der Tatrichter habe sich von der Summe der Einzelstrafen leiten lassen (vgl. hierzu u.a. BGH, Beschluss vom 3. Februar 1999 – 2 StR 678/98 mwN). Eine ungewöhnlich hohe Divergenz zwischen Einsatzstrafe und Gesamtstrafe kann (jedenfalls beim Fehlen einer tragfähigen Begründung) die letztgenannte Besorgnis begründen (BGH, Beschluss vom 25. August 2010 – 1 StR 410/10, NStZ 2011, 32 mwN). 2. Solche Rechtsfehler sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der Tatrichter hat die Erhöhung der Einsatzstrafe nicht nur durch zulässige (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271; BGH, Urteil vom 17. August 1988 – 2 StR 353/88, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 1 und Beschluss vom 15. August 1989 – 1 StR 382/89, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 4) Bezugnahme auf die Strafzumessungserwägungen begründet, die den neun wegen Straftaten nach dem BtMG verhängten Einzelstrafen zugrunde lagen. Er hat den das Tatgeschehen charakterisierenden langen Tatzeitraum hervorgehoben, der mit Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (220 Kilogramm Haschisch ) in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im März 2007 begann und im Dezember 2014 mit bewaffnetem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sein Ende fand. Dazwischen lagen sieben weitere Straftaten, von denen jeweils drei Taten (Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge – 70 bzw. 80 Kilogramm Haschisch – in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge) mit den Einsatzstrafen geahndet worden sind. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden; denn die in einem Zeitraum von siebeneinhalb Jahren eingebetteten und im Verhältnis zueinander eine große
Selbständigkeit aufweisenden Taten heben das Geschehen von typischen Serienstraftaten ab. Der Festsetzung einer dem Gesamtgewicht des Sachverhalts gerecht werdenden Gesamtstrafe stand nicht entgegen, dass die Strafkammer die Einsatzstrafen noch in der unteren Hälfte des angewandten Strafrahmens festgesetzt hat und das Gewicht der einzelnen Taten, wie es rechtlich möglich gewesen wäre, nicht schon durch die Festsetzung höherer Einzelstrafen berücksichtigt hat. Deshalb war es rechtlich geboten, die für das Gesamtgewicht maßgeblichen Umstände, sofern sie nicht schon vollständig die Einzelstrafen mitbestimmt haben, jedenfalls bei der Gesamtstrafenbildung angemessen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1995 – 1 StR 463/95, BGHR StGB § 54 Serienstraftaten 3; BGH, Urteile vom 23. Oktober 1997 – 4 StR 347/97, NStZ-RR 1998, 236 und vom 21. März 2006 – 1 StR 61/06, NStZ-RR 2007, 72). Das hat das Landgericht getan. Die der Bemessung der Einzelstrafen vorangestellten Erwägungen, auf die das Landgericht bei der Gesamtstrafenbildung Bezug genommen hat, belegen, dass es die für die vorzunehmende Gesamtwürdigung des Täters und seines Verhaltens bedeutsamen
Umstände bedacht hat. In der Gesamtschau der Taten hattenUnrechtsgehalt und Schuldumfang hier besonderes Gewicht. Graf Cirener Radtke Mosbacher Fischer

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

11
Widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung , ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV das Angriffsziel durch Auslegung zu ermitteln (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; vom 22. Februar 2017 – 5 StR 545/16; vom 26. April 2017 – 2 StR 47/17, NStZ-RR 2017, 201 und vom 6. Juli 2017 – 4 StR 415/16, StRR 2017, Nr. 8, 18). Dies führt zu der genannten Beschränkung. Ungeachtet der in der Revisionsbegründung enthaltenen Wendung, die Ausfüh- rungen zur Begründung erfolgten „erläuternd, nicht einschränkend“ liegt keine umfassende Revision vor. Die Begründung des Rechtsmittels, das erkennbar, wenn auch nicht ausdrücklich ausschließlich zuungunsten des Angeklagten eingelegt ist, enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass auch der Schuldspruch im Fall B.II.1. angefochten werden soll. Dieser bildet vielmehr gerade die Grundlage der von der Beschwerdeführerin insoweit erhobenen Einwendungen gegen die Bemessung der entsprechenden Einzelstrafe.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 90/14
vom
11. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Juni 2014,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 5. Dezember 2013 wird als unbegründet verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels sowie die insoweit notwendigen Auslagen des Angeklagten hat die Staatskasse zu tragen. Die Nebenklägerin trägt ihre Auslagen selbst.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete , zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts planten der Angeklagte und der gesondert Verfolgte B. einen Einbruch in ein Wohnhaus in Kronberg. Sie hatten den Tatort zuvor ausgekundschaftet und unter anderem auch in Erfahrung gebracht, dass die Bewohner tagsüber nicht zu Hause sein sollten. In Umsetzung ihres Tatplans begaben sie sich am 7. Juni 2013 gegen 14.15 Uhr zum Tatort. Sie führten eine Tasche mit Wechselkleidung mit sich; darüber hinaus zwei Strumpfmasken wegen der vor Ort vorhandenen Überwachungskameras sowie eine Rolle Klebeband, um ein Fenster vor dem Einschlagen abkleben zu können. Da sie sicher gehen wollten, dass tatsächlich niemand zu Hause war, klingelte der gesondert Verfolgte B. während sich der Angeklagte vor der Haustür postierte. Es öffnete die Zeugin St. , woraufhin der Angeklagte und B. ihren Tatplan spontan dahin erweiterten, nunmehr unter Überwältigung der Zeugin St. in das Haus einzudringen und nach Wertgegenständen Ausschau zu halten.
3
Der Angeklagte drängte die Zeugin sogleich ins Haus, fesselte sie mit einem im Flur entdeckten Strickschal an Händen und Beinen und warf ihr eine Wolldecke über den Kopf. Sodann begannen beide Täter das Haus nach Wertgegenständen zu durchsuchen. Die aufgefundene Beute (Schmuck und Bargeld ) verstauten sie in einer am Tatort aufgefundenen Sporttasche. Währenddessen rief die unter Atemnot leidende Zeugin um Hilfe und bat um Wasser. Der Angeklagte reichte ihr eine Tasse Kaffee, die die Zeugin mit ihrer aus der Fesselung befreiten rechten Hand ergriff und gegen eine Fensterscheibe warf. Sie rief nun laut um Hilfe. Der Angeklagte und der hinzukommende B. fesselten die Hände der Zeugin mit am Tatort aufgefundenen Kabelbindern fest auf ihren Rücken und verklebten ihr den Mund mit dem mitgeführten Klebeband. Anschließend setzten beide Täter die Durchsuchung fort und entdeckten weiteres Bargeld, das sie an sich nahmen. Als es an der Haustür klingelte, trugen die Täter die gefesselte Zeugin in den Keller und flüchteten aus dem Haus. Unterwegs entledigten sie sich sowohl der Tasche mit Wechselkleidung als auch der Tasche mit der Beute. Der Angeklagte konnte gegen 17.00 Uhr hinter einer naheliegenden Kleingartenanlage festgenommen werden. Beide Taschen wurden alsbald aufgefunden.
4
Die Zeugin erlitt infolge der strammen Fesselung starke Hämatome und Druckstellen an den Handgelenken. Eine traumatische Affektion verschiedener Nerven riefen Taubheitsgefühle in der rechten Hand und am linken Daumen hervor, die bis heute anhalten.
5
2. Die Kammer hat die Tat wegen der strammen Fesselung der Zeugin als „schweren Raub“ gemäߧ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB gewertet und unter Annahme eines minder schweren Falls gemäß § 250 Abs. 3 StGB eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verhängt.

II.


6
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist rechtswirksam auf den Strafausspruch beschränkt.
7
1. Zwar hat die Staatsanwaltschaft eingangs ihrer Revisionsbegründungsschrift keine Beschränkung erklärt und am Ende ihrer Ausführungen die (uneingeschränkte) Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen und Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer zur erneuten Verhandlung und Entscheidung beantragt. Mit diesem den Schuld- und Strafausspruch umfassenden Revisionsantrag steht jedoch der übrige Inhalt der Revisionsbegründungsschrift nicht in Einklang. Daraus ergibt sich, dass die Revisionsführerin das Urteil deshalb für fehlerhaft hält, weil das Landgericht der Bemessung der Freiheitsstrafe zu Unrecht den Strafrahmen des minder schweren Falls nach § 250 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt und die Freiheitsstrafe daher unangemessen milde bemessen habe. Somit widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung. In einem solchen Fall ist nach ständiger Rechtsprechung das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 12. April 1989 - 3 StR 453/88, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; Urteil vom 25. November 2003 - 1 StR 182/03, NStZ-RR 2004, 118; Löwe/Rosenberg-Franke, StPO, 26. Aufl., § 344 Rn. 10).
8
Nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung ist allein der Strafausspruch angefochten und der Schuldspruch vom Rechtsmittelangriff ausgenommen. Allein der Umstand, dass die Revisionsführerin nach Erhebung der allgemeinen Sachrüge einleitend ausgeführt hat, das Landgericht habe die Tat „insbesondere“ rechtsfehlerhaft als minder schweren Fall gewertet, zeigt mangels eines Hinweises auf einen weiteren Rechtsfehler des Urteils kein weitergehendes Angriffsziel der Revision auf. Unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV versteht der Senat daher das gesamte Revisionsvorbringen dahin, dass die Staatsanwaltschaft den Schuldspruch nicht angreifen will (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2013 - 4 StR 296/12 mwN).
9
2. Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist auch rechtswirksam.
10
Voraussetzung für eine wirksame Beschränkung der Revision ist, dass sie sich auf Beschwerdepunkte bezieht, die nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angegriffenen Teil rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden können, ohne eine Prüfung der Entscheidung im Übrigen erforderlich zu machen (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 29. Februar 1956 - 2 StR 25/56, BGHSt 10, 100, 101; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 318 Rn. 6 mwN). Eine Beschränkung ist aber auch dann unwirksam, wenn die Gefahr besteht, dass die nach dem Teilrechtsmittel (stufenweise) entstehende Gesamtentscheidung nicht frei von inneren Widersprüchen bleiben kann (BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1980 - 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 366; Beschluss vom 15. Mai 2001 - 4 StR 306/00, BGHSt 47, 32, 35 und 38).
11
Die Beschränkung des Rechtsmittels ist nach diesen Grundsätzen wirksam.
12
Es liegen keine Umstände vor, aus denen sich ausnahmsweise eine untrennbare Verknüpfung der Erörterungen zur Schuld- und Straffrage ergibt, was insbesondere dann der Fall wäre, wenn vom Landgericht strafmildernd gewertete und deshalb von der Revision angegriffene Umstände tatsächlich (auch) den Schuldspruch beträfen. Mit ihrer Revision rügt die Staatsanwaltschaft - neben zahlreichen anderen Einwendungen gegen die Vollständigkeit und Gewichtung einzelner Strafzumessungserwägungen - zwar auch eine rechtfehlerhafte Beweiswürdigung im Hinblick auf den von der Strafkammer als strafmildernd gewerteten Umstand, dass die Tatplanerweiterung des Angeklagten und seines Mittäters auf einem spontanen und erst vor Ort gefassten Entschluss beruhte. Die Feststellungen, dass es sich insoweit um eine Spontantat handelte, sind jedoch nicht tatbestandsrelevant. Der Tatvorsatz liegt unabhängig davon vor, wann der Tatentschluss gefasst wurde und zu welchem Zeitpunkt er in welchem Maße vor dem Eindringen der Täter in das Haus konkretisiert war, weshalb der Schuldspruch von dem Revisionsangriff in jedem Fall unberührt bliebe.
13
Bei einer Teilaufhebung wäre hier auch nicht zu befürchten, dass die stufenweise entstehende Gesamtentscheidung unter inneren Widersprüchen litte. Veränderte Feststellungen zum Zeitpunkt des konkreten Tatentschlusses des Angeklagten würden die Gesamtentscheidung lediglich modifizieren und nicht widersprüchlich erscheinen lassen.

III.


14
Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
15
1. Die den strafzumessungsrelevanten Feststellungen der Strafkammer zugrunde liegende Beweiswürdigung ist unter Berücksichtigung des revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs frei von Rechtsfehlern.
16
Dies gilt auch im Hinblick auf die Feststellung des Landgerichts, dass der Angeklagte und sein Mittäter zunächst nur einen Einbruchdiebstahl geplant und ihren Tatentschluss erst vor Ort auf die Ausführung eines Raubes erweitert haben, denn das Gericht hat sich auch insoweit seine Überzeugung auf einer ausreichenden objektiven Beweisgrundlage gebildet.
17
Zwar war es zur Überprüfung der Anwesenheit eines Hausbewohners nicht erforderlich, dass sich der Angeklagte beim Klingeln unmittelbar vor der Haustür postierte. Dieses Vorgehen ist aber nicht als derart ungewöhnlich risikoreich zu werten, dass es als gewichtiges Indiz für einen von vornherein geplanten Raub hätte gewertet werden müssen. Denn auch dann, wenn ein Täter nur einen Einbruch plant, kann er auf das unerwartete Öffnen der Tür durch einen Hausbewohner noch mit der unverdächtig erscheinenden Nachfrage nach einer angeblich dort wohnhaften Person reagieren. Für einen zunächst nur geplanten Einbruchdiebstahl sprach ohne Weiteres, dass der Angeklagte und sein Mittäter ausschließlich für einen Einbruch nützliche Gegenstände mit sich führten und demgegenüber keine Vorsorge für die Fesselung bzw. Ruhigstellung eines anwesenden Hausbewohners getroffen hatten. Zur Fesselung der Zeugin St. wurde ein vor Ort aufgefundener Schal verwendet. Nachdem sich diese Fesselung bereits nach kurzer Zeit als unzureichend erwiesen hatte, mussten der Angeklagte und sein Mittäter zunächst nach anderen Mitteln zur Fesselung suchen. Auch auf die Idee, das mitgeführte Klebeband zur Fesselung zu nutzen , kamen sie nicht.
18
2. Der Strafausspruch hält auch im Übrigen sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. Rechtsfehler bei der Wahl des Strafrahmens zeigt auch die Revision nicht auf. Das Landgericht hat die erforderliche Gesamtschau vorgenommen und dabei alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt. In Anbetracht der zahlreichen strafmildernden Umstände (umfassendes Geständnis, junges Alter des Angeklagten, Unbestraftheit, Erstverbüßer, spontane Tatplanerweiterung, gewisser Dilettantismus und wenig vorausschauende Planung der Tat) ist daher die Annahme eines minder schweren Falls gemäß § 250 Abs. 3 StGB aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, auch wenn eine andere Beurteilung möglich gewesen wäre.
19
3. Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revision der Staatsanwaltschaft nicht ergeben (§ 301 StPO).
Fischer Krehl Eschelbach
Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 47/17
vom
26. April 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
ECLI:DE:BGH:2017:260417U2STR47.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. April 2017, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, Zeng, Dr. Grube,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
der Angeklagte in Person,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 4. August 2016 wird verworfen. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die dagegen gerichtete auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die beanstandet, das Landgericht habe zu Unrecht einen minder schweren Fall angenommen und die Strafe rechtsfehlerhaft zur Bewährung ausgesetzt, hat keinen Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen überfiel der Angeklagte am 10. März 2015 kurz vor 20.00 Uhr aufgrund eines spontanen Entschlusses maskiert mit einer Sturmhaube unter Verwendung einer ungeladenen Soft-Air-Pistole eine ihm bis dahin unbekannte Tankstelle. Zum Zeitpunkt des Überfalls befanden sich eine Kassiererin und der Betreiber der Tankstelle in dem Verkaufsraum. Eingeschüchtert von der Drohung mit der von ihr für echt gehaltenen Scheinwaffe händigte die Kassiererin dem Angeklagten 200 bis 300 Euro "Wechselgeld" aus. Mehr Geld befand sich nicht in der Kasse, weil der Betreiber kurz zuvor die Tageseinnahmen in den Tresor verbracht hatte. Die Geschädigten haben keine psychischen Schäden davon getragen.

II.

3
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
4
1. Das Rechtsmittel ist wirksam auf den Strafausspruch beschränkt.
5
Die Beschwerdeführerin hat zwar einen unbeschränkten Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils gestellt. Jedoch hält sie das Urteil nur deshalb für fehlerhaft, weil das Landgericht den Angeklagten unter Anwendung des Strafrahmens des § 250 Abs. 3 StGB zu einer zu niedrigen Freiheitsstrafe verurteilt und diese rechtsfehlerhaft zur Bewährung ausgesetzt habe.
6
Widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung , ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV das Angriffsziel durch Auslegung zu ermitteln (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 11. Juni 2014 - 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; zuletzt BGH, Urteil vom 22. Februar 2017 - 5 StR 545/16). Nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung hat die Beschwerdeführerin deutlich zu erkennen gegeben, dass sie sich allein gegen den Strafausspruch wendet und mit ihrem Rechtsmittel nicht den Schuldspruch angreifen will.
7
2. Die Annahme eines minder schweren Falls der schweren räuberischen Erpressung gemäß § 250 Abs. 3 StGB hält rechtlicher Überprüfung stand.
8
a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich , wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 17. September 1980 - 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320; vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, Rn. 17, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 - 1 StR 414/15, Rn. 12, NStZ-RR 2016, 107, 108; jeweils mwN). Nur in diesem Rahmen kann eine "Verletzung des Gesetzes" (§ 337 Abs. 1 StPO) vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH GS, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; BGH, Urteile vom 12. Januar 2005 - 5 StR 301/04, wistra 2005, 144; vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, Rn. 17, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 - 1 StR 414/15, Rn. 12, NStZ-RR 2016, 107, 108). Diese Maßstäbe gelten auch für die dem Tatrichter obliegende Prüfung, ob ein minder schwerer Fall im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB vorliegt. Bei der dabei gebotenen Gesamtwürdigung obliegt es dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters, welches Gewicht er den einzelnen Milderungsgründen im Verhältnis zu den Erschwerungsgründen beimisst; seine Wertung ist vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar (vgl. Senat, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 2 StR 338/16).
9
b) Hieran gemessen hat die Annahme eines minder schweren Falls der schweren räuberischen Erpressung Bestand.
10
Weder fehlt es an der gebotenen Gesamtwürdigung der für die Wertung der Tat und des Täters wesentlichen Umstände, noch bestehen gegen die einzelnen vom Landgericht zugunsten des Angeklagten in seine Gesamtwürdigung eingestellten Gesichtspunkte durchgreifende rechtliche Bedenken. So hat es rechtsfehlerfrei zugunsten des Angeklagten bedacht, dass dieser sich geständig eingelassen, sich in der Hauptverhandlung bei den Geschädigten entschuldigt und seine Tat bereut hat, dass die Tat nicht langfristig geplant und die Beute mit maximal 300 Euro eher gering war.
11
Dagegen abgewogen hat die Strafkammer die strafrechtlichen Vorbelastungen des Angeklagten - Einstellungen, Weisungen und Auflagen nach dem JGG sowie eine zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten wegen "gemeinschaftlicher Brandstiftung" - sowie den Umstand, dass der Angeklagte die verfahrensgegenständliche Tat unter laufender Bewährung begangen habe. Relativiert werde das Gewicht der strafrechtlichen Vorbelastungen dadurch, dass es sich um nicht einschlägige, schon länger zurückliegende jugendtümliche Verfehlungen handele.
12
Hiergegen ist von Rechts wegen nichts zu erinnern. Der Senat besorgt nicht, dass das Landgericht aus dem Blick verloren haben könnte, dass sich der Angeklagte von dem Überfall eine höhere Beute erhofft hatte. Im Übrigen ist dem Generalbundesanwalt zwar zuzugeben, dass die Strafkammer die genauen Tatumstände der letzten Verurteilung durch das Amtsgericht Mühlhausen vom 3. Januar 2013 wegen "gemeinschaftlicher Brandstiftung" nicht mitteilt, so dass der Schluss auf jugendtümliche Verfehlungen nicht im Einzelnen belegt ist. Allerdings ergibt sich aus den Urteilsgründen, dass Tatzeit bereits der 4. Januar 2010 war und auf den damals 18 Jahre alten Angeklagten noch Jugendstrafrecht angewandt worden ist. Unter diesen Umständen schließt der Senat aus, dass sich das Versäumnis der Strafkammer durchgreifend zugunsten des Angeklagten ausgewirkt hat, zumal die zweijährige Bewährungszeit aus diesem jugendrichterlichen Urteil vom 3. Januar 2013 bei Tatbegehung in dieser Sache am 10. März 2015 - nach den allein maßgeblichen Feststellungen des angefochtenen Urteils - bereits abgelaufen war, so dass ihm nicht zur Last gelegt werden kann, er habe die Tat während laufender Bewährung begangen.
13
3. Das Urteil ist im Strafausspruch auch nicht gemäß § 301 StPO zu Gunsten des Angeklagten aufzuheben. Dass die Strafkammer - hätte sie ein Bewährungsversagen nicht angenommen - eine noch niedrigere Strafe verhängt hätte, schließt der Senat aus.
14
4. Die Bewährungsentscheidung lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen.
15
a) Auch die Bewährungsentscheidung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Gelangt dieses auf Grund der Besonderheiten des Falles zu der Überzeugung , dass die Strafaussetzung trotz des Unrechts- und Schuldgehalts der Tat nicht als unangebracht erscheint und nicht den allgemeinen vom Strafrecht geschützten Interessen zuwider läuft, so ist dies vom Revisionsgericht grundsätzlich auch dann hinzunehmen, wenn eine gegenteilige Würdigung möglich gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2016 - 1 StR 414/15, NStZ-RR 2016, 107, 108).
16
b) Das Landgericht hat dem Angeklagten, der über gefestigte soziale Beziehungen verfügt, eine günstige Sozialprognose gestellt und dabei besondere Umstände in der Tat und in seiner Persönlichkeit festgestellt. So ist der Angeklagte bemüht, den im Jahre 2010 durch seine Brandstiftung verursachten Schaden von über 50.000 Euro durch erhöhte Arbeitsanstrengungen wieder gutzumachen. Zudem setzt er sich intensiv mit der verfahrensgegenständlichen Straftat auseinander. Soweit die Revision beanstandet, die Strafkammer habe das Bewährungsversagen des Angeklagten unberücksichtigt gelassen, übersieht sie auch hier, dass die zweijährige Bewährungszeit aus dem jugendrichterlichen Urteil des Amtsgerichts Mühlhausen nach den für den Senat allein maßgeblichen Urteilsfeststellungen bei Tatbegehung in dieser Sache bereits abgelaufen war. Ungeachtet eines möglicherweise noch ausstehenden Beschlusses über den Erlass der Strafe ist der Angeklagte damit kein "Bewährungsversager" (vgl. Senatsurteil vom 28. September 2011 - 2 StR 93/11; BGH, Beschluss vom 3. September 1991 - 4 StR 346/91). Appl Krehl Eschelbach Zeng Grube

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 545/16
vom
22. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:220217U5STR545.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Februar 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Dr. Mutzbauer,
Richter Prof. Dr. Sander, Richterin Dr. Schneider, Richter Dr. Berger, Richter Prof. Dr. Mosbacher
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt B.
als Verteidiger,
Rechtsanwalt S.
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 29. Juni 2016 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Rau1 bes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen das Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte, vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
2
1. Der 25 Jahre alte Angeklagte, der keinen Beruf erlernt und zuletzt So3 zialleistungen bezogen hat, konsumierte bereits in seiner Jugend Cannabis.
Seit 2012 nahm er, zunächst an Wochenenden, zusätzlich Speed, Ecstasy und Kokain zu sich. Etwa Ende Februar 2016 verlor seine damalige Lebensgefährtin das erwartete gemeinsame Kind durch Fehlgeburt. Spätestens nach diesem Verlust, der ihn sehr belastete, hatte der Angeklagte seinen Betäubungsmittelkonsum nicht mehr unter Kontrolle. Er steigerte insbesondere die Einnahme von Amphetamin und Kokain und gab für diese Drogen nahezu täglich 50 Euro aus. Dadurch verschuldetete er sich in erheblicher Höhe bei seinen Rauschgiftlieferanten , die ihm bedeuteten, dass er vor einem Erhalt weiterer Drogen zunächst seine Schulden abtragen müsse.
Als er über kein Rauschgift und kein Geld mehr verfügte, entschloss sich
4
der Angeklagte, um neue Drogen kaufen zu können, die Filiale eines Einkaufsmarktes zu überfallen. Bewaffnet mit einer mit Gaspatronen geladenen Pistole begab er sich am 21. März 2016 kurz vor Geschäftsschluss in diesen Einkaufsmarkt und verbarg sich maskiert zunächst in der Damentoilette. Als eine Mitarbeiterin den Raum betrat, bedrohte der Angeklagte sie mit der Pistole und fesselte sie mit einem mitgeführten Klebeband. Er ließ sie im Toilettenraum zurück und traf auf dem davor liegenden Gang auf einen Filialmitarbeiter, den er ebenfalls mit der Pistole bedrohte und fesselte. Sodann begegnete der Angeklagte einem Sicherheitsbediensteten. Als dieser die ihm vom Angeklagten vorgehaltene Pistole abzuwehren versuchte, schoss der Angeklagte ihm aus 20 bis 30 cm Entfernung mit der Pistole gezielt gegen die Stirn, wodurch der Zeuge unter anderem eine Platzwunde erlitt. Auf seinem anschließenden Weg zu den Büroräumen bedrohte der Angeklagte einen weiteren Mitarbeiter des Einkaufsmarktes mit der Pistole. Im Kassenbüro angekommen hielt er der mit der Abrechnung befassten Mitarbeiterin die Pistole vor und ergriff eine Tüte mit dem Kassenbestand von 13.600 Euro. Anschließend bedrohte er mit seiner Waffe zwei weitere Mitarbeiter, bevor er mit der Beute den Einkaufsmarkt verließ. Das erbeutete Geld verwandte der Angeklagte zur Tilgung seiner Schulden bei seinen Drogenlieferanten und zum Erwerb von Betäubungsmitteln.
2. Das sachverständig beratene Landgericht hat in Übereinstimmung mit
5
der psychiatrischen Sachverständigen nicht ausschließen können, dass der Angeklagte bei der Tat aus Angst vor Entzugserscheinungen im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB gehandelt habe. Der Angeklagte sei polytoxikoman abhängig von Amphetaminen, Ecstasy und Kokain gewesen und habe unter einem Suchtdruck gelitten, der ihn die Betäubungsmittel täglich konsumieren ließ. Er habe für die Vergangenheit eine deutliche Entzugssymptomatik geschildert. Auch während des Tatgeschehens habe der Angeklagte gezittert. Nicht ausschließbar sei sein Zittern während des Tatgeschehens auf einen Entzug zurückzuführen.
Dementsprechend hat das Landgericht bei der Strafrahmenwahl unter
6
Verbrauch des Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB einen minder schweren Fall nach § 250 Abs. 3 StGB angenommen.

II.


Der Revision bleibt der Erfolg versagt.
7
1. Das Rechtsmittel ist wirksam auf den Strafausspruch beschränkt.
8
Die Beschwerdeführerin hat zwar einen unbeschränkten Antrag auf Auf9 hebung des angefochtenen Urteils gestellt. Auch hat sie zur Begründung der von ihr erhobenen Rüge der Verletzung materiellen Rechts dargelegt, dass die der allgemeinen Sachrüge nachfolgenden Ausführungen nur beispielhaft erfolgten. Jedoch hält die Revisionsführerin das Urteil nur deshalb für fehlerhaft, weil das Landgericht zu Unrecht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten angenommen und ihn unter Anwendung des Strafrahmens des § 250 Abs. 3 StGB zu einer zu niedrigen Freiheitsstrafe verurteilt habe.
Widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegrün10 dung, ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88, 89 mwN). Nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung hat hier die Beschwerdeführerin deutlich zu erkennen gegeben, dass sie sich allein gegen den Strafausspruch wendet und mit ihrem Rechtsmittel weder den Schuld- noch den Maßregelausspruch angreifen will.
2. Die Beurteilung des Landgerichts, die Steuerungsfähigkeit des Ange11 klagten sei erheblich vermindert gewesen, und die sich maßgeblich auf diesen Strafmilderungsgrund stützende Strafrahmenwahl halten der sachlichrechtlichen Prüfung stand.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann bei
12
Beschaffungsdelikten eines rauschgiftabhängigen Täters dessen Steuerungsfähigkeit unter Umständen auch dann erheblich vermindert sein, wenn er aus Angst vor nahe bevorstehenden Entzugserscheinungen handelt, die er schon als äußerst unangenehm erlitten hat (vgl. BGH, Urteile vom 17. April 2012 – 1StR 15/12, NStZ 2013, 53, 54, und vom 20. August 2013 – 5 StR 36/13, NStZ-RR 2013, 346, 347 mwN). Dieser zunächst in Bezug auf Heroinabhängigkeit entwickelte Grundsatz (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 1989 – 5 StR 175/89, NJW 1989, 2336) ist trotz unterschiedlicher Entzugsfolgen auch bei einer Koka- inabhängigkeit für ausnahmsweise anwendbar gehalten worden (BGH, Urteil vom 2. November 2005 – 2 StR 389/05, NStZ 2006, 151, 152; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. April 2012 – 1 StR 15/12 aaO), bei der körperliche Entzugssymptome in der Regel geringer ausgeprägt sind.
Für die Beurteilung, ob Angst vor Entzugserscheinungen zu einer erheb13 lichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei einem betäubungsmittelabhängigen Täter geführt hat, ist insbesondere auf die konkrete Erscheinungsform der Sucht abzustellen. Auch deren Verlauf und die suchtbedingte Einengung des Denk- und Vorstellungsvermögens sind in die Gesamtwürdigung des Zustands einzubeziehen (BGH, Urteil vom 2. November 2005 – 2 StR 389/05 aaO). Ob bei Betäubungsmittelabhängigkeit aufgetretene Entzugserscheinungen oder Angst vor Entzugserscheinungen zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit geführt haben, ist eine Frage, die das Tatgericht zu entscheiden hat; hierbei steht ihm ein nur eingeschränkt revisionsgerichtlich überprüfbarer Spielraum zu (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2004 – 5 StR 306/03).

b) Diesen Vorgaben trägt das angefochtene Urteil noch hinreichend
14
Rechnung. Sein Ergebnis, die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sei wegen seiner Angst vor nahe bevorstehenden Entzugserscheinungen erheblich vermindert gewesen, hält sich noch innerhalb der ihm eingeräumten Grenzen.
3. Auch bei der konkreten Strafzumessung ist dem Tatgericht kein
15
Rechtsfehler unterlaufen.
Mutzbauer Sander Schneider
Berger Mosbacher

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 7 2 2 / 1 3
vom
8. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Mai 2014,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Rothfuß,
Prof. Dr. Jäger
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
- in der Verhandlung -,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
- bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Vertreter für
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München I vom 7. August 2013 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubter Einreise in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt ohne Pass in Tateinheit mit Urkundenfälschung“ sowie wegen „vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Von dem weiteren Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführen eines Springmessers gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die wirksam auf den Freispruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die die Verletzung sachlichen Rechts beanstandet.
2
Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

3
1. Dem Angeklagten ist mit der Anklage vorgeworfen worden, sich am 23. Juli 2011 gegen 14.00 Uhr gemeinsam mit dem gesondert Verfolgten D. in eine Münchener Parkanlage begeben zu haben, um sich dort in den Besitz von Kokain- und Heroingemisch zu bringen. Die Betäubungsmittel seien zuvor von beiden gemeinschaftlich erworben und von den Vorbesitzern in der Parkanlage vergraben worden. Der Angeklagte habe um das Versteck gewusst und ein funktionsfähiges Springmesser mit einer Klingenlänge von sieben Zentimetern mit sich geführt. Es habe sich um 51,8 Gramm Heroingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von 1,7 Gramm Heroinhydrochlorid und 303,2 Gramm Kokaingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von 9 Gramm Kokainhydrochlorid gehandelt.
4
2. Das Landgericht hat zur Begründung des Freispruchs ausgeführt, dass es den Angeklagten der Tat nicht mit der erforderlichen Sicherheit für überführt erachte. Hierzu stellt es die erhobenen Zeugenaussagen dar. So habe der gesondert Verfolgte D. bekundet, der Angeklagte habe mit dem vergrabenen Päckchen nichts zu tun. Der Angeklagte habe gesagt, er müsse urinieren und sei ihm - dem Zeugen - bei der Suche nach den vergrabenen Betäubungsmitteln gefolgt. Sofern er, der Zeuge, früher etwas anderes gesagt habe, nämlich dass das gesamte Kokain dem Angeklagten gehört habe, sei dies gelogen gewesen. Sodann werden noch die Angaben von zwei Polizeibeamten mitgeteilt, die den Angeklagten und D. in der Parkanlage beobachtet haben. Danach habe einer gegraben, während der andere daneben gestanden und geschaut habe, zuvor hätten beide mit den Füßen am Boden gescharrt. Uriniert habe keiner von beiden. Diese Angaben begründeten zwar „gewisse Zweifel“ an der Version des D. , dennoch sei der Nachweis der Tat nicht zu führen.

II.


5
Das Urteil hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.
6
Es unterliegt der Aufhebung, weil es an einem durchgreifenden Darstellungsmangel leidet. Wird der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen , so müssen nach Mitteilung des Anklagevorwurfs im Urteil zunächst diejenigen Tatsachen festgestellt werden, die das Tatgericht für erwiesen erachtet. Erst auf dieser Grundlage ist in der Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen die zur Verurteilung notwendigen Feststellungen nicht getroffen werden konnten (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2003 – 1 StR 544/02, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 13 mwN; Urteil vom 17. März 2009 – 1 StR 479/08, NStZ 2009, 512, 513; Urteil vom 3. März 2010 – 2 StR 427/09, NStZRR 2010, 182). Nur hierdurch wird das Revisionsgericht in die Lage versetzt, nachprüfen zu können, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht (BGH, Urteil vom 5. Februar 2013 – 1 StR 405/12, NJW 2013, 1106; vom 27. Oktober 2011 – 5 StR 236/11; vom 17. Mai 1990 - 4 StR 208/90, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 4; vom 26. September 1989 – 1 StR 299/89, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2). Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht.
7
Denn das Landgericht stellt nicht dar, von welchem Geschehensablauf es sich aufgrund einer würdigenden Gesamtschau des dargestellten Beweisertrags überzeugt hat. Dass die Beweisaufnahme hierzu Erkenntnisse erbracht hat, belegen die sich auf eine Darstellung der Zeugenaussagen beschränkenden Urteilsausführungen.
8
Indem es das Landgericht unterlässt, diese Erkenntnisse dahingehend zu würdigen, was sich in der Parkanlage zugetragen hat und wie sich der Angeklagte dort verhalten hat, ist dem Revisionsgericht keine Nachprüfung möglich , ob es in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zum Freispruch gelangt ist. Denn das genaue, über die Angaben im mitgeteilten Anklagesatz hinausgehend präzisierte Verhalten des Angeklagten vor Ort wäre ein gewichtiges Beweisanzeichen für die Frage einer Tatbeteiligung.
9
Dass eine würdigende Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Angaben des D. erforderlich gewesen wäre, wird durch das unaufgelöste Spannungsverhältnis zwischen dessen Angaben und den für glaubhaft erachteten Angaben der Polizeibeamten belegt. Auf dieser Grundlage hat das Landge- richt selbst erkannt, dass „Zweifel“ an den entlastenden Angaben „begründet“ sind. Dies lässt sich zum einen schon schwerlich mit der an anderer Stelle des Urteils gemachten Wertung, die Angaben des D. seien glaubhaft, vereinbaren ; zum anderen hätte es aber Anlass sein müssen, sich eine Überzeugung vom genauen Geschehensablauf im Park zu verschaffen, anstatt die Zeugenaussagen unaufgelöst nebeneinander stehen zu lassen. Bei dieser Würdigung wäre auch der Wechsel des Einlassungsverhaltens des D. zu bewerten gewesen , der nach den Feststellungen ursprünglich den wegen Kokainhandels verurteilten Angeklagten als Verantwortlichen für das Kokain benannt hat. Raum Wahl Rothfuß Jäger Cirener

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 7 2 2 / 1 3
vom
8. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Mai 2014,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Rothfuß,
Prof. Dr. Jäger
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
- in der Verhandlung -,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
- bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Vertreter für
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München I vom 7. August 2013 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubter Einreise in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt ohne Pass in Tateinheit mit Urkundenfälschung“ sowie wegen „vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Von dem weiteren Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführen eines Springmessers gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die wirksam auf den Freispruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die die Verletzung sachlichen Rechts beanstandet.
2
Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

3
1. Dem Angeklagten ist mit der Anklage vorgeworfen worden, sich am 23. Juli 2011 gegen 14.00 Uhr gemeinsam mit dem gesondert Verfolgten D. in eine Münchener Parkanlage begeben zu haben, um sich dort in den Besitz von Kokain- und Heroingemisch zu bringen. Die Betäubungsmittel seien zuvor von beiden gemeinschaftlich erworben und von den Vorbesitzern in der Parkanlage vergraben worden. Der Angeklagte habe um das Versteck gewusst und ein funktionsfähiges Springmesser mit einer Klingenlänge von sieben Zentimetern mit sich geführt. Es habe sich um 51,8 Gramm Heroingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von 1,7 Gramm Heroinhydrochlorid und 303,2 Gramm Kokaingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von 9 Gramm Kokainhydrochlorid gehandelt.
4
2. Das Landgericht hat zur Begründung des Freispruchs ausgeführt, dass es den Angeklagten der Tat nicht mit der erforderlichen Sicherheit für überführt erachte. Hierzu stellt es die erhobenen Zeugenaussagen dar. So habe der gesondert Verfolgte D. bekundet, der Angeklagte habe mit dem vergrabenen Päckchen nichts zu tun. Der Angeklagte habe gesagt, er müsse urinieren und sei ihm - dem Zeugen - bei der Suche nach den vergrabenen Betäubungsmitteln gefolgt. Sofern er, der Zeuge, früher etwas anderes gesagt habe, nämlich dass das gesamte Kokain dem Angeklagten gehört habe, sei dies gelogen gewesen. Sodann werden noch die Angaben von zwei Polizeibeamten mitgeteilt, die den Angeklagten und D. in der Parkanlage beobachtet haben. Danach habe einer gegraben, während der andere daneben gestanden und geschaut habe, zuvor hätten beide mit den Füßen am Boden gescharrt. Uriniert habe keiner von beiden. Diese Angaben begründeten zwar „gewisse Zweifel“ an der Version des D. , dennoch sei der Nachweis der Tat nicht zu führen.

II.


5
Das Urteil hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.
6
Es unterliegt der Aufhebung, weil es an einem durchgreifenden Darstellungsmangel leidet. Wird der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen , so müssen nach Mitteilung des Anklagevorwurfs im Urteil zunächst diejenigen Tatsachen festgestellt werden, die das Tatgericht für erwiesen erachtet. Erst auf dieser Grundlage ist in der Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen die zur Verurteilung notwendigen Feststellungen nicht getroffen werden konnten (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2003 – 1 StR 544/02, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 13 mwN; Urteil vom 17. März 2009 – 1 StR 479/08, NStZ 2009, 512, 513; Urteil vom 3. März 2010 – 2 StR 427/09, NStZRR 2010, 182). Nur hierdurch wird das Revisionsgericht in die Lage versetzt, nachprüfen zu können, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht (BGH, Urteil vom 5. Februar 2013 – 1 StR 405/12, NJW 2013, 1106; vom 27. Oktober 2011 – 5 StR 236/11; vom 17. Mai 1990 - 4 StR 208/90, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 4; vom 26. September 1989 – 1 StR 299/89, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2). Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht.
7
Denn das Landgericht stellt nicht dar, von welchem Geschehensablauf es sich aufgrund einer würdigenden Gesamtschau des dargestellten Beweisertrags überzeugt hat. Dass die Beweisaufnahme hierzu Erkenntnisse erbracht hat, belegen die sich auf eine Darstellung der Zeugenaussagen beschränkenden Urteilsausführungen.
8
Indem es das Landgericht unterlässt, diese Erkenntnisse dahingehend zu würdigen, was sich in der Parkanlage zugetragen hat und wie sich der Angeklagte dort verhalten hat, ist dem Revisionsgericht keine Nachprüfung möglich , ob es in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zum Freispruch gelangt ist. Denn das genaue, über die Angaben im mitgeteilten Anklagesatz hinausgehend präzisierte Verhalten des Angeklagten vor Ort wäre ein gewichtiges Beweisanzeichen für die Frage einer Tatbeteiligung.
9
Dass eine würdigende Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Angaben des D. erforderlich gewesen wäre, wird durch das unaufgelöste Spannungsverhältnis zwischen dessen Angaben und den für glaubhaft erachteten Angaben der Polizeibeamten belegt. Auf dieser Grundlage hat das Landge- richt selbst erkannt, dass „Zweifel“ an den entlastenden Angaben „begründet“ sind. Dies lässt sich zum einen schon schwerlich mit der an anderer Stelle des Urteils gemachten Wertung, die Angaben des D. seien glaubhaft, vereinbaren ; zum anderen hätte es aber Anlass sein müssen, sich eine Überzeugung vom genauen Geschehensablauf im Park zu verschaffen, anstatt die Zeugenaussagen unaufgelöst nebeneinander stehen zu lassen. Bei dieser Würdigung wäre auch der Wechsel des Einlassungsverhaltens des D. zu bewerten gewesen , der nach den Feststellungen ursprünglich den wegen Kokainhandels verurteilten Angeklagten als Verantwortlichen für das Kokain benannt hat. Raum Wahl Rothfuß Jäger Cirener

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 405/12
vom
5. Februar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Anstiftung zum Mord u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
5. Februar 2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Dr. Graf,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 13. März 2012 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen tateinheitlich begangener Waffendelikte in Tatmehrheit mit Brandstiftung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Traunstein vom 22. März 2011 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es die im genannten Urteil ausgesprochenen Rechtsfolgen aufrechterhalten. Von dem Vorwurf der versuchten Anstiftung zum Mord hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer Revision erstrebt die Staatsanwaltschaft die Aufhebung des Freispruchs. Das auf die Sachrüge gestützte Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.

I.

2
1. Dem Angeklagten ist mit der Anklage vorgeworfen worden, aus der Untersuchungshaft heraus einen Auftrag zur Ermordung des D. erteilt zu haben. Hintergrund soll gewesen sein, dass der Angeklagte den in einem umfangreichen Betrugsverfahren Mitbeschuldigten D. töten lassen wollte, um ihn daran zu hindern, auszusagen. Er habe beabsichtigt, diese Tat für 10.000 € von dem ihm als Scharfschützenbekannten K. ausführen zu lassen. Rechtsanwalt B. , dem damaligen Verteidiger des Angeklagten soll am 20. April 2010 mitgeteilt worden sein, dass D. aus der Haft entlassen worden sei. Daraufhin habe Rechtsanwalt B. den Angeklagten am 20. oder 21. April 2010 in der Untersuchungshaft besucht. Hierbei soll der Plan des Angeklagten zur Tötung des D. besprochen worden sein. Rechtsanwalt B. soll sich bereit erklärt haben, den Auftrag zur Ermordung des D. weiterzuleiten und am 21. April 2010 einen Aktenvermerk gefertigt haben, indem er festhielt: „K. soll für 10.000 den D. verramma, er erledigt die Geschichte“. Entsprechend dem Tatplan des Angeklagten soll Rechtsanwalt B. den Vermerk sodann an die Ehefrau des Angeklagten weitergeleitet haben. Diese soll den Tötungsauftrag jedoch nicht wie geplant weitergegeben haben, da ihr der Plan zu weit gegangen sei.
3
2. Das Landgericht hat zur Begründung des Freispruchs ausgeführt, es habe nicht feststellen können, dass die Planung und Vorstellung des Angeklagten von der Tat schon so weit gediehen war, wie es zur Strafbarkeit gemäß § 30 StGB erforderlich sei. Zwar bedeute „verramma“ im bayrischen Sprachgebrauch jemanden zu töten, es sei aber völlig offen, ob der als Täter vom Angeklagten in Aussicht genommene K. zu dieser Tat überhaupt bereit gewesen wäre, auch die näheren Umstände der Tatausführung seien ungeklärt gewesen.

II.

4
Das Urteil hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.
5
1. Die angefochtene Entscheidung unterliegt schon deswegen der Aufhebung , weil sie nicht den Anforderungen an ein freisprechendes Urteil genügt. Wird der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, so müssen nach Mitteilung des Anklagevorwurfs im Urteil zunächst diejenigen Tatsachen festgestellt werden, die der Tatrichter für erwiesen hält (BGH, Urteil vom 4. Juli 1991 - 4 StR 233/91, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 7; BGH, Urteil vom 27. Juli 2000 - 4 StR 185/00). Erst auf dieser Grundlage ist in der Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden können. Nur hierdurch wird das Revisionsgericht in die Lage versetzt, nachprüfen zu können, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht (BGH, Urteil vom 26. September 1989 - 1 StR 299/89, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2; BGH, Urteil vom 17. Mai 1990 - 4 StR 208/90, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 4). Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht. Denn es wird schon nicht zusammenhängend mitgeteilt, welche Feststellungen getroffen werden konnten. Heißt es zunächst noch, bekannt sei nur der Aktenvermerk von Rechtsanwalt B. , über Gespräche stehe nichts fest, finden sich bei den würdigenden Ausführungen doch noch ansatzweise weitere Feststellungen. So wird in der Beweiswürdigung zugrunde gelegt, dass die Weiterleitung des Aktenvermerks an die Ehefrau des Angeklagten auf dessen Aufforderung gegenüber Rechtsanwalt B. zurückgeht. An späterer Stelle ist sogar ausgeführt , dass der Aktenvermerk auf Anweisung des Angeklagten von Rechtsanwalt B. geschrieben wurde. Dies steht jedoch in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis zu der vorangestellten Erkenntnis, über eventuelle Gespräche stehe nichts fest. Damit bleibt für das Revisionsgericht offen, von welchen Kontakten zwischen dem Angeklagten und Rechtsanwalt B. hin- sichtlich des geplanten „verramma“ das Landgericht letztlich für seine Würdi- gung ausgegangen ist. Die Beurteilung, ob der Versuch der Anstiftung bereits konkretisiert genug war, hängt aber maßgeblich hiervon ab. Einer Überprüfung der tatrichterlichen Wertung ist schon damit der Boden entzogen. Hier tritt noch hinzu, dass die Angaben des gesondert Verfolgten B. , auf die sich die Feststellungen zu dem Herrühren des Vermerksinhalts offensichtlich gründen, nicht mitgeteilt werden.
6
2. Auch im Übrigen erweist sich die Beweiswürdigung als rechtsfehlerhaft. Denn die Auseinandersetzung mit den festgestellten objektiven Umständen bleibt lückenhaft. So werden im Rahmen der Beweiswürdigung zwei weitere , seinem Besuch in der Untersuchungshaft nachfolgende Schreiben des Rechtsanwalts B. erwähnt, in denen er dem Angeklagten mitteilt, an den K. sei noch nicht herangetreten worden, dies sei im Moment auch nicht erforderlich und dass dem D. „etwas mehr als nur die Fresse poliert wer- de bei passender Gelegenheit“. Inwieweit diese Schreiben Rückschlüsse auf frühere Gespräche betreffend den D. erlauben, bleibt unerörtert.
7
3. Zudem begegnen die Ausführungen der Strafkammer zur Frage der hinreichenden Konkretisierung der in Aussicht genommenen Tat durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Ausgehend von der zutreffenden Annahme, dass die Bestimmungshandlung und der Vorsatz sich auf eine hinreichend konkretisierte Tat richten müsse, wird dies maßgeblich deswegen verneint, da „völlig offen“sei, ob der Anzustiftende K. „überhaupt bereit gewesen wäre“, die Tat auszuführen. Dies lässt besorgen, dass das Landgericht von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen ist. Der Tatbestand der versuch- ten Anstiftung nach § 30 Abs. 1 StGB knüpft allein an die abstrakte Gefährlichkeit des Tatverhaltens an, die darin liegt, dass derjenige, der einen anderen zur Begehung eines Verbrechens auffordert, Kräfte in Richtung auf das angegriffene Rechtsgut in Bewegung setzt, über die er nicht mehr die volle Herrschaft behält (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 1951 - 1 StR 3/51, BGHSt 1, 305, 309 zu § 49a StGB aF; BGH, Urteil vom 29. Oktober 1997 - 2 StR 239/97, BGHR StGB § 30 Abs. 1 Satz 1 Bestimmen 3). Deswegen genügt es bereits, dass der Täter es für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat, dass der Aufgeforderte die Aufforderung ernst nehmen und durch sie zur Tat bestimmt werden könnte (BGH, Urteil vom 10. Juni 1998 - 3 StR 113/98, BGHSt 44, 99; BGH, Urteil vom 27. Juli 2000 - 4 StR 185/00). Dass der Angeklagte davon ausgegangen sein müsste, dass K. zur Tötung eines Menschen für 10.000 € „ohne weiteres bedingungslos bereit gewesen wäre“- wie es die Strafkammer im Anschluss an die Erwägungen zur mangelnden tatsächlichen Bereitschaft des K. noch prüft und verneint - ist hierfür nicht erforderlich.

III.

8
Da die wenigen getroffenen Feststellungen keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Angeklagte von dem Versuch der Anstiftung rechtswirksam zurückgetreten ist, war der Freispruch aufzuheben. Die Sache bedarf insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Nack Rothfuß Graf Cirener Radtke

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

33
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Dem Tatrichter obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen , wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZRR 2015, 178). Die revisionsgerichtliche Prüfung erstreckt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 13. Juli 2016 – 1 StR 94/16 mwN). Insbesondere sind die Beweise erschöpfend zu würdigen. Dabei ist der Tatrichter gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). EineBeweiswürdigung, die über schwerwiegende Verdachtsmomente hinweggeht, ist rechtsfehlerhaft (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, BGHSt 52, 314 mwN). Aus den Urteilsgründen muss sich auch ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Beweiswürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, BGHSt 52, 314 mwN). Die Anforderungen an eine umfassende Würdigung der festgestellten Tatsachen sind bei einem Freispruch nicht geringer als im Fall der Verurteilung (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2009 – 1 StR 479/08, NStZ 2009, 512, 513). Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreichen würde, besteht die Möglichkeit , dass sie in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln können (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2004 – 1 StR 354/03, NStZ-RR 2004, 238). Der Tatrichter darf zudem keine überspannten Anforderungen an die für die Beurteilung erforderliche Gewissheit stellen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 26. Juli 2016 – 1 StR 607/15). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte ergeben hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 420/14
vom
12. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Februar
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung –,
Richterin am Landgericht – bei der Verkündung –
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Pflichtverteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 24. März 2014 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte vom Vorwurf des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs und fahrlässigen unerlaubten Besitzes eines nach dem Waffengesetz verbotenen Gegenstandes zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Vom Vorwurf, einen (besonders) schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie einen Diebstahl begangen zu haben, hat es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer vom Generalbundesanwalt vertretenen, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den hinsichtlich der Raubtat ergangenen Teilfreispruch.
2
Ausweislich der Ausführungen in der Revisionsrechtfertigung, mit denen die Beschwerdeführerin ausschließlich den Freispruch vom Vorwurf des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung als sachlich-rechtlich fehlerhaft beanstandet, ist das Rechtsmittel ungeachtet des in der Revisionsbegründung abschließend formulierten umfassenden Aufhebungsantrags auf diesen Teilfreispruch beschränkt (vgl. BGH, Urteile vom 12. April 1989 – 3 StR453/88, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14 Rn. 7 mwN; Gericke in KK-StPO, 7. Aufl., § 344 Rn. 7).
3
Die wirksam beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.


4
Zu dem in der zugelassenen Anklage gegen den Angeklagten erhobenen Vorwurf, gemeinsam mit einem bislang unbekannten Täter einen schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung begangen zu haben, hat die Strafkammer folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
In den frühen Morgenstunden des 10. Juli 2013 gegen 2.00/2.30 Uhr klingelte es an der Wohnungstür des Geschädigten. Unbedarft öffnete er die Wohnungstür und erblickte zwei schwarz gekleidete und mit Sturmhauben maskierte männliche Personen, welche ihn unvermittelt zurück in seine Wohnung drängten und zu Boden zwangen. Einer der beiden Männer hielt einen schwarzen, etwa 50 bis 80 cm langen Schlagstock in der Hand und fuchtelte mit diesem herum, wobei er den Geschädigten auch am linken Unterarm traf. Während einer der beiden maskierten Männer den Geschädigten mit dem Fuß auf dem Brustkorb am Boden hielt, trug der andere verschiedene elektronische Geräte in der Wohnung zusammen. Er holte einen Rucksack aus dem Schlafzimmer und verstaute darin einen Laptop Sony Vaio, eine Playstation 3 sowie eine Toshiba Festplatte. Ferner stellte er ein Mischpult Traktor Kontrol S2, welches sich in einem Karton befand, zur Mitnahme bereit. Anschließend forderten die Täter den Geschädigten auf, sowohl seine Geldbörse als auch sein Mobiltelefon , ein Apple iPhone 4-8 GB, herauszugeben. Aus Angst und unter dem Eindruck des Überfalls stehend übergab der Geschädigte die geforderten Gegenstände. In der Geldbörse befanden sich u.a. der Personalausweis, der Führerschein und die Krankenkassenkarte des Geschädigten. Unter Mitnahme der genannten Gegenstände verließen die Täter sodann die Wohnung.
6
Das Mobiltelefon des Geschädigten verkaufte der Angeklagte am 22. Juli 2013 für 130 € an den Bruder seiner ehemaligen Freundin, nachdem er es in der Zeit vom 12. Juli 2013 bis zum Verkauf selbst genutzt hatte. Das entwendete Laptop nutzte der Angeklagte vom 12. Juli bis 15. Juli 2013 und veräußerte es anschließend für 100 € an seine ehemalige Freundin. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten konnten am 22. Juli 2013 das Mischpult des Geschädigten sowie dessen Führerschein und Krankenkassenkarte aufgefunden werden.
7
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Beteiligung an dem Raubüberfall zum Nachteil des Geschädigten freigesprochen, weil nicht habe festgestellt werden können, wie der Angeklagte an die Gegenstände aus der Tatbeute gelangt sei. Die tatsächlichen Voraussetzungen für eine wahldeutige Verurteilung wegen Diebstahls oder Hehlerei hat es verneint.

II.


8
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Die dem Teilfreispruch zugrunde liegende Beweiswürdigung hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
9
1. Das Revisionsgericht hat es regelmäßig hinzunehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1966 – 1 StR 305/66, BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 18. Januar 2011 – 1 StR 600/10, NStZ 2011, 302; vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16). Insbesondere sind die Beweise erschöpfend zu würdigen (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78 aaO). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 – 4 StR 360/12, NStZ 2013, 180). Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2011 – 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110, 111). Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (vgl. BGH, Urteile vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97 aaO; vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. BGH, Urteile vom 17. Juli 2014 – 4 StR 129/14 Rn. 7; vom 18. August 2009 – 1 StR 107/09, NStZ-RR 2010, 85, 86; vom 21. Oktober 2008 – 1 StR 292/08, NStZ-RR 2009, 90, 91).
10
2. Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht in jeder Hinsicht gerecht.
11
a) Die Strafkammer hat die Einlassung des Angeklagten, er sei, nachdem er am Tattag bis gegen 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr bei seiner Schwester gewesen sei, von dort an die Schwimmhalle in Bitterfeld gefahren worden, wo er seinen Bekannten K. O. getroffen habe, der ihm „schöne Dinge“ angeboten und gefragt habe, ob er daran Interesse habe, als unglaubhaft bewertet. Dabei hat sie sich u.a. auf die Zeugenaussage der Schwester des Angeklagten gestützt, die bekundet hat, den Angeklagten gegen 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr gemeinsam mit einer Freundin von ihr zur Haustür begleitet, ihn anschließend aber nicht zur Schwimmhalle gefahren zu haben. Wenn das Landgericht dieses Beweisergebnis dahingehend bewertet, dass dem Angeklagten für die Tatzeit ein Alibi fehlt (UA S. 22), liegt dem ersichtlich die Annahme zugrunde, dass es dem Angeklagten nach den zeitlichen und räumlichen Gegebenheiten möglich war, nach dem Verlassen der Wohnung der Schwester um 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr die wenig später um 2.00/2.30 Uhr verübte Raubtat zu begehen. Die objektiv belegte Gelegenheit zur Tatausführung, die daraus resultiert, dass der Angeklagte maximal 1 ½ Stunden vor der Tat in der eine Tatausführung ermöglichenden Nähe zum Tatort unterwegs war, stellt aber ein den Angeklagten belastendes Indiz dar, das in seinem Beweiswert durch den bloßen Hinweis auf das fehlende Alibi zur Tatzeit nicht erschöpfend erfasst wird und daher in die tatrichterlichen Überlegungen hätte einbezogen werden müssen.
12
b) Im Rahmen der Gesamtwürdigung der Beweisergebnisse wäre zudem zu erörtern gewesen, dass der Angeklagte nicht nur über ohne weiteres selbst zu nutzende oder wirtschaftlich verwertbare Gegenstände aus der Beute verfügte , sondern mit dem Führerschein und der Krankenkassenkarte des Geschädigten auch solche Beutestücke in Besitz hatte, denen kein unmittelbarer Vermögenswert zukommt und für deren Überlassung durch einen Raubtäter kein nachvollziehbarer Anlass erkennbar ist.
13
c) Mit seiner der Ablehnung einer wahldeutigen Verurteilung zugrunde liegenden Annahme, der Erwerb der Gegenstände aus der Beute könne auch auf einem dritten Weg erfolgt sein, der in seiner konkreten Gestalt nicht näher bekannt sei, hat die Strafkammer schließlich eine Sachverhaltsvariante für möglich erachtet, für welche sich aus dem Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte ergeben. Soweit die Strafkammer in der Unglaubhaftigkeit der Schilderung des Angeklagten über den (hehlerischen) Erwerb der Gegenstände von seinem Bekannten K. O. einen Anhalt für ihre Annahme gesehen hat, hat sie verkannt, dass der widerlegten Einlassung des Angeklagten keine Beweisbedeutung zukommt, die gegen eine anderweitige hehlerische Erlangung der Beutestücke durch den Angeklagten spricht. Das Landgericht hat es insoweit versäumt, eine umfassende Würdigung aller Beweisumstände vorzunehmen und auf dieser Grundlage zu prüfen und zu entscheiden, ob die Beweisergebnisse die Überzeugung zu tragen vermögen, dass der Angeklagte die Gegenstände aus der Tatbeute entweder durch die Raubtat oder im Wege der Hehlerei erlangt hat.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR521/14
vom
24. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen des Verdachts der schweren Vergewaltigung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
24. März 2015, an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Dr. Berger,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt K.
als Verteidiger,
Rechtsanwalt Ba.
als Vertreter der Nebenklägerin Bö. ,
Rechtsanwältin T.
als Vertreterin der Nebenklägerin H. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 24. März 2014 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen und Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und ihn hinsichtlich weiterer vier Tatvorwürfe aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Revision des Angeklagten hat der Senat im Beschlusswege gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision gegen die Freisprüche des Angeklagten wegen drei der weiteren ihm vorgeworfenen Straftaten. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
1. Dem Angeklagten lag zur Last, in zwei Fällen jeweils eine schwere Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung begangen zu haben, indem er im Mai 2010 die Geschädigte Bö. und im Juni 2010 die Geschädigte H. durch heimliche Beibringung eines bewusstseinstrüben- den Mittels (sog. K.O.-Tropfen) in einen willenlosen Zustand versetzt und diesen jeweils zur Durchführung des Geschlechtsverkehrs ausgenutzt habe. Darüber hinaus war ihm vorgeworfen worden, eine räuberische Erpressung in Tateinheit mit Anstiftung zum Betrug verübt zu haben; er habe U. und L. unter Androhung körperlicher Repressalien dazu gebracht, dass L. unter Vortäuschung von Zahlungswilligkeit und -fähigkeit einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen und anschließend dem Angeklagten das erlangte Mobiltelefon nebst SIM-Karte weisungsgemäß ausgehändigt habe.
3
2. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
4
a) Die Nebenklägerin Bö. lernte den Angeklagten über einen Chat kennen und verabredete sich mit ihm für den Abend des 12. Mai 2010. Begleitet von ihrer Freundin P. und einem Bekannten des Angeklagten besuchten sie eine Diskothek, in der sie Alkohol tranken und sich küssten. Als ihr aufgrund des Alkoholkonsums schlecht wurde, wurde sie von mehreren Personen vor die Diskothek gebracht. Anschließend fuhr sie mit dem Angeklagten in einem Taxi zu dessen Wohnung. Dabei war sie alkoholbedingt enthemmt; sie wusste jedoch noch, was sie tat, und konnte sich ihrem Willen entsprechend ohne erhebliche Beeinträchtigung steuern und äußern (UA S. 51). Nachdem sie, in der Wohnung angelangt, weiterhin unter Übelkeit gelitten hatte, zog sie sich aus, legte sich ins Bett und schlief ein. Am nächsten Morgen verließ die Nebenklägerin Bö. die Wohnung des noch schlafenden Angeklagten, ohne ihn zu wecken , weil ihr Verhalten ihr peinlich war. Sie ließ sich von ihrem ehemaligen Freund nach Hause bringen, mit dem sie noch am selben Abend an einer Feier teilnahm.
5
b) In der Nacht zum 3. Juni 2010 besuchte die Nebenklägerin H. , die „gerne Schnaps trank, diesen gut vertrug und am Vortag oderam Morgen des 3. Juni 2010 Crystal konsumiert hatte“ (UA S. 53), mit Freunden eine Diskothek. Dort traf sie den ihr bereits bekannten Angeklagten, mit dem sie früher „gelegentlich Zärtlichkeiten in nicht näher ermittelbarer Art“ (UA S. 52) ausge- tauscht hatte. Gemeinsam mit dem Angeklagten konsumierte sie innerhalb von zehn bis zwanzig Minuten jeweils zehn Gläser mit 4 cl „Wodka-Energy“. Etwa eine Stunde später fuhr sie mit dem Angeklagten und einem ihm Bekannten zu dessen Wohnung. Dort spielten sie bei weiterem Alkoholkonsum zu Dritt ein Spiel, in dessen Verlauf sie sich einzelne Kleidungsstücke auszogen und H. , die alkoholbedingt – lediglich – enthemmt ihre Mitspieler küsste. Außerdem kam es zwischen ihr und dem Angeklagten zum Geschlechtsverkehr. Nachdem sie zuvor ihren Freunden gegenüber telefonisch ihre baldige Rückkehr in die Diskothek angekündigt hatte, nutzte nicht ausschließbar der Bekannte des Angeklagten einen Toilettenbesuch H. s dazu, aus ihrem Mobiltelefon die SIM-Karte zu entfernen, zu zerbrechen und zu verstecken, weil er sich bei ihrem längeren Aufenthalt in seiner Wohnung einen intensiveren Austausch von Zärtlichkeiten mit ihr erhoffte. Gegen 6:00 Uhr schlief H. auf einem Sofa ein. Als sie kurz darauf wieder erwachte, war ihr aufgrund des vorangegangenen Alkohol- und Drogenkonsums schwindelig und ihr fiel ein, dass sie einen Termin beim Arbeitsamt hatte. Sie verließ die Wohnung und fuhr zunächst zu ihren Freunden, denen gegenüber sie über Schmerzen an den Oberschenkeln klagte und andeutete, sexuell bedrängt worden zu sein. Sie konsumierte Liquid Ecstasy und ließ sich von ihrer Hausärztin krankschreiben.
6
c) Am 22. Mai 2010 schloss L. auf Veranlassung seines Freundes U. einen Mobilfunkvertrag, der die Aushändigung eines Mobiltelefons umfasste. Hierbei täuschte er seine tatsächlich nicht bestehende Zahlungswilligkeit und -fähigkeit vor. Die bis zum 13. Juli 2010 angefallenen Tele- fonkosten in Höhe von 355 Euro entrichtete er nicht. Um sich weiteren Forderungen des Mobilfunkanbieters und Vorwürfen seiner Mutter zu entziehen, dachte er sich aus, dass der sich mittlerweile in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte ihn und U. unter Ankündigung, diesen andernfalls töten zu wollen , gezwungen habe, den Vertrag abzuschließen.
7
3. Die angefochtenen Freisprüche halten sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand.
8
a) Die Beweiswürdigung ist dem Tatgericht vorbehalten (§ 261 StPO). Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, da die Beweiswürdigung Sache des Tatgerichts ist. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 136/14 mwN). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, NStZ-RR 2014, 87; Sander in LR-StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 182 mwN).
9
b) Daran gemessen ist die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landgericht die erforderliche Gesamtwürdigung der be- und entlastenden Umstände in jedem der angegriffenen Fälle vorgenommen und sich mit den Angaben der betroffenen Nebenklägerinnen ausführlich auseinandergesetzt. Die Schlussfolgerungen und Wertungen des Landgerichts sind tatsachenfundiert, lassen keine Rechtsfehler erkennen und halten sich im tatgerichtlichen Beurteilungsspielraum. Die Revision hat weder Widersprüche noch wesentliche Erörterungsmängel aufgezeigt. Die Beanstandungen der Revision zielen auf eine andere Bewertung von Tatsachen ab, die das Landgericht aber allesamt bedacht hat.
10
aa) Hinsichtlich der dem Angeklagten vorgeworfenen Tat zum Nachteil der Nebenklägerin Bö. hat das Landgericht nicht ausschließen können, dass deren Erinnerungsvermögen – entgegen ihren Angaben – bei alkoholbedingter Enthemmung nicht vorübergehend aufgehoben, sondern insgesamt erhalten geblieben war. Nachvollziehbar hat es das Landgericht insbesondere aufgrund der Aussage der Zeugin Br. für möglich gehalten, dass Bö. sich ein Erlebnis, das ihr die Zeugin Br. im Zusammenhang mit einer Verabreichung von „K.O.-Tropfen“ geschildert hatte, zu eigen gemacht habe, um eine freiwillige Übernachtung bei dem Angeklagten gegenüber ihrer Mutter und ihrem ehemaligen Freund zu rechtfertigen (UA S. 83 f.). Die Zeugin Br. war von der Mutter der Nebenklägerin um ein Gespräch mit ihrer Tochter gebeten worden, weil die Mutter vermutet hatte, dass es eine Verbindung mit dem ihr von Br. berichteten Geschehen gäbe (UA S. 73). Das Landgericht hat weiter bedacht, dass die Nebenklägerin ihre Angaben zur Aufnahme der alkoholischen Getränke, zu ihrer Erinnerungslücke und ihrem Zustand beim Erwachen gegenüber verschiedenen Personen im Zeitablauf verändert hatte. Es vermochte nicht festzustellen, dass sie zu ihren wechselnden Schilderungen (vgl. UA S. 69, 71) etwa durch gravierende Angstzustände oder eine erhebliche Beeinträchtigung des seelischen Befindens und der körperlichen Gesundheit veranlasst worden sein könnte, da sie am Abend nach dem Geschehen mit Freunden feierte und Geschlechtsverkehr hatte (UA S. 75). Vielmehr hat das Landgericht nicht ausschließen können, dass die Nebenklägerin und ihre Freundin P. frühzeitig Handlungen, soweit sie elterlichen Erwartungen nicht entsprachen, nicht oder nicht vollständig preisgegeben oder aber der Beigabe von „K.O.-Tropfen“ zugeschrieben hätten. Insoweit hatte das Landgericht neben der Aussage der Zeugin Br. auch die Angaben der Zeugin P. in deren polizeilicher Vernehmung zu berücksichtigen, in der sie einräumte, dass Bö. deren Mutter das Geschehen anders geschildert und sie „wohl angeschwindelt habe, weil sie Ärger befürchtet habe, wenn sie die Wahrheit sage“ (UA S. 79 f.). Gegen diese Beweiswürdigung ist nichts zu erinnern.
11
bb) In dem die Nebenklägerin H. betreffenden Fall ist das Landgericht von einem nicht ausschließbar einvernehmlichen Geschlechtsverkehr zwischen dem Angeklagten und H. ausgegangen. Es hat dabei sämtliche – fürsich genommen gewichtigen belastenden – Indizien, wie Schmerzen und eine schwache Unterblutung an der Oberschenkelinnenseite, Nachweis von Sperma des Angeklagten in der Scheide der Nebenklägerin und von Gammahydroxybuttersäure (GHB) im Urin der Nebenklägerin (UA S. 94, 96) erkannt und bewertet, sich aber nach umfassender Gesamtwürdigung im Ergebnis nicht von dem in der Anklage vorgeworfenen Tatgeschehen zu überzeugen vermocht. Das Landgericht hat der Nebenklägerin H. nicht geglaubt, dass sie sich nicht habe erinnern können, ob es jemals zwischen ihr unddem Angeklagten Zärtlichkeiten in ansonsten unbeeinträchtigten Situationen gegeben habe (UA S. 84, 87, 98). Es hat ferner bedacht, dass aus sachverständiger Sicht eine Substanz mit dem Wirkstoff GHB auch noch nach dem vorgeworfenen Tatgeschehen eingenommen worden sein könnte. Das Landgericht ist insofern zu dem – nach den Gesamtumständen möglichen – Schluss gekommen, dass H. , in deren Urin auch Amphetamine nachgewiesen worden sind, am nächsten Morgen in der Wohnung ihrer Drogen konsumierenden Freunde Liquid Ecstasy eingenommen hat. Auch haben sich für die sachverständig beratene Strafkammer die von der Nebenklägerin beschriebene Erinnerungslücke und der Umstand, dass sie beim nächtlichen Telefonat mit ihrer Freundin „durcheinander“ gewirkt habe, allein durch den massiven Alkoholkonsum und nicht durch die Einnahme eines Narkosemittels erklären lassen (UA S. 88, 97). Die gewissen Parallelen zu den weiteren Anklagevorwürfen der übrigen Nebenklägerinnen mit dem Angeklagten hat das Landgericht gesehen (UA S. 98), es vermochte sich jedoch letztlich insbesondere wegen der Alkoholgewöhnung und der wechselnden Angaben der Nebenklägerin H. zu ihrem Erinnerungsvermögen nicht von einer erheblichen Willensbeeinträchtigung bei Durchführung des Geschlechtsverkehrs zu überzeugen. Diese Würdigung hat der Senat angesichts des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs hinzunehmen.
12
c) Auf die wenig verlässlichen, von erheblichem Belastungseifer getragenen und zum Teil widersprüchlichen Angaben der Zeugen U. und L. hat die Strafkammer auch eingedenk der erst im August 2010 erfolgten Anzeigenerstattung zu Recht keine Verurteilung gestützt.
Sander Schneider König
Berger Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 94/16
vom
13. Juli 2016
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls
ECLI:DE:BGH:2016:130716U1STR94.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Juli 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum
und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, Prof. Dr. Radtke, Prof. Dr. Mosbacher, Dr. Bär,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung –, Staatsanwalt – bei der Verkündung – als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20. März 2015
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass in den Fällen A.II.2.c) und A.II.2.d) der Urteilsgründe jeweils die tateinheitlichen Verurteilungen entfallen
b) und klarstellend dergestalt neu gefasst, dass der Angeklagte wegen Diebstahls in vier Fällen verurteilt ist;
c) im Strafausspruch mit Ausnahme der in den Fällen A.II.2.a) und A.II.2.b) der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels sowie über eine nach der Verkündung des angefochtenen Urteils eingetretene Verfahrensverzögerung, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in vier Fällen, davon in einem Fall in drei tateinheitlichen Fällen und in einem (weiteren) Fall in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Seine auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts beteiligte sich der Angeklagte als Mitglied einer polnischen Tätergruppierung um den bereits verurteilten B. im Zeitraum zwischen Mai und September 2013 an vier Diebstählen von hochwertigen Fahrzeugen der Marke Audi. Bei den Tatobjekten handelte es sich jeweils um solche mit einem bestimmten Modell einer Wegfahrsperre, die B. zu überwinden in der Lage war. In sämtlichen verfahrensgegenständlichen Fällen öffnete B. mit einer spezifischen Vorgehensweise eine Fahrzeugtür, verschaffte sich Zugang zum Steuergerät des Fahrzeugs und verhinderte durch Unterbindung der Stromzufuhr das Auslösen des Alarms. Anschließend setzte er ein mitgeführtes elektronisches Gerät ein, um das Steuergerät des jeweiligen Pkws so zu programmieren, dass ein von ihm mitgebrachter Schlüsselrohling zum (erneuten) Öffnen der Fahrzeugtüren sowie zum Starten des Fahrzeugs eingesetzt werden konnte. Die Schlüsselrohlinge nutzten anschließend Tatbeteiligte, um die von B. manipulierten Fahrzeuge zu starten und vom jeweiligen Tatort wegzufahren.
3
In den Fällen der A.II.2.a) und b) der Urteilsgründe brach B. jeweils einen Pkw Audi auf die beschriebene Weise auf und versetzte diesen in einen fahrbereiten Zustand. Der Angeklagte übernahm das entsprechende Fahrzeug und entfernte sich damit jeweils in Koordination mit B. vom Tatort. Im Fall A.II.2.a) geriet er allerdings einige Zeit nach Aufbruch und Übernahme des Audi‘s in eine Polizeikontrolle. Der Angeklagte ließ das entwendete Fahrzeug stehen und floh zu Fuß.
4
Vor der Tat im Fall A.II.2.c) der Urteilsgründe reiste der Angeklagte gemeinsam mit B. , dessen jüngeren Bruder sowie einem weiteren, ledig- lich unter dem Spitznamen „K. “ bekannten Tatbeteiligten nach U. , um dort auf die beschriebene Weise Fahrzeuge zu entwenden. In der Tatnacht brach B. innerhalb eines Zeitraums von knapp einer Stunde drei Pkw verschiedener Modelle der Marke Audi auf und machte sie startbereit. Der Angeklagte sowie die beiden weiteren Tatbeteiligten übernahmen von B. jeweils einen Schlüsselrohling und traten als Fahrer je eines Fahrzeugs die Rückreise nach Polen an. Diese erfolgte in Koordination mit B. , der vorausfuhr , um die Fahrer der gestohlenen Pkws vor etwaigen Polizeikontrollen zu warnen. Welches der drei entwendeten Fahrzeuge der Angeklagte geführt hatte , konnte das Landgericht nicht aufklären.
5
Zur Ausführung der Tat im Fall A.II.2.d) begaben sich B. , der Angeklagte sowie ein unbekannt gebliebener weiterer Tatbeteiligter nach M. . Nach dem Aufbruch der beiden Audi-Pkw und der Umprogrammierung des Steuergeräts übergab B. den beiden anderen Beteiligten wiederum jeweils einen Schlüsselrohling. Unter der beschriebenen absichernden Begleitung durch B. fuhren der Angeklagte und der weitere Tatbeteiligte die Fahrzeuge nach Polen. Welcher Wagen von welchem der beiden gefahren worden war, hat die Strafkammer wiederum nicht feststellen können.

6
2. Das Landgericht hat die Taten für den Angeklagten jeweils als gemeinschaftlich mit B. begangene Diebstähle im besonders schweren Fall (§§ 242, 243 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nrn. 2 und 3 StGB) gewertet. Dabei ist es davon ausgegangen, dass es sich in den Fällen A.II.2.c) und d) der Urteilsgründe um drei bzw. zwei durch den Angeklagten tateinheitlich verwirklichte Diebstähle gehandelt hat. Ihm seien auch die Diebstähle derjenigen Fahrzeuge, die er nicht selbst gesteuert hatte, mittäterschaftlich zuzurechnen (UA S. 20).

II.

7
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen jeweils gemeinschaftlich mit B. begangenen Diebstahls in vier Fällen. Dagegen halten die in den Fällen A.II.2.c) und A.II.2.d) erfolgten Verurteilungen wegen tateinheitlich in drei bzw. zwei Fällen verwirklichter Diebstähle rechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
1. Den getroffenen Feststellungen liegt für alle verfahrensgegenständlichen Fälle eine jeweils rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung zugrunde.
9
a) Die Beweiswürdigung ist dem Tatgericht vorbehalten (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind (siehe nur BGH, Beschlüsse vom 7. August 2014 – 3 StR 224/14 Rn. 5 [in NStZ-RR 2014, 349 nur redaktioneller Leitsatz] und vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15 Rn. 2 [NStZ-RR 2015, 180 nur redaktioneller Leitsatz]). Der Beur- teilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatgericht Rechtsfeh- ler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 136/14 mwN und vom 15. Dezember 2015 – 1 StR 236/15, Rn. 18; BGH, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15 Rn. 2 [NStZ-RR 2015, 180 nur redaktioneller Leitsatz]). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteile vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, NStZ-RR 2014, 87 und vom 15. Dezember 2015 – 1 StR 236/15 Rn. 18; siehe auch BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – 4 StR 569/15 Rn. 26; Sander in LR-StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 182 mwN). Die Überzeugung des Tatgerichts muss in den Feststellungen und der diesen zugrunde liegenden Beweiswürdigung allerdings eine ausreichende objektive Grundlage finden (BGH, Urteil vom 19. April 2016 – 5 StR 594/15 Rn. 6; vgl. auch BGH, Beschluss vom 22. August 2013 – 1 StR 378/13, NStZ-RR 2013, 387, 388). Es ist im Fall einer Verurteilung des Angeklagten grundsätzlich verpflichtet, die für den Schuldspruch wesentlichen Beweismittel im Rahmen seiner Beweiswürdigung heranzuziehen und einer erschöpfenden Würdigung zu unterziehen (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 20. März 2002 – 5 StR 448/01 und vom 25. Februar 2015 – 4 St4 StR 39/15 Rn. 2 [NStZ-RR 2015, 180 nur redaktioneller Leitsatz]).
10
Die schriftlichen Urteilsgründe müssen dabei so sorgfältig und strukturiert abgefasst sein, dass die tatgerichtliche Entscheidung nachvollziehbar und einer revisionsrechtlichen Überprüfung anhand dieses Maßstabes zugänglich ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. August 2014 – 3 StR 224/14 mwN; BGH, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15 Rn. 2 [NStZ-RR 2015, 180 nur redaktioneller Leitsatz]).
11
b) An diesen Maßstäben gemessen ist die tatrichterliche Beweiswürdigung nicht zu beanstanden.
12
aa) In den Fällen A.II.2.a) und b) der Urteilsgründe hat der Angeklagte eingeräumt, die betroffenen Fahrzeuge von mit B. erhaltenen Schlüsseln gestartet und jeweils vom Abstellort weggefahren zu haben. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht seiner weiteren Einlassung, er habe lediglich ein von B. gestohlenes Fahrzeug erwerben wollen, nicht gefolgt ist. Die vom Tatrichter in diesem Zusammenhang gezogenen Schlüsse, die u.a. auf früheren vergleichbaren Straftaten des Angeklagten in Österreich und dem von ihm selbst angegebenen finanziellen Rahmen zum Erwerb eines Pkw von B. sowie der Lebensfremdheit einer erneuten Beteiligung als bloßer Käufer nach der Tatentdeckung im Fall A.II.2.a) fußen, sind jedenfalls möglich, wenn nicht sogar naheliegend. Das gilt in gleicher Weise für die Erwägungen des Landgerichts über die für eine Beteiligung des Angeklagten an diesen Taten sprechende telefonische Kommunikation zwischen diesem undB. im Fall A.II.2.b) während der Überführung des Fahrzeugs vom Tatort in I. nach Polen. Der Angeklagte war während des Betankens des gestohlenen Wagens von der Überwachungskamera der Tankstelle gefilmt worden. Zeitgleich telefonierte er mit einem Mobiltelefon, deren Nummer B. zugeordnet werden konnte.
13
bb) Die Überzeugung des Landgerichts von der festgestellten Tatbeteiligung im Fall A.II.2.c) der Urteilsgründe beruht ebenfalls auf einer umfassenden und rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung. Insbesondere die vom Tatgericht aus dem mitgeteilten Inhalt eines überwachten Telefongesprächs zwischen B. und einer früheren Lebensgefährtin von diesem legen aus den im angefochtenen Urteil näher dargelegten Gründen die Beteiligung des Angeklag- ten durch Verbringen eines der bei dieser Tat gestohlenen Fahrzeuge nach Polen außerordentlich nahe.
14
cc) Die dem Schuldspruch im Fall A.II.2.d) zugrunde liegende Beweiswürdigung hält ebenfalls revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Das Landgericht ist zunächst der Einlassung des Angeklagten am Tattag nicht in M. , dem Tatort, sondern zu einem Treffen mit einem Geschäftspartner in D. (Frankreich) gewesen zu sein, beanstandungsfrei nicht gefolgt. Dabei durfte es – wie in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zutreffend aufgezeigt wird – aus dem Teilschweigen des Angeklagten über die Identität des Geschäftspartners eines angeblich legalen Geschäfts für den Angeklagten nachteilige Schlüsse ziehen.
15
Ebenso sind die Schlüsse, die das Tatgericht aus den Erkenntnissen des polizeilichen Hauptsachbearbeiters, KHK H. , und des Zeugen S. über den Besuch von B. , dem Angeklagten sowie einer dritten, unbekannt gebliebenen Person bei ihm gezogen hat, als (wenigstens) möglich revisionsrechtlich hinzunehmen. Der Zeuge S. hatte angeben, dass nach den Gesprächsinhalten während des Besuchs alle drei Besucher nach M. weiterfahren wollten. Da drei Personen an den Diebstählen der beiden Fahrzeuge beteiligt waren, zwei Personen während des Tatzeitraums Mobilfunkkontakt mit B. hatten und das Landgericht keinerlei Anhaltspunkte für ein Hinzutreten eines weiteren Täters, der nicht an dem Besuch bei S. beteiligt war, hat feststellen können, ist der im Rahmen der Gesamtwürdigung gezogene Schluss auf die Tatbeteiligung des Angeklagten als einer der Fahrer der entwendeten Audi-Fahrzeuge nicht zu beanstanden. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund des festgestellten jeweils gleichartigen Vorgehens von B. , Fahrer für die Überführung der Fahrzeuge nach Polen zu den Tatorten mitzunehmen, sowie des Umstandes, dass B. , dessen Bruder und der Angeklagte bei mehreren Polizeikontrollen gemeinsam angetroffen wurden (UA S. 11). In der vom Landgericht vorgenommenen Gesamtwürdigung zu allen verfahrensgegenständlichen Taten finden damit auch die Beweiswürdigung und die darauf gestützten Feststellungen zu Fall A.II.2.d) eine ausreichende objektive Grundlage.
16
2. Die getroffenen Feststellungen tragen jedoch für alle vier verfahrensgegenständlichen Taten lediglich die Verurteilung wegen jeweils eines mit B. gemeinschaftlich begangenen Diebstahls an je einem Fahrzeug, das der Angeklagte vom Tatort weggefahren hat, nachdem B. dieses zuvor auf die beschriebene Weise aufgebrochen und startbereit gemacht hatte. Die Annahme der Mittäterschaft des Angeklagten an den Diebstählen derjenigen Fahrzeuge in den Fällen A.II.2.c) und d), die durch andere Tatbeteiligte weggefahren und nach Polen überführt worden sind, haben dagegen keine tragfähige Grundlage.
17
a) Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 30. Juni 2005 – 5 StR 12/05, NStZ 2006, 44; vom 15. Januar 1991 – 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289, 291; vom 9. April2013 – 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218, 226 Rn. 43 und vom 7. Oktober 2014 – 1 StR 182/14, NStZ-RR 2015, 284, 285 jeweils mwN). Bei Beteiligung mehrerer Personen , von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 29. September 2015 – 3 StR 336/15, NStZ-RR 2016, 6 f.; vom 4. Februar 2016 – 1 StR 344/15, NStZ-RR 2016, 136 f. und vom 2. Juli 2008 – 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25, 26; BGH, Urteil vom 17. Oktober 2002 – 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254).
18
b) Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Angeklagte die Diebstähle, an denen er als Fahrer der zuvor von B. aufgebrochenen und startbereit gemachten Fahrzeuge beteiligt war, mit diesem gemeinschaftlich im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB begangen. Durch die Handlungen von B. war zwar jeweils der zuvor bestehende Gewahrsam des bisherigen Inhabers gebrochen worden. Die Neubegründung des Gewahrsams hat jedoch erst der Angeklagte durch das Wegfahren der Fahrzeuge vom Tatort begründet und damit die Vollendung der jeweiligen Taten bewirkt. Bereits dieses Ausmaß der Tatbeteiligung und das damit einhergehende Maß an Tatherrschaft genügen, um eine Mittäterschaft des Angeklagten an den Taten von B. rechtsfehlerfrei zu begründen.
19
c) Dagegen ist die Annahme einer Mittäterschaft an den Diebstählen derjenigen Fahrzeuge in den Fällen A.II.2.c) und d), die von anderen Tatbeteiligten geführt wurden, nicht tragfähig belegt.
20
Zu der Wegnahme dieser Fahrzeuge hat der Angeklagte keinen eigenen Tatbeitrag erbracht. Aufhebung des bisherigen Gewahrsams und dessen Neubegründung sowie die endgültige Sicherung der Tatbeute spätestens durch die Verbringung der Pkw Audi nach Polen erfolgten ausschließlich durch B.
und jeweils einen anderen Tatbeteiligten. Die vor dem unmittelbaren Ansetzen zu den Diebstählen dieser Fahrzeuge erfolgende gemeinsame Anreise aller an der jeweiligen Tat Beteiligten vermag jedenfalls unter den hier vorliegenden konkreten Gegebenheiten keine Tatherrschaft des Angeklagten zu begründen. Die vom Landgericht festgestellte Koordination der Überführung der gestohlenen Pkw durch die jeweiligen Fahrer untereinander mittels eigens dafür beschaffter Mobiltelefone und das Vorausfahren durch B. , um u.a. vor Polizeikontrollen zu warnen (UA S. 5), lässt ebenfalls nicht erkennen, wie auf diese Weise ein gewisses Maß an Tatbeteiligung und Tatherrschaft, als Anhaltspunkte für (Mit)Täterwillen, hinsichtlich der Vollendung und Beendigung der Diebstähle derjenigen Fahrzeuge begründet werden soll, die der Angeklagte nicht selbst geführt hat.
21
Soweit das Landgericht ein „nicht unerhebliches eigenes wirtschaftliches Interesse am Gelingen der Tat in nicht genau feststellbarem Umfang“ (UA S. 20) als Mittäterschaft begründendes Kriterium heranzieht, ist bereits der berücksichtigte Umstand nicht beweiswürdigend belegt. Das Landgericht hat nämlich gerade nicht aufzuklären vermocht, was mit den entwendeten Fahrzeugen nach der Tat geschah bzw. geschehen sollte und welchen finanziellen Vorteil der Angeklagte für seine Tatbeteiligung erhielt (UA S. 19). Die Annahme der Strafkammer, „pro Täter und Tat“ fiele „ein Profit in Höhe von mindestens einigen hundert Euro“ ab (UA S. 19) findet wiederum keine ausreichende Stütze in den erhobenen Beweisen. Insbesondere sind keine Umstände tragfähig festgestellt , aus denen sich eine Teilhabe aller jeweils Tatbeteiligten am Erlös sämtlicher pro Fall entwendeter Fahrzeuge entnehmen ließe.
22
Angesichts des Vorstehenden findet auch die weitere Erwägung der Strafkammer, „selbst bei einem gegenüber den weiteren Beteiligten gering aus- geprägten Eigeninteresse (seien) die übrigen Faktoren so stark ausgeprägt, dass Mittäterschaft … zu bejahen ist“ (UA S. 20), keine Stütze inden Feststel- lungen. Tatherrschaft und ein gewisses Maß an Tatbeteiligung des Angeklagten besteht hinsichtlich der jeweils als in Tateinheit verwirklicht bewerteten Diebstählen in den Fällen A.II.2.c) und d) gerade nicht. Selbst unter Berücksichtigung eines etwaigen dem Tatgericht eingeräumten, revisionsgerichtlicher Kontrolle nur eingeschränkt zugänglichen Beurteilungsspielraums (dazu nur BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2015 – 3 StR 439/15 Rn. 7 mwN) ist die Annahme von Mittäterschaft bezüglich der genannten Taten rechtsfehlerhaft.
23
d) Die Feststellungen tragen in diesen Fällen auch nicht eine Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zu den durch B. und jeweils einem weiteren Tatbeteiligten gemeinschaftlich begangenen Diebstählen.
24
aa) Wegen Beihilfe wird gemäß § 27 Abs. 1 StGB bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Diese Hilfeleistung muss sich auf die Begehung der Haupttat zwar nicht kausal auswirken; erforderlich ist aber, dass sie die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung in irgendeiner Weise erleichtert oder fördert (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2015 – 2 StR 58/15, NStZ-RR 2015, 343, 344 und vom 4. Februar 2016 – 1 StR 344/15, NStZ-RR 2016, 136, 137; BGH, Urteil vom 16. Januar 2008 – 2 StR 535/07, NStZ 2008, 284 mwN). Strafbare Beteiligung kann auch in Form der psychischen Beihilfe verwirklicht werden. Die bloße Anwesenheit am Tatort in Kenntnis einer Straftat reicht dazu allerdings selbst bei deren Billigung nicht aus (vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. Oktober 2001 – 3 StR 237/01, NStZ 2002, 139, 140 mwN sowie BGH, Beschlüsse vom 22. Dezember 2015 – 2 StR 419/15 Rn. 11 und vom 4. Februar 2016 – 1 StR 344/15, NStZ-RR 2016, 136, 137).

25
bb) Eine konkrete Erleichterung oder Förderung der Diebstähle der nicht vom Angeklagten geführten Fahrzeuge durch diesen ist aus den Feststellungen nicht ersichtlich. Weder finden sich Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte die anderen Tatbeteiligten an die jeweiligen Tatorte verbracht hat, noch ist eine Verringerung des Risikos des Transports der anderen Fahrzeuge aufgrund der koordinierten Rückreise nach Polen erkennbar. Selbst wenn die Fahrer auch untereinander per Mobiltelefon in Verbindung gestanden haben (vgl. UA S. 5 oben), erfolgte die Absicherung der Transporte nach den Feststellungen durch B. und nicht durch die Fahrer der bestohlenen Fahrzeuge untereinander. Es ist auch nicht festgestellt, dass den jeweils anderen Fahrern ein höheres Maß an Sicherheit aufgrund der Mitwirkung des Angeklagten durch Überführen eines weiteren Fahrzeugs vermittelt worden ist. Ob dies zur Begründung einer Beihilfe genügen würde, bedarf daher keiner Entscheidung.
26
3. Der Senat lässt in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO in den Fällen A.II.2.c) und A.II.2.d) der Gründe des angefochtenen Urteils jeweils die tateinheitlichen Verurteilungen entfallen. Er vermag angesichts der bisherigen Feststellungen auszuschließen, dass noch weitere getroffen werden können, aus denen sich die Voraussetzungen der Mittäterschaft oder einer Form strafbarer Teilnahme ergeben könnten. Selbst wenn sich die Voraussetzungen einer Bande feststellen ließe, resultierte daraus unmittelbar nichts für die konkrete Form strafbarer Beteiligung eines einzelnen Bandenmitglieds an Bandentaten (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2016 – 3 StR 538/15 Rn. 5 mwN [in NStZ-RR 2016, 139 nur redaktioneller Leitsatz]).
27
§ 265 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht erfolgreicher als geschehen hätte verteidigen können.
28
4. Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
29
a) Zwar enthalten die in den Fällen A.II.2.a) und b) der Urteilsgründe jeweils verhängten Einzelstrafen keine dem Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler.
30
b) Allerdings entfallen infolge der Schuldspruchänderung die Einzelstrafen in den Fällen A.II.2.c) und d). Das Landgericht hat die Zumessung der Einzelstrafen vor allem am Wert der jeweils entwendeten Fahrzeuge orientiert. Da es diesen in den genannten Fällen anhand der Summe des Wertes aller bei der jeweiligen Tat bestohlenen Fahrzeuge bemessen hat (UA S. 22), kann der Senat die Verhängung niedrigerer Strafen durch das Landgericht nicht ausschließen , wenn dieses nur vom Wert des vom Angeklagten überführten Audis ausgegangen wäre. Damit bedarf es auch der Aufhebung der Gesamtstrafe.
31
c) Das Tatgericht hat zudem entgegen § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB einen Anrechnungsmaßstab für die in Polen offenbar in der Zeit vom 17. September bis 1. Oktober 2014 in Polen erlittene Auslieferungshaft (Bl. 48, 51 und 54 der Sachakten) nicht – wie geboten (siehe nur BGH, Urteil vom 5. November 2014 – 1 StR 299/14, BGHR StGB § 51 Abs. 4 Anrechnung 5 mwN) – bestimmt. Der neue Tatrichter wird dies nachzuholen haben. Angesichts der weitgehenden Aufhebung des Strafausspruchs sieht der Senat davon ab, den Anrechnungsmaßstab selbst festzulegen.
32
d) Der Aufhebung der dem Strafausspruch zugrunde liegenden Feststellungen bedarf es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen, die zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen, treffen.

III.

33
Wie der Generalbundesanwalt bereits in seiner Antragsschrift zutreffend aufgezeigt hat, ist es nach der Verkündung des angefochtenen Urteils zu einer Verfahrensverzögerung gekommen. Die Akten des hiesigen Verfahrens sind versehentlich als Beiakten eines zivilrechtlichen Rechtsmittelverfahrens an den Bundesgerichtshof gesandt worden (BGH XII ZR 71/15). Erst im Februar 2016 gelangten diese wieder an die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth. Bei dem Generalbundesanwalt gingen die Akten am 25. Februar 2016 bzw. am 2. März 2016 ein.
34
Der neue Tatrichter wird die Verfahrensverzögerung näher festzustellen sowie über Art und Umfang einer dafür erforderlichen Kompensation zu entscheiden haben. Raum Jäger Radtke Mosbacher Bär

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 420/14
vom
12. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Februar
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung –,
Richterin am Landgericht – bei der Verkündung –
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Pflichtverteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 24. März 2014 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte vom Vorwurf des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs und fahrlässigen unerlaubten Besitzes eines nach dem Waffengesetz verbotenen Gegenstandes zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Vom Vorwurf, einen (besonders) schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie einen Diebstahl begangen zu haben, hat es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer vom Generalbundesanwalt vertretenen, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den hinsichtlich der Raubtat ergangenen Teilfreispruch.
2
Ausweislich der Ausführungen in der Revisionsrechtfertigung, mit denen die Beschwerdeführerin ausschließlich den Freispruch vom Vorwurf des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung als sachlich-rechtlich fehlerhaft beanstandet, ist das Rechtsmittel ungeachtet des in der Revisionsbegründung abschließend formulierten umfassenden Aufhebungsantrags auf diesen Teilfreispruch beschränkt (vgl. BGH, Urteile vom 12. April 1989 – 3 StR453/88, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14 Rn. 7 mwN; Gericke in KK-StPO, 7. Aufl., § 344 Rn. 7).
3
Die wirksam beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.


4
Zu dem in der zugelassenen Anklage gegen den Angeklagten erhobenen Vorwurf, gemeinsam mit einem bislang unbekannten Täter einen schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung begangen zu haben, hat die Strafkammer folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
In den frühen Morgenstunden des 10. Juli 2013 gegen 2.00/2.30 Uhr klingelte es an der Wohnungstür des Geschädigten. Unbedarft öffnete er die Wohnungstür und erblickte zwei schwarz gekleidete und mit Sturmhauben maskierte männliche Personen, welche ihn unvermittelt zurück in seine Wohnung drängten und zu Boden zwangen. Einer der beiden Männer hielt einen schwarzen, etwa 50 bis 80 cm langen Schlagstock in der Hand und fuchtelte mit diesem herum, wobei er den Geschädigten auch am linken Unterarm traf. Während einer der beiden maskierten Männer den Geschädigten mit dem Fuß auf dem Brustkorb am Boden hielt, trug der andere verschiedene elektronische Geräte in der Wohnung zusammen. Er holte einen Rucksack aus dem Schlafzimmer und verstaute darin einen Laptop Sony Vaio, eine Playstation 3 sowie eine Toshiba Festplatte. Ferner stellte er ein Mischpult Traktor Kontrol S2, welches sich in einem Karton befand, zur Mitnahme bereit. Anschließend forderten die Täter den Geschädigten auf, sowohl seine Geldbörse als auch sein Mobiltelefon , ein Apple iPhone 4-8 GB, herauszugeben. Aus Angst und unter dem Eindruck des Überfalls stehend übergab der Geschädigte die geforderten Gegenstände. In der Geldbörse befanden sich u.a. der Personalausweis, der Führerschein und die Krankenkassenkarte des Geschädigten. Unter Mitnahme der genannten Gegenstände verließen die Täter sodann die Wohnung.
6
Das Mobiltelefon des Geschädigten verkaufte der Angeklagte am 22. Juli 2013 für 130 € an den Bruder seiner ehemaligen Freundin, nachdem er es in der Zeit vom 12. Juli 2013 bis zum Verkauf selbst genutzt hatte. Das entwendete Laptop nutzte der Angeklagte vom 12. Juli bis 15. Juli 2013 und veräußerte es anschließend für 100 € an seine ehemalige Freundin. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten konnten am 22. Juli 2013 das Mischpult des Geschädigten sowie dessen Führerschein und Krankenkassenkarte aufgefunden werden.
7
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Beteiligung an dem Raubüberfall zum Nachteil des Geschädigten freigesprochen, weil nicht habe festgestellt werden können, wie der Angeklagte an die Gegenstände aus der Tatbeute gelangt sei. Die tatsächlichen Voraussetzungen für eine wahldeutige Verurteilung wegen Diebstahls oder Hehlerei hat es verneint.

II.


8
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Die dem Teilfreispruch zugrunde liegende Beweiswürdigung hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
9
1. Das Revisionsgericht hat es regelmäßig hinzunehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1966 – 1 StR 305/66, BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 18. Januar 2011 – 1 StR 600/10, NStZ 2011, 302; vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16). Insbesondere sind die Beweise erschöpfend zu würdigen (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78 aaO). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 – 4 StR 360/12, NStZ 2013, 180). Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2011 – 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110, 111). Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (vgl. BGH, Urteile vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97 aaO; vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. BGH, Urteile vom 17. Juli 2014 – 4 StR 129/14 Rn. 7; vom 18. August 2009 – 1 StR 107/09, NStZ-RR 2010, 85, 86; vom 21. Oktober 2008 – 1 StR 292/08, NStZ-RR 2009, 90, 91).
10
2. Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht in jeder Hinsicht gerecht.
11
a) Die Strafkammer hat die Einlassung des Angeklagten, er sei, nachdem er am Tattag bis gegen 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr bei seiner Schwester gewesen sei, von dort an die Schwimmhalle in Bitterfeld gefahren worden, wo er seinen Bekannten K. O. getroffen habe, der ihm „schöne Dinge“ angeboten und gefragt habe, ob er daran Interesse habe, als unglaubhaft bewertet. Dabei hat sie sich u.a. auf die Zeugenaussage der Schwester des Angeklagten gestützt, die bekundet hat, den Angeklagten gegen 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr gemeinsam mit einer Freundin von ihr zur Haustür begleitet, ihn anschließend aber nicht zur Schwimmhalle gefahren zu haben. Wenn das Landgericht dieses Beweisergebnis dahingehend bewertet, dass dem Angeklagten für die Tatzeit ein Alibi fehlt (UA S. 22), liegt dem ersichtlich die Annahme zugrunde, dass es dem Angeklagten nach den zeitlichen und räumlichen Gegebenheiten möglich war, nach dem Verlassen der Wohnung der Schwester um 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr die wenig später um 2.00/2.30 Uhr verübte Raubtat zu begehen. Die objektiv belegte Gelegenheit zur Tatausführung, die daraus resultiert, dass der Angeklagte maximal 1 ½ Stunden vor der Tat in der eine Tatausführung ermöglichenden Nähe zum Tatort unterwegs war, stellt aber ein den Angeklagten belastendes Indiz dar, das in seinem Beweiswert durch den bloßen Hinweis auf das fehlende Alibi zur Tatzeit nicht erschöpfend erfasst wird und daher in die tatrichterlichen Überlegungen hätte einbezogen werden müssen.
12
b) Im Rahmen der Gesamtwürdigung der Beweisergebnisse wäre zudem zu erörtern gewesen, dass der Angeklagte nicht nur über ohne weiteres selbst zu nutzende oder wirtschaftlich verwertbare Gegenstände aus der Beute verfügte , sondern mit dem Führerschein und der Krankenkassenkarte des Geschädigten auch solche Beutestücke in Besitz hatte, denen kein unmittelbarer Vermögenswert zukommt und für deren Überlassung durch einen Raubtäter kein nachvollziehbarer Anlass erkennbar ist.
13
c) Mit seiner der Ablehnung einer wahldeutigen Verurteilung zugrunde liegenden Annahme, der Erwerb der Gegenstände aus der Beute könne auch auf einem dritten Weg erfolgt sein, der in seiner konkreten Gestalt nicht näher bekannt sei, hat die Strafkammer schließlich eine Sachverhaltsvariante für möglich erachtet, für welche sich aus dem Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte ergeben. Soweit die Strafkammer in der Unglaubhaftigkeit der Schilderung des Angeklagten über den (hehlerischen) Erwerb der Gegenstände von seinem Bekannten K. O. einen Anhalt für ihre Annahme gesehen hat, hat sie verkannt, dass der widerlegten Einlassung des Angeklagten keine Beweisbedeutung zukommt, die gegen eine anderweitige hehlerische Erlangung der Beutestücke durch den Angeklagten spricht. Das Landgericht hat es insoweit versäumt, eine umfassende Würdigung aller Beweisumstände vorzunehmen und auf dieser Grundlage zu prüfen und zu entscheiden, ob die Beweisergebnisse die Überzeugung zu tragen vermögen, dass der Angeklagte die Gegenstände aus der Tatbeute entweder durch die Raubtat oder im Wege der Hehlerei erlangt hat.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 479/08
vom
17. März 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
17. März 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwältin - in der Verhandlung - und
Staatsanwältin - bei der Verkündung -
als Vertreterinnen der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10. März 2008 mit den Festsstellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte freigesprochen wurde und
b) im Strafausspruch, soweit der Angeklagte verurteilt wurde. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 270 Tagessätzen verurteilt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den Teilfreispruch und, soweit der Angeklagte verurteilt wurde, gegen den Strafausspruch. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.

2
1. Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte seit dem Jahr 1979 Geschäftsführer der in Nürnberg ansässigen D. KG (nachfolgend: D. KG). Seit Mitte des Jahres 2001 entstanden in der Buchhaltung des Unternehmens Buchungsrückstände. Dies hatte zur Folge, dass von der D. KG erzielte Umsätze und gezahlte Vorsteuerbeträge spätestens seit dem Jahr 2002 der EDV-Buchhaltung des Unternehmens nicht mehr entnommen werden konnten. Von Januar 2002 bis Mai 2003 wurden die beim Finanzamt einzureichenden Umsatzsteuervoranmeldungen daher von der angestellten Buchhaltungskraft anhand der vorliegenden Eingangs- und Ausgangsrechnungen manuell erstellt, wobei ihr allerdings schwerwiegende Fehler unterliefen. Für das Jahr 2002 wurden von den tatsächlich getätigten Umsätzen im Umfang von mehr als 12,8 Mio. Euro lediglich knapp 9,1 Mio. Euro erklärt. Zugleich wurden die Vorsteuern um etwa 62.000,-- Euro zu niedrig angegeben. Auch die für die Voranmeldungszeiträume des Jahres 2003 eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen waren unrichtig und enthielten zu geringe Umsatzsteuerbeträge.
3
Der Angeklagte erfuhr spätestens im ersten Halbjahr 2002 von den Rückständen in der Buchhaltung. Auch wusste er, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen manuell erstellt wurden. Gleichwohl überprüfte er die Voranmeldungen nicht.
4
Im Hinblick auf die manuelle Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldungen des Jahres 2003 ordnete das Finanzamt Nürnberg-Nord eine Umsatzsteuer -Nachschau an, die am 29. Oktober 2003 in den Geschäftsräumen der D. KG durchgeführt wurde. Hierbei wurde sofort festgestellt, dass die für Februar bis Mai 2003 tatsächlich erzielten Umsätze weit über den vorangemeldeten Umsätzen lagen. Dies wurde noch am selben Tag dem Angeklagten mitgeteilt, der die bei der Umsatzsteuer-Nachschau festgestellten Beträge als richtig anerkannte.
5
Aufgrund der Mitteilung des Finanzamts rechnete der Angeklagte damit, dass auch die Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis Dezember 2002 unrichtig waren. Gleichwohl unterließ er die Abgabe einer richtigen Umsatzsteuerjahreserklärung, mit der er zugleich der sich aus § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO ergebenden Berichtigungspflicht hätte nachkommen können, die ihm bekannt war. Die Berichtigung wäre ihm auch ohne weiteres möglich gewesen, da die Buchhaltung zwischenzeitlich vervollständigt worden war, so dass dem Angeklagten die richtigen Umsatzzahlen zur Verfügung standen. Der Angeklagte unterließ sowohl die Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2002 als auch eine Berichtigung der unrichtigen Vorsteueranmeldungen, um sich die Steuervorteile, die die Gesellschaft durch die unrichtigen Voranmeldungen erzielt hatte, auf Dauer zu sichern.
6
2. Aufgrund dieser Feststellungen hat das Landgericht den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung betreffend das Jahr 2002 zu der Geldstrafe von 270 Tagessätzen verurteilt. Von der - rechtlich möglichen - Bildung einer nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe hat die Strafkammer gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB bewusst abgesehen.
7
3. Soweit dem Angeklagten in der Anklageschrift zur Last gelegt wurde, auch für die Monate Februar bis Mai 2003 unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben zu haben und dadurch in vier Fällen Umsatzsteuer in Höhe von mehr als 260.000,-- Euro verkürzt zu haben, hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen. Ihm sei nicht nachzuweisen, dass er die Unrichtigkeit der Voranmeldungen bereits bei deren Abgabe gekannt habe. Eine Pflicht zur Berichtigung nach § 153 AO habe nicht bestanden, da die Unrichtigkeit der Voranmeldungen bereits von den Finanzbehörden festgestellt gewesen sei, als er davon erfahren habe.

II.

8
Die Freisprechung des Angeklagten vom Vorwurf der Steuerhinterziehung in vier Fällen durch Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Februar bis Mai 2003 hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
1. Zwar hat es das Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, wenn ein Angeklagter deshalb freigesprochen wird, weil das Tatgericht Zweifel an der Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist auf die Prüfung beschränkt, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze und gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 16; BGH StV 1994, 580 m.w.N.). Der Prüfung unterliegt auch, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; BGH NJW 2005, 1727; BGH NStZ-RR 2003, 369, 370; BGH NStZ 2002, 48; BGH NStZ-RR 2000, 171; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 25, jew. m.w.N.).
10
Die Begründung eines Freispruchs muss daher so abgefasst werden, dass dem Revisionsgericht die Prüfung möglich ist, ob dem Tatgericht Rechts- fehler unterlaufen sind, insbesondere, ob der den Entscheidungsgegenstand bildende Sachverhalt vollständig gewürdigt worden ist (vgl. BGH wistra 1991, 63). Hierzu bedarf es in den Urteilsgründen regelmäßig der Darstellung des Anklagevorwurfs , der getroffenen Feststellungen und einer Würdigung der Beweise (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 267 Rdn. 33 m.w.N.), insbesondere der gegen den Angeklagten sprechenden Um stände (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 338). Die Anforderungen an eine umfassende Würdigung der festgestellten Tatsachen sind nicht geringer als im Fall der Verurteilung (vgl. BGH NStZ 2002, 446).
11
2. Diesen Anforderungen an die Sachdarstellung und Beweiswürdigung wird das angefochtene Urteil nicht in vollem Umfang gerecht.
12
a) Soweit dem Angeklagten mit der Anklageschrift zur Last gelegt wurde, in vier Fällen durch Abgabe falscher Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Februar bis Mai 2003 Steuern hinterzogen zu haben, enthalten die Urteilsgründe keine Feststellungen dazu, welchen Inhalt die abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen hatten. Zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärungen fehlen in den Urteilsgründen ebenso Angaben wie zu der Frage, ob die Voranmeldungen zu einer Zahllast oder einer Erstattung geführt haben (vgl. § 168 AO). Es bleibt auch offen, in welchem Umfang die angemeldeten von den zu erklärenden Umsätzen abwichen. Der Mitteilung dieser Umstände hätte es indes schon allein deshalb bedurft, weil sich aus ihnen - etwa aus einem Vergleich mit früheren Anmeldungszeiträumen - Rückschlüsse auf die subjektive Tatseite ergeben konnten.
13
b) Die Beweiswürdigung ist auch deshalb lückenhaft, weil sie sich - soweit Feststellungen getroffen worden sind - nicht mit allen festgestellten Um- ständen auseinandersetzt, die den Angeklagten be- oder entlasten (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2).
14
aa) Die Strafkammer beschränkt sich im Wesentlichen darauf, festzustellen , dass die Einlassung des Angeklagten nicht zu widerlegen sei. Eine Auseinandersetzung mit den festgestellten Umständen, die gegen diese Einlassung sprechen könnten, enthält das Urteil nicht. So lässt das Landgericht außer Betracht , dass der Angeklagte aufgrund seiner Geschäftserfahrung und beruflichen Bildung als Kaufmann über besondere Fähigkeiten und Kenntnisse verfügte. Diese können aber für die Frage, ob der Angeklagte um die Fehler der Voranmeldungen wusste, als Beweisanzeichen von Bedeutung sein. Das gilt um so mehr, als das Landgericht ausdrücklich feststellt, dass die Defizite in der Buchhaltung , die die fehlerhaften Voranmeldungen bedingten, bereits seit längerem bestanden und der Angeklagte von diesen auch schon seit Mitte des Jahres 2002 wusste. Unerörtert bleibt auch, dass sich die D. KG bereits seit dem Jahre 2000 in finanziellen Schwierigkeiten befand, die sich im Laufe des Jahres 2002 noch verschärften. Es hätte daher jedenfalls der Erörterung bedurft, ob diese finanziellen Schwierigkeiten als Motiv für die Abgabe falscher Umsatzsteuervoranmeldungen in Betracht kamen, um aufgrund ungerechtfertigter Vorsteuererstattungen den Geschäftsbetrieb aufrechterhalten zu können.
15
bb) Die Beweiswürdigung verhält sich auch nicht dazu, ob leichtfertiges Handeln des Angeklagten im Sinne von § 378 AO auszuschließen war. Für den Schluss der Strafkammer, es habe lediglich einfache Fahrlässigkeit vorgelegen, fehlt es angesichts der gegen den Angeklagten sprechenden Umstände an einer tragfähigen Begründung. Statt einer an rechtlichen Abgrenzungskriterien ausgerichteten Gesamtwürdigung sämtlicher für und gegen die Annahme leichtfertigen Handelns sprechenden Umstände beschränkt sich die Strafkammer auf die nicht näher begründete Bewertung, es habe nur einfache Fahrlässigkeit vorgelegen. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
16
3. Das Urteil beruht insoweit auf den Darstellungs- und Beweiswürdigungsmängeln ; der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung zu einer Verurteilung des Angeklagten gelangt wäre.

III.

17
1. Auch der Strafausspruch, auf den die Staatsanwaltschaft ihre Revision wirksam beschränkt hat, soweit der Angeklagte verurteilt wurde, hat keinen Bestand. Dies folgt hier bereits aus der Aufhebung des Teilfreispruchs.
18
Bei Tatmehrheit kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Aufhebung eines Einzelstrafausspruchs zur Aufhebung weiterer Strafaussprüche führen, wenn nicht auszuschließen ist, dass diese durch den Rechtsfehler im Ergebnis beeinflusst sind (vgl. die Nachw. bei MeyerGoßner , StPO 51. Aufl. § 353 Rdn. 10). Dies kann insbesondere dann zu bejahen sein, wenn die Taten in einem engen inneren Zusammenhang stehen (BGH NStZ 2001, 323, 324; NStZ-RR 2007, 195, 196 m.w.N.). Nichts anderes gilt im Falle der Aufhebung eines Teilfreispruchs, wenn insoweit aufgrund einer neuen Hauptverhandlung eine Verurteilung noch in Betracht kommt und eine solche Verurteilung die Strafzumessung bei den übrigen Taten beeinflussen kann.
19
So verhält es sich hier; denn dem Angeklagten lag die Verletzung seiner umsatzsteuerlichen Erklärungspflichten für zwei aufeinander folgende Jahre zur Last. Der Frage, ob es sich bei einer Tat um eine bloß einmalige Verfehlung oder um eine wiederholte oder mit Wiederholungsabsicht begangene Straftat handelt, kommt aber für die Strafzumessung nicht unerhebliches Gewicht zu. Der Senat hebt daher auch den Strafausspruch auf, um dem Tatrichter eine in sich stimmige Strafzumessung gegebenenfalls auch im Hinblick auf den weiteren - vom aufgehobenen Teilfreispruch erfassten - Tatvorwurf zu ermöglichen. Einer Erörterung der von der Staatsanwaltschaft gegen die Strafzumessung im Einzelnen erhobenen Bedenken bedarf es daher insoweit nicht.
20
2. Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts geben allerdings im Hinblick auf die von der neuen Strafkammer vorzunehmende Strafzumessung und den dabei zugrunde zu legenden Schuldumfang Anlass zu folgendem Hinweis:
21
Die Steuerhinterziehung ist zwar Erfolgsdelikt, jedoch nicht notwendig Verletzungsdelikt. Wie die Vorschrift des § 370 Abs. 4 Satz 1 AO zeigt, ist der Tatbestand des § 370 Abs. 1 AO bereits erfüllt, wenn die gesetzlich geschuldete Steuer nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt wird. Für eine Steuerverkürzung genügt deshalb eine konkrete Gefährdung des Steueranspruchs (vgl. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 370 AO Rdn. 15). Die Erfüllung der Steuerschuld ist demgegenüber erst Gegenstand des dem Festsetzungsverfahren nachgelagerten Erhebungs- und Vollstreckungsverfahrens (vgl. §§ 218 ff., 249 ff. AO).
22
Vor diesem Hintergrund kann dem Umstand, dass das Steueraufkommen mangels ausreichender finanzieller Mittel zur Abführung der geschuldeten Steuern auch bei ordnungsgemäßer Erfüllung der steuerlichen Erklärungspflichten des Angeklagten geschädigt worden wäre, entgegen der Auffassung der Strafkammer (UA S. 15/16) für die Bestimmung des Schuldgehalts der Tat kein erhebliches Gewicht im Sinne eines bestimmenden Strafzumessungsumstandes (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) zukommen. Dies gilt im besonderen Maße, wenn es sich bei den hinterzogenen Steuern um solche handelt, die der Steuerschuldner - wie hier bei der Umsatzsteuer - wie ein Treuhänder für den Fiskus verwaltet (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung 4. Aufl. Rdn. 1018; Kohlmann, Steuerstrafrecht Stand 39. Lfg. Oktober 2008, § 370 AO Rdn. 1033). Demgegenüber hat es erhebliche strafmildernde Bedeutung , wenn - anders als im vorliegenden Fall - die Verkürzung von Steuern beim Fiskus nicht zu einem dauerhaften Steuerausfall geführt hat, weil etwa der Täter die geschuldeten Steuern nachgezahlt hat. Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander
12
Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH, Urteile vom 6. November 1998 - 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 mwN und vom 17. Juli 2014 - 4 StR 129/14). In der Beweiswürdigung selbst muss sich der Tatrichter mit den festgestellten Indizien auseinandersetzen, die geeignet sind, das Beweisergebnis zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen (BGH, Urteile vom 14. August 1996 - 3 StR 183/96, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 11 und vom 16. Januar 2013 - 2 StR 106/12, StraFO 2013, 209). Dabei dürfen die Indizien nicht nur isoliert betrachtet werden, sie müssen vielmehr in eine umfassende Gesamtwürdigung aller bedeutsamen Umstände eingebracht werden (BGH, Urteile vom 23. Juli 2008 - 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792, 2793 f. und vom 13. Dezember 2012 - 4 StR 33/12, wistra 2013, 195, 196 mwN). Der Tatrichter darf insoweit keine überspannten Anforderungen an die für die Beurteilung erforderliche Gewissheit stellen (BGH, Urteile vom 14. Januar 2015 - 1 StR 351/14, NStZ-RR 2015, 146; vom 26. Juni 2003 - 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36; vom 10. August 2011 - 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110 f.; vom 18. Januar 2011 - 1 StR 600/10, NStZ 2011, 302, 303 und vom 2. Oktober 2013 - 1 StR 75/13, NStZ-RR 2014, 43).
8
Auch bei Serienstraftaten, wie sie bei länger andauerndem sexuellem Kindesmissbrauch vorkommen, muss das Tatgericht von jeder einzelnen individuellen Straftat überzeugt sein (BGHSt 42, 107, 109). Zur Vermeidung unvertretbarer Strafbarkeitslücken dürfen aufgrund der Feststellungsschwierigkeiten solcher oft gleichförmig verlaufenden Taten über einen langen Zeitraum zum Nachteil von Kindern und/oder Schutzbefohlenen, die in der Regel allein als Beweismittel zur Verfügung stehen, zwar keine überzogenen Anforderungen an die Individualisierbarkeit der einzelnen Taten im Urteil gestellt werden (BGH NStZ 1994, 502). Das Tatgericht muss sich aber in objektiv nachvollziehbarer Weise zumindest die Überzeugung verschaffen, dass es in einem gewissen Zeitraum zu einer bestimmten Mindestzahl von Straftaten gekommen ist (BGH StV 2002, 523). Dabei steht nicht in erster Linie die Ermittlung einer Tatfrequenz, sondern die des konkreten Lebenssachverhalts im Vordergrund; dieser ist ausgehend vom Beginn der Tatserie mit den unterschiedlichen Details etwa zu Tatausführung und Tatort der einzelnen Straftaten in dem gegebenen Tatzeitraum nach dem Zweifelssatz festzustellen und abzuurteilen (vgl. BGHR StGB vor § 1/Serienstraftaten Kindesmiss- brauch 2; BGH NStZ 2009, 444). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
5 StR 611/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 5. März 2008
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. März 2008

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 13. August 2007 wird nach § 349 Abs. 4 StPO
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in drei Fällen verurteilt worden ist;
b) das Urteil dahin ergänzt, dass der Angeklagte wegen drei Taten des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen freigesprochen wird;
c) das Urteil im Übrigen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die hierauf entfallenden notwendigen Auslagen des Angeklagten , soweit Freispruch und Einstellung erfolgt sind.
3. Im Umfang der Aufhebung (1 c) wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 35 Fällen, davon in 32 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und in drei Fällen in Tateinheit mit schwerem sexuellem Missbrauch von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts missbrauchte der Angeklagte seine 1992 geborene Tochter zwischen 1999 und Silvester 2005 in 35 Fällen. In 32 dieser Fälle fasste er das Mädchen an die unbedeckte Brust oder Scheide, in 30 Fällen führte er zudem ihre Hand an seinen Penis, während er onanierte. In drei Fällen musste das Mädchen den Penis des Angeklagten in den Mund nehmen, bis der Angeklagte in ihren Mund ejakulierte.
3
1. Hinsichtlich der drei Fälle, in denen der Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen verurteilt worden ist, ist das landgerichtliche Urteil aufzuheben und das Verfahren insoweit nach § 206a StPO einzustellen , weil es an der Prozessvoraussetzung einer ordnungsgemäßen Anklageerhebung fehlt.
4
In der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift werden dem Angeklagten 35 Taten des sexuellen Missbrauchs seiner Tochter zur Last gelegt. Ein Eindringen in den Körper des Mädchens wird dabei nicht beschrieben. Vielmehr liegt dem Anklagevorwurf zugrunde, dass das Mädchen seine Hand an den Penis des Angeklagten halten musste, bis er zum Orgasmus kam. Demgegenüber enthalten die als drei Fälle schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes ausgeurteilten Taten einen jeweils anderen Lebenssachverhalt, nämlich ausschließlich die Stimulation des Penis bis zum Samenerguss im Mund des Mädchens ohne jegliche vorangegangene oder begleitende Manipulationen. Deshalb handelt es sich dabei nicht um eine Ergänzung des angeklagten Geschehensablaufs, sondern um drei andere Fälle, die von der Anklage nicht umfasst sind.
5
2. Soweit die Anklageschrift dem Angeklagten 35 Fälle des sexuellen Missbrauchs der Tochter des Angeklagten durch Anlegen ihrer Hand an seinen Penis zur Last legt, hat die Strafkammer sich nur vom Vorliegen von 32 solcher Fälle überzeugen können. Die von der Strafkammer vorgenommene Umdeutung der drei übrig gebliebenen Fälle beschreibt andere Lebenssachverhalte (vgl. oben 1.) und beinhaltet damit nicht die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten im Sinne der drei anderen Anklagevorwürfe; in diesen Fällen hat der Angeklagte sich nicht von seiner Tochter mit der Hand stimulieren lassen. Der Senat holt den erforderlichen Freispruch in diesen drei Fällen nach.
6
3. Auch im Übrigen halten die Feststellungen revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
7
a) Die abgeurteilten Taten 2 bis 31 sind nicht ausreichend individualisiert , da sie über ein schematisiertes sexuelles Kerngeschehen hinaus keine konkreten Tatumstände enthalten. Zudem kann den Feststellungen nicht entnommen werden, anhand welcher Anknüpfungspunkte im Beweisergebnis sich das Landgericht davon überzeugt hat, dass der Angeklagte in 30 Fällen seine Tochter in der gemeinsamen Wohnung sexuell missbraucht hat.
8
Um eine bestimmte Anzahl von Straftaten einer in allem gleichförmig verlaufenden Serie sexueller Missbrauchshandlungen an Kindern festzustellen , bedarf es zwar nicht stets einer Konkretisierung nach genauer Tatzeit und exaktem Geschehensablauf, der Richter muss aber darlegen, aus welchen Gründen er die Überzeugung gerade von dieser Mindestzahl von Straftaten gewonnen hat (BGHSt 42, 107, 109 f.; BGH NStZ 1998, 208; StV 2002, 523). Daran fehlt es. Das Landgericht stellt lediglich pauschal fest, dass es zunächst „häufiger“ und schließlich „seltener“ (UA S. 4) zu den Taten ge- kommen sei, was in der Beweiswürdigung nur dahin ergänzt wird, es seien „sehr viele Übergriffe“ (UA S. 7) gewesen. Eine Frequenz der Übergriffe des Angeklagten gegen die Nebenklägerin ergibt sich hieraus nicht. Dies lässt besorgen, dass sich das Landgericht rechtsfehlerhaft keine Überzeugung von jeder einzelnen Tat verschafft, sondern im Wege der Schätzung die Zahl der abzuurteilenden Straftaten ohne zureichende Tatsachengrundlage festgelegt hat.
9
b) Das angefochtene Urteil kann aber auch hinsichtlich der Feststellungen zu den etwas konkreter beschriebenen Taten 1 und 35 der Urteilsgründe keinen Bestand haben. Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des die Taten bestreitenden Angeklagten auf die Angaben der Nebenklägerin gestützt. Diese hat es vor allem wegen des Umstands, dass die Nebenklägerin „die einzelnen Vorfälle bestimmten Orten zuordnen und zahlreiche Details benennen“ (UA S. 7) konnte, für glaubhaft erachtet. Dies findet allerdings in der überaus kargen Schilderung der Taten im Urteil keine Stütze. Damit ist der für die Überzeugungsbildung des Landgerichts maßgebliche Schluss auf die Glaubhaftigkeit der Angaben nicht mit tragfähigen und für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Tatsachen belegt.
10
4. Die Einstellung nach § 206a StPO hindert eine Anklage bezüglich der betroffenen Vorwürfe nicht; es wird sich empfehlen, diese Anklage gegebenenfalls zu dem hiesigen Verfahren zu verbinden und einheitlich zu verhandeln.
11
Der neue Tatrichter hat sich ein umfassendes neues Bild von der Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin zu machen, naheliegend unter Hinzuziehung eines aussagepsychologischen Sachverständigen. Sollte er sich davon überzeugen, dass die Anklagevorwürfe zutreffen, wird zu beachten sein, dass eine vor dem 2. April 1999 begangene Missbrauchstat des Angeklagten an der Nebenklägerin wegen Verfolgungsverjährung nicht mehr als sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen abgeurteilt werden kann. Es bedarf daher der Festlegung, ob sich der erste Übergriff vor diesem Zeitpunkt zugetragen hat. Des Weiteren wird dann zu klären sein, ob die Vorverurteilung des Angeklagten vom 19. Februar 2003 wegen noch nicht vollständiger Vollstreckung bezogen auf den Zeitpunkt des ersten landgerichtlichen Urteils Zäsurwirkung entfaltet.
Basdorf Gerhardt Raum Brause Schaal
8
Auch bei Serienstraftaten, wie sie bei länger andauerndem sexuellem Kindesmissbrauch vorkommen, muss das Tatgericht von jeder einzelnen individuellen Straftat überzeugt sein (BGHSt 42, 107, 109). Zur Vermeidung unvertretbarer Strafbarkeitslücken dürfen aufgrund der Feststellungsschwierigkeiten solcher oft gleichförmig verlaufenden Taten über einen langen Zeitraum zum Nachteil von Kindern und/oder Schutzbefohlenen, die in der Regel allein als Beweismittel zur Verfügung stehen, zwar keine überzogenen Anforderungen an die Individualisierbarkeit der einzelnen Taten im Urteil gestellt werden (BGH NStZ 1994, 502). Das Tatgericht muss sich aber in objektiv nachvollziehbarer Weise zumindest die Überzeugung verschaffen, dass es in einem gewissen Zeitraum zu einer bestimmten Mindestzahl von Straftaten gekommen ist (BGH StV 2002, 523). Dabei steht nicht in erster Linie die Ermittlung einer Tatfrequenz, sondern die des konkreten Lebenssachverhalts im Vordergrund; dieser ist ausgehend vom Beginn der Tatserie mit den unterschiedlichen Details etwa zu Tatausführung und Tatort der einzelnen Straftaten in dem gegebenen Tatzeitraum nach dem Zweifelssatz festzustellen und abzuurteilen (vgl. BGHR StGB vor § 1/Serienstraftaten Kindesmiss- brauch 2; BGH NStZ 2009, 444). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.