Bundesgerichtshof Urteil, 19. Dez. 2012 - IV ZR 21/11

bei uns veröffentlicht am19.12.2012
vorgehend
Amtsgericht Braunschweig, 117 C 4015/09, 04.08.2010
Landgericht Braunschweig, 6 S 377/10, 21.12.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 21/11 Verkündet am:
19. Dezember 2012
Schick
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller auf die
mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 2012

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig vom 21. Dezember 2010 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Braunschweig vom 4. August 2010 zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Kraftfahrzeugvollversicherung wegen Beschädigung seines versicherten Kraftfahrzeugs in Anspruch.
2
In den Versicherungsvertrag sind die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (Stand: 1. Mai 2005, im Folgenden: AKB 2005) einbezogen, deren § 12 Abs. 6 lautet: "Die Vollversicherung umfasst darüber hinaus
a) Schäden durch Unfall, d.h. durch ein unvorhergesehenes , unmittelbar von außen her plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis; Brems-, Betriebsund reine Bruchschäden sind keine Unfallschäden. Nicht versichert sind insbesondere gegenseitige Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug ohne Einwirkung von außen,
b) …"
3
Im Juli 2009 kam der Pkw des Klägers mit angehängtem Wohnwagen auf einer Autobahn aufgrund unerwartet starker Spurrillen ins Schleudern. Dabei kollidierte der Wohnanhänger mit dem Pkw und beschädigte diesen.
4
Der Kläger verlangt von der Beklagten Ersatz des Nettoanteils der veranschlagten Reparaturkosten i.H. von 2.855,62 € abzüglich der vereinbarten Selbstbeteiligung von 300 €. Die Beklagte lehnt eine Leistung mit der Begründung ab, dass es sich um einen nicht versicherten Betriebsschaden handele.
5
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


6
Die Revision hat Erfolg.

7
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist das schadenbegründende Ereignis zwar ein Unfall i.S. des § 12 Abs. 6 a) Satz 1 Halbsatz 1 AKB 2005. Die Leistungspflicht sei aber nach Satz 2 dieser Klausel ausgeschlossen , weil der Schaden an dem Pkw durch den Anhänger ohne Einwirkung von außen verursacht worden sei. Die Einwirkung der Spurrillen auf das Gespann sei nicht von außen gekommen; sie habe nur die letztlich den Schaden verursachende Ereigniskette in Gang gesetzt. Der Schaden sei nicht durch eine von außen kommende mechanische Kraft, sondern durch die Kollision mit dem Anhänger verursacht worden. Wenn durch die Fahrbahnbeschaffenheit ein Schleudervorgang ausgelöst werde , der nur wegen Vorhandenseins eines Anhängers zu einem Schaden des ziehenden Fahrzeugs führe, realisiere sich das typische, nicht versicherte Gespannrisiko.
8
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat dem Kläger zu Unrecht die begehrte Entschädigung aus der Kraftfahrzeugvollversicherung versagt.
9
1. Es hat § 12 Abs. 6 a) Satz 2 AKB 2005 unzutreffend so ausgelegt , dass ein durch die Fahrbahnbeschaffenheit ausgelöster Schleudervorgang nicht als Einwirkung von außen mit mechanischer Gewalt anzusehen sei.
10
a) Die Auslegung der dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Bestimmung des § 12 AKB 2005 ist in der Revisionsinstanz voll überprüfbar. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind wie revisible Rechtsnormen zu behandeln und können vom Revisionsgericht frei ausgelegt werden, wenn sie über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus verwendet werden und eine unterschiedliche Auslegung durch verschiedene Berufungsgerichte denkbar ist (BGH, Beschluss vom 21. August 2008 - X ZR 80/07, WuM 2009, 139 Rn. 8; BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04, NJW 2005, 2919 unter II 2 b aa m.w.N.). Das ist bei den hier in Rede stehenden Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB 2005), die von Kraftfahrzeugversicherern im gesamten Bundesgebiet verwendet werden, der Fall.
11
b) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach gefestigter Rechtsprechung des Senats so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an (Senatsurteile vom 11. Dezember 2002 - IV ZR 226/01, BGHZ 153, 182, 185 f.; vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85; jeweils m.w.N.).
12
aa) Unter Anlegung dieses Maßstabs hat der Senat in dem Urteil vom 6. März 1996 (IV ZR 275/95, VersR 1996, 622 unter 3 b) entschieden , der durchschnittliche Versicherungsnehmer könne dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 II e AKB a.F. - der § 12 Abs. 6 a) Satz 1 AKB 2005 entspricht - nicht entnehmen, dass Schäden durch einen Aufprall des Anhängers auf den ihn ziehenden Pkw, die also Schäden durch ein plötzlich von außen einwirkendes Ereignis seien, als nicht versicherte Betriebsschäden angesehen werden sollten. Betriebsschäden sind solche, die durch normale Abnutzung, durch Material- oder Bedienungsfehler an dem Fahrzeug oder seinen Teilen entstehen, ferner Schäden, die zwar auf einer Einwirkung mechanischer Gewalt beruhen, aber zum normalen Betrieb des Kraftfahrzeugs gehören (Senatsurteil vom 23. Oktober 1968 - IV ZR 515/68, VersR 1969, 32, 33). Einen solchen Betriebsschaden hat der Senat in dem 1996 entschiedenen Fall, in dem ein Camping-Anhänger durch die Sogwirkung eines vorbeifahrenden Lkw instabil wurde und gegen die hintere rechte Seite des ziehenden Pkws prallte, verneint. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer sehe trotz der Verbindung von Pkw und Camping-Anhänger in diesen zwei Fahrzeuge, von denen eines auf das andere mit mechanischer Gewalt von außen eingewirkt habe. Die starre Verbindung dieser beiden Fahrzeuge führe im Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers noch nicht dazu, Pkw und Anhänger als eine Betriebseinheit im technischen Sinne zu sehen; dies umso weniger, als der Pkw auch allein zum Betrieb geeignet und bestimmt sei (Senatsurteil vom 6. März 1996 aaO; anders noch Senatsurteil vom 2. Juli 1969 - IV ZR 625/68, VersR 1969, 940).
13
bb) Diese Beurteilung verändert sich durch den in § 12 Abs. 6 a) AKB 2005 hinzugefügten Satz 2 nur insoweit, als gegenseitige Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug ohne Einwirkung von außen als Betriebsschäden anzusehen und daher vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind. Nach dem Wortlaut, von dem der durchschnittliche Versicherungsnehmer ausgeht, kommt es allerdings bei solchen Schäden ebenso wie bei anderen Betriebsschäden der in § 12 Abs. 6 a) Satz 1 Halbsatz 2 AKB 2005 beschriebenen Art darauf an, ob sie "ohne Einwirkung von außen" verursacht worden sind. Dies wird er etwa bei Material- oder Bedienungsfehlern annehmen, die sich auf eines der zu dem Gespann gehörenden Fahrzeuge beziehen. Als Einwirkung von außen wird er hingegen Ursachen ansehen, die weder von dem zie- henden noch von dem gezogenen Fahrzeug ausgehen. Solche Ursachen können auch in der Fahrbahnbeschaffenheit oder den Witterungsverhältnissen liegen (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG VersR 1995, 1346; a.A. OLG Stuttgart VersR 2005, 643 f.).
14
cc) Ausgehend davon ist nach dem unstreitigen Sachverhalt eine Einwirkung von außen in den unerwartet starken Spurrillen zu sehen, durch die der Wohnanhänger ins Schleudern geriet. Spurrillen sind - wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat - Unebenheiten in der Fahrbahn , die die Richtungsstabilität eines Fahrzeugs nachteilig beeinflussen und somit eine äußere, mechanische Einwirkung auf das Fahrzeug darstellen. Da der Anhänger infolge der Spurrillen ins Schleudern geriet und dann gegen den Pkw prallte, wurde dieser durch eine von außen kommende Einwirkung beschädigt.

15
2. Der Senat hat in der Sache abschließend zu entscheiden, weil der an dem Pkw des Klägers entstandene Schaden der Höhe nach unstreitig ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller

Vorinstanzen:
AG Braunschweig, Entscheidung vom 04.08.2010- 117 C 4015/09 -
LG Braunschweig, Entscheidung vom 21.12.2010- 6 S 377/10 (140) -

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8
Allerdings hat der Senat entschieden, dass das Revisionsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen selbst auslegen kann, wenn eine unterschiedliche Auslegung durch verschiedene Berufungsgerichte - verschiedene Landge- richte, verschiedene Oberlandesgerichte oder ein Landgericht und ein Oberlandesgericht - denkbar ist. Dass die Klausel nur im Bezirk eines Oberlandesgerichts angewendet wird, steht danach der Auslegung durch das Revisionsgericht nicht entgegen (BGHZ 163, 321). Diese Entscheidung ergibt sich daraus, dass der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die freie Auslegbarkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen von ihrer Anwendbarkeit über den Bereich eines Berufungsgerichts hinaus abhängig gemacht hat. Soweit in einzelnen Entscheidungen statt dessen der Begriff Oberlandesgericht statt Berufungsgericht verwendet worden ist, wurde dieser Begriff als Synonym zu Berufungsgericht benutzt, weil ein anderes Berufungsgericht, gegen dessen Urteil die Revision zugelassen war, nicht in Betracht kam. Der Senat hat es nach dem Sinn und Zweck dieser Rechtsprechung für geboten gehalten, seit Geltung des neuen Revisionsrechts zu dem Begriff Berufungsgericht zurückzukehren. An einer entsprechenden Handhabung in Bezug auf Landesrecht ist der Senat aber durch den klaren und unzweideutigen Wortlaut des § 545 Abs. 1 ZPO gehindert.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 60/04 Verkündet am:
5. Juli 2005
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja (nur zu Ls. a)
BGHR: ja
BGB §§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BG, Cl, 309 Nr. 12 a, 315 Abs. 3 Satz 1; ZPO § 546;
KrW-/AbfG Bln §§ 5 Abs. 2, 8 Abs. 1

a) Seit der Eröffnung der Revision auch gegen Urteile des Landgerichts durch die
Zivilprozeßnovelle 2002 kann das Revisionsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen
selbst auslegen, wenn eine unterschiedliche Auslegung durch verschiedene
Berufungsgerichte - verschiedene Landgerichte, verschiedene Oberlandesgerichte
oder ein Landgericht und ein Oberlandesgericht - denkbar ist. Daß die
Klausel nur im Bezirk eines Oberlandesgerichts angewendet wird, steht der Auslegung
durch das Revisionsgericht nicht entgegen.

b) In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Versorgungsunternehmens ist
folgende Klausel gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam:
"Trotz rechtzeitiger Mitteilung [der Einwendungen gegen die Rechnung
der Klägerin] bleibt die Verpflichtung zur Zahlung der Entgelte jedoch
unberührt. Die Einwendungen sind im Rahmen eines Rückforderungsprozesses
geltend zu machen. Ist eine Einwendung begründet, so wird
der zuviel gezahlte Betrag verrechnet oder auf ausdrücklichen Wunsch
des Entgeltpflichtigen erstattet."
BGH, Urt. v. 5. Juli 2005 - X ZR 60/04 - Kammergericht
LG Berlin
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. April 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Scharen, die Richterin Ambrosius und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 26. Zivilsenats des Kammergerichts vom 24. März 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand:


Die Klägerin, eine rechtsfähige Anstalt öffentlichen Rechts, betreibt auf der Grundlage des Berliner Betriebegesetzes vom 9. Juli 1993 (BerlBG) die Abfallentsorgung und Straßenreinigung im Land Berlin. Mit der vorliegenden Klage verlangt sie von dem beklagten Hauseigentümer Entgelt für Papierrecycling - und Abfallentsorgungsleistungen in den Jahren 2000 und 2001 in Höhe von 6.301,87 € nebst Zinsen. Der Beklagte macht geltend, die von der Klägerin
festgesetzten Tarife entsprächen nicht der Billigkeit im Sinne des § 315 Abs. 3 BGB.
Das Landgericht hat der Klage mit Ausnahme eines Teils der Zinsforderung stattgegeben, weil nach den Leistungsbedingungen der Klägerin Einwendungen gegen die Rechnung die Zahlungspflicht nicht ausschlössen und erst im Rahmen eines Rückforderungsprozesses geltend gemacht werden könnten. Die Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt er seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Dieses muß schon im vorliegenden Zahlungsprozeß der Klägerin prüfen, ob die vom Beklagten erhobene Einrede der unbilligen Leistungsbestimmung (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB) berechtigt ist. Die anderslautende Ausschlußklausel in den Leistungsbedingungen der Klägerin ist unwirksam.
I. Die Klägerin hat, wie auch der Beklagte nicht bezweifelt, grundsätzlich gegen ihre Kunden einen Anspruch auf Zahlung des tariflichen Entgelts für die von ihr erbrachten Abfallentsorgungsleistungen. Der Entgeltanspruch ergibt sich aus dem zwischen der Klägerin und den Abfallbesitzern bestehenden privatrechtlichen "Benutzungsverhältnis".
Dieses resultiert aus § 5 Abs. 2 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes Berlin (KrW-/AbfG Bln), wonach die Abfallbesitzer das Recht und die Pflicht haben, ihre Abfälle durch die Klägerin entsorgen zu lassen (Anschlußund Benutzungszwang), und aus § 8 Abs. 1 KrW-/AbfG Bln, wonach die Kosten der Abfallentsorgung durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger - nach § 2 Abs. 1 KrW-/AbfG Bln das Land Berlin - durch privatrechtliche Entgelte zu decken sind, die von den benutzungspflichtigen Grundeigentümern nach Maßgabe der von der Aufsichtsbehörde gemäß § 18 Abs. 2 BerlBG genehmigten Entgeltordnung zu zahlen sind. Durch den Anschluß- und Benutzungszwang einerseits und die - der öffentlichen Verwaltung bei der Daseinsvorsorge erlaubte - privatrechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses andererseits , die aus der Wahl privatrechtlicher Entgelte hervorgeht (vgl. Erichsen/ Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl., § 29 Rdn. 34), kommt zwischen der Klägerin und dem Abfallbesitzer ein privatrechtliches "Benutzungsverhältnis" zustande. Ob es sich dabei um einen (Werk-)Vertrag handelt (so BGHZ 115, 311, 314), braucht hier nicht entschieden zu werden. Auf die Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und ihren Kunden findet das Werkvertragsrecht jedenfalls entsprechende Anwendung (vgl. BGHZ 59, 303, 305).
In diesem Verhältnis gelten die von der Klägerin einseitig festgesetzten Tarife und ihre Leistungsbedingungen ohne besondere Einbeziehungsvereinbarung im Sinne der §§ 2 Abs. 1 AGBG, 305 Abs. 2 BGB. Dies ergibt sich hinsichtlich der Tarife aus dem Gesetzeswortlaut (§ 8 Abs. 1 KrW-/AbfG Bln). Es muß aber aufgrund des im Verwaltungsprivatrecht zu beachtenden öffentlichrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (BGHZ 115, 311, 318), der eine für alle Kunden gleiche Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen verlangt, auch für
die Leistungsbedingungen gelten. Sie sind als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu behandeln (BGH, Urt. v. 03.11.1983 - III ZR 227/82, MDR 1984, 558).
Die Höhe des Entgelts richtet sich nach der von der Klägerin einseitig festgesetzten Entgeltordnung. Die Leistungsbedingungen der Klägerin vom 21. März 2001 besagen dazu (Nr. 2.2.18 Abs. 1), daß für das Einsammeln von Abfällen nach Maßgabe der im Amtsblatt für Berlin veröffentlichten Tarife Entgelte erhoben werden. Diese Klausel, mit der die Klägerin ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für sich in Anspruch nimmt, ist eine die gesetzliche Regelung des § 8 Abs. 1 KrW-/AbfG Bln wiederholende und somit lediglich deklaratorische Bestimmung und unterliegt daher nicht der Inhaltskontrolle nach §§ 9 ff. AGBG, 307 ff. BGB.
Der Beklagte schuldet der Klägerin also grundsätzlich das tarifliche Entgelt. Die Parteien sind sich darüber einig, daß die Klägerin dessen Höhe auf der Grundlage ihrer Tarife richtig berechnet hat. Der Streit dreht sich allein um die Einrede des Beklagten, daß die Tarife als solche zu hoch und deshalb für ihn als Kunden nicht verbindlich seien.
II. Zu Unrecht - wenngleich von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben, ohne über die Berechtigung dieser Einrede zu entscheiden.
1. Den Kunden eines Versorgungsunternehmens steht grundsätzlich die Einrede der unbilligen Tariffestsetzung zu.

a) Es ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit langem anerkannt , daß Tarife von Unternehmen, die mittels eines privatrechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnisses Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteil im Bedarfsfall angewiesen ist, nach billigem Ermessen festgesetzt werden müssen und einer Billigkeitskontrolle entsprechend § 315 Abs. 3 BGB unterworfen sind (vgl. nur BGH, Urt. v. 19.01.1983 - VIII ZR 81/82, NJW 1983, 659; Urt. v. 03.11.1983, aaO; BGHZ 115, 311, 316 m.w.N.; Urt. v. 30.04.2003 - VIII ZR 279/02, NJW 2003, 3131). Dies ist zum Teil aus der Monopolstellung des Versorgungsunternehmens hergeleitet worden (BGH, Urt. v. 04.12.1986 - VII ZR 77/86, NJW 1987, 1828; Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 15; dagegen und für eine Kontrolle über §§ 138, 305 f. BGB Staudinger/Rieble, BGB (2004), § 315 Rdn. 51 f.), muß aber für den hier vorliegenden Fall eines Anschluß- und Benutzungszwangs genauso gelten. Denn auch dann kann der Kunde der einseitigen Preisfestsetzung des Versorgungsunternehmens nicht durch Wahl eines anderen, konkurrierenden Anbieters entgehen.

b) Die entsprechende Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB hat zur Folge, daß die vom Versorgungsunternehmen angesetzten Tarife für den Kunden nur verbindlich sind, wenn sie der Billigkeit entsprechen (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Entspricht die Tarifbestimmung nicht der Billigkeit, so wird sie, sofern das Versorgungsunternehmen dies beantragt, ersatzweise im Wege der richterlichen Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB; vgl. Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 294 f.). Erst die vom Gericht neu festgesetzten niedrigeren Tarife sind für den Kunden verbindlich, und erst mit der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils wird die Forderung des Versorgungsunternehmens fällig und kann der Kunde in Verzug geraten (BGH, Urt. v.
24.11.1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054; MünchKomm./Gottwald, BGB, 4. Aufl., § 315 Rdn. 49; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 315 Rdn. 17; Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 276); erst von diesem Zeitpunkt an besteht mithin eine im gerichtlichen Verfahren durchsetzbare Forderung des Versorgungsunternehmens.

c) Das gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich auch dann, wenn, wie hier, die Tarifbestimmung mit Genehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörde getroffen worden ist. Denn die rein öffentlich-rechtliche Wirkung der Genehmigung beschränkt sich auf das Verhältnis der Behörde zum Genehmigungsempfänger und ist für die privatrechtliche Überprüfung eines einseitig festgesetzten Entgelts anhand des § 315 Abs. 3 BGB nicht präjudiziell (vgl. nur BGHZ 115, 311, 315; BGH, Urt. v. 02.07.1998 - III ZR 287/97, NJW 1998, 3188, jeweils m.w.N.; vgl. auch Ludwig /Odenthal/ Hempel/Franke, Recht der Elektrizitäts-, Gas- und Wasserversorgung, § 30 AVBEltV Rdn. 56).
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Beklagte nicht darauf beschränkt, die Einrede der unbilligen Leistungsbestimmung im Rahmen eines Rückforderungsprozesses geltend zu machen. Soweit die Leistungsbedingungen der Klägerin einen Einwendungsausschluß für den Zahlungsprozeß enthalten, ist dieser unwirksam.

a) Die diesbezügliche Klausel Nr. 1.4.2 der von der Klägerin zu den Akten gereichten Leistungsbedingungen vom 21. März 2001, die nach Nr. 2.2.21
nicht nur für die Straßenreinigung, sondern auch für die Abfallentsorgung gilt, lautet:
"Einwendungen gegen Entgeltansprüche
(1) Entgeltansprüche verjähren in vier Jahren. Einwendungen gegen die Rechnung sind innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach ihrem Zugang schriftlich bei den BSR geltend zu machen.
(2) Trotz rechtzeitiger Mitteilung bleibt die Verpflichtung zur Zahlung der Entgelte jedoch unberührt. Die Einwendungen sind im Rahmen eines Rückforderungsprozesses geltend zu machen. Ist eine Einwendung begründet, so wird der zuviel gezahlte Betrag verrechnet oder auf ausdrücklichen Wunsch des Entgeltpflichtigen erstattet."

b) Die vom Beklagten erhobene Einrede der unbilligen Tariffestsetzung wird vom sachlichen Anwendungsbereich dieser Ausschlußklausel erfaßt.
aa) Bei deren Auslegung ist der erkennende Senat an das tatrichterliche Verständnis nicht gebunden, obwohl Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) keine Rechtsnormen sind und ihre Auslegung daher grundsätzlich Sache des Tatrichters ist.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß AGB dann wie revisible Rechtsnormen zu behandeln und infolgedessen
vom Revisionsgericht frei auszulegen sind, wenn sie bestimmten Anforderungen in bezug auf ihren räumlichen Geltungsbereich genügen. Der Grund dafür ist das Bedürfnis nach einheitlicher Handhabung überörtlich geltender AGB (BGHZ 112, 204, 210; 144, 245, 248). Dieses Bedürfnis gebietet es, immer dann, wenn gegen die Urteile verschiedener Berufungsgerichte die Revision zum Bundesgerichtshof eröffnet ist, diesem die Auslegung zu übertragen. In den älteren Entscheidungen hieß es auch, AGB seien frei auszulegen, soweit sie über den Bezirk des "Berufungsgerichts" hinaus angewendet würden (BGHZ 98, 256, 258; 105, 24, 27). Spätere Entscheidungen besagten zwar, daß die AGB über den Bezirk eines "Oberlandesgerichts" hinaus gelten müßten (z.B. BGHZ 112, aaO; 144, aaO). Damit war aber ersichtlich kein Wechsel der Begründung bezweckt, sondern der Begriff "Oberlandesgericht" wurde schlicht als Synonym zu "Berufungsgericht" benutzt, weil damals, nach dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Revisionsrecht (§ 545 Abs, 1 ZPO a.F.), nur gegen von den Oberlandesgerichten erlassene Urteile die Revision möglich war. Nach Sinn und Zweck dieser Rechtsprechung ist es geboten, seit Geltung des neuen Revisionsrechts, nach dem gegen die Urteile aller Berufungsgerichte , sei es das Landgericht oder das Oberlandesgericht, die Revision möglich ist (§ 542 Abs. 1 ZPO n.F.), zu dem Begriff "Berufungsgericht" zurückzukehren (diesen verwendet auch Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 545 Rdn. 8).
Die Leistungsbedingungen der Klägerin gelten zwar nur in Berlin, aber gleichwohl "über den Bezirk eines Berufungsgerichts hinaus". Denn je nach Streitwert der Entgeltklage ist in erster Instanz das Amtsgericht oder das Landgericht zuständig und entscheidet im Berufungsverfahren das Landgericht oder das Kammergericht. Die daraus resultierende Gefahr widerstreitender Beru-
fungsurteile hat sich auch bereits verwirklicht. Abweichend von dem vorliegenden Berufungsurteil des Kammergerichts (26 U 142/03) hat das Landgericht Berlin als Berufungsgericht entschieden, daß die streitige Ausschlußklausel die Einrede nach § 315 Abs. 3 BGB nicht erfasse (48 S 28/04).
bb) Der erkennende Senat schließt sich der gegenteiligen Auslegung des Berufungsgerichts an.
Der Wortlaut der Klausel - "Einwendungen gegen die Rechnung" - deckt nach allgemeinem Sprachverständnis sämtliche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe ab, die der Kunde der Entgeltforderung der Klägerin entgegensetzen kann. Er läßt keine Beschränkung auf bestimmte, besondere Einwendungen erkennen. Insbesondere bietet die allgemein gehaltene Formulierung keinen Anhaltspunkt dafür, daß nur die Rüge von Ablese- oder Berechnungsfehlern in engerem Sinne gemeint ist, Einwände gegen den Tarif als solchen nach § 315 Abs. 3 BGB hingegen nicht erfaßt werden.
Auch Sinn und Zweck der Klausel sprechen dagegen, daß § 315 Abs. 3 BGB ausgenommen ist. Die Klausel ist in Anlehnung an die normativen Regelungen der §§ 30 AVBEltV, 30 AVB GasV, 30 AVB FernwärmeV und 30 AVBWasserV formuliert, in denen es heißt, daß Einwände gegen Rechnungen und Abschlußrechnungen zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur berechtigen, soweit sich aus den Umständen ergibt, daß offensichtliche Fehler vorliegen. Diese Vorschriften sollen gewährleisten, daß die grundsätzlich zur Vorleistung verpflichteten Versorgungsunternehmen nicht unvertretbare Verzögerungen bei der Realisierung ihrer Preisforderungen in Fällen hinnehmen müssen, in denen Kunden Einwände geltend machen, die sich letztlich als
unberechtigt erweisen (Begründung des Bundesministers für Wirtschaft, wiedergegeben bei Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke, § 30 AVBEltV Rdn. 3). Die Verfolgung dieses Zwecks, der ersichtlich auch der Ausschlußklausel in den Leistungsbedingungen der Klägerin zugrunde liegt, gebietet eine weite Auslegung dahin, daß alle Einwände gegen Grund und Höhe des Zahlungsanspruchs ohne Rücksicht auf ihre rechtliche Einordnung erfaßt werden, einschließlich der Einwände gegen die Höhe der Tarife nach § 315 Abs. 3 BGB (so auch BGH, Urt. v. 03.11.1983, aaO, zu einer Vorgängerklausel in den Leistungsbedingungen der Klägerin; vgl. auch BGH, Urt. v. 26.05.2004 - VIII ZR 311/03, NJW 2004, 2161 zur weiten Auslegung der Haftungsbeschränkung in § 6 AVBEltV; ebenso Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke, aaO Rdn. 9, 26).
cc) Mit diesem Verständnis der Klausel begründet der erkennende Senat auch keine Divergenz zu früheren Urteilen des Bundesgerichtshofs, die sich mit dem Einwendungsausschluß in den Geschäftsbedingungen eines Versorgungsunternehmens befaßt haben. Denn die einschlägigen Urteile betrafen entweder nicht die Einrede nach § 315 Abs. 3 BGB (Urt. v. 24.03.1988 - III ZR 11/87, MDR 1988, 759) oder nicht die Leistungsbedingungen der Klägerin (Urt. v. 19.01.1983, aaO; BGHZ 115, 311 ff.; Urt. v. 30.4.2003, aaO).

c) Die somit ihrem Inhalt nach einschlägige streitige Ausschlußklausel ist jedoch unwirksam.
Der Prüfungsmaßstab für die Ausschlußklausel ist nicht § 315 Abs. 3 BGB. Denn sie betrifft weder die Leistungsbestimmung, d.h. die Festsetzung des vom Kunden zu zahlenden Entgelts oder etwaiger Nebenpflichten, noch
Leistungsmodalitäten wie Leistungsort oder -zeit. Die Klausel regelt anderweitige Vertragsbestimmungen und ist daher der AGB-Inhaltskontrolle nach §§ 9 ff. AGBG, 307 ff. BGB unterworfen. Dieser Kontrolle hält sie nicht stand.
aa) Entgegen der Ansicht der Revision handelt es sich allerdings nicht um eine Bestimmung, durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils ändert, insbesondere indem er diesem die Beweislast für Umstände auferlegt, die im Verantwortungsbereich des Verwenders liegen (§§ 11 Nr. 15 a AGBG, 309 Nr. 12 a BGB). Im Rahmen der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB trifft nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Bestimmungsberechtigten die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß seine Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht (vgl. nur BGH, Urt. v. 30.04.2003, aaO m.w.N.; so auch die herrschende Meinung im Schrifttum, vgl. nur MünchKomm./Gottwald, aaO Rdn. 53; Staudinger/Rieble, aaO, § 288 f.; a.A. Palandt/Sprau, aaO Rdn. 19). Diese Beweisverteilung wird durch die streitige Klausel nicht berührt.
(1) Durch Auslegung läßt sich der Klausel keine Beweislastumkehr entnehmen. Ihr Text, wonach "die Einwendungen im Rahmen eines Rückforderungsprozesses geltend zu machen (sind)", erwähnt die Beweislast nicht, und auch der bereits dargelegte Zweck der Klausel, das Versorgungsunternehmen vor Verzögerungen bei der Realisierung seiner Preisforderungen zu schützen, wird allein durch die Verweisung der Einwände des Kunden in einen Rückforderungsprozeß voll und ganz erreicht und erfordert daher keine weitergehende Einschränkung seiner Rechte. Die streitige Klausel bezweckt keine materiellrechtliche Verschlechterung der Position des Kunden (Ludwig/Odenthal/ Hempel/Franke, aaO Rdn. 58). Vielmehr entspricht es Sinn und Zweck der
Klausel, im Rückforderungsprozeß des Kunden die Darlegungs- und Beweislast genauso zu handhaben, wie sie im Zahlungsprozeß des Versorgungsunternehmens ohne die streitige Klausel anzuwenden wäre (OLG Hamm WuM 1991, 431).
(2) Eine Beweislastumkehr folgt auch nicht aus dem Umstand, daß der Kunde im Rückforderungsprozeß seinen Anspruch auf ungerechtfertigte Bereicherung stützen muß (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Frage, ob es sich überhaupt um eine Beweislastklausel im Sinne der §§ 11 Nr. 15 a AGBG, 309 Nr. 12 a BGB handeln würde, wenn die Veränderung der Beweislast lediglich die Folge der Verweisung des Kunden auf einen Rückforderungsprozeß wäre, kann hier offenbleiben (verneint für die Abgabe eines vorformulierten abstrakten Schuldversprechens von BGHZ 99, 274, 284 f.; 114, 9, 12). Zwar würde die Anwendung des Grundsatzes, daß der Bereicherungsgläubiger dartun und beweisen muß, daß er ohne Rechtsgrund geleistet hat, im vorliegenden Fall bedeuten , daß der Kunde die Unverbindlichkeit der Tarife und damit deren Unbilligkeit darzulegen und zu beweisen hätte, wobei seine Belastung lediglich durch die sogenannte sekundäre Behauptungslast der Klägerin bezüglich der in ihrem Wahrnehmungs- und Verantwortungsbereich gelegenen tatsächlichen Grundlagen der Tarifgestaltung gemildert wäre (BGHZ 154, 5, 9). Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Wenn eine Zahlung lediglich als Abschlag oder Vorauszahlung in Erwartung einer noch festzustellenden Schuld erfolgt ist, so hat bei einer Rückforderung der Empfänger das Bestehen der Forderung zu beweisen (BGH, Urt. v. 09.03.1989 - IX ZR 64/88, NJW 1989, 1606; Urt. v. 08.07.2004 - III ZR 435/02, NJW 2004, 2897). Da auch die Zahlung des Kunden eines Versorgungsunternehmens, der durch eine AGBKlausel mit seinen Einwänden auf einen Rückforderungsprozeß verwiesen
wird, konkludent unter Vorbehalt erfolgt, muß es auch in diesem Fall im bereicherungsrechtlichen Rückforderungsprozeß dabei bleiben, daß das Versorgungsunternehmen die Darlegungs- und Beweislast für die Verbindlichkeit bzw. Billigkeit seiner Tarife trägt.
(3) Davon ist auch der Bundesgerichtshof in seinem frühere Leistungsbedingungen der Klägerin betreffenden Urteil vom 3. November 1983 (aaO) ohne weiteres - stillschweigend - ausgegangen (so auch das Kammergericht in ständiger Rechtsprechung, vgl. Urt. v. 22.03.2001, NVwZ-RR 2002, 384; OLG Hamm aaO; Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke, aaO Rdn. 12, 55, 58). Soweit der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Bezug auf die inhaltlich ähnliche Klausel des § 30 AVBEltV am Rande die Ansicht geäußert hat, daß im Rückforderungsprozeß der Kunde nach allgemeinen bereicherungsrechtlichen Grundsätzen die Unbilligkeit der Leistungsbestimmung des Versorgungsunternehmens darzutun und zu beweisen habe (BGH, Urt. v. 19.01.1983 - VIII ZR 81/82, NJW 1983, 1777; BGHZ 154, 5, 9), vermag sich der erkennende Senat dieser Ansicht aus den dargelegten Gründen nicht anzuschließen.
bb) Die streitige Bestimmung verstößt jedoch gegen die Generalklausel der §§ 9 AGBG, 307 BGB, die eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners verbietet.
(1) Die Klausel ist allerdings nicht etwa deshalb zu beanstanden, weil die Klägerin mit ihr eine - der Verwaltung nicht erlaubte - "Flucht ins Privatrecht" angetreten, d.h. sich ihrer öffentlich-rechtlichen Bindungen zu entledigen versucht hätte. Wenn die Verwaltung, wie hier, öffentliche Aufgaben in den Formen des Privatrechts wahrnimmt, so werden die Normen des Privatrechts
durch Bestimmungen des öffentlichen Rechts ergänzt, überlagert und modifiziert (sog. Verwaltungsprivatrecht). Die in den Formen des Privatrechts handelnde Verwaltung hat jedenfalls die grundlegenden Prinzipien der öffentlichen Finanzgebarung zu beachten (BGHZ 91, 84, 96 f.; 115, 311, 318). Soweit diese das für die Abgabeneinziehung geltende Verfahrensrecht einschließen, ergeben sich gegen die Klausel indessen keine Bedenken. Auch öffentliche Abgaben muß der in Anspruch Genommene bei wirtschaftlicher Betrachtung schon vor Klärung der Rechtslage leisten. Einwendungen gegenüber der Leistungspflicht hindern die Durchsetzung des Anspruchs nicht ohne weiteres; nach § 80 Abs. 2 VwGO entfällt bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage. Zwar kommt eine Wiederherstellung dieser Wirkung und damit eine Aussetzung der Vollziehung in Betracht, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Auch bei ernstlichen Zweifeln, d.h. dann, wenn der Erfolg des Rechtsmittels ebenso wahrscheinlich wie der Mißerfolg ist (Redeker/ v.Oertzen, VwGO, 13. Aufl., § 80 Rdn. 36), kann die Behörde die Aussetzung aber von einer Sicherheitsleistung abhängig machen (§ 80 Abs. 4 S. 2, 3 VwGO), die im Ergebnis zu einer weitgehenden Sicherstellung der öffentlichen Hand und einer vergleichbaren Belastung des Bürgers führt, wie sie der Einwendungsausschluß der streitigen Klausel mit sich bringt. Auch nach öffentlichem Recht läuft der Bürger also Gefahr, bei einem sich später als unbegründet erweisenden Abgabenbescheid zum einen zunächst einmal leisten und zum anderen die aktive Parteirolle ergreifen zu müssen, um sein Geld zurückzuerhalten.
Daß somit die streitige Klausel im wesentlichen der öffentlich-rechtlichen Regelung entspricht, hindert andererseits nicht die Feststellung ihrer Unwirk-
samkeit nach §§ 9 AGBG, 307 BGB. Entscheidet sich die öffentliche Hand, Leistungsverhältnisse im Rahmen der Daseinsvorsorge in privatrechtlicher Form zu regeln, so muß sie es hinnehmen, daß der privatrechtliche Gehalt solcher Benutzungsverhältnisse der Kontrolle der ordentlichen Gerichte nach den für das Privatrecht maßgebenden Rechtssätzen unterliegt (BGHZ 115, 311, 317). Bei dieser Inhaltskontrolle spielt es deshalb auch keine Rolle, daß der Verordnungsgeber mit dem jeweiligen § 30 der Verordnungen über die AVB der Elektrizitäts -, Fernwärme-, Gas- und Wasserversorgungsunternehmen unter Abwägung der gegenläufigen Interessen von Versorgungsunternehmen und Kunden ein normatives Leitbild geschaffen hat (vgl. BGHZ 138, 118, 126 f.).
(2) Es kann dahinstehen, ob die streitige Klausel eine unangemessene Benachteiligung bereits deshalb enthält, weil sie keine Ausnahmeregelung für den Fall vorsieht, daß "offensichtliche" Fehler vorliegen, wie sie in § 30 der AVB der Elektrizitäts-, Fernwärme-, Gas- und Wasserversorgungsunternehmen enthalten ist (so Beuermann, GE 2003, 1192, 1196), oder ob die Klausel insoweit nach ihrem Sinn und Zweck und nach Treu und Glauben entsprechend einschränkend auszulegen ist (vgl. dazu BGH, Urt. v. 31.10.1984 - VIII ZR 226/83, NJW 1985, 320; Urt. v. 03.04.2003 - IX ZR 287/99, NJW 2003, 2231 für die Bürgschaft auf erstes Anfordern; Urt. v. 24.03.1988, aaO, 759; Ludwig /Odenthal/Hempel/Franke, aaO Rdn. 11; Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl., § 5 Rdn. 41, § 6 Rdn. 15).
(3) Denn die Klausel ist jedenfalls deshalb unwirksam, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der privatrechtlichen gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren ist, so daß eine unangemessene Benachteiligung der Kunden im Zweifel anzunehmen ist (§§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB),
und weil die Klägerin nicht ausreichend dargelegt hat, daß die Benachteiligung der Kunden durch eigene höherrangige Interessen gerechtfertigt ist (BGHZ 114, 238, 242).
(a) Es ist eine grundlegende gesetzliche Regel des privaten Schuldrechts , daß der Gläubiger das Entstehen, die Begründetheit und die Fälligkeit seiner Forderung darlegen und beweisen muß, bevor er Erfüllung verlangen kann, und daß er umgekehrt keine Leistung beanspruchen kann, wenn der Schuldner berechtigte Einwände darlegt und beweist (vgl. BGH, Urt. v. 05.07.1990 - IX ZR 294/89, NJW-RR 1990, 1265 für den ähnlich gelagerten Fall der Bürgschaft auf erstes Anfordern, dort auch in Anwendung des § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG). Von dieser Grundregel weicht die streitige Ausschlußklausel ab, weil sie den Schuldner mit seinen Einwendungen auf einen Rückforderungsprozeß verweist.
(b) Weil die Klausel auch den Einwand der unbilligen einseitigen Leistungsbestimmung erfaßt, ist sie ferner auch mit § 315 Abs. 3 BGB nicht zu vereinbaren , der ein formularmäßig nicht abdingbares Gerechtigkeitsgebot enthält. Ist der Einwand der Unangemessenheit nach § 315 BGB gerechtfertigt, so ist, wie bereits dargelegt, von Anfang an nur der angemessene, im Ergebnis vom Gericht bestimmte Betrag geschuldet. Nur auf diesen hat die Klägerin Anspruch. Eine Rechtfertigung, ihr darüber hinaus die Befugnis zuzugestehen, zunächst eine unter Umständen gar nicht geschuldete Leistung zu vereinnahmen und den Abnehmer auf einen Rückforderungsprozeß zu verweisen, ist nicht zu erkennen. Das liefe dem Zweck des § 315 BGB zuwider (vgl. dazu BGH, Urt. v. 19.01.1983, aaO; Urt. v. 30.04.2003, aaO).
(c) Die Klägerin hat nicht dargelegt, daß demgegenüber ihre schutzwürdigen Belange ein größeres Gewicht haben. Dies gilt auch dann, wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgeht, daß ein beträchtlicher Teil der von ihren Kunden erhobenen und von ihr zurückgewiesenen Einwendungen sich letztlich als unbegründet erweisen wird (vgl. die Begründung des Bundesministers für Wirtschaft zu § 30 AVBEltV). Dies mag auch für die Rüge überhöhter Tarife zutreffen, zumal die Genehmigung der Aufsichtsbehörde (§ 18 Abs. 2 BerlBG), die nur erteilt werden darf, wenn die Tarife den verwaltungsrechtlichen Grundsätzen einer kostengünstigen, nicht auf Gewinnerzielung ausgerichteten Versorgung entsprechen, wenngleich keine ausreichende Gewähr, so doch ein gewisses Indiz für die Billigkeit der Tarife liefert (vgl. Ludwig /Odenthal/Hempel/ Franke, aaO Rdn. 56; offengelassen in BGH, Urt. v. 03.02.2003, aaO). Bei unbegründeten Schuldnereinwendungen handelt es sich jedoch um ein typisches Gläubigerrisiko, das im Normalfall durch den Anspruch auf Verzugschadensersatz hinreichend ausgeglichen wird. Die Klägerin hat nicht substantiiert dargelegt , daß dies bei ihr nicht der Fall ist. Sie hat nur in allgemeiner Form auf ihre Vorleistungspflicht aufmerksam gemacht - die indes durch die Pflicht der Kunden zu vierteljährlicher Zahlung weitgehend entschärft ist (Nr. 2.2.21 Abs. 2 Satz 1, 1.4.1 Abs. 2 Satz 1 der Leistungsbedingungen) - und auf ihr - vom Beklagten bestrittenes - Liquiditätsrisiko und auf das Interesse der Allgemeinheit an einer möglichst kostengünstigen Abfallbeseitigung hingewiesen, hat aber nichts Konkretes dazu vorgetragen, in welcher Größenordnung sie durch Anwendung der streitigen Klausel Einnahmeausfälle, Verzugsschäden und Rechtsverfolgungskosten vermeiden kann. Trotz des Bestreitens des Beklagten hat die Klägerin nicht einmal dargelegt, in welcher Höhe sie überhaupt durch unbegründete Nichtzahlung ihrer Rechnungen Verluste erleidet, ge-
schweige denn, in welchem Umfang ihre Kunden gerade - und zwar unbegründet - die für das Gewicht der Kundenbenachteiligung ausschlaggebende Einrede der überhöhten Tariffestsetzung erheben und in welcher Größenordnung sie, die Klägerin, einen bleibenden Schaden erfahren würde, wenn diese Einrede im Zahlungsprozeß zu berücksichtigen wäre. Gegen eine hieraus resultierende Liquiditätsgefährdung spricht jedenfalls der vom Beklagten unwidersprochen vorgetragene Umstand, daß die Klägerin Entgeltrückstände erst kurz vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist gerichtlich geltend macht.
In Ermangelung näherer Darlegungen der Klägerin ist es dem Senat nicht möglich, das Gewicht der durch die streitige Klausel geschützten berechtigten Belange der Klägerin abzuschätzen und zu beurteilen, ob sie die Benachteiligung der Kunden überwiegen. Deshalb hilft auch die Erwägung nicht, daß der mit der Klausel verbundene Nachteil im Einzelfall bei Zuvielforderungen der Klägerin nicht sehr schwer wiegen mag. Die Klägerin entzieht den Kunden ihre Einwendungen nicht auf Dauer, sondern verweist sie lediglich auf ein gesondertes Verfahren. Daß der Kunde im Rückforderungsprozeß die aktive Kläger- statt der Beklagtenrolle übernehmen muß, belastet ihn in rechtlicher Hinsicht nicht, da, wie bereits dargelegt worden ist, die Darlegungs- und Beweislast sich nicht verändert und auch das Kostenrisiko sich nicht erhöht. Auch ist mit der Rückforderung der Leistung so gut wie kein Insolvenzrisiko verbunden , weil das Land Berlin Gewährträger der Klägerin ist (§ 4 BerlBG). Dies ändert indessen nichts daran, daß die Klägerin das Gewicht ihrer eigenen Interessen nicht hinreichend dargelegt hat.
Die diesbezüglichen Zweifel gehen zu Lasten der darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin. Deshalb muß die streitige Klausel als unwirksam beur-
teilt werden (vgl. Palandt/Sprau, vor § 765 Rdn. 14 zur Bürgschaft auf erstes Anfordern; dafür - mit anderer Begründung - auch Rott/Butters, VuR 1999, 75, 79 und Beuermann, aaO S. 1196 f.; a.A. Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke, aaO Rdn. 8; Herrmann/Recknagel/Schmidt-Salzer, Allgemeine Versorgungsbedingungen , § 30 AVBV Rdn. 15).
III. Das Berufungsurteil, das auf der Annahme beruht, die Klausel sei wirksam und der Beklagte mit seinem Einwand der unbilligen Tariffestsetzung im vorliegenden Zahlungsprozeß der Klägerin ausgeschlossen, kann somit keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben.
Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um der Klägerin Gelegenheit zur Darlegung und zum Beweis zu geben, daß ihre Tarife der
Billigkeit entsprechen. Dazu hatte sie im Berufungsverfahren noch keinen Anlaß , nachdem die erstinstanzlich entscheidende Zivilkammer 9 des Landgerichts Berlin die Ausschlußklausel für wirksam gehalten hatte und dies mit der vorangegangenen Rechtsprechung des Kammergerichts in Einklang stand.
Melullis Scharen Ambrosius
Meier-Beck Asendorf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 226/01 Verkündet am:
11. Dezember 2002
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
_____________________
AHB § 1 Ziff. 1; WEG § 14 Nr. 4 Halbsatz 2
1. § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG ist ein Schadensersatzanspruch i.S. von § 1 Ziff. 1
AHB.
2. Der Risikoausschluß für "Schäden am Gemeinschafts-, Sonder- und Teileigentum"
nimmt nur den unmittelbaren Sachschaden, nicht jedoch Folgeschäden von
der Leistungspflicht aus.
BGH, Urteil vom 11. Dezember 2002 - IV ZR 226/01 - Hans. OLG Hamburg
LG Hamburg
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Dr. Schlichting, die Richterin Ambrosius
und die Richter Wendt und Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Dezember 2002

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 21. August 2001 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger sind die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie verlangen von dem beklagten Haftpflichtversicherer Ersatz für bereits erbrachte sowie Freistellung von noch zu erbringenden Ausgleichszahlungen an einzelne Wohnungseigentümer wegen Beeinträchtigungen des jeweiligen Sondereigentums.
Dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag für Haus- und Grundbesitzer-Haftpflicht liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) sowie Besondere Bedingungen des Beklagten (BB) zugrunde. Unter Teil A "Haus- und

Grundbesitzer-Haftpflicht" der Besonderen Bedingungen ist in Ziff. 4 d zum Umfang des Versicherungsschutzes u.a. vereinbart: "Eingeschlossen sind - abweichend von § 4 Ziff. II 2 AHB in Verbindung mit § 7 Ziff. 1 AHB - .....
2) Ansprüche eines einzelnen Wohnungseigentümers gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer; ..... Ausgeschlossen bleiben Schäden am Gemeinschafts-, Sonder- und Teileigentum." Anläßlich einer Wohnungsrenovierung im Herbst 1998 wurde am gemeinschaftlichen Eigentum echter Hausschwamm festgestellt. Die betroffenen Gebäudeteile wurden saniert, wobei raumweise Zwischendekken entfernt, Balkone abgebrochen, Wandputz abgeschlagen, Teppichböden entfernt und Heizkörper demontiert werden mußten. Die Kosten der Wiederherstellung des Gemeinschaftseigentums sowie der Wohnungen der betroffenen Wohnungseigentümer trugen die Kläger gemeinschaftlich. Weiterhin ersetzten sie der Klägerin zu 20) einen Mietzinsausfall für die Zeit von Mitte November 1998 bis Juli 1999 in Höhe von 10.540 DM, der Klägerin zu 16) Mietzinszahlungen für eine von Oktober 1998 bis Ende April 1999 angemietete Ersatzwohnung in Höhe von 6.896,40 DM sowie der Klägerin zu 21) Transportkosten für zwischenzeitlich ausgelagerte Möbel in Höhe von 1.848,44 DM.

Die Kläger verlangen für diese Zahlungen Ersatz. Außerdem begehren sie Freistellung von weiteren Mietausfallkosten, die die Klägerin zu 20) für die Monate August und September 1999 in Höhe von 2.480 DM ihnen gegenüber geltend macht. Der Beklagte lehnt Leistungen ab, weil insoweit kein Versicherungsschutz bestehe.
In beiden Vorinstanzen hatte die Klage hinsichtlich dieser Positionen Erfolg; weitere, von den Klägern erfolglos geltend gemachte Ersatzansprüche sind nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hält den Beklagten im ausgeurteilten Umfang für bedingungsgemäß leistungspflichtig. Bei dem allein in Betracht kommenden Anspruch der Wohnungseigentümer gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aus § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG handele es sich um einen von der Haftpflichtversicherung gedeckten echten Schadensersatzanspruch. Seine verschuldensunabhängige Ausgestaltung und die ihm zugrunde liegenden aufopferungsähnlichen Grundgedanken änderten daran nichts.

Die Mietausfall-, Mietzinszusatz- und Möbeltransportkosten stellten sogenannte unechte Vermögensschäden dar, die zwar im Vermögen des Geschädigten einträten, jedoch adäquat kausal auf einen Sachschaden zurückzuführen seien. Derartige Folgeschäden seien von der Ausschlußklausel in Teil A Ziff. 4 d BB nicht erfaßt. Diese schließe ausdrücklich nur Schäden am Eigentum aus, d.h. an körperlichen Sachen. Folgeschäden würden nicht erwähnt. Die Klausel sei daher aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers so zu verstehen, daß der Ausschluß nur auf den unmittelbaren Sachschaden beschränkt sei.
Das hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.
II. 1. Entgegen der Auffassung der Revision fehlt es nicht schon an einem den Klägern zuzurechnenden Schadenereignis im Sinne von § 1 Ziff. 1 AHB.
Die Klausel knüpft die Gewährung von Versicherungsschutz zunächst an den Eintritt eines Ereignisses, das einen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat. Versicherungsschutz setzt weiter voraus, daß der Versicherungsnehmer für diese Folge - also etwa den Sachschaden - aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Gesetzliche Haftpflichtbestimmungen sind dabei solche, die unabhängig vom Willen der beteiligten Parteien an die Verwirklichung eines unter § 1 Ziff. 1 der Bedingungen fallenden Ereignisses Rechtsfolgen knüpfen (std.

Rspr. des BGH, siehe nur Urteil vom 8. Dezember 1999 - IV ZR 40/99 - VersR 2000, 311 unter II 3 a).
Die Kläger begehren Versicherungsschutz für die Inanspruchnahme durch Wohnungseigentümer, die auf § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG gestützt ist. Unterstellt man, daß diese Vorschrift eine gesetzliche Haftpflichtbestimmung darstellt, die die Gemeinschaft zum Schadensersatz verpflichtet (siehe dazu nachfolgend unter 3.), kann es sich bei dem Schadenereignis nur um ein solches handeln, das ebendiesen Anspruch auszulösen geeignet ist. Damit scheidet der Schwammbefall von vornherein aus, denn für dessen Folgen haben die Kläger aufgrund des § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG dem jeweiligen Wohnungseigentümer keinen Schadensersatz zu leisten. Gleiches gilt für das Duldungsverlangen an sich.
Als Schadenereignis kommt vielmehr allein der Eingriff in die im jeweiligen Sondereigentum der betroffenen Wohnungseigentümer stehenden Gebäudeteile (Putz, Teppichböden, Heizkörper, Balkonbelag, vgl. dazu allgemein Pick in Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Aufl. § 5 Rdn. 27 m.w.N.) in Betracht. Diese Eingriffe waren zur Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich. Deshalb sind die Wohnungseigentümer gemäß § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG zum Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verpflichtet. Diese Eingriffe sind den Klägern auch haftungsrechtlich zuzurechnen. Daran ändert nichts, daß sie bewußt vorgenommen worden sind. Auch ein vom Versicherungsnehmer gewollt herbeigeführtes Ereignis kann ein Schadenereignis sein. Versicherungsschutz besteht allerdings dann

nicht, wenn dies vorsätzlich und widerrechtlich geschehen ist (vgl. § 152 VVG und § 4 I Ziff. 1 AHB). Das war hier jedoch nicht der Fall. Denn die betroffenen Wohnungseigentümer waren gemäß § 14 Nr. 4 Halbsatz 1 WEG zur Duldung der - mithin rechtmäßigen - Eingriffe verpflichtet.
2. Zutreffend geht das Berufungsgericht auch davon aus, daß § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG eine gesetzliche Haftpflichtbestimmung mit privatrechtlichem Inhalt ist. Die an die Eingriffe in das Sondereigentum geknüpfte Rechtsfolge ist vom Willen der Beteiligten unabhängig. Denn die Kläger haften ohne weiteres für die daraus entstehenden Schäden.
3. Der Anspruch aus § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG ist auch ein Anspruch auf Schadensersatz im Sinne von § 1 Ziff. 1 AHB. Dies ergibt die Auslegung der Klausel.

a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung , aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muß. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (BGHZ 123, 83, 85; Senatsurteil vom 25. September 2002 aaO unter 2 a). Verbindet allerdings die Rechtssprache mit dem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff, ist anzunehmen, daß darunter auch die Versicherungsbedingungen nichts anderes verstehen wollen (vgl. Senatsurteil vom 8. Dezember 1999 aaO unter II 4 b aa m.w.N.).


b) Ausgangspunkt der Auslegung ist der Klauselwortlaut. Danach setzt Versicherungsschutz unter anderem voraus, daß der Versicherungsnehmer von einem Dritten "auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird". Den Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse führt der Ausdruck Schadensersatz nicht eindeutig in den Bereich der Rechtssprache, weil es dort keinen, in seinen Konturen eindeutig festgelegten Schadensersatzbegriff gibt; in der Umgangssprache umschreibt der Ausdruck Schadensersatz allgemein den Ausgleich eines erlittenen Nachteils (Senatsurteil vom 8. Dezember 1999 aaO unter II 4 b bb). Dementsprechend kann der Versicherungsnehmer unabhängig davon, wie die einschlägige gesetzliche Haftpflichtbestimmung diese Rechtsfolge beschreibt, nach § 1 Ziff. 1 AHB Versicherungsschutz jedenfalls dann erwarten, wenn der Anspruch auf Ausgleich des eingetretenen Schadens im Wege der Wiederherstellung des Zustands vor dem Schadenereignis gerichtet ist (Senatsurteil vom 8. Dezember 1999 aaO unter II 4 b cc). Deshalb besteht etwa Versicherungsschutz für einen Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB, der dieselbe wiederherstellende Wirkung hat wie ein auf Naturalrestitution gerichteter Schadensersatzanspruch (vgl. Senatsurteil vom 8. Dezember 1999 aaO unter II 4 b cc und 5). Gleiches gilt für einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 1999 - V ZR 377/98 - VersR 1999, 1139 unter II 2).

c) Nach diesen Grundsätzen sind auch die gegen die Kläger geltend gemachten Ansprüche solche auf Schadensersatz im Sinne von § 1 Ziff. 1 AHB. § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG sieht als Rechtsfolge die Pflicht vor, den durch den Eingriff entstandenen Schaden zu ersetzen. Darauf

finden die allgemeinen Vorschriften der §§ 249 ff. BGB über Art, Inhalt und Umfang der Schadensersatzleistung uneingeschränkte Anwendung (BayObLG NJW-RR 1994, 1104,1105; KG ZMR 2000, 335 m.w.N.). Zu ersetzen sind danach die Vermögenseinbußen durch zusätzliche Mietzinszahlungen und Möbeltransportkosten, sowie der entgangene Mietzins (§ 249 Abs. 1, 252 BGB).
Daß der Anspruch aus § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG verschuldensunabhängig ausgestaltet ist und - wie die Regelung zum Notstand in § 904 Satz 2 BGB, der er nachgebildet ist - einen aufopferungsentschädigenden Charakter hat, weil der Geschädigte den Eingriff in sein Eigentum dulden muß (vgl. BayObLGZ 1987, 50; KG aaO; Pick, aaO § 14 WEG Rdn. 60; Lüke in Weitnauer, WEG, 8. Aufl. § 14 Rdn. 8), steht der Einordnung als Anspruch auf Schadensersatz im Sinne des § 1 Ziff. 1 AHB nicht entgegen. Den Bedingungen ist nicht zu entnehmen, daß der Versicherungsschutz auf Schadensersatzansprüche beschränkt sein soll, die ein widerrechtliches und dem Versicherungsnehmer vorwerfbares Verhalten voraussetzen. Dementsprechend ist in der Literatur seit langem einhellig anerkannt, daß Schadensersatzansprüche im Sinne von § 1 Ziff. 1 AHB grundsätzlich auch solche sein können, die - wie etwa die Ansprüche aus §§ 228 Satz 2, 904 Satz 2 BGB - Ersatz für von Dritten zu duldende Beeinträchtigungen gewähren (vgl. Voit in Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 1 AHB Rdn. 7; Späte, AHB § 4 Rdn. 205; Littbarski, AHB § 4 Rdn. 369; BK-Baumann, VVG § 149 Rdn. 53; Bruck/Möller/Johannsen, VVG 8. Aufl. Band IV Anm. G 58; Wussow, AHB 8. Aufl. § 1 70 u. 76; Sieg, VersR 1984, 1105, 1107).

III. Entgegen der Auffassung der Revision greift auch der Lei- stungsausschluß in Teil A Ziff. 4 d Satz 2 BB zugunsten des Beklagten nicht ein. Aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ist die Klausel so zu verstehen, daß nur unmittelbare Sachschäden, nicht jedoch Folgeschäden von der Leistungspflicht ausgenommen sind.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Risikoausschlußklauseln eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, daß er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne daß die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht (Senatsurteile vom 25. September 2002 aaO unter 2 a und vom 17. März 1999 - IV ZR 89/98 - VersR 1999, 748 unter 2 a, jeweils m.w.N.). Hiervon ausgehend hat der Bundesgerichtshof etwa § 4 I Ziff. 6 b AHB, wonach sich der Versicherungsschutz nicht auf Haftpflichtansprüche wegen Schäden bezieht, die an fremden Sachen durch eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder mit diesen Sachen entstanden sind, so ausgelegt, daß damit nur der unmittelbare Sachschaden von der Leistungspflicht des Versicherers ausgeschlossen ist (BGHZ 88, 228, 231; Senatsurteil vom 17. März 1999 aaO; vgl. auch BGHZ 23, 349, 352 ff.).
2. Zum gleichen Ergebnis führt die Auslegung der Klausel in Teil A Ziff. 4 d Satz 2 BB, soweit danach Schäden einzelner Wohnungseigentümer am Sonder- und Teileigentum ausgeschlossen bleiben.

Die Klausel nennt nach ihrem Wortlaut nur Schäden "am" Eigen- tum, sei es Gemeinschafts-, Sonder- oder Teileigentum. Folgeschäden werden nicht erwähnt. Damit ist aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse nur der unmittelbare Sachschaden von dem Ausschluß erfasst. Es kann dahinstehen , ob es sich bei den verwendeten Ausdrücken um fest umrissene Rechtsbegriffe handelt und ob sie deshalb im Sinne der Rechtssprache zu verstehen sind (vgl. dazu Senat, Urteil vom 8. Dezember 1999 aaO unter II 4 b aa m.w.N. und vorstehend unter III 3 a). Denn sowohl in der Rechtssprache als auch im allgemeinen Sprachgebrauch werden unmittelbare Schäden am verletzten Recht oder Rechtsgut selbst und mittelbare Schäden als Einbußen am sonstigen Vermögen (Vermögensfolgeschäden , unechte Vermögensschäden) unterschieden (vgl. MünchKommBGB-Oetker, 4. Aufl. § 249 Rdn. 94 f.; Staudinger/Schiemann , BGB 13. Bearb. 1998 vor § 249 Rdn. 43 f.; Palandt/Heinrichs, BGB 62. Aufl. vor § 249 Rdn. 15). Dabei wird der Eigentumsbegriff im allgemeinen Sprachgebrauch wie auch im bürgerlichen Recht auf Sachen , also bewegliche oder unbewegliche körperliche Gegenstände, bezogen (vgl. MünchKommBGB/Holch, 4. Aufl. § 90 Rdn. 7 sowie MünchKommBGB /Säcker, 3. Aufl. § 903 Rdn. 1; Palandt/Bassenge, aaO § 903 BGB Rdn. 2). Nur Beeinträchtigungen der Sachsubstanz selbst sind daher , auch aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers, als Schäden "am" Eigentum anzusehen.
Danach erfaßt die Ausschlußklausel in Teil A Ziff. 4 d Satz 2 BB Aufwendungen zur Behebung von Schäden an den betroffenen Gebäudebestandteilen. Die streitbefangenen Aufwendungen sind jedoch erst

infolge der Beschädigungen der Sachsubstanz eingetreten. Für derartige mittelbare (Vermögens-) Schäden gilt der Risikoausschluß nach der gebotenen engen Auslegung nicht.
Terno Dr. Schlichting Ambrosius
Wendt Felsch

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.