Bundesgerichtshof Urteil, 05. Feb. 2015 - 3 StR 419/14

bei uns veröffentlicht am05.02.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 4 1 9 / 1 4
vom
5. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. Februar
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Mayer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - ,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung -
als Vertreterinnen der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stade vom 10. März 2014 werden verworfen.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung verurteilt. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte - vom Generalbundesanwalt nicht vertretene - Revision der Staatsanwaltschaft rügt allgemein die Verletzung materiellen Rechts, beanstandet im Einzelnen den Strafausspruch des angefochtenen Urteils und erstrebt seine Aufhebung insgesamt sowie die Zurückverweisung der Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung. Der Angeklagte begründet seine Revision mit der allgemein erhobenen Sachrüge.
2
Beide Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.
3
Das Landgericht hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
4
Nachdem die Lebensgefährtin des Angeklagten, die Zeugin S. , von einem angeblichen Besuch ihres Cousins nicht zur angekündigten Zeit nach Hause gekommen war, begab sich der Angeklagte in den frühen Morgenstunden des 18. April 2013 zu Fuß auf den Weg in den Nachbarort St. , wo er zunächst vergeblich am Bahnhof nach dem gemeinsamen Auto Ausschau hielt. Da ihm bekannt war, dass die Zeugin in den vorangegangenen Monaten viel Zeit mit dem Nebenkläger verbracht hatte, kam er auf den Gedanken, sie könne sich bei diesem aufhalten. Er lief daher zu der in St. gelegenen Wohnung des Nebenklägers, vor der er das gemeinsame Fahrzeug stehen sah. Er stieg daraufhin die Treppen zur Terrasse der Nebenklägerwohnung hinauf, klopfte an die Terrassentür, die zugleich die Eingangstür zur Wohnung war und rief den Namen der Zeugin. Diese und der Nebenkläger, die seit einiger Zeit eine auch intime Beziehung unterhielten, den vorangegangenen Abend miteinander verbracht und zu diesem Zeitpunkt geschlafen hatten, erwachten durch das Klopfen und die Rufe des Angeklagten, reagierten aber nicht sofort. Daher drückte der Angeklagte mit seiner linken Schulter die unversperrte Terrassentür auf und betrat die direkt angrenzende Küche. In diesem Moment stand der Nebenkläger auf, machte das Licht im Wohnzimmer an und traf in der Küche auf den Angeklagten. Zwischen den beiden Männern entspann sich ein kurzes Wortgefecht, in dessen Verlauf der Angeklagte den Nebenkläger fragte, ob die Zeugin S. da sei, was dieser verneinte. Dies glaubte der Angeklagte nicht, begab sich daher von der Küche in das Wohnzimmer und zog dabei für den Nebenkläger sichtbar sein - wie auch sonst oft - mitgeführtes Klappmesser, um den Nebenkläger zu veranlassen, ihn vorbei zu lassen. Als sich beide schließlich im Wohnzimmer gegenüberstanden, entdeckte der sich umblickende Angeklagte die nur mit einem Bettlaken oder Handtuch bedeckte Zeugin in der dortigen Schlafnische. Erst der Anblick der unbekleideten Zeugin führte dem Angeklagten vor Augen, dass diese mit dem Nebenkläger einvernehmlich sexuell verkehrt hatte. Damit wurde ihm schlagartig bewusst, dass die Beziehung zur Zeugin beendet war. Dieser Gedanke wühlte den Angeklagten so sehr auf, dass er spontan den Entschluss fasste, auf den Nebenkläger einzustechen. Sein Messer in der rechten Hand haltend bewegte er sich unvermittelt auf den Nebenkläger zu, der versuchte, den Angeklagten mit dem ausgestreckten linken Arm abzuwehren. Dennoch gelang es dem Angeklagten, dem Nebenkläger einen Stich in die linke Brustregion im Bereich der fünften und sechsten Rippe zu versetzen. Dabei wusste er, dass ein solcher Stich tödlich wirken kann, und nahm einen tödlichen Erfolg billigend in Kauf. Der Stich drang bis zur Lunge vor und verursachte einen geringfügigen Pneumothorax. Ohne Verzögerung setzte der Angeklagte dann zu einem weiteren Stich an, der ebenfalls auf die Brustregion zielte, den Nebenkläger indes am linken Oberarm traf und dort eine tiefe Stich- und Schnittwunde verursachte. Nach einer nur kurzen Verzögerung führte der Angeklagte schließlich einen dritten Stich, der dem Nebenkläger Schnittverletzungen auf der linken Wange zufügte. Vor oder nach diesem dritten Stich forderte der Nebenkläger den Angeklagten auf, es gut sein zu lassen, er werde ohnehin sterben. Der Angeklagte äußerte zu einem ebenfalls nicht genau feststellbaren Zeitpunkt, dass er den Nebenkläger abstechen werde. Nach dem letzten Stich wandte der Angeklagte seinen Blick kurz vom Nebenkläger ab. Diesen Moment nutzte dieser, um zu versuchen, dem Angeklagten das Messer aus der rechten Hand zu winden. Da dies aufgrund der Ge- genwehr des Angeklagten misslang, stieß der Nebenkläger den Angeklagten von sich, ging in die Küche und bewaffnete sich dort mit einem großen Küchenmesser. In dieser Zeit wandte sich der Angeklagte der Zeugin zu, die er aus dem Bett zerrte und beschimpfte.
5
Als der Nebenkläger aus der Küche ins Wohnzimmer zurückkehrte, nahm er wahr, dass der Angeklagte und die Zeugin sehr nahe beieinander standen. Er entschloss sich daher, den Angeklagten nicht mit dem Messer zu attackieren, weil er Angst hatte, er werde dabei auch die Zeugin verletzen. Er ließ das Küchenmesser fallen, ging auf den Angeklagten zu und versuchte erneut , diesem das Messer aus der Hand zu winden. Aufgrund dieser Gewalteinwirkung ließ der Angeklagte, der sich dem Nebenkläger körperlich unterlegen fühlte, sein Klappmesser letztlich fallen. Anschließend setzte er sich erschöpft und schlapp auf den Wohnzimmerboden und schlug vor, miteinander zu reden. Der Nebenkläger ging darauf jedoch nicht ein und schob den Angeklagten, der wieder stand und keinen Widerstand leistete, aus der Wohnung.
6
Die Kammer konnte - sachverständig beraten - nicht ausschließen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Stiche aufgrund einer auf seiner affektiven Erregung beruhenden tiefgreifenden Bewusstseinsstörung im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert war.
7
Revision der Staatsanwaltschaft
8
Die Revision der Staatsanwaltschaft zeigt weder zum Vorteil noch zum Nachteil des Angeklagten (§ 301 StPO) einen durchgreifenden Rechtsfehler auf und bleibt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).
9
1. Die auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen des Landgerichts tragen den Schuldspruch.
10
2. Auch der Rechtsfolgenausspruch hält der auf die Sachrüge gebotenen umfassenden Rechtsprüfung stand.
11
a) Soweit die Revision im Einzelnen als rechtsfehlerhaft beanstandet, dass das Landgericht eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat nicht auszuschließen vermochte, zeigt sie einen durchgreifenden Rechtsfehler nicht auf. Die auf der Grundlage des Gutachtens des in der Hauptverhandlung vernommenen psychiatrischen Sachverständigen vorgenommene Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Der Sachverständige hat nachvollziehbar dargelegt, dass ein relevanter Affekt sowie eine daraus folgende tiefgreifende Bewusstseinsstörung des Angeklagten bei der Tatbegehung nicht auszuschließen sei, falls dieser auf den Nebenkläger direkt nach dem Erblicken der unbekleideten Zeugin S. eingestochen habe. Das Landgericht hat einen solchen Tatablauf rechtsfehlerfrei festgestellt, ist dem Sachverständigen in seiner Beurteilung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nach kritischer Prüfung des Gutachtens gefolgt und hat die danach nicht auszuschließende Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten als erheblich im Sinne von § 21 StGB bewertet. Dagegen ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Soweit die Beschwerdeführerin hierzu einwendet , das Landgericht habe keine Erinnerungslücken des Angeklagten festgestellt , die indes "für gewöhnlich" mit einer affektbedingten tiefgreifenden Bewusstseinsstörung einhergingen, nimmt sie eine eigene Würdigung der dem sachverständig beratenen Landgericht vorliegenden Beweisanzeichen vor; eine solche ist revisionsrechtlich unbeachtlich. Dies gilt auch für den Einwand einer lückenhaften Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich der Feststellung, der Angeklagte habe die Terrassentür (nur) aufgedrückt und nicht - was sich nach dem Vortrag der Revision indes aus den in Augenschein genommenen Lichtbildern ergebe - aufgebrochen.
12
Ohne Erfolg bleibt schließlich auch die von der Revision der Staatsanwaltschaft vorgenommene weitere Beanstandung der Beweiswürdigung zu der Frage, ob der Angeklagte von einem (auch) sexuellen Verhältnis der Zeugin S. mit dem Nebenkläger schon vor der Tat wusste oder dies zumindest annahm. Der vom Landgericht aus den festgestellten Umständen gezogene Schluss, dass der Angeklagte von einem derartigen Verhältnis bis zum Entdecken der unbekleideten Zeugin nicht ausging und daher auf diesen Anblick nicht vorbereitet war, ist möglich. Darauf, dass nach den Feststellungen etwa auch andere Folgerungen des Tatrichters denkbar gewesen wären oder gar näher gelegen hätten, kommt es für die revisionsrechtliche Überprüfung der Beweiswürdigung nicht an (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 16. Mai 2013 - 3 StR 45/13, NStZ 2013, 581). Der von der Beschwerdeführerin gezogene Schluss, der Angeklagte sei schon beim Eindringen in die Wohnung fest von einem sexuellen Verhältnis der Zeugin mit dem Nebenkläger ausgegangen und daher bereits zu diesem Zeitpunkt - wie sich aus dem Aufbrechen der Eingangstür ergebe - affektiv erregt gewesen, so dass der forensisch relevante Affekt nicht erst später durch den Anblick der unbekleideten Nebenklägerin entstanden sein könne, stellt wiederum eine eigene Beweiswürdigung der Beschwerdeführerin dar, die dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg verhelfen kann. Die im Übrigen zum Vorliegen eines Affekts vermisste Gesamtwürdigung aller vorliegenden, beweisrechtlich erheblichen Umstände hat das Landgericht nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe in ausreichendem Umfang vorgenommen. Der Senat kann daher auch ausschließen, dass das Landgericht die von der Beschwerdeführerin angeführten Einzelumstände, die das Landgericht festgestellt hat und die dafür sprechen könnten, dass der Angeklagte beim Eindringen in die Wohnung von der Anwesenheit der Zeugin und deren intimen Verhältnis mit dem Nebenkläger ausging, nicht bedacht und nicht in seine Überzeugungsbildung hierzu einbezogen haben könnte.
13
b) Auch im Übrigen ist die Strafzumessung des Landgerichts - mit Blick auf die eingeschränkte Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 und Urteil vom 31. Juli 2014 - 4 StR 216/14, juris Rn. 4) - rechtlich nicht zu beanstanden. Die verhängte Strafe verfehlt entgegen der Ansicht der Revision mit Blick auf die gegebenen Umstände nicht ihre Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein. Soweit die Beschwerdeführerin weiter bemängelt, das Landgericht habe die strafschärfenden Gesichtspunkte "nicht in ausreichendem Maße" gewürdigt, macht sie bereits durch diese Wortwahl deutlich, dass sie im Wesentlichen eine eigene Gewichtung der für die Strafbemessung relevanten Umstände vornimmt und ihre Bewertung an die Stelle derjenigen des Landgerichts setzt. Damit kann sie im Revisionsverfahren nicht erfolgreich sein. Gleiches gilt für die Beanstandung , das Landgericht habe es nach den Urteilsgründen unterlassen, die sich aus der Tatsituation ergebende (besondere) Schutzlosigkeit des Nebenklägers und der Zeugin S. wie auch die von der Bindung der Zeugin an sich sowie von einer Reaktion mit übersteigerter Eifersucht getragenen Tatmotivation des Angeklagten (strafschärfend) zu berücksichtigen. Eine vollständige, erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Vielmehr sind gemäß § 267 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO lediglich die bestimmenden Strafzumessungstatsachen anzugeben; deren Auswahl und Gewichtung sind dem Tatrichter übertragen und einer ins Einzelne gehenden revisionsrechtlichen Richtigkeitskontrolle weitgehend entzogen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 2. August 2012 - 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337 mwN). Gemessen an diesen rechtlichen Maßstäben ist ein durchgreifender Rechtsfehler nicht erkennbar. Dies gilt insbesondere auch für die - näher begründete - Entscheidung des Landgerichts, die Strafe nicht dem (auch) in Betracht kommenden Sonderstrafrahmen des § 213 StGB, sondern dem gemäß §§ 21, 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB zweifach gemilderten Regelstrafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB zu entnehmen sowie für die Entscheidung, die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen. Die fehlende Prüfung und Erörterung, ob die Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 Abs. 3 StGB zu versagen ist, weil sie für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert werden könnte, gefährdet den Bestand des angefochtenen Urteils hier nicht, da derartige Auswirkungen der Strafaussetzung vorliegend nicht nahe lagen und daher eine Prüfungs- und Erörterungspflicht ausnahmsweise nicht bestand (vgl. BGH, Urteil vom 6. August 2014 - 2 StR 153/14, wistra 2014, 477 mwN).
14
Revision des Angeklagten
15
Die aufgrund der allgemein erhobenen Sachrüge des Angeklagten veranlasste umfassende Rechtsprüfung des Urteils hat ebenfalls keinen durchgreifenden , zum Nachteil des Beschwerdeführers wirkenden Rechtsfehler erbracht (§ 349 Abs. 2 StPO).
Becker Hubert RiBGH Mayer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Gericke Spaniol

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 05. Feb. 2015 - 3 StR 419/14

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 05. Feb. 2015 - 3 StR 419/14

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö
Bundesgerichtshof Urteil, 05. Feb. 2015 - 3 StR 419/14 zitiert 10 §§.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

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(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

Strafgesetzbuch - StGB | § 56 Strafaussetzung


(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig au

Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Strafgesetzbuch - StGB | § 23 Strafbarkeit des Versuchs


(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. (2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1). (3) Hat der Täter aus grobem Unv

Strafprozeßordnung - StPO | § 301 Wirkung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft


Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

Strafgesetzbuch - StGB | § 213 Minder schwerer Fall des Totschlags


War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minde

Referenzen - Urteile

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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 45/13
vom
16. Mai 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Mai 2013,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Mayer,
Gericke
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten G. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten D. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 7. November 2012 wird verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die zuungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, die der Generalbundesanwalt vertritt, rügt die Verletzung sachlichen Rechts und beanstandet im Einzelnen die Ablehnung des (bedingten) Tötungsvorsatzes der Angeklagten durch das Landgericht. Das Rechtsmittel ist unbegründet; die Überprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachbeschwerde ergibt keinen durchgreifenden Rechtsfehler zugunsten oder zulasten (§ 301 StPO) der Angeklagten.

I.

2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Am Morgen des 17. September 2011 kam es in der Nähe einer Diskothek in A. zunächst zu einem verbalen Konflikt zwischen einer Gruppe um die - erheblich alkoholisierten und in ihrer Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB erheblich verminderten - Angeklagten und dem Geschädigten S.. Dieser begab sich danach zum Eingangsbereich der Diskothek und setzte sich auf die dortigen Stufen. Nachdem die Angeklagten und zwei ihrer Begleiter ein Taxi bestiegen hatten und aus diesem Fahrzeug heraus beim Vorbeifahren an dem Geschädigten und dessen Bekannten K. ein sogenannter "Stinkefinger" gezeigt worden war, stand K. auf, folgte dem Taxi und schlug gegen die Scheibe, um die Insassen zu einer Klärung aufzufordern. Die Insassen des Taxis stiegen aus. Einer von ihnen, der Zeuge Sch. , begab sich sogleich zum Zeugen K. , worauf sich zwischen diesen beiden eine verbale Auseinandersetzung mit gegenseitigen Beleidigungen ergab. Der Geschädigte ging in die Richtung der Streitenden, um K. aus der Auseinandersetzung herauszuholen. Daraufhin kam es zwischen dem Angeklagten D. und dem Geschädigten ebenfalls zu Beleidigungen und zu einem Gerangel. Schließlich versetzte der Angeklagte D. dem Geschädigten zwei bis drei gezielte heftige Faustschläge in das Gesicht, wodurch dieser zu Boden ging. Der Angeklagte D. beugte sich sodann herunter und schlug jedenfalls ein weiteres Mal mit der Faust auf den Oberkörper oder in das Gesicht des Geschädigten, wobei dieser versuchte, sich durch seine Hände und Arme vor der Wucht der Schläge zu schützen. Der Angeklagte G. , der sich bis dahin irgendwo im Umfeld des Geschehens aufgehalten hatte, ohne selbst einzugreifen, kam hinzu, als der Geschädigte bereits am Boden lag, um mit seinem Freund D. gemeinsam auf den Geschädigten einzuwirken. Der Angeklagte G. trat aus dem Lauf heraus mit der Innenseite seines mit Straßenturnschuhen beschuhten linken Fußes wuchtig gegen den Kopf des Geschädigten. In schneller Abfolge folgten von diesem Angeklagten ausgeführte vier bis fünf weitere Tritte in das Gesicht des am Boden Liegenden. Der Angeklagte D. , der leichte Straßenturnschuhe trug, nahm dies wahr, billigte das Vorgehen seines Freundes G. und trat nunmehr ebenfalls zwei- bis dreimal heftig auf das sich nicht mehr wehrende Opfer ein. Die Tritte gingen jedenfalls auch gezielt auf den Kopf des Opfers. Sie waren wuchtig und potentiell lebensbedrohlich, ohne dass es allerdings zu einer konkreten Lebensgefahr kam. Schließlich ließ der Angeklagte D. von dem Geschädigten ab und lief, sich die Jacke über den Kopf ziehend, in Richtung einer nahegelegenen Tankstelle davon. Der Angeklagte G. führte noch einen Tritt aus und flüchtete dann, sich seine Jacke ebenfalls über den Kopf ziehend, unmittelbar hinter dem Angeklagten D. her. Bei der Tankstelle blieben sie gut sichtbar stehen.
4
Infolge der Gewalteinwirkung durch die Angeklagten erlitt der Geschädigte im Wesentlichen eine Fraktur des Orbitabogens links, eine Kieferhöhlenfraktur links sowie eine Nasenbeinfraktur. Er verlor insgesamt drei Zähne. Im Bereich des linken Auges bis hinunter zum Jochbogen hatte er ein sogenanntes Monokelhämatom. Der Geschädigte verbrachte einen Tag im Krankenhaus; er litt auch danach noch in erheblichen Umfang und längere Zeit an den psychischen Folgen der Tat, die auch zum Verlust seines Arbeitsplatzes führten.
5
2. Den Schuldspruch hat das Landgericht auf § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 StGB gestützt. Die Angeklagten hätten jedenfalls billigend in Kauf genommen, mit ihren wuchtigen Tritten gegen den Kopf des Geschädigten er- hebliche Körperverletzungen hervorzurufen. Demgegenüber hat das Landgericht nicht sicher feststellen können, "dass der vor Beginn der Tathandlung gefasste Entschluss einen Tötungsvorsatz enthielt" oder die Angeklagten "im Verlauf der Geschehnisse einen Tötungsvorsatz fassten". Die Jugendkammer hat daher den Tatbestand des versuchten Totschlags nicht festzustellen vermocht. Dies hat das Landgericht ausführlich und im Einzelnen begründet. Dabei hat es sich davon überzeugt, dass das Wissenselement des bedingten Tötungsvorsatzes bei den Angeklagten gegeben war, aber unter Abwägung der festgestellten Gesamtumstände das Vorliegen des Willenselementes des bedingten Tötungsvorsatzes bei beiden Angeklagten nicht ohne vernünftige Zweifel festzustellen vermocht.

II.

6
Der Schuldspruch hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Beweiswürdigung , auf welcher die Überzeugung der Jugendkammer beruht, ein auch nur bedingter Tötungsvorsatz sei nicht zweifelsfrei festzustellen, begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
7
1. Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt, weiter, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet. Vor Annahme eines bedingten Vorsatzes müssen beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens - als auch das Willenselement, umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles, in welche vor allem die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen sind. Kann der Tatrichter auf der Grundlage dieser Gesamtbewertung aller Umstände Zweifel am Vorliegen des bedingten Vorsatzes nicht überwinden, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen; denn die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt daher allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt. Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen , wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näher liegend gewesen wäre.
8
Gleichermaßen allein Sache des Tatrichters ist es, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten. Ist diese Bewertung nach den dargestellten rechtlichen Maßstäben vertretbar, so kann das Revisionsgericht nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters eingreifen. Dies muss insbesondere auch dann gelten, wenn der Tatrichter im Rahmen der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes Gewalthandlungen des Täters festgestellt hat, die für das Opfer objektiv lebensbedrohlich gewesen sind. Zwar hat der Bundesgerichtshof die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung als wesentlichen Indikator sowohl für das Wissens- als auch für das Willenselement des bedingten Vorsatzes angesehen und bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen das Vorliegen beider Elemente als naheliegend bezeichnet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Tatrichter der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung bei der Prüfung der subjektiven Tatseite von Rechts wegen immer die ausschlaggebende indizielle Bedeutung beizumessen hätte. Darin läge eine vom Einzelfall gelöste Festlegung des Beweiswerts und der Beweisrichtung eines im Zusammenhang mit derartigen Delikten immer wieder auftretenden Umstandes, die einer Beweisregel nahekäme und deshalb dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung widerspräche.
9
Dieselben Grundsätze gelten für solche Beweisanzeichen, die sich auf den ersten Blick als ambivalent darstellen, die also dem Tatrichter, je nachdem, wie er sie im Einzelfall bewertet, rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen. Eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber, in welchem der möglichen, zueinander in einem Gegensatz stehenden Beweiszusammenhänge ein solcher Umstand im konkreten Fall indizielle Bedeutung entfaltet, ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Der Tatrichter kann in einem solchen Falle nicht gehalten sein, denselben Umstand nochmals in dem anderen Beweiszusammenhang zu erwägen und damit Gefahr zu laufen, sich zu seinem anderweitig gewonnenen Ergebnis zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten in Widerspruch zu setzen (vgl. zu alledem BGH, Urteil vom 20. September 2012 - 3 StR 140/12, NStZ-RR 2013, 75, 76 f. mwN).
10
Nach alledem ist es bei der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes - nicht anders als sonst bei der Würdigung der Beweise - aus revisionsrechtlicher Sicht erforderlich, aber auch ausreichend, sämtliche objektiven und subjektiven , für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände des Einzelfalles in eine individuelle Gesamtschau einzubeziehen und zu bewerten.
11
2. Daran gemessen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Sie beruht auf einer bewertenden Gesamtschau aller maßgeblichen objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles. Die von der Jugendkammer in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen sind weder lückenhaft, widersprüchlich oder unklar noch verstoßen sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze. Die Beschwerdeführerin beanstandet die Beweiswürdigung weitgehend mit eigenen Wertungen; damit kann die Revision regelmäßig nicht erfolgreich begründet werden. Im Einzelnen:
12
Das Landgericht ist bei seiner Würdigung der Feststellungen und Beweisanzeichen von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen. Soweit die Beschwerdeführerin rügt, die Jugendkammer habe den Indizwert der Tritte gegen den Kopf des Geschädigten und das äußere Tatgeschehen für das Vorliegen eines Tötungsvorsatzes zu gering bewertet, zeigt sie einen Rechtsfehler nicht auf. Die Gewichtung der objektiven Tatumstände und die Bewertung ihrer Bedeutung für den subjektiven Tatbestand sind allein dem Tatrichter vorbehalten. Dies gilt auch bei Tritten des Täters gegen den Kopf des Opfers, die nicht stets und gleichsam automatisch den Schluss auf das Vorliegen eines (bedingten) Tötungsvorsatzes begründen. Auch die Einordnung und Würdigung der - ambivalenten - Beweisanzeichen einer erheblichen Alkoholisierung und eines spontanen Handelns in affektiver Erregung obliegen dem Tatrichter (BGH, aaO, juris Rn. 16). Zudem ist anerkannt, dass insbesondere bei spontanen , unüberlegten, in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen aus dem Wissen um den möglichen Eintritt des Todes nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten darauf geschlossen werden kann, dass das - selbständig neben dem Wissenselement stehende - voluntative Vorsatzelement gegeben ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2010 - 3 StR 364/10, NStZ 2011, 338 mwN). Ebenso dem Tatrichter vorbehalten ist die Entscheidung, welcher Stellenwert dem Nachtatverhalten des Täters im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung beizumessen ist. Das Landgericht hat das Verhalten der Angeklagten nach der Tat, das nach den Feststellungen nicht nur von einer Flucht unter Verbergen des Gesichts, sondern auch durch ein sichtbares Verbleiben in der Nähe des Tatortes gekennzeichnet war, unter Heranziehung aller insoweit maßgeblichen Gesichtspunkte rechtsfehlerfrei gewürdigt. Der Senat kann mit Blick auf die Urteilsgründe ausschließen, dass die Jugendkammer bei der Bewertung der Verletzungen des Geschädigten die von ihr festgestellten Gesichtsschädelfrakturen außer Acht gelassen hat. Die Würdigung des Landgerichts, es könne trotz der Heftigkeit der Tritte nicht ausgeschlossen werden, dass die - fußballerisch erfahrenen - Angeklagten nicht mit der ihnen möglichen vollen Wucht auf den Kopf des Opfers eintraten, stellt angesichts der hierfür herangezogenen Umstände eine mögliche Schlussfolgerung dar; diese ist - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - nach Maßgabe der dargelegten Grundsätze revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
13
Auch im Übrigen hat die Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler ergeben.
Schäfer Pfister Hubert Mayer Gericke
4
Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist nur möglich, wenn die Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349). Das gilt auch insoweit, als die tatrichterliche Annahme oder Verneinung eines minder schweren Falles zur revisionsgerichtlichen Prüfung steht (st. Rspr.; vgl.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 132/12
vom
2. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
2. August 2012 an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stade vom 22. Dezember 2011 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zur Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte, mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
Das Landgericht hat einen minder schweren Fall des Totschlags gemäß § 213 Alt. 1 StGB angenommen und diesen Sonderstrafrahmen nochmals gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert. Dies ist frei von Rechtsfehlern zum Nachteil des Angeklagten. Entgegen der Ansicht der Revision und des Generalbundesanwalts lässt aber auch die Strafzumessung im engeren Sinne im Ergebnis einen durchgreifenden, den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler nicht erkennen. Das Landgericht hat insoweit zu Gunsten des Angeklag- ten berücksichtigt, dass er nicht vorbestraft, als Erstverbüßer und nicht Deutsch sprechender Ausländer besonders strafempfindlich sei und dass er sich bereits mehr als sechs Monate in Untersuchungshaft befinde. Mildernd habe sich zudem ausgewirkt, dass er sich geständig eingelassen habe und durch die Tat auch selbst körperlich und psychisch verletzt worden sei. Das Landgericht hat "besondere Umstände, die sich zu seinen Lasten ausgewirkt hätten, nicht festgestellt". Dass es dennoch innerhalb des von ihm zugrunde gelegten Strafrahmens von drei Monaten bis sieben Jahre und sechs Monaten Freiheitsstrafe eine solche von fünf Jahren zugemessen hat, hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.
3
1. Die Strafbemessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, so dass das Revisionsgericht nur bei Vorliegen eines Rechtsfehlers eingreifen darf. Ein solcher kann etwa dann gegeben sein, wenn die Begründung für die verhängte Strafe dem Revisionsgericht die ihm obliegende sachlichrechtliche Nachprüfung nicht ermöglicht, die Erwägungen des Tatrichters in sich fehlerhaft sind oder sich die Strafe von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, nach oben oder unten löst (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 46 Rn. 20 ff.; KKEngelhardt , 6. Aufl., § 267 Rn. 25 mwN). Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB hat das Gericht die Umstände gegeneinander abzuwägen, die für und gegen den Täter sprechen. Dies bedeutet indes nicht, dass jeder derartige Umstand der ausdrücklichen Erörterung in den Urteilsgründen bedarf und dass die Nichterörterung stets einen Rechtsfehler begründet. Das Gericht ist vielmehr lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entschei- den (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1994 - 3 StR 311/94, NStE Nr. 42 zu § 267 StPO mwN; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 267 Rn. 18).
4
2. Nach diesen Maßstäben ist ein revisionsrechtlich bedeutsamer Fehler der Strafbemessung hier nicht ersichtlich.
5
a) Zunächst ist mit Blick auf den Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zu besorgen, dass das Landgericht innerhalb des nach zweifacher Milderung gewählten Strafrahmens ausschließlich für den Angeklagten sprechende Gesichtspunkte erwogen und gleichwohl eine im oberen Bereich des Strafrahmens angesiedelte Strafe verhängt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2003 - 2 StR 463/02, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 23). Vielmehr hat das Landgericht auch gegen den Angeklagten sprechende Umstände festgestellt, diese aber ersichtlich lediglich nicht als bestimmend im Sinne von § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO angesehen und daher in den schriftlichen Urteilsgründen bei der Strafzumessung nicht angeführt. Dies ergibt sich bereits aus der Formulierung, es habe besondere Umstände zu seinen Lasten nicht feststellen können. Hinzuweisen ist etwa auf folgende Gesichtspunkte, die im Sinne von § 46 Abs. 2 StGB gegen den Angeklagten sprechen: So nahm das Opfer den Angeklagten unmittelbar nach dessen Einreise aus Brasilien in seine Wohnung auf, gewährte ihm mehrere Wochen lang Unterkunft und führte mit ihm eine Liebesbeziehung. Nach einer tätlichen Auseinandersetzung mit dem Opfer stach der Angeklagte mehrfach auf dieses ein, brachte ihm dabei (mindestens ) drei Stichverletzungen in den Hals bei und fügte dem nunmehr am Boden Liegenden mit einem Zimmermannshammer fünfzehn Kopfverletzungen zu, die zu trümmerartigen Brüchen des Hirnschädels und zum Tode führten. Diese besonderen Tatmodalitäten zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen , begegnet hier keinen rechtlichen Bedenken, da auch der im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähige Täter für die von ihm begangene Tat in ihrer konkreten Ausgestaltung verantwortlich ist, so dass für eine strafschärfende Verwertung der Handlungsintensität Raum bleibt, wenn auch nur nach dem Maß der geminderten Schuld (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 29. Juni 2000 - 1 StR 223/00, StV 2001, 615, 616).
6
b) Danach besteht entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kein Widerspruch zwischen der verhängten Freiheitsstrafe und der tatrichterlichen Bewertung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände. Namentlich kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden, dass Strafschärfungsgründe gänzlich fehlten (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar2003 - 2 StR 463/02, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 23) oder diese dem Landgericht bei der Strafzumessung völlig aus dem Blick geraten wären. Deshalb liegt auch eine rechtsfehlerhafte Lücke in der Begründung der Strafbemessung nicht vor. Die vom Generalbundesanwalt für seine gegenteilige Ansicht herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2009 - 5 StR 241/09, NStZ-RR 2009, 336) hatte die Verhängung einer Strafe zum Gegenstand, die innerhalb des Regelstrafrahmens des § 250 Abs. 2 StGB als "eine beträchtliche Übersetzung der erheblichen Mindeststrafe" unbegründet geblieben war. Hier ist dagegen die Strafe einem Strafrahmen entnommen, der sich infolge zweifacher Milderung des Regelstrafrahmens ergeben hatte. In diesen Fällen kann das Gewicht, das den Milderungsgründen zukommt, schon durch die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens so weit relativiert sein, dass es innerhalb dieses Strafrahmens kaum noch mildernde Wirkung zu entfalten vermag und die gegen den Täter sprechenden Umstände, insbesondere die Schwere der Tat, eine Strafe im oberen Bereich des gemilderten Strafrahmens rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1987 - 1 StR 77/87, BGHSt 34, 355, 359 ff.).
Becker Hubert Schäfer
Mayer Ri'in BGH Dr. Spaniol befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 1 5 3 / 1 4
vom
6. August 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. August
2014, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Bundesanwältin in der Verhandlung,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
die Angeklagte K. in Person,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 6. September 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hatte die Angeklagte im ersten Durchgang wegen Untreue in Tateinheit mit Computerbetrug in 71 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Auf die Revision der Angeklagten hat der Senat das Urteil im Strafausspruch aufgehoben und die Sache insoweit an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Diese hat die Angeklagte nunmehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen die Bewährungsentscheidung richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen war die Angeklagte bei der K. für die Prüfung und Bewilligung von Rehabilitationsleistungen zuständig. Unter Ausnutzung betriebsinterner Abläufe verschaffte sie sich heimlich Prüfnummern und Passwörter von anderen Mitarbeitern , was es ihr ermöglichte, von ihr frei erfundene Leistungsaufträge auf den Computern von gerade abwesenden Kollegen abzuwickeln. So erlangte sie die Überweisung von insgesamt 284.692,30 € auf verschiedene Privatkonten. Das Geld verwandte sie für sich, zum Teil finanzierte sie damit ihren Kokainkonsum.
3
Auf Rückforderungen der K. in Höhe von ca. 280.000 € zahlt sie aus ihrer jetzigen Tätigkeit als Bäckereifachverkäuferin 500 € monatlich zum Zwecke der Schadenswiedergutmachung.
4
2. Das Landgericht hat die Vollstreckung der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt, weil der bisher nur geringfügig vorbestraften Angeklagten eine günstige Sozialprognose gemäß § 56 Abs. 1 StGB zu stellen sei. Sie habe sich aus ihrem bisherigen Umfeld gelöst, lebe drogenfrei und gehe einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nach. Darüber hinaus ergebe eine Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit das Vorliegen besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB. So seien insbesondere ihr Bemühen um Schadenswiedergutmachung im Rahmen ihrer engen finanziellen Möglichkeiten, der lange Zeitablauf zwischen Tatbegehung und deren Aburteilung sowie ihr seither straffreies Leben zu berücksichtigen.

II.

5
Die auf die Bewährungsentscheidung beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, weil es das Landgericht versäumt hat, § 56 Abs. 3 StGB in den Blick zu nehmen. Strafaussetzung zur Bewährung kann nach § 56 Abs. 3 StGB dann versagt werden, wenn sie im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalls für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert werden könnte (vgl. BGHSt 53, 311, 320 m.w.N.). Eine Erörterung der Frage, ob die Verteidigung der Rechtsverordnung die Vollstreckung einer verhängten Freiheitsstrafe gebietet, ist jedenfalls dann unerlässlich, wenn die aus dem Urteil ersichtlichen Tatsachen dies nahelegen (vgl. BGH NStZ 1987, 21; 1988, 126, 127). Das ist hier der Fall.
6
Die Angeklagte hat die Solidargemeinschaft der gesetzlich Rentenversicherungspflichtigen unter Ausnutzung ihrer besonderen beruflichen Vertrauensstellung in beträchtlicher Höhe geschädigt. Dabei hat sie den Verdacht auf andere Kollegen gelenkt, deren Rechner und Kennung sie nutzte und diese somit der Gefahr einer unberechtigten Strafverfolgung ausgesetzt. Einen Betrag in Höhe von 40.000-50.000 €, den sie im Zeitraum Januar 2012 bis Juli 2012 aus ihrer Tätigkeit als Barfrau erzielt hat, hat sie nicht etwa zur Schadenswiedergutmachung eingesetzt, sondern anderweitig verwandt.
7
Vor diesem Hintergrund kann der Senat nicht ausschließen, dass die Strafkammer, hätte sie diese Umstände im Rahmen des § 56 Abs. 3 StGB erwogen , die erkannte Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt hätte. Appl Schmitt Eschelbach Ott Zeng

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.