Bundesgerichtshof Urteil, 13. Mai 2016 - V ZR 225/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:130516UVZR225.15.0
bei uns veröffentlicht am13.05.2016
vorgehend
Amtsgericht Hof, 17 C 156/15, 18.05.2015
Landgericht Hof, 24 S 36/15, 17.09.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 225/15 Verkündet am:
13. Mai 2016
Rinke
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2016:130516UVZR225.15.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Mai 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland, den Richter Kazele und die Richterin Haberkamp

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts Hof - 2. Zivilkammer - vom 17. September 2015 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagten sind Erbbauberechtigte an einem im Eigentum des Klägers stehenden Grundstück. Zur Höhe des Erbbauzinses findet sich in dem Erbbaurechtsbestellungsvertrag vom 5. März 1970 u.a. folgende Regelung: "Alle fünf Jahre, beginnend mit der erstmaligen Zahlung des Erbbauzinses wird der Erbbauzins für die folgenden fünf Jahre neu festgesetzt, wenn sich der Lebenshaltungsindex für alle privaten Haushalte in der Bundesrepublik gegenüber dem Stand vor jeweils fünf Jahren um mehr als zehn Punkte nach oben oder unten geändert hat. Die Neufestsetzung des Erbbauzinses erfolgt im gleichen Verhältnis, in dem sich dieser Lebenshaltungskostenindex gegenüber dem jeweils maßgeblichen Stand geändert hat. (…) Diejenige Vertragspartei, die aufgrund dieser Vereinbarung die Neufestsetzung des Erbbauzinses verlangt, muss dies jeweils vier Wochen vor Ablauf der Fünfjahresfrist der anderen Partei mitteilen. Einfache schriftliche Mitteilung genügt. Erfolgt innerhalb dieser Vierwochenfrist von keiner Partei eine entsprechende Mitteilung, so kann die nächste Neufestsetzung des Erbbauzinses erst wieder nach Ablauf von weiteren fünf Jahren beantragt werden. (…)"
2
Zuletzt wurde der Erbbauzins am 13. Januar 1995 auf einen Betrag von umgerechnet 963,94 € erhöht. Im Oktober 2014 verlangte der Kläger ab dem 1. Januar 2015 einen jährlichen Erbbauzins in Höhe von 1.299,39 €. Der (umbasierte ) Verbraucherindex betrug im Juli 1994 79,4 Punkte und im Juli 2014 107,0 Punkte, so dass sich für diesen Zeitraum eine Steigerung um 34,8 % ergibt.
3
Das Amtsgericht hat der auf Verurteilung zur zukünftigen Zahlung des erhöhten Erbbauzinses gerichteten Klage stattgegeben. Das Landgericht hat sie abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision will der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Nach Ansicht des Berufungsgerichts kann der Kläger eine Anpassung des Erbbauzinses nicht verlangen. Der Wortlaut der Anpassungsklausel sei eindeutig, so dass für eine Auslegung kein Raum sei. Sie lasse eine Erhöhung des Erbbauzinses nur dann zu, wenn der Lebenshaltungskostenindex für alle privaten Haushalte in den letzten fünf Jahren vor dem Anpassungsverlangen um mindestens zehn Punkte gestiegen sei, woran es fehle. Auch die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage führten nicht zu einer Anpassung des Erbbauzinses.

II.

5
Die Revision ist wegen der Bindung des Senats an die Zulassung durch das Berufungsgericht (§ 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO) statthaft; sie ist auch im Übrigen zulässig. Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet.
6
1. Im Ergebnis zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, der Kläger könne auf Grundlage der im Erbbaurechtsbestellungsvertrag vereinbarten Anpassungsklausel die Zahlung eines erhöhten Erbbauzinses nicht verlangen, weil es an den danach notwendigen Voraussetzungen für eine Erhöhung fehle.
7
a) Soweit das Berufungsgericht die Anpassungsklausel unter Verweis auf ihren eindeutigen Wortlaut für nicht auslegungsbedürftig hält, ist dies allerdings rechtsfehlerhaft.
8
Ob eine vertragliche Regelung schon wegen ihres eindeutigen Wortlauts nicht auslegungsbedürftig ist, ist eine Rechtsfrage (§§ 133, 157 BGB), die der Prüfung des Revisionsgerichts (§ 546 ZPO) unterliegt (Senat, Urteil vom 10. Februar 1960 - V ZR 39/58, BGHZ 32, 60, 63; BGH, Urteil vom 8. Dezember 1982 - IVa ZR 94/81, BGHZ 86, 41, 47). In diesem Zusammenhang kann die grundsätzliche Frage offenbleiben, ob eine vertragliche Regelung nach Wortlaut und Zweck einen derart eindeutigen und zweifelsfreien Inhalt haben kann, dass für eine Auslegung kein Raum bleibt (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 5. Juli 2002 - V ZR 143/01, NJW 2002, 3164, 3165; BGH, Urteil vom 10. Oktober 1957 - VII ZR 419/56, BGHZ 25, 318, 319; Beschluss vom 13. Dezember 2006 - XII ZB 71/04, NJW 2007, 1460 Rn. 10), oder sich die Feststellung, ob eine Erklärung eindeutig ist oder nicht, gerade erst durch eine alle Umstände berücksichtigende Auslegung treffen lässt (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2001 - XII ZR 281/99, NJW 2002, 1260, 1261; BGH, Beschluss vom 9. April 1981 - IVa ZB 6/80, BGHZ 80, 246, 249 f.; MüKoBGB/Busche, BGB, 7. Aufl., § 133 Rn. 53). Die von dem Berufungsgericht angenommene Eindeutigkeit des Wortlauts der vertraglichen Regelung ist jedenfalls nicht gegeben.
9
Der Wortlaut legt zwar nahe, dass eine Anpassung nur möglich sein soll, wenn der Lebenshaltungskostenindex in den letzten fünf Jahren vor dem Anpassungsverlangen um mindestens zehn Punkte gestiegen ist. Zwingend ist das aber nicht. Die Revision weist zutreffend darauf hin, die Klausel könne auch dahin verstanden werden, dass die Frist von fünf Jahren nur den Zeitraum festlege , nach dessen Ablauf ein erneutes Anpassungsverlangen frühestens möglich sei. Wenn es in der Klausel weiter heiße, dass eine Neufestsetzung bei einer Veränderung des Lebenshaltungskostenindex für alle privaten Haushalte in der Bundesrepublik "gegenüber dem Stand vor jeweils fünf Jahren" von über 10 Punkten zu erfolgen habe, könne dies auch dahingehend ausgelegt werden, dass auf die Veränderung seit der letzten Anpassung abgestellt werde. Der Zeitraum von fünf Jahren steht bei diesem Verständnis als Synonym für die letzte Anpassung. Eine solche Auslegung ist mit dem Wortlaut durchaus noch vereinbar. Sie wäre auch nicht fernliegend; die Klausel würde es dem Eigentümer dann ermöglichen, den Erbbauzins auch an eine schleichende Erhöhung der Lebenshaltungskosten anzupassen.
10
Das Berufungsurteil kann daher mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Da weitere tatsächliche Feststellungen zu maßgeblichem Auslegungsstoff nicht zu erwarten sind, kann der Senat die Klausel selbst auslegen (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 4. Mai 1990 - V ZR 21/89, BGHZ 111, 214, 217 mwN).
11
b) Die Auslegung der Anpassungsklausel ergibt, dass kein Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses besteht.
12
aa) Nach dem Wortlaut der Klausel ist für eine Anpassung des Erbbauzinses erforderlich, dass sich der Lebenshaltungskostenindex für alle privaten Haushalte gegenüber dem Stand von vor jeweils fünf Jahren um mehr als zehn Punkte nach oben oder unten geändert hat. Bezugspunkt für die Prüfung, ob die maßgebliche Änderung der Lebenshaltungskosten eingetreten ist, ist danach der Indexstand vor fünf Jahren. Gegen die Annahme der Revision, gemeint sei der Indexstand zum Zeitpunkt der letzten Anpassung, die mindestens fünf Jahre zurückliegen müsse, spricht entscheidend die weitere Regelung, dass das Anpassungsverlangen innerhalb von vier Wochen vor Ablauf der Fünfjahresfrist der anderen Partei mitgeteilt werden muss. Wird diese Frist nicht gewahrt , kann die nächste Anpassung erst wieder nach weiteren fünf Jahren beantragt werden, wobei dann wieder neu zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen der Anpassungsklausel vorliegen. Dies verdeutlicht, dass die Parteien den zeitlichen Intervallen von fünf Jahren mit den Bezugspunkten der jeweiligen Indexstände zu Beginn und zum Ende des jeweiligen Zeitraums eine entscheidende Bedeutung beigemessen haben.
13
bb) Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich daraus auch ein stimmiges Gesamtkonzept der Anpassungsklausel. Dieses besteht darin, nur wesentliche Veränderungen der Lebenshaltungskosten zur Anpassung des Erbbauzinses ausreichen zu lassen, wobei die Wesentlichkeitsschwelle erst dann erreicht ist, wenn der Lebenshaltungskostenindex in einem bestimmten Ausmaß steigt oder sinkt und hierfür nicht länger als fünf Jahre benötigt. Das Risiko , dass sich die Lebenshaltungskosten lediglich schleichend verändern, so dass unter Umständen für einen längeren Zeitraum keine Anpassung stattfinden kann, ist nach der gewählten Formulierung bewusst in Kauf genommen und von beiden Seiten gleichermaßen zu tragen. Daher verstößt ein Verständnis der Anpassungsklausel, wonach die Veränderung des Indexstandes nach dem Ablauf von jeweils fünf Jahren für die Frage einer Veränderung des Erbbauzinses maßgebend ist, auch nicht gegen den Grundsatz einer beiderseits interessengerechten Vertragsauslegung.
14
cc) Begleitumstände, aus denen darauf geschlossen werden könnte, dass die Parteien der Klausel das von ihr für richtig gehaltene Verständnis beigelegt haben, zeigt die Revision nicht auf. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trägt die Partei, die sich auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände - sei es zum Nachweis eines vom Urkundentext abweichenden übereinstimmenden Willens der Beteiligten, sei es zum Zwecke der Deutung des Inhalts des Beurkundeten aus der Sicht des Erklärungsempfängers (§§ 133, 157 BGB) - beruft, die Darlegungs- und Beweislast für deren Vorliegen (vgl. Senat, Urteil vom 5. Juli 2002 - V ZR 143/01, NJW 2002, 3164, 3165 mwN).
15
dd) Auch aus dem Inhalt des notariellen Vertrages vom 13. Januar 1995, mit dem zuletzt der Erbbauzins erhöht wurde, ergibt sich keine andere Beurteilung. Unabhängig davon, dass sich aus ihm nur dann Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen der Parteien des Erbbaurechtsvertrages ziehen ließen (vgl. zu dieser Möglichkeit Senat, Urteil vom 24. Juni 1988 - V ZR 49/87, NJW 1988, 2878, 2879), wenn diese mit den Parteien des Vertrages von 1995 identisch wären (vgl. Senat, Urteil vom 19. April 1999 - V ZR 37/98, NZM 1999, 677), enthält die Erbbauzinserhöhungsvereinbarung vom 13. Januar 1995 keine von der im Erbbaurechtsbestellungsvertrag getroffenen Vereinbarung abweichende Regelung der Anpassungsvoraussetzungen. Soweit für die Berechnung des Erhöhungsbetrages auf den Indexstand sechs Monate vor letztmaliger Anpassung abgestellt wurde, ist dies darauf zurückzuführen, dass die vorhergehende Anpassung ihrerseits vor fünf Jahren erfolgte.
16
c) Vor diesem Hintergrund kann auch keine planwidrige vertragliche Regelungslücke festgestellt werden, die eine ergänzende Vertragsauslegung (§ 157 BGB) erforderlich machte (vgl. zu diesem Erfordernis nur Senat, Urteil vom 23. Mai 2014 - V ZR 208/12, NJW 2014, 3439 Rn. 8; Urteil vom 12. Oktober 2012 - V ZR 222/11, NJW-RR 2013, 494 Rn. 9 jeweils mwN).
17
2. Schließlich weist das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler darauf hin, dass die Zahlung eines erhöhten Erbbauzinses auch nicht nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage verlangt werden kann. Die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichts entsprechen der Rechtsprechung des Senats. Danach besteht ein Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses nur, wenn die Lebenshaltungskosten seit dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt um mehr als 150 % gestiegen sind (Senat, Urteil vom 18. September 1992 - V ZR 116/91, BGHZ 119, 220, 222; Urteil vom 18. November 2011 - V ZR 31/11, BGHZ 191, 336 Rn. 19). Diese Schwelle ist nach den - von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts nicht erreicht.

III.

18
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Stresemann Brückner Weinland Kazele Haberkamp
Vorinstanzen:
AG Hof, Entscheidung vom 18.05.2015 - 17 C 156/15 -
LG Hof, Entscheidung vom 17.09.2015 - 24 S 36/15 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 13. Mai 2016 - V ZR 225/15

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Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Bundesgerichtshof Urteil, 13. Mai 2016 - V ZR 225/15 zitiert 6 §§.

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Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 546 Begriff der Rechtsverletzung


Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

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Referenzen

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 143/01 Verkündet am:
5. Juli 2002
K a n i k
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 125, 133 Fa, 157 Ha

a) Die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit einer Urkunde ist begründet,
wenn der Urkundstext nach Wortlaut und innerem Zusammenhang unter Berücksichtigung
der Verkehrssitte einen bestimmten Geschäftsinhalt zum Ausdruck
bringt.

b) Zur Widerlegung der Vermutung kann auf außerhalb der Urkunde liegende Mittel
der Auslegung (Begleitumstände des Geschäfts, Äußerungen der Parteien außerhalb
der Urkunde u.a.) zurückgegriffen werden.
BGH, Urt. v. 5. Juli 2002 - V ZR 143/01 – Kammergericht in Berlin
LG Berlin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Juli 2002 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Lemke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 25. Januar 2001 aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 31 des Landgerichts Berlin vom 9. Dezember 1999 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelinstanzen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


Mit notariellen Verträgen vom 16. Dezember 1998 kaufte die Klägerin von dem Beklagten zwei bebaute Grundstücke zu Preisen von 403.000 DM und 635.000 DM und beauftragte jeweils die G. W. - und F. bau (GWF), die Gebäude zu sanieren; der Sanierungsaufwand betrug 1.065.530 DM und 1.535.420 DM. Mit weiteren notariellen Urkunden vom
22. Dezember 1998 ergänzten die drei Beteiligten die Verträge vom 16. Dezember 1998 dahingehend, "daû die Vertretene zu 3 (scil. Klägerin) das Recht hat, von diesem (scil. vom jeweiligen) Vertrag bis zum 31. März 1999 einseitig zurückzutreten, wenn eine Finanzierung für den Kaufpreis - einschlieûlich des Sanierungsanteils - nicht möglich ist". Für die Zeitspanne vom 30. Dezember 1998 bis 1. März 1999 finanzierte die Hausbank der Klägerin die Objekte, nachdem der Beklagte und GWF Bankbürgschaften erbracht hatten, ohne Eigenkapitalbeteiligung der Klägerin. Die mit der Vermittlung der endgültigen Finanzierung beauftragte Firma B. Finanz teilte der Klägerin am 10. März 1999 mit, daû eine Beleihung ohne Eigenkapitalbeteiligung nicht erreicht werden könne. Mit Schreiben vom gleichen Tage erklärte die Klägerin gegenüber dem Beklagten und GWF "unter Bezugnahme auf die Änderung bzw. Ergänzung der ... Verträge durch die URNrn. ..., alle vom 22. Dezember 1998 ... den Rücktritt von den ... Verträgen".
Die Klägerin, die sich wegen der Zahlung der Kaufpreise der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hatte, hat Vollstreckungsgegenklage erhoben und diese (u.a.) auf den am 10. März 1999 erklärten Rücktritt gestützt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts erstrebt. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.


Das Berufungsgericht meint, die notariellen Urkunden vom 22. Dezember 1998 räumten der Klägerin kein "freies" Rücktrittsrecht ein, da sie einen Rücktrittsgrund bezeichneten. Mangels eindeutigen Wortlauts der Rücktrittsvereinbarungen könne sich die Klägerin für ihre Auffassung, bereits der Umstand , daû ihr keine Finanzierung ohne Eigenkapital gelungen sei, habe sie zum Rücktritt berechtigt, nicht auf die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Urkunden stützen. Die Beweisaufnahme über die vor und bei den notariellen Verhandlungen abgegebenen Erklärungen lasse eine Feststellung im Sinne der Klägerin nicht zu.
Dies hält den Angriffen der Revision nicht stand.

II.


1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsurteils, die ergänzenden Vereinbarungen vom 22. Dezember 1998 räumten der Klägerin kein Rücktrittsrecht ein, dessen Ausübung allein in ihrem Belieben stehe. Die Vereinbarungen bezeichnen vielmehr einen Rücktrittsgrund. Die Bezeichnung des Rücktrittsgrundes in den Urkunden begründet indessen, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, die Vermutung dafür, daû das Rücktrittsrecht der Klägerin an keine weitere Voraussetzung gebunden war, als das Scheitern der Finanzierung als solches. Die Vermutung umfaût mithin auch den
Fall des Unvermögens der Klägerin, die Finanzierungsmittel ohne Eigenkapitalbeteiligung zu erlangen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung besteht für die über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunden die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit (BGHZ 20, 109, 111; BGH, Urt. v. 14. Oktober 1999, III ZR 203/98, ZIP 1999, 1887, 1888). Die Partei, die sich auf auûerhalb der Urkunde liegende Umstände - sei es zum Nachweis eines vom Urkundstext abweichenden übereinstimmenden Willens der Beteiligten, sei es zum Zwecke der Deutung des Inhalts des Beurkundeten aus der Sicht des Erklärungsempfängers (§§ 133, 157 BGB) - beruft, trifft die Beweislast für deren Vorliegen (Senatsurt. v. 5. Februar 1999, V ZR 353/97, WM 1999, 965). Die Vollständigkeits- und Richtigkeitsvermutung setzt allerdings voraus, daû der Geschäftsinhalt durch den Urkundstext bestimmt werden kann; unklar Bleibendes kann keine Vermutung für eine bestimmte Erklärung begründen. Dies bedeutet aber nicht, daû das Beurkundete, wovon das Berufungsgericht (möglicherweise) ausgeht, in dem Sinne eindeutig zu sein hätte, daû für eine Auslegung kein Raum mehr bleibt (vgl. BGHZ 25, 318, 319; 80, 246, 250; krit. MünchKomm-BGB/MayerMaly /Busche, 4. Aufl., § 133 Rdn. 46). Denn in diesem Falle wäre die Vermutung dem Beweis des Gegenteils nicht zugänglich, ginge mithin über eine Beweislastregelung hinaus. Die Vermutung ist vielmehr bereits dann begründet, wenn der Urkundstext nach Wortlaut und innerem Zusammenhang unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (§ 157 BGB) einen bestimmten Geschäftsinhalt zum Ausdruck bringt. Die auûerhalb der Urkunde liegenden Mittel der Auslegung, die Begleitumstände des Vertragsabschlusses, dessen Entstehungsgeschichte , Äuûerungen der Parteien auûerhalb der Urkunde u.a., ble i-
ben hierbei allerdings auûer Betracht. Sie sind Hilfsmittel zur Widerlegung der durch die Urkunde begründeten Vermutung des Geschäftsinhalts.

b) Dem wird das Berufungsurteil nicht gerecht. Das Berufungsgericht gründet seine Zweifel am Inhalt der Urkunde darauf, daû der beurkundende Notar das Rücktrittsrecht nicht an die Finanzierung des "gesamten Kaufpreises" , sondern an das Scheitern "einer" Finanzierung "für" den Kaufpreis geknüpft hat. Dabei bleibt es, entgegen dem Gebot des § 133 BGB, am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks haften und läût den wirklichen Willen der Beteiligten unerforscht. Nach § 433 Abs. 2 BGB hat der Käufer für die Zahlung des Kaufpreises als Geldschuld einzustehen. Wie er die erforderlichen Mittel aufbringt, insbesondere ob er hierzu ganz oder teilweise Eigenkapital einsetzt, ist seine Sache. Behält er sich den Rücktritt für den Fall des Scheiterns der Kaufpreisfinanzierung vor, so ist, wenn sich aus der Urkunde nichts anderes ergibt, davon auszugehen, daû der Grund des Scheiterns, in den Grenzen der §§ 162 entspr., 242 BGB, keine Rolle spielt. Der Verkäufer kann, wenn er nicht darauf besteht, den Rücktrittsgrund weiter einzugrenzen, nicht davon ausgehen , daû der Käufer sich in seiner Dispositionsfreiheit, auf welchem Wege und in welcher Weise er die Kaufpreismittel aufbringt, Einschränkungen unterzogen hat. Im Streitfalle hat die Klägerin ihr Rücktrittsrecht daran geknüpft, daû ihr die Finanzierung von Kaufpreis und Sanierungsaufwand "nicht möglich ist". Einschränkungen ihrer Dispositionsbefugnis dahin, daû sie die Kreditmöglichkeiten , welche einem Darlehensnehmer am Markt schlechthin zur Verfügung stehen , ausschöpfen, also auch Eigenkapital einsetzen müsse, hat sie sich nicht unterworfen. Insoweit zu Recht meint das Berufungsgericht, ob und in welchem Umfang Eigenmittel hätten zum Einsatz kommen sollen, sei von den Gegebenheiten des Falles abhängig gewesen. Im Sinne des Rücktrittsgrundes ist der
Klägerin die Finanzierung auch dann nicht möglich, wenn ihr Eigenkapital nicht zur Verfügung steht oder dieses anderweit eingesetzt wird. Eine Grenze wäre nur dann überschritten, wenn die Finanzierung des Kauf- und Sanierungsvorhabens der Parteien ohne Einsatz von Eigenmitteln auûerhalb der Grenzen der Verkehrssitte läge. Hiervon kann aber weder im allgemeinen noch gerade im Hinblick auf die Geschäftstätigkeit der Klägerin ausgegangen werden. Diese hatte, was unstreitig ist, vorher ein Vorhaben ähnlichen Zuschnitts allein mit Fremdmitteln verwirklicht.
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht über die für die Auslegung des Rücktrittsgrundes erheblichen Begleitumstände Beweis erhoben. Denn auch ein Beweisergebnis, welches die Behauptung der Beklagten gestützt hätte, die Klägerin habe vor Erklärung des Rücktritts Eigenkapital einsetzen müssen, wäre rechtlich beachtlich gewesen. Es hätte in der Urkunde einen, wenn auch nur andeutungsweisen, Niederschlag gefunden und hätte mithin dem Urkundserfordernis des § 313 Satz 1 BGB a.F. genügt. Da das Berufungsgericht Feststellungen in der einen oder anderen Richtung nicht zu treffen vermochte, ist die Sache im Sinne der Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts entscheidungsreif (§ 565 Abs. 3 ZPO a.F.).
Die Gegenrüge des Beklagten ändert hieran nichts. Der Beklagte vermag nicht auf einen Beweisantrag zu verweisen, zum Begriff der Finanzierung sachverständigen Rat einzuholen. Daû die besonderen Voraussetzungen vorgelegen hätten, unter denen das Gericht entweder Beweis von Amts wegen zu erheben (§ 144 ZPO) oder auf die Stellung eines Beweisantrags hinzuwirken (§ 139 ZPO) hat (zum Sachverständigenbeweis: BGH, Urt. v. 16. Oktober 1986, III ZR 121/85, NJW 1987, 591), legt die Revision nicht dar.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Tropf RiBGH Prof. Dr. Krüger ist wegen Urlaubsabwesenheit gehindert, zu unterschreiben Karlsruhe, den 09.07.2002 Wenzel Klein Lemke
10
Voraussetzung der Auslegung ist eine Auslegungsbedürftigkeit der Erklärung. Hat diese nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt, ist für eine Auslegung kein Raum (BGHZ 25, 318, 319). Das ist hier der Fall. Der Wortlaut der Erklärung "… wird die Klage hiermit zurückgenommen …" ist eindeutig. Der Wille zur Klagerücknahme wird durch den gleichzeitig gestellten Antrag, dem Beklagten die Kosten gemäß § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO aufzuerlegen, bekräftigt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 281/99 Verkündet am:
19. Dezember 2001
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGB §§ 133 B, 157 D
Zu den Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung.
BGH, Urteil vom 19. Dezember 2001 - XII ZR 281/99 - KG Berlin
LG Berlin
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Dezember 2001 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die
Richter Gerber, Prof. Dr. Wagenitz, Fuchs und Dr. Vézina

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 2. September 1999 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Das beklagte Land Berlin (im folgenden: der Beklagte) faßte 1992 den Entschluß, auf einer als "L. II" bezeichneten Fläche in B. ein Bauabfall-Recycling-Zentrum zu errichten. Es sollte sich um ein sogenanntes Vorzeigeobjekt handeln. Die Klägerinnen, drei Berliner Baugesellschaften , schlossen sich in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen und boten sich dem Beklagten als Investoren und als Träger des geplanten Recycling-Zentrums an. Am 19. Mai 1993 schlossen die Klägerinnen als Mieter und der Beklagte als Vermieter über die
Grundstücke L. II einen schriftlichen Mietvertrag ab. Die Mieter verpflichteten sich unter anderem, alle erforderlichen Bauarbeiten auf eigene Kosten auszuführen (§ 9) und Baumischabfälle anzunehmen und zu sortieren sowie Reststoffe ordnungsgemäû zu entsorgen (§ 3). Der Mietzins sollte - zunächst - eine 1 DM pro Quadratmeter und Monat betragen, auûerdem sollte der Vermieter als "Nutzungsentgelt" 10 % vom Rohertrag des Betreibers erhalten (§ 6). § 1 Abs. 4 lautet: "Der Mieter übernimmt sämtliche Kosten für alle erforderlichen Planungen und Genehmigungen im Falle des positiven Abschlusses." In einer von beiden Parteien unterzeichneten ergänzenden Vereinbarung zum Mietvertrag erläuterten die Parteien, was mit einigen Regelungen des Mietvertrages gemeint sei. Zu § 1 Abs. 4 heiût es, gemeint sei: "Der Vermieter übernimmt alle notwendigen nachgewiesenen Kosten, wenn wider Erwarten die Genehmigungen nicht erteilt werden." Die Klägerinnen haben die erforderlichen Genehmigungsunterlagen erarbeiten lassen und das Genehmigungsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz eingeleitet. Gegen den Plan, auf dem Gelände L. II die Anlage zu errichten, erhoben sich erhebliche Widerstände in der Bevölkerung, über die auch in der Presse berichtet wurde. Auch das zuständige Bezirksamt P. , das an dem Genehmigungsverfahren zu beteiligen war, war gegen diesen Plan. Der Beklagte schlug den Klägerinnen deshalb vor, die Anlage zu veränderten Bedingungen auf dem Gelände L. I zu errichten. Die Kläger beantragten daher am 30. Januar 1995 zunächst das Ruhen des Genehmigungsverfahrens für das Gelände L. II. Mit Schreiben vom 25. August
1995 teilte der Beklagte (Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen) den Klägerinnen mit, es sei "in unserem Hause" entschieden worden, den Standort L. II nicht weiter zu verfolgen und die geplante Anlage statt dessen auf der Fläche L. I zu errichten. Weiter heiût es in diesem Schreiben: "Aus diesem Grunde lösen wir im gegenseitigen Einvernehmen obigen Vertrag ... auf, um einen modifizierten Vertrag hinsichtlich des neuen Standorts ... zu vereinbaren." Die Klägerinnen widersprachen der Auflösung des alten Mietvertrages, weil sie mit verschiedenen Regelungen des vom Beklagten für L. I vorgelegten Vertragsentwurfs nicht einverstanden waren. Die Verhandlungen hierüber scheiterten. Die Klägerinnen nahmen später den Genehmigungsantrag zurück. Mit der vorliegenden Klage verlangen sie die Erstattung der bei ihnen angefallenen Planungskosten. Sie machen geltend, bei der Vertragsverhandlung am 18. Dezember 1992 hätten sie ausdrücklich gefordert, daû ihnen im Falle der Nichtdurchführbarkeit des Vorhabens die Planungskosten erstattet werden müûten. Die Vertreter des Beklagten hätten daraufhin versichert, das Vorhaben könne an dem vorgesehenen Standort unzweifelhaft durchgeführt werden, die Senatsverwaltung für Bauen werde sich gegenüber dem Bezirksamt durchsetzen. Irgendwelche Kosten müûten die Klägerinnen nur selbst tragen , wenn ihnen die erforderlichen Genehmigungen auch erteilt würden. Als Ergebnis dieser Erörterung sei § 1 Abs. 4 in den Mietvertrag aufgenommen worden.
Den Genehmigungsantrag hätten sie zurückgenommen, nachdem die zuständige Genehmigungsbehörde ihnen unmiûverständlich erklärt habe, unter den gegebenen Umständen komme eine Genehmigung nicht in Frage. Das Landgericht hat durch Grundurteil die Klage für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Kammergericht unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerinnen, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen wollen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 1. Das Berufungsgericht führt aus, nach § 1 Abs. 4 des schriftlichen Mietvertrages hätten die Klägerinnen als Mieter "im Falle des positiven Abschlusses" alle Planungs- und Genehmigungskosten zu tragen. In der schriftlichen Zusatzvereinbarung hätten die Parteien diese Regelung dahin erläutert, daû der Beklagte als Vermieter die entsprechenden Kosten übernehmen müsse , wenn wider Erwarten die Genehmigungen nicht erteilt würden. Der Wortlaut dieser Vereinbarung sei eindeutig und enthalte keine Regelungslücke, deshalb sei er einer ergänzenden Vertragsauslegung nicht zugänglich. Den Klägerinnen sei unstreitig spätestens seit Dezember 1992 - also Monate vor Vertragsschluû - bekannt gewesen, daû Bürgerinitiativen die geplante Anlage verhindern wollten. Das damit verbundene Risiko sei nach dem Vortrag der Klägerin-
nen bei den Vertragsverhandlungen erörtert worden. Dennoch sei in den Vertrag nicht aufgenommen worden, der Beklagte müsse die Planungskosten auch dann tragen, wenn die Verwirklichung des Projekts L. II wegen der Aktivitäten der Bürgerinitiative aus politischen Gründen verhindert werde. Ob das Fehlen einer solchen vertraglichen Regelung auf einer Fehleinschätzung dieses Risikos beruhe - so die Behauptung der Klägerinnen -, sei unerheblich. Es könne auch dahingestellt bleiben, ob die Vertreter des Beklagten bei den Vertragsverhandlungen - wie von den Klägerinnen behauptet - zur Beruhigung der Klägerinnen die Meinung vertreten hätten, sie - die Klägerinnen - müûten irgendwelche Kosten nur tragen, wenn die erforderlichen Genehmigungen erteilt worden seien. Die Vertragsurkunde habe die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich. Diese Vermutung könne nur entkräftet werden, wenn der Nachweis erbracht werde, daû die Parteien bei Errichtung der Urkunde eine Nebenabrede getroffen hätten. Daû während der vorausgegangenen Vertragsverhandlungen über einen bestimmten Punkt Einigkeit bestanden habe, sei dazu nicht ausreichend. Eine Verpflichtung des Beklagten, den Klägerinnen die Planungskosten zu ersetzen, würde deshalb nur dann bestehen, wenn die Genehmigung nicht erteilt worden wäre. Über den Genehmigungsantrag sei aber nicht entschieden worden, weil die Klägerinnen das Verfahren nicht weiter betrieben hätten. Dahingestellt bleiben könne auch, ob den Klägerinnen - wie von ihnen behauptet - von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz erklärt worden sei, der gestellte Antrag könne sowieso nicht genehmigt werden. Die Klägerinnen seien verpflichtet gewesen, zunächst einen schriftlichen und begründeten Bescheid abzuwarten und gegen diesen Bescheid notfalls Rechtsmittel einzulegen.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. 2. Die Revision rügt mit Erfolg die Auslegung des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrages durch das Berufungsgericht. Zwar unterliegt die Auslegung eines Vertrages als tatrichterliche Würdigung der revisionsgerichtlichen Überprüfung nur darauf, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln , die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder ob sie auf Verfahrensfehlern beruht (st.Rspr. des Bundesgerichtshofs, vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Februar 1992 - X ZR 88/90 - NJW 1992, 1967 m.w.N.). Die Auslegung des Berufungsgerichts verletzt jedoch allgemein anerkannte Auslegungsregeln. Das Berufungsgericht stellt bei seiner Auslegung ausschlieûlich auf den Wortlaut ab, und zwar nicht einmal auf den Wortlaut des Vertrages selbst (§ 1 Abs. 4), der der Auslegung des Berufungsgerichts sogar entgegenstehen könnte, sondern auf den Wortlaut einer schriftlichen Erläuterung, die die Parteien zu dieser Klausel abgegeben haben. Es meint, dieser Wortlaut sei eindeutig und deshalb komme eine weitere Auslegung des Vertrages - auch eine ergänzende Vertragsauslegung - nicht in Betracht. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts verstoûen gegen das sich aus den §§ 133, 157 BGB ergebende Verbot einer sich ausschlieûlich am Wortlaut orientierenden Interpretation. Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob der Wortlaut der Erläuterung zu § 1 Abs. 4 des Mietvertrages in Verbindung mit der Vertragsklausel selbst so eindeutig ist, wie das Berufungsgericht annimmt. Auch ein klarer und eindeutiger Wortlaut einer Erklärung bildet keine Grenze für die Auslegung an Hand der Gesamtumstände, und zwar weder bei der einfachen Auslegung noch bei der ergänzenden Auslegung eines lückenhaften Rechts-
geschäfts. Das Berufungsgericht verkennt, daû sich die Feststellung, ob eine Erklärung eindeutig ist oder nicht, erst durch eine alle Umstände berücksichtigende Auslegung treffen läût (BGHZ 86, 41, 47; Soergel/Hefermehl, BGB 12. Aufl. § 133 Rdn. 27, jeweils m.w.N.). Das Berufungsgericht führt weiter aus, die von den Klägerinnen behaupteten Absprachen bei den vorvertraglichen Verhandlungen seien ohne Bedeutung, weil sie keinen Niederschlag in der schriftlichen Vertragsurkunde gefunden hätten und weil eine Vermutung für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Vertragsurkunde spreche. Dabei übersieht das Berufungsgericht, daû der Inhalt der vorvertraglichen Verhandlungen entscheidende Bedeutung haben kann für die Auslegung eines Vertrages (BGHZ 86 aaO; Bundesarbeitsgericht , Urteil vom 10. Januar 1975 - 3 AZR 70/74 - Der Betrieb 1975, 1368 f.; MünchKommBGB/Mayer-Maly, 3. Aufl. § 133 Rdn. 44 m.N.). Da jedenfalls nicht auszuschlieûen ist, daû das von dem Berufungsgericht gefundene Auslegungsergebnis auf diesen Auslegungsfehlern beruht, kann die Auslegung des Berufungsgerichts keinen Bestand haben. 3. Der Senat ist nicht in der Lage, die Auslegung selbst vorzunehmen (vgl. hierzu Zöller/Gummer, ZPO 22. Aufl. § 550 Rdn. 10 m.N. aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs), weil die für die Auslegung maûgeblichen Gesamtumstände nicht hinreichend aufgeklärt sind. Der Senat ist deshalb auch nicht in der Lage, selbst abschlieûend zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 ZPO). Die Sache muû vielmehr an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit es - eventuell nach ergänzendem Vortrag der Parteien - die für die Auslegung notwendigen Feststellungen nachholen kann.

a) Nach § 1 Abs. 4 des Mietvertrages sollten die Klägerinnen die Kosten für alle erforderlichen Planungen und Genehmigungen (nur) tragen "im Falle des positiven Abschlusses". Diese Formulierung würde auf Anhieb dafür sprechen , daû der Beklagte die Planungskosten tragen muû, wenn das Projekt - aus welchen Gründen auch immer - nicht durchgeführt werden kann. In den Erläuterungen zu dieser Bestimmung haben die Parteien aber klargestellt, gemeint sei, daû der Beklagte diese Kosten tragen müsse, wenn wider Erwarten die Genehmigungen nicht erteilt würden. Diese von den Vertragsschlieûenden gegebene Erläuterung der Vertragsklausel kann unterschiedliche Bedeutungen haben. Sie kann einmal lediglich die Klarstellung bedeuten, daû der Beklagte die Planungskosten zu tragen habe, wenn es nicht zu einem "positiven Abschluû" komme und, daû die - von den Parteien unstreitig als einziges ernst zu nehmendes Hindernis für die Durchführung des Projekts angesehene - Verweigerung der Genehmigung einer der Fälle sein sollte, in denen die Planungskosten von dem Beklagten zu übernehmen seien. Für diese Auslegung würde es entscheidend sprechen, wenn die Darstellung der Klägerinnen richtig ist, bei den Vertragsverhandlungen hätten die Vertreter des Beklagten erklärt, das Projekt würde auf jeden Fall durchgeführt, es handele sich um ein Prestigeobjekt des Landes Berlin, die Klägerinnen brauchten sich um nutzlose Planungskosten keine Sorgen zu machen, weil sie diese nur tragen müûten, wenn die Anlage genehmigt werde. Hierzu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.
b) Der Text der Erläuterung zu § 1 Abs. 4 des Mietvertrages läût allerdings auch die - vom Berufungsgericht vertretene - Deutung zu, die Planungskosten sollten nur dann von dem Beklagten getragen werden, wenn die Genehmigung nicht erteilt werde. Für eine solche Auslegung könnte es sprechen, wenn die Darstellung der Klägerinnen über die vorvertraglichen Verhandlungen
unrichtig ist und auûerdem die Anregung, die geschilderte Erläuterung zu § 1 Abs. 4 des Mietvertrages abzugeben, nicht von den Klägerinnen, sondern von dem Beklagten ausgegangen ist. Auch hierzu fehlen Feststellungen des Berufungsgerichts.
c) Schlieûlich besteht die - nicht fernliegende - Möglichkeit, daû die Parteien Hindernisse für die erfolgreiche Durchführung des Projekts nur im Zusammenhang mit der erforderlichen Genehmigung gesehen haben und daû sie deshalb nur den Fall geregelt haben, daû diese Genehmigung nicht erteilt werde. In diesem Falle käme eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung nicht deshalb aus, weil den Klägerinnen von vornherein bekannt war, daû eine Bürgerinitiative das Projekt verhindern wollte und daû deshalb mit politischen Widerständen zu rechnen war. Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt nicht nur in Betracht, wenn die Parteien einen Punkt übersehen haben, sondern auch dann, wenn sie ihn offengelassen haben, weil sie - aus welchen Gründen auch immer - eine Regelung dieses Punktes für nicht erforderlich hielten (BGH, Urteil vom 13. Juli 1967 - VII ZR 128/65 - WM 1967, 1147, 1148; Staudinger/Dilcher, BGB 12. Aufl. §§ 133, 157 Rdn. 41 m.w.N.). Dieser Ansicht steht die Entscheidung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 10. Juni 1965 (II ZR 6/63 - NJW 1965, 1960) nicht entgegen. In dem vom II. Zivilsenat entschiedenen Fall hatten die Vertragsschlieûenden erwogen, ob sie für einen Angestellten im Falle günstiger Geschäftsentwicklung eine erhöhte Tätigkeitsvergütung vorsehen sollten und hatten dann von einer entsprechenden Regelung in dem Vertrag abgesehen, weil sie eine solche Erhöhung nicht vereinbaren wollten. Sie haben also eine vertragliche Regelung für eine bestimmte Entwicklung nicht offengelassen, sondern sie haben bewuût eine "negative Entscheidung" getroffen. In einem solchen Falle enthält
der Vertrag selbstverständlich keine Lücke, die durch eine ergänzende Vertragsauslegung auszufüllen wäre. Sollte eine solche ergänzende Vertragsauslegung in Betracht kommen, so könnten für die Ausfüllung der Vertragslücke die von den Klägerinnen behaupteten Absprachen bei den Vertragsverhandlungen ebenfalls entscheidende Bedeutung haben. 4. Falls sich ein Anspruch der Klägerinnen auf Ersatz der Planungskosten nicht unmittelbar aus den getroffenen Vereinbarungen ergeben sollte, wird das Berufungsgericht erneut zu prüfen haben, ob den Klägerinnen ein entsprechender Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung oder Verschulden beim Vertragsschluû zusteht. Die Zurückverweisung gibt den Klägerinnen die Gelegenheit, ihre hierzu in der Revisionsbegründung geltend gemachte Rüge dem Berufungsgericht erneut vorzutragen. Hahne Gerber Wagenitz Fuchs Vézina

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 143/01 Verkündet am:
5. Juli 2002
K a n i k
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 125, 133 Fa, 157 Ha

a) Die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit einer Urkunde ist begründet,
wenn der Urkundstext nach Wortlaut und innerem Zusammenhang unter Berücksichtigung
der Verkehrssitte einen bestimmten Geschäftsinhalt zum Ausdruck
bringt.

b) Zur Widerlegung der Vermutung kann auf außerhalb der Urkunde liegende Mittel
der Auslegung (Begleitumstände des Geschäfts, Äußerungen der Parteien außerhalb
der Urkunde u.a.) zurückgegriffen werden.
BGH, Urt. v. 5. Juli 2002 - V ZR 143/01 – Kammergericht in Berlin
LG Berlin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Juli 2002 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Lemke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 25. Januar 2001 aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 31 des Landgerichts Berlin vom 9. Dezember 1999 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelinstanzen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


Mit notariellen Verträgen vom 16. Dezember 1998 kaufte die Klägerin von dem Beklagten zwei bebaute Grundstücke zu Preisen von 403.000 DM und 635.000 DM und beauftragte jeweils die G. W. - und F. bau (GWF), die Gebäude zu sanieren; der Sanierungsaufwand betrug 1.065.530 DM und 1.535.420 DM. Mit weiteren notariellen Urkunden vom
22. Dezember 1998 ergänzten die drei Beteiligten die Verträge vom 16. Dezember 1998 dahingehend, "daû die Vertretene zu 3 (scil. Klägerin) das Recht hat, von diesem (scil. vom jeweiligen) Vertrag bis zum 31. März 1999 einseitig zurückzutreten, wenn eine Finanzierung für den Kaufpreis - einschlieûlich des Sanierungsanteils - nicht möglich ist". Für die Zeitspanne vom 30. Dezember 1998 bis 1. März 1999 finanzierte die Hausbank der Klägerin die Objekte, nachdem der Beklagte und GWF Bankbürgschaften erbracht hatten, ohne Eigenkapitalbeteiligung der Klägerin. Die mit der Vermittlung der endgültigen Finanzierung beauftragte Firma B. Finanz teilte der Klägerin am 10. März 1999 mit, daû eine Beleihung ohne Eigenkapitalbeteiligung nicht erreicht werden könne. Mit Schreiben vom gleichen Tage erklärte die Klägerin gegenüber dem Beklagten und GWF "unter Bezugnahme auf die Änderung bzw. Ergänzung der ... Verträge durch die URNrn. ..., alle vom 22. Dezember 1998 ... den Rücktritt von den ... Verträgen".
Die Klägerin, die sich wegen der Zahlung der Kaufpreise der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hatte, hat Vollstreckungsgegenklage erhoben und diese (u.a.) auf den am 10. März 1999 erklärten Rücktritt gestützt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts erstrebt. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.


Das Berufungsgericht meint, die notariellen Urkunden vom 22. Dezember 1998 räumten der Klägerin kein "freies" Rücktrittsrecht ein, da sie einen Rücktrittsgrund bezeichneten. Mangels eindeutigen Wortlauts der Rücktrittsvereinbarungen könne sich die Klägerin für ihre Auffassung, bereits der Umstand , daû ihr keine Finanzierung ohne Eigenkapital gelungen sei, habe sie zum Rücktritt berechtigt, nicht auf die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Urkunden stützen. Die Beweisaufnahme über die vor und bei den notariellen Verhandlungen abgegebenen Erklärungen lasse eine Feststellung im Sinne der Klägerin nicht zu.
Dies hält den Angriffen der Revision nicht stand.

II.


1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsurteils, die ergänzenden Vereinbarungen vom 22. Dezember 1998 räumten der Klägerin kein Rücktrittsrecht ein, dessen Ausübung allein in ihrem Belieben stehe. Die Vereinbarungen bezeichnen vielmehr einen Rücktrittsgrund. Die Bezeichnung des Rücktrittsgrundes in den Urkunden begründet indessen, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, die Vermutung dafür, daû das Rücktrittsrecht der Klägerin an keine weitere Voraussetzung gebunden war, als das Scheitern der Finanzierung als solches. Die Vermutung umfaût mithin auch den
Fall des Unvermögens der Klägerin, die Finanzierungsmittel ohne Eigenkapitalbeteiligung zu erlangen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung besteht für die über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunden die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit (BGHZ 20, 109, 111; BGH, Urt. v. 14. Oktober 1999, III ZR 203/98, ZIP 1999, 1887, 1888). Die Partei, die sich auf auûerhalb der Urkunde liegende Umstände - sei es zum Nachweis eines vom Urkundstext abweichenden übereinstimmenden Willens der Beteiligten, sei es zum Zwecke der Deutung des Inhalts des Beurkundeten aus der Sicht des Erklärungsempfängers (§§ 133, 157 BGB) - beruft, trifft die Beweislast für deren Vorliegen (Senatsurt. v. 5. Februar 1999, V ZR 353/97, WM 1999, 965). Die Vollständigkeits- und Richtigkeitsvermutung setzt allerdings voraus, daû der Geschäftsinhalt durch den Urkundstext bestimmt werden kann; unklar Bleibendes kann keine Vermutung für eine bestimmte Erklärung begründen. Dies bedeutet aber nicht, daû das Beurkundete, wovon das Berufungsgericht (möglicherweise) ausgeht, in dem Sinne eindeutig zu sein hätte, daû für eine Auslegung kein Raum mehr bleibt (vgl. BGHZ 25, 318, 319; 80, 246, 250; krit. MünchKomm-BGB/MayerMaly /Busche, 4. Aufl., § 133 Rdn. 46). Denn in diesem Falle wäre die Vermutung dem Beweis des Gegenteils nicht zugänglich, ginge mithin über eine Beweislastregelung hinaus. Die Vermutung ist vielmehr bereits dann begründet, wenn der Urkundstext nach Wortlaut und innerem Zusammenhang unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (§ 157 BGB) einen bestimmten Geschäftsinhalt zum Ausdruck bringt. Die auûerhalb der Urkunde liegenden Mittel der Auslegung, die Begleitumstände des Vertragsabschlusses, dessen Entstehungsgeschichte , Äuûerungen der Parteien auûerhalb der Urkunde u.a., ble i-
ben hierbei allerdings auûer Betracht. Sie sind Hilfsmittel zur Widerlegung der durch die Urkunde begründeten Vermutung des Geschäftsinhalts.

b) Dem wird das Berufungsurteil nicht gerecht. Das Berufungsgericht gründet seine Zweifel am Inhalt der Urkunde darauf, daû der beurkundende Notar das Rücktrittsrecht nicht an die Finanzierung des "gesamten Kaufpreises" , sondern an das Scheitern "einer" Finanzierung "für" den Kaufpreis geknüpft hat. Dabei bleibt es, entgegen dem Gebot des § 133 BGB, am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks haften und läût den wirklichen Willen der Beteiligten unerforscht. Nach § 433 Abs. 2 BGB hat der Käufer für die Zahlung des Kaufpreises als Geldschuld einzustehen. Wie er die erforderlichen Mittel aufbringt, insbesondere ob er hierzu ganz oder teilweise Eigenkapital einsetzt, ist seine Sache. Behält er sich den Rücktritt für den Fall des Scheiterns der Kaufpreisfinanzierung vor, so ist, wenn sich aus der Urkunde nichts anderes ergibt, davon auszugehen, daû der Grund des Scheiterns, in den Grenzen der §§ 162 entspr., 242 BGB, keine Rolle spielt. Der Verkäufer kann, wenn er nicht darauf besteht, den Rücktrittsgrund weiter einzugrenzen, nicht davon ausgehen , daû der Käufer sich in seiner Dispositionsfreiheit, auf welchem Wege und in welcher Weise er die Kaufpreismittel aufbringt, Einschränkungen unterzogen hat. Im Streitfalle hat die Klägerin ihr Rücktrittsrecht daran geknüpft, daû ihr die Finanzierung von Kaufpreis und Sanierungsaufwand "nicht möglich ist". Einschränkungen ihrer Dispositionsbefugnis dahin, daû sie die Kreditmöglichkeiten , welche einem Darlehensnehmer am Markt schlechthin zur Verfügung stehen , ausschöpfen, also auch Eigenkapital einsetzen müsse, hat sie sich nicht unterworfen. Insoweit zu Recht meint das Berufungsgericht, ob und in welchem Umfang Eigenmittel hätten zum Einsatz kommen sollen, sei von den Gegebenheiten des Falles abhängig gewesen. Im Sinne des Rücktrittsgrundes ist der
Klägerin die Finanzierung auch dann nicht möglich, wenn ihr Eigenkapital nicht zur Verfügung steht oder dieses anderweit eingesetzt wird. Eine Grenze wäre nur dann überschritten, wenn die Finanzierung des Kauf- und Sanierungsvorhabens der Parteien ohne Einsatz von Eigenmitteln auûerhalb der Grenzen der Verkehrssitte läge. Hiervon kann aber weder im allgemeinen noch gerade im Hinblick auf die Geschäftstätigkeit der Klägerin ausgegangen werden. Diese hatte, was unstreitig ist, vorher ein Vorhaben ähnlichen Zuschnitts allein mit Fremdmitteln verwirklicht.
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht über die für die Auslegung des Rücktrittsgrundes erheblichen Begleitumstände Beweis erhoben. Denn auch ein Beweisergebnis, welches die Behauptung der Beklagten gestützt hätte, die Klägerin habe vor Erklärung des Rücktritts Eigenkapital einsetzen müssen, wäre rechtlich beachtlich gewesen. Es hätte in der Urkunde einen, wenn auch nur andeutungsweisen, Niederschlag gefunden und hätte mithin dem Urkundserfordernis des § 313 Satz 1 BGB a.F. genügt. Da das Berufungsgericht Feststellungen in der einen oder anderen Richtung nicht zu treffen vermochte, ist die Sache im Sinne der Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts entscheidungsreif (§ 565 Abs. 3 ZPO a.F.).
Die Gegenrüge des Beklagten ändert hieran nichts. Der Beklagte vermag nicht auf einen Beweisantrag zu verweisen, zum Begriff der Finanzierung sachverständigen Rat einzuholen. Daû die besonderen Voraussetzungen vorgelegen hätten, unter denen das Gericht entweder Beweis von Amts wegen zu erheben (§ 144 ZPO) oder auf die Stellung eines Beweisantrags hinzuwirken (§ 139 ZPO) hat (zum Sachverständigenbeweis: BGH, Urt. v. 16. Oktober 1986, III ZR 121/85, NJW 1987, 591), legt die Revision nicht dar.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Tropf RiBGH Prof. Dr. Krüger ist wegen Urlaubsabwesenheit gehindert, zu unterschreiben Karlsruhe, den 09.07.2002 Wenzel Klein Lemke

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

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1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings von dem Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke und damit von der Notwendigkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung aus. Die planwidrige Vertragslücke ist dadurch gekennzeichnet, dass die Parteien mit der getroffenen Regelung ein bestimmtes Ziel erreichen wollten, dies aber wegen der Lückenhaftigkeit des Vereinbarten nicht gelungen ist. Die Lücke muss nicht von Anfang an bestanden haben, sie kann auch, was hier allein in Frage kommt, infolge nachträglicher Umstände eingetreten sein (Senat, Versäumnisurteil vom 14. November 2003 – V ZR 346/02, NJW-RR 2004, 554, Rn. 6; Urteil vom 2. Juli 2004 – V ZR 209/03, NJW-RR 2005, 205, 206 Rn. 14).
19
4. Erst wenn sich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Möglichkeit der Anpassung des Erbbauzinses nicht feststellen lässt, kommt die von dem Berufungsgericht bejahte Anpassung nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht. Diese hat der Senat zwar bisher nur bei Verträgen ohne wertsichernde Klausel bejaht (siehe nur Urteil vom 18. September 1992 - V ZR 116/91, BGHZ 119, 220, 222 f.). Sie ist aber auch dann möglich, wenn eine vereinbarte Wertsicherungsklausel ihren Zweck nicht mehr erfüllt. Denn ab diesem Zeitpunkt besteht kein Unterschied zu einem von Anfang an ohne Wertsicherungsklausel abgeschlossenen Erbbaurechtsbestellungsvertrag , soweit es um Äquivalenzstörungen geht. Für die davor liegende Zeit seit Vertragsschluss gilt jedoch die vereinbarte Klausel. Daraus folgt, dass - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - darauf abzustellen ist, ob durch die Entwicklung der Lebenshaltungskosten seit dem 1. Oktober 1983 die Grenze des für die Klägerin Tragbaren überschritten worden ist. Das ist indes nicht der Fall. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hat der Erbbaurechtsausgeber einen schuldrechtlichen Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nur dann, wenn die Lebenshaltungskosten seit dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt um mehr als 150 % gestiegen sind (siehe nur Urteil vom 18. September 1992 - V ZR 116/91, BGHZ 119, 220, 222 mit umfangreichen Nachweisen). Daran fehlt es nach der von dem Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellung des Amtsgerichts. Danach sind die Lebenshaltungskosten zwischen 1983 und 2009 nur um 59,7 % gestiegen. Ein weiterer Anstieg in der Folgezeit ist nach dem Klageantrag , mit welchem der erhöhte Erbbauzins bis Juli 2008 verlangt wird, nicht zu berücksichtigen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)