Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juli 2002 - IV ZR 145/01

bei uns veröffentlicht am03.07.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 145/01 Verkündet am:
3. Juli 2002
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
VVG § 1; ZPO §§ 282 (Beweislast), 286 (G) a.F.; BerufsunfähigkeitsZusatzversicherung
Die Beweislast für eine den schriftlichen Antrag ergänzende mündliche Willenserklärung
auf Erweiterung des Versicherungsschutzes trägt der Versicherungsnehmer
auch dann, wenn der Agent des Versicherers den Antrag ausgefüllt hat.
BGH, Urteil vom 3. Juli 2002 - IV ZR 145/01 - OLG Saarbrücken
LG Saarbrücken
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting und Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Juli 2002

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 4. April 2001 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte zur Dynamisierung der Versicherungsleistungen aus einer Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung noch verpflichtet ist, nachdem der Kläger wegen Berufsunfähigkeit von der Beitragszahlungspflicht frei geworden ist.
Er richtete im Mai 1977 an die Rechtsvorgängerin der Beklagten über deren Versicherungsagenten L. einen von diesem ausgefüllten schriftlichen Antrag auf Abschluß einer Kapitallebensversicherung nebst Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Zugleich beantragte er eine laufende Erhöhung des Versicherungsschutzes mit einer von der Beklagten vorformulierten Erklärung, die auszugsweise lautet:

"... Ich bin damit einverstanden, daß die dadurch bedingte Beitragserhöhung automatisch zu Beginn eines jeden Versicherungsjahres in dem gleichen Verhältnis vorgenommen wird, wie sich der Höchstbeitrag in der gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten erhöht. Für diese automatische Erhöhung gelten die 'Besonderen Bedingungen für die planmäßige Erhöhung der Versicherungsleistungen ohne erneute Gesundheitsprüfung'." Die Beklagte policierte den Versicherungsvertrag "auf Grund des gestellten Antrags und der hierzu gegebenen schriftlichen Erklärungen nach Maßgabe der beiliegenden Versicherungsbedingungen". Die dem Kläger mit dem Versicherungsschein übersandten "Besonderen Bedingungen für die planmäßige Erhöhung der Versicherungsleistungen ohne erneute Gesundheitsprüfung" enthalten u.a. folgende Bestimmungen: "1. Gemäß der bei Vertragsschluß abgegebenen schriftlichen Erklärung des Versicherungsnehmers ist vereinbart, daß sich der jeweilige Beitrag im gleichen Verhältnis wie der Höchstbeitrag in der gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten erhöht. Die Beitragserhöhung bewirkt eine Erhöhung der Versicherungsleistungen ohne erneute Gesundheitsprüfung. ... 2. Die Erhöhung des Beitrages und die entsprechende Erhöhung der Versicherungsleistungen erfolgen jeweils zu Beginn des Versicherungsjahres in dem Kalenderjahr, für das der Höchstbeitrag in der gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten erhöht worden ist. ... 5. Der Versicherungsschutz für die jeweilige Erhöhung beginnt mit dem Eingang des erhöhten Beitrags ..., jedoch nicht vor dem im Erhöhungsnachtrag angegebenen Termin. 7. Sind Zusatzversicherungen eingeschlossen, so werden ihre Versicherungsleistungen in dem gleichen Verhältnis wie die der Hauptversicherung erhöht.

Bei einer Versicherung mit Einschluû der Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung sind Erhöhungen des Beitrags ausgeschlossen, solange wegen Berufsunfähigkeit die Verpflichtung zur Beitragszahlung ganz oder teilweise entfällt." Dem Versicherungsschein war auûerdem eine "Besondere Vereinbarung" mit folgenden Inhalt beigefügt: "Beitrag und Versicherungsleistungen erhöhen sich jährlich gemäû Ziffer 1 der ©Besonderen Bedingungen für die planmäûige Erhöhung der Versicherungsleistungen ohne erneute Gesundheitsprüfung©." Ab dem 1. April 1993 ist der Kläger berufsunfähig. Die Beklagte zahlt seitdem an ihn eine Berufsunfähigkeitsrente, die sie nach der bei Eintritt der Berufsunfähigkeit maûgebenden Lebensversicherungssumme berechnet; sie hat die Versicherung beitragsfrei gestellt.
Der Kläger behauptet, er habe bei Antragstellung ausdrücklich eine Dynamisierung der Versicherungssumme und der Rente auch für den Fall der Berufsunfähigkeit gewünscht, einen solchen Versicherungsschutz habe ihm der Versicherungsagent zugesagt.
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger rückständige Renten in Höhe von 339,99 DM nebst Zinsen zu zahlen. Weiterhin hat es festgestellt, daû die Beklagte verpflichtet sei, an den Kläger bei Ablauf der Lebensversicherung eine über den 1. April 1993 hinaus fortlaufend erhöhte Versicherungssumme auszuzahlen und auf dieser Grundlage Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung vom 1. April 1993 bis längstens 1. April 2003 zu erbringen. Das Oberlan-

desgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat der Kläger keinen Anspruch auf weitere fortlaufende Erhöhung der Versicherungssumme und der Berufsunfähigkeitsrente, weil seine Verpflichtung zur Beitragszahlung wegen Berufsunfähigkeit entfallen ist. Daû ausnahmsweise eine Dynamisierung auch im Leistungsstadium vorgenommen werden solle, ergebe sich nicht aus der dem Versicherungsschein beigefügten "Besonderen Vereinbarung". Diese habe nur die Bedeutung, die Dynamik als solche zu policieren. Ihr könne nicht entnommen werden, daû in den Vertrag nur Ziffer 1, nicht aber die Ziffern 2 bis 7 der "Besonderen Bedingungen für die planmäûige Erhöhung der Versicherungsleistungen ohne erneute Gesundheitsprüfung" einbezogen werden sollten. Diese hätten nach den Erklärungen im Antrag und in der Police insgesamt gelten sollen. Aus ihnen folge, daû die Dynamisierung mit dem Eintritt der Berufsunfähigkeit und der damit verbundenen Beitragsfreistellung ende.
Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme sei nicht erwiesen , daû der Kläger seinen Wunsch nach Dynamisierung auch im Leistungsfall gegenüber dem Versicherungsagenten geäuûert und so seinen schriftlich gestellten Antrag mündlich ergänzt habe. Der Kläger trage in-

soweit die Beweislast, weil die mündliche Ergänzung eines schriftlichen Versicherungsantrags rechtsbegründende Wirkung habe. Eine andere Beweislastverteilung gelte nicht deshalb, weil der Versicherungsagent das Antragsformular ausgefüllt habe. Die Grundsätze der "Auge-undOhr" -Rechtsprechung seien nicht anwendbar, wenn über den Inhalt eines Versicherungsantrags gestritten werde.
Die Beklagte habe auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Erfüllungs - oder Vertrauenshaftung einzustehen. Der Kläger habe nicht nachgewiesen , daû der Versicherungsagent ihm bei Aufnahme des Antrags zugesichert habe, die Rente werde auch nach Eintritt der Berufsunfähigkeit weiter dynamisiert.
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Die Revision rügt ohne Erfolg, der Kläger habe eine Dynamisierung der Versicherungsleistungen auch für den Zeitraum nach Eintritt des Versicherungsfalls in der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung beantragt.

a) Ein entsprechender Wille des Klägers ist seinem schriftlichen Antrag auf laufende Erhöhung des Versicherungsschutzes nicht zu entnehmen. Die Auslegung dieser Willenserklärung kann der Senat selbst vornehmen, da das Berufungsgericht sie unterlassen hat und weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind (vgl. BGHZ 124, 39, 45 m.w.N.; BGH, Urteile vom 3. April 2000 - II ZR 194/98 - NJW 2000, 2099

unter I 2 c; vom 14. November 2001 - IV ZR 181/00 - VersR 2002, 88 unter II).
aa) Maûgebend für die in erster Linie am Wortlaut auszurichtende Auslegung einer empfangsbedürftigen Willenserklärung ist, wie sie aus der Sicht des Erklärungsempfängers nach Treu und Glauben und nach der Verkehrsauffassung verstanden werden muûte (BGHZ 47, 75, 78; 103, 275, 280; BGH, Urteil vom 12. März 1992 - IX ZR 141/91 - NJW 1992, 1446 unter II 1 b m.w.N.). Aus der Sicht der Rechtsvorgängerin der Beklagten, die den Antrag auf laufende Erhöhung des Versicherungsschutzes vorformuliert hatte, kann der Kläger seinen Willen mit Unterzeichnung dieser Erklärung nur so erklärt haben, wie er seinerseits den vorgegebenen Text verstehen konnte. Deshalb muû die Beklagte den Antrag so gegen sich gelten lassen, wie er bei Berücksichtigung der für den Kläger erkennbaren Umstände objektiv zu verstehen ist (vgl. BGH, Urteile vom 23. März 1983 - VIII ZR 335/81 - NJW 1983, 1903 unter II 2 b bb; 12. März 1992 aaO NJW 1992, 1446 unter II 1 b). Der Kläger konnte aus dem vorgedruckten Text entnehmen, daû die von ihm beantragte laufende Erhöhung des Versicherungsschutzes mit einer automatischen Beitragserhöhung zu Beginn eines jeden Versicherungsjahres verbunden war. Schon diese Verknüpfung deutet nach ihrem Wortsinn darauf hin, daû die Versicherungsleistungen nur solange erhöht werden, wie der Versicherungsnehmer zur Beitragszahlung verpflichtet ist.
bb) Eine Beendigung der Dynamisierung im Leistungsfall ergibt sich auch aus den "Besonderen Bedingungen für die planmäûige Erhöhung der Versicherungsleistungen ohne erneute Gesundheitsprüfung". Auf sie wird in dem Antragsformular ausdrücklich Bezug genommen.

Damit sind sie entgegen der Ansicht der Revision Bestandteil der Antragserklärung geworden und können zu deren Auslegung herangezogen werden.
Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung , aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muû. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (BGHZ 123, 83, 85 m.w.N.; BGH, Urteile vom 21. Februar 2001 - IV ZR 259/99 - VersR 2001, 489 unter 2; vom 21. Februar 2001 - IV ZR 11/00 - VersR 2001, 576 unter 2 a; vom 23. Januar 2002 - IV ZR 174/01 - VersR 2002, 436 unter 2 b). Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer versteht die "Besonderen Bedingungen für die planmäûige Erhöhung der Versicherungsleistungen ohne erneute Gesundheitsprüfung" insgesamt so, daû die Dynamisierung mit Eintritt eines Versicherungsfalls in der Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung beendet sein soll. Bereits Ziffer 1 S. 2 macht deutlich, daû eine Erhöhung der Versicherungsleistungen durch eine Beitragserhöhung bewirkt wird. Daran anknüpfend werden in Ziffer 2 S. 1 "die Erhöhung des Beitrages und die entsprechende Erhöhung der Versicherungsleistungen" erwähnt. Die Abhängigkeit der Dynamisierung von der Beitragserhöhung kommt auch in Ziffer 5 zum Ausdruck , wonach der Versicherungsschutz für die jeweilige Erhöhung mit dem Eingang, d.h. der tatsächlichen Zahlung des erhöhten Beitrags beginnt. Daû dies auch für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung gelten soll, ergibt sich aus Ziffer 7 S. 1, wonach Versicherungsleistungen aus eingeschlossenen Zusatzversicherungen im gleichen Verhältnis wie

die Hauptversicherung erhöht werden. Im Anschluû daran stellt Ziffer 7 S. 2 aber klar, daû bei einer Versicherung mit Einschluû der Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung Erhöhungen des Beitrags ausgeschlossen sind, solange wegen Berufsunfähigkeit die Verpflichtung zur Beitragszahlung ganz oder teilweise entfällt. Damit scheidet für diesen Zeitraum auch die - von Beitragserhöhungen abhängige - Erhöhung der Versicherungsleistungen nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers aus. Vielmehr erwartet er nur dann höhere Versicherungsleistungen , wenn er erhöhte Beiträge zahlt.

b) Das Berufungsgericht hat nicht feststellen können, daû der Kläger bei Unterzeichnung des Antrags auf laufende Erhöhung des Versicherungsschutzes mündlich eine Dynamisierung der Versicherungsleistungen auch für den Fall der Berufsunfähigkeit begehrte.
aa) Die vom Kläger geltend gemachte mündliche Ergänzung des schriftlichen Antrags ist entgegen der Darstellung der Revision nach dem Tatbestand des Berufungsurteils nicht unstreitig. Daran ist das Revisionsgericht mangels Tatbestandsberichtigung nach § 561 Abs. 1 S. 1 ZPO a.F. gebunden.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat das Berufungsgericht nicht die Überzeugung gewonnen, daû der Kläger seinen Wunsch nach Dynamisierung auch im Leistungsfall gegenüber dem Versicherungsagenten der Rechtsvorgängerin der Beklagten deutlich machte. Die diesbezüglich allein erhobenen Verfahrensrügen zur Beweiswürdigung hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäû § 565 a S. 1 ZPO a.F. abgesehen.

bb) Die Beweislast für eine den schriftlichen Antrag ergänzende mündliche Willenserklärung hat das Berufungsgericht mit Recht dem Kläger auferlegt. Im Versicherungsvertragsrecht gilt dieselbe Grundregel wie im übrigen Zivilrecht. Jede Partei hat die tatsächlichen Voraussetzungen des ihr günstigen Rechtssatzes zu beweisen, dessen Rechtsfolge sie geltend macht. Den Anspruchsteller trifft die Beweislast für die rechtsbegründenden Tatsachen, der Gegner muû Beweis für rechtshindernde , rechtsvernichtende oder rechtshemmende Tatsachen erbringen (BGHZ 3, 342, 346; 113, 222, 225 m.w.N.; 121, 357, 364; Leipold in Stein/Jonas, ZPO 21. Aufl. § 286 Rdn. 38 f. m.w.N.; Baumgärtel, Beweislastpraxis im Privatrecht Rdn. 155 ff. m.w.N.). Demgemäû muû derjenige , der Rechte aus einem Versicherungsvertrag herleitet, nachweisen , daû ein Vertrag mit dem von ihm behaupteten Inhalt zustande gekommen ist. Dazu gehört auch der Nachweis eines entsprechenden Vertragsangebots. Wenn sich der Versicherungsnehmer auf eine mündliche Ergänzung seines schriftlichen Versicherungsantrags beruft, trägt er dafür die Beweislast (Prölss in Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht Band 5 § 1 VVG Rdn. 1, 2).
Diese Beweislastregelung gilt auch dann, wenn der Versicherungsnehmer - wie der Kläger - seinen Antrag auf einem Vordruck gestellt hat, den der Agent des Versicherers anhand der Angaben des Antragstellers ausgefüllt hat (vgl. Prölss in Baumgärtel aaO § 1 VVG Rdn. 2; a.A. Römer in Römer/Langheid, VVG § 5 Rdn. 22). Etwas anderes folgt nicht daraus, daû bei der Entgegennahme eines Antrags auf Abschluû eines Versicherungsvertrages dem Antragsteller - auf alleinige

Veranlassung des Versicherers - der empfangsbevollmächtigte Vermittlungsagent bildlich gesprochen als das Auge und Ohr des Versicherers gegenübersteht, so daû alles, was ihm mit Bezug auf die Antragstellung gesagt und vorgelegt worden ist, dem Versicherer gesagt und vorgelegt worden ist (vgl. BGHZ 102, 194, 197; 107, 322, 323; 116, 387, 389; 123, 224, 230 f.). Diese Grundsätze der Kenntniszurechnung haben mit der Beweislast nichts zu tun. Sie führen auch nicht zu einer Verschiebung der Beweislast für mündliche Angaben des Versicherungsnehmers, wenn der Agent den Antrag ausgefüllt hat.
So liegt die Beweislast dafür, daû der Versicherungsnehmer im Zuge der Antragstellung eine Obliegenheitsverletzung durch unzutreffende Beantwortung von Gesundheitsfragen begangen hat, stets beim Versicherer. Diesen Beweis kann er allerdings nicht allein mit der Vorlage des vom Agenten ausgefüllten Antragsformulars, sondern regelmäûig nur durch eine Aussage des Versicherungsagenten führen, sofern der Versicherungsnehmer substantiiert behauptet, den Agenten mündlich zutreffend unterrichtet zu haben (BGHZ 107, 323, 325). Damit wird dem Versicherer nur eine andere Art der Beweisführung abverlangt. Das berührt aber nicht die Beweislast, die der Versicherer deshalb trägt, weil eine Obliegenheitsverletzung ihn zum Rücktritt oder zur Anfechtung berechtigt und somit rechtsvernichtende Wirkung hat. Ebensowenig ändert die Funktion des Versicherungsagenten als "Auge und Ohr" des Versicherers etwas daran, daû dem Versicherungsnehmer die Beweislast für den Inhalt seines Versicherungsantrags obliegt. Sowohl der schriftliche Antrag als auch eine mündliche Ergänzung desselben haben rechtsbegründende Wirkung und sind daher vom Versicherungsnehmer zu beweisen.


c) Von dem schriftlichen Antrag des Klägers weicht die Annahmeerklärung der Beklagten nicht durch die dem Versicherungsschein beigefügte "Besonderen Vereinbarung" dergestalt ab, daû sie einen Willen zur unbegrenzten Dynamisierung zum Ausdruck bringt. Der "Besonderen Vereinbarung" hat das Berufungsgericht zutreffend nur die Bedeutung beigemessen, die Dynamik als solche zu policieren.
2. Ansprüche des Klägers aus gewohnheitsrechtlicher Erfüllungshaftung (vgl. BGHZ 40, 22, 26; BGH, Urteil vom 4. Juli 1989 - VI ZR 217/88 - VersR 1989, 948 unter II 2 aa m.w.N.) oder wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen scheiden ebenfalls aus. Daû der Versicherungsagent dem Kläger bei Aufnahme des Versicherungsantrags zusicherte , die Rente werde auch nach Eintritt der Berufsunfähigkeit weiter dynamisiert, hat das Berufungsgericht nicht als erwiesen angesehen. Auch insoweit greift die gegen die Beweiswürdigung gerichtete Verfahrensrüge nicht durch (§ 565 a S. 1 ZPO a.F.).
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Felsch

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juli 2002 - IV ZR 145/01

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juli 2002 - IV ZR 145/01

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 561 Revisionszurückweisung


Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 282 Rechtzeitigkeit des Vorbringens


(1) Jede Partei hat in der mündlichen Verhandlung ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel, insbesondere Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden, so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozesslage einer sorgfä

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 1 Vertragstypische Pflichten


Der Versicherer verpflichtet sich mit dem Versicherungsvertrag, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat. Der Versiche
Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juli 2002 - IV ZR 145/01 zitiert 6 §§.

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Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 5 Abweichender Versicherungsschein


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Der Versicherer verpflichtet sich mit dem Versicherungsvertrag, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, an den Versicherer die vereinbarte Zahlung (Prämie) zu leisten.

(1) Jede Partei hat in der mündlichen Verhandlung ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel, insbesondere Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden, so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht.

(2) Anträge sowie Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben kann, sind vor der mündlichen Verhandlung durch vorbereitenden Schriftsatz so zeitig mitzuteilen, dass der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einzuziehen vermag.

(3) Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, hat der Beklagte gleichzeitig und vor seiner Verhandlung zur Hauptsache vorzubringen. Ist ihm vor der mündlichen Verhandlung eine Frist zur Klageerwiderung gesetzt, so hat er die Rügen schon innerhalb der Frist geltend zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄ UMNIS-URTEIL
II ZR 194/98 Verkündet am:
3. April 2000
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein
Zur Frage

a) der interessengerechten Auslegung eines Individualvertrages,

b) eines wesentlichen Verfahrensmangels.
BGH, Urteil vom 3. April 2000 - II ZR 194/98 - Saarländisches OLG
LG Saarbrücken
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. April 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die
Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und Kraemer

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 20. November 1997 im Kostenpunkt und in Nr. 1 b, 1 c und 1 d sowie Nr. 2 des Tenors aufgehoben. Die Berufung des Beklagten gegen das Grundurteil des Landgerichts in Saarbrücken vom 17. Februar 1997 wird auch insoweit zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte, Eigentümer des Grundstücks I. ring 1 in B. , führte unter verschiedenen Firmen eine Aluminiumgießerei. Am 15. Juli 1991 schloß er mit der Klägerin eine Vereinbarung, mit der diese sich verpflichtete, die ausdrücklich so bezeichnete "A. & Co." zu
gründen und anzumelden. Festgelegt wurde, daß "eine persönliche Haftung" der Klägerin für alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten ausgeschlossen war und die Geschäftsführung bei dem Beklagten "in Zusammenarbeit und Abstimmung mit Herrn L. C. als Vertreter der S. E. C. " liegen sollte. Die Klägerin sollte ein monatliches Entgelt von 2.000,-- DM brutto erhalten. Die Klägerin macht geltend, es seien Verbindlichkeiten in Höhe von 123.919,36 DM und "Treuhandgebühren" in Höhe von 21.817,-- DM entstanden. Das Landgericht hat zunächst ein Versäumnisurteil erlassen, es auf den Einspruch des Beklagten aber aufgehoben und durch "Grundurteil" erkannt, daß der Beklagte verpflichtet sei, die Klägerin von allen Verbindlichkeiten, die durch die Geschäftstätigkeit der A. & Co. begründet wurden, freizustellen (Tenor 2), ferner festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin die weiteren, aufgrund der bestehenden Verbindlichkeiten anfallenden Kosten zu erstatten (Tenor 3), und den Beklagten außerdem verpflichtet, der Klägerin ein monatliches Entgelt für die Zusammenarbeit zu zahlen (Tenor 4). Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht dieses Urteil abgeändert, es als "Grund- und Teilurteil" bezeichnet (Tenor 1 a), es in Nr. 2 des Tenors dahingehend abgeändert, daß die Klage hinsichtlich der in der mit dem Versäumnisurteil fest verbundenen Anlage genannten Verbindlichkeiten dem Grunde nach gerechtfertigt ist, soweit diese durch die Geschäftstätigkeit der A. & Co. und mit Zustimmung des Beklagten begründet wurden (Tenor 1 b), Nr. 3 des Tenors dahingehend abgeändert, daß festgestellt wird, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin bei den unter Nr. 1 b des Tenors genannten Verbindlichkeiten auch die zukünftig anfallenden Kosten zu erstatten (Tenor 1 c), Nr. 4 des Tenors einschließlich des ihm insoweit zugrundeliegenden Verfahrens
aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen (Tenor 1 d). Im übrigen hat es die Berufung des Beklagten zurückverwiesen. Mit der Revision beantragt die Klägerin , das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es in Nr. 1 b des Tenors die Klage nur insoweit für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt als die Verbindlichkeiten mit Zustimmung des Beklagten begründet wurden, soweit es in Nr. 1 c des Tenors den Feststellungsausspruch in gleicher Weise beschränkt und soweit es in Nr. 1 d des Tenors ein kassotorisches Urteil erlassen hat.

Entscheidungsgründe:

A.

Da der Beklagte im Verhandlungstermin trotz dessen rechtzeitiger Bekanntgabe nicht vertreten war, ist über die Revision der Klägerin durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO). Das Urteil beruht jedoch nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (BGHZ 37, 79, 82).

B.

Die zulässige Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. I. Das Berufungsgericht beschränkt in Nr. 1 b und 1 c s eines Urteilstenors die Haftung des Beklagten auf Verbindlichkeiten, die mit dessen Zustimmung begründet wurden. Dies ergebe die Auslegung der Vereinbarung vom 15. Juli 1991. Schon der Wortlaut dieser Vereinbarung lege nahe, daß die Vereinbarung für ausschließlich durch die Klägerin oder durch C. als deren
Vertreter begründete Verbindlichkeiten keine Geltung beanspruche. Hierfür spreche auch Sinn und Zweck der Abrede. Die Klägerin habe des Schutzes weder vor sich noch vor dem Zeugen C. , der "als Vertreter der S. E. C. " erkennbar ihr Vertrauen genossen habe, bedurft. Umgekehrt gebe es keine Anhaltspunkte dafür, daß und warum sich der Beklagte verpflichtet haben sollte, die Klägerin von allen, auch ohne sein Wissen begründeten Verbindlichkeiten freizustellen und ihr und dem Zeugen C. damit gestattet haben sollte, ohne jedes wirtschaftliche Risiko frei "zu schalten und zu walten". Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. 1. Zutreffend weist die Revision darauf hin, der Beklagte habe nicht substantiiert behauptet, daß der Vater der Klägerin als ihr Vertreter Geschäftsführungsmaßnahmen für das Unternehmen der Klägerin vorgenommen habe, die zu den streitgegenständlichen Verbindlichkeiten der Klägerin geführt hätten. Soweit der Vater der Klägerin Verbindlichkeiten zu Lasten der Klägerin begründet hat, die in keiner Beziehung zu dem von ihr als Strohfrau geführten Betrieb standen, wären diese von dem Grundurteil des Landgerichts ohnehin nicht erfaßt. 2. Unterstellt man einen substantiierten Vortrag des Beklagten, würde für die von dem Berufungsgericht vorgenommene Einschränkung des Grundurteils trotzdem kein Anlaß bestehen.
a) Die Auslegung eines Individualvertrages wie der Vereinbarung vom 15. Juli 1991 ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters; das Revisionsgericht prüft nur nach, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln , Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer acht gelassen wurde (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 6. Mai
1997 - KZR 43/95, WM 1998, 879, 882; v. 23. April 1998 - III ZR 7/97, WM 1998, 1493, 1494).
b) Diese Prüfung ergibt, daß die Auslegung des Oberlandesgerichts keinen Bestand haben kann. aa) Nach der Vereinbarung vom 15. Juli 1991 haben die Parteien vereinbart , der Vater der Klägerin werde zur Unterstützung des Beklagten in der Geschäftsführung mitwirken. Die Parteien sind also davon ausgegangen, der Vater der Klägerin könne zur Unterstützung des Beklagten als Vertreter Geschäftsführungsmaßnahmen treffen. Trotzdem hat der Beklagte mit der Klägerin vereinbart, daß sie keinerlei persönliche Haftung aus der Unternehmensgründung und -fortführung treffen sollte, sondern er im Innenverhältnis allein hafte, ohne daß nach dem für den Betrieb Handelnden differenziert wird. Damit hat das Berufungsgericht den Grundsatz verletzt, daß in erster Linie der von den Parteien gewählte Wortlaut und der dem Wortlaut zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwillen zu berücksichtigen ist (vgl. etwa BGH, Urt. v. 27. November 1997 - IX ZR 141/96, NJW 1998, 900, 901 m.w.N.). bb) Die von dem Landgericht vorgenommene Auslegung der Vereinbarung vom 15. Juli 1991 entspricht - im Gegensatz zu der von dem Berufungsgericht getroffenen Auslegung - auch dem Grundsatz der beiderseits interessengerechten Auslegung (vgl. BGHZ 137, 69, 72; Sen.Urt. v. 26. Januar 1998 - II ZR 243/96, WM 1998, 714, 715; v. 16. März 1998 - II ZR 323/96, WM 1998, 1131, 1132). Aus der in dem Vertrag enthaltenen Vergütungsregelung sowie aus der Bestimmung, die Geschäftsführung verbleibe wie bisher bei dem Beklagten, folgt, daß der Vater der Klägerin im Interesse des Beklagten bei der Fortfüh-
rung des Betriebes durch die Klägerin tätig werden sollte. Deshalb entsprach es auch dem wohlverstandenen Interesse des Beklagten - und nicht nur dem der Klägerin -, daß der Beklagte die Klägerin von Verbindlichkeiten freizustellen hatte, die der Vater der Klägerin für die Einzelfirma in Zusammenarbeit mit dem Beklagten begründet hat. Soweit der Beklagte durch Maßnahmen des Vaters der Klägerin einen Schaden erlitten haben will, muß er sich an diesen halten. Soweit das Berufungsgericht auf von der Klägerin selber begründete Verbindlichkeiten abstellt, übersieht es, daß es unstreitig ist, daß die Klägerin in keiner Weise für das Unternehmen tätig geworden ist.
c) Da keine weiteren Tatsachenfeststellungen zu treffen sind, kann der erkennende Senat die Vereinbarung vom 15. Juli 1991 selber auslegen und das landgerichtliche Urteil wiederherstellen. II. Mit Erfolg rügt die Revision weiterhin, daß das Berufungsgericht das Grundurteil des Landgerichts hinsichtlich des geltend gemachten Gehaltsanspruchs aufgehoben und die Sache gemäß § 539 ZPO an das Landgericht zurückverwiesen hat. 1. Die Vorschrift des § 539 ZPO, die eine Ausnahme von der Verpflichtung zu der dem Berufungsgericht in § 537 ZPO aufgegebenen erneuten vollständigen Verhandlung und Entscheidung der Sache enthält, ist eng auszulegen. Deshalb ist anhand eines strengen Maßstabes zu prüfen, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, bevor die Sache zurückverwiesen wird (vgl. etwa BGH, Urt. v. 10. Dezember 1996 - VI ZR 314/95, NJW 1997, 1447 m.w.N.). Beurteilt das Berufungsgericht Parteivorbringen materiell-rechtlich anders als das Erstgericht , etwa indem es abweichende Anforderungen an die Schlüssigkeit und Substantiierungslast stellt, und wird infolgedessen eine Beweisaufnahme erforderlich , liegt kein zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sa-
che berechtigender wesentlicher Verfahrensfehler vor (Sen.Urt. v. 7. Juni 1993 - II ZR 141/92, NJW 1993, 2318, 2319; BGH, Urt. v. 10. Dezember 1996 - VI ZR 314/95, NJW 1997, 1447 f. m.w.N.). 2. Danach liegt kein Verfahrensfehler vor. Das Berufungsgericht beurteilt allein die Wahrscheinlichkeit des Parteivortrags des Beklagten anders als das Landgericht und meint deshalb, der Beklagte habe als Partei vernommen werden müssen. 3. Der Senat kann auch hier in der Sache selber entscheiden und das landgerichtliche Urteil wiederherstellen.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. Urt. v. 31. Januar 1996 - VIII ZR 324/94, WM 1996, 882, 823) kann dem Revisionsgericht schon aus Gründen der Prozeßökonomie eine eigene Sachentscheidung nicht verwehrt sein, wenn die im Rahmen des § 539 ZPO anzustellende Prüfung ergibt, daß die materiell-rechtliche Untersuchung der Beziehungen der Parteien zu einem endgültigen und abschließenden Ergebnis führt.
b) So liegt der Fall hier. Die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung des Beklagten von Amts wegen nach § 448 ZPO sind nicht gegeben. Auch das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Gehaltsabsprache zwischen den Parteien ernst gemeint war. Dies ergibt sich schon im Gegenschluß zu der Vereinbarung eines Pachtzinses, die ausdrücklich als lediglich "pro forma" erfolgt bezeichnet wird. Damit oblag dem Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung der Gehaltsforderungen der Klägerin. Hierzu hat der Beklagte substantiiert nichts vorgetragen. Soweit er darlegt, er habe dem Vater der Klägerin immer wieder in die neuen Bundesländer Bargeld bringen müssen,
der Vater der Klägerin habe sich "weidlich bedient", besagt dies über die Erfüllung der Gehaltsforderungen der Klägerin nichts.
Röhricht Hesselberger Goette Kurzwelly Kraemer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 181/00 Verkündet am:
14. November 2001
Heinekamp
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den
Richter Seiffert als Vorsitzenden, den Richter Dr. Schlichting, die
Richterinnen Ambrosius und Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch
auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2001

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 23. Juni 2000 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 15. Mai 1997 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Bestand und Inhalt eines seit dem 1. November 1990 laufenden Rentenversicherungsvertrages, hilfsweise über die Höhe der Ansprüche, die dem Kläger im Falle einer wirksamen Irrtumsanfechtung durch die Beklagte zustehen.

Der Kläger wollte 1990 Geld in einer Lebens- oder Rentenversicherung anlegen und dabei nach Ablauf der steuerrechtlich geforderten Mindestbeitragsdauer von zwölf Jahren und unter Ausnutzung der steuerlich abzugsfähigen Höchstbeträge für Vorsorgeaufwendungen eine möglichst hohe Rendite erzielen.
Er ging schließlich auf den Vorschlag des damaligen Organisationsinspektors M. H. des beklagten Versicherungsunternehmens ein, der ihm zum Abschluß eines Rentenversicherungsvertrages mit zwölfjähriger Beitragszahlung (beginnend ab 1. November 1990 mit einer Jahresprämie von zunächst 9.000 DM bei planmäßiger Erhöhung der Beiträge und Versicherungsleistungen) und - bis zum 1. November 2027 - aufgeschobenem Rentenbeginn riet. Anstelle der Rente sollte der Kläger zu diesem Fälligkeitszeitpunkt nach Ziff. 2 a der Zusatzbedingungen zum Vertrag wahlweise ein Kapital von 256.016 DM beanspruchen können.
Auf entsprechenden Antrag des Klägers sandte die Beklagte ihm den Versicherungsschein vom 17. Januar 1991 zu, der den Tarif MRR als zwischen den Parteien vereinbart ausweist. Dem Versicherungsschein lag weiter eine Zahlentabelle für die Berechnung von Rückvergütungswerten für den Tarif MRR bei, aus der sich - je nach Beitragsdauer - die Rückvergütungswerte "für diesen Vertrag" ergeben sollten.
In den folgenden Jahren paßte die Beklagte die Versicherungsprämien und -summe jeweils vereinbarungsgemäß an.

Anfang 1995 fragte der Kläger bei der Beklagten an, welcher Rückkaufswert zum 1. Mai 1995 erreicht sei. Nachdem ihm daraufhin mit Schreiben der Beklagten vom 28. März 1995 ein Betrag von lediglich 42.163,37 DM genannt worden war, während er selbst anhand der vorgenannten Tabelle - ausgehend von der seinerzeit geltenden Versicherungssumme von 314.590 DM - einen Rückkaufswert von 104.248 DM errechnet hatte, bat er die Beklagte unter Hinweis auf diese Differenz mit Schreiben vom 3. April 1995 um Überprüfung.
Die Beklagte antwortete mit folgendem Schreiben vom 26. Mai 1995 :
"... teilen wir Ihnen mit, dass die seinerzeit dem Versicherungsschein beigefügte Anlage (Rückvergütungswerte) nicht korrekt ist. Sie gilt nicht für den Ihrem Vertrag zugrundeliegenden Tarif. Bei Ihrer Rentenversicherung handelt es sich um einen Tarif mit abgekürzter Beitragszahlungsdauer. Die Berechnung des Rückvergütungswertes erfolgt bei dieser Tarifform jeweils auf Anfrage. Wir bitten um Verständnis für das damals entstandene Versehen und fügen die zutreffende Anlage bei. Wir bestätigen im übrigen die Richtigkeit des in unserer Mitteilung vom 28. März angegebenen Rückvergütungswertes." Der Kläger begehrt demgegenüber mit seiner Klage die Feststellung , daû zwischen den Parteien der Versicherungstarif MRR vereinbart sei und sich die Rückvergütungswerte nach der dem Versicherungsschein beigefügten Tabelle errechneten.

Die Beklagte hält die Tabelle nicht für verbindlich. Sie meint ferner, sie habe mit ihrem Schreiben vom 26. Mai 1995 ihre Annahmeerklärung rechtzeitig und wirksam wegen Irrtums angefochten.
Das Landgericht hat der Feststellungsklage stattgegeben. Nach Berufung der Beklagten hat der Kläger im Wege der Anschluûberufung die Klage erweitert und hilfsweise den Ersatz des ihm entstandenen Vertrauensschadens und Herausgabe der Nutzungen aus den gezahlten Versicherungsprämien gefordert. Die Beklagte hat den Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens nur zum Teil anerkannt.
Das Berufungsgericht hat den Hauptantrag des Klägers abgewiesen und den Hilfsanträgen des Klägers in einem das Anerkenntnis der Beklagten geringfügig übersteigenden Umfang stattgegeben.
Mit seiner Revision verfolgt der Kläger in erster Linie seinen Hauptantrag auf Feststellung des Bestandes und Inhalts des Versicherungsvertrages weiter. Lediglich hilfsweise wendet er sich auch gegen die teilweise Abweisung seiner Hilfsanträge.

Entscheidungsgründe :


Die Revision hat mit dem Hauptantrag Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

I. Zutreffend hat das Berufungsgericht zunächst dargelegt, der Tarif MRR und die dem Versicherungsschein beigefügte Tabelle zur Errechnung der Rückvergütungswerte (Anl. K 3 Bl. 11) seien Bestandteile des Rentenversicherungsvertrages geworden.
Für den Tarif MRR ergibt sich dies schon aus dem klaren Wortlaut des Versicherungsscheins. Gleiches gilt aber auch für die Tabelle. Auf ihrer Grundlage hatte schon der Zeuge H. bei der Vertragsanbahnung die durch sie ausgewiesenen Rückkaufswerte in Aussicht gestellt. Der Kläger hatte die Tabelle deshalb erkennbar in sein Angebot zum Abschluû des Versicherungsvertrages aufgenommen. Die Beklagte hat dieses Angebot angenommen. Die Tabelle ist jedenfalls spätestens dadurch Vertragsbestandteil geworden, daû sie dem Kläger auf seinen Versicherungsantrag hin als Anlage zum Versicherungsschein zugesandt worden ist und der Kläger dem nicht binnen Monatsfrist widersprochen hat (§ 5 VVG). Die von der Revisionserwiderung aufgezeigte wirtschaftliche Diskrepanz zwischen der gezahlten Versicherungsprämie und dem in der Tabelle ausgewiesenen Rückkaufswert nach Ablauf des ersten Versicherungsjahres macht diese Vertragserklärungen der Parteien nicht unwirksam.
II. Der Auffassung des Berufungsgerichts, die Annahme des Versicherungsvertrages sei von der Beklagten wirksam angefochten, kann indes aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden. Eine Anfechtungserklärung liegt nicht vor.

Der Senat kann das Schreiben der Beklagten vom 26. Mai 1995 selbst auslegen (vgl. dazu BGHZ 124, 39, 45) und abschlieûend entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), weil einerseits die Auslegung durch das Berufungsgericht gegen allgemein anerkannte Auslegungsregeln verstöût und naheliegende Gesichtspunkte auûer Acht läût (vgl. dazu BGHZ 131, 136, 138; 137, 69, 72 – jeweils m.w.N.), andererseits weitere tatsächliche Feststellungen insoweit nicht zu erwarten sind.
Die vom Berufungsgericht gewählte Auslegung ist bereits mit dem Wortlaut des Schreibens vom 26. Mai 1995 nicht vereinbar. Anfechtungserklärung ist jede Willenserklärung, die unzweideutig erkennen läût, daû das Rechtsgeschäft rückwirkend beseitigt werden soll. Es bedarf nicht des Gebrauchs des Wortes "anfechten". Es kann je nach den Umständen genügen, wenn eine nach dem objektiven Erklärungswert der Willensäuûerung übernommene Verpflichtung bestritten oder nicht anerkannt oder wenn ihr widersprochen wird. In jedem Fall ist aber erforderlich, daû sich unzweideutig der Wille ergibt, das Geschäft gerade wegen des Willensmangels nicht bestehenlassen zu wollen (BGH, Urteil vom 22. Februar 1995 - IV ZR 58/94 - VersR 1995, 648 unter 1 b m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Schon der abschlieûende Hinweis im Schreiben der Beklagten auf die Richtigkeit des in einem früheren Schreiben mitgeteilten (niedrigen ) Rückkaufswertes deutet darauf hin, daû das Versicherungsverhältnis nach dem Willen der Beklagten fortgesetzt werden sollte. Dafür spricht auch, daû eine Rückabwicklung des Vertrages oder eine Prä-

mienrückzahlung mit keinem Wort angesprochen sind. Die bloûe Bitte, das "entstandene Versehen" zu entschuldigen, bringt dies jedenfalls nicht zum Ausdruck, zumal mit der gleichzeitigen Übersendung des (nach Auffassung der Beklagten) zutreffenden Zahlenwerks bei dem Kläger der Eindruck entstehen muûte, die Beklagte wolle das Vertragsverhältnis auf dieser Basis fortsetzen. Ihrer Revisionserwiderung kann auch nicht darin gefolgt werden, es sei damit lediglich der Abschluû eines neuen Vertrages zur Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses unter Zugrundelegung der zutreffenden Rückkaufswerte angeboten worden. Denn daû der bisherige Vertrag nach dem Willen der Beklagten keine Gültigkeit mehr haben sollte, kann dem Schreiben ebensowenig entnommen werden wie ihre Erwartung einer neuen Annahmeerklärung des Klägers. Vielmehr wird lediglich zum Ausdruck gebracht, daû im Vertrag die nach Ansicht der Beklagten zutreffenden Rückkaufswerte von vornherein gegolten hätten, ohne daû es dazu weiterer Erklärungen bedürfe.
Entscheidend für die Annahme einer Anfechtungserklärung wäre hier allein gewesen, ob die Beklagte an dem Vertrag als ganzem nicht mehr festhalten wollte. Soweit das Berufungsgericht demgegenüber vorwiegend darauf abstellt, ihrem Schreiben sei jedenfalls zu entnehmen , daû die Beklagte die Tabelle nicht habe gelten lassen wollen, genügt dies nicht. Allenfalls könnte dem Schreiben insoweit ein Wille zur Teilanfechtung ihrer Annahmeerklärung in bezug auf die Bestimmungen über den Rückkaufswert entnommen werden. Daû eine solche Teilanfechtung hier aber ausscheidet, hat das Berufungsgericht an anderer Stelle zutreffend dargelegt. Denn die erwarteten Rückkaufs-

werte hatten nach der unstreitigen Motivation der Vertragspartner (dem Kläger eine günstige Kapitalanlage zu schaffen und das Kapital nach zwölf Jahren wieder zur Verfügung zu stellen) eine so zentrale Bedeutung für das Zustandekommen des gesamten Vertrages, daû nicht angenommen werden kann, der Vertrag hätte auch ohne diese Bestimmungen weiter Bestand haben können (vgl. dazu MünchKommBGB/Mayer-Maly/Busche, 4. Aufl., § 143 Rdn. 11; Palandt /Heinrichs, BGB 60. Aufl. § 142 Rdn. 1).
Gegen eine Anfechtung spricht auûerdem, daû jedenfalls noch bis einschlieûlich September 1998 die regelmäûigen Kapitalerhöhungen im Rahmen der vereinbarten Dynamisierung vorgenommen und die entsprechenden Jahresbeiträge des Klägers von der Beklagten eingezogen worden sind.
Seiffert Dr. Schlichting Ambrosius
Dr. Kessal-Wulf Felsch

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 174/01 Verkündet am:
23. Januar 2002
Heinekamp
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
VVG § 63; SVS/RVS Nr. 4.1
Entstehen dem Versicherungsnehmer zusätzliche Aufwendungen deshalb, weil er
die von ihm geschuldete Leistung zunächst nicht ordnungsgemäß erbracht hat,
stellen diese keine Rettungskosten im Sinne der Nr. 4.1 SVS/RVS dar.
BGH, Urteil vom 23. Januar 2002 - IV ZR 174/01 - OLG Bremen
LG Bremen
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Seiffert, die Richterin Ambrosius, den
Richter Wendt und die Richterin Dr. Kessal-Wulf auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Januar 2002

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 7. Juni 2001 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin, ein Speditionsunternehmen, nimmt die Beklagte als Speditionsversicherer auf Ersatz von Aufwendungen in Anspruch. Dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag liegt der Speditions- und Rollfuhrversicherungsschein (SVS/RVS) in der Fassung von 1994 zugrunde.
Die Klägerin wurde im Juli 1997 von der ungarischen Firma R. beauftragt , zu festen Kosten 70 Tonnen aus Ma. stammenden schwarzen Pfeffer in H. auf Einwegpaletten zu verladen und per LKW nach M. zu

transportieren. Dort sollte die Ware in der Bestrahlungsanlage der Firma Ga. entkeimt werden, um anschließend zur Endempfängerin nach B. verbracht und in handelsüblichen Mengen abgefüllt und verpackt zu werden. Die Palettenmaße waren mit 1,20 x 1,00 x 1,95 m vorgegeben; die Pfeffersäcke durften nicht über die Palettenränder hinausstehen. Für die Entladung des Sackgutes in H. und das Aufpacken auf die Paletten bediente sich die Klägerin der C. S. GmbH & Co KG. Den Transport nach M. übernahm die R. G. GmbH. Anläßlich der Anlieferung bei der Firma Ga. am 24. und 25. Juli 1997 wurde festgestellt, daß die Außenmaße der Paletten überschritten waren, so daß diese nicht in die Bestrahlungsanlage paßten. Da die ungarische Endempfängerin Schadensersatzansprüche wegen drohender Produktionsausfälle ankündigte, sollte die Lieferung nicht bis zum 8. August 1997 bei ihr eintreffen, wurde die Ware auf Veranlassung der Klägerin abgeladen, nach Zwischenlagerung in sogenannte Big Bags umgefüllt und in den richtigen Maßen palettiert. Sie konnte anschließend die Bestrahlungsanlage durchlaufen und rechtzeitig in B. angeliefert werden. Für die Umverpackung stellte die R. G. GmbH der Klägerin 46.316,40 DM in Rechnung, die die Klägerin gegenüber der Beklagten unter Berufung auf Nr. 4 SVS/RVS geltend macht. Die Klausel lautet: "4.1 Die Versicherer ersetzen zusätzlich die Aufwendungen zur Abwendung und Minderung eines ersatzpflichtigen Schadens, soweit sie den Umständen nach geboten waren, § 63 Versicherungsvertragsgesetz (VVG); 4.2

vom Spediteur oder Zwischenspediteur aus Anlaû einer Fehlleitung aufgewendete Beförderungsmehrkosten einschlieûlich notwendiger anderer Kosten, sofern sie zur Verhütung eines ersatzpflichtigen Schadens erforderlich waren." Das Landgericht hat der Klage unter Abzug eines Eigenanteils gemäû Nr. 15.1 SVS/RVS in Höhe von 41.316,40 DM stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat zur vollen Klagabweisung geführt. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat der Klägerin einen Aufwendungsersatzanspruch mit folgender Begründung versagt: Ein solcher Anspruch setze voraus, daû die Aufwendungen zur Abwendung und Minderung eines "ersatzpflichtigen" Schadens getroffen worden seien. Es müsse also ein Schaden eingetreten sein oder gedroht haben, der von dem vom Versicherer übernommenen Risiko gedeckt werde. Gegenstand des versicherten Verkehrsvertrages sei zwar auch die Verpackung des Transportgutes (Nr. 1.1 SVS/RVS) gewesen. Versichert sei dabei aber nicht das Eigeninteresse der Klägerin als Frachtführerin, sondern allein dasjenige des Eigentümers oder sonstigen Wareninteressenten. Dieser ha-

be deshalb keinen Schaden erlitten, weil die Klägerin eine von ihr zu vertretende Leistungsstörung des Frachtvertrages behoben und durch die Umverpackung die vertraglich geschuldete, für eine Behandlung in der Sterilisationsanlage geeignete äuûere Beschaffenheit des Transportguts hergestellt habe. Die dadurch bewirkte Abwendung eines Schadens beim Versicherten sei lediglich eine Reflexwirkung der Erfüllung der vertraglichen Leistungspflicht und deshalb keine objektive, auf die Vermeidung eines Versicherungsschadens gerichtete Rettungshandlung im Sinne von Nr. 4.1 SVS/RVS i.V. mit § 63 VVG. Besondere, über die gewöhnlichen Kosten einer vertraglich geschuldeten Umverpackung hinausgehende Aufwendungen zur Schadensabwehr seien nach dem eigenen Vortrag der Klägerin nicht entstanden.
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Die Speditionsversicherung nach dem SVS/RVS ist eine Schadensversicherung (BGHZ 49, 160, 165; Koller, Transportrecht 4. Aufl. 2000 § 29 ADSp Rdn. 2; Voit in Prölss/Martin, 26. Aufl. Nr. 2 SVS/RVS Rdn. 2, 3). Gegenstand des Versicherungsvertrages sind Verkehrsverträge , also Speditions-, Fracht- und Lagerverträge, unter Einschluû der im Speditionsgewerbe üblichen Vereinbarungen, so z.B. auch über die Verpackung und das Ver- und Entladen von Gütern (Nr. 1.1 SVS/RVS). Die Versicherung wird gemäû Nr. 2 SVS/RVS für fremde Rechnung genommen und ersetzt nach den §§ 39, 41a ADSp a.F. die Haftung des Spediteurs, auch soweit er die Rechte und Pflichten eines Frachtführers (§§ 413, 429 ff. HGB a.F.) hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 1990

- I ZR 138/89 - VersR 1991, 480 unter II 3 a; Schmidt, VersR 1986, 629, 630). Versichert ist in dem durch Nr. 3 SVS/RVS näher beschriebenen Umfang das Interesse, daû den Versicherten aus dem Transport oder im Zusammenhang damit kein Sach- oder Vermögensschaden trifft (vgl. BGHZ 49, 160, 165; Voit, aaO Rdn 3). Nach Nr. 2 SVS/RVS versichert sind neben dem Auftraggeber des Spediteurs oder Frachtführers auch sonstige Dritte, denen das versicherte Interesse zum Zeitpunkt des Schadensereignisses zugestanden hat. Das sind solche Wareninteressenten , die zu dem beförderten Gut derart in rechtlicher Beziehung stehen , daû sie im Versicherungsfall aufgrund dieser rechtlichen Beziehung einen Nachteil erleiden (Koller, aaO Ziff. 1 SpV Rdn. 2).
2. a) Das Berufungsgericht hat keine näheren Feststellungen dazu getroffen, ob die in Budapest ansässige Endempfängerin als Wareninteressentin anzusehen ist. Zugunsten der Klägerin ist daher für das Revisionsverfahren zu unterstellen, daû die Empfängerin der Ware Versicherte gemäû Nr. 2 SVS/RVS gewesen ist. Ihr ist jedoch kein Vermögensschaden im Sinne der Nr. 3.1.3 SVS/RVS entstanden. Denn die Klägerin hat durch die von ihr veranlaûte Umverpackung sichergestellt, daû die Ware in M. bestrahlt werden und danach fristgerecht in U. eintreffen konnte.

b) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daû die Klägerin die ihr daraus erwachsenen Aufwendungen nicht erstattet verlangen kann. Zwar sieht Nr. 4.1 SVS/RVS vor, daû Aufwendungen zur Abwendung eines ersatzpflichtigen Schadens zu ersetzen sind. Darunter fallen jedoch - auch unter Berücksichtigung des in Bezug genommenen

§ 63 VVG - nicht die Aufwendungen, die beim Versicherungsnehmer entstehen , um die seinem Auftraggeber geschuldete Leistung vertragsgemäû zu erbringen.
Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muû (BGHZ 123, 83, 85). Die Klägerin hat die Speditionsversicherung abgeschlossen, um sich gegenüber Auftraggeber und sonstigen Wareninteressenten auf die Haftungsbefreiung gemäû § 41a ADSp a.F. berufen zu können. Nr. 2 SVS/RVS bestimmt ausdrücklich , daû die Versicherung für fremde Rechnung genommen wird. Dieser auf fremde Interessen gerichtete Zweck der Versicherung widerspricht einem Verständnis der Nr. 4 SVS/RVS dahin, daû der Versicherungsnehmer die Kosten einer - zunächst fehlgeschlagenen - Vertragserfüllung vom Versicherer ersetzt verlangen kann. Denn durch die ordnungsgemäûe Erbringung der vertraglichen Leistung und die Herbeiführung des dem Auftraggeber geschuldeten Erfolgs wird regelmäûig ein sonst ersatzpflichtiger Schaden abgewendet. Könnte der Versicherungsnehmer die Kosten, die zur Behebung einer in seinen Verantwortungsbereich fallenden Leistungsstörung erforderlich sind, vom Versicherer ersetzt verlangen, liefe dies auf eine Versicherung eigener Interessen hinaus , zu der der Versicherer ausweislich der vereinbarten Bedingungen grundsätzlich nicht bereit ist. Vielmehr können allein unter den Voraussetzungen der Nr. 4.2 SVS/RVS bestimmte Aufwendungen - nämlich Beförderungsmehrkosten - ersetzt verlangt werden, die Folge einer vertraglichen Nicht- oder Schlechterfüllung sind (vgl. Oeynhausen, Spediti-

onsversicherung und Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen (1989), S. 46; Schmidt, aaO S. 632). Unter diese vertragliche Bestimmung fallen die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen jedoch unstreitig nicht.
Nur bei einem solchen Verständnis der Klausel in Nr. 4.1 SVS/RVS bekommt zudem die nachfolgende Regelung in Nr. 4.2 Sinn. Der Versicherer verspricht darin dem Versicherungsnehmer den Ersatz der aus Anlaû einer Fehlleitung aufgewendeten Beförderungsmehrkosten einschlieûlich notwendiger anderer Kosten, sofern sie zur Verhütung eines ersatzpflichtigen Schadens erforderlich waren. Dieses besondere Dekkungsversprechen wäre überflüssig, wenn der Versicherer ohnehin die Mehrkosten für die Nachbesserung der vertraglich geschuldeten Leistung zu tragen hätte. Die Regelung hat daher erkennbar Ausnahmecharakter (Voit, aaO Nr. 4 SVS/RVS Rdn. 2). Das Verbringen der Ware an den vertraglich vereinbarten Ort ist originäre Vertragspflicht des Frachtführers , für die er die vorgesehene Vergütung als Gegenleistung erhält. Der Frachtvertrag ist Werkvertrag, der nicht die Dienste des Frachtführers zum Gegenstand hat, sondern das Eintreffen der Ware am bestimmungsgemäûen Ziel (Staudinger/Peters, [2000] Vorbem. zu §§ 631 ff. BGB Rdn. 28, 72). Wie der vertraglich geschuldete Erfolg herbeigeführt wird, ist Sache des Frachtführers. Ist die selbst oder über einen Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) erbrachte Beförderungsleistung nicht ordnungsgemäû , gehen die aufgrund eines erneuten Erfüllungsversuchs

entstehenden Kosten zu seinen Lasten. Der aus der Nicht- oder Schlechterfüllung des Vertrages erwachsene Eigenschaden ist nicht versichert.
Terno Seiffert Ambrosius
Wendt Dr. Kessal-Wulf

Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

Der Versicherer verpflichtet sich mit dem Versicherungsvertrag, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, an den Versicherer die vereinbarte Zahlung (Prämie) zu leisten.

(1) Weicht der Inhalt des Versicherungsscheins von dem Antrag des Versicherungsnehmers oder den getroffenen Vereinbarungen ab, gilt die Abweichung als genehmigt, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt sind und der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monats nach Zugang des Versicherungsscheins in Textform widerspricht.

(2) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer bei Übermittlung des Versicherungsscheins darauf hinzuweisen, dass Abweichungen als genehmigt gelten, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monats nach Zugang des Versicherungsscheins in Textform widerspricht. Auf jede Abweichung und die hiermit verbundenen Rechtsfolgen ist der Versicherungsnehmer durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein aufmerksam zu machen.

(3) Hat der Versicherer die Verpflichtungen nach Absatz 2 nicht erfüllt, gilt der Vertrag als mit dem Inhalt des Antrags des Versicherungsnehmers geschlossen.

(4) Eine Vereinbarung, durch die der Versicherungsnehmer darauf verzichtet, den Vertrag wegen Irrtums anzufechten, ist unwirksam.