Bundesgerichtshof Urteil, 08. Dez. 2017 - V ZR 16/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:081217UVZR16.17.0
bei uns veröffentlicht am08.12.2017
vorgehend
Amtsgericht Ahrensburg, 42 C 1480/15, 02.06.2016
Landgericht Lübeck, 14 S 128/16, 01.12.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 16/17 Verkündet am:
8. Dezember 2017
Rinke
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
LSchliG SH § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1;
NachbG SH § 40 Abs. 1; BGB § 204 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a

a) Streitigkeiten über Ansprüche wegen der im Nachbarrechtsgesetz SchleswigHolstein
geregelten Nachbarrechte, die innerhalb einer gesetzlich angeordneten
Ausschlussfrist mit der Klage geltend zu machen sind, unterliegen der obligatorischen
Streitschlichtung. Sie sind hiervon nicht nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LSchliG
SH ausgenommen.

b) Die Einleitung eines Schlichtungsverfahrens nach § 1 Abs. 1 LSchliG SH hemmt in
entsprechender Anwendung von § 204 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a BGB den Lauf der
Ausschlussfrist nach § 40 Abs. 1 NachbG SH.
BGH, Urteil vom 8. Dezember 2017 - V ZR 16/17 - LG Lübeck
AG Ahrensburg
ECLI:DE:BGH:2017:081217UVZR16.17.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 1. Dezember 2016 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Auf dem Grundstück der Beklagten stehen an der Grenze zum Grundstück der Kläger fünf Hainbuchen. Sie wurden im Herbst 2013 gepflanzt und haben eine Höhe von 2,20 m bis 2,50 m. Mit der Klage verlangen die Kläger von der Beklagten den Rückschnitt der Hainbuchen auf eine Höhe von 1,20 m. Eine Bescheinigung über die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens haben sie nicht vorgelegt. Das Amtsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


2
Das Berufungsgericht hält die Klage für unzulässig, weil das in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e des schleswig-holsteinischen Landesschlichtungsgesetzes (LSchliG SH) vorgeschriebene Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt worden sei. Es sei nicht nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LSchliG SH entbehrlich gewesen. Die für den Anspruch auf Zurückschneiden nach § 37 Abs. 2 Nachbarrechtsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (NachbG SH) vorgesehene gesetzliche Ausschlussfrist des § 40 NachbG SH sei keine Klagefrist im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LSchliG SH. Von der Durchführung des obligatorischen Schlichtungsverfahrens seien nur solche Verfahren ausgenommen, für die sich die Schlichtung sachlich nicht eigne. Dazu zählten die Streitigkeiten über Ansprüche wegen der im Nachbarrechtsgesetz Schleswig-Holstein geregelten Nachbarrechte gerade nicht. Diese unterfielen uneingeschränkt der obligatorischen Streitschlichtung. Der gesetzgeberischen Intention, dass mit der Streitschlichtung ein wesentlicher Beitrag zur Entlastung der Justiz und zur Herstellung von Rechtsfrieden geleistet werden solle, liefe es zuwider, wenn nachbarrechtliche Auseinandersetzungen um das Zurückschneiden von Anpflanzungen dem entzogen würden.
3
Das Vorbringen der Kläger, sie hätten einen Güteantrag gestellt, jedoch nicht mehr vor Ablauf des Jahres 2015 einen Schiedstermin bekommen, sei unbeachtlich. Die Beantragung eines Schlichtungsverfahrens reiche nicht aus. Die Kläger seien dadurch nicht in ihrem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzt. Sie hätten, unabhängig von dem Grund für die Nichtdurchführung des Schlichtungsverfahrens, binnen drei Monaten eine Erfolglo- sigkeitsbescheinigung von der Gütestelle erhalten können. Eine Unterbrechung des Fristenlaufs durch Einreichung eines Schlichtungsantrags, vergleichbar mit der Hemmung von Verjährungsfristen (§ 203 BGB), sei nicht vorgesehen. Das Ruhen des Verfahrens zur Nachholung der Streitschlichtung könne nicht angeordnet werden.

II.


4
Die Revision ist unbegründet.
5
1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e LSchliG SH ist in Streitigkeiten über Ansprüche wegen der im Nachbarrechtsgesetz für das Land SchleswigHolstein geregelten Nachbarrechte, sofern es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handelt, die Erhebung der Klage erst zulässig, nachdem von einer zugelassenen Gütestelle versucht worden ist, die Streitigkeit einvernehmlich beizulegen. Um eine solche Streitigkeit handelt es sich hier. Die Kläger machen einen Anspruch auf Zurückschneiden von Anpflanzungen nach § 37 Abs. 2 Satz 1 NachbG SH geltend.
6
2. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die besondere Prozessvoraussetzung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e LSchliG SH nicht erfüllt ist. § 1 Abs. 1 LSchliG SH verlangt von dem Kläger, dass er vor Klageerhebung den Versuch einer gütlichen Einigung mittels eines Schlichtungsverfahrens unternommen hat und eine von der Gütestelle ausgestellte Bescheinigung über einen erfolglosen Einigungsversuch mit der Klage einreicht. Daran fehlt es.
7
Die Kläger haben nach ihrer Darlegung im November 2015 bei der Gütestelle zwar einen Antrag gestellt, das Schlichtungsverfahren ist aber vor Klage- erhebung nicht durchgeführt worden. Das kann nach der Klageerhebung nicht nachgeholt werden (BGH, Urteil vom 23. November 2004 - VI ZR 336/03, BGHZ 161, 145, 148 f.), weshalb das Berufungsgericht zutreffend von der Anordnung des Ruhens des Verfahrens abgesehen hat. Die Kläger haben auch nicht eine Bescheinigung der Gütestelle über die Nichtdurchführung des Verfahrens innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 LSchliG SH), an die das Prozessgericht gebunden wäre (vgl. Senat, Urteil vom 20. November 2009 - V ZR 94/09, NJW-RR 2010, 357 Rn. 6), vorgelegt. Auf die Ausstellung einer solchen Bescheinigung hatten sie keinen Anspruch, weil die Dreimonatsfrist bei Einreichung der Klage noch nicht abgelaufen war.
8
3. Rechtsfehlerfrei ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Durchführung des obligatorischen Schlichtungsverfahrens für die Kläger nicht nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LSchliG SH entbehrlich war. Nach dieser Vorschrift besteht eine Ausnahme vom Erfordernis des erfolglosen Schlichtungsverfahrens u.a. für Klagen, die innerhalb einer gesetzlichen Frist zu erheben sind. Der Ausnahmetatbestand ist nicht erfüllt.
9
a) Allerdings ist nach § 40 Abs. 1 NachbG SH der Anspruch auf Zurückschneiden von Anpflanzungen ausgeschlossen, wenn diese über die nach dem Gesetz zulässige Höhe oder den zulässigen Abstand hinausgewachsen sind und nicht bis zum Ablauf des zweiten darauffolgenden Kalenderjahres Klage auf Zurückschneiden erhoben worden ist. Bei der genannten Frist handelt es sich um eine materielle Ausschlussfrist, die den Untergang des Anspruchs auf Rückschnitt zur Folge hat (Bassenge/Olivet, Nachbarrecht in SchleswigHolstein , 13. Aufl., NachbG § 40 Rn. 4 u. 5, § 3 Rn. 7).
10
b) Streitigkeiten über Ansprüche wegen der im Nachbarrechtsgesetz Schleswig-Holstein geregelten Nachbarrechte, die innerhalb einer gesetzlich angeordneten Ausschlussfrist mit der Klage geltend zu machen sind, unterliegen dennoch der obligatorischen Streitschlichtung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e LSchliG SH. Sie sind hiervon nicht nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LSchliG SH ausgenommen.
11
aa) Für den Ausschlusskatalog des § 15a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1EGZPO und für die wortgleichen Vorschriften des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LSchliG SH und des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SchlichtG HE wird die Auffassung vertreten, dass es sich bei der materiellen Ausschlussfrist für nachbarrechtliche Ansprüche nicht um eine gesetzlich angeordnete Frist zur Klageerhebung handelt, die die Durchführung eines obligatorischen Schlichtungsverfahrens ausschließt (vgl. AG Königstein, NJW 2003, 1954, 1955; Bassenge/Olivet, Nachbarrecht in Schleswig-Holstein, 13. Aufl., LSchliG Rn. 20; MüKo/Gruber, ZPO, 5. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 40 Fn. 109).
12
bb) Diese Auffassung ist für die hier zu beurteilende Vorschrift des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LSchliG SH richtig. Dem Wortlaut lässt sich zwar nicht eindeutig entnehmen, ob nur prozessuale oder auch materielle Klagefristen erfasst sind. Für die Anwendbarkeit der Vorschrift könnte die Formulierung in § 40 Abs. 1 NachbG SH sprechen, wonach der darin geregelte Anspruch „ausgeschlossen“ ist, wenn nicht Klage innerhalb einer Frist von zwei Jahren erhoben worden ist. Dass die materielle Ausschlussfrist des § 40 Abs. 1 NachbG SH keine Klagefrist im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LSchliG SH ist, folgt aber aus der gebotenen Auslegung nach der Entstehungsgeschichte sowie dem Sinn und Zweck der Vorschrift.
13
(1) Der Gesetzgeber des Landes Schleswig-Holstein hat mit § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LSchliG SH den zwingenden Ausschlusskatalog des § 15a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGZPO ausdrücklich wörtlich übernommen (vgl. Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung von § 15a des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung [Landesschlichtungsgesetz - LSchliG], LT-Drucks. 15/923 zu § 1). Der Katalog enthält Verfahren, in denen die Vorschaltung eines Schlichtungsverfahrens zu praktischen Schwierigkeiten führen würde. Bei ihnen müssen Klagen aufgrund ihrer Eilbedürftigkeit innerhalb einer kurzen Frist erhoben werden, wie etwa die Klage nach § 856 Abs. 1 ZPO und nach § 878 Abs. 1 ZPO (vgl. BT-Drucks. 14/980 S. 7), die innerhalb von einem Monat zu erheben sind, oder die Klage nach § 558b Abs. 2 Satz 1BGB (vgl. LT-Drucks. 15/923 zu § 1), für die die Klagefrist drei Monate beträgt (§ 558b Abs. 2 Satz 2 BGB). Bei Vorschaltung eines Schlichtungsverfahrens könnten solche kurzen Klagefristen regelmäßig nicht eingehalten werden (vgl. Prütting/ Gehrlein, ZPO, 7. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 7; Zöller/Heßler, ZPO, 32. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 9), und ein Rechtsverlust würde drohen.
14
(2) Für Klagen, die auf nachbarrechtliche Ansprüche nach dem Nachbarrechtsgesetz für das Land Schleswig-Holstein gestützt werden, gilt das nicht. Soweit sie einer Ausschlussfrist unterworfen sind, ist diese mit einem (§ 24, § 43 Abs. 1 Nr. 2 NachbG SH) bzw. zwei (§ 40 Abs. 1 NachbG SH) Kalenderjahren so lang bemessen, dass die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens vor Ablauf der Frist möglich ist. Es besteht kein Anlass, solche Klagen von der obligatorischen Streitschlichtung auszunehmen.
15
(3) Es entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, Streitigkeiten über Ansprüche wegen der im Nachbarrechtsgesetz Schleswig-Holstein geregelten Nachbarrechte der obligatorischen Streitschlichtung zu unterwerfen. Er hält sie in besonderer Weise für schlichtungsgeeignet (vgl. LT-Drucks. 15/923 zu § 1). Es liefe dem gesetzgeberischen Bestreben, die eigenverantwortliche Streitbeilegung durch die Parteien zu fördern und die Ziviljustiz zu entlasten, zuwider, wenn für Klagen in Streitigkeiten über Ansprüche wegen der im Nachbargesetz Schleswig-Holstein geregelten Nachbarrechte, die einer Ausschlussfrist unterliegen , ein Schlichtungsversuch entbehrlich wäre. In diesem Fall liefe nämlich die obligatorische Streitschlichtung in Nachbarrechtstreitigkeiten weitgehend leer. Unter Nachbarn entstehen häufig Streitigkeiten wegen Störungen im Grenzbereich. Das Nachbarrechtsgesetz Schleswig-Holstein sieht für die Geltendmachung der unter Nachbarn wichtigen Beseitigungsansprüche wegen Nichteinhaltung der Grenzabstände von Pflanzen (§ 40 NachbG SH) - um die es hier geht - und von Gebäuden (§ 43 Abs. 1 Nr. 2 NachbG SH) sowie wegen Beeinträchtigung des Fenster- und Lichtrechts (§ 24 NachbG SH) Ausschlussfristen vor. Wären diese Ansprüche von dem Erfordernis des Schlichtungsversuchs ausgenommen, verbliebe in Nachbarrechtsstreitigkeiten nur ein kleiner Anwendungsbereich für die obligatorische Streitschlichtung (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis d LSchliG SH).
16
c) Die einschränkende Auslegung des Ausnahmetatbestands des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LSchliG SH verletzt die Kläger nicht in ihren verfassungsmäßigen Rechten.
17
aa) Der Revision ist darin zuzustimmen, dass das Gebot auf effektiven Rechtsschutz verletzt sein könnte, wenn der Anspruch auf Rückschnitt aus § 37 Abs. 2 NachbG SH erlöschte, obwohl die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens vor Ablauf der Ausschlussfrist des § 40 Abs. 1 NachbG SH beantragt worden ist. So ist es aber nicht. Der Güteantrag hemmt in entsprechender Anwendung von § 204 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a BGB den Lauf der Ausschlussfrist.

18
bb) § 40 Abs. 1 NachbG SH enthält eine planwidrige Regelungslücke. Nachbarrechtsgesetze der Länder beschränken Beseitigungsansprüche in zeitlicher Hinsicht entweder durch Verjährungsfristen (z.B. Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB ) oder - wie hier - durch Ausschlussfristen. Der Unterschied besteht darin, dass der Ablauf einer Ausschlussfrist den Untergang des Rechts zur Folge hat, während nach Eintritt der Verjährung der Schuldner berechtigt ist, die Leistung zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB). Unterliegt ein Anspruch der Verjährung, kann der Berechtigte die Verjährungsfrist voll ausschöpfen, weil er unter den Voraussetzungen der §§ 203 ff. BGB eine Hemmung der Verjährung herbeiführen kann. Für die Ausschlussfrist sieht das Gesetz eine entsprechende Regelungen nicht vor. Dafür besteht aber ein Bedürfnis. Der Berechtigte kennt in der Regel die Terminlage der zuständigen Gütestelle nicht und kann auch nicht ohne weiteres die Dauer des Schlichtungsversuchs abschätzen. Er müsste, um sicher zu gehen, lange vor Ablauf der Ausschlussfrist einen Güteantrag stellen, so dass für ihn die Bedenkzeit, ob er die Anpflanzung dulden will, verkürzt würde. Das hat der Gesetzgeber nicht bedacht und ist mit dem Sinn und Zweck der Ausschlussfrist nach § 40 Abs. 1 NachbG SH nicht vereinbar.
19
cc) Die Lücke ist durch eine analoge Anwendung von § 204 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a BGB zu schließen. Die Einleitung eines Schlichtungsverfahrens nach § 1 Abs. 1 LSchliG SH hemmt in entsprechender Anwendung von § 204 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a BGB den Lauf der Ausschlussfrist nach § 40 Abs. 1 NachbG SH.
20
(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können einzelne Verjährungsvorschriften auf Ausschlussfristen entsprechend angewendet werden, auch wenn nicht ausdrücklich auf sie verwiesen wird. Das ist im Einzelfall nach Sinn und Zweck der jeweiligen einzelnen Bestimmung zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 1965 - II ZR 171/62, BGHZ 43, 235, 237; Urteil vom 24. Februar 1970 - VI ZR 123/68, BGHZ 53, 270, 272 ff.; Urteil vom 15. Dezember 1978 - I ZR 59/77, BGHZ 73, 99, 101 f.; Urteil vom 16. Oktober 1980 - III ZR 94/79, BGHZ 79, 1, 2 ff.; Urteil vom 9. Juli 1990 - II ZR 69/89, BGHZ 112, 95, 101 f.; Urteil vom 4. März 1993 - IX ZR 138/92, BGHZ 122, 23, 25; Urteil vom 18. Januar 2006 - VIII ZR 94/05, NJW 2006, 903 Rn. 11; Urteil vom 9. April 2008 - VIII ZR 84/07, NJW 2008, 2258 Rn. 21). Anders als für Verjährungsfristen , gibt es für gesetzliche Ausschlussfristen keine allgemein geltenden Bestimmungen. Die getroffenen Regelungen sind verschieden je nach der Art und dem Inhalt des Rechts, das nach Fristablauf erlöschen soll (vgl. Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 15. Aufl., Bd. I/2, § 230 III 2). Hiernach richtet sich, welcher Zweck mit einer Ausschlussfrist verfolgt wird und welche Interessen dabei zu berücksichtigen sind. Auch die Frage, ob Hemmungsgründe der §§ 203 ff. BGB zu beachten sind, kann nicht aus dem Begriff der gesetzlichen Ausschlussfrist, sondern nur aus dem Sinn und Zweck der jeweiligen Einzelvorschrift beantwortet werden.
21
(2) Sinn und Zweck der Ausschlussfrist des § 40 Abs. 1 SH für Ansprüche auf Zurückschneiden von Anpflanzungen, die über die nach dem Nachbarrechtsgesetz Schleswig-Holstein zulässige Höhe oder den zulässigen Abstand hinausgewachsen sind, ist es, innerhalb eines Zeitraums, der die Interessen des Nachbarn und des Eigentümers der Bäume gleichermaßen berücksichtigt, eine abschließende Klärung der nachbarlichen Verhältnisse in Bezug auf das Höhenwachstum herbeizuführen (vgl. Senat, Urteil vom 14. November 2003 - V ZR 102/03, BGHZ 157, 33, 37 zu § 54 Abs. 2 NNachbG). Der Nachbar erhält eine angemessene Bedenkzeit, ob er die langsam immer größer und dichter werdenden Anpflanzungen auf Dauer dulden will. Eine Frist von zwei Jahren ist auch für den Eigentümer der Pflanzen zumutbar, denn dann sind Umpflan- zungen oder Rückschnitte noch ohne ernstliche Schädigung der Pflanzen möglich (vgl. LT-Drucks. VI/1073 S. 42 zu § 39 NachbG SH). Damit dient die Ausschlussfrist nach § 40 Abs. 1 NachbG SH dem Rechtsfrieden. Darin zeigt sich die Nähe zu der Verjährung, durch die ebenfalls Rechtsfrieden geschaffen werden soll (vgl. dazu Senat, Urteil vom 6. Juni 2003 - V ZR 320/02, WM 2003, 1974; Urteil vom 16. Juni 1972 - V ZR 154/70, BGHZ 59, 72, 74). Das rechtfertigt die analoge Anwendung von § 204 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a BGB.
22
dd) Ob die Kläger hier eine Hemmung des Laufs der Ausschlussfrist nach § 40 Abs. 1 NachbG SH herbeigeführt haben, ist in diesem Verfahren nicht zu prüfen. Die Klage auf Zurückschneiden der Hainbuchen ist jedenfalls mangels Durchführung des Schlichtungsverfahrens unzulässig.

III.


23
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Stresemann Schmidt-Räntsch Brückner Göbel Haberkamp
Vorinstanzen:
AG Ahrensburg, Entscheidung vom 02.06.2016 - 42 C 1480/15 -
LG Lübeck, Entscheidung vom 01.12.2016 - 14 S 128/16 -

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(1) Die Verjährung wird gehemmt durch

1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils,
1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage,
2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger,
3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1),
4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer
a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder
b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
die Verjährung wird schon durch den Eingang des Antrags bei der Streitbeilegungsstelle gehemmt, wenn der Antrag demnächst bekannt gegeben wird,
5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess,
6.
die Zustellung der Streitverkündung,
6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird,
7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens,
8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens,
9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird,
10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren,
10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist,
11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens,
12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt,
13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und
14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.

(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.

(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.

Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 336/03 Verkündet am:
23. November 2004
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
EGZPO § 15a
Ist durch Landesrecht ein obligatorisches Güteverfahren vorgeschrieben, so muß der
Einigungsversuch der Klageerhebung vorausgehen. Er kann nicht nach der Klageerhebung
nachgeholt werden. Eine ohne den Einigungsversuch erhobene Klage ist als
unzulässig abzuweisen.
BGH, Urteil vom 23. November 2004 - VI ZR 336/03 - LG Saarbrücken
AG St. Wendel
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. November 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 23. Oktober 2003 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte war 1999 Mieterin in einem Wohnhaus des Klägers. Dieser nimmt sie mit der Behauptung, sie habe ihn bei einem körperlichen Angriff im September 1999 verletzt, auf Zahlung von Schmerzensgeld und Ersatz materiellen Schadens in Anspruch. Er hat deshalb im September 2002 Klage beim Amtsgericht St. Wendel (Saarland) eingereicht. Das Amtsgericht hat den Streitwert der Klage - von den Parteien unbeanstandet - auf 545,36 € festgesetzt. Ein Schlichtungsverfahren nach §§ 37a ff. des saarländischen Landesschlichtungsgesetzes vom 21. Februar 2001 (Amtsblatt 532) ist vor Klageerhebung nicht durchgeführt worden. Ein Antrag des Klägers, gemäß § 251 ZPO das Ruhen des Verfahrens zwecks Nachholung des Schlichtungsverfahrens anzuordnen, blieb ohne Erfolg. Der Kläger ließ ein klageabweisendes Versäumnisurteil gegen sich ergehen. Mit der Einspruchsschrift legte er die Bescheinigung einer anerkannten Schiedsperson über die Erfolglosigkeit eines Sühneversuchs vor.
Das Amtsgericht hat das Versäumnisurteil aufrechterhalten, weil die Klage mangels eines der Klageerhebung vorangegangenen Schlichtungsverfahrens unzulässig sei. Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil die vom Amtsgericht zugelassene Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, das nach dem Landesschlichtungsgesetz obligatorische Schlichtungsverfahren könne nicht nach Klageerhebung nachgeholt werden. Der allgemeine Grundsatz, daß die Prozeßvoraussetzungen bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung nachholbar seien, gelte insoweit nicht. Nach Sinn und Zweck des Verfahrens und der Gesetzesbegründung zu § 15a EGZPO müsse der Einigungsversuch der Klageerhebung zwingend vorausgehen.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand. Eine Klage, deren Zulässigkeit nach § 15a EGZPO und dem dazu bestehenden Landesrecht die Durchführung eines Güteversuchs vor einer Schlichtungsstelle voraussetzt , ist nur dann zulässig, wenn das Schlichtungsverfahren der Klageerhebung vorausgegangen ist. Seine Nachholung bis zum letzten Termin zur mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz führt nicht zur Zulässigkeit der Klage.
1. Der Bundesgerichtshof darf über diese Frage entscheiden. Die Voraussetzungen des § 545 Abs. 1 ZPO liegen vor. Nach § 15a EGZPO kann durch Landesgesetz bestimmt werden, daß in bestimmten Fällen die Erhebung der Klage erst zulässig ist, nachdem von einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle versucht worden ist, die Streitigkeit einvernehmlich beizulegen. Die vorliegend zu klärende Streitfrage betrifft die Auslegung dieser Norm, also von Bundesrecht. Daß sich der Geltungsbereich des saarländischen Landesschlichtungsgesetzes nicht über einen Oberlandesgerichtsbezirk hinaus erstreckt, ist schon deshalb ohne Bedeutung. Im übrigen beruhen die Vorschriften der von einzelnen Bundesländern erlassenen Landesschlichtungsgesetze (vgl. den Abdruck bei Prütting, Außergerichtliche Streitschlichtung, S. 251 ff.; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 22. Aufl., Anhänge zu § 15a EGZPO), soweit es um die Zulässigkeitssperre geht, einheitlich auf der Vorgabe des § 15a EGZPO und stimmen insoweit überein. Auch danach sind die Voraussetzungen des § 545 Abs. 1 ZPO zu bejahen (vgl. BGHZ 34, 375, 377 f.; BGH, Urteile vom 28. Januar 1988 - IX ZR 75/87 - NJWRR 1988, 1021; vom 14. Juli 1997 - II ZR 168/96 - VersR 1997, 1540). 2. Nach § 37a Abs. 1 Nr. 1 des saarländischen Landesschlichtungsgesetzes ist, wenn die Parteien im Saarland wohnen, in vermögensrechtlichen Streitigkeiten vor dem Amtsgericht über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von 600 € nicht übersteigt, eine Klage erst zulässig , nachdem von einer in § 37b genannten Gütestelle versucht worden ist, die Streitigkeit einvernehmlich beizulegen (Schlichtungsverfahren). Die Annahme der Vorinstanzen, daß danach im vorliegenden Fall ein Schlichtungsverfahren zwingend durchzuführen war, stellt die Revision nicht in Frage. Für eine Unrichtigkeit dieser Annahme ist auch nichts ersichtlich.
3. Die Frage, ob das obligatorische Streitschlichtungsverfahren der Klageerhebung zwingend vorausgehen muß, wird unterschiedlich beantwortet. Sie wird teilweise bejaht (LG Ellwangen, NJW-RR 2002, 936; LG Karlsruhe , Justiz 2003, 265; AG München, NJW-RR 2003, 515; AG Nürnberg, NJW 2001, 3489; NJW-RR 2002, 430; MDR 2002, 1189; AG Rosenheim, NJW 2001, 2030; AG Wuppertal, ZInsO 2002, 91 f.; Jenkel, Der Streitschlichtungsversuch als Zulässigkeitsvoraussetzung in Zivilsachen, S. 252 f.; Beunings, AnwBl. 2004, 82, 84; Fricke, VersR 2000, 1194, 1195; Kothe/Anger, Schlichtungsgesetz Baden-Württemberg, § 1 Rn. 40; Schläger, ZMR 2000, 504, 506; Schwarzmann/Walz, Das Bayerische Schlichtungsgesetz, Art. 1 Anm. 4; Stickelbrock, JZ 2002, 633, 636 f.; Wesche, MDR 2003, 1029, 1032 Fn. 36; Wetekamp, NZM 2001, 614, 616). Abweichend davon wird die Ansicht vertreten, eine Nachholung des Schlichtungsverfahrens während des Rechtsstreits führe zur Zulässigkeit der Klage (OLG Hamm, MDR 2003, 387; AG Königstein, NJW 2003, 1954, 1955; MünchKomm-ZPO/Wolf, Aktualisierungsband, 2. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 4; Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 25; Prütting/Krafka, aaO, Rn. 223; Prütting/Schmidt, aaO, Rn. 105 ff.; Reiß, Obligatorische außergerichtliche Streitschlichtung, Diss. 2003, S. 24 f.; Friedrich, NJW 2002, 798, 799; 2003, 3534; Heßler, MittBayNot 2000, Sonderheft zu Ausgabe 4, S. 7; Mankowski, EWiR 2002, 347, 348; Schmidt, DAR 2001, 481, 486; Unberath, JR 2001, 355, 356 f.). Vereinzelt wird sogar vertreten, auf die Durchführung des obligatorischen Schlichtungsverfahrens könne vollends verzichtet werden, wenn eine Streitschlichtung offenkundig ergebnislos wäre (LG München II, NJW-RR 2003, 355 f.).
4. Der erkennende Senat folgt der erstgenannten Auffassung.
a) Dafür spricht der Wortlaut des § 15a EGZPO. Danach kann durch Landesgesetz bestimmt werden, daß die Erhebung der Klage erst zulässig ist, nachdem die Streitschlichtung versucht worden ist. Diesen Wortlaut haben die Landesschlichtungsgesetze übernommen, so auch der hier einschlägige § 37a des saarländischen Landesschlichtungsgesetzes. Durch den Wortlaut wird zum Ausdruck gebracht, daß die Durchführung des Schlichtungsverfahrens nicht nur besondere Prozessvoraussetzung sein soll, die (erst) zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen muß, sondern daß schon die Erhebung der Klage nur dann zulässig ist, wenn das Schlichtungsverfahren bereits durchgeführt wurde. Die Erhebung der Klage erfolgt nach § 253 Abs. 1 ZPO durch Zustellung der Klageschrift. Das Schlichtungsverfahren muß also vor diesem Zeitpunkt bereits stattgefunden haben.
b) Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. In dem Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung vom 4. Mai 1999 heißt es zu § 15a EGZPO (BT-Drs. 14/980, S. 6): "Ist durch Landesrecht ein obligatorisches Güteverfahren vorgeschrieben , so muß der Einigungsversuch der Klageerhebung vorausgehen. Eine ohne diesen Versuch erhobene Klage ist unzulässig. Nach Absatz 1 Satz 2 muß der Kläger die von einer Gütestelle ausgestellte Bescheinigung über den erfolglosen Einigungsversuch mit der Klage einreichen. Hat dieser Versuch vor Einreichung der Klage stattgefunden, so kann die Bescheinigung bis zur Entscheidung des Gerichts über die Zulässigkeit der Klage nachgereicht werden. Dagegen kann - wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift eindeutig ergibt - der Einigungsversuch selbst nicht nachgeholt werden."

c) Auch Sinn und Zweck des obligatorischen Schlichtungsverfahrens sprechen für diese Auslegung. In der Gesetzesbegründung zu § 15a EGZPO (BT-Drs. 14/980, S. 5) ist dazu ausgeführt, angesichts des ständig steigenden Geschäftsanfalls bei den Gerichten sei es notwendig, Institutionen zu fördern, die im Vorfeld der Gerichte Konflikte beilegen. Neben einer Entlastung der Justiz werde durch eine Inanspruchnahme von Schlichtungsstellen erreicht, daß Konflikte rascher und kostengünstiger bereinigt werden könnten. Durch die Öffnungsklausel werde den Ländern, in denen ein hinreichendes Netz von Gütestellen bestehe oder in kurzer Zeit geschaffen werden könne, ermöglicht, ohne Mitwirken des Bundes zu versuchen, den Arbeitsanfall bei ihren Gerichten zu vermindern. Diese Zielsetzung kann nur erreicht werden, wenn die Verfahrensvorschrift des § 15a EGZPO konsequent derart ausgelegt wird, daß die Rechtssuchenden und die Anwaltschaft in den durch Landesgesetz vorgegebenen Fällen vor Anrufung der Gerichte auch tatsächlich den Weg zu den Schlichtungsstellen beschreiten müssen. Könnte ein Schlichtungsversuch noch nach Klageerhebung problemlos nachgeholt werden, ohne daß Rechtsnachteile befürchtet werden müßten, so wären die vom Gesetzgeber angestrebten Zwecke kaum zu verwirklichen. Das Vorgehen der Rechtssuchenden wäre dann vielfach schon von vornherein auf ein paralleles Vorgehen abgestellt mit dem festen Willen, eine Schlichtung scheitern zu lassen. Das obligatorische Schlichtungsverfahren könnte sich auf diesem Hintergrund im Bewußtsein der Rechtssuchenden und der Anwaltschaft kaum als dem gerichtlichen Verfahren zwingend vorgeschaltete Institution etablieren. Die Frage, ob der jeweilige Streitfall zu den Fällen gehört , bei denen zwingend zunächst die Schlichtung versucht werden muß, würde vielfach nur nachlässig geprüft, weil ohnehin nichts passieren könnte. Wäre aber erst einmal Klage erhoben, so könnte kaum erwartet werden, daß ein ausschließlich zum Zwecke der Herbeiführung der Zulässigkeit eingeleitetes
Schlichtungsverfahren von dem ernsthaften Willen der Beteiligten getragen wäre , das bereits kostenträchtig eingeleitete Klageverfahren nicht fortzusetzen.
d) Aus diesen Gründen überzeugt der Hinweis der Gegenmeinung auf den Gesichtspunkt der Prozeßökonomie nicht. Prozeßökonomische Überlegungen dürfen sich angesichts der aufgezeigten Problemlage nicht nur auf den gerichtlichen Prozeß beziehen. Sicher erscheint es auf den ersten Blick wenig sinnvoll, eine Klage abzuweisen, wenn diese nach Durchführung des Schlichtungsverfahrens sogleich wieder erhoben werden kann. Prozeßökonomische Überlegungen müssen im vorliegenden Zusammenhang aber die vom Gesetzgeber angestrebte Neuregelung des Verfahrensganges unter Einschluß des zwingend vorgeschalteten Schlichtungsverfahrens in den Blick nehmen. Bei dieser Sichtweise erweist sich die Zulassung einer Nachholung des Verfahrens als nachgerade kontraproduktiv und damit ersichtlich nicht prozeßökonomisch. Daß es, insbesondere in einer Übergangszeit, vermehrt zu Klageabweisungen kommen kann, weil das Bewußtsein von der Notwendigkeit eines vorgeschalteten Schlichtungsverfahrens noch nicht ausreichend verbreitet ist, muß hingenommen werden. Dem können die Gerichte im übrigen vorbeugen, indem sie in den einschlägigen Verfahrensarten eingereichte Klagen nicht ohne Prüfung der Zulässigkeit zustellen, sondern den Kläger auf die Unzulässigkeit der Klage bereits nach deren Eingang hinweisen und eine Klagerücknahme, die auch schon vor Klagezustellung erklärt werden kann (Zöller/Greger, aaO, § 269 Rn. 8a ff.; vgl. auch BGH, Beschluß vom 18. November 2003 - VIII ZB 72/03 - NJW 2004, 1530 f.), anregen. Damit lassen sich die Kosten denkbar gering halten. Der teilweise von der Gegenmeinung erhobene Einwand, es sei nicht einzusehen, warum die in § 15a EGZPO geregelte Prozeßvoraussetzung als
nicht nachholbar und damit anders behandelt werden sollte als andere Prozeßvoraussetzungen , überzeugt ebenfalls nicht. Aus dem allgemeinen Zivilprozeßrecht läßt sich kein Grundsatz herleiten, der den Gesetzgeber hindern könnte, aus wohlerwogenen Gründen bereits die Zulässigkeit der Klageerhebung von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen. 5. Im vorliegenden Fall erweisen sich die Aufrechterhaltung des klageabweisenden Versäumnisurteils und die Zurückweisung der dagegen eingelegten Berufung demnach als richtig. Der Kläger kann sein Klagebegehren, nachdem das Schiedsverfahren nunmehr durchgeführt ist, nur mit einer neuen Klage verfolgen (vgl. dazu Jenkel, aaO, S. 253 ff.). Ob - wozu in den Instanzen vorgetragen worden ist - der Anspruch inzwischen verjährt ist, ist hier nicht zu prüfen. Selbst wenn dies der Fall wäre, könnte nicht abweichend entschieden werden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
6
1. Die Klage ist nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EGZPO zulässig, weil der Kläger mit der Klageschrift eine von der nach § 37 b Abs. 1 Satz 1 Saarl. AGJusG zuständigen Schiedsperson ausgestellte Bescheinigung über einen erfolglosen Einigungsversuch eingereicht hat. Damit ist die besondere Prozessvoraussetzung (§ 15a Abs. 1 Satz 1 EGZPO i.V.m. § 37a Abs. 1 Satz 1 Saarl. AGJusG) erfüllt. § 15a Abs. 1 EGZPO verlangt von dem Kläger - wie sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt – nur, dass dieser vor der Klageerhebung den Versuch einer gütlichen Einigung mittels eines Schlichtungsverfahrens unternommen hat und dem Prozessgericht das durch eine Bescheinigung der Gütestelle entweder über dessen Erfolglosigkeit (Satz 2) oder die Nichtdurchführung des Verfahrens innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung (Satz 3) nachweist (vgl. Senat, Urt. v. 22. Oktober 2004, V ZR 47/04, NJW-RR 2005, 501, 502).

(1) Jeder Gläubiger, dem der Anspruch überwiesen wurde, ist berechtigt, gegen den Drittschuldner Klage auf Erfüllung der nach den Vorschriften der §§ 853 bis 855 diesem obliegenden Verpflichtungen zu erheben.

(2) Jeder Gläubiger, für den der Anspruch gepfändet ist, kann sich dem Kläger in jeder Lage des Rechtsstreits als Streitgenosse anschließen.

(3) Der Drittschuldner hat bei dem Prozessgericht zu beantragen, dass die Gläubiger, welche die Klage nicht erhoben und dem Kläger sich nicht angeschlossen haben, zum Termin zur mündlichen Verhandlung geladen werden.

(4) Die Entscheidung, die in dem Rechtsstreit über den in der Klage erhobenen Anspruch erlassen wird, ist für und gegen sämtliche Gläubiger wirksam.

(5) Der Drittschuldner kann sich gegenüber einem Gläubiger auf die ihm günstige Entscheidung nicht berufen, wenn der Gläubiger zum Termin zur mündlichen Verhandlung nicht geladen worden ist.

(1) Der widersprechende Gläubiger muss ohne vorherige Aufforderung binnen einer Frist von einem Monat, die mit dem Terminstag beginnt, dem Gericht nachweisen, dass er gegen die beteiligten Gläubiger Klage erhoben habe. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist wird die Ausführung des Planes ohne Rücksicht auf den Widerspruch angeordnet.

(2) Die Befugnis des Gläubigers, der dem Plan widersprochen hat, ein besseres Recht gegen den Gläubiger, der einen Geldbetrag nach dem Plan erhalten hat, im Wege der Klage geltend zu machen, wird durch die Versäumung der Frist und durch die Ausführung des Planes nicht ausgeschlossen.

(1) Soweit der Mieter der Mieterhöhung zustimmt, schuldet er die erhöhte Miete mit Beginn des dritten Kalendermonats nach dem Zugang des Erhöhungsverlangens.

(2) Soweit der Mieter der Mieterhöhung nicht bis zum Ablauf des zweiten Kalendermonats nach dem Zugang des Verlangens zustimmt, kann der Vermieter auf Erteilung der Zustimmung klagen. Die Klage muss innerhalb von drei weiteren Monaten erhoben werden.

(3) Ist der Klage ein Erhöhungsverlangen vorausgegangen, das den Anforderungen des § 558a nicht entspricht, so kann es der Vermieter im Rechtsstreit nachholen oder die Mängel des Erhöhungsverlangens beheben. Dem Mieter steht auch in diesem Fall die Zustimmungsfrist nach Absatz 2 Satz 1 zu.

(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

(1) Nach Eintritt der Verjährung ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern.

(2) Das zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, auch wenn in Unkenntnis der Verjährung geleistet worden ist. Das Gleiche gilt von einem vertragsmäßigen Anerkenntnis sowie einer Sicherheitsleistung des Schuldners.

21
Die Frist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB ist gemäß dem sich daran anschließenden Satz 3 eine Ausschlussfrist, deren Ablauf den Untergang des Nachforderungsrechts zur Folge hat (Senatsurteil vom 18. Januar 2006 – VIII ZR 94/05, NJW 2006, 903, unter II 1 a m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar die entsprechende Heranziehung einzelner für die Verjährung geltender Bestimmungen auf Ausschlussfristen nicht schlechthin ausgeschlossen; vielmehr ist von Fall zu Fall nach Sinn und Zweck der jeweiligen Bestimmung zu entscheiden, inwieweit Verjährungsvorschriften auf Ausschlussfristen auch dann anzuwenden sind, wenn nicht ausdrücklich auf sie verwiesen wird (Senatsurteil vom 18. Januar 2006, aaO, unter II 1 b m.w.N.). Danach kommt jedoch eine entsprechende Anwendung des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB208 BGB aF) auf Ausschlussfristen in der Regel nicht in Betracht, weil deren Zweck im Allgemeinen darin besteht, für Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu sorgen, und dieser Zweck ihrer vollständigen Erneuerung entgegensteht (vgl. BGHZ 112, 95, 101 f. für die Ausschlussfrist des § 612 HGB aF; BGH, Urteil vom 25. Juli 2003 – V ZR 444/02, WM 2004, 392, unter II 3 b, allgemein und zu der Ausschlussfrist des § 7 Abs. 8 Satz 2 VermG; allgemein MünchKommBGB/Grothe, 5. Aufl., § 212 Rdnr. 1; Staudinger/Peters, BGB (2004), § 212 Rdnr. 34; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 12. Aufl., § 212 Rdnr. 3). Das gilt auch für die Ausschlussfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB, die Abrechnungssicherheit für den Mieter gewährleisten und Streit mit dem Vermieter vermeiden soll (so die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 14/4553, S. 37; dazu Senatsurteil vom 18. Januar 2006, aaO) und damit ebenfalls Rechtssicherheit und Rechtsklarheit bezweckt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 102/03 Verkündet am:
14. November 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Nds. NachbarrechtsG § 54 Abs. 2; BGB § 910 Abs. 2; BGB § 906 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2
Satz 2 analog; BGB § 1004 Abs. 1

a) Der Eigentümer von Bäumen, die den in § 50 Abs. 1 Nds. NRG vorgeschriebenen
Grenzabstand nicht einhalten, muß sie auf Verlangen des Nachbarn nach dem Ablauf der
Ausschlußfrist des § 54 Abs. 2 Nds. NRG weder auf die zulässige noch auf eine andere
Höhe zurückschneiden.

b) § 910 Abs. 2 BGB gilt auch für den Anspruch des Grundstückseigentümers gegen den
Nachbarn auf Beseitigung herüberragender Zweige nach § 1004 Abs. 1 BGB.

c) Das Abfallen von Laub, Nadeln, Blüten und Zapfen von Sträuchern und Bäumen gehört zu
den "ähnlichen Einwirkungen" im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB.

d) Der Eigentümer eines Baumes ist für die von diesem ausgehenden natürlichen
Immissionen (Laub, Nadeln, Blüten, Zapfen) auf benachbarte Grundstücke jedenfalls
dann verantwortlich und damit "Störer" im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB, wenn er sie
unter Verletzung der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen über den Grenzabstand
unterhält.

e) Dem Nachbarn, der von dem Eigentümer von Bäumen, die den landesrechtlich
vorgeschriebenen Grenzabstand nicht einhalten, deren Zurückschneiden wegen des
Ablaufs der dafür in dem Landesnachbarrecht vorgesehenen Ausschlußfrist nicht mehr
verlangen kann, kann für den erhöhten Reinigungsaufwand infolge des Abfallens von
Nadeln und Zapfen dieser Bäume ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906
Abs. 2 Satz 2 BGB analog zustehen.
BGH, Urt. v. 14. November 2003 - V ZR 102/03 - LG Stade
AG Cuxhaven
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. November 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Dr. Lemke, Dr. Gaier und
Dr. Schmidt-Räntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 18. März 2003 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als die auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines jährlichen Ausgleichsbetrags von 204,52 ! " ! $#% & ' )( *+ , -. von 1.227,10 worden sind.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Auf dem Grundstück der Beklagten stehen nahe der Grundstücksgrenze zwei Kiefern, die bei Klageerhebung ca. 14 m hoch waren. Von einem der Bäume ragten Zweige in einer Höhe
von ca. 9 m ungefähr 2,3 m, von dem anderen Baum ragen Zweige in einer Höhe von ca. 5 m ungefähr 0,4 m auf das Grundstück des Klägers herüber; auch fallen Kiefernnadeln und -zapfen auf sein Grundstück.
Der Kläger behauptet, daß er wegen der abfallenden Nadeln und Zapfen das Dach, die Dachrinnen und Dacheinläufe seines Wohnhauses sowie seinen Garten mehrfach im Jahr säubern müsse; auch habe er wegen des starken Nadelfalls einen Gartenteich verschließen müssen.
Der Kläger hat die Verurteilung der Beklagten zum Zurückschneiden der Kiefern auf die Höhe, die sie fünf Jahre vor der Klageerhebung hatten, und zum künftigen jährlichen Zurückschneiden auf diese Höhe sowie zur Beseitigung der auf sein Grundstück herüberragenden Zweige beantragt; weiter hat er von den Beklagten die Zahlung eines jährlichen Ausgleichsbetrags von (, 0 1' & 2' 34 657 8 -9 ;: 3 )<9= >#@?9 ! A B 204,52 / / hat die Verpflichtung der Beklagten, die Kiefern durch jährliches Zurückschneiden auf einer Höhe von 14 m zu halten, festgestellt; weiter hat es die Beklagten zur Beseitigung der von einem der Bäume in ca. 9 m Höhe auf das Grundstück des Klägers herüberragenden Zweige verurteilt. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Nach dem Erlaß dieses Urteils haben die Beklagten die Bäume auf eine Höhe von 10 m bzw. 11 m gekürzt und die in ca. 9 m Höhe auf das Grundstück des Klägers herüberragenden Zweige entfernt.
Die Berufung des Klägers, mit der er seine in erster Instanz abgewiesenen Klageanträge weiterverfolgt und hilfsweise die Verurteilung der Beklagten
beantragt hat, die Kiefern durch jährliches Zurückschneiden auf einer Höhe von 11 m bzw. 12 m zu halten, ist erfolglos geblieben. Die Anschlußberufung der Beklagten hat insoweit Erfolg gehabt, als das Landgericht ihre Verpflichtung zum jährlichen Zurückschneiden der Kiefern aufgehoben und lediglich ihre Verurteilung zur Beseitigung der in ca. 9 m Höhe auf das Grundstück des Klägers herüberragenden Zweige aufrecht erhalten hat.
Mit der in dem Berufungsurteil zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, will der Kläger die Feststellung erreichen, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, soweit die Verurteilung der Beklagten zum Zurückschneiden der Kiefern in der Zeit vom 1. Oktober 2002 bis 15. März 2003 beantragt worden ist; im übrigen verfolgt er seine in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:


I.


Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist ein Anspruch des Klägers auf Zurückschneiden der Kiefern nach § 54 Abs. 2 des Niedersächsischen Nachbarrechtsgesetzes (Nds.NRG) wegen Fristablaufs ausgeschlossen. Die Vorschrift bezwecke, daß der weitere Wuchs von Bäumen später als fünf Jahre nach Erreichen der gesetzlich zulässigen Höhe von dem Nachbarn nicht mehr verhindert werden könne. Auch aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergebe sich kein Anspruch des Klägers auf Zurückschneiden der Kiefern oder auf die künftige Einhaltung einer bestimmten Wuchshöhe. Ein Anspruch
auf Beseitigung der in ca. 5 m Höhe herüberragenden Zweige habe der Kläger ebenfalls nicht, weil der Überhang so geringfügig sei, daß hiervon keine bemerkenswerte Beeinträchtigung ausgehe.
Ein Ausgleichsbetrag wegen erhöhten Reinigungsaufwands stehe dem Kläger nicht zu. Es fehle an einer wesentlichen und unzumutbaren Beeinträchtigung seines Grundstücks im Sinne von § 906 BGB. Nach dem Ablauf der in § 54 Abs. 2 Nds.NRG genannten Frist stünden die Bäume rechtmäßig auf dem Grundstück der Beklagten; deshalb seien die Auswirkungen der Anpflanzungen nicht rechtswidrig. Die natürlichen Emissionen der Bäume seien von dem Nachbarn hinzunehmen. Im übrigen stelle die Einwirkung durch Nadelfall keine über das ortsübliche zumutbare Maß hinausgehende Beeinträchtigung des Grundstücks des Klägers dar. Der Nadel- und Zapfenfall sei angesichts der überragenden Nützlichkeit von Bäumen für die Gesellschaft entschädigungslos hinzunehmen.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung teilweise nicht stand.

II.


1. Zutreffend verneint das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers auf das Kürzen der Kiefern.

a) Ein auf landesrechtliche Grundlage gestützter Anspruch ist nach § 54 Abs. 2 Nds.NRG, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Oberlan-
desgerichts hinaus erstreckt und deshalb der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (§ 545 Abs. 1 ZPO), wegen Fristablaufs ausgeschlossen.
aa) Ursprünglich stand dem Kläger der Anspruch zu. Die beiden Kiefern auf dem Grundstück der Beklagten sind unstreitig über die nach § 50 Abs. 1 Nds.NRG in Abhängigkeit von ihrem Abstand zu der Grundstücksgrenze zulässige Höhe hinausgewachsen. Sie hätten daher auf Verlangen des Klägers auf die zulässige Höhe zurückgeschnitten werden müssen, wenn die Beklagten sie nicht beseitigen wollten (§ 53 Abs. 2 Nds.NRG). Der Anspruch ist jedoch ausgeschlossen , weil der Kläger nicht spätestens im fünften auf das Hinauswachsen folgenden Kalenderjahr Klage auf Zurückschneiden erhoben hat (§ 54 Abs. 2 Nds.NRG). Diese Ausschlußfrist (vgl. LG Lüneburg, Nds.Rpfl. 2000, 168, 169; Lehmann, Kommentar zum Niedersächsischen Nachbarrechtsgesetz, 3. Aufl., § 54 Rdn. 9; Pardey, Nds.NRG, 2. Aufl., § 54 Anm. 1) war hier bei Klageerhebung abgelaufen.
bb) Für eine Auslegung der Vorschrift dahin, daß nach Fristablauf zwar kein Zurückschneiden auf die gesetzlich zulässige Höhe, wohl aber verlangt werden kann, daß der Eigentümer die Bäume künftig durch regelmäßiges Zurückschneiden auf der Höhe hält, die sie im Zeitpunkt der Klageerhebung hatten (vgl. AG Winsen/Luhe, Nds.Rpfl. 1999, 317; Hoof/Keil, Das Nachbarrecht in Niedersachsen, 7. Aufl., § 54 Anm. 3), oder daß die Bäume auf die Höhe zurückgeschnitten werden, die sie fünf Jahre vor Klageerhebung hatten (vgl. OLG Celle, AgrarR 1993, 154 f.; AG Göttingen, Nds.RPfl. 1999, 292; für das NachbG NRW: Rammert, Nachbarrecht Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., S. 31 Fn. 75), ist kein Raum. Der Gesetzeswortlaut ist klar und eindeutig; er läßt keine Interpretation zu. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten es, dem
Nachbarn nach Fristablauf jeden Anspruch auf Zurückschneiden der Bäume zu versagen. Denn mit der Ausschlußfrist soll innerhalb eines Zeitraums, der die Interessen des Nachbarn und des Eigentümers der Bäume gleichermaßen berücksichtigt , grundsätzlich eine abschließende Klärung der nachbarlichen Verhältnisse in Bezug auf das Höhenwachstum herbeigeführt werden (vgl. LG Lüneburg , aaO).
Die Frist gibt dem Nachbarn genügend Zeit zu überlegen, ob er seinen Anspruch (§ 53 Abs. 2 Nds.NRG) durchsetzen will. Es ist ihm ohne weiteres möglich, innerhalb von fünf Jahren nach dem Hinauswachsen von Bäumen über die gesetzlich zulässige Höhe hinaus den jährlichen Zuwachs und die daraus gegebenenfalls folgenden Beeinträchtigungen seines Grundstücks wie z.B. den Entzug von Licht, die Bildung von Windzirkulationen und das Abwerfen von Blättern, Nadeln oder Früchten zu beobachten. Auch läßt sich - notfalls mit Hilfe fachmännischer Beratung - ermitteln, wie lange das Wachstum der Bäume andauern wird, so daß auch der Umfang späterer Beeinträchtigungen eingeschätzt werden kann. Der Nachbar kann somit innerhalb der Frist entscheiden , ob er das Zurückschneiden der Bäume verlangen will.

b) Das alles besagt allerdings noch nicht, daß der Eigentümer Bäume auf seinem Grundstück, deren Zurückschneiden der Nachbar nach landesrechtlichen Vorschriften wegen Fristablaufs nicht mehr verlangen kann, bis zum natürlichen Ende ihres Wachstums in eine beliebige Höhe wachsen lassen darf. Vielmehr kommt unter dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses in Verbindung mit Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Verpflichtung des Eigentümers in Betracht, die Bäume auf Verlangen des Nachbarn auch nach dem Fristablauf zurückzuschneiden. Davon geht das Be-
rufungsgericht zutreffend aus. Es verneint jedoch zu Recht eine solche Verpflichtung der Beklagten.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (siehe nur Urteil vom 31. Januar 2003, V ZR 143/02, NJW 2003, 1392 mit umfangreichen Nachweisen ) haben die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn insbesondere durch die Vorschriften der §§ 905 ff. BGB und die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder eine ins einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Daneben kommt eine allgemeine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme aus dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses nur dann zum Tragen, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint. Ist das der Fall, kann die Ausübung gewisser aus dem Eigentum fließender Rechte ganz oder teilweise unzulässig werden (Senat, Urteil vom 11. Juli 2003, V ZR 199/02, NJW-RR 2003, 1313, 1314 m.w.N.).
bb) Die behaupteten Folgen des Höhenwachstums der Kiefern rechtfertigen keine Abweichung von der nachbarrechtlichen Sonderregelung des § 54 Abs. 2 Nds.NRG. Nur wenn der Nachbar wegen der Höhe der Bäume ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinzunehmenden Beeinträchtigungen ausgesetzt wäre, könnte er von dem Eigentümer unter dem Gesichtspunkt der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme ihren Rückschnitt auf eine beiden Interessen gerecht werdende Höhe verlangen, wenn dies dem Eigentümer zumutbar ist (vgl. KG, NJW-RR 2000, 160, 161; Pardey, aaO, § 54 Anm. 1.3). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Zwar sollen die Kiefern den Lichteinfall und die Windzirkulation auf dem Grundstück des Klägers beeinträchtigen ; der Nadel- und Zapfenfall soll zu zusätzlichen Reinigungsarbei-
ten an dem Wohnhaus und dem Garten des Klägers führen, auch habe ein Gartenteich verschlossen werden müssen. Dies reicht jedoch nicht aus, um eine Verpflichtung der Beklagten zum Zurückschneiden der Bäume unter dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses anzunehmen.

c) Nach alledem sind die auf das Zurückschneiden der Kiefern gerichteten Anträge des Klägers unbegründet, auch soweit die Beklagten die Bäume künftig auf einer bestimmten Höhe halten sollen. Daraus folgt zugleich, daß die von dem Kläger erstmalig im Revisionsverfahren erklärte Teil-Erledigung der Hauptsache, die der Senat zu berücksichtigen hat (BGHZ 106, 359, 368), ebenfalls unbegründet ist. Die beantragte Teil-Erledigung ist deshalb nicht auszusprechen.
2. Ebenfalls zu Recht verneint das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers nach § 1004 Abs. 1 BGB auf Beseitigung des noch von einer der beiden Kiefern in ca. 5 m Höhe auf sein Grundstück herüberragenden Zweiges. Der Kläger muß nach § 1004 Abs. 2 BGB das Herüberragen dulden, weil dadurch die Benutzung seines Grundstücks nicht beeinträchtigt wird.

a) Nach § 910 Abs. 2 BGB steht dem Grundstückseigentümer das Selbsthilferecht nach Abs. 1 nicht zu, wenn die herüberragenden Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen. Die Vorschrift gilt auch für den Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB (vgl. LG Saarbrücken, NJW-RR 1986, 1341; LG Bonn, NJW-RR 1987, 1421; AG Würzburg, NJW-RR 2001, 953; Staudinger/Roth, BGB [2002], § 910 Rdn. 2). In welchen Fällen keine Beeinträchtigung vorliegt, entscheidet nicht das subjektive Empfinden des Grundstückseigentümers; maßgebend ist vielmehr die objektive Beeinträchti-
gung der Grundstücksbenutzung (MünchKomm-BGB/Säcker, 3. Aufl., § 910 Rdn. 6; Staudinger/Roth, aaO, § 910 Rdn. 18). Ob, wovon auch das Berufungsgericht ausgeht, der Nachbar ganz unerhebliche Beeinträchtigungen hinnehmen muß (so OLG Köln, NJW-RR 1989, 1177; 1997, 656; LG Kleve, MDR 1982, 230, 231; LG Saarbrücken, NJW-RR 1986, 1341; MünchKomm-BGB/ Säcker, aaO; Palandt/Bassenge, BGB, 62. Aufl., § 910 Rdn. 3; Staudinger /Roth, aaO, Rdn. 18; a.A. AG Königstein, NJW-RR 2000, 1256; AG Würzburg , aaO), kann offenbleiben. Denn der Zweig, der von einer der beiden Kiefern in ca. 5 m Höhe ungefähr 0,4 m weit auf das Grundstück des Klägers herüberragt , beeinträchtigt dessen Benutzung nicht.

b) Die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß von herüberragenden Zweigen keine Beeinträchtigung ausgeht, trägt der Nachbar (Palandt/ Bassenge, aaO; Staudinger/Roth, aaO, Rdn. 33). Das sind hier die Beklagten. Sie haben das Fehlen einer Beeinträchtigung ausreichend dargelegt. Nach ihrem beweisbewehrten Vortrag in der Berufungserwiderung, der auf den erstinstanzlichen Vortrag Bezug nimmt, ragen nicht nur der Zweig, dessen Beseitigung der Kläger verlangt, sondern auch Zweige anderer Bäume auf sein Grundstück herüber; außerdem stehen dort nahe der Grundstücksgrenze mehrere Bäume und Sträucher. Das wird durch die von den Parteien zu den Akten gereichten Lichtbilder bestätigt; danach wachsen auf beiden Seiten der gemeinsamen Grundstücksgrenze Laub- und Nadelgewächse. Darauf stützen die Beklagten ihre Behauptung, daß eine Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks gerade durch den Zweig, dessen Beseitigung der Kläger noch verlangt, ausgeschlossen ist. Die von der Revision erhobene Verfahrensrüge (§ 286 ZPO), das Berufungsgericht habe das Beweisangebot des Klägers zur Erheblichkeit der von den herüberragenden Zweigen ausgehenden Beein-
trächtigungen übergangen, ist unbegründet; es betrifft nicht die von den herüberragenden Zweigen, sondern die von den Kiefern insgesamt ausgehenden Beeinträchtigungen.
3. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß dem Kläger gegen die Beklagten für den behaupteten erhöhten Reinigungsaufwand ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zustehen kann. Es verneint jedoch zu Unrecht das Bestehen eines solchen Anspruchs.

a) Gehen von der ortsüblichen Benutzung eines Grundstücks Einwirkungen im Sinne von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB auf ein anderes Grundstück aus und beeinträchtigen sie dessen Benutzung wesentlich, muß der betroffene Grundstückseigentümer die Einwirkungen dulden, wenn die Beeinträchtigungen nicht durch Maßnahmen verhindert werden können, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind (§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB). In diesem Fall kann der Grundstückseigentümer von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkungen eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigen (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB). Danach kommt es zunächst darauf an, ob das Abfallen von Kiefernnadeln und -zapfen auf ein Nachbargrundstück zu den "ähnlichen Einwirkungen" im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB gehört. Davon geht das Berufungsgericht im Anschluß an das Amtsgericht stillschweigend aus. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden; es wird auch von der Revision als dem Kläger günstig nicht angegriffen. Die von § 906 BGB erfaßten Einwirkungen stimmen darin überein, daß sie in ihrer Ausbreitung weithin unkontrollierbar und unbeherrschbar sind, in ihrer Intensität schwanken und damit andere Grundstücke überhaupt nicht, unwesentlich oder
wesentlich beeinträchtigen können (Senat, BGHZ 117, 110, 112). Das trifft auf das Abfallen von Laub, Nadeln, Blüten und Zapfen von Sträuchern und Bäumen zu (vgl. BayObLG, AgrarR 1992, 312, 313; OLG Karlsruhe, NJW 1983, 2886; OLG Stuttgart, NJW 1986, 2768; NJW-RR 1988, 204; OLG Frankfurt a.M., NJW 1988, 2618, 2619; NJW-RR 1991, 1364, 1365; MünchKomm/ Säcker, aaO, § 906 Rdn. 81; Palandt/Bassenge, aaO, § 906 Rdn. 13; Staudinger /Roth, aaO, § 906 Rdn. 169; Horst, DWW 1991, 322, 323; Müller, NJW 1988, 2587; zweifelnd OLG Düsseldorf, NJW-RR 1990, 144, 145).

b) Ebenfalls stillschweigend gehen die Vorinstanzen davon aus, daß die Beklagten für das Abfallen der Kiefernnadeln und -zapfen verantwortlich sind. Auch das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und wird von der Revision hingenommen. Zwar beruhen die Einwirkungen auf natürlichen Vorgängen. Aber auch durch Naturereignisse ausgelöste Störungen können dem Eigentümer zurechenbar sein. So hat der Senat in den Fällen des Eindringens von Baumwurzeln in die Abwasserleitungen des Nachbarn den Eigentümer für verantwortlich gehalten, weil er den Baum gepflanzt (BGHZ 97, 231; 106, 142; 135, 235; Urt. v. 8.2.1991, V ZR 346/89, NJW 1991, 2826) bzw. unterhalten hat (Urt. v. 21.10.1994, V ZR 12/94, NJW 1995, 395, 396). In dem Froschlärm-Fall hat er darauf abgestellt, dass der Eigentümer mit der auf seinem Willen beruhenden Anlage und Unterhaltung des Gartenteichs die Bedingungen dafür geschaffen hat, daß sich dort Frösche ansiedeln konnten (BGHZ 120, 239, 254). In der Wolläuse – Entscheidung (Urt. v. 7. 7. 1995, V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2634) hat er die Störereigenschaft des Eigentümers dagegen verneint, weil er die Störung weder durch eigene Handlungen ermöglicht noch durch ein pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt hat, sondern die Einwirkung durch ein zufälliges und zusätzliches Naturereignis ausgelöst wurde. Diese Differenzie-
rung ist in der Literatur auf Kritik gestoßen (Herrmann NJW 1997, 153, 154). Ob und inwieweit sie berechtigt ist, kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben. Denn der Senat hat den der Wolläuse – Entscheidung zugrunde liegenden Gedanken, dass beim Einwirken von Naturkräften eine Störung nur bei einem pflichtwidrigen Unterlassen in Betracht kommt, in dem Mehltau-Fall (Urt. v. 16. 2. 2001, V ZR 422/99, WM 2001, 1299) weitergeführt. Er hat dort darauf abgestellt, ob sich aus der Art der Nutzung des Grundstücks, von dem die Störung ausgeht, eine „Sicherungspflicht“, also eine Pflicht zur Verhinderung möglicher Beeinträchtigungen ergibt (vgl. auch Senat, BGHZ 90, 255 - Niederschlagswasser). Das trägt den Ansätzen der Kritik Rechnung (Herrmann aaO; vgl. auch Armbrüster NJW 2003, 3087, 3088 f.). Insoweit gilt für natürliche Immissionen nichts anderes als für Immissionen aufgrund eines technischen Defekts (Senatsurt. v. 30. Mai 2003, V ZR 37/02, NJW 2003, 2377 - Wasserrohrbruch). Ob eine solche Pflicht besteht, ist jeweils an Hand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Maßgebend sind hierbei vor allem die Konfliktlösungsregeln des öffentlichen und privaten Nachbarrechts sowie die Art der Nutzung der benachbarten Grundstücke und die vorbeugende Beherrschbarkeit der Störung. Dabei ist, wie der Senat in dem Mehltau-Fall ausgeführt hat, bei natürlichen Immissionen u.a. entscheidend, ob die Nutzung des störenden Grundstücks sich im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung hält. Von diesem Ansatz aus lässt sich auch die Frage beantworten, ob der Laubabwurf oder der Nadelflug eine abwehrbare Beeinträchtigung im Sinne des § 1004 BGB darstellen. Hierbei ist, wie § 907 Abs. 2 BGB zu entnehmen ist, ohne Bedeutung, ob der Baum, Strauch oder die Pflanze, von der die Immission ausgeht, auf natürlichem Wege angewachsen oder von dem Grundstückseigentümer angepflanzt worden ist (Staudinger/Gursky, BGB [1999], § 1004, RdNr. 58). Entscheidend kann nur sein, ob der Bewuchs mit seiner na-
türlichen Emission ordnungsgemäßer Grundstücksbewirtschaftung und dem das Nachbarrecht bestimmenden Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme entspricht. Dies ist hier zu verneinen. Dabei kann offen bleiben, ob schon allein das Anpflanzen oder Unterhalten der Kiefern als Waldbäume in einem Wohngebiet bei der gebotenen Rücksichtnahme auf die Nachbarinteressen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung entspricht. Jedenfalls werden sie unter Verletzung der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen über den Grenzabstand unterhalten. Daß der Kläger wegen Fristablaufs nicht mehr ihre Beseitigung oder das Zurückschneiden auf die zulässige Höhe verlangen kann, hat nicht zur Folge, daß der Bewuchs nunmehr ordnungsgemäßer Bewirtschaftung entspricht. Dann aber sind die Beklagten für die von den Kiefern ausgehenden natürlichen Immission auch verantwortlich.

c) Mit Erfolg rügt die Revision allerdings, daß das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil die von dem Kläger behaupteten Beeinträchtigungen als nicht wesentlich ansieht. Dies ist zunächst eine Tatfrage. Revisionsrechtlich nachprüfbar ist, ob das Berufungsgericht die nötigen Tatsachenfeststellungen verfahrensfehlerfrei getroffen und bei ihrer Würdigung die zutreffenden rechtlichen Gesichtspunkte zugrunde gelegt hat (Senat , BGHZ 120, 239, 254 f.). Das ist hier nicht der Fall.
(1) Die Verfahrensrüge des Klägers (§ 286 ZPO) greift durch. Das Berufungsurteil läßt nicht erkennen, von welchen Auswirkungen des Nadel- und Zapfenfalls das Berufungsgericht ausgeht; entsprechende Feststellungen fehlen. Die Parteien haben dazu gegensätzlich vorgetragen. Damit setzt sich das Berufungsgericht nicht auseinander. Auch ist dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen , ob das Berufungsgericht erkannt hat, daß den Beklagten die Darle-
gungs- und Beweislast für die Unwesentlichkeit der Beeinträchtigungen obliegt (vgl. Senat, BGHZ 120, 239, 257). Falls es seine Auffassung, daß der Nadelund Zapfenfall die Benutzung des Grundstücks des Klägers nur unwesentlich beeinträchtigt, auf den in der Berufungserwiderung der Beklagten in Bezug genommenen erstinstanzlichen Vortrag, daß nicht nur die Nadeln und Zapfen ihrer Kiefern, sondern alle pflanzlichen Bestandteile sämtlicher auf dem Grundstück des Klägers und auf den Nachbargrundstücken stehender Bäume auf das Dach, die Dachrinnen und Dacheinläufe des Hauses des Klägers und in seinen Garten fallen, und die von den Beklagten vorgelegten Lichtbilder stützt, wäre wegen des dem entgegenstehenden Vortrags des Klägers eine Beweisaufnahme erforderlich gewesen. Falls das Berufungsgericht jedoch meint, daß sich schon aus dem Vortrag des Klägers die Unwesentlichkeit der behaupteten Einwirkungen ergibt, so daß es keiner Beweisaufnahme bedurfte, hätte es den Begriff der Wesentlichkeit verkannt. Bei der Beurteilung, ob eine Beeinträchtigung wesentlich im Sinne des § 906 BGB ist, muß auf das Empfinden eines "verständigen Durchschnittsmenschen" und das, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist, abgestellt werden (Senat, BGHZ 148, 261, 264 m.w.N.). Damit können auch wertende Momente, wie z.B. die Beachtung des Naturschutzes und des Umweltbewußtseins der Bevölkerung, in die Beurteilung einbezogen werden (vgl. Senat, BGHZ 120, 239, 255). Dieser Gedanke liegt dem Berufungsurteil offensichtlich zugrunde. Er kann jedoch nicht dazu führen, die Wesentlichkeit auch dann zu verneinen, wenn die Einwirkungen von dem Nachbargrundstück objektiv feststellbare physische Auswirkungen auf das Eigentum des betroffenen Grundstückseigentümers haben (vgl. Senat, Urteil vom 20. November 1998, V ZR 411/97, WM 1999, 554, 555). In einem solchen Fall ist die Grenze von der Unwesentlichkeit zur Wesentlichkeit der Beeinträchtigungen überschritten. So kann es hier sein.
Nach dem Vortrag des Klägers verstopfen die von den Kiefern der Beklagten abfallenden Nadeln die Dachrinnen und Dacheinläufe seines Wohnhauses. Führt das zu Schäden, liegt eine wesentliche Beeinträchtigung vor (vgl. OLG Frankfurt a.M., NJW 1988, 2688). Auch hat der Kläger vorgetragen, daß er wegen des Nadelfalls seinen Gartenteich verschließen mußte. Trifft das zu, wäre auch das eine wesentliche Beeinträchtigung. Insoweit bedarf die Sache also weiterer Aufklärung.
(2) Ebenfalls rechtlich nicht haltbar ist die von dem Berufungsgericht übernommene Auffassung des Amtsgerichts, daß die Auswirkungen einer nicht abwehrbaren Bepflanzung auf die Nachbarschaft nicht rechtswidrig sein können. Damit verkennen die Vorinstanzen in einem entscheidenden Punkt die Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. Er kommt in Betracht, wenn der Grundstückseigentümer wesentliche Einwirkungen dulden muß, die von einer im übrigen rechtmäßigen Nutzung des Nachbargrundstücks ausgehen. Deshalb läßt sich die Wesentlichkeit der Beeinträchtigungen mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung ebenfalls nicht verneinen.

d) Wenn der Nadel- und Zapfenfall die Benutzung des Grundstücks des Klägers wesentlich beeinträchtigt, hängt die Begründetheit des Anspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB weiter davon ab, daß die Beeinträchtigung auf eine ortsübliche Benutzung des Grundstücks der Beklagten zurückzuführen ist und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. Zweifel an der Ortsüblichkeit der Grundstücksbenutzung bestehen bereits deshalb , weil die Kiefern den nach § 50 Abs. 1 Nds.NRG gebotenen Grenzabstand nicht einhalten. Die Frage der Ortsüblichkeit und der Verhinderbarkeit braucht
hier jedoch nicht entschieden zu werden. Denn selbst wenn sie zu verneinen wäre und der Kläger die Einwirkungen deshalb grundsätzlich nicht dulden müßte, sondern sie nach § 1004 Abs. 1 BGB abwehren könnte, käme ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog in Betracht. aa) Ein solcher Anspruch ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung auf ein benachbartes Grundstück Einwirkungen ausgehen, die zwar rechtswidrig sind und deshalb nicht geduldet werden müßten, der betroffene Eigentümer jedoch aus besonderen Gründen gehindert ist, solche Störungen nach § 1004 Abs. 1 BGB zu unterbinden; der Anspruch setzt voraus, daß der Betroffene hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (siehe nur Senat, Urt. v. 30. Mai 2003, V ZR 37/02, WM 2003, 1969, 1970 m.w.N.). Dieser allgemein für das Nachbarrecht entwickelte Grundsatz ist nicht etwa nur auf andere als die von § 906 Abs. 1 BGB erfaßten Einwirkungen beschränkt , wie z.B. auf Grobimmissionen (BGHZ 58, 149, 158 f.; 111, 158, 162), Vertiefungsschäden (BGHZ 72, 289, 292; 85, 375, 384), Abschwemmung von Unkrautvernichtungsmitteln (Senat, BGHZ 90, 255 ff.), Wasserschaden infolge Rohrbruchs auf dem Nachbargrundstück (Senat, Urt. v. 19. Mai 1985, V ZR 33/84, WM 1985, 1041; Urt. v. 30. Mai 2003, aaO) oder durch technischen Defekt an elektrischen Leitungen verursachter Brandschaden an dem benachbarten Haus (Senat, Urt. v. 11. Juni 1999, V ZR 377/98, WM 1999, 2168, 2169); er gilt ebenso für Einwirkungen im Sinne dieser Vorschrift, wenn der beeinträchtigte Eigentümer eine solche Einwirkung trotz ihrer Rechtswidrigkeit nicht verhindern kann, denn maßgeblicher Gesichtspunkt ist in diesen Fällen nicht die Art der Einwirkung, sondern der Umstand, daß eine unzumutbare Be-
einträchtigung des Eigentums eintritt (Senat, BGHZ 90, 255, 262 f.). Dieser Gedanke liegt auch dem § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zugrunde.
bb) Einen Abwehranspruch hätte hier der Kläger zwar unter der Voraussetzung , daß eine wesentliche Beeinträchtigung der Benutzung seines Grundstücks auf die nicht ortsübliche Benutzung des Grundstücks der Beklagten zurückzuführen wäre und/oder von ihnen durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden könnte. Aber der Kläger wäre aus Rechtsgründen daran gehindert, die Einwirkungen zu unterbinden. Eine andere Möglichkeit zur Störungsbeseitigung als die, daß die den Beklagten gehörenden Kiefern entfernt oder so weit gekürzt werden, daß das Abfallen von Nadeln und Zapfen auf das Grundstück des Klägers nahezu ausgeschlossen ist, ist nämlich nicht ersichtlich. Darauf hat der Kläger jedoch wegen Ablaufs der Ausschlußfrist (§ 54 Abs. 2 Nds.NRG) keinen Anspruch mehr; er muß das Höhenwachstum der Bäume dulden (siehe vorstehend unter II. 1.).
cc) Ob der Kläger die Beeinträchtigungen entschädigungslos hinnehmen muß, bedarf ebenfalls der Klärung durch das Berufungsgericht. Es wird zu ermitteln haben, in welchem Verhältnis der von dem Kläger behauptete zusätzliche Reinigungsaufwand zu dem Aufwand steht, den er für die Reinigung seines Grundstücks von Laub, Nadeln u.ä. sowieso hat. Dabei ist zu berücksichtigen , daß sich beide Grundstücke in einem seit vielen Jahren gewachsenen Wohngebiet mit teilweise hohem Baumbestand befinden, weshalb das Grundstück des Klägers - wie auch die benachbarten Grundstücke - dem Abfallen von Laub, Nadeln, Zapfen und anderen pflanzlichen Bestandteilen der eigenen und fremden Bäume und Sträucher ausgesetzt ist. Deshalb muß der Kläger - ebenso wie seine Nachbarn - Reinigungsarbeiten auf seinem Grundstück
vornehmen, um das Laub u.ä. zu entfernen. Dabei müssen auch die Dachrinne und die Dacheinläufe gesäubert werden. Der zeitliche Aufwand dafür hängt von der Art und Größe der eigenen und umliegenden Anpflanzungen, der Jahreszeit sowie den Witterungsverhältnissen ab. Dazu muß der Kläger noch vortragen. Bei der dann erforderlichen Abwägung können allerdings Gesichtspunkte wie der, daß derjenige, der die mit dem "Wohnen im Grünen" verbundenen Annehmlichkeiten wie z.B. den auf Bäume und Sträucher zurückzuführenden Sicht-, Schall- und Windschutz sowie reine und sauerstoffreiche Luft in Anspruch nimmt, bis zu einem gewissen Grad auch die damit verbundenen Nachteile, jedenfalls soweit sie auf natürlichen Gegebenheiten beruhen, in Kauf nehmen müsse (vgl. OLG Frankfurt a.M., NJW 1988, 2618, 2620 m.w.N.; NJW-RR 1991, 1364, 1366 f.; OLG Düsseldorf, NJWE-MietR 1996, 2, 3), oder das gewachsene Umweltbewußtsein weiter Kreise der Bevölkerung, welches das Anpflanzen und Halten von Bäumen auch in Wohngebieten als erstrebenswert ansieht, keine Rolle spielen. Denn hier verstoßen die Beklagten dadurch , daß die Bäume nicht den gesetzlich vorgegebenen Grenzabstand einhalten , gegen das Gebot der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung ihres Grundstücks. Dies kann durch die genannten Gesichtspunkte nicht kompensiert werden. Inwiefern sie zu berücksichtigen wären, wenn das störende Grundstück ordnungsgemäß bewirtschaftet und rechtmäßig genutzt würde, bedarf hier keiner Entscheidung.
dd) Der Umfang des Ausgleichsanspruchs bestimmt sich nach den Grundsätzen, die für die Bemessung der Enteignungsentschädigung gelten; diese unterscheidet sich vom Schadenersatz darin, daß nicht der Zustand herzustellen ist, der bestünde, wenn die Störung nicht eingetreten wäre, vielmehr beschränkt sich der Ausgleich auf die Beseitigung der durch die Störung ein-
getretenen Vermögenseinbuße (Senat, BGHZ 147, 45, 53). Deshalb kann der Kläger höchstens den Betrag erhalten, den er für die zusätzliche Reinigung durch ein Unternehmen aufwenden müßte.
4. Nach alledem ist das Berufungsurteil unter Zurückweisung des erfolglosen Teils der Revision (vorstehend II. 1. und 2.) im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als die Zahlungsanträge des Klägers abgewiesen worden sind. In diesem Umfang ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen. Es muß aufklären, ob die von dem Kläger behaupteten Einwirkungen die ortsübliche Benutzung seines Grundstücks wesentlich beeinträchtigen und ob ihm nicht zugemutet werden kann, daß er die daraus herrührenden Nachteile entschädigungslos hinzunehmen hat. Für das alles trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast.
Wenzel Tropf Lemke Gaier Schmidt-Räntsch

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 320/02 Verkündet am:
6. Juni 2003
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
EGBGB Art. 233 § 10, Art. 237 § 2; BGB § 744 Abs. 2
Die auf ein gesetzliches Notprozeßführungsrecht gestützte Grundbuchberichtigungsklage
einzelner Separationsinteressenten wahrt die Frist des Art. 237 § 2
Abs. 2 EGBGB nicht, wenn die Interessenten bereits von der Gemeinde zur Geltendmachung
des Eigentums der Interessentengesamtheit ermächtigt sind, dies aber
nicht offenlegen.
BGH, Urt. v. 6. Juni 2003 - V ZR 320/02 - OLG Naumburg
LG Stendal
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Juni 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Gaier und Dr. SchmidtRäntsch

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 20. August 2002 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Im Grundbuch von H. waren "Die Separationsinteressenten von H. " als Eigentümer der Flurstücke 226/20 und 233/21 der Flur 2 eingetragen. Ein Rechtsträgernachweis vom 9. November 1983 gibt als Grund der Überführung der Flächen in Volkseigentum einen Beschluß des Rates der Gemeinde vom 1. November 1983 an. Volkseigentum wurde am 29. November 1983 im Grundbuch vermerkt. Aufgrund von Vermögenszuordnungsbescheiden vom 18. Juni 1996 wurde die Beklagte am 27. März 1997 als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen.
Mit ihrer am 29. September 1998 eingegangenen, am 20. Oktober 1998 zugestellten Klage haben die Kläger hinsichtlich des Flurstücks 226/20 und des aus Flurstück 233/21 hervorgegangenen Flurstücks 21/14 die Zustimmung zur
Berichtigung des Grundbuchs zugunsten der Separationsinteressenten bean- tragt. Das Landgericht hat die Klage als unzulässig, das Oberlandesgericht als unbegründet abgewiesen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger den Berichtigungsantrag weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht hält die Klage, soweit die Kläger den Berichtigungsanspruch der Interessentengemeinschaft in gesetzlicher Prozeßstandschaft verfolgen, für unzulässig. Soweit sie sich auf eine Ermächtigung der Gemeinde H. zur Prozeßführung stützen, sei die Klage unbegründet. Denn die Gemeinde habe - jedenfalls - mit Ablauf des 30. September 1998 Eigentum an den Flächen nach Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB erworben. Die Ermächtigung zur Prozeßführung hätten die Kläger nämlich erst nach diesem Zeitpunkt dem Gericht angezeigt.
Dies hält den Angriffen der Revision stand.

II.


1. Zutreffend hat das Berufungsgericht eine gesetzliche Prozeßstandschaft der Kläger verneint, eine gewillkürte Prozeßstandschaft dagegen bejaht.

a) Revisionsrechtlich ist zwar davon auszugehen, daß die Kläger Mitglieder , der weitere Personen umfassenden Separationsinteressentengemeinschaft sind. Dies berechtigte sie jedoch unter den hier gegebenen Umständen nicht, die Rechte der Interessenten im eigenen Namen geltend zu machen. Die Interessenten an den von den Gemeinheitsteilungen des 19. Jahrhunderts (für Preußen: Gemeinheitsteilungsordnung vom 7. Juni 1821, GS.S. 53) ausgenommenen , den gemeinsamen Zwecken benachbarter Höfe dienenden Zweckgrundstücken bilden einen altrechtlichen Personenzusammenschluß, der, was das gemeinsame Vermögen angeht, grundsätzlich eine Gemeinschaft zur gesamten Hand darstellt (h.M.; näher, auch zu hier nicht interessierenden Ausnahmefällen , Böhringer, NJ 2000, 120, 122; zum Fortbestehen der Interessentengemeinschaften vgl. Art. 113 EGBGB, für die Zeit der DDR § 2 Abs. 2 Satz 2 EGZGB). Ob und inwieweit Mitgliedern von Gesellschaften mit gesamthänderisch gebundenem Vermögen, entsprechend der Regel für Teilhaber einer Gemeinschaft (§ 744 Abs. 2 BGB), die Befugnis zukommt, Rechte der Gesamtheit im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen, ist umstritten und von der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt (ablehnend BGHZ 17, 181, 182; ablehnend für die Klage im Eigeninteresse bei Verweigerung der Mitwirkung der Mitgesellschafter BGHZ 39, 14, 20; offengelassen Urteil v. 11. Februar 1980, II ZR 41/79, WM 1980, 1141, 1143; zum Streitstand vgl. MünchKommBGB /Ulmer, 3. Aufl., § 705 Rdn. 21; Staudinger/Langhein, BGB [2002], § 744 Rdn. 31). Für ein Notgeschäftsführungsrecht der klagenden Separationsinteressenten spricht, daß die Berichtigungsklage der Erhaltung des Vermögenswertes des Personenzusammenschlusses dient. Dagegen spricht die an die Körperschaften angenäherte Vertretung der Gesamtheit durch "Organe", die Art. 233 § 10 Abs. 3 EGBGB aufgreift. Dies geht zurück auf die gesetzliche Anordnung der Vertretungsverhältnisse für die von den Gemeinheitsteilungen
ausgeschlossenen Zweckgrundstücke (für Preußen: Gesetz, betreffend die durch ein Auseinandersetzungsverfahren begründeten gemeinschaftlichen Angelegenheiten vom 2. April 1887, GS. S. 105, wonach die Vertretung auf Antrag dem Gemeindevorstand zu übertragen war). Der Streitstand nötigt den Senat indes nicht, die Frage zu entscheiden. Jedenfalls für die entsprechende Anwendung im Bereich der Gesamthandsgemeinschaften ist eine Verwaltungsmaßregel nach § 744 Abs. 2 BGB nicht nur durch die Erforderlichkeit der Maßnahme als solche bedingt, sondern mit Rücksicht auf den Vorrang der für die Gemeinschaft geltenden Regelungen als subsidiäres Recht zu verstehen (zutr. MünchKomm-BGB/Karsten Schmidt, aaO, §§ 744, 745 Rdn. 41), das nur eingreift, wenn die handlungsbefugten Organe der Gemeinschaft nicht handeln. Für Gemeinschaften im Bereich des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten findet dieser Gesichtspunkt der Subsidiarität des Notgeschäftsführungsrechts einzelner Mitglieder in der dort vorgesehenen Bestellung eines Administrators bei Ausbleiben einer gemeinschaftlichen Verwaltung eine weitere Stütze (LRS 37 I 17; vgl. auch MünchKomm-BGB/Quack, aaO, Art. 233 § 10 EGBGB, Rdn. 1, der das gesetzliche Vertretungsrecht der Gemeinde als "eine Art Notgeschäftsführung durch die Gemeinde" begreift; zutr. dagegen Staudinger/Rauscher, aaO [1996] Art. 233 § 10 EGBGB, Rdn. 1, der mit Wortlaut und Zweck des Gesetzes allein von einem Handeln in fremdem Namen ausgeht). Unter diesem Gesichtspunkt besteht kein Prozeßführungsrecht der Kläger im Interesse der Separationsinteressenten; denn die Gemeinde H. , auf deren Gemarkung die Zweckgrundstücke gelegen sind, hatte die Kläger, wie diese selbst vortragen, bereits vor Prozeßbeginn ermächtigt, im eigenen Namen den Berichtigungsantrag zu verfolgen. Hierzu war sie gemäß Art. 233 § 10 Abs. 1 und Abs. 2 EGBGB befugt. Die Interessentengemeinschaft hatte mithin durch ihre gesetzliche Vertreterin gehandelt. Eine Notwendigkeit, die
Klage, wie dies ausdrücklich erfolgt ist, als gesetzliche Prozeßstandschafter, gestützt auf § 744 Abs. 2 BGB, zu erheben, bestand nicht.

b) Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klageerhebung in gewillkürter Prozeßstandschaft bestehen nicht. Die Kläger haben als Separationsinteressenten ein schutzwürdiges Eigeninteresse an der Wahrung der Rechte der Gesamtheit. Eine unbillige Beeinträchtigung der Rechte der Beklagten (BGHZ 96, 151, 155) ist mit ihr nicht verbunden. Auf die Ermächtigung haben sich die Kläger, was grundsätzlich erforderlich ist (BGHZ 125, 196, 201), in der Tatsacheninstanz, nämlich in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 15. Dezember 1998, berufen.
2. Die Klage auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung konnte den Verlust des Eigentums der Separationsinteressenten, falls dieses die Enteignungsmaßnahme zur Zeit der DDR überstanden hat, durch Fristablauf (Art. 233 § 2 Abs. 2 EGBGB) nicht hindern.

a) Die Vorschrift ist, unbeschadet des Umstandes, daß zum Stichtag, dem 30. September 1998, Volkseigentum im Grundbuch nicht mehr eingetragen war, heranzuziehen. Der Senat hat bereits - weitergehend - entschieden, daß Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB eingreift, wenn nicht mehr, wie hier, der Abwicklungsberechtigte selbst, sondern eine Gesellschaft im Grundbuch eingetragen ist, die dessen Funktion übernommen hat (Urt. v. 14. März 2003, V ZR 280/02 z. Veröff. best.). Die Beklagte war Abwicklungsberechtigte. In ihrer, den Vermerk zugunsten des Volkseigentums ablösenden Eintragung als Eigentümerin kam die bestehende Zuordnung des ehemaligen volkseigenen Vermögens berichtigend zum Ausdruck.


b) Die Kläger haben es versäumt, sich vor Ablauf des 30. September 1998 auf die von der Gegenseite erteilte Ermächtigung zu berufen. Die Wirkungen der gewillkürten Prozeßstandschaft treten erst in dem Augenblick ein, in dem sie offengelegt wird oder offensichtlich ist (vgl. BGHZ 78, 1, 6, 8; Urt. v. 3. März 1993, IV ZR 267/91, NJW-RR 1993, 669, 671; Urt. v. 7. Juni 2001, I ZR 49/99, NJW-RR 2002, 20, 22). Dieser Grundsatz, der der Ermächtigung die Wirkung des § 185 BGB versagt, ist von der Rechtsprechung zur Verjährung gemäß § 209 BGB a.F. entwickelt worden (vgl. bereits BGH, Urt. v. 26. November 1957, VIII ZR 70/57, NJW 1958, 338, 339 = MDR 1958, 421, 422, m. Anm. Bülow). Durchgreifende Bedenken, ihn auch auf die Wahrung der Frist des Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB durch Klageerhebung anzuwenden, bestehen nicht. Zwar führt die Vorschrift, anders als die Verjährung, zum Verlust des Rechts selbst. Im Vordergrund steht aber hier wie dort das gesetzgeberische Anliegen, Rechtsfrieden zum Nachteil des Berechtigten, der sich verschwiegen hat, zu schaffen (vgl. zur Verjährung BGHZ 59, 72, 74; Motive I, 291 f.). Art. 237 § 2 EGBGB sollte, in Anlehnung an eine Verwirkungs- (vgl. Schmidt-Räntsch, ZfIR 1997, 581, 585) oder Ersitzungsvorstellung, die definitive Klärung einer – aus der Wirklichkeit der DDR herrührenden unübersichtlichen und zweifelhaften – Rechtslage bewirken (vgl. OLG Dresden, VIZ 2000, 424, 425; MünchKommBGB /Busche, 3. Aufl., Art. 237 § 2 EGBGB, Rdn. 1, 17, 20; Bamberger /Roth/Kühnholz, BGB 2003, Art. 237 § 2 EGBGB, Rdn. 1), indem jedem, der sich auf einen Mangel berufen konnte, eine letzte, zeitlich begrenzte Chance eingeräumt wurde, diesen Mangel geltend zu machen; danach soll im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit eine Berufung auf den Mangel nicht mehr möglich sein (vgl. MünchKomm-BGB/Busche aaO, Rdn. 1; Schmidt-
Räntsch aaO; ders., VIZ 1997, 449, 453; unergiebig insoweit die Gesetzesmaterialien , vgl. BT-Drucks. 13/7275, abgedruckt in ZIP 1997, 711, 712).

c) Dies verstößt nicht gegen Art. 14 GG, obwohl der gesetzliche Eigentumserwerb und damit der entschädigungslose Entzug der Rechtsposition des früheren Eigentümers ohne Rücksicht auf die Schwere etwaiger Erwerbsfehler eintritt (vgl. auch Senat, Urt. v. 10. Oktober 1997, V ZR 80/96, WM 1998, 81, 82 = VIZ 1998, 94, 95). Anders als die Revision meint, ist die Verhältnismäßigkeit angesichts der Bedeutung des mit der Vorschrift verfolgten Ziels gewahrt. Bei ihrem Inkrafttreten waren bereits sieben Jahre seit dem Beitritt verstrichen; während dieser Zeit und noch ein weiteres Jahr bis zum 30. September 1998 bestand für die vom Eigentumsverlust bedrohten "Alt"-Eigentümer Gelegenheit, ihre Rechte aus dem Eigentum geltend zu machen (vgl. MünchKommBGB /Busche aaO, Art. 237 § 2 EGBGB, Rdn. 20 m.w.N.; Bamberger/ Roth/Kühnholz aaO, Art. 237 § 2 EGBGB, Rdn. 2; a.A. Rosenberger, VIZ 1997, 403; Horst, DtZ 1997, 183; s. auch Grün, ZIP 1996, 1860; 1997, 491).

d) Der Senat hat es bisher offengelassen, ob der Erwerb des Abwicklungsberechtigten des ehemaligen Volkseigentums nach Art. 237 § 2 EGBGB gegenüber dem Erwerb des Buchberechtigten nach Art. 237 § 1 EGBGB insoweit begünstigt ist, als dem wahren Berechtigten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Ausschlußfrist versagt ist (Art. 232, § 2 Abs. 2 Satz 3 einerseits, Abs. 1 Satz 4 andererseits; Urt. v. 17. November 2000, V ZR 487/99, WM 2001, 477, 479). Die Frage kann auch weiter offen
bleiben. Die Kläger haben die Frist, jedenfalls nicht unverschuldet versäumt; denn der fristwahrenden Erhebung der Klage in gewillkürter Prozeßstandschaft stand nichts im Wege.
Wenzel Tropf Krüger Gaier Schmidt-Räntsch

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)