Bundesgerichtshof Urteil, 01. Dez. 2011 - IX ZR 70/10

bei uns veröffentlicht am01.12.2011
vorgehend
Amtsgericht Pforzheim, 2 C 17/07, 05.07.2007
Landgericht Karlsruhe, 9 S 377/07, 13.11.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 70/10
Verkündet am:
1. Dezember 2011
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein
Lässt das Berufungsgericht auf eine Anhörungsrüge hin die Revision nachträglich
zu, ohne einen darauf bezogenen Gehörsverstoß festzustellen, ist die Zulassungsentscheidung
verfahrensfehlerhaft ergangen und bindet das Revisionsgericht
nicht (im Anschluss an BGH NJW 2011, 1516).
BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - IX ZR 70/10 - LG Karlsruhe
AG Pforzheim
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 1. Dezember 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die
Richter Raebel, Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 13. November 2009 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger vollstreckte aus einem Versäumnisurteil gegen den Schuldner und ließ dessen angebliche Ansprüche gegen die erstbeklagte Drittschuldnerin "auf Zahlung des gesamten gegenwärtigen u. künftigen Arbeitseinkommens und vergleichbarer Einkünfte, beispielsweise aus Dienst- und Auftragsverhältnissen, aus Provisionszahlungen (einschl. des Geldwertes von Sachbezügen), aus Berater- bzw. freiberuflicher Tätigkeit jeder Art"
2
pfänden und sich zur Einziehung überweisen. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde der Beklagten zu 1 am 17. Mai 2006 zugestellt. Sie erkannte die gepfändete Forderung nicht an und überwies dem Schuldner am 1. Juni 2006 einen Betrag von 3.350 € als Vergütung für selbständige Tätigkeit. Mit Schreiben vom 4. Juli 2006 erklärten die Bevollmächtigten des Klägers "die Pfändung für beruhend." Im Oktober 2006 "riefen sie diese wieder an." Am 7. Dezember 2006 wurde über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet.
3
Mit der Drittschuldnerklage verlangt der Kläger nochmalige Zahlung der 3.350 € an sich, weil die Beklagte zu 1 seiner Ansicht nach das Zahlungsverbot der Pfändung missachtet habe. Das Amtsgericht hat die Beklagten verurteilt, das Landgericht hat die Berufung in seinem Urteil vom 11. April 2008 zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen, weil der Fall keine grundsätzliche Bedeutung habe.
4
Auf die Anhörungsrüge der Beklagten hat das Landgericht das Verfahren fortgesetzt, die Berufung abermals zurückgewiesen und die Revision nunmehr zugelassen. Die Beklagten verfolgen mit ihrem Rechtsmittel ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


5
Die Revision ist unzulässig, weil die Zulassungsentscheidung unstatthaft und verfahrensrechtlich nicht bindend ist.

I.


6
Das Berufungsgericht hat seine nachträgliche Revisionszulassung damit begründet, dass es nach nochmaliger Prüfung ihre Voraussetzungen wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache für gegeben erachte. Die entscheidungserhebliche Frage, wie es wirke, wenn der Gläubiger eine ausge- brachte Pfändung für beruhend erkläre, auf die Abführung der pfändbaren Beträge verzichte, aber die Rangfolge wahren wolle, sei bislang nicht höchstrichterlich entschieden. Diese Frage komme für eine Vielzahl von Fällen in Betracht.

II.


7
Das Revisionsgericht ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO an die Zulassung auch dann gebunden, wenn die seitens des Berufungsgerichts für maßgeblich erachteten Zulassungsgründe aus Sicht des Revisionsgerichts nicht vorliegen. Durfte die Zulassung dagegen verfahrensrechtlich überhaupt nicht ausgesprochen werden, ist sie unwirksam. Das gilt auch für eine prozessual nicht vorgesehene nachträgliche Zulassungsentscheidung, welche die Bindung des Gerichts an seine eigene Entscheidung gemäß § 318 ZPO außer Kraft setzen würde (BGH, Urteil vom 4. März 2011 - V ZR 123/10, NJW 2011, 1516 Rn. 4). Die Fortführung des Verfahrens durch das Berufungsgericht nach Anhörungsrüge der Beklagten entbehrte der gesetzlichen Stütze. Die Voraussetzungen des § 321a ZPO lagen offensichtlich nicht vor. Die Zulassung der Revision im zweiten Berufungsurteil ist deshalb wirkungslos.
8
1. Die Anhörungsrüge räumt dem Gericht keine umfassende Abhilfemöglichkeit ein, sondern dient allein der Behebung von Verstößen gegen die grundgesetzliche Garantie des rechtlichen Gehörs. Daran fehlt es hier. In der Sache selbst war angeblich übergangenes Vorbringen jedenfalls nicht entscheidungserheblich ; denn das Berufungsgericht hat ohne wesentliche neue Erwägungen seinen ersten Spruch nach Fortführung des Verfahrens wiederholt. Folglich stand die Vorschrift des § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, die eine entschei- dungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs voraussetzt, der Fortführung des Verfahrens entgegen. Die im ersten Berufungsurteil unterbliebene Zulassung der Revision als solche konnte die Garantie des rechtlichen Gehörs nicht verletzen (BVerfG, NJW-RR 2008, 75, 76; BGH, Urteil vom 4. März 2011, aaO Rn. 6), es sei denn, auf die Zulassungsentscheidung bezogener Vortrag der Parteien wäre verfahrensfehlerhaft übergangen worden (BGH, aaO und Beschluss vom 29. Januar 2009 - V ZB 140/08, WM 2009, 756 Rn. 5). Die Anhörungsrüge kann deshalb nur dann zu einer wirksamen Zulassung der Revision führen, wenn das Verfahren aufgrund eines Gehörsverstoßes gemäß § 321a Abs. 5 ZPO fortgesetzt wird und sich erst aus dem anschließend gewährten rechtlichen Gehör ein Grund für die Zulassung der Revision ergibt (BGH, Urteil vom 4. März 2011, aaO Rn. 7).
9
Art. 103 Abs. 1 GG soll sichern, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die auf mangelnder Kenntnisnahme oder Erwägung des Sachvortrags der Prozessbeteiligten beruhen. Sein Schutzbereich bezieht keine Kontrolle der Entscheidung in der Sache ein (BVerfG, NJW 2005, 3345, 3346; NJW-RR 2008, 75 f, jeweils mwN). Hier haben die Beklagten in der ersten Berufungsverhandlung den Antrag auf Zulassung der Revision gestellt. Dieser Antrag ist nicht besonders begründet worden, sondern fand seine Grundlage nur in den allgemeinen Sach- und Rechtsausführungen der Beklagten. Das Berufungsgericht hat ihn am Ende seines ersten Berufungsurteils abschlägig beschieden.
10
Die Anhörungsrüge der Beklagten hat insoweit auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs behauptet, sondern sich auf die Garantie des gesetzlichen Richters und das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Gewährung effektiven Rechtsschutzes berufen. Selbst wenn diese Verfahrensgrund- rechte willkürlich verletzt worden wären, kann dies nicht unmittelbarer Gegenstand der auf Gehörsverstöße beschränkten Anhörungsrüge sein (BGH, Urteil vom 4. März 2011, aaO Rn. 8).
11
2. Die nachträgliche Zulassung der Revision im zweiten Berufungsurteil kann auch nicht als Entscheidung über eine entsprechend § 321a ZPO erhobene Rüge der Verletzung anderer Verfahrensgrundrechte verstanden werden. Allerdings hat der Bundesgerichtshof in mehreren Entscheidungen die auf eine Gegenvorstellung hin ausgesprochene Zulassung der Rechtsbeschwerde in analoger Anwendung von § 321a ZPO unter der Voraussetzung gebilligt, dass die Zulassung zuvor willkürlich unterblieben ist, und hat dies aus dem Anspruch des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG hergeleitet (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2004 - IXa ZB 182/03, NJW 2004, 2529 f; vom 4. Juli 2007 - VII ZB 28/07, NJW-RR 2007, 1654; vom 11. Juli 2007 - IV ZB 38/06, NJW-RR 2007, 1653 Rn. 4; offen gelassen - jeweils Urteile betreffend - vom BGH, Beschluss vom 19. Januar 2006 - I ZR 151/02, NJW 2006, 1978 Rn. 6; BVerfG, NJW-RR 2008, 75, 76).
12
Ob die Nichtzulassung der Revision als Verstoß gegen andere Verfahrensgrundrechte in analoger Anwendung von § 321a ZPO gerügt werden kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Ein solcher außerordentlicher Rechtsbehelf kann allenfalls dann Erfolg haben, wenn das Berufungsgericht seiner Entscheidung die strengen Voraussetzungen einer solchen Rüge zugrunde gelegt hat (BGH, Urteil vom 4. März 2011, aaO Rn. 10). Sowohl das Gebot des gesetzlichen Richters als auch das Recht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes schützen nicht vor jeder fehlerhaften Anwendung der Prozessordnung, sondern setzen eine willkürlich unterlassene Zulassung (BVerfGE 101, 331, 359 f; BGH, Beschluss vom 19. Mai 2004, aaO) oder eine unzumutbare, sachlich nicht mehr zu rechtfertigende Verkürzung des Instanzenzuges voraus (BVerfG, FamRZ 2010, 1235, 1236 mwN).
13
Weder der Hinweis im Wiedereröffnungsbeschluss nach der Anhörungsrüge noch das zweite Berufungsurteil haben zum Ausdruck gebracht, dass das Berufungsgericht seine Nichtzulassungsentscheidung im ersten Berufungsurteil nachträglich als objektiv willkürlich angesehen hat. Der Senat hat bereits in seinem Hinweisbeschluss vom 17. Februar 2011 dargelegt, dass die Auslegung der Erklärung vom 4. Juli 2006, die Pfändung für beruhend zu erklären, von den Umständen des Einzelfalls abhängen kann und der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung verleiht. Selbst wenn man die gegenteilige Auffassung vertreten wollte, so ist diese Würdigung zumindest nicht willkürlich. Auf die streitige Auslegung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 27. April2006 ist das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang nicht eingegangen. Dass sie bei Meidung von Willkür zur Zulassung der Revision hätte führen müssen, ist weder geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich.
Kayser Raebel Pape
Grupp Möhring

Vorinstanzen:
AG Pforzheim, Entscheidung vom 05.07.2007 - 2 C 17/07 -
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 13.11.2009 - 9 S 377/07 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 01. Dez. 2011 - IX ZR 70/10

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 01. Dez. 2011 - IX ZR 70/10

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 101


(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.
Bundesgerichtshof Urteil, 01. Dez. 2011 - IX ZR 70/10 zitiert 7 §§.

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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

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(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 321a Abhilfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör


(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn1.ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und2.das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches G

Zivilprozessordnung - ZPO | § 318 Bindung des Gerichts


Das Gericht ist an die Entscheidung, die in den von ihm erlassenen End- und Zwischenurteilen enthalten ist, gebunden.

Referenzen - Urteile

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(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.

Das Gericht ist an die Entscheidung, die in den von ihm erlassenen End- und Zwischenurteilen enthalten ist, gebunden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

Das Gericht ist an die Entscheidung, die in den von ihm erlassenen End- und Zwischenurteilen enthalten ist, gebunden.

4
1. Allerdings ist das Revisionsgericht gemäß § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO an die Zulassung auch dann gebunden, wenn die seitens des Berufungsgerichts für maßgeblich erachteten Zulassungsgründe aus Sicht des Revisionsgerichts nicht vorliegen. Durfte die Zulassung dagegen verfahrensrechtlich überhaupt nicht ausgesprochen werden, ist sie unwirksam. Das gilt auch für eine prozessual nicht vorgesehene nachträgliche Zulassungsentscheidung, die die Bindung des Gerichts an seine eigene Endentscheidung gemäß § 318 ZPO außer Kraft setzen würde. So kann die versehentlich unterlassene Zulassung nicht durch ein Ergänzungsurteil gemäß § 321 ZPO nachgeholt werden. Befasst sich das Berufungsurteil nämlich nicht ausdrücklich mit der Zulassung, spricht es damit aus, dass die Revision nicht zugelassen wird, und zwar auch dann, wenn das Berufungsgericht die Möglichkeit der Zulassung gar nicht bedacht hat (BGH, Urteil vom 2. Februar 1966 - VIII ZR 76 u. 77/64, BGHZ 44, 395, 396 ff.; für das Rechtsbeschwerdeverfahren BGH, Beschluss vom 12. März 2009 - IX ZB 193/08, NJW-RR 2009, 1349, 1350; kritisch Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 321 Rn. 16; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 321 Rn. 5). Auch die Zulassung in einem Berichtigungsbeschluss gemäß § 319 ZPO bindet das Revisionsgericht nicht, wenn sich aus dem Urteil selbst keine - auch für Dritte erkennbare - offenbare Unrichtigkeit ergibt (BGH, Urteil vom 8. März 1956 - III ZR 265/54, BGHZ 20, 188, 190 ff.; Senat, Urteil vom 25. Februar 2000 - V ZR 206/99, NJW-RR 2001, 61; für das Rechtsbeschwerdeverfahren Senat, Beschluss vom 16. Dezember 2010 - V ZB 150/10, juris). Nichts anderes gilt, wenn das Berufungsgericht - wie hier - seine bewusste Entscheidung, die Revision nicht zuzulassen, verfahrensfehlerhaft aufgrund einer Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO ändert.

(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.

5
1. Der Statthaftigkeit steht nicht entgegen, dass das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde "in Ergänzung" seines Beschlusses vom 28. Mai 2008 zugelassen hat. Die Rechtsbeschwerde muss zwar in der angefochtenen Sachentscheidung selbst und kann nicht im Wege von deren Ergänzung zugelassen werden (BGH, Beschl. v. 24. November 2003, II ZB 37/02, NJW 2004, 779). Eine solche nicht ausreichende Zulassung der Rechtsbeschwerde durch Beschlussergänzung liegt hier aber nicht vor. Das Beschwerdegericht hat das Beschwerdeverfahren nicht mit dem nach dem Tenor seines Beschlusses ergänzten Beschluss vom 28. Mai 2008 abgeschlossen. Vielmehr hat der Einzelrichter der Kammer, der diesen Beschluss erlassen hat, auf eine Anhörungsrüge des Antragstellers das Verfahren nach § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO fortgesetzt und die Sache, wie geboten (BGHZ 154, 200, 202 f.), auf die Kammer übertragen. Diese hat mit Beschluss vom 11. August 2008 eine neue, das Verfahren abschließende Sachentscheidung getroffen. In diesem Rahmen ist eine nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde zulässig, wenn Verfahrensrechte verletzt worden sind (BGH, Beschl. v. 19. Mai 2004, IXa ZB 182/03, NJW 2004, 2529, 2530; Beschl. v. 4. Juli 2007, VII ZB 28/07, NJW-RR 2007, 1654). So liegt es hier. Das Beschwerdegericht hatte übersehen, dass sich aus dem Vortrag des Antragstellers ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde ergab, und es hatte den Antragsteller mit seiner Einschätzung überrascht, seine Glaubhaftmachung reiche auch im Tatsächlichen nicht aus.

(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

4
2. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Sie ist insbesondere auf die rechtzeitig erhobene Gegenvorstellung im Ergänzungsbeschluss wirksam zugelassen worden (vgl. BGHZ 150, 133, 136 f.; BGH, Beschluss vom 19. Mai 2004 - IXa ZB 182/03 - juris Tz. 7-9 = NJW 2004, 2529 unter III 3). In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
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Die Gerichte sind nach dem Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 47, 182, 187; 96, 205, 216). Dass die Beklagte in dem der Senatsentscheidung vorausgegangenen Rechtsstreit in den Instanzen oder im Revisionsverfahren ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 234 Abs. 1 und Abs. 3 EG angeregt hat, hat die Beklagte in der Anhörungsrüge nicht dargelegt. Vielmehr macht sie die Notwendigkeit einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wegen des Verhältnisses von Ansprüchen nach den Grundsätzen des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes (§§ 3, 4 Nr. 9 UWG) zum Schutz eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters nach der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung erstmals mit der Anhörungsrüge geltend. Der von der Beklagten gerügte Verstoß gegen die Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 1 und Abs. 3 EG betrifft deshalb nicht das Gebot rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG, sondern den Anspruch auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 73, 339, 366; 82, 159, 194; BVerfG DVBl 2004, 1411, 1412). Ob ein Verstoß gegen den Anspruch auf den gesetzlichen Richter in entsprechender Anwendung des § 321a ZPO gerügt werden kann, braucht im Streitfall nicht abschließend entschieden zu werden (bejahend: Zöller/Vollkommer , ZPO, 25. Aufl., § 321a Rdn. 3; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 27. Aufl., § 321a Rdn. 8; kritisch zur Beschränkung des § 321a ZPO auf einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG auch: Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 321a Rdn. 7, Aktualisierungsstand 26.4.2005; offen gelassen: Begründung zum Regierungsentwurf BR-Drucks. 663/04, S. 33). Für eine analoge Anwendung des § 321a ZPO auf die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter spricht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach Verstöße gegen Verfahrensgrundrechte durch Selbstkontrolle der Fachgerichte im Instanzenzug oder eine analoge Anwendung von Prozessrechtsnormen behoben werden sollen (vgl. Plenarbeschl. v. 30.4.2003 - 1 PBvU 1/01, BVerfGE 107, 395, 397). Zu den Verfahrensgrundrechten, die der Einhaltung eines rechtsstaatlichen Mindeststandards dienen, zählt auch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (BVerfGE 107, 395, 407). Dass das Bundesverfassungsgericht im Plenarbeschluss vom 30. April 2003 einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip i.V. mit Art. 103 Abs. 1 GG festgestellt hat, wenn eine Verfahrensordnung keine fachgerichtliche Abhilfemöglichkeit für den Fall vorsieht, dass ein Gericht in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, schließt eine analoge Anwendung des § 321a ZPO auf eine Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter nicht aus (vgl. auch BGH NJW 2004, 2529; BFH NJW 2005, 526). Denn der Vorlagebeschluss des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts war auf eine behauptete Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG beschränkt (BVerfGE 107, 395, 408). Die Frage der analogen An- wendung des § 321a ZPO auf eine Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter kann aber deshalb offen bleiben, weil gegen dieses Grundrecht vorliegend nicht verstoßen worden ist.

(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.