Bundesgerichtshof Urteil, 10. Jan. 2018 - 2 StR 76/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:100118U2STR76.17.0
bei uns veröffentlicht am10.01.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 76/17
vom
10. Januar 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Betrug
ECLI:DE:BGH:2018:100118U2STR76.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 6. Dezember 2017 in der Sitzung am 10. Januar 2018, an denen teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach, Zeng, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, Richter am Bundesgerichtshof Schmidt,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung, Staatsanwalt bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung als Verteidiger,
Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 14. September 2016 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hatte den Angeklagten in einem ersten Urteil wegen Beihilfe zum Betrug in zehn tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Nach Aufhebung dieses Urteils und Zurückverweisung der Sache durch Senatsbeschluss vom 2. September 2015 – 2 StR49/15 – (StV 2016, 272 f.) hat das Landgericht den Angeklagten nunmehr wegen Beihilfe zum Betrug in neun tateinheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel ist unbegründet.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der frühere Mitangeklagte W. ein Unternehmen, das Kunden größere Darlehen ohne Kreditsicherheiten und Bonitätsprüfung in Aussicht stellte. Die Vergabe der Darlehen sollte angeblich nur von der Zahlung einer Bearbeitungsgebühr abhängig sein. Tatsächlich hatte W. weder die Absicht noch eine Möglichkeit dazu, entsprechende Darlehen zu gewähren. Es ging ihm nur darum, im Rahmen eines Schneeballsystems eine sogenannte Bearbeitungsgebühr zu kassieren. Der Angeklagte, der früher selbst von W. betrogen worden war, und der frühere Mitangeklagte N. unterstützten die betrügerischen Machenschaften insbesondere dadurch, dass sie in Kenntnis der Täuschung solche Kunden hinhielten, welche die Darlehensauszahlung anmahnten. Bisweilen kam es dazu, dass der Angeklagte Telefongespräche führte, die von anwesenden Kunden mitgehört werden konnten. Dabei wurde ihnen mitunter ein „Theaterstück“ eines Gesprächs mit einem angeblich angerufenen „Banker G. “ über ausstehende Darlehenszahlungen vorgespielt. W. spielte dabei die Rolle des angeblich zur bevorzugten Behandlung des das Telefonat mithörenden Darlehenskunden bereiten Bankiers.

II.

3
Die Revision ist im Wesentlichen bereits aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift genannten Gründen unbegründet. Der Erörterung bedarf nur eine Verfahrensrüge. Damit macht der Beschwerdeführer die Fehlerhaftigkeit der Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs des Angeklagten gegen den Vorsitzenden der Strafkammer als unzulässig wegen Verspätung im Sinne von § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO geltend.
4
1. Dem lag Folgendes zugrunde:
5
Am ersten Verhandlungstag hatte der Vorsitzende gegenüber dem Verteidiger geäußert, der Angeklagte könne ein Geständnis ablegen. Aufgrund des Zeitablaufs könne die Strafe dann etwas geringer als im ersten Urteil ausfallen. Falls kein Geständnis abgelegt werde, könne das Gericht das erste Urteil prak- tisch „abschreiben“. Daraufhin hatte der Verteidiger auf seine Ausführungen zur Sachrüge gegen das erste Urteil verwiesen. Der Vorsitzende hatte erwidert, der Angeklagte könne auch freigesprochen werden. Die Hauptverhandlung könnte dann sieben Tage oder länger andauern. Das Gericht habe ein „Heimspiel“. Der Verteidiger hatte dazu bemerkt, dass der Angeklagte kein Geständnis ablegen werde.
6
Am zweiten Tag der Hauptverhandlung, dem 16. März 2016, vernahm das Gericht unter anderem den Zeugen F. . Nach der Entlassung dieses Zeugen erklärte der Vorsitzende gegenüber dem Verteidiger: „Sie können sich überlegen, ob Sie ein Geständnis ablegen. Das mit dem Banker G. macht nur Sinn, wenn er Dreck am Stecken hat.“ Der Verteidiger erwiderte, er selbst könne kein Geständnis ablegen, weil er beim Tatgeschehen nicht anwesend gewesen sei. Dazu bemerkte der Vorsitzende, er könne sich doch nur an ihn, den Verteidiger, wenden, weil der Angeklagte sich nicht zur Sache äußere.
7
Nach diesem Wortwechsel erschien der Zeuge N. , der über seine Zeugenpflichten belehrt und vernommen wurde. Im Anschluss an die Entlassung dieses Zeugen entstand im Sitzungssaal von 11.07 bis 11.21 Uhr eine Pause, bis der Zeuge W. vorgeführt wurde. Der Verteidigerbeantragte hiernach eine Unterbrechung der Hauptverhandlung für 45 Minuten, um „einen unaufschiebbaren Antrag“ zu stellen. Daraufhin wurde der Zeuge W.
wieder abgeführt und die Hauptverhandlung von 11.24 bis 13.01 Uhr unterbrochen. Dann stellte der Verteidiger für den Angeklagten einen Ablehnungsantrag. Darin machte er die genannte Äußerung des Vorsitzenden zum Ableh- nungsgrund: „Das mit dem Banker G. macht nur Sinn, wenner Dreck am Stecken hat“. Er erläuterte, diese Äußerung werde vom Angeklagten auch vor dem Hintergrund der Äußerung des Vorsitzenden vom ersten Verhandlungstag bewertet, das Gericht könne das erste Urteil praktisch „abschreiben“. Diese Er- klärungen sehe er ferner im Zusammenhang mit der Bemerkung, das Gericht habe ein „Heimspiel“. Der Angeklagte habe unter Zurückstellung von Bedenken die Äußerungen des Vorsitzenden am ersten Verhandlungstag noch nicht zum Anlass genommen, die Besorgnis der Befangenheit geltend zu machen. Seine Hoffnung, es habe sich nur um eine missverständliche Formulierung gehandelt, sei jedoch enttäuscht worden. Er gehe davon aus, dass der Vorsitzende Druck auf ihn ausüben wolle, damit er ein Geständnis ablege.
8
Zu Beginn des nächsten Sitzungstages verkündete der Vorsitzende den Gerichtsbeschluss: „Die Ablehnung wird als unzulässig verworfen, weil sie verspätet, nämlich nicht bis zum Beginn [der Vernehmung] des Zeugen N. , geltend gemacht worden ist. Das Ablehnungsgesuch hätte bis zur Vernehmung dieses Zeugen erfolgen müssen. Nach der Vernehmung des Zeugen F. entstand eine Pause, während dieser der Zeuge N. aus den Haftzellen vorgeführt werden musste. In dieser Zeit hätten der Angeklagte und sein Verteidiger eine Unterbrechung – wie sie es nach der Vernehmung des Zeugen N. getan haben – beantragen können, um das aus ihrer Sicht erforderliche Ablehnungsgesuch formulieren zu können. Das war nicht der Fall. Vielmehr haben der Angeklagte und sein Verteidiger die Vernehmung des Zeugen N. abgewartet.“
9
2. Die Rüge nach § 338 Nr. 3 StPO ist unbegründet.
10
a) Gemäß § 338 Nr. 3 StPO ist das Urteil unter anderem dann als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, wenn bei dem Urteil ein Richter mitgewirkt hat, nachdem das Ablehnungsgesuch mit Unrecht verworfen worden ist. Mit Unrecht verworfen ist das Ablehnungsgesuch vor allem, wenn es zulässig und sachlich begründet war. Eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG kann im Einzelfall allerdings auch vorliegen, wenn das Tatgericht über das Ablehnungsgesuch fehlerhaft in der Besetzung mit dem abgelehnten Richter entschieden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 2005 – 5 StR 180/05, BGHSt 50, 216, 218). Der Beschwerdeführer hat jedoch nur vorgetragen , die Strafkammer sei zu Unrecht von einer Verspätung der Richterablehnung im Sinne von § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO ausgegangen. Eine solche Entscheidung über die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs als unzulässig hätte indes sowohl von der Strafkammer in der Besetzung mit dem abgelehnten Richter (§ 26a Abs. 2 Satz 1 StPO) und den Schöffen (BGH, Beschluss vom 9. September 2014 – 5 StR 53/14, NStZ 2015, 175) als auch von der Strafkammer in der Besetzung mit drei Berufsrichtern ohne den abgelehnten Richter (§ 27 Abs. 1 StPO) und ohne Schöffen (§ 76 Abs. 1 Satz 2 GVG) erlassen werden können. Dem Rügevorbringen ist nicht zu entnehmen, in welcher Besetzung die Strafkammer entschieden hat. Die Verfahrensbeanstandung ist vielmehr auf die Rüge beschränkt, das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, das Ablehnungsgesuch sei nicht unverzüglich angebracht worden.
11
Mit dieser Zielrichtung ist die Rüge – entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts – im Sinne von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zulässig; denn der Beschwerdeführer hat alle Prozesstatsachen vorgetragen, die zur Beurteilung dieses begrenzten Revisionsangriffs erforderlich sind.
12
b) Es kann offen bleiben, ob das Landgericht zu Recht angenommen hat, das Ablehnungsgesuch sei entgegen § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO nicht unverzüglich angebracht worden. Jedenfalls hat die Strafkammer nicht willkürlich entschieden.
13
Willkür liegt nur vor, wenn die Entscheidung des Gerichts auf grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzes beruht und daher offensichtlich unhaltbar ist. Ebenso zu behandeln ist der Fall, dass das Gericht bei der Rechtsanwendung die Bedeutung und Tragweite des grundrechtsgleichen Rechts auf den gesetzlichen Richter grundlegend verkennt. Beides ist hier nicht der Fall.
14
Zu berücksichtigen ist nämlich, dass der Beschwerdeführer bereits am ersten Verhandlungstag Überlegungen im Hinblick auf eine Richterablehnung angestellt, dann aber zurückgestellt hatte. Am zweiten Verhandlungstag hatte er im Anschluss an die später beanstandete Äußerung des abgelehnten Vorsitzenden zuerst das Ende der Vernehmung des Zeugen N. undsodann das Ende der 14-minütigen Pause bis zur Vorführung des ZeugenW. verstreichen lassen, bevor er eine förmliche Unterbrechung der Hauptverhandlung zur Besprechung und Vorbereitung seines Ablehnungsgesuchs beantragt hat. Es folgte eine 97-minütige Unterbrechung der Hauptverhandlung; danach hat er das Ablehnungsgesuch angebracht. Ob die Richterablehnung dann noch unverzüglich im Sinne von § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO angebracht worden ist, ist zumindest zweifelhaft. Jedenfalls verletzt die entsprechende Annahme nicht Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
15
c) Der Senat kann danach offen lassen, ob das Ablehnungsgesuch tatsächlich verspätet war. Ist keine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG im Ablehnungsverfahren festzustellen, hat das Revisionsgericht nach Beschwer- degrundsätzen über das Ablehnungsgesuch zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 29. August 2006 – 1 StR 371/06, NStZ 2007, 161, 162; Senat, Beschluss vom 27. August 2008 – 2 StR 261/08, NStZ 2009, 223, 224; Beschluss vom 12. Dezember 2008 – 2 StR 479/08, NStZ-RR 2009, 142; MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 338 Rn. 28). Diese Prüfung führt zu dem Ergebnis, dass die Richterablehnung durch den Beschwerdeführer jedenfalls unbegründet ist und deshalb nicht mit Unrecht verworfen wurde. Der Hinweis des abgelehnten Vorsitzenden an den Verteidiger: „Sie können sich überlegen, ob Sie ein Geständnis ablegen. Das mit dem Banker G. macht nur Sinn, wenn er Dreck am Stecken hat“, rechtfertigte im Ergebnis nicht die Besorgnis, er stehe dem Angeklagten nicht unvoreingenommen gegenüber.
16
aa) Die Besorgnis der Befangenheit eines Richters ist bei dem Ablehnenden berechtigt, wenn er bei einer verständigen Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, welche die gebotene Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (BGH, Urteil vom 10. November 1967 – 4 StR 512/66, BGHSt 21, 334, 341). Maßstab für die Beurteilung dieser Voraussetzungen ist ein „vernünftiger“ (BGH, Urteil vom 13. März 1997 – 1 StR 793/96, BGHSt 43, 16, 18) oder „verständiger“ Angeklagter (BGH, Beschluss vom 8. März 1995 – 5 StR 434/94, BGHSt 41, 69, 71). Aus der Verhandlungsführung des abgelehnten Richters kann sich im Einzelfall ein berechtigtes Misstrauen in dessen Unvoreingenommenheit ergeben, wenn er den Angeklagten bedrängt, zur Sache auszusagen oder ein Geständnis abzulegen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2007 – 3 StR 132/07, NStZ 2007, 711, 712). Nicht zu beanstanden ist es hingegen, wenn der Vorsitzende, gegebenenfalls auch in nachdrücklicher Form, auf das nach dem gegebenen Sachstand zu erwartende Verfahrensergebnis hinweist oder die Bedeutung eines Geständnisses für die Strafzumessung hervorhebt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1997 – 3 StR 441/97, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 12; Urteil vom 2. März 2004 – 1 StR 574/03, NStZ-RR 2004, 208, 209).
17
bb) Gemessen hieran erweist sich das Ablehnungsgesuch als unbegründet.
18
Die beanstandete Äußerung des Vorsitzenden begründet unter den hier gegebenen Umständen des Einzelfalls nicht die Besorgnis der Befangenheit. Zwar hat der Vorsitzende mit seiner an den Verteidiger adressierten Bemerkung dem Angeklagten nahe gelegt, ein Geständnis abzulegen. Der diese Anregung erläuternde Hinweis, „das mit dem Banker G. mache nur Sinn, wenn er Dreck am Stecken“ habe, nahm ersichtlich auf die nach Aktenlage bestehende Beweislage Bezug und erscheint – ungeachtet der unangemessen anmutenden Wortwahl – vor dem Hintergrund des Verfahrensstands noch als nachvollziehbar ; der Angeklagte war in einem ersten Durchgang – maßgeblich auf der Grundlage der Angaben des Zeugen W. , der die Taten sowie die Beteiligung des Angeklagten an ihnen einschließlich des vom Vorsitzenden ange- sprochenen „Theaterstücks“ geschildert hatte – als Mittäter verurteilt worden.
19
Vor diesem Hintergrund war die Äußerung des Vorsitzenden als eine vorläufige Bewertung der Beweislage zu verstehen und deutete weder für sich genommen noch im Hinblick auf die vorangegangenen Äußerungen des Vorsitzenden auf eine Vorfestlegung hin.
20
Eine vorläufige Bewertung der Sach- und Rechtslage durch einen Richter ist grundsätzlich nicht zu beanstanden (BGH, Urteil vom 14. April 2011 – 4 StR 571/10, NStZ 2011, 590, 591 mwN). Liegt eine erdrückende Beweislage vor, kann der Richter darauf und auf die verbleibenden Möglichkeiten einer sinnvollen Strafmaßverteidigung hinweisen, ohne seine Pflicht zur Neutralität und Objektivität zu verletzen. Nur in diesem Sinn sind die beanstandeten Bemerkungen hier auch in der Gesamtschau zu verstehen. Ein Hinweis auf das aktuelle Vorliegen einer erdrückenden Beweislage lässt schließlich nicht besorgen, dass andere Verteidigungsmittel als ein Geständnis nicht mehr berücksichtigt werden würden, wenn sie später vorgebracht würden; dass dies geschehen sei, hat die Revision im Übrigen nicht behauptet. Krehl Eschelbach Zeng Bartel Schmidt

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 10. Jan. 2018 - 2 StR 76/17

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Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 101


(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 338 Absolute Revisionsgründe


Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswid
Bundesgerichtshof Urteil, 10. Jan. 2018 - 2 StR 76/17 zitiert 10 §§.

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Strafprozeßordnung - StPO | § 24 Ablehnung eines Richters; Besorgnis der Befangenheit


(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. (2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt,

Strafprozeßordnung - StPO | § 26a Verwerfung eines unzulässigen Ablehnungsantrags


(1) Das Gericht verwirft die Ablehnung eines Richters als unzulässig, wenn 1. die Ablehnung verspätet ist,2. ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht oder nicht innerhalb der nach § 26 Absatz 1 Satz 2 bestimmten Frist angege

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 76


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Strafprozeßordnung - StPO | § 25 Ablehnungszeitpunkt


(1) Die Ablehnung eines erkennenden Richters wegen Besorgnis der Befangenheit ist bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse, in der Hauptverhandlung über die Berufung oder die Revision bis zum Beginn de

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(1) Die Ablehnung eines erkennenden Richters wegen Besorgnis der Befangenheit ist bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse, in der Hauptverhandlung über die Berufung oder die Revision bis zum Beginn des Vortrags des Berichterstatters, zulässig. Ist die Besetzung des Gerichts nach § 222a Absatz 1 Satz 2 schon vor Beginn der Hauptverhandlung mitgeteilt worden, so muss das Ablehnungsgesuch unverzüglich angebracht werden. Alle Ablehnungsgründe sind gleichzeitig vorzubringen.

(2) Im Übrigen darf ein Richter nur abgelehnt werden, wenn

1.
die Umstände, auf welche die Ablehnung gestützt wird, erst später eingetreten oder dem zur Ablehnung Berechtigten erst später bekanntgeworden sind und
2.
die Ablehnung unverzüglich geltend gemacht wird.
Nach dem letzten Wort des Angeklagten ist die Ablehnung nicht mehr zulässig.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Ein Ablehnungsgesuch ist auch dann im Sinne von § 338
Nr. 3 StPO „mit Unrecht verworfen“, wenn die unter Mitwirkung
des abgelehnten Richters beschlossene Verwerfung
gemäß § 26a StPO als unzulässig auf einer willkürlichen
oder die Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG
grundlegend verkennenden Rechtsanwendung beruht; auf
die sachliche Berechtigung der Ablehnungsgründe kommt
es in diesem Fall nicht an (Abkehr von BGHSt 23, 265;
im Anschluss an BVerfG [Kammer], Beschluss vom
2. Juni 2005 – 2 BvR 625 und 638/01).
BGH, Beschluss vom 10. August 2005 – 5 StR 180/05
LG Hamburg-

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 10. August 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. August 2005

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 17. August 2004 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten – unter Einbeziehung verschiedener Einzelfreiheitsstrafen aus einer vorangegangenen Verurteilung – wegen Vergewaltigung (Einsatzfreiheitsstrafe sechs Jahre) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
1. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
a) Der Angeklagte hat den Vorsitzenden der Strafkammer wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Er hat seine Ablehnung auf die Mitwirkung des Richters in einem vorangegangenen Verfahren gegen einen anderen Angeklagten unter anderem wegen weiterer Vergewaltigungen desselben Opfers und wegen Menschenhandels gestützt: Der Richter habe aufgrund der Angaben der in beiden Verfahren als Hauptbelastungszeugin auftretenden Geschädigten Feststellungen zu dem Vorwurf des hiesigen Verfahrens – einer zuvor verübten Vergewaltigung – getroffen, die nach Auffassung des Angeklagten in jenem Verfahren nicht zwingend erforderlich gewesen wären.
Aufgrund des Ausmaßes der vorangegangenen Festlegung zum Tatgeschehen sowie zur Glaubwürdigkeit der Zeugin gebe es für den Angeklagten begründeten Anlass, an der Unparteilichkeit des Richters zu zweifeln. Die Feststellungen im Vorverfahren zum Tatvorwurf im hiesigen Verfahren stünden weder notwendig noch untrennbar mit den zuvor verhandelten Vorwürfen gegen den damaligen Angeklagten in Zusammenhang, so dass ein Sonderfall vorliege, der ausnahmsweise die Ablehnung wegen Vorbefassung rechtfertige.

b) Die Strafkammer hat das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO als unzulässig verworfen : Die angegebene Begründung sei aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet, was dem Fehlen einer Begründung im Sinne von § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO gleichstehe; für einen in der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefall vom Grundsatz, dass eine Vorbefassung die Besorgnis der Befangenheit regelmäßig nicht begründe, gebe es keinerlei Anhaltspunkte.
2. Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO liegt vor. Bei dem angegriffenen Urteil hat ein Richter mitgewirkt, nachdem ein gegen ihn gerichtetes Ablehnungsgesuch mit Unrecht verworfen wurde. Die Strafkammer durfte nicht nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO verfahren; damit hat sie die Grenzen dieser Norm in einer die Anforderungen von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennenden Weise überschritten.

a) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war bislang anerkannt , dass die fehlerhafte Ablehnung eines Ablehnungsgesuchs als unzulässig gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO für sich keinen absoluten Revisionsgrund nach § 338 Nr. 3 StPO eröffnet, sondern das Revisionsgericht auch in diesen Fällen nach Beschwerdegrundsätzen prüft, ob das Ablehnungsgesuch in der Sache begründet war oder nicht (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 18, 200, 203; 23, 265; BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 1, 3, 9). Mit dem Gene- ralbundesanwalt, der seinen Antrag nach § 349 Abs. 2 StPO vor der nachfolgend genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gestellt hat, liegt es nahe anzunehmen, dass das in Frage stehende Ablehnungsgesuch als unbegründet zu bewerten gewesen wäre und die entsprechende Rüge der Revision deshalb nach dem Maßstab der bisherigen Rechtsprechung nicht zum Erfolg verholfen hätte.
Diese Rechtsprechung kann indes nicht mehr in vollem Umfang aufrecht erhalten werden. Ein Ablehnungsgesuch ist jedenfalls auch dann im Sinne von § 338 Nr. 3 StPO „mit Unrecht verworfen“, wenn die unter Mitwirkung des abgelehnten Richters beschlossene Verwerfung gemäß § 26a StPO als unzulässig auf einer willkürlichen oder die Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennenden Rechtsanwendung beruht; auf die sachliche Berechtigung der Ablehnungsgründe kommt es in diesem Fall nicht an.
aa) Nach der Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Juni 2005 – 2 BvR 625 und 638/01 – (vgl. auch schon BVerfG [Kammer ] StraFo 2005, 109; BGH NStZ 2005, 218, 219) darf die Anwendung von § 26a StPO nicht dazu führen, dass der abgelehnte Richter sein eigenes Verhalten beurteilt und damit „Richter in eigener Sache“ wird. Werden die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO in sachlich nicht nachvollziehbarer Weise dahingehend ausgelegt, dass das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters in der Sache auf seine Begründetheit überprüft wird, entzieht dies dem Beschuldigten im Ablehnungsverfahren seinen gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Zugleich kann ein solches Vorgehen den Anspruch des Beschuldigten auf Wahrung rechtlichen Gehörs verletzen (BVerfG [Kammer], Beschluss vom 2. Juni 2005 – 2 BvR 625 und 638/01).
bb) Ist ein Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters (§ 26a Abs. 2 Satz 1 StPO) als unzulässig verworfen worden, darf das Revisionsgericht sich demnach nicht darauf beschränken, die hypothetische Begründetheit des Ablehnungsgesuchs nach Beschwerdegrundsätzen (§ 28 Abs. 2 StPO) zu prüfen; vielmehr muss das Revisionsgericht zunächst darüber entscheiden, ob die Grenzen der Vorschrift des § 26a StPO, die den gesetzlichen Richter gewährleistet, eingehalten wurden (vgl. BVerfG aaO). Jedenfalls bei einer willkürlichen oder die Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG erheblich missachtenden Überschreitung des durch § 26a StPO abgesteckten Rahmens hat das Revisionsgericht – eine ordnungsgemäße Rüge des Verfahrensfehlers gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO vorausgesetzt – das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Tatgericht zurückzuverweisen (vgl. BVerfG aaO).
cc) Willkür in diesem Sinne liegt vor, wenn die Entscheidung des Gerichts auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts beruht und daher in der Sache offensichtlich unhaltbar ist. Ebenso zu behandeln ist der Fall, dass das Gericht bei der Rechtsanwendung Bedeutung und Tragweite des von der Verfassung garantierten Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) grundlegend verkennt. Ob ein solcher Fall vorliegt, kann nur anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.
dd) Für die Anwendung von § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO hat dies insbesondere folgende Konsequenzen: Grundsätzlich ist die Gleichsetzung eines Ablehnungsgesuchs, dessen Begründung aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet ist, mit einem Ablehnungsgesuch ohne Angabe eines Ablehnungsgrundes (§ 26a Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 StPO) – auch aus verfassungsrechtlicher Sicht – unbedenklich (BVerfG aaO; BGH NStZ 1999, 311). Entscheidend für die Abgrenzung zu „offensichtlich unbegründeten“ Ablehnungsgesuchen, die von § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO nicht erfasst und damit nach § 27 StPO zu behandeln sind (BGH StraFo 2004, 238; BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 9), ist die Frage, ob das Ablehnungsgesuch ohne nähere Prüfung und losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalls zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet ist (BVerfG aaO). Über diese bloß formale Prüfung hinaus darf sich der abgelehnte Richter nicht durch Mitwirkung an einer näheren inhaltlichen Prüfung der Ablehnungsgründe im Rahmen von Entscheidungen nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO zum „Richter in eigener Sache“ machen. Dabei muss die Auslegung des Ablehnungsgesuchs darauf ausgerichtet sein, es seinem Inhalt nach vollständig zu erfassen, um nicht im Gewande der Zulässigkeitsprüfung in eine Begründetheitsprüfung einzutreten (BVerfG aaO).
Bleiben bei der Abgrenzung Zweifel, ist einem Vorgehen nach § 27 StPO der Vorzug zu geben. Dieses hat zudem den Vorteil, dass der abgelehnte Richter durch seine dienstliche Stellungnahme gemäß § 26 Abs. 3 StPO mögliche Missverständnisse aus dem Weg zu räumen vermag. Das Fehlen einer Stellungnahme beim Vorgehen gemäß § 26a StPO kann bereits nach bisheriger Rechtsprechung der Revision nach § 338 Nr. 3 StPO zum Erfolg verhelfen, wenn es deshalb an einer Grundlage für die sachliche Überprüfung des Ablehnungsgesuchs mangelte (vgl. BGHSt 23, 200, 202 f.) oder das im Befangenheitsgesuch enthaltene tatsächliche Vorbringen der Revisionsentscheidung ohne weiteres zugrunde zu legen war (BGHR StPO § 338 Nr. 3 Revisibilität 1; BGH NStZ 2005, 218, 219).
ee) Nach diesen Kriterien unbedenklich ist die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs nach § 26a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 StPO, das lediglich damit begründet wird, der Richter sei an einer Vorentscheidung zu Lasten des Angeklagten – etwa Eröffnungsbeschluss, Haftentscheidungen, Zurückweisungen vorangegangener Ablehnungsgesuche, den Umfang der Beweisaufnahme bestimmende Beschlüsse, Urteil über dieselbe Tat gegen einen daran Beteiligten in einem abgetrennten Verfahren – beteiligt gewesen. Da eine solche Beteiligung an Vorentscheidungen im nämlichen und in anderen damit zusammenhängenden Verfahren von Strafprozessordnung und Ge- richtsverfassungsrecht ausdrücklich vorgesehen und vorausgesetzt wird, kann die Vorbefassung als solche – abgesehen von den in § 22 Nr. 4 und Nr. 5, § 23 und § 148a Abs. 2 Satz 1 StPO genannten Ausschließungstatbeständen – die Besorgnis der Befangenheit nicht begründen (vgl. BGHR StPO § 338 Nr. 3 Strafkammer 1, insoweit in BGHSt 43, 96 nicht abgedruckt). Auch (vermeintliche) Rechtsfehler bei der Vorentscheidung können für sich genommen eine Ablehnung nicht ohne weiteres rechtfertigen (BGH NStZ 1999, 311). Unzulässig wäre auch der Versuch, einen Streit über das Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme zum Gegenstand des Ablehnungsverfahrens zu machen, weil der Ort, um den entscheidungserheblichen Inhalt der Beweisaufnahme festzustellen, das Urteil ist (vgl. BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 10 m.w.N.). Wird das Ablehnungsgesuch allein auf solche Umstände der Vorbefassung gestützt, kann es ohne inhaltliche Prüfung als unzulässig nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO verworfen werden, weil eine solche Begründung aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet ist und dies dem Fehlen einer Begründung gleichsteht (BGH aaO).
Anders verhält es sich allerdings beim Hinzutreten besonderer Umstände , die über die Tatsache bloßer Vorbefassung als solcher und die damit notwendig verbundenen inhaltlichen Äußerungen sowie d ie übrigen genannten Aspekte hinausgehen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn Äußerungen in früheren Urteilen nach der Sachlage unnötige und sachlich unbegründete Werturteile über einen der jetzigen Angeklagten enthalten (BGHR StPO § 338 Nr. 3 Strafkammer 1, insoweit in BGHSt 43, 96 nicht abgedruckt) oder wenn ein Richter sich bei einer Vorentscheidung in sonst unsachlicher Weise zum Nachteil des Angeklagten geäußert hat (vgl. BGH StV 2002, 116; NStZ 2005, 218).
Allerdings darf auch hinsichtlich der hinzutretenden besonderen Umstände die Besorgnis der Befangenheit nur aus Tatsachen, nicht aus bloßen Vermutungen des Antragstellers abgeleitet werden (vgl. BGH NStZ 1998, 422, 424; StV 1996, 355); insbesondere haltlose Behauptungen ohne tatsächliche Grundlage können deshalb ein im übrigen allein auf Vorbefassung gestütztes Ablehnungsgesuch nicht zulässig begründen (vgl. BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 2). Unabhängig hiervon bleibt dem Tatrichter in jedem Fall die Möglichkeit unbenommen, die Verwerfung des Befangenheitsgesuchs auf § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO zu stützen, wenn mit haltloser Begründung versucht wird, das Institut der Richterablehnung als Druckmittel zur Durchsetzung genehmer oder Verhinderung unangenehmer Entscheidungen zu missbrauchen; gerade die völlige Abwegigkeit der Ablehnungsgründe kann die Sachfremdheit des angebrachten Gesuchs im Sinne von § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO deutlich machen (vgl. BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 7).
Für die Frage, ob auf Vorbefassung gestützte Ablehnungsanträge nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO als unzulässig verworfen werden können oder nach § 27 StPO zu behandeln sind, kommt es damit entscheidend darauf an, ob der Antragsteller neben der Vorbefassung und den damit notwendig einhergehenden inhaltlichen Aussagen besondere Umstände konkret vorträgt und glaubhaft macht (vgl. hierzu BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 2; BGH NStZ 1999, 311), die eine inhaltliche Prüfung erfordern und den abgelehnten Richter bei einer Beteiligung an der Entscheidung nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO deshalb zum „Richter in eigener Sache“ machen würden.

b) Den genannten Anforderungen aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wird die von der Revision gerügte Verwerfung des Befangenheitsgesuchs als unzulässig gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO nicht gerecht.
Das Ablehnungsgesuch hat gerade solche zur Vorbefassung hinzutretenden besonderen Umstände vorgetragen, die eine inhaltliche Prüfung erforderten. Die im vorangegangenen Verfahren unter maßgeblicher Mitwirkung des abgelehnten Richters getroffenen Festlegungen zum Tatbeitrag des Revisionsführers waren vom dortigen Verfahrensstoff nicht zweifelsfrei unbedingt erfordert (vgl. hierzu BGHR StPO § 338 Nr. 3 Strafkammer 1, insoweit in BGHSt 43, 96 nicht abgedruckt). Zudem ging es in beiden Verfahren entscheidend um die Frage der Glaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeugin. Beide Aspekte zusammen hätten eine inhaltliche Prüfung erfordert, ob diese Umstände ausnahmsweise geeignet sind, eine Besorgnis der Befangenheit wegen Vorbefassung zu begründen. Statt in einer dienstlichen Stellungnahme nach § 26 Abs. 3 StPO seine trotz der konkreten Vorbefassung verbliebene Offenheit für die Beurteilung der Schuldfrage in Bezug auf den Angeklagten herauszustellen und danach die Entscheidung über die Frage berechtigter Bedenken an seiner erforderlichen Unvoreingenommenheit nach § 27 StPO von anderen Richtern entscheiden zu lassen, hat sich der abgelehnte Richter mit dem Vorgehen nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO unter eigener Beteiligung zum „Richter in eigener Sache“ gemacht; damit sind im Verwerfungsbeschluss die Anforderungen aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt worden.

c) Bei derartigen Verfassungsverstößen im Ablehnungsverfahren obliegt es dem Revisionsgericht, diese durch Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen zu beheben. Nach der Systematik des Revisionsrechts ist eine solche Aufhebung und Zurückverweisung jedoch nicht isoliert in der Weise möglich, dass lediglich erneut über das Ablehnungsgesuch in der Besetzung des § 27 StPO entschieden werden könnte (missverständlich daher BVerfG aaO unter IV. 3. c am Ende). Vielmehr muss in Fällen, in denen der Angeklagte im Rahmen einer willkürlichen Verwerfung des Ablehnungsgesuchs nach § 26a StPO seinem gesetzlichen Richter entzogen wurde, der Anwendungsbereich des § 338 Nr. 3 StPO mit der Folge der Urteilsaufhebung auch dann eröffnet sein, wenn die Ablehnung womöglich sachlich nicht begründet gewesen wäre (vgl. Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 338 Rdn. 28).

d) Einer Divergenzvorlage nach § 132 Abs. 2 GVG bedarf es nicht. Die bisherigen entgegenstehenden Entscheidungen der übrigen Senate des Bundesgerichtshofs sind mit der genannten Entscheidung der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts überholt (vgl. Hannich in KK 5. Aufl. § 132 GVG Rdn. 8; vgl. auch BGHSt 44, 171, 173 zu § 121 GVG). Nach § 93c Abs. 1 Satz 2 BVerfGG steht die Kammerentscheidung der Entscheidung eines Senats des Bundesverfassungsgerichts gleich; ihr kommt damit auch die Bindungswirkung des § 31 Abs. 1 BVerfGG zu (vgl. BVerfG [Kammer] NJW 1991, 2821; Graßhof in Maunz/SchmidtBleibtreu /Klein/Bethge BVerfGG § 93c Rdn. 34). Demnach ist die rechtliche Grundlage der früheren anders lautenden Entscheidungen in Fällen wie dem vorliegenden entfallen (vgl. BGHSt 46, 17, 20).
Basdorf Häger Gerhardt Brause Schaal

(1) Die Ablehnung eines erkennenden Richters wegen Besorgnis der Befangenheit ist bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse, in der Hauptverhandlung über die Berufung oder die Revision bis zum Beginn des Vortrags des Berichterstatters, zulässig. Ist die Besetzung des Gerichts nach § 222a Absatz 1 Satz 2 schon vor Beginn der Hauptverhandlung mitgeteilt worden, so muss das Ablehnungsgesuch unverzüglich angebracht werden. Alle Ablehnungsgründe sind gleichzeitig vorzubringen.

(2) Im Übrigen darf ein Richter nur abgelehnt werden, wenn

1.
die Umstände, auf welche die Ablehnung gestützt wird, erst später eingetreten oder dem zur Ablehnung Berechtigten erst später bekanntgeworden sind und
2.
die Ablehnung unverzüglich geltend gemacht wird.
Nach dem letzten Wort des Angeklagten ist die Ablehnung nicht mehr zulässig.

(1) Das Gericht verwirft die Ablehnung eines Richters als unzulässig, wenn

1.
die Ablehnung verspätet ist,
2.
ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht oder nicht innerhalb der nach § 26 Absatz 1 Satz 2 bestimmten Frist angegeben wird oder
3.
durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen.

(2) Das Gericht entscheidet über die Verwerfung nach Absatz 1, ohne daß der abgelehnte Richter ausscheidet. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 3 bedarf es eines einstimmigen Beschlusses und der Angabe der Umstände, welche den Verwerfungsgrund ergeben. Wird ein beauftragter oder ein ersuchter Richter, ein Richter im vorbereitenden Verfahren oder ein Strafrichter abgelehnt, so entscheidet er selbst darüber, ob die Ablehnung als unzulässig zu verwerfen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 53/14
vom
9. September 2014
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. September 2014 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Frankfurt (Oder) vom 10. April 2013 gemäß § 349
Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an das Landgericht Potsdam
zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer sechsjährigen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, Wertersatzverfall angeordnet sowie einen Pkw eingezogen. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
2
1. Der Beschwerdeführer macht einen Verstoß gegen § 338 Nr. 3 StPO geltend. Ihr liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde: In der Hauptverhandlung , in der das Landgericht mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt war, lehnte der Angeklagte den Vorsitzenden Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Dieser habe die Gelegenheit, Anträge zu stellen, für die Dauer einer Zeugenvernehmung verwehrt und – nachdem mehrere seiner Vorhalte an den Zeugen seitens der Verteidigung beanstandet worden waren – erklärt, „dieVerteidigung habe nicht das Recht, einen Vorhalt zu rügen oder sonstiges Verhalten des Gerichts zu beanstanden“. Der Befangenheitsantrag wurde durch noch in derselben Sitzung verkündeten, vom abgelehnten Vorsitzenden und zwei weiteren Berufsrichtern gefassten Beschluss wegen Verschleppungsabsicht als unzulässig verworfen (§ 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO).
3
2. Die Verfahrensrüge hat Erfolg, weil bei dem angefochtenen Urteil ein wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnter Richter mitgewirkt hat und das Ablehnungsgesuch mit Unrecht verworfen worden ist (§ 338 Nr. 3 StPO).
4
a) Bei diesem Geschehen liegt es bereits nahe, dass das Landgericht zu Unrecht nach § 26a StPO verfahren ist, weil es die durch die Vorschrift eingeräumten Kompetenzen überschritten hat. Deren Anwendung darf nicht dazu führen, dass der abgelehnte Richter sein eigenes Verhalten beurteilt und damit „Richter in eigener Sache“ wird.Anderenfalls würde dem Angeklagten im Ablehnungsverfahren sein gesetzlicher Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entzogen und könnte zugleich sein Anspruch auf Wahrung rechtlichen Gehörs verletzt sein (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 2005 – 5 StR 180/05, BGHSt 50, 216, 219 ff. zu § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO; siehe auch BGH, Beschluss vom 6. Mai 2014 – 5 StR 99/14). Beides gilt in vergleichbarer Weise für § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2009 – 1 StR 289/09, BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 19) und ist hier zu besorgen, weil eine Bewertung der angenommenen Verschleppungsabsicht nicht möglich war, ohne das vom Angeklagten bemängelte Vorgehen des Vorsitzenden mit in den Blick zu nehmen und zu gewichten.
5
b) Der Senat kann dies jedoch letztlich offenlassen. Denn jedenfalls ist über den Befangenheitsantrag von einem hierfür weder in § 26a StPO noch in § 27 StPO vorgesehenen Spruchkörper und schon deshalb unter Verstoß ge- gen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entschieden worden.
6
Die gemäß § 26a StPO entscheidende Strafkammer besteht während der Hauptverhandlung aus den dort tätigen Berufsrichtern und Schöffen. Eine Unterbrechung der Hauptverhandlung führt nicht dazu, dass nunmehr eine Ent- scheidung „außerhalb der Hauptverhandlung” erfolgen müsste, vielmehr ist die Unterbrechung zur Beratung über die Zulässigkeit des Befangenheitsantrags die Regel. Sie ändert nichts an der Besetzung des zur Entscheidung berufenen Gerichts, so dass vorliegend lediglich zwei Berufsrichter an dem Beschluss hätten mitwirken dürfen und zudem die Schöffen hätten mitentscheiden müssen (vgl. OLG München, NJW 2007, 449, 450; ebenso Graf/Cirener, StPO, 2. Aufl., § 26a Rn. 11; Siolek in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 26a Rn. 39; MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 26a Rn. 8). Hätte hingegen nach § 27 StPO entschieden werden sollen, so wäre zwar die Strafkammer in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung zuständig , der abgelehnte Richter aber ausgeschlossen gewesen (§ 27 Abs. 1 und 2 StPO; ebenso OLG München aaO).
7
c) Der absolute Revisionsgrund kann nicht etwa, wie der Generalbundesanwalt zu erwägen gibt, dadurch beseitigt werden, dass der Angeklagte in einem nachfolgenden Ablehnungsgesuch wegen Beanstandung der Verfahrensweise nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO auch nochmals an das gleiche prozessuale Geschehen, das mit dem vorgenannten Antrag beanstandet worden war, angeknüpft hat und hierüber in zutreffender Besetzung nach § 27 StPO sachlich entschieden worden ist. Eine vom Gericht selbst initiierte Heilung im Wege der Ersetzung des fehlerhaften Beschlusses nach § 26a StPO durch eine Beschlussfassung nach § 27 StPO lag hierin nicht; zudem sind in dem Be- schluss nicht alle zur Begründung des vorangegangenen Ablehnungsantrages vorgebrachten Umstände inhaltlich abgehandelt worden.
8
3. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO). Für die neue Hauptverhandlung weist er auf Folgendes hin: Im Rahmen der Strafzumessung wäre zu berücksichtigen, dass die Taten zum Zeitpunkt der neuerlichen Hauptverhandlung bereits mehr als dreieinhalb Jahre zurück liegen werden. Sollte der für die Tatbegehung genutzte VW Golf VI wiederum eingezogen werden – wie dies im angefochtenen Urteil für sich genommen ebenso rechtsfehlerfrei erfolgt ist wie die Anordnung des Wertersatzverfalls –, so wäre der Wert des Fahrzeugs zu bestimmen und die Einziehung mit Blick auf das Gesamtübel der Rechtsfolgen gegebenenfalls bei der Strafzumessung zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juli 2011 – 5 StR 234/11, StV 2011, 726 mwN).
Basdorf Sander Schneider
Dölp Bellay

(1) Wird die Ablehnung nicht als unzulässig verworfen, so entscheidet über das Ablehnungsgesuch das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung.

(2) Wird ein richterliches Mitglied der erkennenden Strafkammer abgelehnt, so entscheidet die Strafkammer in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung.

(3) Wird ein Richter beim Amtsgericht abgelehnt, so entscheidet ein anderer Richter dieses Gerichts. Einer Entscheidung bedarf es nicht, wenn der Abgelehnte das Ablehnungsgesuch für begründet hält.

(4) Wird das zur Entscheidung berufene Gericht durch Ausscheiden des abgelehnten Mitglieds beschlußunfähig, so entscheidet das zunächst obere Gericht.

(1) Die Strafkammern sind mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen (große Strafkammer), in Verfahren über Berufungen gegen ein Urteil des Strafrichters oder des Schöffengerichts mit dem Vorsitzenden und zwei Schöffen (kleine Strafkammer) besetzt. Bei Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung wirken die Schöffen nicht mit.

(2) Bei der Eröffnung des Hauptverfahrens beschließt die große Strafkammer über ihre Besetzung in der Hauptverhandlung. Ist das Hauptverfahren bereits eröffnet, beschließt sie hierüber bei der Anberaumung des Termins zur Hauptverhandlung. Sie beschließt eine Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen, wenn

1.
sie als Schwurgericht zuständig ist,
2.
die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, deren Vorbehalt oder die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu erwarten ist oder
3.
nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache die Mitwirkung eines dritten Richters notwendig erscheint.
Im Übrigen beschließt die große Strafkammer eine Besetzung mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen.

(3) Die Mitwirkung eines dritten Richters nach Absatz 2 Satz 3 Nummer 3 ist in der Regel notwendig, wenn die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird oder die große Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer zuständig ist.

(4) Hat die Strafkammer eine Besetzung mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen beschlossen und ergeben sich vor Beginn der Hauptverhandlung neue Umstände, die nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 eine Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen erforderlich machen, beschließt sie eine solche Besetzung.

(5) Ist eine Sache vom Revisionsgericht zurückverwiesen oder ist die Hauptverhandlung ausgesetzt worden, kann die jeweils zuständige Strafkammer erneut nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 über ihre Besetzung beschließen.

(6) In Verfahren über Berufungen gegen ein Urteil des erweiterten Schöffengerichts (§ 29 Abs. 2) ist ein zweiter Richter hinzuzuziehen. Außerhalb der Hauptverhandlung entscheidet der Vorsitzende allein.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Die Ablehnung eines erkennenden Richters wegen Besorgnis der Befangenheit ist bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse, in der Hauptverhandlung über die Berufung oder die Revision bis zum Beginn des Vortrags des Berichterstatters, zulässig. Ist die Besetzung des Gerichts nach § 222a Absatz 1 Satz 2 schon vor Beginn der Hauptverhandlung mitgeteilt worden, so muss das Ablehnungsgesuch unverzüglich angebracht werden. Alle Ablehnungsgründe sind gleichzeitig vorzubringen.

(2) Im Übrigen darf ein Richter nur abgelehnt werden, wenn

1.
die Umstände, auf welche die Ablehnung gestützt wird, erst später eingetreten oder dem zur Ablehnung Berechtigten erst später bekanntgeworden sind und
2.
die Ablehnung unverzüglich geltend gemacht wird.
Nach dem letzten Wort des Angeklagten ist die Ablehnung nicht mehr zulässig.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 371/06
vom
29. August 2006
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. August 2006 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Landshut vom 6. März 2006 wird als unbegründet verworfen, da
die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§
349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
2
Näherer Erörterung bedarf lediglich die Rüge, an dem Urteil habe der Vorsitzende Richter L. mitgewirkt, nachdem ein gegen ihn gerichtetes Ablehnungsgesuch mit Unrecht verworfen worden sei (Verstoß gegen § 338 Nr. 3 i.V.m. § 24 Abs. 1 StPO).
3
1. Der Beschwerdeführer trägt folgendes Verfahrensgeschehen vor:
4
In die Hauptverhandlung wurden Erkenntnisse aus einer Telefonüberwachung eingeführt. Die Gespräche wurden weitgehend in dem Sinti-Dialekt "Sintitikes" geführt. Da der Angeklagte Zweifel an der Richtigkeit der im Ermittlungsverfahren gefertigten Übersetzung äußerte, wurde auf den dritten Verhandlungstag eine Sprachsachverständige geladen. Zur Vorbereitung des Termins hatte der Vorsitzende der Sachverständigen vier aufgezeichnete Gespräche in digitalisierter Form und die jeweiligen Übertragungsprotokolle der Ermittlungsbehörden zur Verfügung gestellt.
5
Mit der Beweiserhebung durch Abspielen einzelner Gespräche aus der Telefonüberwachung und ihre Übersetzung durch die Sachverständige wurde nach 11.50 Uhr begonnen. Dabei erfolgte auch die Mitteilung an die Verfahrensbeteiligten , dass der Sachverständigen Aktenteile überlassen worden waren. Um 12.32 Uhr wurde die Hauptverhandlung unterbrochen und um 13.36 Uhr fortgesetzt.
6
Der Verteidiger lehnte anschließend namens des Angeklagten den Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das Ablehnungsgesuch begründete er damit, der Vorsitzende habe die Verteidigung nicht darüber informiert , dass er der Sachverständigen Aktenteile zur Vorbereitung des Termins zur Verfügung gestellt habe; er habe auf ausdrückliche Nachfrage des Verteidigers geäußert, die der Sachverständigen überlassenen Gespräche seien für den Tatnachweis nicht relevant, obwohl eins davon das "Kernstück" der Telefonüberwachung darstellen würde. Das Befangenheitsgesuch wurde mit Gerichtsbeschluss unter Mitwirkung des abgelehnten Richters als unzulässig verworfen , da der Ablehnungsgrund nicht glaubhaft gemacht und das Gesuch verspätet eingebracht worden sei.
7
Daraufhin brachte der Verteidiger ein zweites inhaltsgleiches Ablehnungsgesuch an und bezog sich zur Glaubhaftmachung auf die noch einzuholenden dienstlichen Stellungnahmen des Vorsitzenden und des Sitzungsstaatsanwalts. Auch dieses zweite Gesuch wurde mit Gerichtsbeschluss unter Mitwirkung des abgelehnten Richters als unzulässig verworfen, weil es sich um die unzulässige Wiederholung eines bereits abgelehnten Gesuchs handele.
8
2. Die Revision greift ausschließlich den auf das erste Befangenheitsgesuch ergangenen Beschluss an; den zweiten Beschluss lässt sie unbeanstandet. Sie macht geltend, dass die Verwerfung des ersten Antrags rechtsfehlerhaft gewesen sei, weil eine Glaubhaftmachung über die anwaltliche Erklärung hinaus nicht erforderlich gewesen und er nicht verspätet eingebracht worden sei. Dass der zweite Antrag verworfen wurde, rügt der Beschwerdeführer hingegen nicht.
9
Dem Senat ist es demnach verwehrt, den zweiten Verwerfungsbeschluss zu prüfen. Kommen nach den vorgetragenen Tatsachen mehrere Verfahrensmängel in Betracht, ist vom Beschwerdeführer darzutun, welcher Verfahrensmangel geltend gemacht wird, um somit die Angriffsrichtung der Rüge deutlich zu machen (BGH NStZ 1998, 636; 1999, 94; Cirener/Sander JR 2006, 300). Die Angriffsrichtung bestimmt den Prüfungsumfang seitens des Revisionsgerichts.
10
3. Die Rüge ist unbegründet, da die nach Beschwerdegrundsätzen vorgenommene Prüfung durch den Senat ergibt, dass beim Vorsitzenden die Besorgnis der Befangenheit nicht bestand.
11
a) Die Entscheidung der Strafkammer, das erste Ablehnungsgesuch als im Sinne von § 26a Abs. 1 Nr. 1, 2 Alt. 2 StPO unzulässig zu verwerfen, war rechtsfehlerhaft. Der Antrag bedurfte nicht der weiteren Glaubhaftmachung (§ 26 Abs. 2 StPO), da der Verteidiger seine eigenen Wahrnehmungen mitteilte; dass er die Richtigkeit seiner Angaben anwaltlich versicherte, war nicht erforderlich (BayObLG StV 1995, 7; OLG Schleswig MDR 1972, 165; Pfeiffer in KK 5. Aufl. § 26 Rdn. 5; Maul in KK 5. Aufl. § 45 Rdn. 11; a.A. OLG Koblenz OLGSt StPO § 45 Nr. 5). Auch war der Antrag nicht verspätet eingebracht (§ 25 StPO), weil die maßgeblichen Vorgänge, auf die er sich gründete, "unmittelbar" vor der Mittagspause - so die Revision - erfolgten und das Ablehnungsgesuch als erster protokollierter Vorgang danach gestellt wurde.
12
b) Bei zutreffender rechtlicher Beurteilung hätte daher der Vorsitzende nach § 27 Abs. 1 StPO an der Entscheidung über den ersten - zulässigen - Antrag nicht mitwirken dürfen. Hat das Gericht über ein Ablehnungsgesuch in falscher Besetzung entschieden, so ist in dem Fall, dass das Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt worden ist, allein deswegen der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO gegeben, und zwar unabhängig davon, ob tatsächlich die Besorgnis der Befangenheit bestand. Denn im Fall eines Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist es dem Revisionsgericht verwehrt, nach Beschwerdegrundsätzen darüber zu entscheiden , ob das Ablehnungsgesuch begründet war (BVerfG NJW 2005, 3410, 3413 f.; StraFo 2006, 232, 236; BGHSt 50, 216, 219; BGH, Beschluss vom 13. Juli 2006 - 5 StR 154/06 - Umdr. S. 9 f.). Ein derartiger Fall liegt hier allerdings nicht vor.
13
c) Ein Verstoß gegen die Zuständigkeitsregelungen der §§ 26a, 27 StPO führt nur dann zu einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn diese Vorschriften willkürlich angewendet werden oder die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie verkennt (BVerfG NJW 2005, 3410, 3411; StraFo 2006, 232, 235 f.; BGHSt 50, 216, 218; BGH, Beschluss vom 27. Juli 2006 - 5 StR 249/06 - Umdr. S. 3). Willkür liegt vor, wenn der abgelehnte Richter sein eigenes Verhalten wertend beurteilt, sich gleichsam zum "Richter in eigener Sache" macht (BVerfG NJW 2005, 3410, 3412; StraFo 2006, 232, 235; Beschluss vom 2. August 2006 - 2 BvR 1518/06 - Umdr. S. 5; BGHSt aaO 219; BGH, Beschluss vom 25. April 2006 - 3 StR 429/05 - Umdr. S. 4; Beschluss vom 13. Juli 2006 - 5 StR 154/06 - Umdr. S. 7 f.), oder ein Verstoß von vergleichbarem Gewicht gegeben ist. Demgegenüber gibt es auch Fallgestaltungen, in denen sich ein Verfassungsverstoß nicht feststellen lässt, vielmehr die §§ 26a, 27 StPO "nur" schlicht fehlerhaft angewendet wurden (BVerfG StraFo 2006, 232, 236; vgl. ferner BGH StV 2005, 587, 588; Beschluss vom 25. April 2006 - 3 StR 429/05 - Umdr. S. 6).
14
Erfolgt die Verwerfung nur aus formalen Erwägungen, wurden die Ablehnungsgründe aber nicht inhaltlich geprüft, ist im Einzelfall danach zu differenzieren , ob die Entscheidung des Gerichts auf einer groben Missachtung oder Fehlanwendung des Rechts beruht, ob also Auslegung und Handhabung der Verwerfungsgründe nach § 26a Abs. 1 StPO offensichtlich unhaltbar oder aber lediglich schlicht fehlerhaft sind (BGHSt 50, 216, 219 f.). In letzterem Fall entscheidet das Revisionsgericht weiterhin nach Beschwerdegrundsätzen sachlich über die Besorgnis der Befangenheit (zur bisherigen Rspr. vgl. BGHSt 18, 200, 203; 23, 265; BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 1, 3, 9).
15
d) Die Ablehnung des Befangenheitsgesuchs nach § 26a Abs. 1 StPO erfolgte hier nicht willkürlich. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Strafkammer Bedeutung und Tragweite von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verkannt hat.
16
Das mit dem Befangenheitsgesuch beanstandete Verhalten des Vorsitzenden war für die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs als unzulässig nicht relevant, sodass er bei der Mitwirkung am Verwerfungsbeschluss sein eigenes Verhalten nicht wertend beurteilen musste. Vielmehr wurde die Verwerfung nur mit formalen Mängeln des Gesuchs - Form und Frist, d.h. fehlende Glaubhaftmachung und Verspätung - begründet.
17
Die Entscheidung, das erste Ablehnungsgesuch wegen fehlender Glaubhaftmachung nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StPO als unzulässig zu verwerfen, war zwar rechtsfehlerhaft; denn der von einem Verteidiger verfasste Antrag genügt schon dann den gesetzlichen Anforderungen, wenn die Tatsachen, mit denen die Besorgnis der Befangenheit begründet wird, gerichtsbekannt sind (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1972, 17; Wendisch in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 26 Rdn. 16) oder der Antrag Wahrnehmungen des Verteidigers enthält, wobei das Fehlen einer anwaltlichen Versicherung grundsätzlich unschädlich ist (vgl. BayObLG StV 1995, 7; OLG Schleswig MDR 1972, 165; Pfeiffer in KK 5. Aufl. § 26 Rdn. 5; Maul in KK 5. Aufl. § 45 Rdn. 11).
18
Die Bewertung des Landgerichts ist aber nicht offensichtlich unhaltbar. Die Erklärungen des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung mussten zwar als gerichtsbekannt vorausgesetzt werden. Das gilt jedoch nicht für die unterbliebene Information bezüglich des Überlassens von Aktenteilen im Vorfeld der Sachverständigenvernehmung. Insoweit teilt die Revision nicht mit, ob dieser von der Verteidigung erhobene Vorwurf gerichtsbekannt, insbesondere Gegenstand der Hauptverhandlung war. Auch diesbezüglich genügt zwar die in dem Befangenheitsgesuch enthaltene anwaltliche Erklärung, da es sich um eine eigene Wahrnehmung - gegebenenfalls auch außerhalb der Hauptverhandlung - handelte. Indem die Kammer jedoch insgesamt nicht die schlichte Erklärung ausreichen ließ, sodass zumindest die anwaltliche Versicherung von deren Richtigkeit erforderlich gewesen wäre, wandte sie den Verwerfungsgrund des § 26a Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StPO nicht grob rechtsfehlerhaft an. Zwar setzt die Glaubhaftmachung nach zutreffender Auffassung insoweit eine anwaltliche Versicherung nicht voraus. Die der Entscheidung der Kammer zugrunde liegende Auslegung, die sich auch auf obergerichtliche Rechtsprechung berufen kann (vgl. OLG Koblenz OLGSt StPO § 45 Nr. 5), ist jedoch vertretbar. Sie kann das Argument für sich beanspruchen, dass dem Verteidiger, der ein Ablehnungsgesuch stellt, mit der anwaltlichen Versicherung Bedeutung und Tragweite seiner Erklärung für das Ablehnungsverfahren, in dem keine Beweisaufnahme über den Ablehnungsgrund stattfindet, vor Augen geführt werden.
19
e) Die demnach nach Beschwerdegrundsätzen vorgenommene Prüfung des Sachverhalts ergibt, dass das auf die Überlassung von Aktenteilen bezügliche Verhalten einem verständigen Angeklagten keinen Anlass geben konnte, an der Unparteilichkeit des Vorsitzenden zu zweifeln. Maßstab hierfür ist, ob der Richter den Eindruck erweckt, er habe sich in der Schuld- und Straffrage bereits festgelegt. Dies ist grundsätzlich vom Standpunkt des Angeklagten aus zu beurteilen. Misstrauen in die Unparteilichkeit eines Richters ist dann gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (Senat , Urteil vom 9. August 2006 - 1 StR 50/06 - Umdr. S. 23; Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 24 Rdn. 6, 8 m.w.N.).
20
Die umfangreichen Bemühungen des Vorsitzenden um einen Sprachsachverständigen für den Sinti-Dialekt "Sintitikes" erfolgten im Interesse des Angeklagten, der Zweifel an der Richtigkeit der im Ermittlungsverfahren gefertigten Übersetzung äußerte. Dass es der Vorsitzende dabei unterließ, die Verteidigung davon zu informieren, dass er der schließlich beauftragten Sachverständigen zu ihrer Vorbereitung bestimmte Aktenteile zur Verfügung gestellt hatte, konnte von vornherein kein Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit begründen , weil eine Verpflichtung hierzu nicht bestand (vgl. zu § 33 Abs. 2, 3 StPO; Maul aaO § 33 Rdn. 2; Wendisch aaO § 33 Rdn. 7). Weiterhin war die Frage des Verteidigers nach der Tatrelevanz der überlassenen digitalisierten Gespräche mit Übersetzungsprotokollen sachwidrig. Denn es war notwendig, der Sachverständigen den für ihre Übersetzungstätigkeit jedenfalls auch bedeutsamen fremdsprachlichen Akteninhalt zur Kenntnis zu bringen (§ 80 Abs. 2 StPO). Welches Interesse der Angeklagte daran haben konnte, ihr nur für den Tatvorwurf nicht relevante Gespräche zur Verfügung zu stellen, ist weder von der Revision vorgetragen noch sonst ersichtlich, zumal sich der Auftrag an die Sachverständige naturgemäß (auch) auf die relevanten Gespräche bezog. Die Frage des Verteidigers zielte ferner auf eine vorläufige Bewertung der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise und des Akteninhalts. Hierauf haben die Verfahrensbeteiligten grundsätzlich keinen Anspruch (BGHSt 43, 212); im Übrigen obliegt die Würdigung des Beweisstoffs ohnehin nicht dem Vorsitzenden allein, sondern dem gesamten Spruchkörper. Die vom Vorsitzenden auf diese sachwidrige Frage gegebene Antwort konnte, zumal die Verfahrensbeteiligten sie ohne weiteres überprüfen konnten, vom Standpunkt eines verständigen Angeklagten die Besorgnis der Befangenheit nicht begründen. Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit Elf

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu. Den zur Ablehnung Berechtigten sind auf Verlangen die zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 571/10
vom
14. April 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
wegen zu 1. und 2.: schweren Bandendiebstahls u. a.
zu 3.: Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl u. a.
zu 4.: Wohnungseinbruchsdiebstahls u. a.
zu 5.: Beihilfe zum Wohnungseinbruchsdiebstahl u. a.
zu 6.: gewerbsmäßiger Hehlerei
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. April
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterinnen am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Bender
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 1.,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 2.,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 3.,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 4.,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 5.,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 6.,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten P. gegen das Urteil des Landgerichts Verden vom 20. Mai 2010 wird
a) das Verfahren im Fall 1.23 der Urteilsgründe (Fall 27 der Anklageschrift ) eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten P. , K. und Ka. der Staatskasse zur Last;
b) das vorgenannte Urteil dahin geändert, dass aa) der Angeklagte P. neben seiner Verurteilung im Übrigen wegen schweren Bandendiebstahls in 23 Fällen, versuchten schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen, Hehlerei in zwei Fällen, fahrlässiger Körperverletzung in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis zu der (weiteren) Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt ist, bb) der Ausspruch über die Anrechnung der erlittenen Untersuchungshaft des Angeklagten P. auf die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten entfällt, cc) der Angeklagte K. des schweren Bandendiebstahls in 31 Fällen und des versuchten schweren Bandendiebstahls in sieben Fällen schuldig ist, dd) der Angeklagte Ka. der Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in 25 Fällen und der Beihilfe zum versuchten schweren Bandendiebstahl in sechs Fällen schuldig ist. 2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten B. wird das vorgenannte Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit festgestellt worden ist, dass bei dem Angeklagten B. der Anordnung des Verfalls Ansprüche Verletzter nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen und der Wert des Erlangten 149.650 € beträgt. 3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über den Verfall oder eine Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO bei dem Angeklagten A. unterblieben ist. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel des Angeklagten B. und der Staatsanwaltschaft betreffend die Angeklagten B. und A. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 5. Die weiter gehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten P. und B. werden verworfen. 6. Die Staatskasse hat die verbleibenden Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft betreffend die Angeklagten P. , K. , Ka. und Pi. und die dadurch diesen Angeklagten in der Revisionsinstanz entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 7. Der Angeklagte P. trägt die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten P. wegen schweren Bandendiebstahls in neun Fällen, versuchten schweren Bandendiebstahls in drei Fällen sowie versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 29. Oktober 2008 – rechtskräftig seit dem 13. Mai 2009 – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und wegen schweren Bandendiebstahls in 23 Fällen , versuchten schweren Bandendiebstahls in sechs Fällen, Hehlerei in zwei Fällen, fahrlässiger Körperverletzung in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Das Landgericht hat die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug von einem Jahr und zwei Monaten der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten angeordnet. Ferner hat es ausgesprochen, dass die erlittene Untersuchungshaft auf diese Gesamtfreiheitsstrafe anzurechnen ist und die Verwaltungsbehörde an- gewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von einem Jahr keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
2
Der Angeklagte K. wurde wegen schweren Bandendiebstahls in 31 Fällen und versuchten schweren Bandendiebstahls in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten und der Angeklagte Ka. wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in 25 Fällen und Beihilfe zum versuchten schweren Bandendiebstahl in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Den Angeklagten A. hat das Landgericht des Wohnungseinbruchsdiebstahls in sechs Fällen und des versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls schuldig gesprochen und unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 24. August 2009 auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren erkannt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Der Angeklagte Pi. wurde wegen Beihilfe zum Wohnungseinbruchsdiebstahl in acht Fällen sowie Beihilfe zum versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahl in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Daneben hat das Landgericht auf eine gesonderte Gesamtgeldstrafe aus den einzubeziehenden Strafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Bad Aibling vom 9. Juli 2009 und aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Brakel vom 6. November 2009 in Höhe von 120 Tagessätzen zu je 10 € erkannt.
3
Der Angeklagte B. wurde unter Freispruch im Übrigen wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Anordnung des Verfalls gegen diesen Angeklagten Ansprüche Verletzter entgegenstehen und dass die Summe des Erlangten 149.650 € beträgt.
4
Mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie erstrebt beim Angeklagten Ka. eine Verurteilung wegen Mittäterschaft, beim Angeklagten A. eine solche wegen schweren Bandendiebstahls und bei den Angeklagten P. , K. und Ka. eine Feststellung nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB in Verbindung mit einer Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO. Bei allen Angeklagten beanstandet sie die Strafzumessung. Die Angeklagten P. und B. wenden sich mit ihren auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen gegen ihre Verurteilung.
5
2. Nach den Feststellungen begingen die Angeklagten P. und K. unter Beteiligung der Angeklagten Ka. , A. und Pi. Tageswohnungseinbrüche in Wohnhäuser. Die Angeklagten P. , K. und Ka. waren spätestens Ende März 2009 übereingekommen, künftig für eine unabsehbare Zeit zur Erzielung eines gewissen Einkommens eine Mehrzahl von Einbruchsdiebstählen zu begehen. Der Angeklagte K. recherchierte im Internet Anschriften von Personen, die im Telefonbuch mit akademischen Titeln oder der Berufsbezeichnung Kapitän verzeichnet waren, da man sich bei diesen Personen größere Beute versprach. Der Angeklagte P. rief dann mehrfach mit einem eigens angeschafften „Testhandy“ auf den zuvor ermittelten Festnetzanschlüssen der Wohnungsinhaber an, um sicherzustellen, dass sie sich nicht zu Hause aufhielten. Wenn sich niemand meldete, fuhr der Angeklagte Ka. die Angeklagten P. und K. werktags in den Vormittagsstunden zu den Einbruchsobjekten. Um sicherzustellen, dass sich niemand zu Hause aufhielt, wurde nochmals an den Haustüren geklingelt. Diese Aufgabe übernahm zunächst der Angeklagte Ka. , wegen seiner Unsicherheit und Orientierungsschwierigkeiten wurde er jedoch alsbald vom Angeklagten P. abgelöst. Während dann der Angeklagte Ka. im Fahrzeug wartete, hebelten die Angeklagten P. und K. ein Fenster oder eine Terrassentür auf oder öffne- ten die Haustür mit einem Rollgabelschlüssel. In den Wohnungen suchten sie gezielt nach Schmuck und Bargeld. Den erbeuteten Schmuck brachten sie in einigen Fällen zu dem An- und Verkaufsgeschäft des Angeklagten B. . Den Erlös aus dem Verkauf des Diebesgutes teilten sich die Angeklagten P. und K. hälftig; der Angeklagte Ka. erhielt einen Anteil von 20 bis 200 €. Während eines einwöchigen Urlaubs des Angeklagten Ka. sprang der Angeklagte A. als Fahrer ein, der auch „Schmiere stand“. Der Angeklagte A. , dem ein gleicher Anteil an der Beute versprochen worden war, erhielt für seine Tätigkeit eine Gesamtsumme von 500 €. An mehreren Tagen nahmen die Angeklagten auf Wunsch des Angeklagten Ka. den Angeklagten Pi. auf ihren Einbruchstouren mit. Der Angeklagte Pi. wusste, dass der Angeklagte Ka. die Angeklagten P. und K. zu Wohnungseinbrüchen fuhr. Er leistete dem Angeklagten Ka. Gesellschaft und behielt auch die nähere Umgebung im Blick.

II.

6
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben überwiegend erfolglos.
7
1. Die Befangenheitsrüge (§ 338 Nr. 3 StPO) greift nicht durch.
8
a) Der Rüge liegt folgendes Geschehen zugrunde: Die Hauptverhandlung am ersten Verhandlungstag, dem 18. Februar 2010, wurde nach der Vereidigung des Schöffen W. und der Verlesung der Anklageschrift von 10.17 Uhr bis 10.30 Uhr unterbrochen. Nach der Belehrung der Angeklagten gemäß § 243 Abs. 5 StPO teilte der Vorsitzende den Verfahrensbeteiligten mit, dass der Kammer im Rahmen einer Verständigung im Falle glaubhafter geständiger Einlassungen folgende Strafobergrenzen angemessen erschienen: bei dem Angeklagten P. unter Berücksichtigung einer verminderten Schuldfähigkeit sechs Jahre drei Monate, bei dem Angeklagten K. sechs Jahre, bei dem An- geklagten Ka. vier Jahre drei Monate, bei den Angeklagten A. und Pi. jeweils unter Berücksichtigung der einzubeziehenden Strafen zwei Jahre, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden könnten, und beim Angeklagten B. drei Jahre zwei Monate. Anschließend wurde die Hauptverhandlung unterbrochen. Am zweiten Hauptverhandlungstag, dem 2. März 2010, gab die Staatsanwaltschaft eine ablehnende Stellungnahme zu dem Verständigungsvorschlag ab. Sie äußerte die Vermutung, dass eine Beratung über den Vorschlag bereits vor Vereidigung des Schöffen W. stattgefunden habe. Der Schöffe W. erklärte dienstlich, dass die Strafmaßvorschläge während der Unterbrechung der Hauptverhandlung nach Verlesung der Anklageschrift beraten worden seien. Der Vorsitzende stellte fest, dass keine Verständigung unter Einbeziehung der Staatsanwaltschaft möglich sei und leitete die Befragung der Angeklagten zur Sache mit den Worten ein, dass ″die Kammer grundsätzlich dazu steht, was sie gesagt hat“.
9
Die Staatsanwaltschaft beantragte daraufhin eine längere Unterbrechung zur Prüfung der Stellung eines unaufschiebbaren Antrags. Auf Anregung der Verteidiger fand zwischen 10.50 Uhr und 11.15 Uhr eine Erörterung zwischen den Verfahrensbeteiligten statt, die nicht zu einem Einvernehmen führte. Nach Unterbrechung der Sitzung von 12.06 Uhr bis 14.04 Uhr stellte der Vertreter der Staatsanwaltschaft einen Befangenheitsantrag gegen die drei Berufsrichter und die beiden Schöffen. Die Schöffen hätten sich in einer nur zehnminütigen Beratung auf Strafmaßobergrenzen eingelassen, ohne den konkreten Sachverhalt zu kennen. Die Äußerung des Vorsitzenden, dass „die Kammer grundsätzlich dazu steht, was sie gesagt hat“, erwecke die Befürchtung, die Kammermitglieder würden sich am Ende der Beweisaufnahme an die in Aussicht gestellten Strafmaßobergrenzen gebunden fühlen, auch wenn sie zu der Überzeugung gelangten, dass diese nicht mehr tat- und schuldangemessen seien. Der Vorsitzende erklärte in seiner dienstlichen Äußerung, die Strafvorstellungen seien im Zusammenhang mit der Beratung über die Eröffnung des Hauptverfahrens und die Aufrechterhaltung der Haftbefehle sowie bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung von den Berufsrichtern entwickelt worden. Der Vorschlag sei mit den Schöffen nach Verlesung der Anklageschrift erörtert worden. Der Befangenheitsantrag wurde – ohne Mitwirkung der betroffenen Richter – als unbegründet zurückgewiesen.
10
b) Die Rüge ist unbegründet, soweit die Voreingenommenheit beider Schöffen aus der kurzen Beratungszeit vor der Bekanntgabe der möglichen Strafobergrenzen hergeleitet wird. Den Schöffen war bei der Beratung der zur Anklage gebrachte Sachverhalt bekannt, denn in dem verlesenen Anklagesatz sind alle Taten konkret geschildert. Anhaltspunkte dafür, dass die Schöffen nicht in der Lage gewesen wären, sich während der Beratung eine eigene Meinung über die Angemessenheit der von den Berufsrichtern für sachgerecht erachteten Strafobergrenzen zu bilden, bestehen nicht.
11
c) Auf die Bekanntgabe der nach Einschätzung der Strafkammer angemessenen Strafobergrenzen kann die Rüge der Befangenheit nicht gestützt werden. Dass die Berufsrichter die Sach- und Rechtslage vor der Eröffnung des Hauptverfahrens und bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung geprüft und eine vorläufige Prognose zu den Strafhöhen im Falle eines Geständnisses gestellt , mit den Schöffen abgestimmt und den Verfahrensbeteiligten mitgeteilt haben, rechtfertigt nicht die Annahme einer Besorgnis der Befangenheit (BGH, Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 313/99, BGHSt 45, 312, 315 f.; vgl. auch BGH, Urteile vom 15. Februar 2005 – 5 StR 536/04, NStZ 2005, 395, 396; vom 13. Juli 2006 – 4 StR 87/06 Rn. 7, NStZ 2006, 708 und vom 12. September 2007 – 5 StR 227/07 Rn. 11, NStZ 2008, 172, 173). Die schon nach früherer Rechtslage als zulässig angesehene Mitteilung der Strafobergrenze im Falle eines Geständnisses hat der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes zur Rege- lung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2353) ausdrücklich gebilligt. § 257b StPO erlaubt es dem Gericht, in der Hauptverhandlung den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten zu erörtern, um eine Verständigung vorzubereiten (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 257b Rn. 2). Gegenstand einer solchen Erörterung kann die Angabe einer Ober- und Untergrenze der nach gegenwärtigem Verfahrensstand zu erwartenden Strafe durch das Gericht sein. Mit dieser Vorschrift wird klargestellt, dass sich das Gericht durch die Bekanntgabe seiner Einschätzung des Verfahrensstandes nicht dem Vorwurf der Befangenheit aussetzt (BT-Drucks. 16/11736 S. 10 f.).
12
d) Auch die Äußerung des Vorsitzenden, ″die Kammer stehe grundsätzlich dazu, was sie gesagt hat“, gibt keinen Anlass, an der Unvoreingenommenheit der Strafkammer zu zweifeln. Schon aus der Formulierung mit dem Wort ″grundsätzlich“ folgt, dass sich die Äußerung auf die vorläufige rechtliche und tatsächliche Bewertung der Anklagevorwürfe durch die Strafkammer bezog. Allen Verfahrensbeteiligten war zu diesem Zeitpunkt klar, dass eine verbindliche Absprache gemäß § 257c StPO gescheitert war und eine rechtliche Bindung der Strafkammer an die mitgeteilten Strafrahmenobergrenzen nicht bestand. In Verbindung mit der vom Vorsitzenden gewählten Formulierung konnte bei einem verständigen Verfahrensbeteiligten nicht der Eindruck entstehen, dass sie sich vorbehaltlos und endgültig auf die Strafen festgelegt haben könnte. Die Strafkammer durfte zulässigerweise die nach ihrer vorläufigen rechtlichen und tatsächlichen Bewertung des Akteninhalts in Aussicht genommenen Strafobergrenzen weiterhin für angemessen halten, nachdem die Staatsanwaltschaft widersprochen hatte, und dies gegenüber den Verfahrensbeteiligten zum Ausdruck bringen. Sie wollte damit ersichtlich nicht ankündigen, dass sie sich unabhängig von den noch ausstehenden Einlassungen der Angeklagten und dem Ergebnis der Beweisaufnahme auf eine Strafe festgelegt hätte; vielmehr wurde klargestellt, dass die Argumente der Staatsanwaltschaft die (vorläufige) Einschätzung der Strafkammer nicht verändert hatten.
13
e) Auch durch die Gesamtschau mit weiteren Umständen wird eine Voreingenommenheit der Strafkammer nicht belegt. Anhaltspunkte für die Vermutung , dass die Strafkammer die Beweisaufnahme ungeachtet des Aufklärungsinteresses der Verfahrensbeteiligten verkürzen wollte, werden von der Revisionsführerin nicht aufgezeigt. Die Berufsrichter sind ersichtlich nicht vorschnell auf eine Urteilsabsprache ausgewichen, ohne zuvor pflichtgemäß die Anklage tatsächlich anhand der Akten und insbesondere auch rechtlich überprüft zu haben (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40, 49 m.w.N.). Die Revision behauptet selbst nicht, dass sich aus der Verfahrensvorbereitung oder der Durchführung der Hauptverhandlung ableiten ließe, dass die Berufsrichter auf das Zustandekommen einer verfahrensverkürzenden Absprache vertraut haben. Die vom Vorsitzenden bekannt gegebenen Strafobergrenzen im Falle eines Geständnisses missachteten nicht bereits das Gebot eines gerechten Schuldausgleichs (BGH, Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 313/99, BGHSt 45, 312, 318 f.). Die Urteilsgründe enthalten keinen Beleg dafür, dass sich die Strafkammer an die den Angeklagten angekündigten Strafobergrenzen für gebunden gehalten und diese Strafen deshalb trotz erkannter Schuldunangemessenheit verhängt hat.
14
2. Die Aufklärungsrüge, mit der beanstandet wird, dass das Landgericht es unterlassen habe, durch Befragung des Angeklagten Ka. und Vernehmung des Zeugen Ulrich S. den Verbleib des durch die Taten erlangten Diebesgutes und des von den Angeklagten P. und K. aus dessen Verkauf erzielten Erlöses aufzuklären, ist unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Revisionsführerin hat schon nicht mitgeteilt, dass der Zeuge S. in der Hauptverhandlung vom 11. Mai 2010 vernommen worden ist.
Der Angeklagte Ka. hat sich umfassend eingelassen. Eine unterbliebene vollständige Ausschöpfung erhobener Beweise kann aber nicht Gegenstand einer Aufklärungsrüge sein, weil sich das Revisionsgericht nicht über das Verbot der Rekonstruktion der Beweisaufnahme hinwegsetzen darf (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2008 – 5 StR 412/08 Rn. 12, NStZ 2009, 468, 469; MeyerGoßner , StPO, 53. Aufl., § 244 Rn. 82 jeweils m.w.N.).
15
3. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge hat nur bei dem Angeklagten A. einen durchgreifenden Rechtsfehler zu Gunsten dieses Angeklagten ergeben.
16
a) Die Auslegung der Revision der Staatsanwaltschaft ergibt trotz des umfassend gestellten Aufhebungsantrags und der Formulierung, dass die allgemeine Sachrüge durch die Bemerkungen zur Begründung nicht eingeschränkt werden soll, dass sie auf die Verurteilungsfälle beschränkt ist. Der Freispruch des Angeklagten B. im Fall 51 der Anklage wird von der Revisionsführerin mit keinem Wort angriffen. Im Übrigen weist die Beweiswürdigung des Landgerichts in diesem Fall keinen Rechtsfehler auf.
17
b) Die von der Revisionsführerin beanstandete rechtliche Würdigung der Taten des Angeklagten Ka. als Beihilfe (nachstehend unter aa) und die Verneinung der Bandenmitgliedschaft des Angeklagten A. (nachstehend unter bb) sind rechtlich nicht zu beanstanden. Soweit die Schuldsprüche im Fall 1.23 der Urteilsgründe (Ziff. 27 der Anklageschrift) zu Lasten der betroffenen Angeklagten rechtsfehlerhaft sind (nachstehend unter cc), hat der Senat das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
18
aa) Die vom Landgericht in wertender Betrachtung der maßgeblichen Umstände vorgenommene Würdigung des Verhaltens des Angeklagten Ka. als Beihilfe und nicht als Mittäterschaft hält sich im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums. Mittäterschaft liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann vor, wenn ein Tatbeteiligter nicht bloß fremdes Tun fördern will, sondern seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils will. Ob ein Beteiligter dieses enge Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte hierfür können gefunden werden im Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, im Umfang der Tatbeteiligung und in der Tatherrschaft oder wenigstens im Willen zur Tatherrschaft, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 29. September 2005 – 4 StR 420/05, NStZ 2006, 94 und vom 24. Juli 2008 – 3 StR 243/08, StV 2008, 575 jeweils m.w.N.). Der vom Angeklagten Ka. geleistete Tatbeitrag, der Anhaltspunkt für den Grad seines Tatinteresses sein könnte, war im Vergleich zu den Beiträgen der Angeklagten P. und K. , wenn auch wichtig, so doch gering. Während der Angeklagte K. die Einbruchsorte recherchierte und gemeinsam mit dem Angeklagten P. die Einbrüche ausführte, beschränkte sich der Beitrag des Angeklagten Ka. darauf, die beiden anderen zum Tatort und zurück zu fahren. Er war weder in die Tatplanung eingebunden noch an der unmittelbaren Tatausführung beteiligt. Die untergeordnete Bedeutung seines Tatbeitrags wird nicht zuletzt durch den ihm versprochenen und überlassenen lediglich geringfügigen Anteil aus dem Erlös des Verkaufs der Beute belegt.
19
bb) Die Verneinung der Bandenmitgliedschaft des Angeklagten A. hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
20
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Bande im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich zur fortgesetzten Begehung einer noch unbestimm- ten Zahl von Diebstählen verbunden haben (BGH, Beschluss vom 22. März 2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 325). Erforderlich ist eine – ausdrücklich oder konkludent getroffene – Bandenabrede, bei der das einzelne Mitglied den Willen hat, sich mit mindestens zwei anderen Personen zur Begehung von Straftaten in der Zukunft für eine gewisse Dauer zusammenzutun (BGH, Urteil vom 16. Juni 2005 – 3 StR 492/04, BGHSt 50, 160, 164). Als Bandenmitglied ist anzusehen, wer in die Organisation der Bande eingebunden ist, die dort geltenden Regeln akzeptiert, zum Fortbestand der Bande beiträgt und sich an den Straftaten als Täter oder Teilnehmer beteiligt (BGH, Beschluss vom 16. März 2010 – 4 StR 497/09, wistra 2010, 347).
21
Die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte A. habe sich der Bande nicht angeschlossen, weil er von vornherein lediglich für einen Zeitraum von fünf Tagen an den Fahrten teilgenommen hat und auch nur für die Zeit der Abwesenheit des Angeklagten Ka. (UA S. 82 f.), ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Nach den Feststellungen fehlte die enge Bindung des Angeklagten A. zu den Bandenmitgliedern P. , K. und Ka. . Diese haben den Angeklagten A. nicht dauerhaft in ihre Organisation eingebunden. Die Bandenmitglieder haben vielmehr ihre Straftaten unmittelbar nach der Urlaubsrückkehr des Angeklagten Ka. ohne ihn fortgesetzt.
22
cc) Im Fall 1.23 der Urteilsgründe (Fall 27 der Anklageschrift) hat der Senat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, weil nach den insoweit getroffenen Feststellungen die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch nicht ausgeschlossen ist. Dies führt zur entsprechenden Änderung der Schuldsprüche bei den Angeklagten P. , K. und Ka. und zum Wegfall der wegen dieser Tat verhängten Einzelfreiheitsstrafen. Die gegen die Angeklagten P. , K. und Ka. erkannten Gesamtfreiheitsstrafen können bestehen bleiben. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht ohne die im Fall 27 der Anklageschrift verhängten Einzelstrafen jeweils eine (noch) niedrigere Gesamtstrafe gebildet hätte.
23
c) Ohne Erfolg bleibt auch die Beanstandung der Bemessung der gegen die Angeklagten wegen der verfahrensgegenständlichen Taten verhängten Freiheitsstrafen.
24
Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann nur dann eingreifen, wenn die tatrichterliche Strafzumessung Rechtsfehler enthält, insbesondere wenn sie lückenhaft oder widersprüchlich ist oder sie gegen anerkannte Strafzwecke verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 f.). Derartige Rechtsfehler zeigen die Revisionen der Staatsanwaltschaft hinsichtlich keines der Angeklagten auf. Der Beschwerdeführerin ist einzuräumen, dass die gegen die Angeklagten erkannten Einzel- und Gesamtstrafen angesichts des Umfangs der Tatserie vergleichsweise milde sind; hinzu kommt, dass bis auf den Angeklagten A. alle Angeklagten erheblich, auch einschlägig vorbelastet sind. Die Strafen entfernen sich aber noch nicht nach unten von ihrer Bestimmung eines gerechten Schuldausgleichs. Zwar hätten die von der Beschwerdeführerin hervorgehobenen Umstände auch anders gewertet werden und deshalb bei allen Angeklagten Anlass geben können, höhere Strafen zu verhängen. Die Staatsanwaltschaft versucht aber lediglich, diese Gesichtspunkte anders als der Tatrichter zu gewichten. Damit kann sie jedoch im Revisionsverfahren nicht gehört werden.
25
Die Verhängung einer gesonderten Gesamtgeldstrafe gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB gegen den Angeklagten Pi. hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei begründet. Zwar fehlen Ausführungen zur Begründung der Höhe der Gesamt- geldstrafe und der Tagessatzhöhe. Angesichts der zur Person des Angeklagten Pi. getroffenen Feststellungen schließt der Senat aus, dass sich der Rechtsfehler zu dessen Gunsten ausgewirkt hat.
26
d) Die Urteilsfeststellungen tragen die Entscheidung der Strafkammer, von einer Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO bei den Angeklagten P. , K. und Ka. abzusehen. Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , dass § 73c Abs. 1 StGB im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Entscheidung zu berücksichtigen ist (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10 Rn. 15 und 30, NJW 2011, 624, 625 m.w.N.). Nach den Urteilsfeststellungen (UA S. 96, 99 f., 103) ist bei den Angeklagten P. , K. und Ka. kein Vermögen mehr vorhanden. Im Rahmen der von der Strafkammer nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB zu treffenden Ermessensentscheidung hat sie tragfähig darauf abgestellt, die Resozialisierung der Angeklagten nach Haftentlassung solle nicht durch zu hohe finanzielle Belastungen gefährdet werden (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2003 – 1 StR 22/03, StV 2003, 616).
27
e) Rechtsfehlerhaft hat die Strafkammer jedoch die Anordnung des Verfalls bei dem Angeklagten A. nicht erörtert. Der Angeklagte A. hat für seine Teilnahme an den ausgeurteilten Straftaten eine Gesamtentlohnung von 500 € erhalten. Wenn die Voraussetzungen des Verfalls oder des Wertersatzverfalls vorliegen, ist deren Anordnung in §§ 73, 73a StGB zwingend vorgeschrieben. Nur unter den Voraussetzungen des § 73c StGB muss (Absatz 1 Satz 1) oder kann (Absatz 1 Satz 2) die Anordnung unterbleiben. Diese Voraussetzungen sind in den Urteilsgründen so darzulegen, dass die Entscheidung für das Revisionsgericht nachvollziehbar und auf Rechtsfehler überprüfbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 1993 – 2 StR 468/93). Soweit möglicherweise Ansprüche der Verletzten einer Verfallsanordnung entgegenstünden (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB), wäre eine Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO zu prüfen.
28
f) Hinsichtlich des Angeklagten B. führt das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft gemäß § 301 StPO zu dessen Gunsten zur Aufhebung der Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO (unten unter III. 2.).

III.

29
Die Revisionen des Angeklagten P. (nachfolgend unter 1.) und B. (nachfolgend unter 2.) haben den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.
30
1. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die Revision des Angeklagten P. hat zum Schuldspruch – nach Teileinstellung des Verfahrens im Fall 27 der Anklageschrift – keinen beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Der Rechtsfolgenausspruch hat – mit Ausnahme der Anrechnung der Untersuchungshaft – Bestand.
31
a) Die Schadenshöhe im Fall 36 der Anklageschrift ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe. Der Schaden in den beiden Fällen 36 und 37 der Anklageschrift betrug zusammen 44.800 € (UA S. 48); im Fall 37 war der Wert der Beute 9.800 € (UA S. 41), so dass sich für den Fall 36 unschwer ein Schadensbetrag in Höhe von 35.000 € errechnet.
32
b) Soweit die Strafkammer die Fälle 22, 28 und 36 der Anklageschrift, für die sie Freiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren festgesetzt hat, nochmals bei den Fällen aufgeführt hat, für die sie Freiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten verhängt hat, handelt es sich um ein offensichtliches Fassungsversehen. Der Senat schließt aus, dass sich das Versehen auf die Bemessung der zweiten Gesamtfreiheitsstrafe ausgewirkt hat.
33
c) Bei der vom Landgericht vorgenommenen Anordnung über die Vollstreckungsreihenfolge von Strafe und Maßregel hat es sich allerdings, wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift vom 29. November 2010 zutreffend ausgeführt hat, um zwei Wochen verrechnet. Da der Angeklagte P. indes seit seiner Inhaftierung am 15. Juni 2009 nunmehr ein Jahr und zehn Monate auf die Strafe anzurechnende Untersuchungshaft (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2010 – 1 StR 642/10 Rn. 3) erlitten hat, ist er jetzt ohnehin wegen des hieraus folgenden Ablaufs des angeordneten Vorwegvollzugs unverzüglich in den Vollzug der Unterbringung nach § 64 StGB zu überführen. Eine Korrektur – oder auch die Anordnung des Wegfalls – des angeordneten Teilvorwegvollzugs ist bei dieser Sachlage entbehrlich (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2009 – 5 StR 22/09 Rn. 5).
34
d) Der Ausspruch über die Anrechnung der Untersuchungshaft auf die Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten hat zu entfallen. Die Anordnung der Anrechnung der Untersuchungshaft nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB im Urteil ist überflüssig (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2000 – 4 StR 471/00, BGHR StGB § 51 Abs. 1 Anrechnung 2; Fischer, StGB, 58. Aufl. § 51 Rn. 4). Im vorliegenden Fall ist angesichts der bisherigen Dauer der Untersuchungshaft nicht auszuschließen, dass der Angeklagte durch die Anrechnung allein auf die Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten Nachteile erleidet, etwa bei Erreichen der Mindestverbüßungszeiten des § 57 StGB.
35
e) Zwar hat das Landgericht die Anordnung einer Sperrfrist von einem Jahr für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis nicht begründet. Angesichts der einschlägigen Vorstrafen und des Bewährungsversagens des Angeklagten schließt der Senat aus, dass der Angeklagte durch den Rechtsfehler beschwert ist.
36
2. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die Revision des Angeklagten B. hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 29. November 2010.
37
Der Ausspruch nach § 111i Abs. 2 StPO hat allerdings keinen Bestand. Dem angefochtenen Urteil kann nicht entnommen werden, ob das Landgericht im Rahmen seiner Entscheidung nach § 111i Abs. 2 Satz 3 StPO die Härtevorschrift des § 73c StGB geprüft hat (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 – 3 StR 460/08, wistra 2009, 241, 242; Beschlüsse vom 7. September 2010 – 4 StR 393/10 und vom 15. November 2010 – 4 StR 413/10). Hierfür hätte es tatsächlicher Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten bedurft. Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck Franke Bender