Bundesgerichtshof Urteil, 27. Apr. 2017 - 4 StR 592/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:270417U4STR592.16.0
bei uns veröffentlicht am27.04.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 592/16
vom
27. April 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:270417U4STR592.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. April 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Bender, Dr. Quentin, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Staatsanwalt als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 6. September 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision die Verletzung sachlichen Rechts. Sie macht geltend, die Strafkammer habe ihre Kognitionspflicht verletzt, weil sie den festgestellten Sachverhalt nicht unter dem Gesichtspunkt des § 316a Abs. 1 StGB bewertet habe. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg; zum Strafausspruch auch zu Gunsten des Angeklagten.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen getroffen :
3
Am Abend des 9. März 2016 trafen sich der anderweitig verfolgte S. und der Angeklagte in der von dem Angeklagten genutzten Wohnung und tranken Alkohol. Dabei kam ihnen der Gedanke, einen Taxifahrer zu überfallen und auszurauben. Zu diesem Zweck wollten sie wie normale Fahrgäste in ein Taxi steigen und sich eine kurze Strecke fahren lassen. Am Ankunftsort wollten sie den Taxifahrer bedrohen, wobei ihn der Angeklagte von hinten „greifen“ sollte, und ihn so dazu bewegen, seine Geldbörse herauszuge- ben. Beim Verlassen der Wohnung nahm der Angeklagte noch eine Gesichtsmaske mit. An einem nahe gelegenen Taxistand bestiegen beide das dort wartende Taxi des Geschädigten G. . Der Angeklagte nahm hinten Platz, während sich S. vereinbarungsgemäß auf den Beifahrersitz setzte. S. trug ein Messer bei sich. Auf Anweisung von S. fuhr der Geschädigte G. mit dem Taxi zu einer Spielhalle in einer nicht weit entfernten menschenleeren Straße. Dort traf das Taxi gegen 1.00 Uhr am frühen Morgen des 10. März 2016 ein. Der Angeklagte zog sich unbemerkt die Maske über das Gesicht. Der Geschädigte stellte das Taxi vor der Spielhalle ab, ohne allerdings die Handbremse anzuziehen. Er stellte das Taxameter aus und verlangte von S. das Fahrtentgelt in Höhe von 6,00 Euro. Gleichzeitig holte er aus einem in der Fahrertür befindlichen Fach sein Portemonnaie hervor. In diesem Moment packte der Angeklagte den Geschädigten mit mindestens einem Arm an der Stirn und zog dessen Kopf nach hinten, um ihn zu fixieren. Zeitgleich verlangte S. die Herausgabe des Portemonnaies. Außerdem nahm er das mitgeführte Messer in die Hand und hielt es dem Geschädigten an den Hals, ohne dass es dabei zu einer Berührung kam. Der Geschädigte wehrte sich und verweigerte die Herausgabe des Portemonnaies. In diesem Moment verließen mehrere Personen, unter ihnen drei mit dem Geschädigten persönlich bekannte Zeugen, die Spielhalle und traten auf den Gehweg vor dem Taxi. Dem Geschädigten gelang es, sich aus dem Griff des Angeklagten zu befreien, wobei er sich Schmerzen an der Stirn zuzog. Er öffnete die Fahrertür und verließ das Taxi. Dabei fiel sein Portemonnaie zu Boden. „Praktisch gleichzeitig“ öffnete der Angeklagte die linke hintere Tür, während S. die Beifahrertür aufmachte. Beide hatten erkannt, dass sie aufgrund des Widerstands des Geschädigten und der hinzugetretenen Zeugen ihre Tat nicht „wie geplant“ würden vollenden können. Das Taxi hatte infolge des Gerangels zu rollen begonnen, weshalb S. beim Aussteigen von der Beifahrertür erfasst wurde. Er konnte sich jedoch aufrappeln und flüchten. Der Angeklagte versteckte sich hinter einem Pkw, wo er von den nacheilenden Zeugen entdeckt wurde. Das Landgericht vermochte nicht auszuschließen, dass S. das Messer ohne Kenntnis und Billigung des Angeklagten bei sich hatte und überraschend einsetzte.

II.


4
Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Sie deckt sowohl den Angeklagten begünstigende als auch ihn beschwerende Rechtsfehler auf (§ 301 StPO).
5
1. Das angegriffene Urteil kann keinen Bestand haben, weil das Landgericht gegen seine Pflicht, den Unrechtsgehalt der angeklagten Tat voll auszuschöpfen , verstoßen hat. Dies ist ein auf die Sachrüge hin zu beachtender Rechtsfehler (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2013 – 3 StR 258/13, NStZ-RR 2014, 57).
6
a) Gegenstand der Urteilsfindung ist nach § 264 Abs. 1 StPO die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt. Dabei handelt es sich um den geschichtlichen Vorgang, auf den die Anklage und der Eröffnungsbeschluss hinweisen und innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Der Tatrichter ist verpflichtet , diesen Vorgang unter allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten zu untersuchen und ohne Bindung an die der Anklage und die dem Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegte rechtliche Bewertung (§ 264 Abs. 2 StPO) abzuurteilen, sofern dem keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2016 – 1 StR 492/15, insoweit nicht abgedruckt in NStZ-RR 2017, 45; Beschluss vom 15. Mai 1963 – 2 ARs 66/63, BGHSt 18, 381, 385 f. mwN).
7
b) Dieser Verpflichtung ist das Landgericht nicht in vollem Umfang nachgekommen , weil es die Tat, obwohl sich dies nach den Feststellungen aufgedrängt hat, nicht unter dem Gesichtspunkt des § 316a Abs. 1 StGB in den Blick genommen und beurteilt hat.
8
aa) Nach § 316a Abs. 1 StGB macht sich wegen räuberischen Angriffs auf einen Kraftfahrer strafbar, wer zur Begehung eines Raubes (§ 249 oder § 250), eines räuberischen Diebstahls (§ 252 StGB) oder einer räuberischen Erpressung (§ 255) einen Angriff auf Leib oder Leben oder die Entschlussfreiheit des Führers eines Kraftfahrzeugs oder eines Mitfahrers verübt und dabei die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausnutzt. Führer eines Kraftfahrzeuges im Sinne dieser Bestimmung ist, wer das Fahrzeug in Bewegung zu setzen beginnt, es in Bewegung hält oder allgemein mit dem Betrieb des Fahrzeugs oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist. Bringt ein Kraftfahrer sein Fahrzeug nicht verkehrsbedingt zum Stehen, bleibt er so- lange Führer des Kraftfahrzeugs, wie er sich noch im Fahrzeug aufhält und mit dessen Betrieb oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist. Dies ist regelmäßig erst dann nicht mehr der Fall, wenn er sein Fahrzeug zum Halten gebracht und den Motor ausgestellt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2005 – 4 StR 299/04, BGHSt 50, 169, 171; Urteil vom 20. November 2003 – 4 StR 150/03, BGHSt 49, 8, 15; Ernemann in SSW-StGB, 3. Aufl., § 316a Rn. 11 mwN). Die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs werden ausgenutzt, wenn der Fahrzeugführer im Zeitpunkt des Angriffs noch in einer Weise mit der Beherrschung seines Kraftfahrzeugs oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist, dass er gerade deshalb leichter zu einem Angriffsobjekt eines Überfalls werden kann (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2016 – 4 StR 563/15, NStZ 2016, 607, 608; Beschluss vom 25. September 2007 – 4 StR 338/07, BGHSt 52, 44, 46; Beschluss vom 28. Juni 2005 – 4 StR 299/04, BGHSt 50, 169, 172; Ernemann in SSW-StGB, 3. Aufl., § 316a Rn. 14 mwN). Dies kann auch bei einem nicht verkehrsbedingten Halt der Fall sein, wenn verkehrsspezifische Umstände vorliegen, die zu einer Beeinträchtigung der Abwehrmöglichkeiten des angegriffenen Fahrzeugführers geführt haben (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 2006 – 4 StR 444/05, NStZ-RR 2006, 185, 186).
9
bb) Nach den Feststellungen haben der Angeklagte und S. gemeinsam einen Angriff auf die Entschlussfreiheit und den Körper des Geschädigten G. verübt, indem der Angeklagte dessen Kopf nach hinten zog und S. die Herausgabe des Portemonnaies verlangte. Dieser Angriff war auch auf die Begehung einer räuberischen Erpressung (§ 255 StGB) gerichtet. Ob der zu diesem Zeitpunkt auf dem Fahrersitz seines Taxis sitzende Geschädigte noch Führer eines Kraftfahrzeugs war und, sofern dies der Fall gewesen sein sollte, von dem Angeklagten und seinem Mittäter die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausgenutzt wurden, hat das Landgericht nicht hinreichend geklärt. Aus den Feststellungen ergibt sich lediglich , dass der Geschädigte das Taxi vor der Spielhalle abstellte und die Handbremse nicht anzog. Ob er den Motor im Zeitpunkt des Angriffs bereits abgestellt hatte und wie das Fahrzeug gegen ein Wegrollen gesichert war, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Der Umstand, dass das Taxi „aufgrund des Gerangels zu rollen begann“, könnte darauf hindeuten, dass der Geschädigte sein Fahrzeug allein mit der Fußbremse fixiert hatte und deshalb im Zeitpunkt des Angriffes noch mit dessen Betrieb beschäftigt war. Auch fehlen konkrete Feststellungen zur Anhaltestelle und der konkreten Verkehrssituation (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 2006 – 4 StR 444/05, NStZ-RR 2006, 185 [Halt bei laufendem Motor, Automatikgetriebe in Parkstellung]; Beschluss vom 17. Februar 2005 – 4 StR 537/04 [Halt bei laufendem Motor an einer schmalen Kreisstraße]; Beschluss vom 27. November 2003 – 4 StR 338/03, BGHR StGB § 316a Abs. 1 Straßenverkehr 17 [Halt bei laufendem Motor, Automatikgetriebe auf Dauerbetrieb, Fuß auf der Fußbremse]) sowie die weiteren Beispielsfälle im Beschluss vom 28. Juni 2005 – 4 StR 299/04, BGHSt 50, 169, 174).
10
Dieser den Angeklagten begünstigende Rechtsfehler führt zur Aufhebung des gesamten Urteils.
11
2. Die Überprüfung des Urteils hat auch einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben (§ 301 StPO). Denn das Landgericht hat bei der Bestimmung des Strafrahmens eine Strafrahmenverschiebung nach § 46b Abs. 1 Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB nicht in Betracht gezogen, obgleich den Urteilsgründen zu entnehmen ist, dass der Angeklagte bei der Ermittlung seines Mittäters S. Hilfe geleistet hat, indem er dessen Namen im Rahmen einer „Beschuldigtenvernehmung“ nannte. Danach liegt es nahe, dass auch die Voraussetzungen des § 46b Abs. 3 StGB erfüllt sind. Die Strafkammer hat die geleistete Aufklärungshilfe zwar bei der konkreten Strafzumessung zugunsten des Angeklagten berücksichtigt; der Senat vermag aber nicht auszuschließen , dass sie ihr Ermessen dahin ausgeübt hätte, den Strafrahmen nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu mildern.
12
3. Die Verneinung eines Rücktritts vom Versuch der räuberischen Erpressung ist mit Rücksicht auf die Vorschrift des § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB nicht durchgreifend rechtsfehlerhaft. Soweit die Strafkammer in anderem Zusammenhang ausgeführt hat, dass der Angeklagte nach der Kenntnisnahme von dem Messereinsatz des Mittäters „von seiner Tat abließ“ (UA 7 und 9), ergibt sich daraus gerade nicht, dass auch S. von einer weiteren Tatbegehung freiwillig Abstand nahm. Für einen Rücktritt vom unbeendeten Versuch durch ein einvernehmliches Nichtweiterhandeln aller Mittäter (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2012 – 4 StR 621/11, NStZ-RR 2012, 167, 168; Urteil vom 14. Mai 1996 – 1 StR 51/96, BGHSt 42, 158, 162 mwN) war danach auf der Grundlage dieser Ausführungen kein Raum.
13
Sollte die Frage eines Rücktritts wiederum zu erörtern sein, wird der neue Tatrichter zu beachten haben, dass ein Versuch fehlgeschlagen ist, wenn der Taterfolg aus der Sicht des Täters mit den bereits eingesetzten oder zur Hand liegenden Mitteln nicht mehr erreicht werden kann, ohne dass eine neue Handlungs- und Kausalkette in Gang gesetzt wird. Dabei ist nicht auf den ursprünglichen Tatplan, sondern auf den Erkenntnishorizont des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung abzustellen. Die subjektive Sicht des Täters ist auch dann maßgeblich, wenn der Versuch zwar objektiv fehlgeschlagen ist, der Täter dies aber nicht erkennt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2014 – 3 StR 458/14, NStZ-RR 2015, 105, 106; Beschluss vom 9. Juli 2009 – 3 StR 257/09, NStZ-RR 2009, 335 f.).
14
4. Das Vorliegen einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB vermag der Senat den zum Tatgeschehen getroffenen Feststellungen noch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen. Danach packte der Angeklagte tatplangemäß den Geschädigten mit mindestens einem Arm an der Stirn und zog dessen Kopf nach hinten. Dies stellt eine üble, vom Willen des Angeklagten und seines Mittäters getragene unangemessene Behandlung dar, welche das körperliche Wohlbefinden nicht nur unerheblich beeinträchtigt und erfüllt damit den Tatbestand einer körperlichen Misshandlung (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 2010 – 2 StR 400/10, NStZ-RR 2010, 374 [Ls]; Urteil vom 14. März 2007 – 2 StR 606/06, NStZ 2007, 404).
Sost-Scheible Franke Bender
Quentin Feilcke

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Strafprozeßordnung - StPO | § 301 Wirkung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft


Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.
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Referenzen

(1) Wer zur Begehung eines Raubes (§§ 249 oder 250), eines räuberischen Diebstahls (§ 252) oder einer räuberischen Erpressung (§ 255) einen Angriff auf Leib oder Leben oder die Entschlußfreiheit des Führers eines Kraftfahrzeugs oder eines Mitfahrers verübt und dabei die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 258/13
vom
24. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. Oktober
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Dr. Schäfer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil der auswärtigen großen Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 27. März 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte im Tatkomplex II. 1 freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten von den Vorwürfen des versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung sowie der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz freigesprochen. Mit ihrer - nachträglich auf den Freispruch vom Vorwurf des versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung beschränkten - Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts warf der Angeklagte am 3. August 2012 gegen 0.50 Uhr eine mit einem Brandbeschleuniger gefüllte und einer Zündvorrichtung versehene Bierflasche (Molotow-Cocktail) in Richtung des geöffneten Fensters zum Zimmer der T. . Dabei nahm der Angeklagte, der zutreffend davon ausging, dass die Zeugin schlafend in ihrem Zimmer lag, deren möglichen Tod ebenso in Kauf wie einen durch die beabsichtigte Explosion verursachten Wohnungsbrand, der weitere Personen gefährden könnte. Der Brandsatz verfehlte allerdings sein Ziel, so dass die Flasche an der an das Fenster angrenzenden Hauswand abprallte und zunächst auf das Fensterbrett und dann auf den Erdboden fiel, wo sie zerbarst, ohne dass eine Detonation ausgelöst wurde. Einen von vornherein für den Fall des Fehlgehens des ersten Wurfes mitgeführten zweiten Brandsatz brachte der Angeklagte nicht mehr zum Einsatz. Vielmehr verließ er den Tatort. Die Strafkammer hat das Verhalten des Angeklagten als versuchten Mord in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung gewertet. Von dem unbeendeten Versuch sei der Angeklagte jedoch strafbefreiend zurückgetreten, weshalb er freizusprechen sei.
3
Das Urteil hat keinen Bestand, weil die Strafkammer den festgestellten Sachverhalt nicht unter allen rechtlichen Gesichtspunkten geprüft und damit gegen die ihr obliegende allseitige Kognitionspflicht (§ 264 StPO) verstoßen hat. Dies stellt einen sachlich-rechtlichen Mangel dar (vgl. KK/Kuckein, 7. Aufl., § 264 Rn. 25 mwN).
4
Die umfassende gerichtliche Kognitionspflicht gebietet, dass der - durch die zugelassene Anklage abgegrenzte - Prozessstoff durch vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs erschöpft wird (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 4 StR 239/09, NStZ 2010, 222, 223 mwN).
Der Unrechtsgehalt der Tat muss ohne Rücksicht auf die dem Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegte Bewertung ausgeschöpft werden, soweit keine rechtlichen Gründe entgegenstehen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 264 Rn. 10; KK/Kuckein, aaO Rn. 10).
5
Dies hat das Landgericht unterlassen. Nach den Urteilsfeststellungen hatte sich der Angeklagte mit zwei selbstgebauten "Molotow-Cocktails" zu dem von der Zeugin T. bewohnten Haus begeben. Die Strafkammer hätte deshalb prüfen und entscheiden müssen, ob er damit den Straftatbestand des § 52 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 3 und Anlage 2 Abschnitt 1 1.3.4. WaffG (vgl. Steindorf/Heinrich/Papsthart-Heinrich, Waffenrecht, 9. Aufl., § 52 WaffG Rn. 3 f.) erfüllt hat. Dass diese Strafvorschrift in der - unverändert zugelassenen - Anklage nicht aufgeführt war, änderte an der Kognitionspflicht des Landgerichts nichts (§ 264 Abs. 2 StPO).
6
Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
7
Der neue Tatrichter wird den festzustellenden Sachverhalt wiederum unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen haben.
Becker Pfister Hubert Schäfer Spaniol

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 492/15
vom
8. November 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
zu 2.: unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:081116U1STR492.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 27. Oktober 2016 in der Sitzung am 8. November 2016, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, Prof. Dr. Jäger, Prof. Dr. Radtke und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Fischer,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung vom 27. Oktober 2016 – als Verteidiger des Angeklagten U. ,
Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten G. ,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten G. wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 18. Juni 2015 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision des Angeklagten G. wird verworfen.
2. Auf die Revision des Angeklagten U. wird das vorgenannte Urteil
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln schuldig ist und
b) im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision des Angeklagten U. wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten G. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen vorsätzlichen Besitzes einer verbotenen Waffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie den Vorwegvollzug eines Teils der Strafe angeordnet. Den Angeklagten U. hat es wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Im Übrigen wurden die Angeklagten freigesprochen.
2
Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten G. beanstandet insbesondere die Bestimmung der nicht geringen Menge des Wirkstoffgehalts von Schlafmohnkapseln „analog“ zu Opium. Der Angeklagte U. hat die nicht ausgeführte Sachrüge erhoben.
3
Die Revisionen der Angeklagten haben den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Erfolg.

I.

4
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarb der Angeklagte G. im Januar 2014 in einem Geschäft in Wien (Österreich) etwa 48 kg Schlafmohnkapseln, die dort zu dekorativen Zwecken verkauft wurden. Der Angeklagte U. hatte ihm 1.000 € mitgegeben und gebeten, auch für ihn solche Kapseln mitzubringen. Er war davon ausgegangen, mindestens 10 kg zu erhalten , hatte aber auch eine Menge bis zu 15 kg billigend in Kauf genommen und es für möglich gehalten, dass der Angeklagte G. eine ähnlich große Menge für sich selbst erwerben würde; mit mehr als 30 kg hatte er jedoch nicht gerechnet.
5
Der Angeklagte G. bewahrte die Kapseln und – absprachegemäß auch den etwa 15 kg betragenden Anteil des Angeklagten U. – in seiner Wohnung und in der Garage auf. Üblicherweise konsumierte er morgens und abends je zwei Teelöffel gemahlener Kapseln mit warmem Wasser. Verlangte der Angeklagte U. Mohnkapseln, händigte ihm G. (gemahlene) Kapseln aus.
6
Am 4. April 2014 wurde die Garage des Angeklagten G. durchsucht. Es wurden 32,4 kg Schlafmohnkapseln sichergestellt. Eine Durchsuchung des Anwesens selbst am 23. Oktober 2014 führte zur Sicherstellung von knapp 16 kg – zum Teil gemahlener – Kapseln und eines Schlagringmessers.
7
In der Wohnung des Angeklagten U. wurden 42,4 g gemahlene Kapseln sichergestellt.
8
Der Wirkstoffgehalt der Mohnkapseln lag zwischen 0,19 % und 1,55 % Morphinbase und 0,017 % und 0,27 % Codeinbase.
9
2. Die „nicht geringe Menge“ im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 BtMG hat die Kammer – sachverständig beraten – „analog“ zu Opium bestimmt. Schlafmohnkapseln seien opiumähnlich. Opium werde im Regelfall im Gegensatz zu Morphintabletten geraucht und die nicht geringe Menge deshalb mit 6 g Morphinhydrochlorid und 15 g Codeinphosphat angesetzt. Die orale Aufnahme des Opiums über den Magen sei gefährlicher, da beim Rauchen der Substanz ein erheblicher Teil verbrenne. Deshalb könne auch daran gedacht werden, den Grenzwert zur nicht geringen Menge „analog“ zu Morphin bei 4,5 g Morphinhydrochlorid anzusetzen. Allerdings hätten die Angeklagten die Substanz mit Wasser stark verdünnt. Dadurch trete ein Resorptionsverlust ein und die bioverfügbare Menge sei geringer. Die Wirkung sei daher vergleichbar mit (gerauchtem) Opium.
10
Die Schlafmohnkapseln enthielten 569 g Morphinhydrochlorid und 97,8 g Codeinphosphat, so dass die nicht geringe Menge an Morphinhydrochlorid um das 94-fache und an Codeinphosphat um das 6,4-fache überschritten worden sei.
11
3. Der Angeklagte U. habe sich nicht nur der Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht, sondern auch des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Er habe zu den vom Angeklagten G. absprachegemäß für ihn verwahrten Mohnkapseln aufgrund ihrer Freundschaft und ihrer Einkaufsgemeinschaft einen so sicheren Zugang gehabt, dass er ohne Schwierigkeiten darüber habe verfügen können. Dem stehe nicht entgegen, dass er den genauen Lagerort nicht gekannt hätte, denn er hätte diesen jederzeit von G. erfahren können.

II.

12
Die Revision des Angeklagten G. ist im Schuldspruch unbegründet, im Rechtsfolgenausspruch begründet.
13
1. Der Senat setzt den Grenzwert der nicht geringen Menge des Morphinhydrochlorids in Schlafmohnkapseln (Papaver somniferum) auf 70 g fest.
14
Bei der Festlegung der nicht geringen Menge ist nur auf das Hauptalkaloid Morphin als dem quantitativ und in der Gefährlichkeit dominierenden Wirkstoff in Schlafmohnkapseln abzustellen. Codein bleibt außer Betracht, da es nicht wirkungsbestimmend ist.
15
2. Nach der in ständiger Rechtsprechung vom Bundesgerichtshof angewandten Methode zur Bestimmung des Grenzwerts eines Betäubungsmittels (vgl. BGH, Urteile vom 3. Dezember 2008 – 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89 ff.; vom 17. November 2011 – 3 StR 315/10, BGHSt 57, 60 ff.; vom 14. Januar 2015 – 1 StR 302/13, BGHSt 60, 134, 136 und vom 5. November 2015 – 4 StR 124/14, StraFo 2016, 37, 38) ist dieser stets in Abhängigkeit von der konkreten Wirkungsweise und Wirkungsintensität des Betäubungsmittels festzulegen.
16
Maßgeblich ist zunächst die äußerst gefährliche, gar tödliche Dosis des Wirkstoffs (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 1983 – 1 StR 721/83, BGHSt 32, 162, 164; Urteil vom 22. Dezember 1987– 1 StR 612/87, BGHSt 35, 179, 183). Fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten. Ist auch die zur Erzielung eines Rauschzustands durch einen nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten adäquate Dosis nicht feststellbar, ist die maßgebliche Einzelmenge am Tagesbedarf zu bemessen (BGH, Urteil vom 2. November 2010 – 1 StR 581/09, BGHSt 56, 52). Das Vielfache ist nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere seines Abhängigkeiten auslösenden oder sonst die Gesundheit schädigenden Potentials zu berechnen (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2008 – 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89). Die Dosis ist hierbei von der Darreichungsform abhängig. Lassen sich auch zum Konsumverhalten keine ausreichenden Erkenntnisse gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen (vgl. BGH, Urteile vom 24. April 2007 – 1 StR 52/07, BGHSt 51, 318, 322 und vom 17. November 2011 – 3 StR 315/10, BGHSt 57, 60, 64).
17
3. Zur Wirkung und Gefährlichkeit von Schlafmohnkapseln hat der Senat , sachverständig beraten durch die Sachverständigen A. und S. , nach deren Anhörung in der Hauptverhandlung Folgendes festgestellt :
18
a) Opium aus dem Milchsaft der Schlafmohnkapsel enthält zu 3 bis 18 % (im Mittel ca. 10 %) Morphin als Hauptalkaloid sowie weitere Alkaloide. Darunter ist an zweiter Stelle der wirksamen Inhaltsstoffe Codein mit einem Gehalt von 0,2 bis 6 % (im Mittel ca. 5 %).
19
Hohe Dosierungen von Morphin führen aufgrund der zentral dämpfenden Wirkung zu einer Atemdepression, also einer das Atemzentrum lähmenden Wirkung, die tödlich sein kann. Da Opium und Mohnstroh – getrocknete Schlafmohnkapseln ohne Samenkapseln – weitere Alkaloide enthalten, die zum Teil einen stimulierenden Effekt auf die Atmung haben, ist es möglich, dass eine Atemdepression im Vergleich zur Applikation reinen Morphins erst bei höherer Dosierung eintritt. Auch Codein kann die Morphinwirkung modifizieren oder modulieren. Gesicherte Erkenntnisse, ob überhaupt und ggf. inwieweit die atemdepressiven Effekte des Morphins durch opiumtypische Begleitsubstanzen abgeschwächt werden können, fehlen.
20
b) Getrocknete Schlafmohnkapseln enthalten (neben weiteren Alkaloiden ) durchschnittlich 1 bis 1,5 % Morphin.
21
c) Der Konsum von Schlafmohnkapseln führt u.a. zu einer entspannenden , euphorisierenden, tendenziell schlaffördernden Wirkung. Eine Abhängigkeit entwickelt sich nur langsam und weniger als bei anderen Konsumformen. Bei an den Konsum gewöhnten Konsumenten treten acht bis zehn Stunden nach dem Konsum Entzugserscheinungen auf (z.B. Knochenschmerzen, Speichelfluss , Juckreiz u.a.). Organische Schäden verursacht der Konsum von Schlafmohnkapseln nicht.
22
Die akute Gefährlichkeit von Schlafmohnkapseln beruht auf der Atemdepression , die bei Konsum größerer Mengen eintreten kann. Atemdepressive Effekte wurden schon bei Konsum von Kapseln mit Wirkstoffmengen zwischen 200 und 250 mg Morphinhydrochlorid berichtet, auch wenn diese Mengen eine letale Dosis noch nicht erreichen.
23
Da der Wirkstoffgehalt getrockneter Schlafmohnkapseln stark schwankt, kann es bei Aufnahme gleicher Mengen gemahlener Kapseln leichter zu unbeabsichtigten Fehldosierungen kommen. Schlafmohnkapseln sind ohne aufwändige Verarbeitung und Aufreinigung nur für die orale Aufnahme geeignet.
24
Im Vergleich zu injiziertem Morphin sind Schlafmohnkapseln weniger gefährlich , weil deren orale Aufnahme eine langsamere Resorption zur Folge hat und die primäre Leberpassage zu einem First-Pass-Effekt führt; d.h. der Wirkstoff steht dem Körper nach Abschluss des Leberstoffwechsels nicht mehr in vollem Umfang zur Verfügung (sog. reduzierte Bioverfügbarkeit). Die Bioverfügbarkeit bei oraler Aufnahme gemahlener Kapseln mit Hilfe von Flüssigkeit beträgt ca. 20 %, d.h. nur etwa 20 % des Wirkstoffs erreichen nach Passage von Darm und Leber den Wirkort. Die parenterale Applikation von Morphin (intravenös , subkutan oder intramuskulär injiziert) ist gefährlicher als die orale Applikation , weil sie nicht zu einem Wirkstoffverlust führt und einen schnellen Wirkeintritt hat („Kick“). Intravenösangewendete Opiate/Opinoide werden deshalb als mindestens doppelt so gefährlich eingeschätzt wie oral applizierte.
25
Bei Rauchopium tritt keine Minderung der Bioverfügbarkeit ein, weil die Passage über den Magen-Darm-Trakt und die Leber umgangen wird; der Wirkstoff flutet schnell an. Allerdings verbrennt ein schwer zu beziffernder Anteil.
26
Die Gefährlichkeit von Schlafmohnkapseln ist im Vergleich zu Heroin, das den gleichen Wirkmechanismus hat, wesentlich geringer einzustufen, da Schlafmohnkapseln nur oral aufgenommen werden können, ein deutlich geringeres suchterzeugendes Potential haben und es nicht wie bei Heroin zu einer extrem schnellen Wirkstoffanflutung kommt.
27
Kokain und Methamphetamin sind im Vergleich zu oral applizierten Opiaten gefährlicher.
28
Der Konsum von Cannabis kann unabhängig von der Dosierung keine letalen Folgen haben, aber Drogenpsychosen auslösen. Gerauchtes Cannabis kann die Lungenfunktion beeinträchtigen. Cannabis besitzt nur ein gering ausgeprägtes Abhängigkeitspotential.
29
Für Cannabisprodukte hat der BGH einen Grenzwert von 7,5 g Tetrahydrocannabinol (500 Konsumeinheiten zu je 15 mg, vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 – 3 StR 183/84, BGHSt 33, 8, 14) festgesetzt, aber darauf hingewiesen, dass „die hohe Zahl von 500 durchschnittlichen Konsumeinheiten wegen der berücksichtigten Unsicherheitsfaktoren nicht ohne weiteres auch für die Berechnung der nicht geringen Menge anderer Betäubungsmittel angewendet werden kann“. Cannabisund Opium sind auch deshalb kaum miteinander vergleichbar , da sie unterschiedliche Wirkmechanismen haben.
30
Unter den Betäubungsmitteln bietet sich deshalb am ehesten ein Vergleich des oralen Konsums von Schlafmohnkapseln mit Morphin an, da hier vom gleichen Wirkmechanismus ausgegangen werden kann.
31
d) Eine als äußerst gefährlich zu bezeichnende, potentiell einen Atemstillstand auslösende Menge kann nicht exakt angegeben werden, weil die Bioverfügbarkeit bei oraler Aufnahme von verschiedenen Faktoren, insbesondere auch der Konstitution des Konsumenten abhängt, und daher unterschiedlich ist. Hinzu kommt der geringe Wirkstoffgehalt von Schlafmohnkapseln, der eine exakte Bestimmung der letalen Dosis weiter erschwert.
32
Bei oral in Tabletten aufgenommenem Morphin liegt die äußerst gefährliche Dosis zwischen 250 und 1000 mg Morphinhydrochlorid. In der Annahme einer verzögerten und unvollständigen Freisetzung des Morphins, das mittels getrockneter, gemahlener und mit Wasser versetztem Pulver eingenommen wurde, erhöht sich die „äußerst gefährliche“ Menge weiter. Eine weitere Erhö- hung würde sich ergeben, wenn Codein und andere in den Kapseln enthaltene Alkaloide den Effekt von Morphin teilweise ausgleichen könnten. Verlässliche Grenzen für eine letale Dosis existieren nicht.
33

e) Auch die durchschnittliche Konsumeinheit bei oral konsumierten Schlafmohnkapseln lässt sich nicht ausreichend exakt bestimmen. Der Wirkstoffgehalt getrockneter Schlafmohnkapseln schwankt stark, abhängig von Größe, Anbaugebiet, Erntezeitpunkt und anderen Faktoren. Auch bei der Art und Menge der oralen Applikation gibt es unterschiedliche Konsumgewohnheiten , beginnend mit der verwendeten Flüssigkeit (kaltes oder heißes Wasser, Alkohol, Zugabe von Essig u.a.), die die Wasserlöslichkeit des Wirkstoffs beeinflusst. Die von den Konsumenten eingenommenen Wirkstoffmengen sind ebenfalls unterschiedlich, da sie sich am kulturellen Hintergrund, an medizinischen Erwartungen, an erwünschten betäubenden u.a. Effekten ausrichten.
34
f) In Ermangelung gesicherter Erkenntnisse zu einer äußerst gefährlichen oder gar tödlichen Dosis, zur Darreichungsform und zum Konsumverhalten orientiert sich der Senat bei der Bestimmung des Grenzwerts der nicht geringen Menge des Wirkstoffs in Schlafmohnkapseln an der Festsetzung der nicht geringen Menge für Morphinzubereitungen bei intravenöser Injektion (BGH, Urteil vom 22. Dezember 1987 – 1 StR 612/87 – BGHSt 35, 179 - 183). Hier besteht eine hohe Vergleichbarkeit, da Morphin das Hauptalkaloid von Opium ist und mithin im Grundsatz identische Wirkmechanismen vorliegen.
35
Die "nicht geringe Menge" wurde für Morphinzubereitungen bei intravenöser Injektion unter der Annahme von 45 äußerst gefährlichen Dosen (je 100 mg Morphinhydrochlorid intravenös injiziert) auf 4,5 g Morphinhydrochlorid festgesetzt.
36
Der Wert kann allerdings nicht ohne Korrektur übernommen werden, da sich für intravenös injiziertes Morphinhydrochlorid eine letale Dosis für den Morphinungewohnten (100 mg – intravenös injiziert – als äußerst gefährliche Einzeldosis) festlegen ließ, während bei gemahlenen und oral aufgenommenen Schlafmohnkapseln eine als äußerst gefährlich zu bezeichnende, potentiell einen Atemstillstand auslösende und daher letale Dosis nicht exakt angegeben werden kann. Zudem ist die intravenöse Applikation von Morphinhydrochlorid mindestens doppelt so gefährlich wie die orale Applikation. Weiter ist zu berücksichtigen , dass die Bioverfügbarkeit beim Konsum von gemahlenen Schlafmohnkapseln nur 10 bis 20 % beträgt.
37
Der Senat hält es deshalb für angemessen, den Grenzwert für intravenös injiziertes Morphinhydrochlorid von 4,5 g Morphinhydrochlorid mit dem Faktor 2 zu multiplizieren, um die geringere Gefährlichkeit bei oraler Applikation auszugleichen und mit dem Faktor 10 zu multiplizieren, um die geringe Bioverfügbarkeit bei Schlafmohnkapseln zu erfassen. Der stark schwankende Wirkstoffgehalt der Schlafmohnkapseln wird durch einen Abschlag berücksichtigt.
38
4. Der Angeklagte G. wusste, dass die Schlafmohnkapseln die Eigenschaften eines Rauschgifts aufwiesen. So war ihm bekannt, dass das Absetzen der Kapseln zu Entzugserscheinungen führt. Ein Tatbestandsirrtum nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB scheidet daher aus, weil der Angeklagte auch in seiner Laienspähre erkannt hat, dass es sich um Betäubungsmittel handelte. Sein Irrtum bezog sich deshalb allein darauf, ob das von ihm erworbene Betäubungsmittel in Deutschland verboten ist. Dies berührt aber – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – nur die Frage eines etwaigen Verbotsirrtums (§ 17 StGB), lässt aber den Vorsatz unberührt.
39
5. Der Angeklagte handelte auch schuldhaft.
40
Soweit das Landgericht einen Verbotsirrtum des Angeklagten als vermeidbar gemäß § 17 StGB angesehen hat, hält dies rechtlicher Überprüfung stand.
41
Zwar hatte der Angeklagte G. vorgetragen, er sei davon ausgegangen , dass die Kapseln in Deutschland legal seien, da er sie in Österreich habe legal erwerben können. Allerdings hatte die Beweisaufnahme ergeben, dass die Kapseln in Österreich nur zu Dekorationszwecken erlaubt sind und hierauf – wie der polizeiliche Ermittlungsbeamte berichtet hatte – in dem Geschäft hingewiesen worden war. In Deutschland wurden sie überhaupt nicht verkauft, was Anlass für die Einkaufsfahrt gewesen war. Die Kammer hat deshalb ohne Rechtsfehler in ihre Überzeugungsbildung eingestellt, dass dies den Angeklagten hätte misstrauisch machen und zur Einholung weiterer Informationen hätte veranlassen müssen.
42
6. Die (Neu)Festsetzung der nicht geringen Menge durch den Senat lässt den Schuldspruch unberührt. Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass das in den Schlafmohnkapseln enthaltene Morphinhydrochlorid die Grenze zur nicht geringen Menge i.S.v. § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 BtMG überschritten hat.
43
7. Jedoch hat der Strafausspruch angesichts dessen, dass der Grenzwert bei weitem nicht um das 94-fache überschritten worden ist, keinen Bestand. Eine starke Überschreitung der nicht geringen Menge ist bestimmender Strafschärfungsgrund (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Februar 2016 – 2 StR 39/16, NStZ-RR 2016, 141; vom 30. Juni 2016 – 2 StR 476/15 und vom 27. September 2016 – 2 StR 41/16).
44
Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass sich das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht bei der Prüfung einer Strafrahmenverschiebung nach § 17 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB eingehender als bisher damit zu befassen haben wird, ob der Irrtum tatsächlich „auf einfachste Weise“ zu vermeiden war.
45
8. Der Senat hebt mit Rücksicht auf die seit dem Urteil des Landgerichts verstrichene Zeit und die deutlich abweichende Einstufung der Gefährlichkeit oral applizierter Schlafmohnkapseln durch den Senat auch die Maßregel (einschließlich des Vorwegvollzugs) auf, da im Rahmen der (neuen) Prüfung des § 64 StGB eine andere Beurteilung des Hangs und eine andere Gefährlichkeitsprognose möglich erscheinen.

III.

46
1. Der Schuldspruch des Angeklagten U. wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist frei von Rechtsfehlern.
47
2. Die Verurteilung wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat keinen Bestand.
48
Besitz im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes setzt ein tatsächliches Innehaben, ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis und Besitzwillen voraus, der darauf gerichtet ist, sich die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf die Sache zu erhalten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 3. März 1978 – 2 StR 717/77, BGHSt 27, 380, 382 und vom 22. Januar 1998 – 4 StR 393/97, NStZ-RR 1998, 148 f.; Beschlüsse vom 2. September 1994 – 2 StR 429/94, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Besitz 2; vom 15. Oktober 1997 – 2 StR 393/97, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Besitz 4 und vom 27. Juli 2004 – 3 StR 71/04, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Besitz 5 mwN). Die den Besitz von Betäubungsmitteln begründende tatsächliche Verfügungsmacht über das Rauschgift hat es dem Täter zu ermöglichen , mit den Betäubungsmitteln nach Belieben zu verfahren, insbesondere sie zu verbrauchen, abzugeben, zu verstecken oder zu vernichten. Aus dieser Sicht begründet es keinen sachlichen Unterschied, ob der Täter selbst „unmittelbar besitzt“ oder ob er anderweit einen so sicheren Zugang zu dem an irgendeiner Stelle verwahrten Rauschgift hat, dass er ohne Schwierigkeit tatsächlich darüber verfügen kann (BGH, Urteil vom 3. März 1978 – 2 StR 717/77, BGHSt 27, 380, 382). Solches belegen die Feststellungen nicht.
49
a) Der Angeklagte U. hatte keinen ungehinderten Zugang und damit auch keine sichere Zugriffsmöglichkeit auf den ihm zustehenden Anteil von etwa 15 kg, den der Angeklagte G. in seinem Anwesen an einem ihm nicht bekannten Ort verwahrte. Er war auf dessen Anwesenheit und Kooperation angewiesen , ihm entweder den Zutritt zum Haus und seinem Anteil zu gewähren oder ihm diesen auszuhändigen.
50
Der aufgezeigte Mangel zwingt nicht zur Aufhebung der für sich gesehen rechtlich nicht zu beanstandenden Verurteilung wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Lediglich die tateinheitliche Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge entfällt.
51
b) Unmittelbaren Besitz hatte der Angeklagte U. jedoch an den in seiner Wohnung sichergestellten 42,4 g gemahlener Schlafmohnkapseln. Diesen unmittelbaren Besitz hatte er in dem Moment begründet, als ihm der Angeklagte G. diese oder eine diese Teilmenge umfassende größere Menge ausgehändigt hat. Damit hat er sich des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln schuldig gemacht, der mit der Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit (§ 53 StGB) steht.
52
c) Diese Tat in der Anklageschrift nach Tatzeit, Tatort und Betäubungsmittelmenge – als unmittelbarer Besitz zur Zeit der Durchsuchung – konkretisiert. In der rechtlichen Würdigung wird dem Angeklagten U. sein zunächst vollständig bei dem Angeklagten G. verwahrter, einschließlich der später ausgehändigten Teilmenge von 42,4 g, Anteil als unerlaubter („mittelbarer“) Besitz von etwa 15 kg Betäubungsmitteln zugerechnet. Aus rechtlichen Gründen kann ihm jedoch nur die bei ihm selbst sichergestellte Teilmenge zugerechnet werden.
53
Die umfassende Kognitionspflicht (§ 264 Abs. 1 StPO) des Gerichts gebietet es jedoch, die Anklage, wie sie im Eröffnungsbeschluss zugelassen ist, vollständig zu erschöpfen, also die den Untersuchungsgegenstand bildende angeklagte Tat restlos nach allen tatsächlichen (§ 244 Abs. 2 StPO) und denkbaren rechtlichen (§ 265 StPO) Gesichtspunkten aufzuklären und abzuurteilen ohne Rücksicht auf die der Anklage und dem Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegte rechtliche Bewertung (vgl. z.B. BGH, Urteile vom 12. Juli 2016 – 1 StR 595/15 und vom 11. November 2015 – 1 StR 235/15, NStZ-RR 2016, 47 - 49; Beschluss vom 24. September 2009 – 3 StR 280/09, StV 2010, 131 f.; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 264 Rn. 37 mwN).
54
d) Soweit der Angeklagte U. auch an weiteren Tagen durch die Entgegennahme der ihm wunschgemäß von dem Angeklagten G. ausgehändigten Mengen an Schlafmohnkapseln Besitz an Betäubungsmitteln begründet und damit jeweils den Tatbestand des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln erfüllt hat, waren diese als selbständige prozessuale Taten zu wertende Geschehen nicht Gegenstand der Anklage. Eine Ergänzung des Schuldspruchs ist daher nicht möglich.
55
Der Gegenstand der gerichtlichen Untersuchung und Entscheidung reicht nur soweit wie der aus der Anklageschrift erkennbare Verfolgungswille der Anklagebehörde. Enthält die Anklageschrift mehrere Taten, sind nur diejenigen angeklagt, auf die sich der aus der Anklageschrift zu entnehmende Ver- folgungswille der Staatsanwaltschaft bezieht. Wichtiger Hinweis ist dabei die Aufnahme des tatsächlichen Geschehens in den Anklagesatz. Ob aus der Schilderungeines konkreten Geschehens im Anklagesatz der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft entnommen werden kann, ist mit Blick auf sämtliche vom Gesetz in § 200 Abs. 1 StPO vorgeschriebenen Bestandteile des Anklagesatzes und die nach § 200 Abs. 2 StPO vorgesehenen Ausführungen zum wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 1997 – 1 StR 233/96, BGHSt 43, 96, 99 f.; vgl. LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 264 Rn. 35 mwN).
56
Danach erfasste die Anklage den Vorwurf weiterer Delikte des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln nicht. Im Anklagesatz fehlen insoweit die nach § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO erforderlichen Angaben zu den gesetzlichen Merkmalen der Straftaten und zu der anzuwendenden Strafvorschriften. In der Anklageschrift sind weitere Taten des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln weder nach Zeit, Ort noch Menge konkretisiert. Es wird lediglich mitgeteilt , dass der Angeklagte G. dem Angeklagten U. , wenn dieser Bedarf an Kapseln hatte, ihm (gemahlene) Kapseln mit in den von beiden besuchten Si. -Tempel in N. brachte oder sie der Angeklagte U. bei ihm abholte. Auch wird der Sachverhalt im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen nicht unter dem Gesichtspunkt weiterer (selbständiger) Straftaten beleuchtet.
57
3. Der Strafausspruch beruht auf dem mitabgeurteilten unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 BtMG, da das Landgericht die festzusetzende Strafe gemäß § 52 Abs. 2 StGB aus diesem Tatbestand und nicht dem des über § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 Nr. 3 StGB gemilderten Strafrahmen des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG entnommen hat. Aus diesem Grund ist auch die festgesetzte Einzelstrafe und damit der Strafausspruch mitaufzuheben.

IV.


58
Die bisherigen Feststellungen können bestehen bleiben, nachdem es sich lediglich um Wertungsfehler handelt. Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht darf – dies betrifft insbesondere die Prüfung einer Strafrahmenverschiebung nach § 17 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB bei dem AngeklagtenG. – ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie den bisher getroffenen nicht widersprechen. Raum Graf Jäger Radtke Fischer

(1) Wer zur Begehung eines Raubes (§§ 249 oder 250), eines räuberischen Diebstahls (§ 252) oder einer räuberischen Erpressung (§ 255) einen Angriff auf Leib oder Leben oder die Entschlußfreiheit des Führers eines Kraftfahrzeugs oder eines Mitfahrers verübt und dabei die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

Wer, bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen, gegen eine Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten, ist gleich einem Räuber zu bestrafen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 563/15
vom
28. April 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:280416U4STR563.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. April 2016, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible, Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Mutzbauer, Bender als beisitzende Richter, Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin des Generalbundesanwalts, Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten S. , der Angeklagte S. in Person, Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger des Angeklagten G. , Rechtsanwältin – in der Verhandlung – als Verteidigerin des Angeklagten F. , Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter der Nebenklägerin, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Siegen vom 5. Juni 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) soweit die Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen versuchten Mordes durch Unterlassen verurteilt worden sind (Fall II.3 der Urteilsgründe);
b) in den Strafaussprüchen gegen die Angeklagten S. und G. und
c) im Gesamtstrafenausspruch gegen den Angeklagten F. .
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die Revisionen der Angeklagten G. und F. werden verworfen.
4. Die Angeklagten G. und F. tragen die durch ihre Revisionen entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenklägerin, der Angeklagte F. darüber hinaus die Kosten seines Rechtsmittels. Hinsichtlich des Angeklagten G. wird von einer Auferlegung von Kosten und Auslagen im Übrigen abgesehen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, des versuchten Mordes durch Unterlassen, der Brandstiftung und der Sachbeschädigung schuldig gesprochen und den Angeklagten F. zu der Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren, den Angeklagten G. unter Einbeziehung eines früheren Urteils zu der Jugendstrafe von fünf Jahren sowie den Angeklagten S. zu der Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
2
Mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten, vom Generalbundesanwalt nur teilweise vertretenen Revisionen wendet sich die Staatsanwaltschaft jeweils mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts gegen die Schuldsprüche wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung im Fall II.3 der Urteilsgründe und erstrebt insoweit Verurteilungen auch wegen jeweils tateinheitlich begangenen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer und versuchten Mordes durch aktives Tun. Des Weiteren beanstandet die Beschwerdeführerin die Höhe der gegen den Angeklagten S.
verhängten Jugendstrafe und den Gesamtstrafenausspruch gegen den Angeklagten F. . Die Verurteilungen der Angeklagten wegen Sachbeschädigung und Brandstiftung werden von der Staatsanwaltschaft ausweislich der Revisionsbegründungen nicht angegriffen. Die Revisionen der Angeklagten G. und F. richten sich jeweils mit der Sachbeschwerde gegen ihre Verurteilungen. Während sich die Rechtsmittel der Angeklagten als unbegründet erweisen, haben die Revisionen der Staatsanwaltschaft Erfolg.

II.


3
Nach den Feststellungen verbrachten die Angeklagten ab Oktober 2014 gemeinsam viel Zeit in der vom Angeklagten G. angemieteten Wohnung. Da G. mit der Zahlung der Miete und der Kaution für die Wohnung in Rückstand war, weshalb die Kündigung des Mietverhältnisses drohte, überlegten die Angeklagten, was sie tun könnten, um die Schulden des G. zu tilgen. Diese Überlegungen führten zu der Idee, einen Taxifahrer zu überfallen. Die Angeklagten besprachen, wie ein solcher Überfall ablaufen könnte und wem welche Aufgabe zukommen solle. Sie überlegten, den Taxifahrer abzulenken, wobei die Fahrertür aufgemacht und in der Verwirrung die Geldbörse vom Angeklagten G. an sich genommen werden sollte. Für den Fall, dass dies nicht möglich wäre, sollte gedroht oder Gewalt angewendet werden. Im Zuge dieser Diskussionen suchten die Angeklagten nach geeigneten Tatwerkzeugen. Nachdem der Angeklagte S. ein HDMI-Kabel inder Wohnung entdeckt, es dem Bruder des Angeklagten G. aus Spaß zu Demonstrationszwecken um den Hals gelegt und etwas zugezogen hatte, wodurch dieser in Luftnot geraten war, entschieden die Angeklagten, das Kabel einzusetzen, um den Taxifahrer bewegungsunfähig zu machen. Für den Fall, dass es nicht gelänge, den Fahrer abzulenken, sollte ein Schlagstock mit rechtwinklig aufgesetztem Griffstück, den der Angeklagte G. in seiner Wohnung hatte, zum Einsatz kommen, um damit zu drohen oder durch einen Schlag zu bewirken, dass der Fahrer die Gesichter der Angeklagten vergisst. Den Angeklagten war bewusst, dass sie ihrem Opfer Schmerzen und Angst zufügen würden; dass jemand zu Tode kommen könnte, bedachten sie nicht.
4
Der Versuch der Angeklagten, ihr Vorhaben noch in derselben Nacht umzusetzen und einen Taxifahrer zu überfallen, scheiterte, weil kein Taxi anhielt. Anschließend kehrten die Angeklagten zunächst in die Wohnung des G. zurück, die sie in den frühen Morgenstunden wieder verließen , weil sie aus Frustration entschieden hatten, dass in dieser Nacht noch etwas passieren müsse. Im Folgenden fassten sie den Entschluss, den Pavillon und die Weihnachtsdekoration vor einem Café in Brand zu setzen. Zu diesem Zweck gab der Angeklagte S. dem Angeklagten F. sein Sturmfeuerzeug. Während G. , der ein eigenes Feuerzeug hatte, ein Loch in die Außenhaut des Pavillons brannte, besprühte der Angeklagte F. die Dekoration mit einem mitgebrachten Deodorant und zündete sie an (II.1 der Urteilsgründe). Sodann begaben sich die Angeklagten in den Hof des in der Nähe gelegenen Pfarrzentrums, wo der Angeklagte F. , ohne mit den anderen darüber gesprochen zu haben, eine etwa zur Hälfte mit Papier gefüllte Papiermülltonne vor eine unmittelbar vor dem Gebäude stehende Holzhütte schob. F. öffnete den Deckel der Tonne und zündete das darin entsorgte Papier an. Mit dieser Aktion wollte er erreichen, dass das Feuer auf die Hütte übergreift. Zu diesem Zweck hatte er sich wieder das Sturmfeuerzeug vom Angeklagten S. geben lassen, der das Vorgehen des F. billigte. Der Angeklagte G. , der selbst versucht hatte, mit seinem Feuerzeug Feuer zu legen, war mit der Vorgehensweise ebenfalls einverstan- den. Als das Papier in der Tonne brannte, entfernten sich die Angeklagten. Durch das Feuer, das von der durch einen Passanten alarmierten Feuerwehr gelöscht werden konnte, wurde die Hütte zerstört (II.2 der Urteilsgründe).
5
Am folgenden Abend begaben sich die Angeklagten in die Stadt, um ihren Plan, einen Taxifahrer zu überfallen, ins Werk zu setzen, wobei der Angeklagte S. das HDMI-Kabel und der Angeklagte F. den Schlagstock mit sich führte. Nachdem sie am Bahnhof kein Taxi bekommen hatten, suchten die Angeklagten G. und F. eine Spielhalle auf und ließen sich von der Aufsicht telefonisch ein Taxi bestellen, das 30 Minuten später eintreffen sollte. Die bis dahin verbleibende Zeit warteten die Angeklagten gemeinsam vor der Spielhalle.
6
Als die Nebenklägerin gegen 23.45 Uhr mit dem von ihr gesteuerten Taxi vorfuhr, setzten sich – entsprechend des zuvor abgesprochenen Tatplans – der Angeklagte S. auf die Rücksitzbank links hinter die Nebenklägerin, der Angeklagte F. mit dem in der Kleidung verborgenen Schlagstock rechts neben S. und der Angeklagte G. auf den Beifahrersitz. F. gab als Fahrtziel die Ortschaft A. , Richtung Sportplatz an. Während der Fahrt sprachen die Angeklagten untereinander über Belanglosigkeiten, um Normalität vorzutäuschen. Der Angeklagte F. , der sich zeitweise mit der Nebenklägerin unterhielt, fragte diese auch nach dem Fahrpreis. Um die Nebenklägerin in Sicherheit zu wiegen, gab er sodann dem Plan entsprechend dem Angeklagten G. 10 Euro sichtbar nach vorne. In A. angekommen fuhr die Nebenklägerin durch den Ort hindurch und an dem letzten Haus des Dorfes vorbei, ehe der Angeklagte F. meinte, sie könne jetzt anhalten. Die Nebenklägerin fuhr anschließend noch eine kleine Steigung in Richtung Sportplatz hoch, um dort das Auto zu wenden. Zu diesem Zweck setzte sie das Taxi auf einem kleinen Schotterstück etwas zurück. In diesem Moment, als sie gerade vorwärts fahren und anhalten wollte, ging alles ganz schnell. Der Angeklagte S. , der schon mindestens zehn Minuten das Kabel auf seinem Schoß liegen hatte und nervös auf das Zeichen, dass es losgehen solle, wartete, wertete einen Blick des Angeklagten F. als Startzeichen , obwohl das Taxi erst im Anhaltevorgang war. Das zuvor verabredete Zeichen , ein Anstoßen von F. , wartete er nicht mehr ab. Er legte der Nebenklägerin das HDMI-Kabel für sie nicht vorhersehbar um den Hals und zog schnell und fest zu. Die Nebenklägerin, die von dem Angriff völlig überrascht war, versuchte ihre Hände unter das Kabel zu bringen, was ihr auch gelang. Nachdem einer der Angeklagten, die mit der Gegenwehr der Nebenklägerin so nicht gerechnet hatten, gesagt hatte: „Das klappt so nicht“, stieß der Angeklagte F. mit der kurzen Seite des Schlagstocks mindestens zweimal kräftig in Richtung des Hinterkopfes der Nebenklägerin. Während der erste Stoß gegen die Kopfstütze ging, traf der zweite Stoß die Nebenklägerin rechts am Hinterkopf in Höhe des Ohrs, die daraufhin sofort bewusstlos wurde. In der aufgewühlten Atmosphäre und der Ungewissheit, ob der Widerstand der Nebenklägerin schon ganz gebrochen war, forderte F. den Angeklagten G. auf, wie geplant ebenfalls zu schlagen. G. , der vom Beifahrersitz aus die Reaktionen der Nebenklägerin anders als die anderen genau wahrnahm und erkannte, dass es keines Einwirkens mehr bedurfte, um den Raub zu beenden, zögerte zunächst, kam dann aber der wiederholten Aufforderung nach und schlug der bewusstlosen Nebenklägerin mindestens zweimal mit der Faust gegen die rechte Wange. Der Angeklagte S. zog das Kabel weiterhin fest zu, wobei durch die Strangulation weder eine tiefe Strangfurche noch Stauungsblutungen hervorgerufen wurden. Die Strangulation und der Treffer mit dem Schlagstock waren konkret nicht lebensbedrohlich. Die Nebenklägerin blieb bewusstlos; die Angeklagten hörten laute Atemgeräusche, die ihnen zeigten , dass sie atmete.
7
Da die Angeklagten nunmehr erkannten, dass die Lage gesichert war, wies F. den Angeklagten S. an, das Fahrzeug zu verlassen. S. ließ zu diesem Zweck zunächst ein Ende des Kabels los, das F. ergriff. Entsprechend machten sie es mit dem zweiten Kabelende. So sicherten sie die Spannung des Kabels, um bei einem Erwachen der Nebenklägerin reagieren zu können. Sie fürchteten, dass die Nebenklägerin wieder zu Bewusstsein kommt, bevor sie flüchten könnten. Während F. , der auf der Rücksitzbank verharrte, das Kabel festhielt und nicht locker ließ, den Druck auf den Hals der Nebenklägerin aber nicht verstärkte, begab sich der zwischenzeitlich ausgestiegene Angeklagte G. zur Fahrertür des Taxis, wo er die Geldbörse der Nebenklägerin mit knapp 300 Euro Bargeld an sich nahm und einsteckte. Den Angeklagten wurden nach der Hektik ihrer Handlungen die Not der Nebenklägerin und ihr Ringen nach Luft bewusst. Dass sie jemanden verletzen würden, hatten sie bewusst in Kauf genommen, wie aber eine bewusstlose und leidende Person aussieht, hatten sie nicht bedacht.
8
Dem Drängen des Angeklagten G. , nun endlich zu flüchten , folgend, stieg der Angeklagte F. ebenfalls aus dem Fahrzeug aus. Gemeinsam rannten die Angeklagten davon, nicht weil sie glaubten, schon von einem Dritten entdeckt zu werden, sondern weil sie damit rechneten, dass die Nebenklägerin aufwacht, oder aber fürchteten, dass sie stirbt. F. , der hinter den anderen Angeklagten lief, rief den beiden zu, dass sie einen Rettungswagen rufen müssen. Der Gedanke, dass die Nebenklägerin ohne ihre Hilfe und ohne weiteres Zutun versterben könnte, reifte bei den Angeklagten zur konkreten Möglichkeit. Während sie darüber diskutierten, einen Notarzt zu ru- fen, schauten sie zurück in Richtung des Taxis. Im Gespräch wurde ihnen klar, dass die Nebenklägerin noch nicht wieder losgefahren war. Der Angeklagte F. kam nun auf den Gedanken, dass die Nebenklägerin sich an ihrem Speichel oder an sonstigen Flüssigkeiten, die sie hochwürgen könnte, verschlucken und ersticken könnte. Da G. und S. fürchteten, durch einen Notruf identifiziert und überführt werden zu können, entschieden sie gemeinsam , die Nebenklägerin sich selbst zu überlassen und mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Mobiltelefon keinen Notruf abzusetzen. Sie liefen weiter in den Wald hinein und nahmen den Tod der Nebenklägerin billigend in Kauf. Der Angeklagte F. trug die Entscheidung bewusst mit, auch er wollte nicht „erwischt“ werden. Noch im Wald teilten sie die Beute, die Geldbörse und Papiere der Nebenklägerin sowie das Kabel und den Schlagstock warfen sie weg.
9
Die Nebenklägerin erwachte nach ca. sieben Minuten aus der Bewusstlosigkeit. Ihr Hals schmerzte; sie hatte eingenässt, konnte nicht richtig schlucken und glaubte, innerlich verbrennen zu müssen, weshalb sie ausstieg und sich auf den Teer legen wollte, um sich zu kühlen. Als sie realisierte, was ihr geschehen war, setzte sie sich panisch zurück ins Fahrzeug und fuhr in die Ortschaft , von wo aus sie mit ihrem Mobiltelefon die Polizei rief (II.3 der Urteilsgründe ).
10
Das Landgericht hat die Angeklagten im Fall II.3 der Urteilsgründe jeweils des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und des versuchten Verdeckungsmordes durch Unterlassen schuldig gesprochen. Eine Strafbarkeit der Angeklagten auch wegen tateinheitlich begangenen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer nach § 316a Abs. 1 StGB hat es verneint, weil ein Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs, die an diesem abgelegenen Ort ohnehin zweifelhaft erschienen, von den Angeklagten weder geplant noch gewollt gewesen sei.

III.


11
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind in vollem Umfang begründet. Die Beschwerdeführerin beanstandet zu Recht, dass das Landgericht eine Verurteilung der Angeklagten jeweils auch wegen tateinheitlich begangenen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer mit rechtlich unzutreffenden Erwägungen verneint hat. Dies führt zur Aufhebung der Verurteilungen im Fall II.3 der Urteilsgründe, der Strafaussprüche bei den Angeklagten S. und G. sowie des gegen den Angeklagten F. ergangenen Gesamtstrafenausspruchs.
12
1. Die Strafvorschrift des § 316a Abs. 1 StGB setzt voraus, dass bei dem auf Leib, Leben oder Entschlussfreiheit des Fahrers eines Kraftfahrzeugs verübten Angriff die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausgenutzt werden. Danach ist erforderlich, dass der tatbestandsmäßige Angriff gegen das Tatopfer als Kraftfahrzeugführer unter Ausnutzung der spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs begangen wird. In objektiver Hinsicht ist dies der Fall, wenn der Führer eines Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt des Angriffs in einer Weise mit der Beherrschung seines Kraftfahrzeugs und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist, dass er gerade deswegen leichter zum Angriffsobjekt eines Überfalls werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 28. Juni 2005 – 4 StR 299/04, BGHSt 50, 169, 172; vom 25. September 2007 – 4 StR 338/07, BGHSt 52, 44, 46). Befindet sich das Fahrzeug beim Verüben des Angriffs in Bewegung, liegt diese Voraussetzung regelmäßig vor, weil dem Führer eines sich fortbewegenden Kraftfahrzeugs die Gegenwehr gegen den Angriff infolge der Beanspruchung durch das Lenken des Fahrzeugs wegen der damit verbundenen Konzentration auf die Verkehrslage und die Fahrzeugbedienung erschwert ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2012 – 4 StR 244/12, NStZ 2013, 43; Urteil vom 23. April 2015 – 4 StR 607/14, NStZ 2015, 653, 654 m. krit. Anm. Sowada, StV 2016, 292, 294). Subjektiv ist ausreichend, dass sich der Täter – entsprechend dem Ausnutzungsbewusstsein bei der Heimtücke nach § 211 Abs. 2 StGB – in tatsächlicher Hinsicht der die Abwehrmöglichkeiten des Tatopfers einschränkenden besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs bewusst ist. Nicht erforderlich ist hingegen, dass er eine solche Erleichterung seines Angriffs zur ursächlichen Bedingung seines Handelns macht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Juni 2005 – 4 StR 299/04 aaO; vom 25. September 2007 – 4 StR 338/07 aaO).
13
2. An diesen Maßstäben gemessen halten die Erwägungen, mit denen das Landgericht ein Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs verneint hat, einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
14
Nach den Feststellungen fand der mit dem Kabel geführte Angriff des Angeklagten S. auf die Nebenklägerin zu einem Zeitpunkt statt, als das Taxi noch rollte und die Nebenklägerin infolgedessen mit der Bedienung des Fahrzeugs befasst war. Damit liegen – entgegen der Bedenken des Landgerichts – objektiv die Voraussetzungen für ein Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs vor, ohne dass es darauf ankommt, dass sich die Tat an einem einsamen Ort ohne weiteres Verkehrsaufkommen ereignete. Soweit die Jugendkammer in subjektiver Hinsicht darauf verweist, dass ein Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs von den Angeklagten nicht geplant worden sei, stellt sie auf einen unzutreffenden Beurteilungszeitpunkt ab. Denn für die subjektive Tatseite maßgeblich ist nicht ein früherer Tatplan, sondern die konkrete subjektive Vorstellung der Täter bei Ausübung des Angriffs. Schließlich hat die Jugendkammer nicht bedacht, dass für die subjektive Erfüllung des Tatbestandsmerkmals nicht erforderlich ist, dass der Täter sich durch die verkehrsspezifischen Umstände zielgerichtet einen Vorteil für sein Angriffsvorhaben verschaffen will. Es reicht vielmehr aus, dass er die sich aus den besonderen Verhältnissen des Straßenverkehrs ergebenden tatsächlichen Umstände in der Weise erkennt, dass er sich bewusst ist, ein hierdurch in seinen Abwehrmöglichkeiten beeinträchtigtes Tatopfer anzugreifen.
15
3. Der Umstand, dass der Angeklagte S. mit seinem noch vordem Anhalten des Taxis verübten Angriff auf die Nebenklägerin von dem gemeinsamen Tatplan abwich, schließt nicht aus, sein Vorgehen den Angeklagten G. und F. im Wege der (sukzessiven) Mittäterschaft zuzurechnen.
16
Zwar kann einem Mittäter das Handeln eines anderen Mittäters, das über das gemeinsam Gewollte hinausgeht, nicht zugerechnet werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Zurechnung keine ins Einzelne gehende Vorstellung von den Handlungen des anderen Tatbeteiligten erfordert. Regelmäßig werden die Handlungen des anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Falles gerechnet werden musste, vom Willen des Mittäters umfasst , auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat. Ebenso ist er für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich, wenn er mit der Handlungsweise seines Tatgenossen einverstanden oder sie ihm zumindest gleichgültig war (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 5. August 2010 – 3 StR 210/10; vom 26. April 2012 – 4 StR 51/12, NStZ 2012, 563; vom 19. März 2013 – 5 StR 575/12, NStZ 2013, 400). Sukzessive Mittäterschaft kommt in Betracht, wenn ein Täter in Kenntnis und mit Billigung des bisher Ge- schehenen – selbst bei Abweichungen vom ursprünglichen Tatplan in wesentlichen Punkten – in eine bereits begonnene Ausführungshandlung eintritt und er sich mit dem anderen vor Beendigung der Tat zu gemeinschaftlicher weiterer Ausführung verbindet. Sein Einverständnis bezieht sich dann auf die Gesamttat mit der Folge, dass ihm die gesamte Tat zugerechnet werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2007 – 1 StR 301/07, NStZ 2008, 280, 281; vom 14. Februar 2012 – 3 StR 446/11, NStZ 2012, 379, 380; vom 22. Mai 2013 – 2 StR 14/13, NStZ-RR 2014, 73; Urteil vom 14. Januar 2016 – 4 StR 72/15, NStZ 2016, 211, 214 Rn. 20). Angesichts dessen, dass der AngeklagteS. mit seinem geringfügig zeitlich vorgezogenen Angriff auf das Tatopfer nur unwesentlich von der gemeinsamen Tatplanung abwich und die Angeklagten im Folgenden den Überfall wie verabredet arbeitsteilig durchführten, liegt es danach nicht fern, dass der Angriff auf die noch mit der Bedienung des in Bewegung befindlichen Taxis befasste Nebenklägerin auch vom Wollen der Angeklagten G. und F. umfasst war oder sich jedenfalls deren Vorsatz sukzessiv auf dieses Vorgehen erstreckte.
17
4. Die Schuldsprüche wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung haben damit keinen Bestand. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils ist indes auch auf die Verurteilungen jeweils wegen tatmehrheitlich begangenen versuchten Mordes durch Unterlassen zu erstrecken , weil die strafrechtliche Würdigung des Unterlassens von Rettungsbemühungen seitens der Angeklagten im Anschluss an den verübten Überfall nicht unabhängig von der neu vorzunehmenden tatrichterlichen Bewertung des Überfalls selbst erfolgen kann. Sollte der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter zur Feststellung eines mit Tötungsvorsatz begangenen Überfalls der Angeklagten auf die Nebenklägerin gelangen, wäre für eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen versuchten Verdeckungsmordes durch Unterlassen kein Raum. Dabei kann offenbleiben, ob in dieser Fallkonstellation bereits keine Pflicht zur Erfolgsabwendung besteht (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 1995 – 1 StR 465/95, NStZ-RR 1996, 131) oder es sich bei dem Verhältnis von Begehungszum nachfolgenden Unterlassungsunrecht um eine Konkurrenzfrage handelt (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 13 Rn. 57 mwN; Kudlich in Satzger/ Schluckebier/Widmaier, StGB, 2. Aufl., § 13 Rn. 22 mwN). Jedenfalls fehlte es an der Verdeckung einer anderen Tat (vgl. BGH, Urteile vom 12. Dezember 2002 – 4 StR 297/02, NStZ 2003, 312, 313; vom 14. Dezember 2006 – 4 StR 419/06, NStZ-RR 2007, 111; Beschluss vom 21. April 2009 – 1 StR 73/09, NStZ-RR 2009, 239).

IV.


18
Die Revisionen der Angeklagten G. und F. bleiben ohne Erfolg.
19
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen hat aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 16. Dezember 2015 genannten Gründen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

V.


20
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass auch bei der Anwendung von Jugendstrafrecht die Erwägungen zur Strafzumessung nicht mit solchen zur Strafaussetzung zur Bewährung vermischt werden dürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2008 – 2 StR 85/08, NStZ 2008, 693; Radtke in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 21 JGG Rn. 3 mwN).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 444/05
vom
23. Februar 2006
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23. Februar
2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. März 2005 wird verworfen.
2. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Sie erstrebt eine Verurteilung des Angeklagten (auch) wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer (§ 316 a StGB). Ferner beanstandet sie, dass das Landgericht zu Gunsten des zur Tatzeit alkoholisierten Angeklagten bei der Bemessung der verhängten Strafe von der Milderungsmöglichkeit nach §§ 21, 49 StGB Gebrauch gemacht hat.
2
Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt nur in Bezug auf die Vornahme der Strafmilderung nach §§ 21, 49 StGB vertreten wird, hat keinen Erfolg.
3
1. Nach den Feststellungen bestieg der Angeklagte nach dem Besuch zweier Gaststätten, in denen er zuvor Wein und Bier in erheblichen Mengen zu sich genommen hatte, am frühen Morgen des 10. November 2004 ein Taxi. Als das Fahrtziel erreicht war, hielt der Taxifahrer gegen 3.10 Uhr – aufgrund der Tageszeit herrschte kein Verkehrsaufkommen – das Fahrzeug im Kreuzungsbereich zweier Straßen an, schaltete die Innenraumbeleuchtung ein und brachte bei laufendem Motor den Wählhebel für die Getriebeautomatik in die Parkstellung. Anschließend bat er den im Fahrzeugfond sitzenden Angeklagten um die Entrichtung des Fahrpreises in Höhe von 9,80 Euro. Spätestens jetzt entschloss sich der erheblich angetrunkene Angeklagte, den Taxifahrer unter Einsatz eines mitgeführten Pfeffersprays an der Geltendmachung des Fahrpreises zu hindern. Er beugte sich vor, sprühte dem völlig überraschten Tatopfer Pfefferspray in das Gesicht und flüchtete nach einem kurzen Gerangel aus dem Fahrzeug. Als er wenig später stürzte, konnte er von dem nacheilenden Taxifahrer überwältigt werden. Durch den Einsatz des Pfeffersprays erlitt der Fahrer des Taxis Reizungen und Schmerzen an den Augen.
4
2. Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 316 a StGB verneint.
5
a) Allerdings war das Tatopfer zum Zeitpunkt des auf ihn verübten Angriffs (noch) Führer eines Kraftfahrzeugs und damit taugliches Tatobjekt einer Straftat nach § 316 a StGB. Führer eines Kraftfahrzeuges im Sinne dieser Bestimmung ist, wer das Fahrzeug in Bewegung zu setzen beginnt, es in Bewegung hält oder allgemein mit dem Betrieb des Fahrzeugs und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist (BGHSt 49, 8, 14). Befindet sich das Fahrzeug nicht mehr in Bewegung, so ist darauf abzustellen, ob das Opfer als Fahrer noch mit der Bewältigung von Betriebs- oder Verkehrsvorgängen befasst ist (BGH aaO). Dies ist, auch bei einem nicht verkehrsbedingten Halt, regelmäßig der Fall, wenn – wie hier - der Motor des Fahrzeugs noch in Betrieb ist (vgl. hierzu im Einzelnen BGH NJW 2005, 2564, 2565).
6
b) Liegt ein Angriff auf den Führer eines Kraftfahrzeugs im Sinne des § 316 a StGB vor, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob der Täter „dabei die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs“ ausgenutzt hat. Danach ist erforderlich , dass der tatbestandsmäßige Angriff gegen das Tatopfer als Kraftfahrzeugführer unter Ausnutzung der spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs begangen wird (BGHSt 49, 8, 11). Das ist (objektiv) der Fall, wenn der Führer eines Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt des Angriffs noch in einer Weise mit der Beherrschung seines Kraftfahrzeugs und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist, dass er gerade deshalb leichter zum Angriffsobjekt eines Überfalls werden kann (BGH aaO S. 14 f.). Verübt der Täter den Angriff im fließenden Verkehr oder bei einem verkehrsbedingten Halt, stellt dies ein gewichtiges Indiz dafür dar, dass er dabei auch die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausnutzt. Aber auch bei einem nicht verkehrsbedingten Halt (hier: zu dem Zweck, den Fahrpreis für die Beförderung zu kassieren) kann im Einzelfall eine Gegenwehr des angegriffenen Fahrzeugführers infolge spezifischer Bedingungen des Straßenverkehrs erschwert sein (vgl. die Beispielsfälle in BGH NJW 2005, 2564, 2565). Hierfür genügt jedoch nicht, dass der Fahrzeugmotor noch läuft und der Fahrer (allein) deshalb mit dem Betrieb des Fahrzeugs beschäftigt ist (BGH aaO). Vielmehr müssen weitere verkehrsspezifische Umstände vorliegen, die zu einer Beeinträchtigung der Abwehrmöglichkeiten des angegriffenen Fahrzeugführers geführt haben. Derartige Umstände hat das Landgericht mit dem Hinweis verneint, dass zur Tatzeit am Tatort kein Verkehrsaufkommen bestand, mithin das Tatopfer zum Zeitpunkt des Angriffs nicht mit der Bewältigung von Betriebs– oder Verkehrsvorgängen in einer Art und Weise beschäftigt war, die ihn in seiner Abwehrmöglichkeit beeinträchtigte. Dies ist nach den dargelegten Grundsätzen rechtlich nicht zu beanstanden, zumal die Feststellungen zudem belegen, dass auch das Fahrzeug des Tatopfers zum Tatzeitpunkt keiner besonderen Überwachung durch den Fahrer bedurfte, da es durch Einlegen des Automatikhebels in die Parkstellung gegen ein Wegrollen oder ungewolltes Beschleunigen hinreichend gesichert war.
7
3. Auch die vom Landgericht nach Maßgabe der §§ 21, 49 Abs. 1 StGB vorgenommene Strafrahmenverschiebung weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.
8
Beruht die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit – wie hier – auf zu verantwortender Trunkenheit, spricht dies in der Regel gegen eine Strafrahmenverschiebung nach den genannten Bestimmungen, wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant infolge der Alkoholisierung erhöht hat. Ob dies der Fall ist, hat der Tatrichter im Rahmen des ihm gesetzlich eingeräumten Ermessens in wertender Betrachtung zu bestimmen; seine Entscheidung unterliegt nur eingeschränkter revisionsrechtlicher Überprüfung (BGHSt 49, 239; Senatsurteil vom 15. Dezember 2005 – 4 StR 314/05).
9
Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Entscheidung des Landgerichts , den Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zu mildern, nicht zu beanstanden. Die erkennende Strafkammer hat bei ihrer Entscheidung in erster Linie darauf abgestellt, dass der Angeklagte bislang noch nicht wegen eines Gewaltdelikts verurteilt worden ist und damit zum Ausdruck gebracht, dass eine in der Person des Angeklagten begründete, für ihn vorhersehbare signifikante Erhöhung des Risikos der Begehung von Straftaten aufgrund seiner Alkoholisierung in Bezug auf die ausgeurteilte Tat nicht gegeben war. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen lag auch keine für den Angeklagten vorhersehbare Risikoerhöhung aufgrund der situativen Verhältnisse vor. Der Angeklagte befand sich nicht in einer gefahrträchtigen Lage, als er den Alkohol zu sich nahm. Auch danach hat er sich weder bewusst noch leichtfertig in die Tatsituation gebracht (vgl. hierzu BGHSt 49, 239, 243 f). Der Angeklagte hat – wovon das Landgericht in zutreffender Anwendung des Zweifelssatzes ausgegangen ist – den Tatentschluss spontan erst unmittelbar vor Begehung der Tat gefasst. In Bezug auf die mitgeführte Pfefferspraydose hat er sich unwiderlegt dahin eingelassen, diese zu seinem Selbstschutz mit sich geführt zu haben.
10
4. Die Nachprüfung des Urteils hat auch im Übrigen keinen den Angeklagten begünstigenden oder benachteiligenden (vgl. § 301 StPO) Rechtsfehler ergeben.
Tepperwien Maatz Athing
Solin-Stojanović Ernemann

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 444/05
vom
23. Februar 2006
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23. Februar
2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. März 2005 wird verworfen.
2. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Sie erstrebt eine Verurteilung des Angeklagten (auch) wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer (§ 316 a StGB). Ferner beanstandet sie, dass das Landgericht zu Gunsten des zur Tatzeit alkoholisierten Angeklagten bei der Bemessung der verhängten Strafe von der Milderungsmöglichkeit nach §§ 21, 49 StGB Gebrauch gemacht hat.
2
Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt nur in Bezug auf die Vornahme der Strafmilderung nach §§ 21, 49 StGB vertreten wird, hat keinen Erfolg.
3
1. Nach den Feststellungen bestieg der Angeklagte nach dem Besuch zweier Gaststätten, in denen er zuvor Wein und Bier in erheblichen Mengen zu sich genommen hatte, am frühen Morgen des 10. November 2004 ein Taxi. Als das Fahrtziel erreicht war, hielt der Taxifahrer gegen 3.10 Uhr – aufgrund der Tageszeit herrschte kein Verkehrsaufkommen – das Fahrzeug im Kreuzungsbereich zweier Straßen an, schaltete die Innenraumbeleuchtung ein und brachte bei laufendem Motor den Wählhebel für die Getriebeautomatik in die Parkstellung. Anschließend bat er den im Fahrzeugfond sitzenden Angeklagten um die Entrichtung des Fahrpreises in Höhe von 9,80 Euro. Spätestens jetzt entschloss sich der erheblich angetrunkene Angeklagte, den Taxifahrer unter Einsatz eines mitgeführten Pfeffersprays an der Geltendmachung des Fahrpreises zu hindern. Er beugte sich vor, sprühte dem völlig überraschten Tatopfer Pfefferspray in das Gesicht und flüchtete nach einem kurzen Gerangel aus dem Fahrzeug. Als er wenig später stürzte, konnte er von dem nacheilenden Taxifahrer überwältigt werden. Durch den Einsatz des Pfeffersprays erlitt der Fahrer des Taxis Reizungen und Schmerzen an den Augen.
4
2. Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 316 a StGB verneint.
5
a) Allerdings war das Tatopfer zum Zeitpunkt des auf ihn verübten Angriffs (noch) Führer eines Kraftfahrzeugs und damit taugliches Tatobjekt einer Straftat nach § 316 a StGB. Führer eines Kraftfahrzeuges im Sinne dieser Bestimmung ist, wer das Fahrzeug in Bewegung zu setzen beginnt, es in Bewegung hält oder allgemein mit dem Betrieb des Fahrzeugs und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist (BGHSt 49, 8, 14). Befindet sich das Fahrzeug nicht mehr in Bewegung, so ist darauf abzustellen, ob das Opfer als Fahrer noch mit der Bewältigung von Betriebs- oder Verkehrsvorgängen befasst ist (BGH aaO). Dies ist, auch bei einem nicht verkehrsbedingten Halt, regelmäßig der Fall, wenn – wie hier - der Motor des Fahrzeugs noch in Betrieb ist (vgl. hierzu im Einzelnen BGH NJW 2005, 2564, 2565).
6
b) Liegt ein Angriff auf den Führer eines Kraftfahrzeugs im Sinne des § 316 a StGB vor, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob der Täter „dabei die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs“ ausgenutzt hat. Danach ist erforderlich , dass der tatbestandsmäßige Angriff gegen das Tatopfer als Kraftfahrzeugführer unter Ausnutzung der spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs begangen wird (BGHSt 49, 8, 11). Das ist (objektiv) der Fall, wenn der Führer eines Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt des Angriffs noch in einer Weise mit der Beherrschung seines Kraftfahrzeugs und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist, dass er gerade deshalb leichter zum Angriffsobjekt eines Überfalls werden kann (BGH aaO S. 14 f.). Verübt der Täter den Angriff im fließenden Verkehr oder bei einem verkehrsbedingten Halt, stellt dies ein gewichtiges Indiz dafür dar, dass er dabei auch die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausnutzt. Aber auch bei einem nicht verkehrsbedingten Halt (hier: zu dem Zweck, den Fahrpreis für die Beförderung zu kassieren) kann im Einzelfall eine Gegenwehr des angegriffenen Fahrzeugführers infolge spezifischer Bedingungen des Straßenverkehrs erschwert sein (vgl. die Beispielsfälle in BGH NJW 2005, 2564, 2565). Hierfür genügt jedoch nicht, dass der Fahrzeugmotor noch läuft und der Fahrer (allein) deshalb mit dem Betrieb des Fahrzeugs beschäftigt ist (BGH aaO). Vielmehr müssen weitere verkehrsspezifische Umstände vorliegen, die zu einer Beeinträchtigung der Abwehrmöglichkeiten des angegriffenen Fahrzeugführers geführt haben. Derartige Umstände hat das Landgericht mit dem Hinweis verneint, dass zur Tatzeit am Tatort kein Verkehrsaufkommen bestand, mithin das Tatopfer zum Zeitpunkt des Angriffs nicht mit der Bewältigung von Betriebs– oder Verkehrsvorgängen in einer Art und Weise beschäftigt war, die ihn in seiner Abwehrmöglichkeit beeinträchtigte. Dies ist nach den dargelegten Grundsätzen rechtlich nicht zu beanstanden, zumal die Feststellungen zudem belegen, dass auch das Fahrzeug des Tatopfers zum Tatzeitpunkt keiner besonderen Überwachung durch den Fahrer bedurfte, da es durch Einlegen des Automatikhebels in die Parkstellung gegen ein Wegrollen oder ungewolltes Beschleunigen hinreichend gesichert war.
7
3. Auch die vom Landgericht nach Maßgabe der §§ 21, 49 Abs. 1 StGB vorgenommene Strafrahmenverschiebung weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.
8
Beruht die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit – wie hier – auf zu verantwortender Trunkenheit, spricht dies in der Regel gegen eine Strafrahmenverschiebung nach den genannten Bestimmungen, wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant infolge der Alkoholisierung erhöht hat. Ob dies der Fall ist, hat der Tatrichter im Rahmen des ihm gesetzlich eingeräumten Ermessens in wertender Betrachtung zu bestimmen; seine Entscheidung unterliegt nur eingeschränkter revisionsrechtlicher Überprüfung (BGHSt 49, 239; Senatsurteil vom 15. Dezember 2005 – 4 StR 314/05).
9
Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Entscheidung des Landgerichts , den Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zu mildern, nicht zu beanstanden. Die erkennende Strafkammer hat bei ihrer Entscheidung in erster Linie darauf abgestellt, dass der Angeklagte bislang noch nicht wegen eines Gewaltdelikts verurteilt worden ist und damit zum Ausdruck gebracht, dass eine in der Person des Angeklagten begründete, für ihn vorhersehbare signifikante Erhöhung des Risikos der Begehung von Straftaten aufgrund seiner Alkoholisierung in Bezug auf die ausgeurteilte Tat nicht gegeben war. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen lag auch keine für den Angeklagten vorhersehbare Risikoerhöhung aufgrund der situativen Verhältnisse vor. Der Angeklagte befand sich nicht in einer gefahrträchtigen Lage, als er den Alkohol zu sich nahm. Auch danach hat er sich weder bewusst noch leichtfertig in die Tatsituation gebracht (vgl. hierzu BGHSt 49, 239, 243 f). Der Angeklagte hat – wovon das Landgericht in zutreffender Anwendung des Zweifelssatzes ausgegangen ist – den Tatentschluss spontan erst unmittelbar vor Begehung der Tat gefasst. In Bezug auf die mitgeführte Pfefferspraydose hat er sich unwiderlegt dahin eingelassen, diese zu seinem Selbstschutz mit sich geführt zu haben.
10
4. Die Nachprüfung des Urteils hat auch im Übrigen keinen den Angeklagten begünstigenden oder benachteiligenden (vgl. § 301 StPO) Rechtsfehler ergeben.
Tepperwien Maatz Athing
Solin-Stojanović Ernemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 338/03
vom
27. November 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes mit Todesfolge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. November 2003
gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 13. März 2003 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Jedoch wird der Schuldspruch, soweit er den Beschwerdeführer und den Mitangeklagten M. betrifft, dahin berichtigt, daß die Bezeichnung des Raubes mit Todesfolge als "schwer" jeweils entfällt (vgl. Lackner/Kühl StGB 24. Aufl. § 251 Rdn. 4). Ergänzend bemerkt der Senat: Die Verurteilung des Angeklagten und der nicht-revidierenden Mitangeklagten jeweils wegen tateinheitlich begangenen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer gemäß § 316 a StGB hat auch nach den Maßstäben der geänderten Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 20. November 2003 - 4 StR 150/03, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) Bestand. Die Angeklagten haben das Tatopfer, den Taxifahrer Z., nach dem Anhalten am Tatort noch im Fahrzeug unter Einsatz der mitgeführten Waffen angegriffen, wobei Z. "das Automatikgetriebe auf Dauerbetrieb (Stufe "4" oder "D") beließ und mit dem Fuß auf der Bremse blieb, um das Weiterrollen zu verhindern". Hiernach war der Geschädigte trotz des Anhaltens noch "Führer" des Taxis, als die Angeklagten den tatbestandsmäßigen Angriff auf ihn verübten. Unter den gegebenen Umständen war er noch in einer Weise mit der Beherrschung des mit laufendem Motor stehenden Fahrzeugs beschäftigt, daß er gerade deshalb leichteres Opfer eines räuberischen Angriffs war. Die hierin liegenden "besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs" haben die Angeklagten für ihre Tat auch ausgenutzt. Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer die Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen (§ 109 Abs. 2 i.V.m. § 74 JGG); jedoch hat er die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Tepperwien Maatz Kuckein

(1) Wer zur Begehung eines Raubes (§§ 249 oder 250), eines räuberischen Diebstahls (§ 252) oder einer räuberischen Erpressung (§ 255) einen Angriff auf Leib oder Leben oder die Entschlußfreiheit des Führers eines Kraftfahrzeugs oder eines Mitfahrers verübt und dabei die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 621/11
vom
8. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen zu Ziff. 1. und 2. versuchter schwerer räuberischer Erpressung u.a.
zu Ziff. 3. Beihilfe zur versuchten schweren räuberischen
Erpressung
zu Ziff. 4. versuchter Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 8. Februar 2012 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten Sch. , S. und H. wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 23. Mai 2011, soweit es diese Angeklagten betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben
a) im Fall II. 1 der Urteilsgründe und
b) in den Gesamtstrafenaussprüchen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel dieser Angeklagten, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten Sch. , S. und H. sowie die Revision des Angeklagten Schw. werden verworfen. 3. Der Angeklagte Schw. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten Sch. und S. der versuchten schweren räuberischen Erpressung, der versuchten Erpressung sowie der Nötigung , den Angeklagten Schw. der versuchten Erpressung sowie der Nötigung und den Angeklagten H. der Beihilfe zur versuchten schweren räuberischen Erpressung schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten Sch. unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe von neun Monaten aus einem weiteren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten, den Angeklagten S. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, den Angeklagten Schw. zu einer solchen von sieben Monaten und den Angeklagten H. zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 70 Euro verurteilt. Ferner hat das Landgericht eine Lederweste des Angeklagten S. eingezogen.
2
Gegen ihre Verurteilung wenden sich die Angeklagten jeweils mit der Sachrüge. Die Angeklagten Sch. , S. und Schw. beanstanden darüber hinaus das Verfahren, der Angeklagte Schw. macht ein Verfahrenshindernis geltend. Die Rechtsmittel der Angeklagten Sch. , S. und H. haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Dem Rechtsmittel des Angeklagten Schw. bleibt insgesamt der Erfolg versagt.

I.

3
Das vom Angeklagten Schw. geltend gemachte Verfahrenshindernis der nicht hinreichend konkretisierten Anklage besteht nicht. Auch die von ihm und den Angeklagten Sch. und S. erhobenen Verfahrensrügen haben keinen Erfolg. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in den Antrags- schriften des Generalbundesanwalts vom 30. November 2011 Bezug genommen.

II.

4
Soweit die Angeklagten Sch. und S. in den Fällen II. 2 und II. 3 der Urteilsgründe wegen versuchter Erpressung und wegen Nötigung verurteilt worden sind, hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der von den Angeklagten jeweils erhobenen Sachbeschwerde keinen Rechtsfehler zu deren Nachteil ergeben.
5
Die Verurteilung des Angeklagten Schw. ist insgesamt frei von diesen beschwerenden Rechtsfehlern.

III.

6
1. Demgegenüber hält die Verurteilung der Angeklagten Sch. , S. und H. im Fall II. 1 der Urteilsgründe rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
7
a) Das Landgericht hat nicht geprüft, ob die Angeklagten vom Versuch der schweren räuberischen Erpressung mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten sind (§ 24 Abs. 2 Satz 1 StGB).
8
§ 24 Abs. 2 Satz 1 StGB verlangt ohne Rücksicht auf die Frage, ob ein beendeter oder unbeendeter Versuch vorliegt, die Verhinderung der Tatvollendung. Dabei bestehen grundsätzlich die gleichen Anforderungen wie beim Alleintäter , so dass insbesondere das Verhalten des Zurücktretenden für das Ausbleiben der Vollendung zumindest mitursächlich werden muss. Unter Absatz 2 Satz 1 hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch die Fälle gefasst, in denen die Beteiligten an der Tat den Rücktritt einvernehmlich durchführen (BGH, Urteil vom 14. Mai 1996 - 1 StR 51/96, BGHSt 42, 158, 162; Senatsbeschluss vom 4. April 1989 - 4 StR 125/89, NStZ 1989, 317, 318). Dabei wird es als ausreichend angesehen, wenn ein Beteiligter mit dem Rücktritt des anderen einverstanden ist. Handeln alle Beteiligten einvernehmlich, kann das schlichte Nicht-Weiterhandeln für die Erfolgsverhinderung im Sinne von § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB ausreichen (vgl. Senatsbeschluss aaO; Lilie/Albrecht in LK-StGB, 12. Aufl., § 24 Rn. 42; SSW-StGB/Kudlich/Schuhr, § 24 Rn. 58, jew. mwN). Diese Grundsätze gelten auch für den Gehilfen, der anderenfalls bei einem wirksamen Rücktritt des Haupttäters, der bereits zur Erfolgsverhinderung führt, trotz Rücktrittswillens überhaupt nicht zurücktreten könnte (BGH, Beschluss vom 28. Oktober 1998 - 5 StR 176/98, BGHSt 44, 204, 208).
9
b) Danach können die Angeklagten Sch. , S. und H. im vorliegenden Fall jeweils als Tatbeteiligte vom Versuch der schweren räuberischen Erpressung zurückgetreten sein, indem sie einverständlich die gegenüber dem Geschädigten W. erhobene Forderung zur Zahlung einer "Strafe" in Höhe von 5.000 Euro nach dem Treffen mit dem Geschädigten in der „ Bar“ nicht weiter verfolgten. Anlass für eine Erörterung der Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB boten insbesondere die Feststellungen, die das Landgericht zum Inhalt des zwischen dem Angeklagten H. und dem Geschädigten W. am 22. Januar 2010 geführten Telefongesprächs getroffen hat (UA 35/36). Der Zeuge sprach den Angeklagten H. nach Absprache mit der Polizei, an die er sich inzwischen gewandt hatte, auf die Modalitäten einer Übergabe des von den Angeklagten geforderten Geldbetrages an. H. verhielt sich jedoch abwehrend und versuchte, die vom Landgericht als erwiesen angesehene, ursprünglich unter Drohungen erhobene Forderung ungeschehen zu machen. Er gab dem Geschädigten unter Anderem zu verstehen, er müsse kein Geld beschaffen, da es eine entsprechende Forderung nicht (mehr) gebe. Ein weiteres Telefongespräch ähnlichen Inhalts führte der Angeklagte H. mit dem Geschädigten am 27. Januar 2010. Dass der Angeklagte H. diese Gespräche mit dem Geschädigten nur nach vorheriger Abstimmung mit dem Mitangeklagten Sch. führte, der im „Charter S. “ der „Hells Angels“ die Position des „Präsidenten“ einnahm,ist nahe liegend. Im Hinblick darauf und vor dem Hintergrund der im Urteil dargelegten hierarchischen Struktur dieser Gruppierung hätte die Strafkammer die Möglichkeit eines Rücktritts der Angeklagten vom Versuch der schweren räuberischen Erpressung im Sinne des § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB nicht unerörtert lassen dürfen.
10
2. Die Aufhebung der Verurteilung der Angeklagten Sch. , S. und H. im Fall II. 1 der Urteilsgründe zieht die Aufhebung der gegen diese Angeklagten verhängten Gesamtstrafen nach sich. Die für sich genommen rechtsfehlerfreie Entscheidung über die Einziehung der Weste des Angeklagten S. kann bestehen bleiben, da dieser Gegenstand als Tatmittel auch im Fall II. 3 der Urteilsgründe Verwendung gefunden hat.

III.

11
Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
12
1. Für den Fall, dass ein strafbefreiender Rücktritt der Angeklagten in Betracht kommen sollte, wird insbesondere zu prüfen sein, ob dieser freiwillig erfolgt ist. Ohne die Feststellung weiterer Umstände vermag die vom Landgericht angestellte Erwägung, die Angeklagten hätten "offenbar" wegen des einsetzenden Drucks der polizeilichen Ermittlungen von ihrer Geldforderung gegen den Geschädigten W. Abstand genommen, als bloß möglich erscheinende allgemeine Furcht vor Entdeckung der Tat die Freiwilligkeit nicht in Frage zu stellen (Fischer, StGB, 59. Aufl., § 24 Rn. 19a mwN).
13
2. Beim Angeklagten Sch. wird die erforderliche erneute Gesamtstrafenbildung wiederum unter Einbeziehung der Bewährungsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Rostock vom 15. Juli 2010 vorzunehmen sein. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Ausgleich für die Nichterstattung von Leistungen zur Erfüllung einer Bewährungsauflage (vgl. § 58 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB) jedoch regelmäßig durch eine die Strafvollstreckung verkürzende Anrechnung auf die Gesamtfreiheitsstrafe zu bewirken (BGH, Beschluss vom 20. März 1990 - 1 StR 283/89, BGHSt 36, 378, 383 f.; Senatsbeschluss vom 19. Mai 1992 - 4 StR 207/92). Die allgemeine Berücksichtigung der in diesem Umstand liegenden Härte, wie sie im angefochtenen Urteil ihren Ausdruck gefunden hat, reicht nicht aus. Der Umfang der Anrechnung ist in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen (BGH, jew. aaO). Mutzbauer Roggenbuck Franke Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 4 5 8 / 1 4
vom
27. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 27. November 2014 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 17. Juni 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchtem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion mit Todesfolge sowie (mit) versuchter Brandstiftung mit Todesfolge zur Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Auf die Verfahrensrüge kommt es nicht an, denn das Rechtsmittel hat mit der Sachbeschwerde Erfolg.
2
Das Urteil kann nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat nicht geprüft und erörtert, ob der Angeklagte strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten ist (§ 24 Abs. 1 StGB), obwohl dies rechtlich geboten war.
3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts entschloss sich der Angeklagte in den frühen Morgenstunden des Tattages, spätestens gegen fünf Uhr, zum Selbstmord durch Herbeiführen einer Explosion, durch die das gesamte Mehrfamilienhaus, in dessen ersten Obergeschoss er wohnte und das achtzehn Wohneinheiten umfasste, zum Einsturz gebracht und zerstört werden sollte. Zu diesem Zweck verband er innerhalb der folgenden circa 30 Minuten in seinem, zwei Geschosse unterhalb seiner Wohnung gelegenen Kellerraum eine dort auf dem Boden stehende elektrische Camping-Kochplatte mit einer im Kellerraum montierten Steckdose, die von seinem Schlafzimmer aus schaltbar war. Auf die Kochplatte legte er einen Stapel mit Prospekten und Zeitschriften und übergoss diesen mit Benzin. Unmittelbar neben die Kochplatte legte er einen mit einem Butan/Propangasgemisch gefüllten Behälter, der nach seiner Vorstellung durch das nach Einschalten der Kochplatte entstehende Feuer so stark erhitzt werden sollte, dass es in der Folge zu einer Gasexplosion kommt.
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Nachdem der Angeklagte den Schalter in seinem Schlafzimmer betätigt hatte, erhitzte sich die Kochplatte, so dass sich das darauf gestapelte Papier entzündete und der Gasdruckbehälter erwärmt wurde. Infolge des Brandes entwickelte sich im Keller des Angeklagten starker Rauch, so dass ein seine Wohnung verlassender Mieter im Treppenhaus Rauchgeruch wahrnahm und einen im Erdgeschoss des Hauses wohnenden Mitbewohner über ein mögliches Feuer informierte sowie umgehend die Feuerwehr rief. Der alarmierte Mitbewohner klingelte sodann bei "sämtlichen Hausbewohnern, um diese zum Verlassen des Hauses aufzufordern". Die etwa 30 Minuten nach Bemerken des Rauchgeruches eintreffende Feuerwehr brach das sich an der Kellertür des Angeklagten befindliche Vorhängeschloss auf und löschte das auf der Kochplatte liegende, glimmende Papier sowie eine kleine offene Flamme, die auf der anderen Seite des Kellerraumes entstanden war. Der in den Kellerraum vorge- drungene Feuerwehrmann trennte sodann die Kochplatte von der Steckdose durch Herausziehen des Steckers. Eine nach dem Löschen durchgeführte Messung mittels einer Wärmebildkamera ergab eine Temperatur des Kochfeldes von etwa 180 Grad Celsius sowie eine Außentemperatur des - nahezu vollständig gefüllten - Gasbehälters von etwa 85 Grad Celsius. Zum Zeitpunkt des Brandes befanden sich neben dem Angeklagten noch 13 andere Personen in dem Haus. Nach der Verhaftung des Angeklagten war der Schalter im Schlafzimmer des Angeklagten (wieder) ausgeschaltet und in dieser Stellung mit einem Klebeband fixiert.
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2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hätte das Landgericht prüfen und erörtern müssen, ob der Angeklagte strafbefreiend von der versuchten Tat zurückgetreten ist; denn sie belegen weder, dass der Versuch fehlgeschlagen war, noch schließen sie es aus, dass der Angeklagte freiwillig vom unbeendeten Versuch der Tat zurückgetreten ist.
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a) Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn der Täter nach der letzten von ihm vorgenommenen Tathandlung erkennt, dass mit den bereits eingesetzten oder den ihm sonst zur Hand liegenden Mitteln der erstrebte Taterfolg nicht mehr herbeigeführt werden kann, ohne dass er eine neue Handlungs- und Kausalkette in Gang setzt (s. etwa nur BGH, Urteile vom 30. November 1995 - 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369; vom 19. Mai 2010 - 2 StR 278/09, NStZ 2010, 690, 691 mwN). Die subjektive Sicht des Täters ist auch dann maßgeblich , wenn der Versuch zwar objektiv fehlgeschlagen ist, der Täter dies aber nicht erkennt; zumindest soll ein freiwilliger Verzicht auf weitere Tathandlungen zur Straffreiheit nach § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB führen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 2004 - 5 StR 239/04, NStZ-RR 2005, 70, 71).
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Nach diesen Maßstäben belegen die Urteilsgründe einen fehlgeschlagenen Versuch nicht. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts ergibt sich auch aus ihrem Gesamtzusammenhang nicht, dass in dem Zeitpunkt, in dem der Angeklagte die Stromzufuhr zu der Kochplatte wieder abstellte und den Schalter überklebte, der Taterfolg aufgrund der Entdeckung des Feuers und des Eingreifens der Feuerwehr nicht mehr eintreten konnte und der Angeklagte dies erkannt hatte. Das Landgericht führt im Rahmen der rechtlichen Würdigung lediglich aus, dass die Vollendung der Tat "allein durch die Alarmierung und das Eingreifen der Feuerwehr verhindert" worden sei. Zu dem Zeitpunkt , in dem der Angeklagte die weitere Stromzufuhr zu der Kochplatte unterbrach , verhalten sich die Urteilsgründe indes ebenso wenig wie zu der Frage, ob in diesem Moment das Feuer bereits entdeckt war, die Feuerwehr eingegriffen hatte und - so dies der Fall war - der Angeklagte sich dessen auch bewusst war. Zwar könnten die Feststellungen zur Temperatur der Kochplatte, der Entzündung der Prospekte und Zeitschriften sowie des Grades der Erhitzung der Gasflasche beim Eintreffen der Feuerwehr dafür sprechen, dass die Stromzufuhr erst zu einem sehr späten Zeitpunkt unterbrochen wurde. Für die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs genügt dies ohne nähere Prüfung und Erörterung der weiteren Tatumstände indes nicht.
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b) Auch für die Frage, ob ein Versuch unbeendet oder beendet ist, kommt es maßgeblich darauf an, welche Vorstellung der Täter nach seiner letzten Ausführungshandlung von der Tat hat (sog. Rücktrittshorizont; s. nur BGH, Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274 mwN). Danach liegt ein unbeendeter Versuch vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung noch nicht alles getan hat, was zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich ist; in diesem Fall kann er allein durch das freiwillige Unterlassen weiterer auf den Taterfolg abzielender Handlungen strafbefreiend vom Versuch zurücktreten (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB). Hält er dagegen den Eintritt des Taterfolgs für möglich, so ist der Versuch beendet; der strafbefreiende Rücktritt setzt dann voraus, dass der Täter den Taterfolg freiwillig durch aktives Tun verhindert (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StGB) oder zumindest entsprechende ernsthafte Bemühungen entfaltet, wenn der Erfolg ohne sein Zutun ausbleibt (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB; s. BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227 mwN). Lässt sich den Urteilsfeststellungen die entsprechende Vorstellung des Täters von seiner Tat nicht entnehmen, so hält das Urteil regelmäßig sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand, weil es die revisionsrechtliche Prüfung eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch nicht ermöglicht (s. etwa BGH, Urteil vom 12. Juni 2014 - 3 StR 154/14, NStZ 2014, 507, 509 mwN).
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So liegt es hier. Nach den getroffenen Feststellungen ist bereits ein freiwilliger Rücktritt des Angeklagten vom unbeendeten Versuch nicht ausgeschlossen. Ihnen lässt sich nicht entnehmen, welche Vorstellungen sich der Angeklagte von der Entwicklung der Vorgänge im Keller machte, als er die Stromzufuhr zur Kochplatte unterbrach, insbesondere ob er davon ausging, die Prospekte und Zeitschriften seien bereits in Brand geraten, würden die Gasflasche bis zur Explosion erhitzen oder das Feuer werde auch unabhängig hiervon auf das Wohnhaus übergreifen. Sollte seine Vorstellung gewesen sein, dass sich das Papier noch nicht entzündet hatte und auch nicht mehr entzünden werde, läge ein unbeendeter Versuch vor, von dem er durch das Abschalten des Stromes zurückgetreten wäre. Dass im Keller tatsächlich bereits ein Feuer ausgebrochen war, würde hieran nichts ändern. Da das Urteil - wie bereits dargelegt - sich auch nicht dazu verhält, ob in dem Moment, als der Angeklagte den Strom wieder ausschaltete, das Feuer bereits entdeckt, gegebenenfalls bereits die Feuerwehr vor Ort war und der Angeklagte dies auch bemerkt hatte, schließen die bisherigen Feststellungen auch die Freiwilligkeit des Rücktritts nicht aus.
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3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.

Becker Hubert Schäfer Mayer Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 257/09
vom
9. Juli 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u. a.;
hier: Revision des Angeklagten S. Ö.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts am 9. Juli 2009 gemäß § 349 Abs. 4,
§ 357 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten S. Ö. wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 13. März 2009 mit den Feststellungen aufgehoben, auch soweit es den Angeklagten O. Ö. betrifft.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten S. Ö. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten S. Ö. und O. Ö. der versuchten schweren räuberischen Erpressung und des Diebstahls schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten S. Ö. zu einer Jugendstrafe von neun Monaten und den Angeklagten O. Ö. zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten S. Ö. hat mit der Sachrüge Erfolg. Sein Rechtsmittel führt nach § 357 StPO auch zur Aufhebung der Verurteilung des Mitangeklagten O. Ö. .

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts kamen die Angeklagten überein, ein Lebensmittelgeschäft zu überfallen. Sie beabsichtigten, die Inhabe- rin durch Bedrohung mit einem Klappmesser zur Herausgabe von Geld zu veranlassen ; einen "über die Drohung hinausgehenden Einsatz des Messers zum Zwecke der Verletzung anderer Personen schlossen sie jedoch von vornherein in jedem Fall aus". Nach dem Betreten des Geschäfts ging der Angeklagte O. Ö. zur Theke, hielt der Inhaberin das Messer vor und sagte "Geld her". Als die Inhaberin resolut entgegnete "ihr kriegt hier nichts", entschlossen sich beide Angeklagte, das Geschäft unverrichteter Dinge zu verlassen. Beim Hinausgehen entnahm der Angeklagte S. Ö. im Einverständnis mit dem Mitangeklagten zwei Zigarettenschachteln aus einem Regal und steckte sie ein.
3
2. Auf dieser Grundlage kann der Schuldspruch wegen schwerer räuberischer Erpressung keinen Bestand haben. Die Feststellungen legen die Möglichkeit nahe, dass die Angeklagten mit strafbefreiender Wirkung vom Erpressungsversuch zurückgetreten sein könnten (§ 24 Abs. 2 Satz 1 StGB). Hiermit hat sich das Landgericht rechtsfehlerhaft nicht auseinandergesetzt.
4
a) Gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB werden bei Tatbeteiligung mehrerer diejenigen Beteiligten nicht wegen Versuchs bestraft, die freiwillig die Tatvollendung verhindern. Hierfür kann es genügen, wenn Mittäter im Falle eines unbeendeten Versuchs einvernehmlich nicht mehr weiterhandeln, obwohl sie dies tun könnten (BGHSt 42, 158, 162; BGH NStZ 2007, 91, 92 m. w. N.). Dies gilt zwar dann nicht, wenn der Versuch fehlgeschlagen ist. Das ist aber nur dann der Fall, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv - sei es auch nur wegen aufkommender innerer Hemmungen (BGH NStZ 2007, 91) - die Vollendung nicht mehr für möglich hält; abzustellen ist daher nicht auf den ursprünglichen Tatplan, sondern auf den Erkenntnishorizont des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (BGH NStZ 2008, 393). Ein Fehlschlag liegt nicht bereits darin, dass der Täter die Vorstellung hat, er müsse , um den Erfolg herbeizuführen, von seinem Tatplan abweichen. Hält er vielmehr die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, dann ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (BGH NStZ 2007, 91). Fehlgeschlagen ist der Versuch erst, wenn der Täter erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs (BGHSt 39, 221, 232; 41, 368, 369). Der ursprüngliche Tatplan kann je nach Fallgestaltung nur insoweit eine Rolle für den Erkenntnishorizont des Täters spielen, als die von ihm nach dem Scheitern seiner bisherigen Bemühungen erkannte Notwendigkeit , Tathandlung und -ablauf grundlegend zu ändern oder ein ganz anderes als das bisher verwendete Tatmittel einzusetzen, ein gewichtiges Indiz dafür darstellen kann, dass aus seiner Sicht der Versuch fehlgeschlagen ist (vgl. BGH NStZ 2008, 393).
5
b) Zu den Vorstellungen der Angeklagten nach Misslingen des zunächst ins Auge gefassten Tatablaufs - nach der Weigerung der Geschädigten, Geld herauszugeben - teilt das Urteil nichts mit. Selbst wenn die Feststellungen des Landgerichts dahin zu verstehen sein sollten, dass die Angeklagten unüberwindliche Hemmungen hatten, das Messer über ein bloßes Mittel der Bedrohung hinaus einzusetzen, und insoweit nicht Herr ihrer Entschlüsse waren, verstünde es sich indes nicht von selbst, dass sie keine weitere Handlungsalternative mehr sahen, mit der sie im unmittelbaren Fortgang noch hätten zur Tatvollendung gelangen können. Insbesondere lässt die Feststellung, der Angeklagte O. Ö. habe der Geschädigten das Messer "vorgehalten", nicht erkennen, welche Intensität die Bedrohung bereits erreicht hatte. Ein fehlgeschlagener Versuch ist damit nicht belegt.
6
3. Um dem Landgericht in Anbetracht des eng zusammenhängenden Geschehensablaufs insgesamt neue Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat das Urteil auch hinsichtlich des Schuldspruchs wegen Diebstahls auf.

II.


7
In Bezug auf den Mitangeklagten O. Ö. hat der Senat nach § 357 Satz 1 StPO so zu erkennen, als ob dieser gleichfalls Revision eingelegt hätte. Das Urteil gegen diesen beruht auf demselben sachlich-rechtlichen Mangel, an dem auch der Schuldspruch gegen den Beschwerdeführer leidet.
8
Eine Entscheidung nach §§ 357 Satz 2, 47 Abs. 3 StPO ist nicht veranlasst , da das Landgericht den Haftbefehl gegen den Angeklagten O. Ö. bereits vor Eintritt der Rechtskraft aufgehoben hat.
Becker von Lienen Sost-Scheible RiBGH Dr. Schäfer ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Becker Mayer

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.