Bundesgerichtshof Urteil, 29. Juni 2016 - 2 StR 588/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:290616U2STR588.15.0
bei uns veröffentlicht am29.06.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 588/15
vom
29. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u. a.
ECLI:DE:BGH:2016:290616U2STR588.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. Juni 2016, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Dr. Eschelbach, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ott, Richter am Bundesgerichtshof Zeng, Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt , Rechtsanwältin als Verteidiger, Rechtsanwalt als Vertreter des Nebenklägers , Rechtanwältin als Vertreterin der Nebenklägerin , Justizhauptsekretärin in der Verhandlung, Justizangestellte bei der Verkündung als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers H. F. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 3. Juni 2015 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die dagegen gerichteten Revisionen der Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers H. F. haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg.

I.

2
1. Die zur Tatzeit 58jährige Angeklagte wurde im Alter von 16 Jahren mit dem später Geschädigten, dem zuletzt 67jährigenI. F. zwangsverheiratet. Die Ehe, aus der mehrere Kinder hervorgingen, war geprägt von Gewalt und Erniedrigungen. I. F. schlug und quälte seine Frau wie auch die gemeinsamen Kinder. Mit der Geburt des jüngsten Sohnes, dem Zeugen E.
F. , im Jahre 1990 änderte sich die Situation dahingehend, dass I. F. , der seinem jüngsten Sohn sehr zugetan war, sowohl seinen bis dahin teilweise sehr exzessiven Alkoholkonsum als auch seine gewalttätigen Übergriffe auf die anderen Familienmitglieder nach und nach reduzierte. Die Atmosphäre in der Familie blieb gleichwohl angespannt und war von lautstarken Streitigkeiten und verbalen Erniedrigungen seitens des Geschädigten geprägt. Als die Angeklagte sich im Jahre 1995 schließlich entschloss, ihren Ehemann zu verlassen, erkrankte dieser an Krebs, weshalb sie davon absah. I. F. gesundete, litt aber alsbald – wie auch die Angeklagte – an Diabetes und Bluthochdruck und musste sich im Jahre 2005 einer beidseitigen Unterschenkelamputation unterziehen. Er saß ab 2008 im Rollstuhl und erlitt in der Folgezeit mehrere Herzinfarkte. Unterstützung erfuhr er vor allem von seinem jüngsten Sohn, dem Zeugen E. F. .
3
Die Angeklagte ihrerseits war infolge des jahrelang durchlittenen Martyriums seelisch krank geworden und litt vor allem unter depressiven Stimmungen und unspezifischen Schmerzen. Die Eheleute lebten zuletzt nur noch mit ihren Söhnen B. und E. F. zusammen.
4
Zum Tatgeschehen:
5
Ende 2012 warf der Geschädigte seinen älteren Sohn, den Zeugen B. F. , nach einem Streit aus der Wohnung. Als der Sohn am 2. Januar 2013 wieder zurückkehren wollte, verwies ihn der Geschädigte abermals der Wohnung. Die Angeklagte war hierüber ausgesprochen verärgert.
6
Am Morgen des 3. Januar 2013 zwischen 8 und 9 Uhr verließ der Sohn E. F. das Haus. Sein multimorbider Vater saß zu diesem Zeitpunkt angezogen in seinem Rollstuhl im Wohnzimmer. In der Folgezeit, spätestens aber kurz vor 10 Uhr, erlitt er einen Herzinfarkt, der dazu führte, dass er in hilflosem Zustand und in getrübter Bewusstseinslage auf dem Boden zum Liegen kam.
7
Als die Angeklagte ihren zwischenzeitlich bewusstlosen Ehemann auf dem Boden liegend antraf, fasste sie spontan den Entschluss, ihn zu töten. Hierzu nahm sie einen Schal oder anderen Gegenstand aus Stoff, legte ihn dem auf dem Rücken liegenden I. F. um den Hals und zog dasStoffteil vor seinem Kehlkopf fest zusammen. Nach einiger Zeit erschrak sie jedoch über ihr Tun und ließ von dem Geschädigten ab. Sie beseitigte das Strangulationswerkzeug und lief zu ihren Nachbarn, um Hilfe zu holen. Als die Angeklagte an der Wohnungstür der Nachbarn klingelte, war ihr Ehemann bereits an den Folgen des erlittenen Herzinfarkts gestorben.
8
2. Die Angeklagte hat die Tat bestritten und sich eingelassen, sogleich nach dem Auffinden ihres Ehemanns zu den Nachbarn geeilt zu sein.
9
Davon, dass der Geschädigte noch zu Lebzeiten stranguliert wurde, hat sich das Landgericht aufgrund sicherer medizinischer Beweisanzeichen überzeugt. Die Annahme der Täterschaft der Angeklagten beruht maßgeblich auf ihrem Motiv und ihrer Gelegenheit zur Tat, wobei das Gericht sowohl einen Alternativtäter als auch eine Selbsttötung ausgeschlossen hat.
10
Das Landgericht konnte jedoch nicht ausschließen, dass der Geschädigte zuvor bereits einen Herzinfarkt erlitten hatte und dieser letztlich todesursächlich gewesen ist. Zwar habe sich durch medizinische Beweiszeichen nicht belegen lassen, dass I. F. tatsächlich einen Herzinfarkt erlitten habe. Dafür sprächen aber zahlreiche konkret festgestellte Umstände. Der multimorbide Geschädigte habe bereits mehrere Infarkte erlitten; auch sei sein Herz durch eine Verkalkung zweier Herzkranzschlagadern vorgeschädigt gewesen. Er sei in der Vergangenheit auch bereits mehrfach aus dem Rollstuhl gefallen. Dafür, dass er einen Herzinfarkt erlitten habe, spreche auch, dass weder Abwehrverletzungen noch Spuren einer Kampfhandlung festgestellt werden konnten. Dies wäre aber zu erwarten gewesen, da die Strangulation noch zu Lebzeiten erfolg- te und er – auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass er das Beruhigungsmittel Diapezam in einer normal therapeutisch wirksamen Konzentration im Blut hatte – nicht völlig kraft- und wehrlos war.
11
Nach alledem seien beide Todesursachenals naheliegend anzusehen, weshalb die Strafkammer zu Gunsten der Angeklagten einen Herzinfarkt als Todesursache zu Grunde gelegt hat.
12
3. Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchten Totschlages in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB verurteilt. Von dem Versuch des Totschlags sei sie nicht strafbefreiend zurückgetreten, weil der Geschädigte bei Vornahme ihrer Rettungsbemühungen bereits tot gewesen sei.

II.

13
Die Revision der Angeklagten hat Erfolg.
14
1. Die Erwägungen, mit denen die Strafkammer einen Rücktritt der Angeklagten vom versuchten Totschlag ausgeschlossen hat, begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
15
§ 24 Abs. 1 StGB ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen die Vollendung mangels tatbestandsmäßigen Erfolges ausbleibt. Die Vorschrift ist vielmehr auch dann anwendbar, wenn zwar ein tatbestandsmäßiger Erfolg eintritt, dieser jedoch nicht kausal auf die Angriffshandlung des Täters zurückgeführt werden kann, der konkrete Erfolg also auch dann eingetreten wäre, wenn der Täter überhaupt nicht auf das Opfer eingewirkt hätte (sog. überholende oder abgebrochene Kausalität).
16
Soweit die Strafkammer einen Rücktritt ausgeschlossen hat, weil I. F. zu dem Zeitpunkt als die Angeklagte Rettungsbemühungen entfaltet hatte, bereits verstorben war, ist sie offenkundig von einem beendeten Versuch ausgegangen. Dies wird indes von den Feststellungen nicht getragen; es fehlen entsprechende Feststellungen zum Rücktrittshorizont der Angeklagten zum Zeitpunkt der letzten Ausführungshandlung.
17
Die Strafkammer hat zwar angenommen, dass die Angeklagte mit gehöriger Entschlossenheit das Strangulationswerkzeug zugezogen hat (UA S. 45) und dass die Strangulation todesursächlich gewesen sein kann (UA S. 24). Auch ist sie davon ausgegangen, dass es sich bei der Strangulation, die zu erheblichen Stauungsblutungen geführt hatte, um eine das Leben gefährdende Behandlung des Geschädigten gehandelt hat (UA S. 44). Dass aber die Angeklagte tatsächlich nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung angenommen hat, bereits alles Erforderliche zur Verwirklichung des angestrebten Erfolgs getan zu haben, lässt sich den Feststellungen nicht sicher entnehmen.
18
Die Strafkammer hat dahin gehend lediglich ausgeführt, die Angeklagte sei über ihr eigenes Verhalten erschrocken gewesen und habe das Bedürfnis gehabt, „alles wieder gut und die Tat rückgängig zu machen“ (UA S. 15, 50).
19
Dies belegt aber vor dem Hintergrund, dass auch in objektiver Hinsicht nicht festgestellt ist, dass die Strangulation durch die Angeklagte tatsächlich ursächlich oder auch nur mitursächlich für den Tod des Geschädigten geworden ist, nicht ohne weiteres, dass die Angeklagte nach der letzten Ausführungshandlung bereits alles getan hatte, was nach ihrer Vorstellung zur Herbeiführung des Todes erforderlich oder zumindest ausreichend war. Nicht ausgeschlossen ist vielmehr das Vorliegen eines nur unbeendeten Versuchs, von dem die Angeklagte durch bloße Untätigkeit hätte strafbefreiend zurücktreten können.
20
2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
21
Sollte für die Strafbarkeit der Angeklagten nicht an ihrem aktiven Tun angeknüpft werden können, weil insoweit von einem strafbefreienden Rücktritt ausgegangen werden muss, müsste sich der Tatrichter mit einem in diesem Fall „wiederauflebenden“ möglichen pflichtwidrigen Unterlassen der Angeklagten auseinandersetzen.
22
Allerdings käme nach den bisherigen Feststellungen, die Zeitpunkt, Art und Schwere des Herzinfarkts offen lassen, nur ein (untauglicher) Versuch des Totschlags durch Unterlassen in Betracht, da zu Gunsten der Angeklagten davon ausgegangen werden müsste, dass eine Lebensrettung nicht mehr möglich war und damit das Unterlassen der Angeklagten für den Erfolg nicht mehr ursächlich gewesen sein konnte.
23
Erforderlich ist insoweit, dass die Angeklagte, als sie ihren, offensichtlich bewusstlosen Ehemann am Boden liegen sah, ihm in diesem Zustand keine Hilfe leistete und stattdessen zur Strangulation ansetzte, zum einen bewusst war, dass dieser aufgrund seiner schweren Verletzungen sterben könnte, zum anderen aber auch die Vorstellung hatte, dessen Leben könne noch durch ihr mögliche Maßnahmen gerettet oder in rechtlich erheblicher Weise verlängert werden (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2005 – 4 StR 469/04 – juris Rn. 23 f.).
24
Von einem solchen Totschlagsversuch durch Unterlassen hätte die Angeklagte auch nicht mehr strafbefreiend zurücktreten können. Der Rücktritt des Unterlassenstäters ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach den Grundsätzen des beendeten Versuchs beim Begehungsdelikt gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StGB zu beurteilen, da den Täter von der ersten Rettungsmöglichkeit an eine Pflicht zum Handeln trifft (BGH, Urteil vom 15. Mai 1997 – 5 StR 127/97, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, beendeter 11; siehe auch BGH, Beschlüsse vom 10. März 2000 – 1 StR 675/99, NJW 2000, 1730, 1732; vom 29. Oktober 2002 – 4 StR 281/02, NStZ 2003, 252, 253 und vom 20. Dezember 2002 – 2 StR 251/02, BGHSt 48, 147, 149). Die Angeklagte konnte hier aber die Vollendung der Tat weder verhindern (§ 24 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StGB) noch wurde die Tat ohne ihr Zutun nicht vollendet (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB).

III.

25
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers haben ebenfalls Erfolg.
26
1. Die Beweiswürdigung leidet an zwei durchgreifenden Erörterungsmängeln.
27
a) Die Strafkammer hat rechtsfehlerhaft nicht erwogen, dassI. F. beim Ansetzen der Angeklagten zur Strangulation geschlafen haben könnte. Dies hätte das Fehlen von Abwehrverletzungen und Kampfeshandlungen erklären und deshalb der Annahme eines zuvor erlittenen Herzinfarkts entgegenstehen können.
28
Eine Erörterung hätte sich für die Strafkammer auch aufgedrängt, denn der Geschädigte hatte zum Tatzeitpunkt das beruhigend wirkende Medikament Diapezam zu sich genommen. Zudem hatten mehrere Zeugen angegeben, dass er kurz vor seinem Tod wiederholt beklagt habe, er sei in letzter Zeit so schläfrig und schlafe viel.
29
b) Die Strafkammer hat es rechtsfehlerhaft aber auch zu erörtern versäumt , ob die Strangulation den Eintritt des Todes des Geschädigten nicht zumindest beschleunigt hat.
30
Auch hierzu bestand Anlass, denn I. F. hat bei Vornahme der Strangulation nachweislich noch gelebt und war nur kurze Zeit später, als die Angeklagte bei den Nachbarn klingelte, bereits verstorben. Hinzu kommt, dass die Angeklagte nach den Feststellungen das Strangulationswerkzeug mit gehöriger Entschlossenheit zugezogen (UA S. 45) und die Strangulation zu erheblichen Stauungsblutungen geführt hat. Vor diesem Hintergrund liegt die Annahme nicht fern, dass ein solcher Strangulationsvorgang den Todeseintritt des multimorbiden und aufgrund eines Herzinfarkts in einer geschwächten Lage befindlichen Geschädigten, wenngleich nur um eine geringfügige Zeit, in jedem Fall zumindest beschleunigt haben muss.
31
Ein Beruhen des Urteils auf diesem Erörterungsmangel kann nicht ausgeschlossen werden, da eine vollendete Tötung bereits dann vorliegt, wenn die Handlung des Täters auch nur zu einer Lebenszeitverkürzung führt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 1980 – 1 StR 177/80, NStZ 1981, 218).
32
c) Eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen vollendeten Totschlags durch Unterlassen kommt dagegen – entgegen der Auffassung der Revisionsführer – nicht in Betracht.
33
Sollte der von der Strafkammer zugunsten der Angeklagten angenommene Herzinfarkt allein todesursächlich gewesen sein, so besteht nach den übrigen Beweisergebnissen kein Anhalt für eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob und inwieweit Rettungsbemühungen noch hätten erfolgreich sein können. Die Strafkammer konnte weder feststellen, zu welchem Zeitpunkt der Geschädigte einen Herzinfarkt erlitten hat noch wie viel Zeit zwischen seinem Auftreten bis zum Tod des Geschädigten verstrichen ist. Auch zu Art und Schwere des Infarkts konnten keine Feststellungen getroffen werden. Dem zugrunde lag, dass die Strafkammer, gestützt auf die Angaben der Sachverständigen schon nicht sicher nachweisen konnte, dass der Geschädigte überhaupt einen Herzinfarkt erlitten hat. Mangels Vorliegens jeglicher medizinischer Erkenntnisse war aber eine Erörterung, ob und inwieweit Rettungsbemühungen noch hätten erfolgreich sein können, offensichtlich nicht veranlasst.
34
War der Herzinfarkt demgegenüber nicht allein todesursächlich und die Strangulation vielmehr mitursächlich, so liegt der Schwerpunkt des strafbaren Verhaltens der Angeklagten auf einem positiven Tun. Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng

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(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft be
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Referenzen

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 469/04
vom
13. Januar 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen schweren Raubes mit Todesfolge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Januar
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Sch. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten W. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten B. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 19. Dezember 2003 in den Strafaussprüchen mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten und die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.
3. Die Staatskasse trägt die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die hierdurch den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Angeklagten, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten Sch. des schweren Raubes mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie des Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen für schuldig befunden und ihn zu einer Jugendstrafe von neun Jahren verurteilt. Den Angeklagten W. hat es wegen schweren Raubes mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung eines Urteils des Amtsgerichts Naumburg vom 27. Februar 2003 zu einer Einheitsjugendstrafe von acht Jahren sechs Monaten und den Angeklagten B. wegen schweren Raubes mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie weiter wegen Unterschlagung unter Einbeziehung eines Urteils des Amtsgerichts Naumburg vom 27. Februar 2003 zu einer Einheitsjugendstrafe von acht Jahren neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen , mit denen sie die Verletzung sachlichen Rechts, die Angeklagten Sch. undB. auch die Verletzung formellen Rechts rügen. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer zu Ungunsten der drei Angeklagten eingelegten, auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision, daß das Landgericht die Angeklagten im Fall II. 3 der Urteilsgründe nicht wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts verurteilt hat. Die Rechtsmittel der Angeklagten haben zu den Strafaussprüchen Erfolg; dagegen erweisen sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft insgesamt als unbegründet.

I.


Das Landgericht hat festgestellt:
Die Angeklagten gehörten zu einer Clique von Jugendlichen aus vorwiegend sozial schwierigen Verhältnissen in Naumburg, die sich gemeinsam mit Alkohol und Haschisch ihre Langeweile vertrieben. Das spätere Tatopfer, Andreas Oe., wohnte mit dem Angeklagten B. im selben Haus. Oe. war homosexuell veranlagt und geistig behindert. B. erzählte in der Clique, zu der gelegentlich auch die wesentlich älteren Brüder Be. stießen, Oe. suche sexuelle Kontakte zu Jugendlichen und bezahle dafür. Dies ließ unter den Angeklagten und weiteren Mitgliedern der Clique den Entschluß reifen, die Neigung des Oe. auszunutzen, um ihn bei einer solchen Gelegenheit zu überfallen und zu berauben.
Mit diesem Entschluß suchten die Angeklagten am Abend des 20. März 2003 Oe. auf, der jedoch nur die Angeklagten W. und Sch. in seine Wohnung ließ. Dort täuschteSch. dem Oe. vor, dieser dürfe ihn gegen Bezahlung oral befriedigen. Als sich Oe. darauf vor Sch. hinkniete, trat ihm der Angeklagte W. absprachegemäß mit dem beschuhten Fuß mit voller Wucht ins Gesicht, wodurch Oe. zu Boden ging. Beide Angeklagte traten nunmehr gemeinsam auf Oe. ein, der schließlich hilflos mit starkem Nasenbluten liegen blieb, nachdem ihm bereits durch den ersten Tritt zwei Schneidezähne herausgebrochen waren. Die AngeklagtenSch. und W. zogen ihm sodann die Geldbörse mit 14,50 Euro aus der Hosentasche und verließen fluchtartig die Wohnung (Fall II. 1 der Urteilsgründe).
Am späten Nachmittag des folgenden Tages (21. März 2003) trafen sich die Angeklagten Sch. und B. wiederum mit ihrer Clique. Sie berichteten von dem Geschehen des Vortages. Auch wurde darüber gesprochen, Oe. mißbrauche auch Kinder und müsse deshalb "bestraft" werden; zudem sei bei ihm "etwas zu holen" und er könne leicht ausgeraubt werden. Sch. und B. sowie die Brüder Be. und zwei weitere aus der Clique begaben sich daraufhin zur Wohnung des Oe. und verschafften sich gewaltsam Zutritt. Nachdem zunächst Silko Be. auf Oe. eingeschlagen und ihn ins Schlafzimmer gedrängt hatte, schlugen und traten dort beide Brüder Be. weiter auf den Geschädigten ein. "Auch die Angeklagten Sch. und B. schlugen und traten zu, wer genau welchen Tritt und Schlag ausführte, ließ sich nicht mehr mit Sicherheit feststellen". Während Oe. von den Be. -Brüdern im Schlafzimmer noch weiter "traktiert" wurde, durchsuchten die Angeklagten Sch. und B. sowie die übrigen anwesenden Mitglieder der Clique die Wohnung nach mitnehmenswerten Gegenständen. Sch. nahm die Geldbörse des Geschädigten mit ca. 6 Euro und auch die Wohnungsschlüssel an sich, während sie im übrigen noch Lautsprecherboxen, eine Videocassette und 10 bis 15 Flaschen Bier mitnahmen und damit die Wohnung verließen (Fall II. 2 der Urteilsgründe).
Anschließend kam die Gruppe an ihrem üblichen Treffpunkt zusammen, wo auch der AngeklagteW. hinzustieß. Dort entschlossen sie sich, den Geschädigten erneut aufzusuchen, da dieser "noch nicht genug geschlagen worden" sei und sich in seiner Wohnung noch weiteres Bier und andere mitnehmenswerte Gegenstände befänden. Die drei Angeklagten sowie die beiden Brüder Be. begaben sich daraufhin erneut zu der Wohnung des Oe. Die Be. -Brüder hatten sich jeder einen sog. Bikerhandschuh angezogen, deren Handrücken und Innenflächen mit Plastikteilen verstärkt waren, "um wirkungs-
voller auf Andreas Oe. einschlagen zu können". Die Angeklagten und die Be. -Brüder gelangten mit Hilfe des von dem Angeklagten Sch. zuvor entwendeten Schlüssels in die Wohnung. Sie fanden Oe. mit völlig verschwollenem Gesicht, blutverschmiert und hilflos im Schlafzimmer liegend vor. Er konnte sich nicht mehr wehren. Die Brüder Be. schlossen die Tür zum Schlafzimmer und begannen sofort, erneut auf ihn einzuschlagen und einzutreten. „Derweil" durchsuchten die Angeklagten die Wohnung nach weiteren mitnehmenswerten Gegenständen. Ob sie auch dieses Mal selbst auf Oe. "einwirkten", ließ sich nicht feststellen. Jedenfalls nahmen sie die Stereoanlage des Geschädigten und weitere Bierflaschen mit und verließen die Wohnung, nachdem "alle noch einmal einen Blick auf den zu der Zeit bäuchlings vor seinem Bett liegenden und sich nicht mehr rührenden, offensichtlich schwer verletzten Herrn Oe. geworfen hatten. Sie ließen ihn liegen, obwohl ihnen bewußt war, daß er aufgrund seiner schweren Verletzungen sterben könnte". Oe. erlitt massive Frakturen und weitere Verletzungen im Kopf- und Gesichtsbereich. Insbesondere eine Halsmarkzerrung mit Zerreißung des Bandapparates zwischen Wirbelsäule und Schädel führte "kurz danach" zum Tod des Geschädigten. Ob Oe. schon verstarb, als die Angeklagten noch in der Wohnung waren oder kurz nach ihrem Verlassen der Wohnung, konnte nicht geklärt werden. Jedenfalls hätte er nach Beibringung der Halsmarkzerrung nicht mehr gerettet werden können (Fall II. 3 der Urteilsgründe).
Die anschließende Nacht verbrachten die Angeklagten in der Wohnung eines der beiden Brüder Be. . Sie unterhielten sich darüber, daß Oe. "wohl nicht überleben werde". Auch am nächsten Morgen wurde wieder darüber geredet , daß Oe. "bestimmt tot" sei. Der Angeklagte B. und ein weiteres Mitglied der Clique suchten nunmehr erneut die Wohnung des Oe. auf. Dort fan-
den sie ihn tot auf dem Boden liegend vor. Sie durchsuchten die Wohnung wiederum , nahmen den Fernseher und ein Videogerät des Oe. mit und begaben sich zurück in die Wohnung des Be. (Fall II. 4 der Urteilsgründe).
Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat die Jugendkammer im Fall II. 1 die Angeklagten Sch. und W. sowie im Fall II. 2 die Angeklagten Sch. und B. jeweils des gemeinschaftlich begangenen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§§ 249 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB), im Fall II. 3 alle drei Angeklagten des gemeinschaftlich begangenen schweren Raubes mit Todesfolge (§ 251 i.V.m. § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a) und b) StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB) und im Fall II. 4 den Angeklagten B. der Unterschlagung (§ 246 Abs. 1 StGB) für schuldig befunden.

II.


Revisionen der Angeklagten
A. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen der Angeklagten hat zu den Schuldsprüchen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
1. Die Angeklagten Sch. und B. dringen mit den von ihnen erhobenen Verfahrensrügen zum Schuldspruch nicht durch.

a) Sowohl der Angeklagte Sch. als auch der Angeklagte B. beanstanden , ihren in der Hauptverhandlung anwesenden Müttern als ihren ge-
setzlichen Vertreterinnen sei entgegen § 67 Abs. 1 JGG i.V.m. § 258 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO das letzte Wort nicht erteilt worden. Es kann dahinstehen, ob die von dem Angeklagten B. erhobene Rüge schon deshalb unzulässig ist (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil dieser Beschwerdeführer verschweigt, daß die Beweisaufnahme jeweils in Anwesenheit seiner Mutter nicht nur am letzten Hauptverhandlungstag, dem 19. Dezember 2003, sondern bereits zuvor zunächst am 4. Dezember und sodann ein weiteres Mal am 15. Dezember 2003 geschlossen worden war und jeweils Schlußanträge gestellt worden waren. Jedenfalls könnte diese von den beiden Beschwerdeführern erhobene Rüge nur zur – schon aus sachlichrechtlichen Gründen gebotenen (s.u. II. B) – Aufhebung der sie betreffenden Strafaussprüche führen, weil die Schuldsprüche auf ihm nicht beruhen können. Die Angeklagten haben sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache eingelassen; ihre Mütter waren bei dem Tatgeschehen nicht anwesend; deshalb ist auszuschließen, daß sie bei Erteilung des letzten Wortes Ausführungen hätten machen können, die Einfluß auf die Schuldsprüche hätten haben können (vgl. BGHR JGG § 67 Erziehungsberechtigter 3 m.w.N.).

b) Die von dem Angeklagten Sch. erhobene Rüge, das Landgericht habe eine Wahrunterstellung nicht eingehalten, ist jedenfalls unbegründet. Das Urteil setzt sich mit der unter Beweis gestellten Behauptung, der Arzt Dr. T. habe am 21. März 2003 am Körper und im Gesicht des Geschädigten, der sich bei ihm für eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgestellt habe, aus einem Meter Entfernung keinerlei Verletzungen am Körper oder im Gesicht, insbesondere auch keine Zahnlücken erkannt, nicht in Widerspruch.

c) Die weitere, ebenfalls allein von dem Angeklagten Sch. erhobene Rüge, das Landgericht habe entgegen dem von der Verteidigung in der Hauptverhandlung erklärten Widerspruch die Zeugin S. , vernehmende Richterin im Ermittlungsverfahren, über die Vernehmung des Angeklagten bei seiner Verhaftung vernommen und ihre Aussage verwertet, obwohl weder die Mutter des Angeklagten als Erziehungsberechtigte noch der bereits bestellte Verteidiger bei der Vernehmung anwesend und sie auch von dem Termin nicht unterrichtet worden seien, ist nicht zulässig ausgeführt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Insoweit hätte es der vollständigen Mitteilung des bei der richterlichen Vernehmung dem Angeklagten vorgelesenen und von ihm bestätigten Protokolls seiner polizeilichen Vernehmung vom 24. März 2003 bedurft (vgl. Kuckein in KK 5. Aufl. § 344 Rdn. 39). Daran fehlt es. Der Senat kann deshalb dahingestellt sein lassen, ob diese Rüge auch in der Sache deshalb keinen Erfolg haben könnte, weil nicht bewiesen ist, daß die Mutter des Angeklagten und der von der Ermittlungsrichterin vor Beginn der Vernehmung bestellte Verteidiger von dem Vernehmungstermin nicht unterrichtet waren. Daß sie bei der Vernehmung nicht anwesend waren, begründet für sich keinen Verfahrensverstoß. Im übrigen erscheint zweifelhaft, ob § 168 c Abs. 5 Satz 1 StPO unter den hier gegebenen Umständen eine Pflicht für die Ermittlungsrichterin begründete, den Verteidiger vor Eintritt in die Vernehmung zu benachrichtigen. Der Wortlaut der Vorschrift („vorher“) und ihr Sinn und Zweck legen nahe, daß die Benachrichtigungspflicht nur in der Zukunft liegende Termine erfaßt. Daran fehlt es jedoch, wenn – wie hier – die Vorführung bereits stattfindet und erst während dieses Termins durch die Bestellung des Verteidigers dessen Berechtigung zur Teilnahme begründet wird. Ob Grundsätze des fairen Verfahrens in einem solchen Fall es gebieten, mit der förmlichen Vernehmung innezuhalten, bis der Verteidiger Gelegenheit hatte zu erscheinen, ist eine Frage des Einzelfalls, die hier
nicht zu entscheiden ist, weil der Beschwerdeführer hierauf seine Rüge nicht gestützt hat.

d) Soweit der Angeklagte Sch. schließlich rügt, die Jugendkammer habe eine Vielzahl von Zeugen vernommen, ohne sich mit deren Aussage im Urteil auseinanderzusetzen, ist die Rüge ebenfalls schon deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil der Inhalt der Aussagen der im einzelnen genannten Zeugen nicht mitgeteilt wird. Im übrigen dienen die schriftlichen Urteilsgründe nicht dazu, die gesamte Beweisaufnahme im einzelnen wiederzugeben. Der Tatrichter muß sich im Urteil nur mit den für die Entscheidung maßgebenden Umständen auseinandersetzen. Bleibt ein Beweismittel unerwähnt , so ist deshalb daraus nicht zu schließen, daß es übersehen worden ist (vgl. Meyer-Goßner StPO 47. Aufl. § 267 Rdn. 12 m.w.N.).
2. Die Schuldsprüche halten auch der sachlich-rechtlichen Nachprüfung stand. Die getroffenen Feststellungen beruhen auf einer ausreichenden Beweisgrundlage. Die Beschwerdeführer erheben insoweit auch keine Einwendungen. Die Angeklagten haben sich in der Hauptverhandlung zwar nicht zur Sache eingelassen. Die Jugendkammer hat ihre Überzeugung vom Tatgeschehen und der Beteiligung der Angeklagten aber – rechtlich unbedenklich – auf die durch Angaben von Zeugen bestätigten geständigen Einlassungen der Angeklagten bei ihren Vernehmungen durch die Polizei und die Haftrichterin gestützt. Der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe läßt erkennen, daß die Angeklagten im Ermittlungsverfahren das äußere Tatgeschehen im Umfang der Feststellungen auch hinsichtlich der Fälle II. 2 und 3 der Urteilsgründe nicht in Abrede gestellt haben. Von den Feststellungen zum äußeren Sachverhalt wird auch die im Rahmen der rechtlichen Würdigung getroffene Wertung getragen,
für jeden Anwesenden sei "bei Anspannung der zur Verfügung stehenden intellektuellen und geistigen Möglichkeiten klar ersichtlich" und "jedem vernünftig Denkenden" sei klar gewesen, daß durch die Verletzungen für den Geschädigten die Gefahr des Todes bestand.
B. Dagegen können die Strafaussprüche nicht bestehen bleiben. Sie begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Zwar ist nicht zu beanstanden, daß die Jugendkammer gegen die Angeklagten Jugendstrafen sowohl wegen schädlicher Neigungen als auch wegen der Schwere der Schuld verhängt hat. Auch ist aus Rechtsgründen nichts dagegen zu erinnern, daß die Jugendkammer gemeint hat, die zu verhängenden Strafen müßten „äquivalent“ zur Tatschuld „im oberen Bereich“ des Strafrahmens festgesetzt werden, „um den erzieherischen Effekt zu erzielen, daß die Angeklagten endlich über ihre große Schuld nachdenken“. Das Landgericht hat jedoch die Höhe der erkannten Strafen nur unzureichend begründet. Zumal angesichts dessen, daß die Strafen dem gesetzlichen Höchstmaß nahe kommen , hätte es eingehenderer Erörterung und Darlegung bedurft, weshalb die Strafen in dieser Höhe zur Nachreifung der Angeklagten aus erzieherischen Gründen erforderlich sind (vgl. BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 3, 7 , 8, 10). Das von den Angeklagten in der Hauptverhandlung gezeigte „völlig coole und überheblich-arrogante Verhalten“ läßt nicht ohne weiteres auf eine grundsätzlich rechtsfeindliche Gesinnung schließen, sondern kann auch Ausdruck der noch fehlenden Reife und eines gewissen gruppendynamischen Drucks sein. Schließlich läßt der – nach dem Gesamtzusammenhang im Rahmen der Strafzumessungserwägungen ersichtlich allein den Fall II. 3 der Urteilsgründe betreffende – Klammerzusatz auf UA 30: „(wobei die Kammer bis zuletzt erhebli-
che Zweifel behalten hat, ob nicht auch bei den Taten am Freitag die Angeklagten sich selbst an den Tätlichkeiten beteiligten)“ besorgen, daß die Jugendkammer den auch für die Strafzumessung uneingeschränkt geltenden Grundsatz in dubio pro reo (st. Rspr.; vgl. BGHSt 43, 195, 209; BGH StV 1986,
5) verkannt hat. Ebenfalls nicht unbedenklich erscheint in diesem Zusammenhang , daß die Jugendkammer den Angeklagten moralisierend anlastet, daß sie Oe. „schließlich voraussehbar töteten“, obwohl es nach den Feststellungen nicht die Angeklagten, sondern die Brüder Be. waren, die – nicht ausschließbar hinter der geschlossenen Schlafzimmertür, d.h. ohne daß die Angeklagten unmittelbare Zeugen des Geschehens waren – dem Geschädigten die letztlich todesursächlichen Verletzungen beibrachten.
Über die Strafen ist deshalb neu zu befinden. Dabei wird der neue Tatrichter den Eindruck zu vermeiden haben, er laste den Angeklagten auch an, daß sie in der Hauptverhandlung von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht haben. Soweit es den Angeklagten Sch. betrifft, wird der neue Tatrichter auch die im angefochtenen Urteil versehentlich unterbliebene Einbeziehung des noch nicht erledigten Urteils vom 27. Februar 2003 (vgl. UA 31) nachholen können.

III.


Revisionen der Staatsanwaltschaft
Ohne Erfolg wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren Revisionen dagegen, daß das Landgericht (im Fall II. 3 der Urteilsgründe) die Angeklagten nicht wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts verurteilt hat.
1. Das Landgericht hat einen - auch nur bedingten - Tötungsvorsatz der drei Angeklagten trotz der Brutalität und Rücksichtslosigkeit des Vorgehens nicht mit letzter Sicherheit festzustellen vermocht. Die Jugendkammer hat hierbei "das Alter, die mangelnde Lebenserfahrung, die hohen Defizite der Angeklagten auf ethischem Gebiet und die sonstigen Persönlichkeitsakzentuierungen" berücksichtigt. Diese Wertung hält sich noch im Rahmen der dem Tatrichter obliegenden Würdigung und ist deshalb vom Revisionsgericht hinzunehmen , zumal da es – wie ausgeführt – nicht die Angeklagten, sondern die Brüder Be. waren, die dem Geschädigten die letztlich todesursächlichen Verletzungen beibrachten. Entgegen der Auffassung der Revision ist auch nicht zu besorgen, daß das Landgericht überhöhte Anforderungen an die Feststellung eines (bedingten) Tötungsvorsatzes gestellt hat. Die Wendung im Urteil, "ein ausdrückliches Bekenntnis, daß er bei den Handlungen das Risiko [erg.: eines tödlichen Erfolges] bewußt einkalkuliert habe", habe keiner der Angeklagten abgegeben, gibt keinen Anlaß zu der Annahme, die Jugendkammer mache allgemein die Feststellung eines bedingten Tötungsvorsatzes von einem Geständnis zur subjektiven Tatseite abhängig. Vielmehr hat sie dadurch lediglich zum Ausdruck gebracht, daß in einem solchen Fall erhöhte Anforderungen an die Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu stellen sind. Das läßt Rechtsfehler nicht erkennen.
2. Allerdings hat - worauf der Generalbundesanwalt bereits in seiner Antragsschrift vom 18. Oktober 2004 zutreffend hingewiesen hat - das Landgericht nicht erkennbar geprüft, ob den Angeklagten nicht zumindest bedingter Tötungsvorsatz für den Zeitpunkt zur Last fällt, in dem sie im Fall II. 3 der Urteilsgründe durch die wieder offen stehende Schlafzimmertür den "sich nicht mehr rührenden, offensichtlich schwer verletzten" Oe. bäuchlings vor seinem
Bett liegen sahen und sie ihn in diesem Zustand ohne Hilfe in der Wohnung zurückließen, "obwohl ihnen bewußt war, daß er aufgrund seiner schweren Verletzungen sterben könnte". Doch führt dies hier nicht zu einem Erfolg der Revisionen der Staatsanwaltschaft, auch wenn die Angeklagten eine Garantenpflicht aus Ingerenz traf und sie deshalb für das Leben des Oe. einzustehen hatten.
Vollendeter Totschlag durch Unterlassen (vgl. zu dieser Sachverhaltskonstellation BGHSt 44, 196, 201) käme hier nach den Feststellungen schon deshalb nicht in Betracht, weil der Geschädigte nicht ausschließbar bereits tot war, als die Angeklagten noch in der Wohnung waren. Die Feststellungen ergeben aber auch nicht, daß die Angeklagten sich zumindest des versuchten Totschlags durch Unterlassen schuldig gemacht haben. Tatsächlich war - wie das Landgericht aufgrund des Ergebnisses des rechtsmedizinischen Gutachtens festgestellt hat - das Leben des Geschädigten bereits aufgrund der ihm von den Brüdern Be. beigebrachten Halsmarkzerrung nicht mehr zu retten. Insoweit käme, bezogen auf die Angeklagten, lediglich ein untauglicher Versuch des Totschlags durch Unterlassen in Betracht. Das setzte aber die Feststellung voraus, daß die Angeklagten, als sie die Wohnung verließen, die Vorstellung hatten, das Leben des Oe. könne noch durch ihnen mögliche Maßnahmen gerettet oder in rechtlich erheblicher Weise verlängert werden. Dafür ist jedoch nichts hervorgetreten.
Tepperwien Maat z Athing
Ernemann Sost-Scheible

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
_______________________
Zur Verknüpfung von Verdeckungsabsicht und Tötungsvorsatz sowie zum
Rücktritt beim Verdeckungsmord durch Unterlassen.
BGH, Beschl. vom 10. März 2000 - 1 StR 675/99 - LG Stuttgart

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 675/99
vom
10. März 2000
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. März 2000 gemäß § 349
Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 30. Juni 1999 werden als unbegründet verworfen. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihres Rechtsmittels und die dadurch den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat die beiden miteinander verheirateten Angeklagten jeweils wegen Mordes in Tateinheit mit Mißhandlung von drei Schutzbefohlenen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Als Mordmerkmal ist Verdeckungsabsicht festgestellt. Die Revisionen der Angeklagten haben keinen Erfolg. I. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatten die Angeklagten eine Großfamilie gegründet, in der sie zuletzt mit drei ehelich geborenen Kindern und drei Pflegekindern lebten. Sie hatten das Pflegekind A. (geboren am 2. Juni 1989) etwa sieben Jahre lang und die Pflegekinder Al. (geboren am 29. Mai 1991) und Ale. (geboren am 9. November 1992) etwa dreieinhalb Jahre lang zur Pflege aufgenommen. Die Kinder waren ihnen in altersgerechtem Entwicklungszustand anvertraut worden. Während die Angeklagten ihre
eigenen Kinder gut versorgten, quälten sie die Pflegekinder von Anfang an, um deren Willen zu brechen und sie gefügig zu machen. Dazu setzten sie vor allem auf das natürliche und elementare Bedürfnis nach Nahrung. Sie gaben den Pflegekindern zu wenig, Minderwertiges oder zeitweise gar nichts zu essen. Daneben sperrten sie diese ein und schlugen sie. Die Angeklagten bemerkten und nahmen es hin, wie sie die Kinder dadurch an ihrer Gesundheit schädigten. Diese waren schließlich in ihrer Entwicklung, insbesondere in ihrem Längenwachstum gestört und von sogenanntem psychosozialen Minderwuchs (Kleinwuchs) gezeichnet. Auf dem Hintergrund einer sich im Jahre 1996 entfaltenden Ehe- und Berufskrise, verschärft durch ein scheineheliches Kind der Angeklagten U. R. , entglitt ihnen die Kontrolle über die Nahrungszufuhr , mit der sie die Pflegekinder zunächst gerade so weit bei Kräften hielten, daß sie deren Zustand mit erfundenen Geschichten über Epilepsie, Alkoholembryopathie und andere Ursachen gegenüber Außenstehenden plausibel machen konnten. Nachdem Mitte September 1997 der abgemagerte Zustand der Pflegekinder für jedermann sichtbar war, schotteten die Angeklagten diese von der Außenwelt ab. Sie wollten so verhindern, daß die vorausgegangenen Mißhandlungen aufgedeckt und sie deswegen strafrechtlich verfolgt würden. Insbesondere schickten sie A. nicht mehr zur Schule sowie Al. und Ale. nicht mehr in den Kindergarten. Spätestens Anfang Oktober 1997 erkannten sie, daß die drei Pflegekinder infolge des abgemagerten Zustandes in Lebensgefahr waren, weil deren Körper aufgrund des zuletzt verschärften Nahrungsentzuges auf Fett- und Muskelreserven zurückgegriffen hatte. Gleichwohl konsultierten sie in Kenntnis der tödlichen Gefahr weiter fortschreitender Abmagerung und in weiterer Kenntnis ihrer Handlungspflicht als Pflegeeltern, die für den todbringenden Zustand der Kinder verantwortlich waren, keinen Arzt.
Auch dies unterblieb, weil sie befürchteten, die jahrelange Mißhandlung und das Quälen insbesondere durch Nahrungsentzug würde dadurch im gesamten Ausmaß aufgedeckt. Sie versteckten die Pflegekinder im Haus und "wimmelten Besucher ab". In ihrer angespannten Lebenssituation hofften sie, dennoch nicht ihrer Taten überführt zu werden. Ale. s tarb infolge der Unterernährung am 27. November 1997. Ein in der Todesnacht doch noch herbeigerufener Notarzt konnte ihn nicht mehr reanimieren. Die beiden anderen Pflegekinder wurden durch ärztliche Hilfe gerettet. II. Die Revisionen erweisen sich als unbegründet. Die von der Angeklagten U. R. erhobenen Verfahrensrügen greifen aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 17. Januar 2000 dargelegten Gründen nicht durch. Auch die Sachrügen bleiben ohne Erfolg. Der Erörterung bedarf der Schuldspruch wegen Verdeckungsmordes zum Nachteil des Pflegekindes Ale. . Dieser begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. 1. Die Annahme, die Angeklagten hätten um die tödliche Konsequenz ihres Handelns und Unterlassens im Umgang mit den Pflegekindern gewußt, ist als Element des Tötungsvorsatzes (sog. Wissenselement) von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Soweit die Revisionen sich hiergegen wenden, suchen sie lediglich ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen. Damit können sie nicht durchdringen, weil die Bewertung des Landgerichts hierzu tragfähig ist. Sie weist weder Widersprüche noch Lücken auf; auch verstößt sie nicht gegen die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze. Im wesentlichen stützt sich das Landgericht auf die in der Schlußphase für jedermann erkennbare todbringende Auszehrung der Pflegekinder, die die Angeklagten in ihrem Haushalt vor Augen hatten. Auch der Angeklagte K. R. hatte beim Baden den unbekleideten Körper des Ale. Anfang
Oktober 1997 zu Gesicht bekommen. Das Landgericht geht weiter davon aus, daß dieser Zustand der Pflegekinder den Angeklagten auch deshalb nicht verborgen geblieben sein kann, weil sie ihre eigenen Kinder, von denen zwei nur wenig älter waren, vorbildlich versorgt hätten. Überdies hat das Landgericht darauf abgestellt, daß die Angeklagten sich aus ihrem sozialen Umfeld zurückzogen und intensive Abschottungsbemühungen bis hin zur Abmeldung der Pflegekinder in Schule und Kindergarten sowie zur Ummeldung des Telefons entfalteten. Zudem hätten sie die Frage diskutiert, ob ein Arzt hinzugezogen werden solle. Bei alledem litten die Angeklagten nicht etwa unter Wahrnehmungsstörungen , wie die Strafkammer, sachverständig beraten, nachvollziehbar ausgeführt hat. Wenn sie auf dieser Grundlage und unter Hinweis auf die Lebenserfahrung den Schluß gezogen hat, die Angeklagten seien sich der tödlichen Konsequenz ihres Vorgehens bewußt gewesen, ist diese Folgerung möglich und beruht auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Dabei hat das Landgericht ersichtlich mitbedacht, daß die Angeklagte U. R. s taatlich geprüfte Kindererzieherin ist und der Angeklagte K. R. als ehemaliger Berufssoldat und als Student der Sozialpädagogik mit bereits absolvierten Praktika als Erzieher durchaus über entsprechende Erfahrungsgrundlagen verfügten. Ohne Erfolg beanstandet die Revision der Angeklagten U. R. in diesem Zusammenhang die Würdigung der Aussage des 13jährigen Zeugen F. R. , eines leiblichen Sohnes der Angeklagten. Die Bewertung dieser Aussage ist nicht deshalb lückenhaft, weil das Landgericht nicht ausdrücklich erwogen hat, ob F. R. auf einen entsprechenden Vorhalt nur deswegen - unzutreffend - von einem Gespräch seiner Eltern über das Herbeiholen ärztlicher Hilfe berichtet haben könnte, weil er die Eltern in einem möglichst günstigen Licht habe erscheinen lassen wollen. Die Strafkammer hat die Bekundung
des Kindes F. R. nicht etwa unkritisch übernommen. Sie hat vielmehr darauf abgehoben, daß die Angeklagten selbst diesen Angaben ihres Sohnes in der Hauptverhandlung nicht widersprochen haben, obwohl gerade der in Rede stehende Teil seiner Aussage thematisiert worden sei. Unter diesen Umständen läßt die von der Revision vermißte Erwägung die Beweiswürdigung zur Aussage des F. R. nicht als lückenhaft erscheinen. 2. Gegen die vom Landgericht festgestellte Verdeckungsabsicht der Angeklagten ist von Rechts wegen nichts zu erinnern.
a) Die Verdeckungsabsicht steht nicht im Widerspruch zu einem nur bedingten Tötungsvorsatz der Angeklagten. Das Landgericht hat nicht ausdrücklich hervorgehoben, von welchem Vorsatzgrad der Angeklagten es ausgeht. Der Zusammenhang der Urteilsgründe bietet Anhalt sowohl für die Annahme direkten wie auch bedingten Tötungsvorsatzes. So führt das Landgericht aus, die Angeklagten hätten den sicheren Tod des Pflegekindes "akzeptiert"; "im Bewußtsein der tödlichen Konsequenz" ihres Vorgehens hätten sie die Kinder abgeschottet und auch deren Besuch beim Arzt vermieden. Im Rahmen der Straffindungserwägungen formuliert die Strafkammer allerdings, die Angeklagten hätten in Kenntnis der tödlichen Gefahr "bewußt an ihrer Entscheidung festgehalten, Ale. sterben zu lassen". Letzteres deutet auf direkten Tötungsvorsatz hin, ohne daß sich die Strafkammer jedoch mit der Abgrenzung ausdrücklich auseinandergesetzt hätte. Die Frage kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, weil auch die Annahme nur bedingten Tötungsvorsatzes hier einen Widerspruch zur Verdeckungsabsicht nicht begründen würde.
Der Bundesgerichtshof hat wiederholt entschieden, daß die Annahme von bedingtem Tötungsvorsatz und von Verdeckungsabsicht sich nicht stets widersprechen (BGHSt 21, 283, 284 f.; 41, 358, 359 ff.; BGH NJW 1988, 2682; 1992, 583, 584; StV 2000, 74, 75). Anders verhält es sich nur dann, wenn die vom Täter erstrebte Verdeckung einer Straftat nach seiner Vorstellung nur durch den Tod des Opfers erreicht werden kann. Dann können widerspruchsfrei nur direkter Tötungsvorsatz und Verdeckungsabsicht miteinander einhergehen. Ist der Tod des Opfers hingegen aus Sicht des Täters nicht unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Verdeckung seiner Täterschaft hinsichtlich einer anderen Straftat, so kann das von Verdeckungsabsicht bestimmte Vorgehen des Täters ohne weiteres mit einer nur möglichen, aber gebilligten Todesfolge zusammentreffen, ohne daß darin ein denkgesetzlicher Widerspruch läge (vgl. Jähnke in LK 10. Aufl. § 211 Rdn. 24). So aber lag es hier. Das Landgericht ist - wie der Zusammenhang der Urteilsgründe ergibt - davon ausgegangen, daß die Maßnahmen der Angeklagten zur Verdeckung der Mißhandlung ihrer Pflegekinder (Abschotten, Unterlassen ärztlicher Hilfe) nach ihrer Vorstellung erfolgversprechend waren. Die Verdeckung der Erziehungspraktiken und Mißhandlungen war bereits über einen längeren Zeitraum hinweg gelungen, in dem die Angeklagten gegenüber Außenstehenden immer neue Erklärungen und Ausreden für die Verhältnisse erfanden und die Kinder selbst sich gegenüber Dritten weitgehend ausschwiegen. Infolge der Mißhandlung durch Nahrungsentzug und Strafen hatten sie gelernt, alle Gebote und Verbote der Angeklagten strikt einzuhalten. Sie "parierten" schon, wenn die Angeklagte U. R. auch nur "mit den Augen rollte". Dementsprechend gingen die Angeklagten, wie der Zusammenhang der Urteilsgründe ergibt, davon aus, daß ihre Mißhandlungen durch ihre Maßnahmen unentdeckt bleiben würden, und zwar auch für den Fall des Weiterlebens
der Pflegekinder, ebenso aber auch für den Fall ihres Sterbens; für den Fall des tödlichen Ausganges gingen sie zudem davon aus, diesen "irgendwie vertuschen" zu können.
b) Der Annahme von Verdeckungsabsicht steht nicht entgegen, daß die Angeklagten in der Todesnacht des Pflegekindes Ale. doch noch den Notarzt alarmierten, der das Kind erfolglos zu reanimieren versuchte. Über die Ursachen für den Zustand des Kindes suchte der Angeklagte K. R. auch den Notarzt mit Ausreden zu täuschen; die weitere Verdeckung gelang indes nicht mehr; wegen "unnatürlicher Todesursache" schaltete die Rettungsleitstelle die Kriminalpolizei ein.
c) Die Würdigung des Landgerichts zur Verdeckungsabsicht der Angeklagten ist schließlich nicht deshalb zu beanstanden, weil die Angeklagten für den Fall des Todes eines der Pflegekinder keinen konkreten Plan für die Verdeckung der Todesursache oder die Beseitigung der Leiche hatten. Dieser Umstand läßt die Beweiswürdigung des Landgerichts auch insoweit weder als lückenhaft noch als widersprüchlich erscheinen; sie verstößt auch nicht gegen Denkgesetze oder allgemein gültige Erfahrungssätze. Nach den Feststellungen hofften die Angeklagten im Wissen um den tödlichen Ausgang ihres Vorgehens, diesen irgendwie vertuschen zu können, da ihnen auch bis dahin niemand auf die Spur gekommen war. Die Gedanken, wie sie etwa die Leiche beseitigen oder deren Zustand den Behörden erklären sollten, verdrängten sie. Sie handelten "von jetzt auf nachher". Diese "relative Planlosigkeit" für den Fall des letalen Ausganges ändert nichts daran, daß das Tun und Lassen der Angeklagten von der Fortführung ihrer rohen Erziehungspraktiken und von den Bemühungen zur Verdeckung der
Mißhandlung ihrer Pflegekinder bestimmt war. Überdies liegt auf der Hand, daß im Falle des Todeseintritts mögliche etwaige weitere Verdeckungsbemühungen innerhalb ihrer Großfamilie situationsabhängig und schon deshalb nicht verläßlich planbar gewesen wären. Wenn die Angeklagten sie deshalb nicht von vornherein festlegten, die Frage stattdessen verdrängten und ersichtlich darauf vertrauten, gegebenenfalls lageangepaßt reagieren zu können, so steht das der Annahme von Verdeckungsabsicht nicht zwingend entgegen. Es läßt ihre Verdeckungsbemühungen auch nicht als von vornherein untauglich oder völlig ungeeignet erscheinen. 3. Entgegen der Ansicht der Revision der Angeklagten U. R. ist auch die nach § 211 Abs. 2 StGB erforderliche Verknüpfung zwischen der - möglicherweise nur bedingt vorsätzlichen - Tötung des Pflegekindes Ale. und der Verdeckungsabsicht gegeben. Der Senat war bereits früher mit der Auslegung dieses im Tatbestand angelegten Verknüpfungserfordernisses befaßt (BGHSt 41, 358 ff.). Danach muß das Mittel der Verdeckung, also der vom Täter in Gang gesetzte Ursachenverlauf , der dazu dienen soll, die vorangegangene Straftat nicht offenbar werden zu lassen, zugleich (vorsätzlich) zum Tod eines Menschen führen (BGHSt aaO S. 360). Nach diesem aus dem Gesetzestext abgeleiteten Verständnis kommt es also darauf an, welches Motiv den Täter bei seinem als Tötung eines Menschen eingestuften Handeln bestimmt hat. Hier ist hinsichtlich der gegebenen Anknüpfungspunkte zu differenzieren : Das fortgesetzte Hungernlassen der Pflegekinder als solches diente nicht der Verdeckung der Mißhandlungen. In ihm schlug sich allein die Fortführung der rohen, quälerischen Erziehungspraxis der Angeklagten nieder. Anders verhält es sich hingegen mit dem strikten Abschotten der Pflegekinder, vor allem
mit dem Unterlassen des (rechtzeitigen) Herbeirufens ärztlicher Hilfe. Nach den Feststellungen des Landgerichts unterließen sie es, Ale. mit ärztlicher Hilfe zu retten, weil es ihnen darauf ankam, die jahrelange Mißhandlung weiter zu verbergen, die dadurch nicht nur bei Ale. , sondern auch bei den anderen Pflegekindern aufgedeckt worden wäre. An anderer Stelle des Urteils heißt es, aus Angst vor Entdeckung hätten sie keine ärztliche Hilfe geholt. Um sich der Strafverfolgung zu entziehen, hätten sie dem Pflegekind Ale. die erforderliche medizinische Versorgung verwehrt. Darüber hinaus haben sie die Pflegekinder im Haus verborgen gehalten, damit niemand auf deren Zustand aufmerksam wurde. Dieses - wenigstens bedingt vorsätzlich - zum Tode führende bewußte Unterlassen ärztlicher Hilfe bezweckte mithin zugleich die Verdeckung der vorangegangenen Mißhandlungen ihrer Schutzbefohlenen. In dem verdeckungsgerichteten Unterlassen hat das Landgericht eine Ursache für den Todeseintritt gesehen. Das genügt für die vom Tatbestand vorausgesetzte Verknüpfung zwischen Tötung und Verdeckungsabsicht. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, daß die Angeklagten den körperlichen Zustand des Opfers, der ärztliches Eingreifen gebot, selbst erst durch - für sich gesehen nicht verdeckungsgerichtetes - Hungernlassen und Quälen der Pflegekinder herbeigeführt haben. Dies begründete unter dem Gesichtspunkt der Ingerenz lediglich einmal mehr ihre Garantenstellung. Im übrigen können mit der Verdeckungsabsicht bei Verdeckungsmaßnahmen auch andere Zwecke - hier die rohe Erziehungspraxis - zusammentreffen (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1976, 15; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT Teilband 1 § 2 III Rdn. 36). Daß die Verdeckung und Tötung desAle. insoweit durch ein Unterlassen der Angeklagten erfolgte, ändert im Ergebnis ebenfalls nichts. Zu
Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, daß das Unterlassen der Verwirklichung des Tatbestandes durch positives Tun hier entspricht (§ 13 Abs. 1 StGB; vgl. zum Verdeckungsmord durch Unterlassen Jähnke in LK 10. Aufl. § 211 Rdn. 22 m.w.Nachw.; Eser in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 211 Rdn. 35; siehe auch Horn in SK StGB § 211 Rdn. 68, 69 unter Aufgabe seiner früheren Auffassung). 4. Im Ergebnis ohne Rechtsfehler hat das Landgericht auch einen strafbefreienden Rücktritt vom Mordversuch verneint. Die Angeklagten hatten ihr pflichtwidriges Unterlassen, an das hier anzuknüpfen ist, noch vor der Vollendung der Tat aufgegeben. Der Angeklagte K. R. alarmierte um 0.44 Uhr in der Todesnacht - nach Eintritt des Atemstillstandes bei Ale. - den Notarzt. Dieser traf um 0.50 Uhr ein und mußte schließlich um 1.33 Uhr den Eintritt des Todes feststellen. Nach einer in der Literatur verbreiteten Ansicht wäre bei dieser Sachlage auf den sog. Rücktrittshorizont des Angeklagten abzustellen gewesen, weil beim unbeendeten Versuch eines unechten Unterlassungsdelikts das Risiko der Erfolgsabwendung durch letztlich doch noch pflichtgemäßes Handeln des Täters nicht von diesem zu tragen sein soll (vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 24 Rdn. 27 ff., insbesondere Rdn. 30; Vogler in LK 10. Aufl. § 24 Rdn. 142; siehe auch die Übersicht bei Wessels/Beulke, Strafrecht AT 28. Aufl. Rdn. 743 bis 745 m.w.Nachw.). Hierzu verhält sich das Urteil nicht. Das erweist sich aber als unschädlich, weil die Rücktrittsvoraussetzungen beim Versuch des Unterlassungsdelikts entgegen der zitierten Ansicht dieselben sind wie beim beendeten Versuch des Begehungsdeliktes (so schon mit näherer Begründung BGH StV 1998, 369). Damit wird in den Fällen des Erfolgseintritts trotz Rücktrittsbemühungen dem Grundsatz Rechnung getragen, strafbefreienden Rücktritt vom Versuch nur dann anzunehmen , wenn es beim Versuch geblieben ist (vgl. Vogler in LK aaO § 24
Rdn. 149). In Fällen wie diesem trägt daher grundsätzlich der Täter das Risiko, daß trotz eines Rücktritts der tatbestandliche Erfolg eintritt (so auch Rudolphi in SK vor § 13 Rdn. 56). Denn der Grund der Strafbefreiung wurzelt letztlich in der freiwilligen Ä nderung der Verhaltensrichtung, weil und solange der Täter alle unerlaubten Risiken noch sicher in der Hand hat (siehe dazu Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 24 Rdn. 2; Jakobs ZStW Bd. 104, 82, 104; für eine angemessene Verteilung des Risikos für den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges bei nachträglicher Pflichterfüllung auch Eser in Schönke/Schröder aaO § 24 Rdn. 27). Nach allem kann offen bleiben, ob die Alarmierung des Notarztes angesichts erwachter anderer Kinder als freiwillig zu werten gewesen wäre und ob dieses Verhalten vollen Umfangs der Garantenstellung gerecht wurde. Letzteres müßte fraglich erscheinen, weil die Angeklagten den Notarzt und den nachalarmierten Oberarzt der Kinderklinik nicht über die wirklichen Ursachen des Zustandes des Pflegekindes Ale. unterrichteten. Maul Granderath Wahl Boetticher Schluckebier

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.