Bundesgerichtshof Urteil, 23. Feb. 2005 - IV ZR 273/03

bei uns veröffentlicht am23.02.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 273/03 Verkündet am:
23. Februar 2005
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
_____________________
AGBG § 9 Bk; BGB (2.1.2002) § 307 Abs. 1 Satz 2 Bk; AVB f. Unfallvers. (AUB
94) § 7
Eine Fristenregelung wie in den §§ 1 und 7 AUB 94 in Allgemeinen Versicherungsbedingungen
eines Unfallversicherers genügt den Anforderungen des
Transparenzgebots.
BGH, Urteil vom 23. Februar 2005 - IV ZR 273/03 - OLG München
LG München I
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Februar 2005

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 25. November 2003 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger macht einen Anspruch aus einer privaten Unfallversicherung geltend. Dem Versicherungsvertrag liegen Allgemeine Versicherungsbedingungen zugrunde (im folgenden: AVB), die - soweit hier von Bedeutung - im wesentlichen den AUB 94 entsprechen. Zu den Voraussetzungen des Anspruchs heißt es dort: § 1 Der Versicherungsfall I. Der Versicherer bietet Versicherungsschutz bei Unfällen , die dem Versicherten während der Wirksamkeit des Vertrages zustoßen. Die Leistungsarten, die versichert werden können, ergeben sich aus § 7; aus Antrag und Versicherungsschein ist ersichtlich, welche Leistungsarten jeweils vertraglich vereinbart sind. ...

§ 7 Die Leistungsarten Die jeweils vereinbarten Leistungsarten und deren Höhe (Versicherungssummen) ergeben sich aus dem Vertrag. Für die Entstehung des Anspruchs und die Bemessung der Leistung gelten die nachfolgenden Bestimmungen. I. Invaliditätsleistung (1) Anspruch auf Kapitalleistung aus der für den Invaliditätsfall versicherten Summe entsteht, wenn der Unfall innerhalb von 15 Monaten zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit (Invalidität) führt und diese Beeinträchtigung spätestens 15 Monate nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und geltend gemacht worden ist. ... Am 24. Februar 2001 stürzte der Kläger auf einer S teintreppe und zog sich eine Achillessehnenteilruptur zu. Er mußte nach einer Nothilfeversorgung zunächst einen Unterschenkelgips, dann einen elastischen Verband und später einen Achillessehnenstrumpf tragen. Anschließend erhielt er eine Bewegungstherapie und Kräuterbäder. Auf Dauer verbleibende Schäden wurden von den behandelnden Orthopäden nicht festgestellt. Vielmehr behauptet der Kläger, die Ärzte hä tten ihm wiederholt erklärt , sein Bein werde wieder in Ordnung kommen. Erst mit Schreiben vom 4. August 2002 teilte der Kläger der Beklagten mit, daß er eine Verletzung an der Achillessehne erlitten habe und seitdem täglich unter Schmerzen leide. Am 24. September 2002 suchte der Kläger einen anderen Orthopäden auf, der eine deutliche Verdickung und einen unfallabhängigen Dauerschaden attestierte. Die Beklagte lehnte Versicherungsschutz u.a. wegen Versäumung der in § 7 I (1) AVB vorgeschriebenen Frist für die ärztliche Feststellung der Invalidität ab. Der Kläger meint, diese Frist sei in den Versicherungsbedingungen der Beklagten nicht klar und verständlich dargestellt worden.

Die Klage auf Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten, für das Unfallereignis vom 24. Februar 2001 Versicherungsschutz zu leisten, hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der Kläger verfolgt seinen Antrag mit der Revision weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision bleibt ohne Erfolg. Die Klage ist mit Recht abgewiesen worden.
I. 1. Das Berufungsgericht sieht keinen Verstoß ge gen das Transparenzgebot , so wie es als Maßstab der Inhaltskontrolle von Geschäftsbedingungen in langjähriger Rechtsprechung entwickelt worden sei. Ob die Anforderungen insoweit durch die Regelung in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42) erhöht worden seien, könne offen bleiben, weil sich der Unfall, aus dem der Kläger seinen Anspruch herleite, vor Inkrafttreten der Neuregelung ereignet habe (Art. 229 § 5 EGBGB). Durch das Erfordernis fristgerechter ärztlicher Feststellung würden Spätschäden im Interesse arbeits- und kostensparender Abwicklung vom Versicherungsschutz ausgenommen , auch wenn der Versicherte die Frist schuldlos versäumt habe (BGHZ 137, 174, 177). Die Berufung der Beklagten auf den Fristablauf sei auch nicht rechtsmißbräuchlich. Wenn Ärzte dem Versicherten zu Unrecht erklärt hätten, es würden nach dem Unfall keine Dauerfolgen zu-

rückbleiben, trage der Versicherer dafür keine Verantwortung (BGHZ 130, 171, 176).
2. Dem hält die Revision entgegen, die höchstricht erliche Rechtsprechung habe bisher nicht zu der Frage Stellung genommen, ob die zum Verlust des Versicherungsschutzes führenden Fristen in den Versicherungsbedingungen der Beklagten hinreichend klar und verständlich gemacht würden. Schon vor Inkrafttreten von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sei anerkannt gewesen, daß eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsoder Versicherungsbedingungen unwirksam sei, wenn die getroffene Regelung dem Transparenzgebot nicht genüge. Für den durchschnittlichen Kunden ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse werde insbesondere durch Aufbau und Gestaltung der AUB 94 verschleiert, daß der in § 1 der Versicherungsbedingungen gewährte Versicherungsschutz bei einem Unfall später in § 7 unter der irreführenden Überschrift "Leistungsarten" zusätzlich von der Einhaltung bestimmter Fristen etwa für die ärztliche Feststellung eines Dauerschadens abhängig gemacht werde (vgl. Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. AUB 94 § 7 Rdn. 8; ders. r+s 2002, 485, 489; Römer in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 179 Rdn. 21; Hormuth in Terbille, Münchener Anwalts Handbuch Versicherungsrecht , § 23 Rdn. 36).
II. Diese Bedenken teilt der Senat nicht. Die Fris tenregelung in § 7 I (1) AVB hält, insbesondere soweit sie für die Entstehung des Anspruchs auf Invaliditätsleistung voraussetzt, daß spätestens 15 Monate nach dem Unfall eine dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit von einem Arzt schriftlich festgestellt worden

sein muß, einer Inhaltskontrolle auch am Maßstab des Transparenzgebots stand.
1. Dabei kommt es auch nach Meinung der Revision n icht darauf an, ob das Transparenzgebot seine Grundlage - wie im vorliegenden Fall - noch in § 9 AGBG findet oder bereits in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Mit der neuen Vorschrift war eine inhaltliche Änder ung der bisher von der Rechtsprechung zum Transparenzgebot entwickelten Grundsätze nicht bezweckt (MünchKommBGB/Basedow, 4. Aufl. Bd. 2 a, § 307 Rdn. 48 m.w.N.; Palandt/Heinrichs, BGB 64. Aufl. § 307 Rdn. 16). Nicht zweifelhaft ist auch, daß die hier streitigen Fristen das Hauptleistungsversprechen des Versicherers lediglich ausgestalten oder modifizieren und deshalb schon unter der Geltung von § 8 AGBG der gerichtlichen Kontrolle unterlagen (vgl. BGHZ 137, 174, 175).
2. Der Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingun gen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen (Transparenzgebot); insbesondere müssen Nachteile und Belastungen so weit erkennbar werden, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGHZ 147, 373, 377 f.; 141, 137, 143). Eine Regelung muß nicht nur aus sich heraus klar und verständlich sein; sie hält einer Inhaltskontrolle auch dann nicht stand, wenn sie an verschiedenen Stellen in den Bedingungen niedergelegt ist, die nur schwer miteinander in Zusammenhang zu bringen sind, oder wenn der Regelungsgehalt auf andere Weise durch die Verteilung auf mehrere Stellen verdunkelt wird (BGH, Urteile vom 10. März 1993 - VIII ZR 85/92 - NJW 1993, 2052 unter III; vom 11. Februar 1992 - XI ZR 151/91 - NJW 1992, 1097 unter II 1).

Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Versicherungsnehmers an, von dem allerdings die aufmerksame Durchsicht der Bedingungen, deren verständige Würdigung und die Berücksichtigung ihres erkennbaren Sinnzusammenhangs erwartet werden kann (BGHZ 123, 83, 85; Senatsurteil vom 9. Juli 2003 - IV ZR 74/02 - NJWRR 2003, 1247 = VersR 2003, 1163, jeweils unter II 2 c (1); vgl. ferner BGH, Beschluß vom 23. März 1995 - VII ZR 228/93 - NJW-RR 1995, 749 unter 2 a). Jedes eigene Nachdenken kann dem Kunden nicht erspart bleiben (BGHZ 112, 115, 121). Eine Überspannung des Transparenzgebots würde letztlich wieder Intransparenz mit sich bringen (BGH, Urteil vom 10. März 1993, aaO).
3. a) Die hier streitige Klausel in § 7 I (1) AVB ist weder hinsichtlich der einzuhaltenden Fristen noch der Bedeutung dieser Fristen für den Versicherungsschutz aus sich heraus unklar oder schwer verständlich (so auch Knappmann in Prölss/Martin, aaO Rdn. 8; Römer, aaO). Soweit Schwintowski (VuR 1998, 195 f.) das Transparenzgebot dadurch verletzt sieht, daß es für den Versicherungsschutz auf Zufallswirkungen ankomme, nämlich ob die unfallbedingte Invalidität noch innerhalb der in den Bedingungen genannten Fristen eintrete und ärztlich festgestellt werden könne oder nicht, geht es nicht um die Durchschaubarkeit der Regelung, sondern um deren Inhalt. Insoweit hat der Senat in BGHZ 137, 174, 176 f. ausgesprochen, daß die - der hier in Rede stehenden Klausel inhaltlich im wesentlichen entsprechende - Klausel in § 7 I (1) Abs. 2 AUB 88 wegen des damit bezweckten Ausschlusses von Spätschäden einer Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 AGBG standhält. Daran wird festgehalten.

Dies gilt auch, soweit die Revision meint, bei der Regelung in § 7 I (1) AVB über die fristgerechte ärztliche Feststellung der Invalidität handle es sich um eine verhüllte Obliegenheit, die schon deshalb unwirksam sei, weil ihr wahrer Charakter als einer Obliegenheit, deren Verletzung nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit zur Leistungsfreiheit führe (§ 10 AVB), zum Nachteil des Versicherungsnehmers verschleiert werde (vgl. Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz 9. Aufl. Anh. §§ 9-11 Rdn. 859; Horn in Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz 4. Aufl. § 23 Rdn. 480). Der Senat hat indessen bereits entschieden, daß das Erfordernis fristgerechter ärztlicher Feststellung der Invalidität eine Anspruchsvoraussetzung ist, für die es keinen Entschuldigungsbeweis gibt (BGHZ 137, 174, 177; Urteil vom 28. Juni 1978 - IV ZR 7/77 - VersR 1978, 1036 unter 1). Insoweit läßt der Wortlaut des § 7 I (1) AVB keinen Zweifel aufkommen.

b) Die Einsicht, daß ein Anspruch auf Versicherung sschutz bei Invalidität nur bei Einhaltung der in § 7 I (1) AVB vorgesehenen Fristen besteht, wird dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, wenn er die Bedingungen mit der von ihm zu fordernden Aufmerksamkeit durchsieht, aber auch durch deren Aufbau und Gliederung nicht verstellt. Die Auffassung der Revision, § 1 I AVB vermittle dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer den Eindruck, ihm werde in dieser Bestimmung bereits ein Anspruch auf Versicherungsschutz abschließend zugesagt, wenn es zu einem Unfall gekommen sei, greift zu kurz: Der im ersten Satz dieser Vorschrift angebotene Versicherungsschutz bleibt seinem Inhalt nach vielmehr völlig unbestimmt. Insofern wird der Leser aber im zweiten Satz sogleich auf die Leistungsarten hingewiesen, die versichert werden können und sich aus § 7 der Bedingungen ergeben. Wenn der Begriff "Lei-

stungsarten" in § 1 I AVB für den Versicherungsnehmer nicht aus sich heraus verständlich sein sollte, wie die Revision meint, erschließt sich seine Bedeutung jedenfalls aus dem in Bezug genommenen § 7, der unter I die Invaliditätsleistung, unter II die Übergangsleistung, unter III das Tagegeld, unter IV das Krankenhaustagegeld, unter V das Genesungsgeld und unter VI die Todesfalleistung regelt. § 1 I verdeutlicht, daß es für einen Anspruch auf eine der genannten Leistungen keineswegs nur auf das Vorliegen eines Unfalls ankommt, sondern zunächst darauf, daß eine Verpflichtung zu einer oder mehreren der genannten Leistungen überhaupt vertraglich vereinbart worden ist. § 1 I AVB sagt in seinem zweiten Satz aber nicht etwa, daß der Versicherer bei einem Unfall Zahlungen leistet, soweit überhaupt Leistungen vertraglich vereinbart sind, sondern daß sich die Leistungsarten, die versichert werden können und nach Antrag sowie Versicherungsschein vereinbart worden sind, selbst erst aus § 7 ergeben. Dem verständigen Versicherungsnehmer kann jedenfalls nicht verborgen bleiben, daß es für den inhaltlich in § 1 I AVB nicht konkretisierten Versicherungsschutz entscheidend auf § 7 AVB ankommt.
Dessen Lektüre kann er sich also nicht ersparen, w enn er über den Versicherungsschutz, der ihm zusteht, auch nur in groben Zügen informiert sein will. Daß die in § 7 getroffenen Regelungen dem Leser nicht schon in unmittelbarem Anschluß an § 1 AVB präsentiert werden, ändert nichts an der Klarheit und Verständlichkeit der sich aus § 1 I ergebenden Bezugnahme. § 7 weist den Leser schon einleitend vor den unter römischen Ziffern aufgeführten Leistungsarten darauf hin, daß die nachfolgenden Bestimmungen nicht erst für die Bemessung der Leistung, sondern schon für die Entstehung des Anspruchs gelten. Selbst wenn der

Versicherungsnehmer diese Einleitung unbeachtet läßt und sich sogleich der von ihm vereinbarten Leistungsart, hier also der Invaliditätsleistung, zuwendet, macht der Text des § 7 unter I (1) klar, daß es einen Anspruch auf Kapitalleistung wegen Invalidität nur gibt, wenn eine dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit innerhalb einer bestimmten Frist (hier spätestens 15 Monate nach dem Unfall) eintritt , wenn diese Beeinträchtigung innerhalb dieser Frist außerdem schriftlich von einem Arzt festgestellt und geltend gemacht wird. Um dies zu erkennen, bedarf es keiner juristisch-dogmatischen Unterscheidung zwischen dem Versicherungsfall als solchem und der Entstehung des Anspruchs gegen den Versicherer (vgl. Römer in Römer/Langheid, aaO § 179 Rdn. 4).
Mit dieser Regelungstechnik sind die Voraussetzung en für den Anspruch auf Versicherungsschutz zwar nicht an einer Stelle in den Bedingungen zusammenhängend dargestellt. Das wäre indessen wegen der vielfältigen und unterschiedlichen Leistungen, die bei einem Unfall vereinbart werden können, weder einfach noch besonders naheliegend für einen Versicherungsnehmer, der nach seinen Vertragsunterlagen - wie hier - nicht schlechthin Unfallversicherungsschutz vereinbart hat, sondern neben einem Unfall-Krankenhaustagegeld u.a. bei Invalidität durch Unfall die Zahlung eines dem Invaliditätsgrad entsprechenden Betrages, wobei im Versicherungsschein ausdrücklich auf § 7 AVB hingewiesen wird. Es bedarf hier nicht der Entscheidung, ob die Anspruchsvoraussetzungen in der Unfallversicherung auch klarer und verständlicher formuliert werden könnten, als dies in den hier zu prüfenden Bedingungen geschehen ist. Diese machen die Regelung auch für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer jedenfalls hinreichend deutlich, zieht man die

Schwierigkeiten der zu regelnden Materie einerseits und die vom Versicherungsnehmer zu fordernde Aufmerksamkeit, verständige Würdigung und Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs andererseits in Betracht.

c) Daran ändert auch die Regelung in § 9 I AVB nic hts. Die Revision meint, da die dort vom Versicherungsnehmer unverzüglich nach dem Unfall geforderte Hinzuziehung eines Arztes als Obliegenheit bezeichnet werde, die nach § 10 AVB nur bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung zum Verlust des Versicherungsschutzes führe, sei für den Versicherungsnehmer unklar, ob dies nicht auch für die in § 7 I (1) AVB vorausgesetzte Zuziehung eines Arztes für die schriftliche Feststellung der Invalidität gelte. Eine solche Beziehung zwischen den §§ 7 I und 9 I AVB herzustellen, liegt indessen fern. Anders als in § 1 I AVB nehmen die §§ 7 I, 9 I und 10 AVB im Text nicht auf einander Bezug. Vor allem wird dem aufmerksam lesenden Versicherungsnehmer nicht entgehen, daß die in § 9 I AVB angeordnete Obliegenheit den Zweck hat, die Unfallfolgen möglichst zu mindern, wie sich aus dem zweiten Satz dieser Bestimmung ergibt. Damit hat die in § 7 I (1) AVB binnen 15 Monaten nach dem Unfall geforderte schriftliche Feststellung eines Arztes über eine etwa auf Dauer verbleibende Unfallfolge nichts zu tun. Das wird dem Versicherungsnehmer, wenn er §§ 7 I (1) und 9 I AVB überhaupt miteinander in Beziehung bringt, aus Wortlaut und Sinnzusammenhang dieser Regelungen jedenfalls klar werden.
Die Bedenken der Revision gegen die Wirksamkeit de s § 7 I (1) AVB sind mithin unbegründet.

4. Dabei darf nicht übersehen werden, daß die Beru fung des Versicherers auf den Ablauf der Frist zur ärztlichen Feststellung der Invalidität im Einzelfall rechtsmißbräuchlich sein kann, so daß die Versäumung der Frist dem Versicherungsnehmer nicht schadet. Das hat der Senat angenommen, wenn ein unveränderlicher Gesundheitsschaden tatsächlich vor Fristablauf in einem ärztlichen Bericht erwähnt worden ist, etwa weil der behandelnde Unfallchirurg die Gallenblase entfernt hatte, eine daraus folgende Invalidität aber nicht ausdrücklich fristgerecht ärztlich festgestellt wurde (BGHZ 130, 171, 178 f.; 137, 174, 177). Darüber hinaus kann sich die Berufung auf den Fristablauf als rechtsmißbräuchlich darstellen, wenn dem Versicherer bereits vor Fristablauf ein Belehrungsbedarf des Versicherungsnehmers hinsichtlich der zu wahrenden Frist deutlich wird, er aber gleichwohl eine solche Belehrung unterläßt (vgl. Knappmann, r+s 2002, 485, 489). Davon kann auszugehen sein, wenn der Versicherte Invaliditätsansprüche rechtzeitig geltend macht, seine Angaben oder die von ihm vorgelegten ärztlichen Atteste den Eintritt eines Dauerschadens nahelegen, die erforderliche ärztliche Feststellung der Invalidität aber noch fehlt (OLG Köln VersR 1995, 907; OLG Hamm NVersZ 1999, 567). Gleiches kann anzunehmen sein, wenn der Versicherer nach Geltendmachen von Invalidität von sich aus noch innerhalb der Frist zur ärztlichen Feststellung ein ärztliches Gutachten einholt, ohne den Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen, daß er unbeschadet dessen selbst für eine fristgerechte ärztliche Feststellung der Invalidität zu sorgen habe (OLG Saarbrücken VersR 1997, 956, 958; OLG Oldenburg NVersZ 2000, 85 f.; zu alledem Knappmann in Prölss/Martin, aaO Rdn. 22 f.; Manthey, NVersZ 2001, 55, 57 f.).

Daß im vorliegenden Fall von einem rechtsmißbräuch lichen Verhalten der Beklagten nicht ausgegangen werden kann, stellt das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei fest.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 23. Feb. 2005 - IV ZR 273/03

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 23. Feb. 2005 - IV ZR 273/03

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 307 Inhaltskontrolle


(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG
Bundesgerichtshof Urteil, 23. Feb. 2005 - IV ZR 273/03 zitiert 3 §§.

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Bundesgerichtshof Urteil, 09. Juli 2003 - IV ZR 74/02

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 74/02 Verkündet am: 9. Juli 2003 Heinekamp Justizobersekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein __________________
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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 151/11 Verkündet am: 11. Juli 2012 Bott Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dur

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 164/11 Verkündet am: 11. Juli 2012 Bott Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja AVB Lebensvers

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZR 260/04 vom 30. November 2005 in dem Rechtsstreit Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 30. November 2005 durch die Richter Seiffert, Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und Dr. Franke beschlossen: Die Be

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(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 74/02 Verkündet am:
9. Juli 2003
Heinekamp
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
AUB 88 § 7 I (2) a; AGBG § 5; BGB § 305c Abs. 2
Die in der Gliedertaxe (§ 7 I (2) a AUB 88) enthaltene Wendung "... Funktionsunfähigkeit
... einer Hand im Handgelenk ..." ist unklar (§§ 5 AGBG, 305c Abs. 2 BGB).
BGH, Urteil vom 9. Juli 2003 - IV ZR 74/02 - OLG Hamm
LG Essen
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Dr. Schlichting, die Richterin
Ambrosius und die Richter Wendt und Felsch auf die mündliche Ver-
handlung vom 9. Juli 2003

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 7. November 2001 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der Beklagten, bei der er eine private Unfallversicherung unterhält, eine höhere Invaliditätsentschädigung als bereits bezahlt. Die Parteien streiten um die richtige Bemessung des Invaliditätsgrades und hierbei insbesondere darum, wie der in den Versicherungsbedingungen enthaltene Begriff der "Funktionsunfähigkeit einer Hand im Handgelenk" auszulegen ist.
Der Kläger erlitt durch einen Unfall einen Trümmerbruch der Speiche des linken Armes, mit Gelenkflächenbeteiligung und Schädigung der distalen Handwurzelknochen. Wegen fortdauernder Schmerzen mußte eine künstliche Versteifung des Handgelenks vorgenommen werden.

Einzelne Funktionen der Hand wie Tasten, Fühlen, Bewegen und die Beweglichkeit der Finger sind erhalten geblieben, so daß die Hand für den Kläger nicht vollständig nutzlos, sondern weiterhin teilweise gebrauchsfähig ist.
In der sogenannten Gliedertaxe der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (§ 7 I (2) a und b AUB 88) heißt es hierzu u.a.:
"(2) Die Höhe der Leistung richtet sich nach dem Grad der Invalidität.
a) Als feste Invaliditätsgrade gelten - unter Ausschluß des Nachweises einer höheren oder geringeren Invalidität - bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines Armes im Schultergelenk 70 Prozent eines Armes bis oberhalb des Ellbogengelenks 65 Prozent eines Armes unterhalb des Ellbogengelenks 60 Prozent einer Hand im Handgelenk 55 Prozent. eines Daumens 20 Prozent eines Zeigefingers 10 Prozent eines anderen Fingers 5 Prozent ... eines Fußes im Fußgelenk 40 Prozent
b) Bei Teilverlust oder Funktionsbeeinträchtigung eines dieser Körperteile oder Sinnesorgane wird der entsprechende Teil des Prozentsatzes nach a) angenommen." Der Kläger meint, der Grad seiner Invalidität sei nach der Funktionsbeeinträchtigung seiner Hand und des Handgelenks zu bemessen, die mindestens 80% betrage, so daß sein Invaliditätsgrad mit (80% von 55% =) 44% anzusetzen sei. Auf dieser Basis steht ihm unstreitig eine

Entschädigung von 216.480 DM zu, von der nach Abzug des von der Beklagten bereits geleisteten Betrages noch die mit der Klage geltend gemachten 126.720 DM offenstehen. Die Beklagte vertritt demgegenüber den Standpunkt, daß es auf die Funktionsbeeinträchtigung des ganzen Armes ankomme, die 2/5 betrage. Dementsprechend hat die Beklagte auf der Basis eines Invaliditätsgrades von (2/5 von 70% =) 28% abgerechnet und gezahlt.
Das Landgericht hat auf die Funktionsbeeinträchtigung des Armes abgestellt und die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung der begehrten weiteren Entschädigung mit Ausnahme eines Teils der verlangten Zinsen verurteilt. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des klageabweisenden landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist nicht begründet. Dem Kläger steht die verlangte weitere Invaliditätsentschädigung zu.
I. Das Berufungsgericht hat zunächst ausgeführt, daß es nicht auf die Funktionsbeeinträchtigung des Armes ankomme. Wegen des abstrakten und generellen Maßstabs der Gliedertaxe, die feste Invaliditätsgrade für die in ihr benannten Glieder bestimme, dürfe bei vollständiger Funktionsunfähigkeit des Teilgliedes Hand im Handgelenk der Invaliditätsgrad nicht unter Rückgriff auf die Auswirkungen auf das Restglied ge-

ringer angesetzt werden. Des weiteren hat das Berufungsgericht wegen des seiner Ansicht nach eindeutigen Wortlauts des Begriffs "Funktions- unfähigkeit der Hand im Handgelenk" angenommen, daß es auf die Funktionsunfähigkeit der Hand gerade im Handgelenk und nicht auf die Funktionsunfähigkeit des Teilgliedes Hand ankomme. Bei einer kompletten Versteifung des Handgelenks, wie sie beim Kläger vorliege, sei es deshalb unerheblich, ob das Teilglied Hand noch vorhanden und funktionsfähig sei.
II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
1. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Berufungsgericht die Ausstrahlungen der Funktionsbeeinträchtigung der Hand im Handgelenk auf den ganzen Arm für unbeachtlich erklärt und deshalb nicht den Armwert angewandt (vgl. Senatsurteile vom 30. Mai 1990 - IV ZR 143/89 - VersR 1990, 964 unter 2 a; vom 17. Oktober 1990 - IV ZR 178/89 - VersR 1991, 57 unter 3 b; vom 23. Januar 1991 - IV ZR 60/91 - VersR 1991, 413; vom 17. Januar 2001 - IV ZR 32/00 - VersR 2001, 360 unter 2 a).
2. Im Ergebnis ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht entschieden , daß "Funktionsunfähigkeit einer Hand im Handgelenk" vorliegt, wenn nur das Handgelenk funktionsunfähig ist. Dies ergibt sich aus der Unklarheitenregel der §§ 5 AGBG, 305c Abs. 2 BGB, wonach Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders gehen.


a) Versicherungsbedingungen sind Allgemeine Geschäftsbedingungen und unterliegen daher dem AGBG bzw. den §§ 305 ff. BGB mitsamt der Unklarheitenregel.

b) Die Unklarheitenregel würde nicht eingreifen, wenn, wie das Berufungsgericht meint, die Klausel eindeutig und damit gar nicht auslegungsbedürftig wäre (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB 62. Aufl. § 305c Rdn. 18; BGH, Urteil vom 20. Oktober 1992 - X ZR 74/91 - NJW 1993, 657 unter II 2). Die in der Gliedertaxe gebrauchte Wendung "als feste Invaliditätsgrade gelten ... bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit einer ... Hand im Handgelenk 55%" ist indessen nicht eindeutig. Der Wortlaut weist zwar einerseits auf einen im Handgelenk lokalisierten Verlust, eine dort lokalisierte Funktionsunfähigkeit hin, er läßt aber wegen der Gleichstellung von Verlust und Funktionsunfähigkeit dennoch Zweifel zu, ob es für die Funktionsunfähigkeit nicht auch auf die Hand bis zum Handgelenk ankommen soll.

c) Die demnach erforderliche Auslegung vermag diese Zweifel nicht zu beheben. Es sind vielmehr die Voraussetzungen der Unklarheitenregel gegeben: Die Auslegung führt zu dem Ergebnis, daß die Klausel nach dem Wortlaut unter Berücksichtigung ihres nach verständiger Würdigung zu ermittelnden Sinnes und Zwecks objektiv mehrdeutig ist. Die Mehrdeutigkeit kann auch nicht beseitigt werden, und es bleiben nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden mindestens zwei unterschiedliche Auslegungen vertretbar (BGHZ 112, 65, 68 f.).

(1) Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muß. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an (BGHZ 123, 83, 85). Es ist nicht maßgeblich, was sich der Verwender der Bedingungen bei ihrer Abfassung vorgestellt hat. Die Entstehungsgeschichte der Bedingungen, die der Versicherungsnehmer typischerweise nicht kennt, hat bei der Auslegung außer Betracht zu bleiben (BGH, Urteil vom 17. Mai 2000 - IV ZR 113/99 - VersR 2000, 1090 unter 2 a).
(2) Die vom Berufungsgericht erwogene Auslegung ist möglich.
Die Wortwahl "Hand im Handgelenk" kann den Versicherungsnehmer , der die Bedeutung der Formulierung "im Gelenk" zu erschließen sucht, zu einem Verständnis führen, daß auf die Funktionsunfähigkeit des Gelenks selbst und nicht auf die Funktionsunfähigkeit des Teilgliedes Hand abzustellen ist. In diesem Verständnis kann sich der Versicherungsnehmer insbesondere dadurch bestätigt sehen, daß die Gliedertaxe Teilbereiche eines Gliedes - so des Armes - auch mit Wendungen beschreibt wie "eines Armes bis" (oberhalb des Ellbogengelenks - unterhalb des Ellbogengelenks); Entsprechendes gilt für Teilbereiche des Beines. Wenn einerseits mit der Wendung "bis" ausdrücklich Gliedabschnitte beschrieben werden, deutet im Gegensatz dazu die Wendung "im" auf eine Lokalisierung der Funktionsunfähigkeit gerade im Gelenk selbst hin. Liegt also vollständige Funktionsunfähigkeit des Handgelenks durch dessen Versteifung vor, kann der Versicherungsnehmer die Glie-

dertaxe dahin verstehen, daß allein deshalb ein Invaliditätsgrad von 55% zugrunde zu legen ist. Selbst wenn trotz der Funktionsunfähigkeit des Handgelenks die Hand selbst noch teilweise funktionsfähig geblieben sein sollte, muß das den Versicherungsnehmer nicht notwendig zu einer anderen Einschätzung führen. Denn er darf auch berücksichtigen, daß es in § 7 I (2) a AUB 88 einleitend heißt: "Als feste Invaliditätsgrade gelten - unter Ausschluß des Nachweises einer höheren oder geringeren Invalidität...". Zwar erkennt der Versicherungsnehmer auch, daß der Verlust einer Hand im Handgelenk der Funktionsunfähigkeit im Gelenk bei verbleibender Teilfunktionsfähigkeit der Hand in seinen Auswirkungen nicht gleichstehen muß, gleichwohl aber der gleiche Invaliditätsgrad - also eine gleich hohe Entschädigung - in Betracht kommt. Der Versicherungsnehmer kann das auf die mit der Gliedertaxe vorgenommene pauschalisierende Bewertung des Invaliditätsgrades zurückführen, deren versicherungswirtschaftliche oder medizinische Rechtfertigung sich ihm ohnehin nicht erschließt. Das gilt auch und gerade mit Blick auf die Gleichstellung von Verlust und Funktionsunfähigkeit von Gliedern oder Gliedteilbereichen.
(3) Auf der anderen Seite ist aber auch eine Auslegung dahin möglich, daß "Funktionsunfähigkeit einer Hand im Handgelenk" ihrerseits die Funktionsunfähigkeit der restlichen Hand voraussetzt (vgl. Knappmann , VersR 2003, 430, 431).
Das kann dem Versicherungsnehmer der Aufbau der Gliedertaxe nahelegen. Die Gliedertaxe sieht Abstufungen des Invaliditätsgrades - etwa des Armes - vor, nachdem der Invaliditätsgrad mit der Rumpfnähe der in der Gliedertaxe festgelegten Teilbereiche ansteigt. Diese Abstu-

fung trägt - dem Versicherungsnehmer erkennbar - den zunehmenden Auswirkungen des jeweiligen Teilgliedverlustes oder der Teilgliedfunktionsunfähigkeit auf die generelle Arbeitsfähigkeit des Menschen Rechnung. Liefert aber die Rumpfnähe des Teilgliedes den Bewertungsmaßstab , läßt sich die Wendung "Hand im Handgelenk" auch dahin verstehen , daß mit ihr - wie mit der Abgrenzung "bis zum" - nur die Grenze eines Gliedteilbereichs beschrieben wird, es also bei der Funktionsunfähigkeit auf die Hand insgesamt ankommt. Für ein solches Verständnis kann auch die Gleichbewertung von Verlust und Funktionsunfähigkeit einer Hand im Handgelenk sprechen. Sie läßt jedenfalls den Schluß zu, daß der Versicherer hier Sachverhalte gleichbehandeln wollte, die sich aus seiner Sicht hinsichtlich des versicherten Risikos gleichen.
(4) Beide Auslegungen sind vertretbar. Die sich aus der mehrdeutigen Formulierung "Hand im Handgelenk" ergebenden Zweifel lassen sich aus der Sicht des um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers nicht überwinden. Diese Auslegungszweifel gehen gemäß §§ 5 AGBG, 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders; es ist deshalb von der für den Versicherungsnehmer günstigeren Auslegung auszugehen.
Soweit sich aus dem (nicht begründeten) Nichtannahmebeschluß des Senats vom 2. Oktober 2002 - IV ZR 222/01 - etwas anderes ergibt, hält der Senat daran nicht fest.

(5) Im vorliegenden Fall ist demgemäß bei der Bemessung der In- validität des Klägers allein darauf abzustellen, daß sein Handgelenk funktionsunfähig ist. Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich danach als im Ergebnis zutreffend.
Terno Richter am Bundesgerichtshof Ambrosius Dr. Schlichting ist wegen Urlaubs verhindert, seine Unterschrift beizufügen. Terno
Wendt Felsch