Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2017 - 2 StR 506/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:260417U2STR506.15.0
bei uns veröffentlicht am26.04.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 506/15
vom
26. April 2017
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
ECLI:DE:BGH:2017:260417U2STR506.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 26. April 2017, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, Zeng, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung, Staatsanwalt bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 2. Februar 2015 werden mit der Maßgabe verworfen, dass ein Monat der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gilt.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft bleiben ohne Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts vereinbarte der Zeuge A. mit einer Vertrauensperson der Polizei für den 10. März 2014 die Liefe- rung von einem Kilogramm Ampthetamin zum Preis von 3.700 €. Der Zeuge besorgte sich von dem Angeklagten Am. 890 Gramm Amphetamin mit einem Wirkstoffanteil von 22,1 %, das sich dieser zu einem Preis von 2.000 € von einer dritten, nicht namentlich bekannten Person beschafft hatte. Den Kaufpreis, den der Zeuge A. zu entrichten hatte, konnte das Landgericht nicht feststellen. Bei der Übergabe des Rauschgifts an die Vertrauensperson wurde der Zeuge A. festgenommen, die Betäubungsmittel wurden sichergestellt.
3
2. Der nicht revidierende Mitangeklagte S. informierte im Juni 2014 den im selben Haus wohnenden Angeklagten Am. , dass er Amphetaminund Haschisch im Kilogrammbereich zur Verfügung habe, und übergab ihm zwei Proben mit einem Feuchtgewicht von 19,81 Gramm, die später, am 25. Juni 2014, in seiner Wohnung sichergestellt wurden. Einige Zeit später kam es zwischen beiden zu einem Geschäft über 877,37 Gramm Haschisch; das Rauschgift wurde alsbald von dem Abnehmer des Angeklagten Am. an diesen und sodann an den Mitangeklagten S. zurückgegeben, da es sich mit einem Wirkstoffgehalt von lediglich 0,8 % als "unbrauchbar" erwiesen hatte. Hinsichtlich dieses Tatkomplexes ist das Verfahren in der Hauptverhandlung auf Antrag der Staatsanwaltschaft eingestellt worden.
4
Mitte Juni 2014 übergab der Mitangeklagte S. dem Angeklagten Am. ein Kilogramm Amphetamin mit einem geschätzten Wirkstoffanteil von 6,1 %, das dieser zu einem Preis von 3.400 € weiterveräußern wollte. Das Geschäft kam nicht zur Durchführung, weil der Abnehmer des Angeklagten hiervon plötzlich aus vom Angeklagten unbekannten Gründen Abstand nahm.

II.


5
Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt erfolglos; das Rechtsmittel des Angeklagten hat nur im geringen Umfang Erfolg.
6
1. Die Revision des Angeklagten
7
Das auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Rechtsmittel ist zwar zulässig, denn die Revision ist rechtzeitig eingelegt, weshalb es eines Eingehens auf den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht bedarf. Die Revision hat aber nur in geringem Umfang Erfolg.
8
a) Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
9
aa) Der Angeklagte rügt der Sache nach einen Verstoß gegen die der Strafkammer obliegende Transparenz- und Dokumentationspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO. Er beanstandet konkret, die Mitteilung der Vorsitzenden über den Inhalt des während einer Unterbrechung der Hauptverhandlung am 27. Januar 2015 geführten Verständigungsgesprächs sowie dessen Protokollierung seien unvollständig. Diese habe in der Hauptverhandlung erklärt und entsprechend protokolliert, die Mitglieder hätten sich in dem Gespräch "konkret nicht geäußert", während die Vorsitzende tatsächlich erklärt habe, sie könne sich für den Angeklagten eine Bewährungsstrafe vorstellen.
10
Es kann dahinstehen, ob die Rüge insoweit zulässig ist, als in der Revisionsbegründung nicht vorgetragen ist, ob und ggf. in welcher Weise der Angeklagte von seinem Verteidiger über den tatsächlichen Inhalt des am 27. Januar 2015 geführten Verständigungsgesprächs ins Bild gesetzt worden ist (vgl.
Senat, Beschluss vom 25. November 2014 – 2 StR 171/14, NJW 2014, 266). Sie ist jedenfalls unbegründet.
11
Zwar ist unter Zugrundelegung der dienstlichen Erklärung der Vorsitzenden davon auszugehen, dass sie in dem fraglichen Gespräch eine Strafvorstellung geäußert hat, die keinen Niederschlag in der Protokollierung des Rechtsgesprächs gefunden hat. Gegenstand einer Mitteilung nach § 243 Abs. 4 StPO muss aber auch sein, von wem im Rahmen von Erörterungen über eine Verständigung welche Vorstellungen geäußert wurden und welchen Standpunkt die anderen Beteiligten hierzu eingenommen haben. Daran fehlt es hier.
12
Auf dem festgestellten Verstoß gegen die Dokumentationspflicht nach § 243 Abs. 4 StPO beruht das Urteil hier aber ausnahmsweise nicht. Der Generalbundesanwalt hat hierzu zutreffend ausgeführt: "Nach den Feststellungen im Urteil hat der Angeklagte beide Taten eingeräumt (UA S. 11 ff.). Dem Revisionsvorbringen ist ebenso wie dem Hauptverhandlungsprotokoll zu entnehmen, dass der Verteidiger des Beschwerdeführers zu dem ersten Tatkomplex bereits am 1. Hauptverhandlungstag – noch vor den Verständigungsgesprächen – für den Angeklagten eine Erklärung zur Sache abgegeben hatte, die dieser sich als seine Einlassung zu Eigen gemacht hatte. Insoweit kann sicher ausgeschlossen werden, dass durch die Verletzung der Informationspflicht nach § 243 Abs. 4 StPO die Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten betroffen ist. Gleiches gilt auch für die Einlassung des Angeklagten zum zweiten Tatkomplex. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Mitteilung über die am 2. Hauptverhandlungstag geführten Gespräche nicht gänzlich unterblieben ist, sondern nur unvollständig, jedoch unter Bekanntga- be ihrer wesentlichen Ergebnisse, erfolgt ist und dass eine Verständigung nicht zustandegekommen ist. Im Nachgang zu dieser (unvollständigen ) Mitteilung durch die Vorsitzende gab der Verteidiger für den Angeklagten eine weitere Erklärung ab, die dieser ebenfalls als richtig bestätigte. Zudem erklärte der Angeklagte im Anschluss daran nach Rücksprache mit seinem Verteidiger, auf die Herausgabe des sichergestellten Geldbetrages in Höhe von 10.700 € zu verzichten. Es liegt nahe, dass er zuvor von seinem Verteidiger über die von der Vorsitzenden in dem Verständigungsgespräch geäußerte Straferwartung für den Fall eines Geständnisses und eines Verzichts unterrichtet worden ist. Jedenfalls war ihm aber aufgrund der vorangegangenen Mitteilung der Vorsitzenden zu diesem Zeitpunkt bekannt, dass eine dahingehende Einigung nicht zustande gekommen war, da die Vorstellungen über die zu verhängenden Strafen zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung zu weit auseinanderfielen. Wenn der Angeklagte sich – nachdem er über das Scheitern des Verständigungsgesprächs unterrichtet war – dennoch entschlossen hat, sich weiter zur Sache einzulassen und seinen Verzicht auf die Herausgabe des sichergestellten Geldes zu erklären, ist damit aber auszuschließen, dass dies aufgrund eines infolge der unvollständigen gerichtlichen Mitteilung beim Angeklagten hervorgerufenen Informationsdefizits erfolgt ist und seine Selbstbelastungsfreiheit in irgendwie fassbarer Weise beeinträchtigt sein könnte. Vielmehr geschah dies erkennbar lediglich in der Hoffnung, gleichwohl im Falle eines Geständnisses und eines Verzichts eine Bewährungsstrafe zu erhalten, ohne dass diese Erwartung durch die unvollständige Information hervorgerufen worden sein könnte. Daher kann sicher ausgeschlossen werden, dass das Landgericht ohne den Rechtsfehler zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre."
13
Auch ein Einfluss einer konkludent behaupteten unzureichenden Information der Öffentlichkeit, der die Vorschrift des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO zugleich dient, auf die Entscheidungsfindung ist auszuschließen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist ein Beruhen hierauf auszuschließen , wenn der Inhalt der geführten Gespräche – wie hier – zweifelsfrei feststeht und diese nicht auf die Herbeiführung einer gesetzwidrigen Absprache gerichtet waren (BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 878/14, NStZ 2015, 170, 172).
14
bb) Die Beanstandung des Angeklagten, ein weiteres Gespräch, das zwischen dem 27. Januar 2015 und dem 2. Februar 2015 im Dienstzimmer der Vorsitzenden und in Anwesenheit der beisitzenden Richterin stattgefunden habe und in dem beide übereinstimmend erklärt hätten, eine Strafe von drei Jahren bis drei Jahren und sechs Monaten erscheine ihnen deutlich zu hoch, sei entgegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht in der Hauptverhandlung mitgeteilt worden, ist bereits nicht zulässig erhoben. Der Angeklagte trägt schon selbst nicht eindeutig vor, dass das fragliche Gespräch, an das der Verteidiger des Angeklagten Näheres nicht erinnert, eine "Konkretion" erreicht hat, die eine Dokumentationspflicht nach sich ziehen könnte.
15
b) Auch die Sachrüge bleibt weitgehend ohne Erfolg.
16
Die Überprüfung von Schuld- und Strafausspruch hat Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
17
aa) Das Landgericht hat zu Lasten des Angeklagten sowohl bei der Strafrahmenwahl wie auch im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne berücksichtigt , dass die Grenze zur nicht geringen Menge im Fall 1 der Anklage um das 12-fache und im Fall 2 der Anklage um das 6,1-fache überschritten worden sei.
18
Dies begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
19
(1) Dies gilt zunächst, soweit das Landgericht bei der Prüfung desminder schweren Falles die Überschreitung um das 6,1 bzw. 12-fache als einen gegen den Angeklagten sprechenden Umstand eingestellt hat.
20
Ob ein minder schwerer Fall vorliegt, der die Anwendung des Normalstrafrahmens nicht mehr angemessen erscheinen lässt, ist daran auszurichten, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint (vgl. Senat, Urteil vom 15. März 2017 – 2 StR 294/16). In diese Gesamtwürdigung sind alle Umstände einzubeziehen, die für die Wertung von Tat und Täterpersönlichkeit in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat inne wohnen, sie begleiten, ihr vorangehen oder ihr nachfolgen. Bei der sonach erforderlichen Gesamtwürdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände ist es regelmäßig von Bedeutung, ob die nicht geringe Menge um ein Vielfaches oder nicht sehr erheblich überschritten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 1983 – 1 StR 721/83, BGHSt 32, 162, 165). Je höher im Einzelfall die Grenze zur nicht geringen Menge überschritten ist, desto gewichtiger müssen im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung die für die Annahme eines minder schweren Falles hinzugezogenen Gründe sein.
Je geringer demgegenüber die Überschreitung des Grenzwerts ist, umso eher wird die Annahme eines minder schweren Falles in Betracht kommen. Eine nur geringe Grenzwertüberschreitung wird – weil unterhalb des "Durchschnittsfalles" gelegen – ein Kriterium für die Annahme eines minder schweren Falles sein, während eine erhebliche Überschreitung gegen die Annahme eines solchen spricht. Daran gemessen unterliegt es im vorliegenden Fall keinen durchgreifenden Bedenken, dass das Landgericht einen minder schweren Fall unter anderem auch mit Blick auf die 6,1 bzw. 12-fache Überschreitung der nicht geringen Menge abgelehnt hat.
21
(2) Soweit das Landgericht die 6,1 bzw. 12-fache nicht geringe Menge bei der konkreten Strafzumessung strafschärfend berücksichtigt hat, ist auch dies nicht zu beanstanden.
22
Beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG darf die Tatbegehung hinsichtlich einer "nicht geringen Menge" als Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes nicht berücksichtigt werden (§ 46 Abs. 3 StGB). Jedoch kann der Grad der Überschreitung des Grenzwerts in die Rechtsfolgenentscheidung einbezogen werden, soweit es sich nicht nur um eine Überschreitung in einem Bagatellbereich handelt, wodurch praktisch alleine die Erfüllung des Straftatbestands festgestellt ist. Wo diese Bagatellgrenze liegt, hat der Tatrichter unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzulegen. Ob sie "annähernd beim Doppelten der nicht geringen Menge" (vgl. BGH, Beschluss vom 14. März 2017 – 4 StR 533/16), beim 2,5-fachen (so im Ergebnis Senat, Beschluss vom 25. Februar 2016 – 2 StR 39/16, NStZ-RR 2016, 141) oder dreifachen (so im Ergebnis Senat, Beschluss vom 31. März 2016 – 2 StR 36/16, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 44) der nicht geringen Menge noch nicht überschritten wird, kann offen bleiben (vgl. BGH,Beschluss vom 13. Oktober 2016 – 4 StR 248/16: Überschreitung um ein Drittel kein zulässiger Strafschärfungsgrund). Bei einem Handeltreiben mit dem 6,1 bzw. 12fachen der nicht geringen Menge wie hier ist der Bagatellbereich aber auf jeden Fall verlassen.
23
Jenseits einer die Untergrenze zur Tatbestandserfüllung nur unwesentlich überschreitenden Wirkstoffmenge hat das Maß der Überschreitung dieser Grenze(n), regelmäßig die Bedeutung eines zulässigen und im Sinne von § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO bestimmenden Strafzumessungsgrundes. Ausgehend von der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens hat die Überschreitung des Grenzwerts grundsätzlich strafschärfende Bedeutung. Die Bewertungsrichtung wird insoweit durch die Anknüpfung des Qualifikationstatbestands gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG an eine bestimmte Menge von Betäubungsmitteln vorgegeben. Unbeschadet des Erfordernisses einer Gesamtwürdigung aller Strafzumessungstatsachen ist die Überschreitung zur nicht geringen Menge gegenüber der Mindeststrafe für sich genommen schärfend zu berücksichtigen (vgl. Senat, Urteil vom 15. März 2017 – 2 StR 294/16).
24
Eine Orientierung an einem anderen Bezugspunkt, wie etwa einem normativen Normalfall, von dem aus ein einzelner Umstand im Rahmen seiner Bewertungsrichtung als "strafmildernd" oder "strafschärfend" bezeichnet werden könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 351), oder einem statistischen Durchschnitts- oder Regelfall als Bezugspunkt für die Bestimmung einer Bewertungsrichtung scheidet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der konkreten Strafzumessung aus (vgl. BGHSt 34, 345, 351). Es bleibt daher bei der von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG vorgegebenen Bewertungsrichtung, wonach das Maß der Überschreitung der nicht geringen Menge ein gegenüber der Mindeststrafe schärfender Gesichtspunkt ist.
25
Soweit der Senat früher bemerkt hat, eine nur geringe Überschreitung der Grenze zur nicht geringen Menge sei ein "Strafmilderungsgrund" (Senat, Urteil vom 10. August 2016 – 2 StR 22/16, Rn. 40; krit. BGH, Beschluss vom 8. November 2016 – 5 StR 487/16 sowie Beschluss vom 10. Januar 2017 – 5 StR 552/16), hält er daran nicht fest.
26
Das Urteil des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 22. November 2016 – 1 StR 329/16 – steht dem nicht entgegen. Dieser hat zwar auch angeführt, dass eine geringe Überschreitung der Untergrenze zur nicht geringen Menge ein Strafmilderungsgrund sei; dies war allerdings für die Entscheidung des 1. Strafsenats ohne Bedeutung und damit nicht tragend. Er hatte über die tatrichterliche Wertung zu entscheiden, ob die 1,8-fache Überschreitung der Untergrenze zur nicht geringen Menge ein Strafschärfungsgrund sein könne. Das Ergebnis des 1. Strafsenats, der dies beanstandete, steht im Übrigen mit den Wertungen des Senats im Zusammenhang mit der Überschreitung des Grenzwerts in einem Bagatellbereich ohne Weiteres in Einklang.
27
bb) Soweit die Strafkammer im Rahmen der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, er habe die gegenüber dem Besitz schwerwiegendere Tatbestandsalternative des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verwirklicht, ist dies von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Dem Handeltreiben kommt gegenüber dem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ein erhöhter Unrechtsgehalt zu.
28
cc) Zur Kompensation der überlangen Dauer des Revisionsverfahrens war anzuordnen, dass ein Monat der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gilt. Das Revisionsverfahren hat aus Gründen, die der Angeklagte mit Blick auf Erkrankungen und urlaubsbedingte Abwesenheiten beteiligter Richter nicht zu vertreten hat, auch unter Berücksichtigung des Verfahrensumfangs vierzehn Monate und damit zu lange gedauert.
29
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft
30
Auch der ebenfalls auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision der Staatsanwaltschaft bleibt der Erfolg versagt.
31
a) Die Rüge, ein außerhalb der Hauptverhandlung geführtes Verständigungsgespräch sei entgegen § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht mitgeteilt worden, greift nicht durch. Es kann dahinstehen, ob diese Rüge – wie der Generalbundesanwalt meint – bereits nicht zulässig erhoben ist, weil nicht konkret behauptet und bestimmt dargelegt werde, in welchem Verfahrensstadium, in welcher Form und mit welchem Inhalt auf eine Verständigung abzielende Gespräche stattgefunden hätten. Daran könnten Zweifel bestehen, weil die Staatsanwaltschaft sich in ihrem Vorbringen allein auf Ausführungen in der Revisionsbegründungsschrift des Verteidigers des Angeklagten zu einem zwischen Mitgliedern des Gerichts und der Verteidigung geführten Gespräch bezieht, an dem die Staatsanwaltschaft nicht beteiligt war. Insoweit dürfte entsprechendes, der Staatsanwaltschaft insoweit gar nicht mögliches Vorbringen keine Voraussetzung für eine zulässige Rüge sein.
32
Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Nach der dienstlichen Erklärung der Vorsitzenden Richterin war Gegenstand der Erörterungen mit dem Verteidiger lediglich das zu erwartende Strafmaß, ohne dass in diesem Zusammenhang ein Konnex zu dem Aussageverhalten oder sonstigen Prozessverhalten des Angeklagten hergestellt worden wäre. Danach handelte es sich – auch soweit die zu diesem Zeitpunkt in den Fall noch nicht eingearbeitete Vorsitzende angegeben hatte, eine Strafhöhe von drei Jahren und sechs Monaten sei möglicherweise zu hoch angesetzt – nicht um ein Verständigungsgespräch, das Mitteilungs- und Dokumentationspflichten ausgelöst hat.
33
b) Auch die Sachrüge zeigt Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten nicht auf.
34
Soweit die Strafkammer nicht feststellen konnte, welchen Kaufpreis der Zeuge A. im Fall 1 der Urteilsgründe zu entrichten hatte und damit auch den Gewinn des Angeklagten aus diesem Geschäft nicht ausdrücklich beziffert hat, stellt dies keinen durchgreifenden Rechtsfehler dar. Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit wegen Handeltreibens verurteilt und ist dabei offensichtlich davon ausgegangen, dass er aus diesem Geschäft einen Gewinn erzielt hat. Die von der Staatsanwaltschaft vermisste Bezifferung eines Gewinns von mindestens 200 € stellt sich angesichts des sehr geringen Gewinns jedenfalls nicht als ein bestimmender Strafzumessungsgrund dar, der ausdrücklicher Erwähnung bedurft hätte.
35
Auch im Hinblick auf die weitere Rüge, das Landgericht hätte die von dem Angeklagten eingeräumte Tat des Handeltreibens mit einem Kilogramm Marihuana minderer Qualität, die in der Hauptverhandlung eingestellt worden sei, ausdrücklich strafschärfend berücksichtigen müssen, bleibt ohne Erfolg.
Die Strafkammer wäre zwar nicht gehindert gewesen, diesen Umstand bei der Strafzumessung zu würdigen, es handelt sich aber nicht um einen bestimmenden Strafzumessungsgrund, auf den sie in jedem Fall hätte eingehen müssen.
Appl Krehl Eschelbach Zeng Bartel

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2017 - 2 StR 506/15

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2017 - 2 StR 506/15

Referenzen - Gesetze

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt,

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.
Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2017 - 2 StR 506/15 zitiert 6 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt,

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

Strafprozeßordnung - StPO | § 243 Gang der Hauptverhandlung


(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind. (

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2017 - 2 StR 506/15 zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2017 - 2 StR 506/15 zitiert 8 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2017 - 5 StR 552/16

bei uns veröffentlicht am 10.01.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 552/16 vom 10. Januar 2017 in der Strafsache gegen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2017:100117B5STR552.16.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1

Bundesgerichtshof Urteil, 15. März 2017 - 2 StR 294/16

bei uns veröffentlicht am 15.03.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 294/16 vom 15. März 2017 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja BGHR: ja Veröffentlichung: ja

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. März 2017 - 4 StR 533/16

bei uns veröffentlicht am 14.03.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 533/16 vom 14. März 2017 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a. ECLI:DE:BGH:2017:140317B4STR533.16.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des G

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Nov. 2016 - 1 StR 329/16

bei uns veröffentlicht am 22.11.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 329/16 vom 22. November 2016 in der Strafsache gegen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2016:221116U1STR329.16.0 Der 1. Strafsenat des Bund

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Aug. 2016 - 2 StR 22/16

bei uns veröffentlicht am 10.08.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 22/16 vom 10. August 2016 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. wegen zu 1. und 2.: bandenmäßigen und bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu 3.: bandenmäßi

Bundesgerichtshof Beschluss, 31. März 2016 - 2 StR 36/16

bei uns veröffentlicht am 31.03.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 36/16 vom 31. März 2016 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2016:310316B2STR36.16.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs h

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Feb. 2016 - 2 StR 39/16

bei uns veröffentlicht am 25.02.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 39/16 vom 25. Februar 2016 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ECLI:DE:BGH:2016:250216B2STR39.16.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Nov. 2014 - 2 StR 171/14

bei uns veröffentlicht am 25.11.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 S t R 1 7 1 / 1 4 vom 25. November 2014 in der Strafsache gegen wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Besch
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2017 - 2 StR 506/15.

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2019 - 1 StR 656/18

bei uns veröffentlicht am 24.07.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 656/18 vom 24. Juli 2019 in der Strafsache gegen wegen strafbarer Werbung Einziehungsbeteiligte: 1. A. mbH, 2. A. S. GmbH, 3. H. GmbH, 4. F. , ECLI:DE:BGH:2019:240719B1STR656.18.0 Der 1. Strafsenat de

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Aug. 2017 - 2 StR 344/15

bei uns veröffentlicht am 16.08.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 344/15 vom 16. August 2017 in der Strafsache gegen wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a. ECLI:DE:BGH:2017:160817U2STR344.15.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung v

Referenzen

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 1 7 1 / 1 4
vom
25. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 25. November 2014
gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 7. Januar 2014 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Misshandlung von Schutzbefohlenen in 14 Fällen, davon in sieben Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und in einem Fall in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in 15 Fällen, davon in drei Fällen in vier, in zwei Fällen in zwei tateinheitlich verwirklichten Fällen, in vier Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, davon in zwei Fällen in drei und in einem Fall in zwei tateinheitlich verwirklichten Fällen sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung in 32 Fällen, davon in einem Fall in vier, in einem Fall in drei und in drei Fällen in zwei tateinheitlich verwirklichten Fällen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und ihn im Üb- rigen freigesprochen. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
2
Der Erörterung bedarf lediglich die vom Angeklagten erhobene Verfahrensrüge wegen eines Verstoßes gegen die Vorschrift des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO:
3
1. Mit dieser Rüge macht der Angeklagte geltend, der Strafkammervorsitzende habe entgegen § 243 Abs. 4 StPO keine Mitteilungen über Erörterungen mit dem Ziel einer Verständigung gemacht und keine entsprechenden Protokollierungen veranlasst. Damit fehle es an der gebotenen Negativmitteilung gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO und dem gemäß § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO erforderlichen Negativattest.
4
2. Die Rüge ist bereits unzulässig, weil der Beschwerdeführer nicht vorgetragen hat, ob überhaupt Erörterungen im Sinne des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO stattgefunden haben und welchen Inhalt diese gegebenenfalls hatten (Senatsurteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 47/13, BGHSt 58, 315, 318; BGH, Beschluss vom 6. März 2014 - 3 StR 363/13, NStZ 2014, 419; Allgayer NStZ 2014, 530; offengelassen von BGH, Beschluss vom 3. September 2013 - 1 StR 237/13, NStZ 2013, 724; Beschluss vom 29. Januar 2014 - 1 StR 523/13, NStZRR 2014, 115; vgl. dazu auch BVerfG NStZ 2014, 592, 594).
5
a) Zwar erfordert § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO grundsätzlich die so genannte Negativmitteilung auch dann, wenn keine auf eine Verständigung hinzielenden Gespräche stattgefunden haben (BVerfG NStZ 2014, 592, 593 f.; anders noch Senatsurteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 47/13, BGHSt 58, 315 ff.). Ein zur Aufhebung des Urteils nötigender Verfahrensfehler liegt aber nur dann vor, wenn das Urteil auf der Nichtmitteilung, ob Erörterungen im Sinne des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO stattgefunden haben, beruht. Dies ist dann auszuschließen, wenn zweifelsfrei feststeht, dass es keinerlei Gespräche über die Möglichkeit einer Verständigung gegeben hat (BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 98; BVerfG NStZ 2014, 592, 594; BGH, Beschluss vom 22. Mai 2013 - 4 StR 121/13, NStZ 2013, 541; Beschluss vom 3. September 2013 - 1 StR 237/13, BGH NStZ 2013, 724; Beschluss vom 29. Januar 2014 - 1 StR 523/13, NStZ-RR 2014, 115).
6
b) Vor diesem Hintergrund muss die Revisionsbegründung mitteilen, über welche Kenntnisse und Hinweise bezüglich etwaiger Verständigungsgespräche der Revisionsverteidiger und der Angeklagte - gegebenenfalls nach zumutbarer Einholung entsprechender Auskünfte beim Instanzverteidiger - verfügen (BVerfG NStZ 2014, 592, 594), weil nur so das Revisionsgericht die Beruhensfrage prüfen kann. Fehlt es - wie hier - an entsprechenden Darlegungen und fehlt es auch sonst an jeglichem Anhaltspunkt dafür, dass auf eine Verstädigung gerichtete Gespräche stattgefunden haben, ist eine auf die Verletzung des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO gestützte Verfahrensrüge nicht zulässig erhoben. Fischer Appl RiBGH Prof. Dr. Schmitt ist an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer Ott Zeng

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 294/16
vom
15. März 2017
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
Beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge darf nur die
Tatbegehung mit einer „nicht geringen Menge“ für sich genommen nicht bei der
Strafzumessung berücksichtigt werden; jedoch kann das Maß der Überschreitung
des Grenzwerts in die Strafzumessung einfließen, soweit es sich nicht lediglich
um eine Überschreitung in einem Bagatellbereich handelt. Ausgehend
von der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens hat eine Überschreitung
des Grenzwerts grundsätzlich strafschärfende Bedeutung.
BGH, Urteil vom 15. März 2017 – 2 StR 294/16 – Landgericht Aachen
ECLI:DE:BGH:2017:150317U2STR294.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 14. September 2016 in der Sitzung am 15. März 2017, an denen teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, Zeng, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung, Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung als Verteidiger,
Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 17. März 2016 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass ein Monat der verhängten Freiheitsstrafe als bereits vollstreckt gilt. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. II. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil im Strafausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weiter gehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richten sich die Revision des Angeklagten sowie die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat keinen Erfolg. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang begründet.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarb der Angeklagte „in zeitlicher Nähe“ zu einer am 19. Juni 2014 erfolgten Durchsuchung seiner Wohnung in den Niederlanden 390,21 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 38,9 g Tetrahydrocannabinol, ferner 795 g Amphetaminzubereitung mit einem Wirkstoffanteil von 26,1 g Amphetaminbase und lagerte diese in seiner Wohnung und in einer Garage. Er beabsichtigte zumindest zum Zeitpunkt des Erwerbs, die Betäubungsmittel in den Niederlanden und in der Bundesrepublik Deutschland gewinnbringend zu veräußern; jedoch wurden sie von der niederländischen Polizei sichergestellt.

II.

3
Die Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil ist unbegründet.
4
1. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Spezialität (§ 83h Abs. 1 Nr. 1 IRG, Art. 14 Abs. 3 EuAlÜbk), der kein Verfahrens-, sondern lediglich ein Vollstreckungshindernis begründet (vgl. EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2008 - C388 /08, NStZ 2010, 35, 39 mit Anm. Heine; BGH, Beschluss vom 27. Juli 2011 – 4 StR 303/11, NStZ 2012, 100 f.; Beschluss vom 9. Februar 2012 – 1 StR 148/11, BGHSt 57, 138, 142; Beschluss vom 25. Juni 2014 – 1 StR 218/14, NStZ 2014, 590; Beschluss vom 20. Oktober 2016 – 3 StR 245/16; Senat, Beschluss vom 16. November 2016 – 2 StR 246/16, NStZ-RR 2017, 116) liegt nicht vor. Zwar wurde der Angeklagte in anderer Sache von den Niederlanden nach Deutschland überstellt. Im Wege des Nachtragsersuchens wurde jedoch eine Auslieferungsbewilligung auch für die ihm hier zur Last gelegte Tat erteilt.
5
2. Die Anwendung deutschen Strafrechts ist rechtlich unbedenklich. Bei der Verfolgung einer Auslandstat bedarf es zur Anwendung deutschen Strafrechts nach § 6 Nr. 5 StGB grundsätzlich keines legitimierenden Anknüpfungspunkts im Inland (vgl. Senat, Urteil vom 7. November 2016 – 2 StR 96/14, NJW 2017, 1043, 1044 f. mit Anm. Heim). Deshalb kann offen bleiben, ob die vom Landgericht festgestellte Absicht des Angeklagten, die in den Niederlanden zum gewinnbringenden Verkauf vorrätig gehaltenen Betäubungsmittel auch in Deutschland zu veräußern, hinreichend belegt ist.
6
3. Auch im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
7
4. Zur Kompensation der langen Dauer des Revisionsverfahrens ist anzuordnen , dass ein Monat der Freiheitsstrafe als vollstreckt gilt. Nach der Revisionshauptverhandlung am 14. September 2016 wurde ein Verkündungstermin bestimmt, was auf der Notwendigkeit einer Überprüfung zwischenzeitlich er- gangener Rechtsprechung beruhte. Der Verkündungstermin musste wegen Erkrankung von Senatsmitgliedern wiederholt verlegt werden, was zu einer mit Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht zu vereinbarenden Verzögerung des Abschlusses des Revisionsverfahrens geführt hat. Dies gebietet die Kompensationsentscheidung.

III.

8
Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft ist im Wesentlichen begründet; lediglich die zugehörigen Feststellungen können aufrecht erhalten bleiben. Das Urteil weist bei der Strafzumessung einen Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten auf, worauf der Strafausspruch beruhen kann.
9
1. Das Landgericht hat sowohl bei der Strafrahmenwahl (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 BtMG) als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinn (§ 46 Abs. 1 und 2 StGB) angenommen, es sei „strafmildernd zugunsten des Angeklagten auch zu berücksichtigen, dass sowohl hinsichtlich der Amphetaminsalzzubereitung als auch hinsichtlich des Tetrahydrocannabinols die Grenzwerte zur nicht geringen Menge nur geringfügig überschritten wurden, nämlich um ein 2,5-faches und um ein fünffaches.“
10
2. Diese Erwägung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis nicht stand.
11
a) Es liegt eine einheitliche Tat im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB vor, die sich auf beide Betäubungsmittel und auf deren Gesamtmenge bezieht. Deren Wirkstoffgehalt beträgt insgesamt das 7,5-fache der nicht geringen Menge im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG. Dieser Wirkstoffgehalt ist auch bei der Strafzumessung im Ganzen zu bewerten (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Januar 2003 – 1 StR 473/02, NStZ 2003, 434).
12
b) Es ist allerdings rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht bei der Prüfung eines minder schweren Falles des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Sinne des § 29a Abs. 2 BtMG insoweit von einer relativ geringen Überschreitung des Grenzwerts zur nicht geringen Menge ausgegangen ist.
13
Ob ein derart besonderer Ausnahmefall vorliegt, dass die Anwendung des Normalstrafrahmens nicht mehr angemessen erscheint, ist daran auszurichten , ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem Maß abweicht, dass die Anwendung eines Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint (vgl. Senat, Urteil vom 19. März 1975 – 2 StR 53/75, BGHSt 26, 97, 99).In diese Gesamtwürdigung sind alle Um- stände einzubeziehen, die für die Wertung von Tat und Täterpersönlichkeit in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorangehen oder ihr nachfolgen. Bei der sonach erforderlichen Gesamtabwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände ist die Frage , ob die Wirkstoffmenge um ein Vielfaches der nicht geringen Menge oder nicht sehr erheblich überschritten ist, regelmäßig von Bedeutung (BGH, Beschluss vom 7. November 1983 – 1 StR 721/83, BGHSt 32, 162, 165). Je höher im Einzelfall die Grenze zur nicht geringen Menge überschritten ist, umso eher wird im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung die für die Annahme eines minder schweren Falles in Betracht kommen. Je geringer demgegenüber die Überschreitung des Grenzwerts ist, desto näher liegt die Annahme eines minder schweren Falles. Eine nur geringe Grenzwertüberschreitung wird – weil unterhalb des „Durchschnittsfalles“ gelegen – ein Kriterium für die An- nahme eines minder schweren Falles sein, während eine ganz erhebliche Überschreitung gegen die Annahme eines solchen spricht.

14
Daran gemessen halten sich die der Strafrahmenwahl zu Grunde liegenden Erwägungen noch innerhalb des dem Tatrichter zustehenden Spielraums.
15
c) Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann der Umstand, dass der Angeklagte mit dem 7,5-fachen der nicht geringen Menge Handel getrieben hat, jedoch bei der Strafzumessung im engeren Sinn nicht als bestimmender Milderungsgrund gewertet werden.
16
aa) Beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG darf die Tatbegehung mit einer „nicht geringen Menge“ für sich genommen nicht berücksichtigt werden, weil dies nur die Erfül- lung des Qualifikationstatbestands beschreibt (§ 46 Abs. 3 StGB). Jedoch kann das Maß der Überschreitung des Grenzwerts in die Strafzumessung einfließen, soweit es sich nicht lediglich um eine Überschreitung in einem Bagatellbereich handelt, wodurch praktisch allein die Erfüllung des Qualifikationstatbestands festgestellt ist. Wo diese Bagatellgrenze verläuft, hat in erster Linie der Tatrichter unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzulegen. Ob sie „annähernd beim Doppelten der nicht geringen Menge“ (vgl. BGH,Beschluss vom 14. März 2017 – 4 StR 533/16), beim zweieinhalbfachen (so im Ergebnis Senat, Beschluss vom 25. Februar 2016 – 2 StR 39/16, NStZ-RR 2016, 141), bei der dreifachen nicht geringen Menge (so im Ergebnis Senat, Beschluss vom 31. März 2016 – 2 StR 36/16, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 44) liegt, oder ob die Bagatellgrenze bei Überschreitung des Grenzwerts zur nicht geringen Menge um ein Drittel (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2016 – 4 StR248/16 Rn. 31) noch eingehalten ist, kann hier offen bleiben. Bei einem Handeltreiben mit dem 7,5-fachen der nicht geringen Menge handelt es sich jedenfalls nicht um eine derart geringe Überschreitung des Grenzwerts, dass diese Tatsache gemäß § 46 Abs. 3 StGB aus der Gesamtschau aller Strafzumessungsgründe ausscheiden müsste.
17
bb) Jenseits einer die Grenze zur Erfüllung des Qualifikationstatbestands nur unwesentlich überschreitenden Wirkstoffmenge hat das Maß der Überschreitung dieser Grenze regelmäßig die Bedeutung eines im Sinne von § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO bestimmenden Strafzumessungsgrundes.
18
Ausgehend von der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens hat die Überschreitung des Grenzwerts grundsätzlich strafschärfende Bedeutung (vgl. zur Festlegung der Bewertungsrichtung anhand der Strafrahmenuntergrenze Fahl, Zur Bedeutung des Regeltatbildes bei der Bemessung der Strafe, 1996, S. 119 f. mwN). Die Bewertungsrichtung wird insoweit durch die Anknüpfung des Qualifikationstatbestands gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG an eine bestimmte Menge von Betäubungsmitteln vorgegeben. Unbeschadet des Erfordernisses einer Gesamtwürdigung aller Strafzumessungstatsachen ist die Überschreitung der Grenze zur nicht geringen Menge gegenüber der Mindeststrafe für sich genommen schärfend zu berücksichtigen.
19
Eine Orientierung an einem anderen Bezugspunkt, wie etwa einem normativen Normalfall, von dem aus ein einzelner Umstand im Rahmen seiner Be- wertungsrichtung als „strafmildernd“ oder „strafschärfend“ bezeichnet werden könnte, oder einem statistischen Durchschnitts- oder Regelfall als Bezugspunkt für die Bestimmung der Bewertungsrichtung, scheidet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der konkreten Strafzumessung aus (BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 351). Es bleibt daher bei der vom Qualifikationstatbestand des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG vorgegebenen Bewertungsrichtung, wonach das Maß der Überschreitung der nicht geringen Menge ein gegenüber der Mindeststrafe schärfender Gesichtspunkt ist.
20
cc) Soweit der Senat früher bemerkt hat, eine nur geringfügige Über- schreitung der Grenze zur nicht geringen Menge sei ein „Strafmilderungsgrund“ (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2016 – 2 StR 39/16, NStZ-RR 2016, 141; Beschluss vom 24. Juli 2012 – 2 StR 166/12, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 39; Urteil vom 10. August 2016 – 2 StR 22/16, Rn. 40; krit. BGH, Be- schluss vom 8. November 2016 – 5 StR 487/16 und Beschluss vom 10. Januar 2017 – 5 StR 552/16), hält er daran nicht fest.
21
Soweit der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 22. November 2016 – 1 StR 329/16 (NStZ-RR 2017, 47) ausgeführt hat, dass „eine geringe Überschreitung der Untergrenze zur nicht geringen Menge […] ein Strafmilderungsgrund“ sei, steht dies der Aufgabe der Rechtsprechung nicht entgegen, weil es sich insoweit nicht um eine tragende Erwägung handelt. Der 1. Strafsenat hatte die strafschärfende Erwägung des Tatrichters, der Grenzwert der nicht geringen Menge sei in jedem der zur Aburteilung stehenden Fälle „um ein Vielfaches“ überschritten,beanstandet, weil diese strafschärfende Erwägung in zwei Fällen auf die Feststellung bezogen war, dass der Grenzwert um das 1,8-fache überschritten war. Der Senat hat – tragend – insoweit ausgeführt , dass die 1,8-fache Überschreitung des Grenzwerts zur nicht geringen Menge „noch derart gering“ sei, dass dies jedenfalls „nicht als bestimmender Strafzumessungsgrund“ gewertet werden könne. Dies stehtin Einklang mit der Auffassung des Senats.
22
d) Die im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne angeführte Erwägung des Landgerichts, „strafmildernd“ sei „zugunsten des Angeklagten auch zu berücksichtigen, dass sowohl hinsichtlich der Amphetaminsalzzubereitung als auch hinsichtlich des Tetrahydrocannabinols die Grenzwerte zu den nicht geringen Mengen nur geringfügig überschritten wurden“, ist demnach rechtsfeh- lerhaft. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass der maßvolle Strafausspruch hierauf beruht.
23
3. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können aufrechterhalten bleiben. Insoweit ist die Revision der Staatsanwaltschaft unbegründet.
Appl Krehl Eschelbach Zeng Bartel

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 533/16
vom
14. März 2017
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:140317B4STR533.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 14. März 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 2. Juni 2016 in den Strafaussprüchen in den Fällen II. 1 und 4 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Diebstahls in zwei Fällen, bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln , Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln, und wegen Besitzes von Betäubungsmitteln zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Seine auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übri- gen erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet im Sinne des § 349Abs. 2 StPO.
2
1. Die Rüge der Verletzung formellen Rechts versagt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts.
3
2. Die materiell-rechtliche Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat zum Schuldspruch, zu den Strafaussprüchen in den Fällen II. 2, 3, 5 und 6 der Urteilsgründe und im Hinblick auf die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben.
4
3. Nicht frei von Rechtsfehlern zum Nachteil des Angeklagten sind hingegen die Strafaussprüche in den Fällen II. 1 und 4 der Urteilsgründe.
5
a) Bei der Strafzumessung zu Fall II. 1 – einem nächtlichen Diebstahl aus den Räumen einer Spielhalle unter Verwendung der Originalschlüssel – hat das Landgericht zulasten des Angeklagten neben dessen Vorstrafen und dem hohen Schaden darauf abgestellt, dass er seine Bekannte K. und deren erst seit kurzer Zeit bestehendes Anstellungsverhältnis in der Spielhalle für seine Zwecke ausgenutzt habe (UA S. 34). Diese strafschärfende Erwägung steht jedoch im Widerspruch zu den Feststellungen zur Sache, in denen das Landgericht ein etwaiges Einverständnis der K. damit, dass der Angeklagte ihre Schlüssel für die Spielhalle an sich nahm, ausdrücklich offen gelassen hat (UA S. 5). Da sich hiernach die K. möglicherweise freiwillig an der Tat beteiligte, durfte nicht zu Ungunsten des Angeklagten berücksichtigt werden, er habe seine Bekannte „für seine Zwecke ausgenutzt“.
6
b) Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts zu Fall II. 4 der Urteilsgründe halten revisionsgerichtlicher Prüfung ebenfalls nicht stand. Die Strafkammer hat nicht nur bei der Annahme eines minder schweren Falls nach § 30a Abs. 3 BtMG – insoweit ist der Angeklagte nicht beschwert –, sondern auch bei der Ablehnung eines minder schweren Falls nach § 29a Abs. 2 BtMG und bei der Strafzumessung im engeren Sinne jeweils strafschärfend berücksichtigt , dass das beim Angeklagten sichergestellte Methamphetamin „annähernd dem Doppelten der nicht geringen Menge entsprach“ (UA S. 36). Eine solche – nur geringfügige – Überschreitung des Grenzwertes zur nicht geringen Menge stellt indes keinen zulässigen Strafschärfungsgrund dar (vgl. BGH, Urteile vom 13. Oktober 2016 – 4 StR 248/16, juris Rn. 31; vom 22. November 2016 – 1 StR 329/16, NStZ-RR 2017, 47 [Ls]; Beschlüsse vom 24. Juli 2012 – 2 StR166/12, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 39; vom 25. Februar 2016 – 2 StR 39/16, NStZ-RR 2016, 141).
7
4. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne die fehlerhaften Strafzumessungserwägungen in den Fällen II. 1 und 4 der Urteilsgründe jeweils auf niedrigere Einzelstrafen erkannt hätte. Die aufgezeigten Rechtsfehler nötigen daher zur Aufhebung der betroffenen Einzelstrafaussprüche und des Ausspruchs über die Gesamtstrafe.
8
Die insoweit getroffenen Feststellungen können aufrecht erhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO), da sie von den aufgezeigten Wertungsfehlern bei der Strafzumessung nicht betroffen sind. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
9
5. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat mit Blick auf die für Fall II. 4 festzusetzende Strafe vorsorglich darauf hin, dass nach der derzeitigen Rechtsprechung bei gleichzeitiger Annahme eines minder schweren Falls gemäß § 30a Abs. 3 BtMG und Verneinung eines minder schweren Falls nach § 29a Abs. 2 BtMG die Strafobergrenze des § 30a Abs. 3 BtMG von zehn Jahren Freiheitsstrafe zur Anwendung kommt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 5 StR 536/14, juris Rn. 5; Beschluss vom 14. August 2013 – 2 StR 144/13, NStZ-RR 2014, 180; anders BGH, Beschluss vom 25. Juli 2013 – 3 StR 143/13, NStZ 2014, 164, 165 f. [nicht tragend]; offen gelassen vom Senat, Beschluss vom 17. Januar 2017 – 4 StR 604/16, juris [betreffend das Verhältnis § 30a Abs. 3 BtMG zu § 30 Abs. 2 BtMG]).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 39/16
vom
25. Februar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
ECLI:DE:BGH:2016:250216B2STR39.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts , zu 3. auf dessen Antrag, und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 25. Februar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 9. Oktober 2015
a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte des bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist,
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten nach einer Verfahrensbeschrän1 kung wegen „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht gerin- ger Menge, wobei er sonstige Gegenstände mit sich führte, die ihrer Art nach
zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind,“ zu einer Freiheits- strafe von zwei Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, bei der die Nichtanordnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vom Rechtsmittelangriff ausgenommen wurde. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts versuchte der Angeklagte
2
am 21. November 2014 eine Teilmenge von 200 g aus einem im Übrigen für den Eigenkonsum bestimmten Vorrat von 385,15 g Amphetamingemisch mit einem Gesamtwirkstoffgehalt von 49,1 g Amphetaminbase an einen unbekannten Abnehmer zu verkaufen. Dabei führte er zwei Dolche, ein Jagdmesser, ein Bajonett und eine Machete sowie einen nicht funktionstüchtigen Revolver mit sich, die er an eine andere Person verkaufen wollte. Bei der Strafzumessung ist das Landgericht vom Vorliegen eines min3 der schweren Falls im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 BtMG ausgegangen. Dabei und bei der Strafzumessung im engeren Sinne hat es zulasten des Angeklagten gewertet, dass sich das Handeltreiben auf Amphetamin be- zog, welches „rund das 2,5-fache der nicht geringen Menge“ umfasste. Ferner hat es ihm angelastet, dass „er während des laufenden Verfahrens weiter – wenn auch reduziert – Betäubungsmittel konsumiert hat.“

II.

1. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet, soweit sie sich gegen
4
den Schuldspruch richtet. Dieser ist zur Klarstellung neu zu fassen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 – 3 StR 353/10). 2. Die Strafzumessungsentscheidung des Landgerichts begegnet
5
durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Eine geringe Überschreitung der Untergrenze zur nicht geringen
6
Menge ist ein Strafmilderungsgrund (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2012 – 2 StR166/12, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 39). Das Zweieinhalbfache der nicht geringen Menge an Betäubungsmitteln ist auch noch derart gering, dass dies jedenfalls nicht als bestimmender Strafschärfungsgrund gewertet werden kann.
b) Die weitere Bemerkung des Landgerichts, dass auch die Fortsetzung
7
des Betäubungsmittelkonsums als Strafschärfungsgrund bewertet wurde, ist ebenfalls rechtsfehlerhaft. Nach den Feststellungen „raucht der Angeklagte gelegentlich Joints und konsumierte jedenfalls zweimal Amphetamin“, seit er aus der Untersuchungshaft wegen der vorliegenden Tat entlassen wurde. Um den Marihuanakonsum zu vermeiden, nimmt er zudem Beruhigungsmittel. Bei dieser Sachlage ist der für sich genommen straflose Eigenkonsum von (zuletzt nur noch weichen) Drogen als Nachtatverhalten kein bestimmender Strafschär- fungsgrund. Die Urteilsgründe lassen auch nicht erkennen, aus welchem strafzumessungsrechtlichen Gesichtspunkt – der Schuld (§ 46 Abs. 1 Satz 1), der Spezialprävention (§ 46 Abs. 1 Satz 2 StGB) oder der Generalprävention – das Landgericht diesen Aspekt hervorgehoben hat. Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 36/16
vom
31. März 2016
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:310316B2STR36.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts , zu Ziffer 3 auf dessen Antrag, und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 31. März 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 6. Oktober 2015, soweit es ihn betrifft, aufgehoben
a) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen II.2. und II.3. der Urteilsgründe,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Be1 täubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Sichergestellte Betäubungsmittel hat es eingezogen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 27. Januar 2016 genannten Gründen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Das Landgericht hat dem Angeklagten bei der Strafrahmenwahl und bei
2
der Strafzumessung im engeren Sinn strafschärfend angelastet, dass die nicht geringe Menge von Betäubungsmitteln „jeweils um einMehrfaches überschrit- ten“ sei, nämlich „hinsichtlich des Falles 2. um ca. das 3-fache, hinsichtlich des Falles 3. um ca. das 13-fache“. Dagegen bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken. Eine lediglich geringe Überschreitung der Untergrenze zur nicht gerin3 gen Menge kann sogar ein Strafmilderungsgrund sein (vgl. Senat, Beschluss vom 24. Juli 2012 - 2 StR 166/12, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 39). Demgegenüber ist das Dreifache der nicht geringen Menge an Betäubungsmitteln - entgegen der Urteilsbegründung des Landgerichts - noch nicht als bestimmender Strafschärfungsgrund zu bewerten (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2016 – 2 StR 39/16). Eine solche Überschreitung der Untergrenze schließt im Einzelfall die Annahme eines minder schweren Falls des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht aus (vgl. Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, Betäubungsmittelgesetz, 8. Aufl., § 29a BtMG Rn. 125; Weber, Betäubungsmittelgesetz, 4. Aufl., § 29a Rn. 212). Der Senat kann auch im Hinblick auf die weiteren Strafzumessungsgründe, die das Landgericht angeführt hat und die eine Reihe von Milderungsgründen umfassen , nicht ausschließen, dass die Einzelstrafe im Fall II.2. der Urteilsgründe auf dem Rechtsfehler beruht.
Im Fall II.3. der Urteilsgründe liegt zwar mit dem Hinweis der Strafkam4 mer auf eine Tatbegehung mit dem Dreizehnfachen der nicht geringen Menge an Betäubungsmitteln als Strafschärfungsgrund für sich genommen kein Rechtsfehler vor. Jedoch sind die beiden verhängten Einzelstrafen aufeinander abgestimmt. Die Bemessung der Einzelstrafe in Fall II.3. kann deshalb von dem Rechtsfehler in Fall II.2. der Urteilsgründe beeinflusst sein. Die Aufhebung der Einzelstrafen zwingt zur Aufhebung der Gesamtfrei5 heitsstrafe. Fischer Krehl Eschelbach Zeng RinBGH Dr. Bartel ist verhindert. Fischer

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 294/16
vom
15. März 2017
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
Beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge darf nur die
Tatbegehung mit einer „nicht geringen Menge“ für sich genommen nicht bei der
Strafzumessung berücksichtigt werden; jedoch kann das Maß der Überschreitung
des Grenzwerts in die Strafzumessung einfließen, soweit es sich nicht lediglich
um eine Überschreitung in einem Bagatellbereich handelt. Ausgehend
von der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens hat eine Überschreitung
des Grenzwerts grundsätzlich strafschärfende Bedeutung.
BGH, Urteil vom 15. März 2017 – 2 StR 294/16 – Landgericht Aachen
ECLI:DE:BGH:2017:150317U2STR294.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 14. September 2016 in der Sitzung am 15. März 2017, an denen teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, Zeng, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung, Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung als Verteidiger,
Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 17. März 2016 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass ein Monat der verhängten Freiheitsstrafe als bereits vollstreckt gilt. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. II. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil im Strafausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weiter gehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richten sich die Revision des Angeklagten sowie die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat keinen Erfolg. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang begründet.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarb der Angeklagte „in zeitlicher Nähe“ zu einer am 19. Juni 2014 erfolgten Durchsuchung seiner Wohnung in den Niederlanden 390,21 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 38,9 g Tetrahydrocannabinol, ferner 795 g Amphetaminzubereitung mit einem Wirkstoffanteil von 26,1 g Amphetaminbase und lagerte diese in seiner Wohnung und in einer Garage. Er beabsichtigte zumindest zum Zeitpunkt des Erwerbs, die Betäubungsmittel in den Niederlanden und in der Bundesrepublik Deutschland gewinnbringend zu veräußern; jedoch wurden sie von der niederländischen Polizei sichergestellt.

II.

3
Die Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil ist unbegründet.
4
1. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Spezialität (§ 83h Abs. 1 Nr. 1 IRG, Art. 14 Abs. 3 EuAlÜbk), der kein Verfahrens-, sondern lediglich ein Vollstreckungshindernis begründet (vgl. EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2008 - C388 /08, NStZ 2010, 35, 39 mit Anm. Heine; BGH, Beschluss vom 27. Juli 2011 – 4 StR 303/11, NStZ 2012, 100 f.; Beschluss vom 9. Februar 2012 – 1 StR 148/11, BGHSt 57, 138, 142; Beschluss vom 25. Juni 2014 – 1 StR 218/14, NStZ 2014, 590; Beschluss vom 20. Oktober 2016 – 3 StR 245/16; Senat, Beschluss vom 16. November 2016 – 2 StR 246/16, NStZ-RR 2017, 116) liegt nicht vor. Zwar wurde der Angeklagte in anderer Sache von den Niederlanden nach Deutschland überstellt. Im Wege des Nachtragsersuchens wurde jedoch eine Auslieferungsbewilligung auch für die ihm hier zur Last gelegte Tat erteilt.
5
2. Die Anwendung deutschen Strafrechts ist rechtlich unbedenklich. Bei der Verfolgung einer Auslandstat bedarf es zur Anwendung deutschen Strafrechts nach § 6 Nr. 5 StGB grundsätzlich keines legitimierenden Anknüpfungspunkts im Inland (vgl. Senat, Urteil vom 7. November 2016 – 2 StR 96/14, NJW 2017, 1043, 1044 f. mit Anm. Heim). Deshalb kann offen bleiben, ob die vom Landgericht festgestellte Absicht des Angeklagten, die in den Niederlanden zum gewinnbringenden Verkauf vorrätig gehaltenen Betäubungsmittel auch in Deutschland zu veräußern, hinreichend belegt ist.
6
3. Auch im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
7
4. Zur Kompensation der langen Dauer des Revisionsverfahrens ist anzuordnen , dass ein Monat der Freiheitsstrafe als vollstreckt gilt. Nach der Revisionshauptverhandlung am 14. September 2016 wurde ein Verkündungstermin bestimmt, was auf der Notwendigkeit einer Überprüfung zwischenzeitlich er- gangener Rechtsprechung beruhte. Der Verkündungstermin musste wegen Erkrankung von Senatsmitgliedern wiederholt verlegt werden, was zu einer mit Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht zu vereinbarenden Verzögerung des Abschlusses des Revisionsverfahrens geführt hat. Dies gebietet die Kompensationsentscheidung.

III.

8
Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft ist im Wesentlichen begründet; lediglich die zugehörigen Feststellungen können aufrecht erhalten bleiben. Das Urteil weist bei der Strafzumessung einen Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten auf, worauf der Strafausspruch beruhen kann.
9
1. Das Landgericht hat sowohl bei der Strafrahmenwahl (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 BtMG) als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinn (§ 46 Abs. 1 und 2 StGB) angenommen, es sei „strafmildernd zugunsten des Angeklagten auch zu berücksichtigen, dass sowohl hinsichtlich der Amphetaminsalzzubereitung als auch hinsichtlich des Tetrahydrocannabinols die Grenzwerte zur nicht geringen Menge nur geringfügig überschritten wurden, nämlich um ein 2,5-faches und um ein fünffaches.“
10
2. Diese Erwägung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis nicht stand.
11
a) Es liegt eine einheitliche Tat im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB vor, die sich auf beide Betäubungsmittel und auf deren Gesamtmenge bezieht. Deren Wirkstoffgehalt beträgt insgesamt das 7,5-fache der nicht geringen Menge im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG. Dieser Wirkstoffgehalt ist auch bei der Strafzumessung im Ganzen zu bewerten (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Januar 2003 – 1 StR 473/02, NStZ 2003, 434).
12
b) Es ist allerdings rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht bei der Prüfung eines minder schweren Falles des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Sinne des § 29a Abs. 2 BtMG insoweit von einer relativ geringen Überschreitung des Grenzwerts zur nicht geringen Menge ausgegangen ist.
13
Ob ein derart besonderer Ausnahmefall vorliegt, dass die Anwendung des Normalstrafrahmens nicht mehr angemessen erscheint, ist daran auszurichten , ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem Maß abweicht, dass die Anwendung eines Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint (vgl. Senat, Urteil vom 19. März 1975 – 2 StR 53/75, BGHSt 26, 97, 99).In diese Gesamtwürdigung sind alle Um- stände einzubeziehen, die für die Wertung von Tat und Täterpersönlichkeit in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorangehen oder ihr nachfolgen. Bei der sonach erforderlichen Gesamtabwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände ist die Frage , ob die Wirkstoffmenge um ein Vielfaches der nicht geringen Menge oder nicht sehr erheblich überschritten ist, regelmäßig von Bedeutung (BGH, Beschluss vom 7. November 1983 – 1 StR 721/83, BGHSt 32, 162, 165). Je höher im Einzelfall die Grenze zur nicht geringen Menge überschritten ist, umso eher wird im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung die für die Annahme eines minder schweren Falles in Betracht kommen. Je geringer demgegenüber die Überschreitung des Grenzwerts ist, desto näher liegt die Annahme eines minder schweren Falles. Eine nur geringe Grenzwertüberschreitung wird – weil unterhalb des „Durchschnittsfalles“ gelegen – ein Kriterium für die An- nahme eines minder schweren Falles sein, während eine ganz erhebliche Überschreitung gegen die Annahme eines solchen spricht.

14
Daran gemessen halten sich die der Strafrahmenwahl zu Grunde liegenden Erwägungen noch innerhalb des dem Tatrichter zustehenden Spielraums.
15
c) Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann der Umstand, dass der Angeklagte mit dem 7,5-fachen der nicht geringen Menge Handel getrieben hat, jedoch bei der Strafzumessung im engeren Sinn nicht als bestimmender Milderungsgrund gewertet werden.
16
aa) Beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG darf die Tatbegehung mit einer „nicht geringen Menge“ für sich genommen nicht berücksichtigt werden, weil dies nur die Erfül- lung des Qualifikationstatbestands beschreibt (§ 46 Abs. 3 StGB). Jedoch kann das Maß der Überschreitung des Grenzwerts in die Strafzumessung einfließen, soweit es sich nicht lediglich um eine Überschreitung in einem Bagatellbereich handelt, wodurch praktisch allein die Erfüllung des Qualifikationstatbestands festgestellt ist. Wo diese Bagatellgrenze verläuft, hat in erster Linie der Tatrichter unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzulegen. Ob sie „annähernd beim Doppelten der nicht geringen Menge“ (vgl. BGH,Beschluss vom 14. März 2017 – 4 StR 533/16), beim zweieinhalbfachen (so im Ergebnis Senat, Beschluss vom 25. Februar 2016 – 2 StR 39/16, NStZ-RR 2016, 141), bei der dreifachen nicht geringen Menge (so im Ergebnis Senat, Beschluss vom 31. März 2016 – 2 StR 36/16, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 44) liegt, oder ob die Bagatellgrenze bei Überschreitung des Grenzwerts zur nicht geringen Menge um ein Drittel (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2016 – 4 StR248/16 Rn. 31) noch eingehalten ist, kann hier offen bleiben. Bei einem Handeltreiben mit dem 7,5-fachen der nicht geringen Menge handelt es sich jedenfalls nicht um eine derart geringe Überschreitung des Grenzwerts, dass diese Tatsache gemäß § 46 Abs. 3 StGB aus der Gesamtschau aller Strafzumessungsgründe ausscheiden müsste.
17
bb) Jenseits einer die Grenze zur Erfüllung des Qualifikationstatbestands nur unwesentlich überschreitenden Wirkstoffmenge hat das Maß der Überschreitung dieser Grenze regelmäßig die Bedeutung eines im Sinne von § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO bestimmenden Strafzumessungsgrundes.
18
Ausgehend von der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens hat die Überschreitung des Grenzwerts grundsätzlich strafschärfende Bedeutung (vgl. zur Festlegung der Bewertungsrichtung anhand der Strafrahmenuntergrenze Fahl, Zur Bedeutung des Regeltatbildes bei der Bemessung der Strafe, 1996, S. 119 f. mwN). Die Bewertungsrichtung wird insoweit durch die Anknüpfung des Qualifikationstatbestands gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG an eine bestimmte Menge von Betäubungsmitteln vorgegeben. Unbeschadet des Erfordernisses einer Gesamtwürdigung aller Strafzumessungstatsachen ist die Überschreitung der Grenze zur nicht geringen Menge gegenüber der Mindeststrafe für sich genommen schärfend zu berücksichtigen.
19
Eine Orientierung an einem anderen Bezugspunkt, wie etwa einem normativen Normalfall, von dem aus ein einzelner Umstand im Rahmen seiner Be- wertungsrichtung als „strafmildernd“ oder „strafschärfend“ bezeichnet werden könnte, oder einem statistischen Durchschnitts- oder Regelfall als Bezugspunkt für die Bestimmung der Bewertungsrichtung, scheidet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der konkreten Strafzumessung aus (BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 351). Es bleibt daher bei der vom Qualifikationstatbestand des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG vorgegebenen Bewertungsrichtung, wonach das Maß der Überschreitung der nicht geringen Menge ein gegenüber der Mindeststrafe schärfender Gesichtspunkt ist.
20
cc) Soweit der Senat früher bemerkt hat, eine nur geringfügige Über- schreitung der Grenze zur nicht geringen Menge sei ein „Strafmilderungsgrund“ (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2016 – 2 StR 39/16, NStZ-RR 2016, 141; Beschluss vom 24. Juli 2012 – 2 StR 166/12, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 39; Urteil vom 10. August 2016 – 2 StR 22/16, Rn. 40; krit. BGH, Be- schluss vom 8. November 2016 – 5 StR 487/16 und Beschluss vom 10. Januar 2017 – 5 StR 552/16), hält er daran nicht fest.
21
Soweit der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 22. November 2016 – 1 StR 329/16 (NStZ-RR 2017, 47) ausgeführt hat, dass „eine geringe Überschreitung der Untergrenze zur nicht geringen Menge […] ein Strafmilderungsgrund“ sei, steht dies der Aufgabe der Rechtsprechung nicht entgegen, weil es sich insoweit nicht um eine tragende Erwägung handelt. Der 1. Strafsenat hatte die strafschärfende Erwägung des Tatrichters, der Grenzwert der nicht geringen Menge sei in jedem der zur Aburteilung stehenden Fälle „um ein Vielfaches“ überschritten,beanstandet, weil diese strafschärfende Erwägung in zwei Fällen auf die Feststellung bezogen war, dass der Grenzwert um das 1,8-fache überschritten war. Der Senat hat – tragend – insoweit ausgeführt , dass die 1,8-fache Überschreitung des Grenzwerts zur nicht geringen Menge „noch derart gering“ sei, dass dies jedenfalls „nicht als bestimmender Strafzumessungsgrund“ gewertet werden könne. Dies stehtin Einklang mit der Auffassung des Senats.
22
d) Die im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne angeführte Erwägung des Landgerichts, „strafmildernd“ sei „zugunsten des Angeklagten auch zu berücksichtigen, dass sowohl hinsichtlich der Amphetaminsalzzubereitung als auch hinsichtlich des Tetrahydrocannabinols die Grenzwerte zu den nicht geringen Mengen nur geringfügig überschritten wurden“, ist demnach rechtsfeh- lerhaft. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass der maßvolle Strafausspruch hierauf beruht.
23
3. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können aufrechterhalten bleiben. Insoweit ist die Revision der Staatsanwaltschaft unbegründet.
Appl Krehl Eschelbach Zeng Bartel

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

40
a) Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft begegnet es keinen Bedenken, dass das Landgericht strafmildernd berücksichtigt hat, dass der Grenzwert zur nicht geringen Menge „nur wenig überschritten“ ist. Das Landge- richt ist im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass eine nur geringe Überschreitung der Grenze zur nicht geringen Menge ein Strafmilderungsgrund ist (vgl. Senat, Beschluss vom 24. Juli 2012 – 2 StR 166/12; Beschluss vom 25. Februar 2016 – 2 StR 39/16, NStZ-RR 2016, 141 [die zweieinhalbfache nicht geringe Menge ist jedenfalls noch kein bestimmender Strafschärfungsgrund]). Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft steht diese Strafzumessungserwägung nicht in Widerspruch zu den Feststellungen , ausweislich derer der Grenzwert zur nicht geringen Menge etwa um das 7,8-fache bzw. um das 14-fache überschritten war.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 552/16
vom
10. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:100117B5STR552.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2017 beschlossen :
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. Juli 2016 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend ist zu bemerken: Der Senat kann erneut dahingestellt lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2016 – 5 StR 487/16), ob er der Rechtsprechung folgen könnte, nach der ein „geringes“ Überschreiten der nicht geringen Menge nach§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (z. B. die dreifache Menge) einen Strafmilderungsgrund darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2016 – 2 StR 22/16 Rn. 40 mwN; siehe auch BGH, Urteile vom 22. November 2016 – 1 StR 329/16 Rn 35; vom 13. Oktober 2016 – 4 StR 248/16 Rn. 31). Denn angesichts dessen, dass die Strafkammer im fraglichen Fall 12 der Urteilsgründe eine Freiheitsstrafe ausgesprochen hat, die mit einem Jahr und sechs Monaten trotz der bei weitem höheren Handelsmenge nur wenig über den für die Taten des nicht qualifizierten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verhängten Freiheitsstrafen von einem Jahr und zwei Monaten (Fall 3 der Urteilsgründe) bzw. einem Jahr und drei Monaten (Fall 2 der Urteilsgründe) liegt, kann er ein Beruhen des Urteils (§ 337 Abs. 1 StPO) auf der strafschärfenden Heranziehung der ca. dreifachen Überschreitung des Grenzwerts ausschließen.
Mutzbauer Schneider Dölp König Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 329/16
vom
22. November 2016
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:221116U1STR329.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 8. November 2016 in der Sitzung am 22. November 2016, an denen teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf als Vorsitzender, der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener, und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Radtke, Prof. Dr. Mosbacher, Staatsanwältin - in der Verhandlung vom 8. November 2016 -, Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung am 8. November 2016 -, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung am 22. November 2016 -, als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom 8. November 2016 -, Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom 8. November 2016 - als Verteidiger,
Justizangestellte - in der Verhandlung vom 8. November 2016 und bei der Verkündung am 22. November 2016 -, Justizobersekretärin - bei der Verkündung am 8. November 2016-, als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hof vom 23. März 2016 wird mit der Maßgabe verworfen , dass die Angeklagte im Fall II.2. der Urteilsgründe statt wegen unerlaubter Abgabe wegen unerlaubter Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren strafbar ist. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 24 Fällen, davon in 14 Fällen in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjäh- rige zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Daneben hat es hinsichtlich eines Geldbetrages in Höhe von 12.000 Euro den Verfall von Wertersatz angeordnet. Mit ihrer Revision beanstandet die Angeklagte allgemein die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt lediglich zu einer Abänderung des Schuldspruchs im Fall II.2. der Urteilsgründe; im Übrigen hat es keinen Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts baute sich die Angeklagte spätestens ab April 2014 von ihrer Wohnung in S. aus ein Geschäft mit dem An- und Verkauf von Methamphetamin auf. Die Betäubungsmittel erwarb sie in erheblicher Menge bei einer Vielzahl von Gelegenheiten entweder von anderen Händlern in Deutschland oder sie beschaffte sie sich selbst oder durch von ihr beauftragte Personen in der Tschechischen Republik. Das so erworbene Methamphetamin veräußerte die Angeklagte gewinnbringend im Großraum C. . Sie erlangte hierdurch einen Gesamtveräußerungserlös von mindestens 35.943 Euro.
3
Im Einzelnen hat das Landgericht folgende Tathandlungen festgestellt:
4
a) Tatkomplex II.1. der Urteilsgründe
5
Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im April 2014 fuhr die Angeklagte mit einer unbekannt gebliebenen Person in die Tschechische Republik und erwarb dort auf einem sog. Vietnamesenmarkt zur gewinnbringenden Weiterveräußerung mindestens 15 g Methamphetamin mit einem Mindestwirkstoffgehalt von 60 % Methamphetaminbase zu einem Preis von 18 Eu- ro je Gramm. Sie verbrachte die Betäubungsmittel anschließend in die Bundesrepublik Deutschland und verkaufte sie von ihrer Wohnung aus zu einem Grammpreis von 25 Euro weiter.
6
b) Tatkomplex II.2. der Urteilsgründe
7
Am 19. April 2014 übergab die Angeklagte in ihrer Wohnung an den damals fünfzehnjährigen L. , der schon bei früheren Gelegenheiten Methamphetamin konsumiert hatte, mindestens eine Konsumeinheit von 0,1 Methamphetamin (UA S. 19). Diese nahm L. vor den Augen der Angeklagten ein.
8
c) Tatkomplex II.3. der Urteilsgründe
9
Im Zeitraum von Juni bis Oktober 2014 erwarb die Angeklagte bei mindestens zehn Gelegenheiten von unbekannt gebliebenen Personen aus dem Großraum C. jeweils mindestens 15 g Methamphetamin mit einem Mindestwirkstoffgehalt von 60 % Methamphetaminbase zu einem Grammpreis von 30 Euro zur gewinnbringenden Weiterveräußerung. Von diesen Betäubungsmitteln bewahrte die Angeklagte am 25. September 2014 insgesamt 23,03 g Methamphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 16,89 g Methamphetaminbase in ihrer Wohnung auf; sie wurden sichergestellt. In zwei Fällen veräußerte die Angeklagte jeweils 2 g Methaphetamin zu einem Preis von 25 Euro je Gramm – und damit unter ihrem Einkaufspreis – an die anderweitig Verfolgte H. . Die übrigen Betäubungsmittel veräußerte sie zu einem Grammpreis von mindestens 40 Euro gewinnbringend weiter.
10
d) Tatkomplex II.4. der Urteilsgründe
11
Im Zeitraum von November 2014 bis zum 25. Juni 2015 erwarb die Angeklagte aus der Tschechischen Republik bei mindestens zehn Gelegenheiten jeweils mindestens 70 g Methamphetamin mit einem Mindestwirkstoffgehalt von 60 % Methamphetaminbase zu einem Gesamtpreis von jeweils 1.300 Euro. Zum Erwerb fuhr die Angeklagte entweder selbst oder gemeinsam mit unbekannt gebliebenen Personen in die Tschechische Republik oder sie beauftragte andere Personen, für sie dort Methamphetamin zu erwerben und zu ihr in die Bundesrepublik Deutschland zu bringen. Soweit andere Personen für sie den Erwerb vornahmen, gab die Angeklagte die Fahrtroute sowie den Einkaufsort vor und übergab ihnen vorab das erforderliche Kaufgeld. Die Angeklagte verkaufte die nach Deutschland eingeführten Betäubungsmittel anschließend mit Gewinn weiter. Dabei ließ sie in sechs Fällen jeweils mindestens 7 g Methamphetamin im Wege des Körperschmuggels in die Justizvollzugsanstalt C. verbringen und dort zu einem Grammpreis von mindestens 100 Euro weiterverkaufen.
12
e) Tatkomplex II.5. der Urteilsgründe
13
Bei zwei Fahrten zu einem sog. Vietnamesenmarkt in der Tschechischen Republik im Mai bzw. Juni 2015 erwarben die gesondert Verfolgten H. und W. im Auftrag der Angeklagten jeweils mindestens 80 g Methamphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 60 % Methamphetaminbase und verbrachten sie zur Angeklagten. Diese hatte ihnen zuvor für den Erwerb das Kaufgeld von jeweils mindestens 1.500 Euro übergeben und die Fahrtroute sowie den Einkaufsort für die Betäubungsmittel vorgegeben. Die Angeklagte verkaufte das Methamphetamin anschließend gewinnbringend weiter.
14
f) Tatkomplex II.6. der Urteilsgründe
15
In einem weiteren gleichartigen Fall erwarben die gesondertVerfolgten H. und W. am 25. Juni 2015 im Auftrag und mit Kaufgeld der Angeklagten auf einem „Vietnamesenmarkt“ in der Tschechischen Republik 71,2 g Methamphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 56 g Methamphetaminbase. Zum Transport nach Deutschland hatte ihnen die Angeklagte den in ihrem Eigentum stehenden BMW 320d mit einem Wert von etwa 5.000 Euro zur Verfügung gestellt. Kurz nach dem Grenzübertritt wurden im Rahmen einer polizeilichen Kontrolle die Betäubungsmittel sichergestellt. Der ebenfalls sichergestellte Pkw wurde später neben Mobiltelefonen, die bei den Taten Verwendung fanden, mit Zustimmung der Angeklagten form- und entschädigungslos eingezogen.

II.

16
Die Revision der Angeklagten führt lediglich zu einer Richtigstellung des Schuldspruchs im Fall II.2. der Urteilsgründe. Im Übrigen hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
17
1. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen werden von der Beweiswürdigung getragen.

18
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 21. April 2016 – 1 StR 629/15, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 43; vom 11. Februar 2016 – 3 StR 436/15 und vom 14. Dezember 2011 – 1 StR 501/11, NStZ-RR 2012, 148, jeweils mwN).
19
b) Derartige Rechtsfehler liegen nicht vor.
20
aa) Das Landgericht hat sich rechtsfehlerfrei auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller für die Beweiswürdigung bedeutsamen Umstände von den Taten und der Täterschaft der Angeklagten überzeugt. Es durfte sich dabei maßgeblich auf das in objektiver und subjektiver Hinsicht umfassende Geständnis der Angeklagten stützen, dessen Glaubhaftigkeit es eingehend überprüft hat (UA S. 13).
21
bb) Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist auch nicht lückenhaft. Angesichts des vollumfänglichen Geständnisses der Angeklagten gilt dies auch im Hinblick auf die im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigte Feststellung des Landgerichts, dass die Angeklagte „sich als Anlaufstelle für Konsumenten im Großraum C. bereits einen Ruf erarbeitet und die Veräußerungsgeschäfte in ihrer Wohnung als Massengeschäft abgewickelt“ hatte (UA S. 18).
22
2. Im Fall II.2. der Urteilsgründe ist der Schuldspruch hinsichtlich der angewendeten Tatbestandsvariante des § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG rechtsfehlerhaft und dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend zu ändern.
23
Eine Abgabe von Betäubungsmitteln im Sinne dieser Vorschrift bedeutet jede Gewahrsamsübertragung an eine andere Person zur freien Verfügung. An einer solchen fehlt es aber, wenn das Betäubungsmittel, wie dies die Angeklagte getan hat, zum sofortigen Gebrauch an Ort und Stelle hingegeben wird; diese Fallgestaltung wird von der weiteren Tatbestandsvariante des § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG, dem Überlassen zum unmittelbaren Verbrauch erfasst (zur Abgrenzung vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. April 2015 – 5 StR 109/15, NStZRR 2015, 218; vom 5. Februar 2014 – 1 StR 693/13, NStZ 2014, 717 und vom 8. Juli 1998 – 3 StR 241/98, NStZ-RR 1998, 347; Patzak in Körner/Patzak/ Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 29a Rn. 12 f.). § 265 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen.
24
3. Im Übrigen ist der Schuldspruch frei von Rechtsfehlern.
25
a) Die Urteilsfeststellungen tragen hinsichtlich der in den Tatkomplexen II.1. sowie II.3. bis II.6. der Urteilsgründe begangenen Taten jeweils den Schuldspruch des unerlaubten Handeltreibens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG. Rechtsfehlerfrei ist auch die Verurteilung der Angeklagten in den Tatkomplexen II.1. sowie II.4. bis II.6. der Urteilsgründe wegen jeweils tateinheitlich hierzu verwirklichter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG. Die Urteilsfeststellungen belegen jeweils die eigenhändig oder in Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) vorgenommene Einfuhr der Betäubungsmittel in nicht gerin- ger Menge (vgl. dazu auch Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 29 Teil 5 Rn. 168).
26
b) Die Annahme von Tatmehrheit zwischen den Tatenin den Fällen II.1. und II.2. der Urteilsgründe hält – entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts – ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand.
27
Zwar kann die Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige mit Gewinnerzielungsabsicht Teil eines einheitlichen Handeltreibens mit den Betäubungsmitteln sein (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2015 – 1 StR 317/15 und Beschluss vom 8. Januar 2015 – 2 StR 252/14, BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 2 Konkurrenzen 2). Bei der hier vorliegenden Überlassung zum unmittelbaren Verbrauch an einen Minderjährigen ist aber schon nicht festgestellt, dass sie mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt ist (vgl. dazu Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 29a Rn. 31).
28
Auch die Voraussetzungen für die Annahme einer Bewertungseinheit mit den festgestellten Einzelverkäufen aus der im Fall II.1. der Urteilsgründe aus der Tschechischen Republik eingeführten Gesamtmenge an Methamphetamin liegen nicht vor. Denn mehrere Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln bilden nur dann eine einheitliche Tat, wenn sie ein und denselben Güterumsatz betreffen. Dies ist nicht der Fall, wenn offenbleibt, inwieweit die den einzelnen Verkäufen bzw. Abgaben jeweils zugrunde liegenden Betäubungsmittel aus einem einheitlichen, zuvor erworbenen Vorrat herrühren (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Mai 2012 – 5 StR 12/12, NStZ 2012, 517).
29
So verhält es sich auch hier. Denn das Landgericht konnte nicht einmal feststellen, dass der Erwerb der Betäubungsmittel im Fall II.1. der Urteilsgründe vor Verbrauchsüberlassung der Konsumeinheit Methamphetamin an den Minderjährigen im Fall II.2. der Urteilsgründe erfolgt ist. Die Konsumeinheit konnte somit aus einer anderen Betäubungsmittelmenge stammen. Auch der Zweifelssatz gebietet in solchen Fällen nicht die Annahme einer einheitlichen Tat (st. Rspr.; vgl. z.B. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2015 – 1 StR 317/15, Rn. 49 und Beschluss vom 23. Mai 2012 – 5 StR 12/12, NStZ 2012, 517 f. mwN).
30
c) Der Umstand, dass im Tatkomplex II.3. der Urteilsgründe am 25. September 2014 in der Wohnung der Angeklagten 23,03 g Methamphetamin sichergestellt wurden, führt nicht zur Annahme einer Bewertungseinheit zwischen zwei Fällen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Zwar ist das Landgericht zugunsten der Angeklagten davon ausgegangen , dass die Beschaffungsmenge in den einzelnen Fällen dieses Tatkomplexes (nur) mindestens 15 g Methampetamin betrug. Da es sich hierbei jedoch um Mindestfeststellungen handelt, ist es möglich, dass die 23,03 g Methamphetamin aus einem einzelnen Erwerb stammten. Der Zweifelssatz gebietet auch in einem solchen Fall nicht die zu einer Bewertungseinheit führende Annahme, dass die sichergestellte Betäubungsmittelmenge aus mehreren Erwerbsvorgängen stammte. Selbst wenn diese Menge aus mehreren Rauschgifterwerben stammen sollte, würde der gleichzeitige Besitz dieser Mengen die hierauf bezogenen Handlungen nicht zu einer Tat des Handeltreibens verbinden.
31
d) Soweit die Angeklagte im Tatkomplex II.3. bei zwei Gelegenheiten je zwei Gramm Methamphetamin unter ihrem Einkaufspreis an die anderweitig Verfolgte H. abgab, steht dies auch hinsichtlich dieser Betäubungsmittelmenge einem strafbaren Handeltreiben beim Ankauf der Betäubungsmittel nicht entgegen. Denn nach den Feststellungen des Landgerichts erwarb die Angeklagte die Einzelmengen von jeweils mindestens 15 g Methamphetamin insgesamt zur gewinnbringenden Weiterveräußerung.
32
4. Der Rechtsfolgenausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.
33
a) Auch der Strafausspruch hat im Ergebnis Bestand.
34
aa) Allerdings begegnet die vom Landgericht strafschärfend herangezogene Erwägung, die verfahrensgegenständlichen Wirkstoffmengen hätten den Grenzwert der nicht geringen Menge „in jedem Fall um ein Vielfaches“ über- schritten (UA S. 18), in den Tatkomplexen II.1. und II.3. der Urteilsgründe Bedenken. In diesen Fällen hat das Landgericht diese Erwägung sowohl im Rahmen der Prüfung, ob ein minder schwerer Fall im Sinne von § 29a Abs. 2 BtMG gegeben ist, als auch durch Verweisung bei der Strafzumessung im engeren Sinn herangezogen. Im Fall II.1. der Urteilsgründe hat es eine Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten festgesetzt; für jede der zehn Taten im Tatkomplex II.3. der Urteilsgründe hat das Landgericht eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Die Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten hat das Landgericht unter Erhöhung der in den Tatkomplexen II.4. und II.5. der Urteilsgründe insgesamt zwölfmal verhängten Einsatzstrafe von vier Jahren gebildet.
35
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beginnt bei Methamphetamin die nicht geringe Menge bei 5 g Methamphetaminbase (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2008 – 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89). Mithin erreichte in den Tatkomplexen II.1. und II.3. der Urteilsgründe mit einer Menge von jeweils 15 g Methamphetamin und einem Wirkstoffgehalt von jeweils 60 % Methamphetaminbase die Wirkstoffmenge mit 9 g Methamphetaminbase nur das 1,8-fache der nicht geringen Menge. Damit hat das Landgericht rechtsfehlerhaft das Handeltreiben mit einer Betäubungsmittelmenge, welche die Grenzmenge des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG nur unwesentlich überschreitet, straferschwerend bewertet. Eine geringe Überschreitung der Untergrenze zur nicht geringen Menge ist aber ein Strafmilderungsgrund. Auch das 1,8-fache der nicht geringen Menge an Betäubungsmitteln ist noch derart gering, dass dies jedenfalls nicht als bestimmender Strafzumessungsgrund gewertet werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Februar 2016 – 2 StR 39/16, NStZ-RR 2016, 141 und vom 24. Juli 2012 – 2 StR 166/12, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 39).
36
Der Senat schließt jedoch aus, dass der Strafausspruch auf dieser rechtsfehlerhaften Erwägung beruht. Angesichts der festgestellten Strafschärfungsgründe kann er dabei auch unter Berücksichtigung des Geständnisses der Angeklagten, der Einziehung sichergestellter Mobiltelefone und ihres Pkw sowie ihrer gesundheitlichen Situation noch ausschließen, dass das Landgericht in den Tatkomplexen II.1. und II.3. vom Vorliegen minder schwerer Fälle gemäß § 29a Abs. 2 BtMG ausgegangen wäre, wenn es den Umstand der Überschreitung des Grenzwerts der nicht geringen Menge nicht strafschärfend gewertet hätte. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei zu Lasten der Angeklagten herangezogen , dass sie mehrfach vorbestraft war und die verfahrensgegenständlichen Taten unter laufender Bewährung beging. Ohne Rechtsfehler hat es auch berücksichtigt , dass das gesamte Tatbild von erheblicher krimineller Energie der Angeklagten geprägt war und die Tatausführung in besonderem Maße planvoll, strukturiert und geschäftsmäßig erfolgte. Nach den Feststellungen hatte sich die Angeklagte als Anlaufstelle für Konsumenten im Großraum C. bereits einen Ruf erarbeitet und die Veräußerungsgeschäfte in ihrer Wohnung als Massengeschäft abgewickelt.
37
bb) Die Richtigstellung im Schuldspruch im Fall II.2. der Urteilsgründe bleibt ohne Auswirkung auf den Strafausspruch. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht die wegen dieser Tat verhängte Strafe bei zutreffender rechtlicher Wertung anders als geschehen bemessen hätte.
38
b) Die auf §§ 73, 73a und 73c StGB gestützte Verfallsentscheidung und die Nichtanordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) halten ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand.

III.

39
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO. Graf Jäger Cirener Radtke Mosbacher

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.