Bundesgerichtshof Urteil, 13. Nov. 2009 - V ZR 255/08

bei uns veröffentlicht am13.11.2009
vorgehend
Landgericht Mainz, O 138/04, 24.11.2005
Oberlandesgericht Koblenz, U 1842/05, 10.07.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 255/08 Verkündet am:
13. November 2009
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Oktober 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die
Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 10. Juli 2008 wird als unzulässig verworfen , soweit über den Feststellungs- und den Unterlassungsantrag zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin vertreibt stilles Mineralwasser in Mehrwegflaschen aus Kunststoff. Die Flaschen tragen die Prägung "GG-Pool". Sie werden von der Klägerin und in den weiteren Stufen des Handels gegen 0,15 € Pfand abgegeben. Die Beklagte importiert stilles Mineralwasser, das sie in individualisierten Einwegflaschen aus Kunststoff vertreibt, für die 0,25 € Pfand erhoben werden. Die von der Beklagten in den Verkehr gebrachten Flaschen weisen eine Banderole mit dem Aufdruck "Pfand" oder "Pfandflasche" auf.
2
Das zurückgegebene Leergut wird unzureichend sortiert; von der Klägerin in den Verkehr gebrachte Mehrwegflaschen gelangen an die Beklagte, Einwegflaschen , die die Beklagte in den Verkehr gebracht hat, gelangen an die Klägerin. Die Beklagte verpresste die an sie gelangten Mehrwegflaschen. Die Klägerin bot der Beklagten die an sie gelangten, von der Beklagten in den Verkehr gebrachten Einwegflaschen zur Rücknahme an und verlangte Auszahlung des Pfands. Das verweigerte die Beklagte. Nachdem sich mehrere 100.000 von der Beklagten in den Verkehr gebrachte Flaschen bei der Klägerin angesammelt hatten, ließ auch die Klägerin die Flaschen verpressen und veräußerte das hierdurch gewonnene Material.
3
Die Klägerin hat zuletzt beantragt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, an sie gelangte oder künftig gelangende "G."PET -Mehrwegflaschen gegen Erstattung von 0,15 € pro Flasche herauszugeben , es zu unterlassen, diese Flaschen zu vernichten, und 193.180,06 € (Pfand für 796.230 Einwegflaschen zuzüglich 3.677,29 € Verpressungskosten abzüglich 9.554,73 € Erlös) zuzüglich Zinsen an sie zu zahlen.
4
Das Landgericht hat der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht dem Feststellungs- und dem Unterlassungsantrag stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 166.108,24 € zuzüglich der verlangten Zinsen verurteilt. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage, soweit zugunsten der Klägerin entschieden worden ist.

Entscheidungsgründe:

I.


5
Das Berufungsgericht meint, die Klägerin habe durch den Verkauf ihres Wassers an den Großhandel und durch den weiteren Vertrieb das Eigentum an den von ihr in den Verkehr gebrachten Flaschen nicht verloren. Die Beklagte dürfe die Flaschen nicht vernichten, sondern habe sie der Klägerin herauszugeben. Dies bedeute nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs keine nach Art. 28 EG verbotene Diskriminierung der Beklagten.
6
Der Aufdruck "Pfand" oder "Pfandflasche" auf der Banderole der von der Beklagten in den Verkehr gebrachten Flaschen führe zu der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung der Beklagten, die von ihr in den Verkehr gebrachten Flaschen gegen Erstattung des Pfands zurückzunehmen. Das gelte auch für die in den Besitz der Klägerin gelangten Flaschen. Da diese zwischenzeitlich verpresst worden seien, sei die Beklagte nach §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 BGB insoweit zu Schadensersatz verpflichtet. Es seien 0,216 € pro Flasche zu ersetzen ; die in dem Pfandbetrag von 0,25 € enthaltene Mehrwertsteuer brauche die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz nicht zu erstatten. Auch insoweit sei das Verlangen der Klägerin im Hinblick auf Art. 28 EG unbedenklich.

II.


7
Die Revision der Beklagten ist unzulässig, soweit das Berufungsgericht über den von der Klägerin erhobenen Feststellungs- und den Unterlassungsantrag entschieden hat. Insoweit hat das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen (§ 543 Abs. 1 ZPO).

8
1. Wenn - wie hier - die Revision nach dem Tenor des Berufungsurteils uneingeschränkt zugelassen ist, kann sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gleichwohl eine Beschränkung der Zulassung aus den Entscheidungsgründen ergeben. So verhält es sich, wenn das Berufungsgericht die Möglichkeit der Nachprüfung im Revisionsverfahren hinreichend klar auf einen abtrennbaren Teil seiner Entscheidung begrenzt hat (st. Rechtspr., vgl. BGHZ 155, 392, 394; BGH, Urt. v. 5. November 2003, VIII ZR 320/02, NJW-RR 2004, 426; Urt. v. 27. Mai 2009, XII ZR 111/08, NJW 2009, 2450, 2451; Senat, Beschl. v. 2. Juli 2009, V ZB 40/09, NJW-RR 2009, 1431, 1432). Das ist hier der Fall. Zur Zulassung der Revision heißt es in dem Urteil des Berufungsgerichts , die Revision sei zuzulassen, weil bisher "noch nicht höchstrichterlich entschieden (sei), ob es mit der Gewährleistung des freien Warenverkehrs in Art. 28 EG vereinbar ist, einen ausländischen Abfüller oder Vertreiber von Getränken in Einweggetränkeverpackungen allein aufgrund des Aufdruckes "Pfand" auf der Banderole seiner Flaschen zur Pfandrückzahlung auch an inländische Getränkeabfüller oder -vertreiber zu verpflichten."
9
Damit hat das Berufungsgericht seine Zulassungsentscheidung nicht nur begründet, sondern die Zulassung der Revision auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung beschränkt. Die - nach Ansicht des Berufungsgerichts - grundsätzlich zu klärende Rechtsfrage hat nur die Entscheidung über die Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung von Pfand für die von ihr in den Verkehr gebrachten Einwegflaschen zum Gegenstand, während Gegenstand des Urteils im Übrigen die Pflichten der Beklagten im Hinblick auf die von der Klägerin in den Verkehr gebrachten Mehrwegflaschen sind.
10
Bei dem Zahlungsantrag handelt es sich um einen selbständigen prozessualen Anspruch, über den durch Teil- oder Grundurteil hätte entschieden wer- den können (§§ 301, 304 ZPO). Bezieht sich aber bei einer Anspruchshäufung (§ 260 ZPO) die Zulassungsfrage nur auf einen prozessualen Anspruch, ist in der Angabe des Zulassungsgrundes regelmäßig die eindeutige Beschränkung der Zulassung der Revision auf diesen Anspruch zu sehen (BGHZ 155, 392, 394; BGH, Urt. v. 27. Mai 2009, XII ZR 111/08, NJW 2009, 2450, 2451; Senat, Beschl. v. 2. Juli 2009, V ZB 40/09, NJW-RR 2009, 1431, 1432; ferner BGHZ 153, 358, 362 zu §§ 621d, 546 ZPO a.F.). Dieses Verständnis trägt der mit dem Prinzip der Zulassungsrevision verfolgten Konzentration des Revisionsgerichts auf rechtsgrundsätzliche Fragen Rechnung, indem es verhindert, dass durch eine formal undifferenzierte Zulassung der Revision abtrennbare Teile des Streitstoffs ohne ersichtlichen Grund einer revisionsrechtlichen Prüfung unterzogen werden müssen (BGH, Urt. v. 27. Mai 2009, XII ZR 111/08, NJW 2009, 2450, 2451 m.w.N.), und entspricht der Auffassung des Berufungsgerichts, dass sich im Hinblick auf die von der Klägerin in den Verkehr gebrachten Mehrwegflaschen weder eine entscheidungserhebliche Frage von grundsätzlicher Bedeutung stellt noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Revision erfordert (§ 543 ZPO).
11
2. Gründe, die im vorliegenden Fall ein anderes Verständnis der Zulassungsentscheidung nahe legen könnten, liegen nicht vor. Aus der ausführlichen Erörterung der Auswirkungen von Art. 28 EG auf die von der Klägerin aus dem Eigentum an den Mehrwegflaschen geltend gemachten Ansprüche folgt nicht, dass das Berufungsgericht die aufgeworfene Rechtsfrage auch diesbezüglich für grundsätzlich klärungsbedürftig hielte. Insoweit wendet es nämlich - anders als hinsichtlich der von der Beklagten in den Verkehr gebrachten Einwegflaschen - die höchstrichterliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs an, zu der es aus der Sicht des Berufungsgerichts einer ergänzenden Stellung- nahme des Bundesgerichtshofs aus der Sicht des Berufungsgerichts nicht mehr bedarf.

III.


12
Soweit die Beklagte sich gegen die Verurteilung zur Zahlung wendet, ist die Revision zulässig, aber nicht begründet.
13
1. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte der Klägerin die Pfandbeträge für die Einwegflaschen zu erstatten hat, die die Beklagte in den Verkehr gebracht hat. Diese Verpflichtung ergibt sich aus den rechtsgeschäftlichen Erklärungen der Parteien. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hatte das Verpressen dieser Flaschen nicht zur Folge, dass ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 Satz 1 BGB an die Stelle des - weiterhin erfüllbaren - Anspruchs der Klägerin auf Pfanderstattung getreten ist.
14
a) Das Berufungsgericht meint, die Beklagte habe durch den Aufdruck "Pfand" oder "Pfandflasche" auf ihren Flaschen gegenüber jedem Besitzer ihre Bereitschaft erklärt, gegen die Rückgabe der Flasche einen Pfandbetrag zu erstatten. Das ist entgegen der Meinung der Revision nicht zu beanstanden.
15
Nach der Rechtsprechung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGHZ 173, 159, 169) enthält der auf die Flaschenbanderole aufgedruckte Begriff "Pfand" die verbindliche Zusage, die Flasche gegen Erstattung des Pfandbetrags zurückzunehmen. Diese Willenserklärung wird von dem Vertreiber dadurch abgegeben, dass er eine individualisierte Flasche mit einer Banderole in den Verkehr bringt, nach der bei dem Erwerb des abgefüllten Getränks für die Flasche Pfand zu zahlen ist. Das bedeutet zugleich, dass die Flasche zurückgegeben werden kann und der als Pfand bezahlte Betrag erstattet wird. Die Aussage richtet sich nicht nur an die Vertragspartner des Vertreibers und ist auch nicht auf dessen Abnehmer begrenzt. Die Auslegung der in der Banderole enthaltenen Erklärung ergibt vielmehr, dass der Vertreiber sich zur Rückzahlung des Pfands an jeden Dritten bereit erklärt, der im Besitz seiner Flaschen ist, ohne dass insoweit zwischen Mehrweg- und Einwegflaschen zu unterscheiden ist (BGH, Urt. v. 9. Juli 2007, II ZR 232/05, NJW 2007, 2912).
16
Dem schließt sich der Senat an. Weder kritische Stimmen in der Literatur (Hartmann/Henn, Jura 2008, 691, 695; Weber, NJW 2008, 948, 951; zustimmend dagegen Faust, JuS 2007, 1059, 1060; Wilhelm, LMK II/2007, 64) noch die Einwände der Revision führen zu einer anderen Beurteilung.
17
aa) Es ist nämlich allein sachgerecht, dass der Abfüller oder Erstvertreiber , der bei dem Inverkehrbringen seiner Flaschen Pfand erhält, die eingenommenen Pfandbeträge später wieder auskehren muss. Das folgt aus dem System der Pfanderhebung. Nach diesem können die geleerten Einwegflaschen nicht nur an den Vertreiber zurückgegeben werden, der sie in den Verkehr gebracht hat, sondern an alle Abfüller oder Vertreiber, die pfandpflichtige Einwegflaschen gleicher Art in den Verkehr bringen. Gälte das Angebot zur Erstattung des Pfands jedoch nicht gegenüber einem Abfüller oder Erstvertreiber, fehlte es diesem gegenüber an einer vertraglichen Verpflichtung zur Pfanderstattung. Ein Hersteller oder Vertreiber, an den fremde Flaschen zurückgelangen, hätte keinen durch den Besitz der Flaschen vermittelten vertraglichen Anspruch gegen denjenigen, der die Flaschen in den Verkehr gebracht und das Pfand für diese eingenommen hat. Das Pfandsystem würde gestört.

18
Das ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht deshalb anders zu beurteilen, weil die Verpflichtung der Beklagten aus der Verpackungsverordnung , die von ihr in den Verkehr gebrachten Flaschen zurückzunehmen, beendet war, nachdem die Flaschen an die Klägerin gelangt waren (BGH, Urt. v. 6. März 2007, KZR 6/06, NJW-RR 2007, 836, 837). Die Verpackungsverordnung regelt allein die öffentlich-rechtliche Verpflichtung, bei dem Inverkehrbringen von Einwegflaschen und deren weiterer Abgabe die Rückgabe der Flaschen durch die Erhebung von Pfand sicherzustellen und so die Umwelt davor zu bewahren, von weggeworfenen Flaschen belastet zu werden. Dieses Ziel ist erreicht, wenn die leeren Flaschen an einen Abfüller gelangen, der seinerseits an die Vorgaben der Verpackungsverordnung gebunden und bei dem damit die ordnungsgemäße Vernichtung der Flaschen sichergestellt ist.
19
Das hiervon zu unterscheidende zivilrechtliche Pfandsystem kann sich sinnvollerweise nicht auf die bloße Umsetzung dieser öffentlich-rechtlichen Vorgaben beschränken. Es muss auch den erforderlichen Innenausgleich unter den Abfüllern herstellen und verhindern, dass ein Abfüller aufgrund der gesetzlichen Rücknahmepflicht mehr Pfand auszahlen muss, als er selbst eingenommen hat. Das lässt sich systemgerecht nur erreichen, wenn ein Abfüller oder Erstvertreiber, an den weniger Flaschen zurückgelangen, als er in den Verkehr gebracht hat, auf vertraglicher Grundlage anderen Systemteilnehmern zur Pfanderstattung verpflichtet ist, an die die Flaschen gelangen.
20
bb) Die Auslegung der Bezeichnung "Pfandflasche" als Angebot auf Abschluss eines Vertrages, die Flasche entleert gegen Zahlung des Pfandbetrags zurückzunehmen, scheitert auch nicht daran, dass die Modalitäten der Rückgabe nicht aufgeführt sind. Diese ergeben sich vielmehr ohne weiteres aus dem in der Praxis geübten Verfahren.
21
Bei den von der Beklagten in den Verkehr gebrachten Flaschen handelt es sich um individualisierte Flaschen, die den Aufdruck "Pfand" oder "Pfandflasche" tragen. Dass der Pfandbetrag nicht angegeben ist, steht der Auslegung der Banderole als Angebot an jedermann nicht entgegen. Es entspricht nämlich der Üblichkeit, dass für bestimmte Flaschenarten stets derselbe Betrag erhoben wird. Dieser Betrag ist den beteiligten Marktkreisen bekannt oder zumindest gemäß § 315 BGB bestimmbar (vgl. BGH, Urt. v. 2. Oktober 1991, VIII ZR 240/90, NJW-RR 1992, 183, 184). Danach ist hier derjenige Pfandbetrag geschuldet , der für 1,5 Liter PET Einwegpfandflaschen üblicherweise erhoben wird. Das ist der in der Verpackungsverordnung als Mindestpfand für Einweggetränkeverpackungen bestimmte Betrag von 0,25 € (vgl. auch BGH, Urt. v. 9. Juli 2007, II ZR 232/05, NJW 2007, 2912). Aus dem Umstand, dass die Höhe des nach dem Angebot der Beklagten geschuldeten Pfandes damit letztlich auf die Verpackungsverordnung zurückgeht, folgt entgegen der Ansicht der Revision jedoch nicht, dass auch die übrigen Bestimmungen dieser Verordnung heranzuziehen wären. Die rechtsgeschäftliche Verpflichtung der Beklagten zur Auszahlung des Pfands besteht nämlich grundsätzlich unabhängig von einer etwaigen entsprechenden Verpflichtung nach der Verordnung (BGH, Urt. v. 9. Juli 2007, II ZR 232/05, NJW 2007, 2912, 2913).
22
cc) Entgegen der Ansicht der Revision werden die Interessen eines anderen Herstellers oder Vertreibers, zu dem die Flaschen gelangen, auch nicht dadurch gewahrt, dass er diese verpressen und das Rohmaterial veräußern kann. Wie die Revisionserwiderung zutreffend aufzeigt, steht dem entgegen, dass der Materialwert weit unter dem Pfandbetrag liegt. Die Klägerin hat aus der Verpressung von 796.230 Flaschen einen Reinerlös von 5.877,44 € erzielt, also 0,0074 € je Flasche, während die Beklagte für diese Flaschen jeweils 0,25 € je Flasche als Pfand eingenommen hat.
23
b) Auch die Meinung der Revision, das Angebot der Beklagten auf Rückerstattung des Pfandbetrages sei wegen Widerrufs nach § 130 Abs. 1 Satz 2 oder § 658 BGB unwirksam, führt zu keiner anderen Beurteilung.
24
Das Angebot der Beklagten zur Pfanderstattung ist nicht widerrufbar. § 130 BGB ist abdingbar (BGH, Urt. v. 4. Juli 1976, IV ZR 123/75, WM 1976, 1130, 1132; MünchKomm-BGB/Einsele, 5. Aufl., § 130 Rdn. 40 a.E.; Palandt /Ellenberger, BGB, 68. Aufl., § 130 Rdn. 11; Soergel/Hefermehl, BGB, 13. Aufl., § 130 Rdn. 29; Kümpel, WM 1993, 824, 825; ferner Staudinger /Singer/Benedict, BGB [2004], § 130 Rdn. 24). Der Aufdruck "Pfand" oder "Pfandflasche" auf den von der Beklagten in den Verkehr gebrachten Flaschen enthält keinen Widerrufsvorbehalt. Das System der Pfanderstattung schließt einen Widerruf aus.
25
Die Systembeteiligten müssen auch Flaschen zurücknehmen, die sie nicht in den Verkehr gebracht haben. Damit ist es unvereinbar, dass diesen einerseits fremde Flaschen angedient werden können und andererseits die Verpflichtung zur Rücknahme und Pfanderstattung widerrufen werden könnte. Die Teilnahme an dem zivilrechtlichen Pfandsystem bedeutet vielmehr den Verzicht auf das Recht, die in dem Aufdruck auf der Banderole verkörperte Erklärung gemäß § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB widerrufen zu können.

26
Entgegen der Ansicht der Revision gilt dies unabhängig davon, wie der Vertrag rechtlich zu qualifizieren ist, dessen Abschluss durch den Aufdruck "Pfand" oder "Pfandflasche" angeboten wird.
27
2. Auch die Verpressung der Flaschen steht dem Zahlungsanspruch der Klägerin nicht entgegen.
28
a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin zumindest für einen Teil der an sie gelangten, von der Beklagten in den Verkehr gebrachten Einwegflaschen Zahlung von 0,25 € Pfand je Flasche gegen Rückgabe der Flaschen von der Beklagten gefordert. Hinsichtlich dieser Flaschen hat die Klägerin mithin erklärt, das Angebot der Beklagten auf Erstattung des Pfands anzunehmen. Auf die Aufforderung der Klägerin, die Flaschen zurückzunehmen , weil ihre Lagerkapazitäten erschöpft seien und die Flaschen daher verpresst werden müssten, hat die Beklagte der Klägerin die Verpressung freigestellt. Dementsprechend ist die Klägerin verfahren.
29
Damit ist der Klägerin die Übergabe der Flaschen an die Beklagte unmöglich geworden. Das berührt den Zahlungsanspruch der Klägerin nicht, weil die eingetretene Unmöglichkeit in erster Linie auf dem Verhalten der Beklagten beruht, die Rücknahme der Flaschen zu verweigern und der Klägerin die Verpressung anheim zu stellen, § 326 Abs. 2 BGB. Das Interesse der Beklagten an einem Rückerhalt der Flaschen erschöpfte sich im Hinblick auf deren geringen Materialwert, der auch noch um die Verpressungskosten zu mindern ist, im Wesentlichen darin, zu verhindern, für dieselben Flaschen noch einmal auf Zahlung in Anspruch genommen werden zu können. Dass dies nicht passieren würde, war durch die Verpressung der Flaschen seitens der Klägerin gewährleistet.

30
b) Entsprechend verhält es sich mit den später an die Klägerin gelangten Flaschen. Die Ablehnung der Rücknahme jeglicher Flaschen von der Klägerin führte dazu, dass es zur Begründung der vertraglichen Verpflichtung der Beklagten hinreichte, dass die Klägerin die von der Beklagten in den Verkehr gebrachten Flaschen aussortierte und verpressen ließ, § 151 BGB.
31
c) Die Beklagte wird hierdurch auch nicht unzumutbar belastet. Es widerspricht nicht dem Gebot der Billigkeit, dass die Beklagte Beträge, die sie als Pfandzahlungen eingenommen hat, als sie ihre Flaschen in den Verkehr gebracht hat, wieder auskehren muss (vgl. BGH, Urt. v. 6. März 2007, KZR 6/06, NJW-RR 2007, 836, 838; Urt. v. 9. Juli 2007, II ZR 232/05, NJW 2007, 2912, 2913). Dass die Beklagte dadurch Nachteile erleidet, dass sie für an sie gelangte oder gelangende Mehrwegflaschen der Klägerin 0,25 € je Flasche an den Großhandel bezahlt, von der Klägerin bei Rückgabe der Flaschen jedoch nur 0,15 € je Flasche verlangen kann, ändert hieran nichts. Dass die Beklagte ohne eine Verpflichtung, § 8 Abs. 1 Satz 1 VerpackV a.F., Mehrwegflaschen der Klägerin angenommen und für diese 0,25 € pro Flasche ausgezahlt hat, hat nichts damit zu tun, dass die Beklagte die von ihr in den Verkehr gebrachten Flaschen gegen Erstattung des vereinnahmten Pfands zurückzunehmen hat, sondern ist Folge davon, dass die Klägerin mit dem Großhandel keine Sortierung der Flaschen vereinbart hat, eine Sortierung auch nicht selbst vornimmt und die an sie gelangenden Flaschen sogleich verpresst. Die damit verbundenen Nachteile kann die Beklagte nicht auf die Klägerin abwälzen. Diese sortiert das ihr angelieferte Leergut und ist deshalb in der Lage, das Erstattungsangebot der Beklagten anzunehmen. Soweit beide Parteien gegenüber ihren Großhändlern unrichtig abrechnen, berührt dies die Ansprüche der Parteien gegeneinander nicht.

32
d) Da der Klägerin ein vertraglicher Anspruch auf Pfanderstattung zusteht , kann dahingestellt bleiben, ob andere Anspruchsgrundlagen, etwa die von der Revisionserwiderung in Betracht gezogenen in § 426 Abs. 1 BGB, §§ 683 Satz 2, 670 BGB oder § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB (vgl. dazu BGH, Urt. v. 6. März 2007, KZR 6/06, NJW-RR 2007, 836, 838) den von dem Berufungsgericht der Klägerin zugesprochenen Anspruch rechtfertigen.
33
3. Auch die Rügen der Revision, das Berufungsgericht habe zu Unrecht keine Kosten für den Transport der Flaschen von der Klägerin zu der Beklagten angesetzt, es seien unzutreffende Verpressungskosten angenommen worden, bleiben ohne Erfolg. Transportkosten für eine Rücklieferung der Flaschen an die Beklagte lassen den vertraglichen Anspruch der Klägerin auf Pfanderstattung ebenso unberührt wie die Höhe der von der Klägerin für die Verpressung aufgewendeten Kosten. Diese ist im Übrigen nach den tatbestandlichen Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils von der Beklagten nicht bestritten worden. Berichtigung nach § 320 ZPO hat die Beklagte nicht beantragt. Im Revisionsverfahren ist die Höhe dieser Kosten daher als unstreitiges Parteivorbringen im Sinne von § 559 Abs. 1 ZPO zugrunde zu legen (vgl. BGHZ 173, 159, 168 m.w.N.).
34
4. Das Gebot der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 28 EG steht weder der Erstattungspflicht der Beklagten entgegen noch führt es dazu, dass ein Vertragsverhältnis zwischen den Parteien nicht festgestellt werden könnte. Einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof bedarf es nicht.
35
a) Ausländische Getränkehersteller und -vertreiber werden von der Pfandpflicht für Einwegverpackungen insoweit stärker betroffen als inländische Unternehmen, als letztere in größerem Umfang Mehrwegflaschen zur Verpackung der von ihnen in den Verkehr gebrachten Getränke nutzen. Das lässt die Vereinbarkeit von § 8 Abs. 1 VerpackV a.F., nunmehr § 9 Abs. 1 VerpackV, mit Art. 28 EG nach den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 14. Dezember 2004 jedoch unberührt, weil diese Folge im Hinblick auf den mit der Verpackungsverordnung erstrebten Schutz der Umwelt gerechtfertigt ist (Rs. C-463/01, Slg. 2004, I 11734 = NVwZ 2005, 194 ff. - Kommission/ Deutschland, und Rs. C-309/02, Slg. 2004, I 11794 = NVwZ 2005, 190 ff. - Radlberger Getränkegesellschaft; ferner BGH, Urt. v. 22. Januar 2009, III ZR 233/07, NJW 2009, 2534, 2536 f.). So verhält es sich auch hier mit der Auslegung der Erklärung "Pfand" oder "Pfandflasche" auf den Banderolen der von der Beklagten in den Verkehr gebrachten Flaschen. Die Auslegung als Angebot der Beklagten auf Erstattung des Pfands gewährleistet die Vollständigkeit der vertraglichen Beziehungen dahin, dass kein Abfüller oder Erstvertreiber daraus einen Vorteil ziehen kann, dass ihm weniger Flaschen zur Rückgabe angedient werden, als er in den Verkehr gebracht hat.
36
b) Auch das Vorbringen der Revision, die Verpflichtung zur Rücknahme von Einwegverpackungen aus Deutschland in das Ausland führe zu Transporten und damit zu zusätzlichen Umweltbelastungen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Dieses Vorbringen richtet sich nicht gegen die Auslegung der Erklärung auf den von der Beklagten in den Verkehr gebrachten Flaschen, sondern zielt darauf, Importeure von in Einwegflaschen abgefüllten pfandpflichtigen Getränken gegenüber inländischen Herstellern oder Abfüllern zu bevorzugen, und ist damit offenbar verfehlt.
37
Im Übrigen ist ein Pfand- und Rücknahmesystem von Leerverpackungen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ein notwendiger Bestandteil eines Systems, das die Wiederverwendung von Verpackungen sicherstellen soll (Rs. C-309/02, aaO, Rdn. 76). Das zwingende, die Maßnahme rechtfertigende Erfordernis des Umweltschutzes besteht in der Verbesserung der Verpackungsabfallverwertung, in der Verringerung von Abfällen in der Natur und - aufgrund des Anreizes, Mehrwegverpackungen zu benutzen, - in einer Verringerung der zu beseitigenden Abfälle (Rs. C-463/01, aaO, Rdn. 76 f.; Rs. C-309/02, aaO, Rdn. 77 f.). Transporte, die mit einer Rücknahme verbunden sind, stehen der Erreichung dieser Ziele nicht entgegen. Darüber hinaus kann nicht außer Betracht bleiben, dass der Transport entleerter Einwegverpackungen in das Ausland durch die Teilnahme ausländischer Getränkehersteller und - vertreiber an einem System entfällt, nach welchem die Verpackungen in Deutschland zurückgenommen, verwertet oder vernichtet werden.
38
c) Der Europäische Gerichtshof hat dementsprechend die Einführung eines Pflichtpfands für Einwegverpackungen in den genannten Urteilen allein hinsichtlich der Übergangsfrist und der Möglichkeit zur Teilnahme an einem Rücknahmesystem beanstandet. Dass diese Momente von der Auslegung der Erklärungen "Pfand" oder "Pfandflasche" berührt werden, macht die Revision weder geltend, noch ist insoweit eine Diskriminierung der Beklagten ersichtlich.

IV.


39
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Roth

Vorinstanzen:
LG Mainz, Entscheidung vom 24.11.2005 - 12 HK.O 138/04 Kartell -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 10.07.2008 - U 1842/05. Kart -

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 326 Befreiung von der Gegenleistung und Rücktritt beim Ausschluss der Leistungspflicht


#BJNR001950896BJNE031902377 (1) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung; bei einer Teilleistung findet § 441 Abs. 3 entsprechende Anwendung. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schuldner im

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 151 Annahme ohne Erklärung gegenüber dem Antragenden


Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. D

Zivilprozessordnung - ZPO | § 320 Berichtigung des Tatbestandes


(1) Enthält der Tatbestand des Urteils Unrichtigkeiten, die nicht unter die Vorschriften des vorstehenden Paragraphen fallen, Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche, so kann die Berichtigung binnen einer zweiwöchigen Frist durch Einreichung ein

Zivilprozessordnung - ZPO | § 301 Teilurteil


(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teil

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 130 Wirksamwerden der Willenserklärung gegenüber Abwesenden


(1) Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Wide

Zivilprozessordnung - ZPO | § 304 Zwischenurteil über den Grund


(1) Ist ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig, so kann das Gericht über den Grund vorab entscheiden. (2) Das Urteil ist in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen; das Gericht kann jedoch, wenn der Anspruch für begründet erklärt is

Zivilprozessordnung - ZPO | § 260 Anspruchshäufung


Mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten können, auch wenn sie auf verschiedenen Gründen beruhen, in einer Klage verbunden werden, wenn für sämtliche Ansprüche das Prozessgericht zuständig und dieselbe Prozessart zulässig ist.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 658 Widerruf


(1) Die Auslobung kann bis zur Vornahme der Handlung widerrufen werden. Der Widerruf ist nur wirksam, wenn er in derselben Weise wie die Auslobung bekannt gemacht wird oder wenn er durch besondere Mitteilung erfolgt. (2) Auf die Widerruflichkeit

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Nov. 2009 - V ZR 255/08 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Nov. 2009 - V ZR 255/08 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 06. März 2007 - KZR 6/06

bei uns veröffentlicht am 06.03.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL KZR 6/06 Verkündet am: 6. März 2007 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja PETCYCLE GWB §

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Mai 2009 - XII ZR 111/08

bei uns veröffentlicht am 27.05.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 111/08 Verkündet am: 27. Mai 2009 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BG

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Jan. 2009 - III ZR 233/07

bei uns veröffentlicht am 22.01.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 233/07 Verkündet am: 22. Januar 2009 K i e f e r Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja EG Art. 28, 288; R
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 13. Nov. 2009 - V ZR 255/08.

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Okt. 2018 - 4 StR 591/17

bei uns veröffentlicht am 10.10.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 591/17 vom 10. Oktober 2018 BGHSt: ja zu 1. BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja –––––––––––––––––––––––––– StGB § 242 Zur Zueignungsabsicht beim Diebstahl, wenn der Täter Pfandleergut

Referenzen

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 111/08 Verkündet am:
27. Mai 2009
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Auch der Unterhaltspflichtige darf grundsätzlich neben der gesetzlichen Altersvorsorge
eine zusätzliche Altersvorsorge betreiben, die beim Ehegattenunterhalt
mit einem Betrag bis zu 4 % seines Bruttoeinkommens zu berücksichtigen
ist. Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des Senats zu den
wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen nicht darauf an, ob bereits während
der Ehezeit Beiträge für eine solche Altersvorsorge gezahlt wurden.

b) Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung über eine Herabsetzung oder zeitliche
Begrenzung des nachehelichen Unterhalts ist vorrangig zu berücksichtigen
, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten
sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. § 1578 b BGB beschränkt
sich allerdings nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile, sondern
berücksichtigt auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität (im
Anschluss an das Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406).
BGH, Urteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 111/08 - OLG Hamm
AG Rheine
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Mai 2009 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Sprick, Prof. Dr. Wagenitz, Dose und Dr. Klinkhammer

für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 13. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. Juni 2008 wird zurückgewiesen. Auf die Anschlussrevision der Klägerin wird das genannte Urteil aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt für die Zeit ab Februar 2007.
2
Sie hatten im April 1972 geheiratet, als die Klägerin 16 Jahre alt und vom Beklagten schwanger war. Aus ihrer Ehe sind insgesamt vier Kinder hervorgegangen , von denen nur noch die im Oktober 1987 geborene jüngste Tochter, die im Haushalt der Klägerin wohnt, unterhaltsbedürftig ist. Die Ehe der Partei- en wurde im Mai 1998 geschieden. Im Hinblick auf die Unterhaltspflicht des Beklagten für die gemeinsamen Kinder machte die Klägerin zunächst keinen nachehelichen Unterhalt geltend.
3
Die Klägerin ist nach einer im Jahre 1989 diagnostizieren Darmkrebserkrankung seit 1993 als zu 100 % schwerbehindert eingestuft und bezieht eine Erwerbsunfähigkeitsrente, die sich zunächst auf 1.039,21 € belief und seit Juli 2007 1.040,19 € beträgt. Daneben erzielt sie Einkünfte aus einer geringfügigen Erwerbstätigkeit in Höhe von monatlich 349 €. Um den Arbeitsplatz zu erreichen , muss sie zweimal wöchentlich mit dem Pkw 30 km zurücklegen. Für eine Lebensversicherung zahlt die Klägerin monatliche Beiträge in Höhe von 51,13 €. Im Jahre 2007 musste sie eine Steuernachzahlung in Höhe von insgesamt 74 €, im Jahre 2008 eine solche in Höhe von 488 € leisten.
4
Der Beklagte erzielt als Beamter Nettoeinkünfte in Höhe von 2.601,28 €, in denen eine Dienstaufwandsentschädigung in Höhe von monatlich 104,17 € enthalten ist. Hinzu kommt eine Steuererstattung, die sich nach Abzug der Kosten für die Erstellung der Steuererklärung im Jahre 2007 auf insgesamt 790,02 € und im Jahre 2008 auf insgesamt 744,78 € belief. Die Beiträge des Beklagten zur Krankenversicherung betrugen im Jahre 2007 monatlich 303,98 € und belaufen sich ab Januar 2008 auf monatlich 314,85 €. Für eine Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zahlte der Beklagte ursprünglich monatlich 302,16 €, wovon nach den Feststellungen des Berufungsgerichts 111,85 € auf die Berufsunfähigkeitsversicherung und 190,31 € auf die Lebensversicherung entfielen. Für die Zeit ab Juli 2007 ist der Gesamtbeitrag auf monatlich 317,27 € gestiegen. Für sich und die noch unterhaltsberechtigte Tochter Yvonne zahlt der Beklagte monatliche Beiträge für eine Krankenhaustagegeldversicherung , die ursprünglich 13,01 € betrugen und sich seit November 2007 auf 17,51 € belaufen. Außerdem zahlt der Beklagte monatliche Beiträge für eine weitere Lebensversicherung in Höhe von ursprünglich 49,49 € und von 52,02 € seit September 2007. Schließlich zahlt er Monatsraten auf einen Bausparvertrag in Höhe von 75 €. Auf den Unterhaltsanspruch der Tochter Yvonne zahlt der Beklagte monatlich 250 €, während die Klägerin für den restlichen Barunterhalt der volljährigen Tochter aufkommt.
5
Das Amtsgericht hat der auf einen Unterhaltsanspruch in Höhe von monatlich 111,40 € gerichteten Klage im Wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht - unter Zurückweisung der mit einer Klagerweiterung verbundenen Anschlussberufung der Klägerin - der Klage in geringerem Umfang stattgegeben und den Beklagten verurteilt, an die Klägerin für die Zeit ab dem 20. Februar 2007 Unterhalt in wechselnder Höhe, zuletzt für die Zeit ab Januar 2008 in Höhe von monatlich 103 € zu zahlen. Die vom Beklagten begehrte Befristung des Unterhaltsanspruchs hat es abgelehnt. Die Revision hat das Berufungsgericht "im Hinblick auf die Anwendung des neuen Unterhaltsrechts zur Frage der Beschränkung oder Befristung des Unterhaltsanspruchs nach § 1578 b BGB" zugelassen.
6
Gegen das Berufungsurteil richten sich die Revision des Beklagten, mit der er nach wie vor Klageabweisung begehrt, und die Anschlussrevision der Klägerin, die auf einen höheren Unterhalt für die Zeit ab Juli 2007, zuletzt für die Zeit ab Juni 2008 auf monatlich 209 €, gerichtet ist.

Entscheidungsgründe:

A.

7
Die Revision des Beklagten ist nur teilweise zulässig, die Anschlussrevision der Klägerin hingegen in vollem Umfang.

I.

8
Die Revision des Beklagten ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Verurteilung zu nachehelichem Unterhalt für die Zeit bis Ende 2007 richtet. Denn insoweit hat das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen (§ 543 Abs. 1 ZPO).
9
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich eine wirksame Beschränkung des Rechtsmittels auch bei uneingeschränkter Zulassung im Tenor der angefochtenen Entscheidung aus dessen Entscheidungsgründen ergeben (Senatsbeschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 78/07 - FamRZ 2008, 1339, 1340; Senatsurteile BGHZ 153, 358, 360 f. = FamRZ 2003, 590 f. und vom 12. November 2003 - XII ZR 109/01 - FamRZ 2004, 612). Eine solche Beschränkung setzt allerdings voraus, dass das Berufungsgericht die Möglichkeit einer Nachprüfung im Revisions- oder Rechtsbeschwerdeverfahren hinreichend klar auf einen abtrennbaren Teil seiner Entscheidung begrenzt hat (Senatsurteil vom 12. Juli 2000 - XII ZR 159/98 - NJW-RR 2001, 485, 486). Das ist hier der Fall.
10
Den Gründen der angefochtenen Entscheidung ist zu entnehmen, dass das Oberlandesgericht die Revision nur zur Höhe und Dauer des Betreuungsunterhalts nach dem seit dem 1. Januar 2008 geltenden Unterhaltsrecht zulas- sen wollte. Denn die ausdrücklich in Bezug genommene Neuregelung des § 1578 b BGB ist erst zu diesem Zeitpunkt in Kraft getreten. Die grundsätzlich zu klärende Rechtsfrage wirkt sich deswegen nur auf den Unterhaltsanspruch ab Januar 2008 aus. Bezieht sich in einem Unterhaltsrechtsstreit die Zulassungsfrage - wie hier - nur auf einen Teil des streitigen Zeitraums, liegt regelmäßig die Annahme nahe, das Berufungsgericht habe die Revision nur hinsichtlich des von der Zulassungsfrage betroffenen Teils zulassen wollen. Ein derartiges Verständnis des Ausspruchs über die Zulassung trägt auch der mit dem Prinzip der Zulassungsrevision verfolgten Konzentration des Revisionsgerichts auf rechtsgrundsätzliche Fragen Rechnung. Es verhindert umgekehrt, dass durch eine formal undifferenzierte Zulassung der Revision abtrennbare Teile des Streitstoffs ohne ersichtlichen Grund einer revisionsgerichtlichen Prüfung unterzogen werden müssen (Senatsurteile vom 18. März 2009 - XII ZR 74/08 – FamRZ 2009, 770, 771 Tz. 9 und vom 29. Januar 2003 - XII ZR 289/01 - FamRZ 2003, 445, 446).

II.

11
Die Anschlussrevision der Klägerin ist hingegen nach § 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO in vollem Umfang zulässig.
12
Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit zur Einlegung einer Anschlussrevision durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I 2001, 1887, 1901) dadurch erweitert, dass nach § 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO - abweichend vom bis dahin geltenden Recht (vgl. insoweit Senatsurteil vom 19. November 1997 - XII ZR 1/96 - FamRZ 1998, 286, 287) - eine Anschlussrevision auch ohne eine vorherige Zulassung statthaft ist. Dem Revisionsbeklagten soll nach der Gesetzesbegründung die Möglichkeit eröffnet wer- den, eine Abänderung des Berufungsurteils zu seinen Gunsten zu erreichen, wenn das Revisionsverfahren ohnehin durchgeführt werden muss. Es sei unbillig , der friedfertigen Partei, die bereit sei, sich mit der Entscheidung abzufinden, die Anschließungsmöglichkeit für den Fall abzuschneiden, dass der Gegner die Entscheidung wider Erwarten angreife (BT-Drucks. 14/4722, S. 108). Daher kann eine Anschlussrevision bei beschränkter Zulassung der Revision auch dann wirksam eingelegt werden, wenn die Anschlussrevision nicht den Streitgegenstand betrifft, auf den sich die Zulassung bezieht (BGHZ 174, 244, 253 = FamRZ 2008, 402 m.w.N.).
13
Die Neuregelung der Anschlussrevision in § 554 ZPO ändert aber nichts daran, dass sie als unselbständiges Rechtsmittel akzessorischer Natur ist. Dieser Abhängigkeit der Anschlussrevision würde es widersprechen, wenn mit ihr Streitstoff eingeführt werden könnte, der mit dem Gegenstand der Hauptrevision weder in einem rechtlichen noch in einem wirtschaftlichen Zusammenhang steht. Es kommt hinzu, dass eine unbeschränkte Statthaftigkeit der Anschlussrevision in Fällen, in denen die Hauptrevision zu Gunsten einer Partei nur teilweise zugelassen wurde, zu einer Benachteiligung des Revisionsklägers führte und somit über den Gesetzeszweck der Schaffung einer Art Waffengleichheit zwischen den Parteien hinausginge. Die - grundsätzlich zulässige - Beschränkung der Revision führt dazu, dass der Revisionskläger das Urteil im Revisionsverfahren nur zum Teil angreifen kann. Soweit kein Revisionszulassungsgrund vorliegt, muss er das Berufungsurteil hinnehmen. Im Falle der Einlegung der Revision könnte dann aber bei einer uneingeschränkten Statthaftigkeit der Anschlussrevision der Revisionsbeklagte das Urteil - soweit er unterlegen ist - insgesamt anfechten, selbst wenn eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen Fehlens eines Zulassungsgrundes oder mangels Erreichens des Beschwerdewerts gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO nicht erfolgreich gewesen wäre. Eine Benachteiligung des Revisionsklägers wäre nur dann nicht gegeben, wenn man ihm das Recht zu einer Gegenanschließung gewährte. Eine derartige Möglichkeit hat der Gesetzgeber indes nicht vorgesehen. Die insoweit bestehende Ungleichbehandlung ist dann nicht gerechtfertigt, wenn der Gegenstand der Anschlussrevision in keinem rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Hauptrevision steht (BGHZ 174, 244, 253 f. = FamRZ 2008, 402 f. m.w.N.).
14
Diese Einschränkung der Zulässigkeit einer Anschlussrevision kommt hier allerdings nicht zum Tragen. Denn der Unterhaltszeitraum von Februar bis Dezember 2007 steht wegen der auch insoweit zu entscheidenden Rechtsfragen schon in rechtlichem Zusammenhang mit dem von der Revision zulässig angegriffenen Unterhaltszeitraum ab Januar 2008.

B.

15
Soweit die Revision des Beklagten zulässig ist, bleibt sie ohne Erfolg, während die Anschlussrevision der Klägerin im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht führt.

I.

16
Das Berufungsgericht hat der Klage zur Höhe lediglich teilweise stattgegeben und eine Befristung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin abgelehnt. Zur Begründung hat es folgendes ausgeführt:
17
Der Unterhaltsanspruch der Klägerin richte sich nach § 1572 Nr. 1 BGB, weil diese bereits im Zeitpunkt der Ehescheidung wegen ihrer Krebserkrankung erwerbsunfähig bzw. nur sehr eingeschränkt erwerbsfähig gewesen sei und dieser Zustand unverändert andauere. Auf ihren Unterhaltsanspruch habe die Klägerin weder ausdrücklich noch stillschweigend verzichtet. Der Anspruch sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH Urteil vom 22. November 2006 - XII ZR 152/04 - FamRZ 2007, 453) auch nicht verwirkt, weil kein Unterhalt geltend gemacht werde, der länger als ein Jahr zurück gelegen habe. Weil die Klägerin den Unterhaltsanspruch erst mit Mahnschreiben vom 16. Februar 2007 geltend gemacht habe, das dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 20. Februar 2007 zugegangen sei, könne sie auch erst ab diesem Zeitpunkt Unterhalt verlangen.
18
Im Rahmen der Unterhaltsbemessung sei von dem unstreitigen Nettoeinkommen des Beklagten in Höhe von 2.601,28 € auszugehen. Ein fiktiv höheres Nettoeinkommen wegen einer ausgeschlagenen Beförderung könne nicht berücksichtigt werden, weil die Klägerin einen solchen Sachverhalt nicht hinreichend substantiiert vorgetragen habe und eine Beweisaufnahme deswegen auf einen Ausforschungsbeweis hinauslaufe. Dem Nettoeinkommen seien die dem Kläger in den Jahren 2007 und 2008 zugeflossenen Steuererstattungen hinzuzurechnen. Davon seien allerdings die Kosten für die Erstellung der Steuererklärungen abzusetzen, die untrennbar mit den Steuererstattungen verbunden seien. Weiter abzusetzen seien die Dienstaufwandsentschädigung sowie die Kosten für die Krankenversicherung, die Tagegeldversicherung für den Beklagten und die unterhaltsberechtigte Tochter Yvonne, die Berufsunfähigkeitsversicherung sowie der Zahlbetrag des Unterhalts für die Tochter. Die Beiträge für die weiteren Lebensversicherungen und den Bausparvertrag seien ebenfalls in voller Höhe abzusetzen, weil schon die ehelichen Lebensverhältnisse von diesen Beiträgen geprägt gewesen seien.
19
Für die Klägerin sei von ihrer Erwerbsunfähigkeitsrente und den Einkünften aus der geringfügigen Erwerbstätigkeit auszugehen. Von diesem Er- werbseinkommen seien allerdings monatliche Fahrtkosten abzusetzen, die sich auf zunächst 55,20 € beliefen und ab Januar 2008 (0,30 €/km) 69 € betrügen. Außerdem seien die Beiträge der Klägerin für ihre Lebensversicherung und die Steuernachzahlungen abzusetzen. Daraus ergebe sich ein monatlicher Unterhaltsanspruch der Klägerin für die Zeit vom 20. Februar bis Juni 2007 in Höhe von 119 €, für die Zeit von Juli bis August 2007 in Höhe von 109 €, für die Zeit von September bis Oktober 2007 in Höhe von 108 €, für die Zeit von November bis Dezember 2007 in Höhe von 106 € und für die Zeit ab Januar 2008 in Höhe von 103 €.
20
Der Unterhaltsanspruch der Klägerin sei nicht zeitlich zu befristen und auch nicht zur Höhe zu beschränken. Eine Befristung unter dem Gesichtspunkt der gesteigerten Eigenverantwortlichkeit geschiedener Ehegatten scheide aus, obwohl die Klägerin erst 1955 geboren und im Zeitpunkt des Berufungsurteils noch nicht 53 Jahre alt gewesen sei. Denn sie sei bereits seit 1993 dauerhaft und zu 100 % schwerbehindert und deswegen nicht in der Lage, eine weitergehende Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Auch eine Befristung oder Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nach § 1578 b BGB scheide aus, weil ein zeitlich unbefristeter Unterhaltsanspruch in der zugesprochenen Höhe nicht unbillig sei. Zwar sei die Krebserkrankung der Klägerin nicht ehebedingt. Im Rahmen des Krankheitsunterhalts gewinne die nacheheliche Solidarität allerdings gesteigerte Bedeutung, während einem ehebedingten Nachteil als Voraussetzung für eine Befristung und Begrenzung des Unterhaltsanspruchs weniger Gewicht zukomme. Die Umstände des Einzelfalles, insbesondere die sehr lange Ehedauer, die fehlende Berufsausbildung im Zeitpunkt der Heirat im Alter von 16 Jahren und die sodann folgende Hausfrauenehe mit Kindererziehung sowie das Alter der jüngsten Tochter im Zeitpunkt der Scheidung sprächen gegen eine Befristung oder Begrenzung des Unterhalts. Der Beklagte werde schon durch die Er- werbsunfähigkeitsrente der Klägerin entlastet und eine weitere Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs sei aus Billigkeitsgründen nicht geboten.

II.

21
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten nicht in allen Punkten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
22
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings die Einwände des Beklagten gegen den Anspruch auf Krankheitsunterhalt zurückgewiesen, soweit sie auf einen Verzicht der Klägerin oder eine Verwirkung ihres Unterhaltsanspruchs gerichtet sind. Auch die Revision des Beklagten erinnert hierzu nichts.
23
2. Die Anschlussrevision der Klägerin hat schon deswegen Erfolg, weil das Oberlandesgericht ihren Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen nicht zutreffend ermittelt hat.
24
a) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass sich die Höhe des nachehelichen Unterhaltsanspruchs der Klägerin gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen richtet. Der unbestimmte Rechtsbegriff der "ehelichen Lebensverhältnisse" ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats allerdings nicht mehr im Sinne eines strikten Stichtagsprinzips auszulegen. Eine solche Fixierung auf einen bestimmten Stichtag lässt sich der Vorschrift des § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht entnehmen. Nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung sind bei der Bemessung des nachehelichen Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen vielmehr spätere Änderungen des verfügbaren Einkommens grundsätzlich zu berücksichtigen, und zwar unabhängig davon, wann sie eingetreten sind und ob es sich um Minderungen oder Verbesserungen handelt. Die in § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB vor- gegebene Anknüpfung an die ehelichen Lebensverhältnisse kann deren grundsätzliche Wandelbarkeit lediglich nach dem Zweck des nachehelichen Unterhalts einerseits und der fortwirkenden ehelichen Solidarität andererseits begrenzen (Senatsurteil BGHZ 179, 196 = FamRZ 2009, 411, 413 f.).
25
b) Diesen Vorgaben der neueren Rechtsprechung des Senats hält das angefochtene Urteil nicht in allen Punkten stand.
26
aa) Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht bei der Bemessung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs der Klägerin allerdings von den unstreitigen Nettoeinkünften des Beklagten in Höhe von 2.601,28 € ausgegangen und hat dem - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteil BGHZ 175, 182, 195 = FamRZ 2008, 968, 971) - die vom Beklagten erhaltenen Steuererstattungen hinzugerechnet.
27
Bei der Bemessung der unterhaltsrechtlich zu berücksichtigenden Steuererstattungen hat das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend die Kosten für die Erstellung der Steuererklärungen abgesetzt. In seiner neueren Rechtsprechung zu den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen knüpft der Senat grundsätzlich an die tatsächlichen Verhältnisse während des Unterhaltszeitraums an. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts musste der Beklagte für seine Steuererklärung im Jahre 2007 84 € und im Jahre 2008 115 € aufwenden, die seine Steuererstattung entsprechend schmälern. Eine Berücksichtigung dieser Verringerung des verfügbaren Einkommens findet nach der neueren Rechtsprechung des Senats erst in der nachehelichen Solidarität ihre Grenze. Nur bei einem unterhaltsrechtlich vorwerfbaren Verhalten ist deswegen entgegen den tatsächlichen Verhältnissen von fiktiv höheren Einkünften auszugehen (Senatsurteil BGHZ 175, 182, 195 f. = FamRZ 2008, 968, 971 f.). Ein solches unterhaltsrechtlich vorwerfbares Verhalten hat das Oberlandesgericht bezüglich der Kosten für die Erstellung der Steuererklärungen zu Recht abgelehnt. Denn die steuerliche Behandlung der Erwerbseinkünfte ist auch für abhängig beschäftigte Arbeitnehmer nicht offenkundig, eine geringere Steuerlast kommt auch dem unterhaltsberechtigten Ehegatten zugute und oftmals ergibt sich erst durch die Beratung, ob steuerrechtlich zu beachtende Besonderheiten vorliegen. Ein Abzug tatsächlich angefallener Kosten für die Steuererklärung ist deswegen nur dann ausgeschlossen, wenn von vornherein feststeht, dass für das abgelaufene Steuerjahr weder eine Steuerpflicht noch eine Erstattung in Betracht kommt (vgl. Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 1 Rdn. 108; a.A. OLG Hamm FamRZ 1992, 1177 und Kalthoener/Büttner/ Niepmann Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 10. Aufl. Rdn. 1051).
28
Zu Recht hat das Berufungsgericht vom Nettoeinkommen des Beklagten auch neben der Dienstaufwandsentschädigung die Kosten für seine Krankenversicherung , seine Berufsunfähigkeitsversicherung und die Krankenhaustagegeldversicherung abgesetzt. Diese Beiträge dienen der Sicherung des Erwerbseinkommens des Beklagten im Falle von Krankheit oder Arbeitslosigkeit, ohne dass der Beklagte dadurch zu Lasten der Klägerin eigenes Vermögen bildet. Die Kosten für diese reinen Risikoversicherungen sind deswegen als Kosten zur Erhaltung des Arbeitseinkommens zu berücksichtigen.
29
bb) Zutreffend weist die Anschlussrevision der Klägerin allerdings darauf hin, dass das Berufungsgericht mit dem Abzug der Beiträge für zwei Lebensversicherungen und einen Bausparvertrag Vorsorgeaufwendungen berücksichtigt hat, die den nach der Rechtsprechung des Senats geltenden Höchstbetrag der zusätzlichen Altersvorsorge übersteigen.
30
Nach der Rechtsprechung des Senats darf auch der Unterhaltspflichtige von seinen Einkünften grundsätzlich neben der gesetzlichen Altersvorsorge eine zusätzliche Altersvorsorge betreiben, die unterhaltsrechtlich beim Elternunterhalt bis zu 5 % des Bruttoeinkommens (Senatsurteile vom 14. Januar 2004 - XII ZR 149/01 - FamRZ 2004, 792, 793 und vom 30. August 2006 - XII ZR 98/04 - FamRZ 2006, 1511, 1514) und im Übrigen bis zu 4 % des Bruttoeinkommens (Senatsurteile BGHZ 163, 84, 97 ff. = FamRZ 2005, 1817, 1821 f. und BGHZ 171, 206, 216 = FamRZ 2007, 793, 795) betragen kann.
31
Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des Senats zu den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts jedoch nicht darauf an, ob bereits während der Ehezeit Beiträge für eine solche Altersvorsorge gezahlt wurden. Denn wenn der Unterhaltspflichtige bereits während der Ehezeit eine zusätzliche Altersvorsorge - wie hier in Form einer Kapitallebensversicherung - betrieben hatte, profitiert der andere Ehegatte regelmäßig im Zugewinnausgleich davon. Für die Zeit ab Zustellung des Scheidungsantrags , die vom Zugewinnausgleich nicht mehr erfasst wird, können überhöhte ehezeitliche Vorsorgekosten keine Rechtfertigung für deren Fortdauer geben. Dies würde nunmehr auf eine einseitige Vermögensbildung des unterhaltspflichtigen Ehegatten zu Lasten der Unterhaltsansprüche des unterhaltsberechtigten Ehegatten hinauslaufen (vgl. zum Wohnvorteil Senatsurteil vom 5. März 2008 - XII ZR 22/06 - FamRZ 2008, 963, 965 Tz. 17 ff.). Umgekehrt ist nach der Rechtsprechung des Senats zu den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen allerdings auch eine erst nachehelich hinzutretende zusätzliche Altersvorsorge zu berücksichtigen, weil darin kein unterhaltsrechtlich vorwerfbares Verhalten liegt, welches die nacheheliche Solidarität der geschiedenen Ehegatten verletzt (vgl. Senatsurteil BGHZ 179, 196 = FamRZ 2009, 411, 413 f.).
32
Das Oberlandesgericht durfte danach die der Altersvorsorge dienenden Beiträge des Beklagten für seine beiden Lebensversicherungen und den Bausparvertrag nicht in voller Höhe von monatlich 314,80 € (190,31 € + 49,49 € + 75 €), sondern lediglich in Höhe von 4 % des Bruttoeinkommens berücksichtigen. Der Senat kann insoweit aber nicht selbst abschließend entscheiden, weil es an den erforderlichen Feststellungen durch das Berufungsgericht fehlt. Denn es hat weder das Bruttoeinkommen des Beklagten festgestellt, noch die Höhe des auf die Lebensversicherung entfallenden Beitrags für den mit der Berufsunfähigkeitsversicherung verbundenen Versicherungsvertrag. Zwar hatte das Amtsgericht die monatlichen Kosten für diesen Versicherungsvertrag in Höhe von ursprünglich 302,16 € entsprechend dem Vortrag des Beklagten in einen Teil für die Berufsunfähigkeitsversicherung von 111,85 € und einen weiteren Teil für die Lebensversicherung in Höhe von 190,31 € aufgeteilt. Dies widerspricht allerdings der in Bezug genommenen Auskunft der Versicherungsgesellschaft , die den Beitrag in einen Teil von 122,14 € für die Berufsunfähigkeitsversicherung und einen Teil von 180,02 € für die Lebensversicherung aufgeteilt hatte. Auch die Aufteilung für die Zeit ab der Erhöhung des Gesamtbeitrages zum 1. Juli 2007 von 302,16 € auf 317,27 € hat das Oberlandesgericht - aus seiner Sicht konsequent - nicht festgestellt. Das angefochtene Urteil ist deswegen aufzuheben und der Rechtsstreit ist insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
33
3. Soweit der Beklagte mit seiner Revision eine zeitliche Befristung oder eine Begrenzung des nachehelichen Unterhalts nach § 1578 b BGB begehrt, hat diese hingegen keinen Erfolg. Denn das Oberlandesgericht hat im Rahmen seines tatrichterlichen Ermessens eine Begrenzung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise abgelehnt.
34
a) Ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ist nach § 1578 b Abs. 2 Satz 1 BGB zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung ergeben sich aus den nach § 1578 b Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechend anzuwendenden Gesichtspunkten für die Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs auf den angemessenen Lebensbedarf nach § 1578 b Abs. 1 Satz 2, 3 BGB.
35
aa) Danach ist bei der Billigkeitsabwägung für eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des nachehelichen Unterhalts vorrangig zu berücksichtigen , inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Wie schon nach der Rechtsprechung des Senats zu § 1573 Abs. 5 BGB a.F. (Senatsurteil vom 12. April 2006 - XII ZR 240/03 - FamRZ 2006, 1006, 1007) schränken solche ehebedingten Nachteile regelmäßig auch nach der Neufassung des § 1578 b BGB (BT-Drucks. 16/1830 S. 19) die Möglichkeit einer Befristung und Begrenzung des nachehelichen Unterhalts ein (Senatsurteil vom 16. April 2008 - XII ZR 107/06 - FamRZ 2008, 1325, 1328). Solche Nachteile können sich nach § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben.
36
Im Rahmen des Betreuungsunterhalts nach § 1570 BGB führt etwa eine fehlende oder eingeschränkte Erwerbsmöglichkeit wegen Betreuung eines gemeinsamen Kindes zu einem ehebedingten Nachteil, der regelmäßig unterhaltsrechtlich auszugleichen ist (vgl. insoweit Senatsurteil vom 18. März 2009 - XII ZR 74/08 - FamRZ 2009, 770, 772 ff.). Auch bei der Entscheidung über eine Begrenzung oder Befristung des Unterhalts wegen Alters nach § 1571 BGB ist zu berücksichtigen, ob der unterhaltsberechtigte Ehegatte trotz eines durchgeführten Versorgungsausgleichs geringere Renteneinkünfte erzielt, als er ohne die Ehe und die Erziehung der gemeinsamen Kinder erzielen würde. Beim Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB, bei dem die Krankheit regelmäßig nicht ehebedingt ist, kann sich ein ehebedingter Nachteil nur daraus ergeben, dass ein Unterhaltsberechtigter aufgrund der Rollenverteilung in der Ehe nicht ausreichend für den Fall der krankheitsbedingten Erwerbsminderung vorgesorgt hat und seine Erwerbsunfähigenrente infolge der Ehe und Kindererziehung geringer ist, als sie ohne die Ehe wäre (Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406, 408). Insoweit entsprechen sich der Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB und der Altersunterhalt nach § 1571 BGB. In beiden Fällen ist allerdings zu berücksichtigen , dass der Ausgleich unterschiedlicher Vorsorgebeiträge vornehmlich Aufgabe des Versorgungsausgleichs ist, durch den die Interessen des Unterhaltsberechtigten regelmäßig ausreichend gewahrt werden (Senatsurteile vom 16. April 2008 - XII ZR 107/06 - FamRZ 2008, 1325, 1328 f. und vom 25. Juni 2008 - XII ZR 109/07 - FamRZ 2008, 1508, 1511).
37
bb) § 1578 b BGB beschränkt sich nach dem Willen des Gesetzgebers allerdings nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile, sondern berücksichtigt auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität (BT-Drucks. 16/1830 S. 19). Denn indem § 1578 b Abs. 1 Satz 2 BGB "insbesondere" auf das Vorliegen ehebedingter Nachteile abstellt, schließt es andere Gesichtspunkte für die Billigkeitsabwägung nicht aus. Dieser Umstand gewinnt besonders beim nachehelichen Unterhalt gemäß § 1572 BGB wegen einer Krankheit, die regelmäßig nicht ehebedingt ist, an Bedeutung (Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406, 409).
38
Allerdings handelt es sich bei einer schweren Krankheit und der durch sie bedingten Erwerbsunfähigkeit in der Regel um eine schicksalhafte Entwicklung. Eine dauerhafte Unterhaltsverantwortung des geschiedenen Ehegatten für das allein im zeitlichen Zusammenhang mit der Ehe stehende Krankheitsrisiko ist deswegen nicht ohne weiteres gerechtfertigt. Der Einsatzzeitpunkt in § 1572 BGB schließt deswegen eine Einstandspflicht des geschiedenen Ehegatten für erst nachehelich eingetretene Erkrankungen aus (Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406, 409).
39
Andererseits hat der Gesetzgeber mit der Schaffung des Unterhaltsanspruchs wegen Krankheit oder Gebrechen in § 1572 BGB ein besonderes Maß an nachehelicher Solidarität festgeschrieben, das auch im Rahmen der Begrenzung oder Befristung dieses nachehelichen Unterhalts nicht unberücksichtigt bleiben kann. Auch in solchen Fällen, in denen die fortwirkende eheliche Solidarität den wesentlichen Billigkeitsmaßstab bildet, fällt den in § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB genannten Umständen besondere Bedeutung zu (BT-Drucks. 16/1830 S. 19). Auf deren Grundlage, insbesondere der Dauer der Pflege oder Erziehung gemeinschaftlicher Kinder, der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie der Dauer der Ehe ist auch der Umfang einer geschuldeten nachehelichen Solidarität zu bemessen.
40
b) Soweit das Berufungsgericht auf dieser rechtlichen Grundlage eine Befristung oder Begrenzung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin abgelehnt hat, ist dies aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
41
aa) Zwar ist die Krebserkrankung der Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts unabhängig von Ehe, Kindererziehung und Rollenverteilung in der Ehe eingetreten und somit nicht ehebedingt. Dass die Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin unter Berücksichtigung ihrer Kindererziehungszeiten und der damit verbundenen Anrechnungszeiten sowie des durchgeführten Versorgungsausgleichs geringer ist, als sie ohne die Ehe und Kindererziehung wäre , hat das Berufungsgericht ebenfalls nicht festgestellt.
42
bb) Der unbegrenzte Ausspruch des nachehelichen Unterhalts als Billigkeitsentscheidung ist gleichwohl aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat der nachehelichen Solidarität der Ehegatten hier zu Recht eine besondere Bedeutung eingeräumt. Denn die Parteien waren 26 Jahre verheiratet und hatten eine reine Hausfrauenehe geführt. Die Klägerin hatte bereits im Alter von 16 Jahren wegen der eingetretenen Schwangerschaft geheiratet und konnte deswegen keine Berufsausbildung absolvieren. Die vier ehelich geborenen Kinder sind von ihr betreut und erzogen worden. Im Zeitpunkt der Scheidung war die jüngste Tochter erst zehn Jahre alt und noch betreuungsbedürftig. Die Klägerin hat sich somit seit Abschluss ihrer Schulzeit und weit über den Zeitpunkt ihrer Krebserkrankung im Jahre 1989 hinaus allein für die Ehe der Parteien eingesetzt. Dies begründet ein besonders gewichtiges Vertrauen, das im Rahmen einer Befristung und Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nach § 1578 b BGB ebenfalls zu berücksichtigen ist.
43
Auch die weiteren Umstände stehen der Entscheidung des Berufungsgerichts im Rahmen der notwendigen Gesamtschau aus revisionsrechtlicher Sicht nicht entgegen. Denn die Klägerin erzielt aus ihrer Erwerbsunfähigkeitsrente und ihren Nebeneinkünften abzüglich aller Kosten lediglich Einkünfte in Höhe von rund 1.140 €, die nur wenig über den angemessenen Selbstbehalt hinausgehen. Demgegenüber verbleiben dem Beklagten nach Abzug sämtlicher unterhaltsrelevanter Kosten und des für die volljährige Tochter gezahlten Unterhalts deutlich höhere Einkünfte, von denen er den relativ geringen Unterhaltsanspruch der Klägerin ohne besondere Einschränkung erbringen kann. Ein berechtigtes Vertrauen, das einem unbefristeten Unterhaltsanspruch der Klägerin entgegenstehen könnte, konnte sich schon deswegen nicht bilden, weil die Klägerin bereits im Jahre 1989 erkrankt und seit 1993 dauerhaft als zu 100 % erwerbsunfähig eingestuft war, während die Ehe der Parteien erst im Jahre 1998 geschieden wurde.
Hahne Sprick Wagenitz Dose Klinkhammer
Vorinstanzen:
AG Rheine, Entscheidung vom 10.10.2007 - 13 F 90/07 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 27.06.2008 - 13 UF 272/07 -

(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen. Über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, kann durch Teilurteil nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.

(2) Der Erlass eines Teilurteils kann unterbleiben, wenn es das Gericht nach Lage der Sache nicht für angemessen erachtet.

(1) Ist ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig, so kann das Gericht über den Grund vorab entscheiden.

(2) Das Urteil ist in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen; das Gericht kann jedoch, wenn der Anspruch für begründet erklärt ist, auf Antrag anordnen, dass über den Betrag zu verhandeln sei.

Mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten können, auch wenn sie auf verschiedenen Gründen beruhen, in einer Klage verbunden werden, wenn für sämtliche Ansprüche das Prozessgericht zuständig und dieselbe Prozessart zulässig ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 111/08 Verkündet am:
27. Mai 2009
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Auch der Unterhaltspflichtige darf grundsätzlich neben der gesetzlichen Altersvorsorge
eine zusätzliche Altersvorsorge betreiben, die beim Ehegattenunterhalt
mit einem Betrag bis zu 4 % seines Bruttoeinkommens zu berücksichtigen
ist. Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des Senats zu den
wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen nicht darauf an, ob bereits während
der Ehezeit Beiträge für eine solche Altersvorsorge gezahlt wurden.

b) Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung über eine Herabsetzung oder zeitliche
Begrenzung des nachehelichen Unterhalts ist vorrangig zu berücksichtigen
, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten
sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. § 1578 b BGB beschränkt
sich allerdings nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile, sondern
berücksichtigt auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität (im
Anschluss an das Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406).
BGH, Urteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 111/08 - OLG Hamm
AG Rheine
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Mai 2009 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Sprick, Prof. Dr. Wagenitz, Dose und Dr. Klinkhammer

für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 13. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. Juni 2008 wird zurückgewiesen. Auf die Anschlussrevision der Klägerin wird das genannte Urteil aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt für die Zeit ab Februar 2007.
2
Sie hatten im April 1972 geheiratet, als die Klägerin 16 Jahre alt und vom Beklagten schwanger war. Aus ihrer Ehe sind insgesamt vier Kinder hervorgegangen , von denen nur noch die im Oktober 1987 geborene jüngste Tochter, die im Haushalt der Klägerin wohnt, unterhaltsbedürftig ist. Die Ehe der Partei- en wurde im Mai 1998 geschieden. Im Hinblick auf die Unterhaltspflicht des Beklagten für die gemeinsamen Kinder machte die Klägerin zunächst keinen nachehelichen Unterhalt geltend.
3
Die Klägerin ist nach einer im Jahre 1989 diagnostizieren Darmkrebserkrankung seit 1993 als zu 100 % schwerbehindert eingestuft und bezieht eine Erwerbsunfähigkeitsrente, die sich zunächst auf 1.039,21 € belief und seit Juli 2007 1.040,19 € beträgt. Daneben erzielt sie Einkünfte aus einer geringfügigen Erwerbstätigkeit in Höhe von monatlich 349 €. Um den Arbeitsplatz zu erreichen , muss sie zweimal wöchentlich mit dem Pkw 30 km zurücklegen. Für eine Lebensversicherung zahlt die Klägerin monatliche Beiträge in Höhe von 51,13 €. Im Jahre 2007 musste sie eine Steuernachzahlung in Höhe von insgesamt 74 €, im Jahre 2008 eine solche in Höhe von 488 € leisten.
4
Der Beklagte erzielt als Beamter Nettoeinkünfte in Höhe von 2.601,28 €, in denen eine Dienstaufwandsentschädigung in Höhe von monatlich 104,17 € enthalten ist. Hinzu kommt eine Steuererstattung, die sich nach Abzug der Kosten für die Erstellung der Steuererklärung im Jahre 2007 auf insgesamt 790,02 € und im Jahre 2008 auf insgesamt 744,78 € belief. Die Beiträge des Beklagten zur Krankenversicherung betrugen im Jahre 2007 monatlich 303,98 € und belaufen sich ab Januar 2008 auf monatlich 314,85 €. Für eine Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zahlte der Beklagte ursprünglich monatlich 302,16 €, wovon nach den Feststellungen des Berufungsgerichts 111,85 € auf die Berufsunfähigkeitsversicherung und 190,31 € auf die Lebensversicherung entfielen. Für die Zeit ab Juli 2007 ist der Gesamtbeitrag auf monatlich 317,27 € gestiegen. Für sich und die noch unterhaltsberechtigte Tochter Yvonne zahlt der Beklagte monatliche Beiträge für eine Krankenhaustagegeldversicherung , die ursprünglich 13,01 € betrugen und sich seit November 2007 auf 17,51 € belaufen. Außerdem zahlt der Beklagte monatliche Beiträge für eine weitere Lebensversicherung in Höhe von ursprünglich 49,49 € und von 52,02 € seit September 2007. Schließlich zahlt er Monatsraten auf einen Bausparvertrag in Höhe von 75 €. Auf den Unterhaltsanspruch der Tochter Yvonne zahlt der Beklagte monatlich 250 €, während die Klägerin für den restlichen Barunterhalt der volljährigen Tochter aufkommt.
5
Das Amtsgericht hat der auf einen Unterhaltsanspruch in Höhe von monatlich 111,40 € gerichteten Klage im Wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht - unter Zurückweisung der mit einer Klagerweiterung verbundenen Anschlussberufung der Klägerin - der Klage in geringerem Umfang stattgegeben und den Beklagten verurteilt, an die Klägerin für die Zeit ab dem 20. Februar 2007 Unterhalt in wechselnder Höhe, zuletzt für die Zeit ab Januar 2008 in Höhe von monatlich 103 € zu zahlen. Die vom Beklagten begehrte Befristung des Unterhaltsanspruchs hat es abgelehnt. Die Revision hat das Berufungsgericht "im Hinblick auf die Anwendung des neuen Unterhaltsrechts zur Frage der Beschränkung oder Befristung des Unterhaltsanspruchs nach § 1578 b BGB" zugelassen.
6
Gegen das Berufungsurteil richten sich die Revision des Beklagten, mit der er nach wie vor Klageabweisung begehrt, und die Anschlussrevision der Klägerin, die auf einen höheren Unterhalt für die Zeit ab Juli 2007, zuletzt für die Zeit ab Juni 2008 auf monatlich 209 €, gerichtet ist.

Entscheidungsgründe:

A.

7
Die Revision des Beklagten ist nur teilweise zulässig, die Anschlussrevision der Klägerin hingegen in vollem Umfang.

I.

8
Die Revision des Beklagten ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Verurteilung zu nachehelichem Unterhalt für die Zeit bis Ende 2007 richtet. Denn insoweit hat das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen (§ 543 Abs. 1 ZPO).
9
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich eine wirksame Beschränkung des Rechtsmittels auch bei uneingeschränkter Zulassung im Tenor der angefochtenen Entscheidung aus dessen Entscheidungsgründen ergeben (Senatsbeschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 78/07 - FamRZ 2008, 1339, 1340; Senatsurteile BGHZ 153, 358, 360 f. = FamRZ 2003, 590 f. und vom 12. November 2003 - XII ZR 109/01 - FamRZ 2004, 612). Eine solche Beschränkung setzt allerdings voraus, dass das Berufungsgericht die Möglichkeit einer Nachprüfung im Revisions- oder Rechtsbeschwerdeverfahren hinreichend klar auf einen abtrennbaren Teil seiner Entscheidung begrenzt hat (Senatsurteil vom 12. Juli 2000 - XII ZR 159/98 - NJW-RR 2001, 485, 486). Das ist hier der Fall.
10
Den Gründen der angefochtenen Entscheidung ist zu entnehmen, dass das Oberlandesgericht die Revision nur zur Höhe und Dauer des Betreuungsunterhalts nach dem seit dem 1. Januar 2008 geltenden Unterhaltsrecht zulas- sen wollte. Denn die ausdrücklich in Bezug genommene Neuregelung des § 1578 b BGB ist erst zu diesem Zeitpunkt in Kraft getreten. Die grundsätzlich zu klärende Rechtsfrage wirkt sich deswegen nur auf den Unterhaltsanspruch ab Januar 2008 aus. Bezieht sich in einem Unterhaltsrechtsstreit die Zulassungsfrage - wie hier - nur auf einen Teil des streitigen Zeitraums, liegt regelmäßig die Annahme nahe, das Berufungsgericht habe die Revision nur hinsichtlich des von der Zulassungsfrage betroffenen Teils zulassen wollen. Ein derartiges Verständnis des Ausspruchs über die Zulassung trägt auch der mit dem Prinzip der Zulassungsrevision verfolgten Konzentration des Revisionsgerichts auf rechtsgrundsätzliche Fragen Rechnung. Es verhindert umgekehrt, dass durch eine formal undifferenzierte Zulassung der Revision abtrennbare Teile des Streitstoffs ohne ersichtlichen Grund einer revisionsgerichtlichen Prüfung unterzogen werden müssen (Senatsurteile vom 18. März 2009 - XII ZR 74/08 – FamRZ 2009, 770, 771 Tz. 9 und vom 29. Januar 2003 - XII ZR 289/01 - FamRZ 2003, 445, 446).

II.

11
Die Anschlussrevision der Klägerin ist hingegen nach § 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO in vollem Umfang zulässig.
12
Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit zur Einlegung einer Anschlussrevision durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I 2001, 1887, 1901) dadurch erweitert, dass nach § 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO - abweichend vom bis dahin geltenden Recht (vgl. insoweit Senatsurteil vom 19. November 1997 - XII ZR 1/96 - FamRZ 1998, 286, 287) - eine Anschlussrevision auch ohne eine vorherige Zulassung statthaft ist. Dem Revisionsbeklagten soll nach der Gesetzesbegründung die Möglichkeit eröffnet wer- den, eine Abänderung des Berufungsurteils zu seinen Gunsten zu erreichen, wenn das Revisionsverfahren ohnehin durchgeführt werden muss. Es sei unbillig , der friedfertigen Partei, die bereit sei, sich mit der Entscheidung abzufinden, die Anschließungsmöglichkeit für den Fall abzuschneiden, dass der Gegner die Entscheidung wider Erwarten angreife (BT-Drucks. 14/4722, S. 108). Daher kann eine Anschlussrevision bei beschränkter Zulassung der Revision auch dann wirksam eingelegt werden, wenn die Anschlussrevision nicht den Streitgegenstand betrifft, auf den sich die Zulassung bezieht (BGHZ 174, 244, 253 = FamRZ 2008, 402 m.w.N.).
13
Die Neuregelung der Anschlussrevision in § 554 ZPO ändert aber nichts daran, dass sie als unselbständiges Rechtsmittel akzessorischer Natur ist. Dieser Abhängigkeit der Anschlussrevision würde es widersprechen, wenn mit ihr Streitstoff eingeführt werden könnte, der mit dem Gegenstand der Hauptrevision weder in einem rechtlichen noch in einem wirtschaftlichen Zusammenhang steht. Es kommt hinzu, dass eine unbeschränkte Statthaftigkeit der Anschlussrevision in Fällen, in denen die Hauptrevision zu Gunsten einer Partei nur teilweise zugelassen wurde, zu einer Benachteiligung des Revisionsklägers führte und somit über den Gesetzeszweck der Schaffung einer Art Waffengleichheit zwischen den Parteien hinausginge. Die - grundsätzlich zulässige - Beschränkung der Revision führt dazu, dass der Revisionskläger das Urteil im Revisionsverfahren nur zum Teil angreifen kann. Soweit kein Revisionszulassungsgrund vorliegt, muss er das Berufungsurteil hinnehmen. Im Falle der Einlegung der Revision könnte dann aber bei einer uneingeschränkten Statthaftigkeit der Anschlussrevision der Revisionsbeklagte das Urteil - soweit er unterlegen ist - insgesamt anfechten, selbst wenn eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen Fehlens eines Zulassungsgrundes oder mangels Erreichens des Beschwerdewerts gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO nicht erfolgreich gewesen wäre. Eine Benachteiligung des Revisionsklägers wäre nur dann nicht gegeben, wenn man ihm das Recht zu einer Gegenanschließung gewährte. Eine derartige Möglichkeit hat der Gesetzgeber indes nicht vorgesehen. Die insoweit bestehende Ungleichbehandlung ist dann nicht gerechtfertigt, wenn der Gegenstand der Anschlussrevision in keinem rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Hauptrevision steht (BGHZ 174, 244, 253 f. = FamRZ 2008, 402 f. m.w.N.).
14
Diese Einschränkung der Zulässigkeit einer Anschlussrevision kommt hier allerdings nicht zum Tragen. Denn der Unterhaltszeitraum von Februar bis Dezember 2007 steht wegen der auch insoweit zu entscheidenden Rechtsfragen schon in rechtlichem Zusammenhang mit dem von der Revision zulässig angegriffenen Unterhaltszeitraum ab Januar 2008.

B.

15
Soweit die Revision des Beklagten zulässig ist, bleibt sie ohne Erfolg, während die Anschlussrevision der Klägerin im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht führt.

I.

16
Das Berufungsgericht hat der Klage zur Höhe lediglich teilweise stattgegeben und eine Befristung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin abgelehnt. Zur Begründung hat es folgendes ausgeführt:
17
Der Unterhaltsanspruch der Klägerin richte sich nach § 1572 Nr. 1 BGB, weil diese bereits im Zeitpunkt der Ehescheidung wegen ihrer Krebserkrankung erwerbsunfähig bzw. nur sehr eingeschränkt erwerbsfähig gewesen sei und dieser Zustand unverändert andauere. Auf ihren Unterhaltsanspruch habe die Klägerin weder ausdrücklich noch stillschweigend verzichtet. Der Anspruch sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH Urteil vom 22. November 2006 - XII ZR 152/04 - FamRZ 2007, 453) auch nicht verwirkt, weil kein Unterhalt geltend gemacht werde, der länger als ein Jahr zurück gelegen habe. Weil die Klägerin den Unterhaltsanspruch erst mit Mahnschreiben vom 16. Februar 2007 geltend gemacht habe, das dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 20. Februar 2007 zugegangen sei, könne sie auch erst ab diesem Zeitpunkt Unterhalt verlangen.
18
Im Rahmen der Unterhaltsbemessung sei von dem unstreitigen Nettoeinkommen des Beklagten in Höhe von 2.601,28 € auszugehen. Ein fiktiv höheres Nettoeinkommen wegen einer ausgeschlagenen Beförderung könne nicht berücksichtigt werden, weil die Klägerin einen solchen Sachverhalt nicht hinreichend substantiiert vorgetragen habe und eine Beweisaufnahme deswegen auf einen Ausforschungsbeweis hinauslaufe. Dem Nettoeinkommen seien die dem Kläger in den Jahren 2007 und 2008 zugeflossenen Steuererstattungen hinzuzurechnen. Davon seien allerdings die Kosten für die Erstellung der Steuererklärungen abzusetzen, die untrennbar mit den Steuererstattungen verbunden seien. Weiter abzusetzen seien die Dienstaufwandsentschädigung sowie die Kosten für die Krankenversicherung, die Tagegeldversicherung für den Beklagten und die unterhaltsberechtigte Tochter Yvonne, die Berufsunfähigkeitsversicherung sowie der Zahlbetrag des Unterhalts für die Tochter. Die Beiträge für die weiteren Lebensversicherungen und den Bausparvertrag seien ebenfalls in voller Höhe abzusetzen, weil schon die ehelichen Lebensverhältnisse von diesen Beiträgen geprägt gewesen seien.
19
Für die Klägerin sei von ihrer Erwerbsunfähigkeitsrente und den Einkünften aus der geringfügigen Erwerbstätigkeit auszugehen. Von diesem Er- werbseinkommen seien allerdings monatliche Fahrtkosten abzusetzen, die sich auf zunächst 55,20 € beliefen und ab Januar 2008 (0,30 €/km) 69 € betrügen. Außerdem seien die Beiträge der Klägerin für ihre Lebensversicherung und die Steuernachzahlungen abzusetzen. Daraus ergebe sich ein monatlicher Unterhaltsanspruch der Klägerin für die Zeit vom 20. Februar bis Juni 2007 in Höhe von 119 €, für die Zeit von Juli bis August 2007 in Höhe von 109 €, für die Zeit von September bis Oktober 2007 in Höhe von 108 €, für die Zeit von November bis Dezember 2007 in Höhe von 106 € und für die Zeit ab Januar 2008 in Höhe von 103 €.
20
Der Unterhaltsanspruch der Klägerin sei nicht zeitlich zu befristen und auch nicht zur Höhe zu beschränken. Eine Befristung unter dem Gesichtspunkt der gesteigerten Eigenverantwortlichkeit geschiedener Ehegatten scheide aus, obwohl die Klägerin erst 1955 geboren und im Zeitpunkt des Berufungsurteils noch nicht 53 Jahre alt gewesen sei. Denn sie sei bereits seit 1993 dauerhaft und zu 100 % schwerbehindert und deswegen nicht in der Lage, eine weitergehende Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Auch eine Befristung oder Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nach § 1578 b BGB scheide aus, weil ein zeitlich unbefristeter Unterhaltsanspruch in der zugesprochenen Höhe nicht unbillig sei. Zwar sei die Krebserkrankung der Klägerin nicht ehebedingt. Im Rahmen des Krankheitsunterhalts gewinne die nacheheliche Solidarität allerdings gesteigerte Bedeutung, während einem ehebedingten Nachteil als Voraussetzung für eine Befristung und Begrenzung des Unterhaltsanspruchs weniger Gewicht zukomme. Die Umstände des Einzelfalles, insbesondere die sehr lange Ehedauer, die fehlende Berufsausbildung im Zeitpunkt der Heirat im Alter von 16 Jahren und die sodann folgende Hausfrauenehe mit Kindererziehung sowie das Alter der jüngsten Tochter im Zeitpunkt der Scheidung sprächen gegen eine Befristung oder Begrenzung des Unterhalts. Der Beklagte werde schon durch die Er- werbsunfähigkeitsrente der Klägerin entlastet und eine weitere Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs sei aus Billigkeitsgründen nicht geboten.

II.

21
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten nicht in allen Punkten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
22
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings die Einwände des Beklagten gegen den Anspruch auf Krankheitsunterhalt zurückgewiesen, soweit sie auf einen Verzicht der Klägerin oder eine Verwirkung ihres Unterhaltsanspruchs gerichtet sind. Auch die Revision des Beklagten erinnert hierzu nichts.
23
2. Die Anschlussrevision der Klägerin hat schon deswegen Erfolg, weil das Oberlandesgericht ihren Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen nicht zutreffend ermittelt hat.
24
a) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass sich die Höhe des nachehelichen Unterhaltsanspruchs der Klägerin gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen richtet. Der unbestimmte Rechtsbegriff der "ehelichen Lebensverhältnisse" ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats allerdings nicht mehr im Sinne eines strikten Stichtagsprinzips auszulegen. Eine solche Fixierung auf einen bestimmten Stichtag lässt sich der Vorschrift des § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht entnehmen. Nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung sind bei der Bemessung des nachehelichen Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen vielmehr spätere Änderungen des verfügbaren Einkommens grundsätzlich zu berücksichtigen, und zwar unabhängig davon, wann sie eingetreten sind und ob es sich um Minderungen oder Verbesserungen handelt. Die in § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB vor- gegebene Anknüpfung an die ehelichen Lebensverhältnisse kann deren grundsätzliche Wandelbarkeit lediglich nach dem Zweck des nachehelichen Unterhalts einerseits und der fortwirkenden ehelichen Solidarität andererseits begrenzen (Senatsurteil BGHZ 179, 196 = FamRZ 2009, 411, 413 f.).
25
b) Diesen Vorgaben der neueren Rechtsprechung des Senats hält das angefochtene Urteil nicht in allen Punkten stand.
26
aa) Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht bei der Bemessung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs der Klägerin allerdings von den unstreitigen Nettoeinkünften des Beklagten in Höhe von 2.601,28 € ausgegangen und hat dem - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteil BGHZ 175, 182, 195 = FamRZ 2008, 968, 971) - die vom Beklagten erhaltenen Steuererstattungen hinzugerechnet.
27
Bei der Bemessung der unterhaltsrechtlich zu berücksichtigenden Steuererstattungen hat das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend die Kosten für die Erstellung der Steuererklärungen abgesetzt. In seiner neueren Rechtsprechung zu den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen knüpft der Senat grundsätzlich an die tatsächlichen Verhältnisse während des Unterhaltszeitraums an. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts musste der Beklagte für seine Steuererklärung im Jahre 2007 84 € und im Jahre 2008 115 € aufwenden, die seine Steuererstattung entsprechend schmälern. Eine Berücksichtigung dieser Verringerung des verfügbaren Einkommens findet nach der neueren Rechtsprechung des Senats erst in der nachehelichen Solidarität ihre Grenze. Nur bei einem unterhaltsrechtlich vorwerfbaren Verhalten ist deswegen entgegen den tatsächlichen Verhältnissen von fiktiv höheren Einkünften auszugehen (Senatsurteil BGHZ 175, 182, 195 f. = FamRZ 2008, 968, 971 f.). Ein solches unterhaltsrechtlich vorwerfbares Verhalten hat das Oberlandesgericht bezüglich der Kosten für die Erstellung der Steuererklärungen zu Recht abgelehnt. Denn die steuerliche Behandlung der Erwerbseinkünfte ist auch für abhängig beschäftigte Arbeitnehmer nicht offenkundig, eine geringere Steuerlast kommt auch dem unterhaltsberechtigten Ehegatten zugute und oftmals ergibt sich erst durch die Beratung, ob steuerrechtlich zu beachtende Besonderheiten vorliegen. Ein Abzug tatsächlich angefallener Kosten für die Steuererklärung ist deswegen nur dann ausgeschlossen, wenn von vornherein feststeht, dass für das abgelaufene Steuerjahr weder eine Steuerpflicht noch eine Erstattung in Betracht kommt (vgl. Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 1 Rdn. 108; a.A. OLG Hamm FamRZ 1992, 1177 und Kalthoener/Büttner/ Niepmann Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 10. Aufl. Rdn. 1051).
28
Zu Recht hat das Berufungsgericht vom Nettoeinkommen des Beklagten auch neben der Dienstaufwandsentschädigung die Kosten für seine Krankenversicherung , seine Berufsunfähigkeitsversicherung und die Krankenhaustagegeldversicherung abgesetzt. Diese Beiträge dienen der Sicherung des Erwerbseinkommens des Beklagten im Falle von Krankheit oder Arbeitslosigkeit, ohne dass der Beklagte dadurch zu Lasten der Klägerin eigenes Vermögen bildet. Die Kosten für diese reinen Risikoversicherungen sind deswegen als Kosten zur Erhaltung des Arbeitseinkommens zu berücksichtigen.
29
bb) Zutreffend weist die Anschlussrevision der Klägerin allerdings darauf hin, dass das Berufungsgericht mit dem Abzug der Beiträge für zwei Lebensversicherungen und einen Bausparvertrag Vorsorgeaufwendungen berücksichtigt hat, die den nach der Rechtsprechung des Senats geltenden Höchstbetrag der zusätzlichen Altersvorsorge übersteigen.
30
Nach der Rechtsprechung des Senats darf auch der Unterhaltspflichtige von seinen Einkünften grundsätzlich neben der gesetzlichen Altersvorsorge eine zusätzliche Altersvorsorge betreiben, die unterhaltsrechtlich beim Elternunterhalt bis zu 5 % des Bruttoeinkommens (Senatsurteile vom 14. Januar 2004 - XII ZR 149/01 - FamRZ 2004, 792, 793 und vom 30. August 2006 - XII ZR 98/04 - FamRZ 2006, 1511, 1514) und im Übrigen bis zu 4 % des Bruttoeinkommens (Senatsurteile BGHZ 163, 84, 97 ff. = FamRZ 2005, 1817, 1821 f. und BGHZ 171, 206, 216 = FamRZ 2007, 793, 795) betragen kann.
31
Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des Senats zu den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts jedoch nicht darauf an, ob bereits während der Ehezeit Beiträge für eine solche Altersvorsorge gezahlt wurden. Denn wenn der Unterhaltspflichtige bereits während der Ehezeit eine zusätzliche Altersvorsorge - wie hier in Form einer Kapitallebensversicherung - betrieben hatte, profitiert der andere Ehegatte regelmäßig im Zugewinnausgleich davon. Für die Zeit ab Zustellung des Scheidungsantrags , die vom Zugewinnausgleich nicht mehr erfasst wird, können überhöhte ehezeitliche Vorsorgekosten keine Rechtfertigung für deren Fortdauer geben. Dies würde nunmehr auf eine einseitige Vermögensbildung des unterhaltspflichtigen Ehegatten zu Lasten der Unterhaltsansprüche des unterhaltsberechtigten Ehegatten hinauslaufen (vgl. zum Wohnvorteil Senatsurteil vom 5. März 2008 - XII ZR 22/06 - FamRZ 2008, 963, 965 Tz. 17 ff.). Umgekehrt ist nach der Rechtsprechung des Senats zu den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen allerdings auch eine erst nachehelich hinzutretende zusätzliche Altersvorsorge zu berücksichtigen, weil darin kein unterhaltsrechtlich vorwerfbares Verhalten liegt, welches die nacheheliche Solidarität der geschiedenen Ehegatten verletzt (vgl. Senatsurteil BGHZ 179, 196 = FamRZ 2009, 411, 413 f.).
32
Das Oberlandesgericht durfte danach die der Altersvorsorge dienenden Beiträge des Beklagten für seine beiden Lebensversicherungen und den Bausparvertrag nicht in voller Höhe von monatlich 314,80 € (190,31 € + 49,49 € + 75 €), sondern lediglich in Höhe von 4 % des Bruttoeinkommens berücksichtigen. Der Senat kann insoweit aber nicht selbst abschließend entscheiden, weil es an den erforderlichen Feststellungen durch das Berufungsgericht fehlt. Denn es hat weder das Bruttoeinkommen des Beklagten festgestellt, noch die Höhe des auf die Lebensversicherung entfallenden Beitrags für den mit der Berufsunfähigkeitsversicherung verbundenen Versicherungsvertrag. Zwar hatte das Amtsgericht die monatlichen Kosten für diesen Versicherungsvertrag in Höhe von ursprünglich 302,16 € entsprechend dem Vortrag des Beklagten in einen Teil für die Berufsunfähigkeitsversicherung von 111,85 € und einen weiteren Teil für die Lebensversicherung in Höhe von 190,31 € aufgeteilt. Dies widerspricht allerdings der in Bezug genommenen Auskunft der Versicherungsgesellschaft , die den Beitrag in einen Teil von 122,14 € für die Berufsunfähigkeitsversicherung und einen Teil von 180,02 € für die Lebensversicherung aufgeteilt hatte. Auch die Aufteilung für die Zeit ab der Erhöhung des Gesamtbeitrages zum 1. Juli 2007 von 302,16 € auf 317,27 € hat das Oberlandesgericht - aus seiner Sicht konsequent - nicht festgestellt. Das angefochtene Urteil ist deswegen aufzuheben und der Rechtsstreit ist insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
33
3. Soweit der Beklagte mit seiner Revision eine zeitliche Befristung oder eine Begrenzung des nachehelichen Unterhalts nach § 1578 b BGB begehrt, hat diese hingegen keinen Erfolg. Denn das Oberlandesgericht hat im Rahmen seines tatrichterlichen Ermessens eine Begrenzung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise abgelehnt.
34
a) Ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ist nach § 1578 b Abs. 2 Satz 1 BGB zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung ergeben sich aus den nach § 1578 b Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechend anzuwendenden Gesichtspunkten für die Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs auf den angemessenen Lebensbedarf nach § 1578 b Abs. 1 Satz 2, 3 BGB.
35
aa) Danach ist bei der Billigkeitsabwägung für eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des nachehelichen Unterhalts vorrangig zu berücksichtigen , inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Wie schon nach der Rechtsprechung des Senats zu § 1573 Abs. 5 BGB a.F. (Senatsurteil vom 12. April 2006 - XII ZR 240/03 - FamRZ 2006, 1006, 1007) schränken solche ehebedingten Nachteile regelmäßig auch nach der Neufassung des § 1578 b BGB (BT-Drucks. 16/1830 S. 19) die Möglichkeit einer Befristung und Begrenzung des nachehelichen Unterhalts ein (Senatsurteil vom 16. April 2008 - XII ZR 107/06 - FamRZ 2008, 1325, 1328). Solche Nachteile können sich nach § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben.
36
Im Rahmen des Betreuungsunterhalts nach § 1570 BGB führt etwa eine fehlende oder eingeschränkte Erwerbsmöglichkeit wegen Betreuung eines gemeinsamen Kindes zu einem ehebedingten Nachteil, der regelmäßig unterhaltsrechtlich auszugleichen ist (vgl. insoweit Senatsurteil vom 18. März 2009 - XII ZR 74/08 - FamRZ 2009, 770, 772 ff.). Auch bei der Entscheidung über eine Begrenzung oder Befristung des Unterhalts wegen Alters nach § 1571 BGB ist zu berücksichtigen, ob der unterhaltsberechtigte Ehegatte trotz eines durchgeführten Versorgungsausgleichs geringere Renteneinkünfte erzielt, als er ohne die Ehe und die Erziehung der gemeinsamen Kinder erzielen würde. Beim Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB, bei dem die Krankheit regelmäßig nicht ehebedingt ist, kann sich ein ehebedingter Nachteil nur daraus ergeben, dass ein Unterhaltsberechtigter aufgrund der Rollenverteilung in der Ehe nicht ausreichend für den Fall der krankheitsbedingten Erwerbsminderung vorgesorgt hat und seine Erwerbsunfähigenrente infolge der Ehe und Kindererziehung geringer ist, als sie ohne die Ehe wäre (Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406, 408). Insoweit entsprechen sich der Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB und der Altersunterhalt nach § 1571 BGB. In beiden Fällen ist allerdings zu berücksichtigen , dass der Ausgleich unterschiedlicher Vorsorgebeiträge vornehmlich Aufgabe des Versorgungsausgleichs ist, durch den die Interessen des Unterhaltsberechtigten regelmäßig ausreichend gewahrt werden (Senatsurteile vom 16. April 2008 - XII ZR 107/06 - FamRZ 2008, 1325, 1328 f. und vom 25. Juni 2008 - XII ZR 109/07 - FamRZ 2008, 1508, 1511).
37
bb) § 1578 b BGB beschränkt sich nach dem Willen des Gesetzgebers allerdings nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile, sondern berücksichtigt auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität (BT-Drucks. 16/1830 S. 19). Denn indem § 1578 b Abs. 1 Satz 2 BGB "insbesondere" auf das Vorliegen ehebedingter Nachteile abstellt, schließt es andere Gesichtspunkte für die Billigkeitsabwägung nicht aus. Dieser Umstand gewinnt besonders beim nachehelichen Unterhalt gemäß § 1572 BGB wegen einer Krankheit, die regelmäßig nicht ehebedingt ist, an Bedeutung (Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406, 409).
38
Allerdings handelt es sich bei einer schweren Krankheit und der durch sie bedingten Erwerbsunfähigkeit in der Regel um eine schicksalhafte Entwicklung. Eine dauerhafte Unterhaltsverantwortung des geschiedenen Ehegatten für das allein im zeitlichen Zusammenhang mit der Ehe stehende Krankheitsrisiko ist deswegen nicht ohne weiteres gerechtfertigt. Der Einsatzzeitpunkt in § 1572 BGB schließt deswegen eine Einstandspflicht des geschiedenen Ehegatten für erst nachehelich eingetretene Erkrankungen aus (Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406, 409).
39
Andererseits hat der Gesetzgeber mit der Schaffung des Unterhaltsanspruchs wegen Krankheit oder Gebrechen in § 1572 BGB ein besonderes Maß an nachehelicher Solidarität festgeschrieben, das auch im Rahmen der Begrenzung oder Befristung dieses nachehelichen Unterhalts nicht unberücksichtigt bleiben kann. Auch in solchen Fällen, in denen die fortwirkende eheliche Solidarität den wesentlichen Billigkeitsmaßstab bildet, fällt den in § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB genannten Umständen besondere Bedeutung zu (BT-Drucks. 16/1830 S. 19). Auf deren Grundlage, insbesondere der Dauer der Pflege oder Erziehung gemeinschaftlicher Kinder, der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie der Dauer der Ehe ist auch der Umfang einer geschuldeten nachehelichen Solidarität zu bemessen.
40
b) Soweit das Berufungsgericht auf dieser rechtlichen Grundlage eine Befristung oder Begrenzung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin abgelehnt hat, ist dies aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
41
aa) Zwar ist die Krebserkrankung der Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts unabhängig von Ehe, Kindererziehung und Rollenverteilung in der Ehe eingetreten und somit nicht ehebedingt. Dass die Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin unter Berücksichtigung ihrer Kindererziehungszeiten und der damit verbundenen Anrechnungszeiten sowie des durchgeführten Versorgungsausgleichs geringer ist, als sie ohne die Ehe und Kindererziehung wäre , hat das Berufungsgericht ebenfalls nicht festgestellt.
42
bb) Der unbegrenzte Ausspruch des nachehelichen Unterhalts als Billigkeitsentscheidung ist gleichwohl aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat der nachehelichen Solidarität der Ehegatten hier zu Recht eine besondere Bedeutung eingeräumt. Denn die Parteien waren 26 Jahre verheiratet und hatten eine reine Hausfrauenehe geführt. Die Klägerin hatte bereits im Alter von 16 Jahren wegen der eingetretenen Schwangerschaft geheiratet und konnte deswegen keine Berufsausbildung absolvieren. Die vier ehelich geborenen Kinder sind von ihr betreut und erzogen worden. Im Zeitpunkt der Scheidung war die jüngste Tochter erst zehn Jahre alt und noch betreuungsbedürftig. Die Klägerin hat sich somit seit Abschluss ihrer Schulzeit und weit über den Zeitpunkt ihrer Krebserkrankung im Jahre 1989 hinaus allein für die Ehe der Parteien eingesetzt. Dies begründet ein besonders gewichtiges Vertrauen, das im Rahmen einer Befristung und Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nach § 1578 b BGB ebenfalls zu berücksichtigen ist.
43
Auch die weiteren Umstände stehen der Entscheidung des Berufungsgerichts im Rahmen der notwendigen Gesamtschau aus revisionsrechtlicher Sicht nicht entgegen. Denn die Klägerin erzielt aus ihrer Erwerbsunfähigkeitsrente und ihren Nebeneinkünften abzüglich aller Kosten lediglich Einkünfte in Höhe von rund 1.140 €, die nur wenig über den angemessenen Selbstbehalt hinausgehen. Demgegenüber verbleiben dem Beklagten nach Abzug sämtlicher unterhaltsrelevanter Kosten und des für die volljährige Tochter gezahlten Unterhalts deutlich höhere Einkünfte, von denen er den relativ geringen Unterhaltsanspruch der Klägerin ohne besondere Einschränkung erbringen kann. Ein berechtigtes Vertrauen, das einem unbefristeten Unterhaltsanspruch der Klägerin entgegenstehen könnte, konnte sich schon deswegen nicht bilden, weil die Klägerin bereits im Jahre 1989 erkrankt und seit 1993 dauerhaft als zu 100 % erwerbsunfähig eingestuft war, während die Ehe der Parteien erst im Jahre 1998 geschieden wurde.
Hahne Sprick Wagenitz Dose Klinkhammer
Vorinstanzen:
AG Rheine, Entscheidung vom 10.10.2007 - 13 F 90/07 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 27.06.2008 - 13 UF 272/07 -

Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 111/08 Verkündet am:
27. Mai 2009
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Auch der Unterhaltspflichtige darf grundsätzlich neben der gesetzlichen Altersvorsorge
eine zusätzliche Altersvorsorge betreiben, die beim Ehegattenunterhalt
mit einem Betrag bis zu 4 % seines Bruttoeinkommens zu berücksichtigen
ist. Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des Senats zu den
wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen nicht darauf an, ob bereits während
der Ehezeit Beiträge für eine solche Altersvorsorge gezahlt wurden.

b) Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung über eine Herabsetzung oder zeitliche
Begrenzung des nachehelichen Unterhalts ist vorrangig zu berücksichtigen
, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten
sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. § 1578 b BGB beschränkt
sich allerdings nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile, sondern
berücksichtigt auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität (im
Anschluss an das Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406).
BGH, Urteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 111/08 - OLG Hamm
AG Rheine
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Mai 2009 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Sprick, Prof. Dr. Wagenitz, Dose und Dr. Klinkhammer

für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 13. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. Juni 2008 wird zurückgewiesen. Auf die Anschlussrevision der Klägerin wird das genannte Urteil aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt für die Zeit ab Februar 2007.
2
Sie hatten im April 1972 geheiratet, als die Klägerin 16 Jahre alt und vom Beklagten schwanger war. Aus ihrer Ehe sind insgesamt vier Kinder hervorgegangen , von denen nur noch die im Oktober 1987 geborene jüngste Tochter, die im Haushalt der Klägerin wohnt, unterhaltsbedürftig ist. Die Ehe der Partei- en wurde im Mai 1998 geschieden. Im Hinblick auf die Unterhaltspflicht des Beklagten für die gemeinsamen Kinder machte die Klägerin zunächst keinen nachehelichen Unterhalt geltend.
3
Die Klägerin ist nach einer im Jahre 1989 diagnostizieren Darmkrebserkrankung seit 1993 als zu 100 % schwerbehindert eingestuft und bezieht eine Erwerbsunfähigkeitsrente, die sich zunächst auf 1.039,21 € belief und seit Juli 2007 1.040,19 € beträgt. Daneben erzielt sie Einkünfte aus einer geringfügigen Erwerbstätigkeit in Höhe von monatlich 349 €. Um den Arbeitsplatz zu erreichen , muss sie zweimal wöchentlich mit dem Pkw 30 km zurücklegen. Für eine Lebensversicherung zahlt die Klägerin monatliche Beiträge in Höhe von 51,13 €. Im Jahre 2007 musste sie eine Steuernachzahlung in Höhe von insgesamt 74 €, im Jahre 2008 eine solche in Höhe von 488 € leisten.
4
Der Beklagte erzielt als Beamter Nettoeinkünfte in Höhe von 2.601,28 €, in denen eine Dienstaufwandsentschädigung in Höhe von monatlich 104,17 € enthalten ist. Hinzu kommt eine Steuererstattung, die sich nach Abzug der Kosten für die Erstellung der Steuererklärung im Jahre 2007 auf insgesamt 790,02 € und im Jahre 2008 auf insgesamt 744,78 € belief. Die Beiträge des Beklagten zur Krankenversicherung betrugen im Jahre 2007 monatlich 303,98 € und belaufen sich ab Januar 2008 auf monatlich 314,85 €. Für eine Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zahlte der Beklagte ursprünglich monatlich 302,16 €, wovon nach den Feststellungen des Berufungsgerichts 111,85 € auf die Berufsunfähigkeitsversicherung und 190,31 € auf die Lebensversicherung entfielen. Für die Zeit ab Juli 2007 ist der Gesamtbeitrag auf monatlich 317,27 € gestiegen. Für sich und die noch unterhaltsberechtigte Tochter Yvonne zahlt der Beklagte monatliche Beiträge für eine Krankenhaustagegeldversicherung , die ursprünglich 13,01 € betrugen und sich seit November 2007 auf 17,51 € belaufen. Außerdem zahlt der Beklagte monatliche Beiträge für eine weitere Lebensversicherung in Höhe von ursprünglich 49,49 € und von 52,02 € seit September 2007. Schließlich zahlt er Monatsraten auf einen Bausparvertrag in Höhe von 75 €. Auf den Unterhaltsanspruch der Tochter Yvonne zahlt der Beklagte monatlich 250 €, während die Klägerin für den restlichen Barunterhalt der volljährigen Tochter aufkommt.
5
Das Amtsgericht hat der auf einen Unterhaltsanspruch in Höhe von monatlich 111,40 € gerichteten Klage im Wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht - unter Zurückweisung der mit einer Klagerweiterung verbundenen Anschlussberufung der Klägerin - der Klage in geringerem Umfang stattgegeben und den Beklagten verurteilt, an die Klägerin für die Zeit ab dem 20. Februar 2007 Unterhalt in wechselnder Höhe, zuletzt für die Zeit ab Januar 2008 in Höhe von monatlich 103 € zu zahlen. Die vom Beklagten begehrte Befristung des Unterhaltsanspruchs hat es abgelehnt. Die Revision hat das Berufungsgericht "im Hinblick auf die Anwendung des neuen Unterhaltsrechts zur Frage der Beschränkung oder Befristung des Unterhaltsanspruchs nach § 1578 b BGB" zugelassen.
6
Gegen das Berufungsurteil richten sich die Revision des Beklagten, mit der er nach wie vor Klageabweisung begehrt, und die Anschlussrevision der Klägerin, die auf einen höheren Unterhalt für die Zeit ab Juli 2007, zuletzt für die Zeit ab Juni 2008 auf monatlich 209 €, gerichtet ist.

Entscheidungsgründe:

A.

7
Die Revision des Beklagten ist nur teilweise zulässig, die Anschlussrevision der Klägerin hingegen in vollem Umfang.

I.

8
Die Revision des Beklagten ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Verurteilung zu nachehelichem Unterhalt für die Zeit bis Ende 2007 richtet. Denn insoweit hat das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen (§ 543 Abs. 1 ZPO).
9
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich eine wirksame Beschränkung des Rechtsmittels auch bei uneingeschränkter Zulassung im Tenor der angefochtenen Entscheidung aus dessen Entscheidungsgründen ergeben (Senatsbeschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 78/07 - FamRZ 2008, 1339, 1340; Senatsurteile BGHZ 153, 358, 360 f. = FamRZ 2003, 590 f. und vom 12. November 2003 - XII ZR 109/01 - FamRZ 2004, 612). Eine solche Beschränkung setzt allerdings voraus, dass das Berufungsgericht die Möglichkeit einer Nachprüfung im Revisions- oder Rechtsbeschwerdeverfahren hinreichend klar auf einen abtrennbaren Teil seiner Entscheidung begrenzt hat (Senatsurteil vom 12. Juli 2000 - XII ZR 159/98 - NJW-RR 2001, 485, 486). Das ist hier der Fall.
10
Den Gründen der angefochtenen Entscheidung ist zu entnehmen, dass das Oberlandesgericht die Revision nur zur Höhe und Dauer des Betreuungsunterhalts nach dem seit dem 1. Januar 2008 geltenden Unterhaltsrecht zulas- sen wollte. Denn die ausdrücklich in Bezug genommene Neuregelung des § 1578 b BGB ist erst zu diesem Zeitpunkt in Kraft getreten. Die grundsätzlich zu klärende Rechtsfrage wirkt sich deswegen nur auf den Unterhaltsanspruch ab Januar 2008 aus. Bezieht sich in einem Unterhaltsrechtsstreit die Zulassungsfrage - wie hier - nur auf einen Teil des streitigen Zeitraums, liegt regelmäßig die Annahme nahe, das Berufungsgericht habe die Revision nur hinsichtlich des von der Zulassungsfrage betroffenen Teils zulassen wollen. Ein derartiges Verständnis des Ausspruchs über die Zulassung trägt auch der mit dem Prinzip der Zulassungsrevision verfolgten Konzentration des Revisionsgerichts auf rechtsgrundsätzliche Fragen Rechnung. Es verhindert umgekehrt, dass durch eine formal undifferenzierte Zulassung der Revision abtrennbare Teile des Streitstoffs ohne ersichtlichen Grund einer revisionsgerichtlichen Prüfung unterzogen werden müssen (Senatsurteile vom 18. März 2009 - XII ZR 74/08 – FamRZ 2009, 770, 771 Tz. 9 und vom 29. Januar 2003 - XII ZR 289/01 - FamRZ 2003, 445, 446).

II.

11
Die Anschlussrevision der Klägerin ist hingegen nach § 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO in vollem Umfang zulässig.
12
Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit zur Einlegung einer Anschlussrevision durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I 2001, 1887, 1901) dadurch erweitert, dass nach § 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO - abweichend vom bis dahin geltenden Recht (vgl. insoweit Senatsurteil vom 19. November 1997 - XII ZR 1/96 - FamRZ 1998, 286, 287) - eine Anschlussrevision auch ohne eine vorherige Zulassung statthaft ist. Dem Revisionsbeklagten soll nach der Gesetzesbegründung die Möglichkeit eröffnet wer- den, eine Abänderung des Berufungsurteils zu seinen Gunsten zu erreichen, wenn das Revisionsverfahren ohnehin durchgeführt werden muss. Es sei unbillig , der friedfertigen Partei, die bereit sei, sich mit der Entscheidung abzufinden, die Anschließungsmöglichkeit für den Fall abzuschneiden, dass der Gegner die Entscheidung wider Erwarten angreife (BT-Drucks. 14/4722, S. 108). Daher kann eine Anschlussrevision bei beschränkter Zulassung der Revision auch dann wirksam eingelegt werden, wenn die Anschlussrevision nicht den Streitgegenstand betrifft, auf den sich die Zulassung bezieht (BGHZ 174, 244, 253 = FamRZ 2008, 402 m.w.N.).
13
Die Neuregelung der Anschlussrevision in § 554 ZPO ändert aber nichts daran, dass sie als unselbständiges Rechtsmittel akzessorischer Natur ist. Dieser Abhängigkeit der Anschlussrevision würde es widersprechen, wenn mit ihr Streitstoff eingeführt werden könnte, der mit dem Gegenstand der Hauptrevision weder in einem rechtlichen noch in einem wirtschaftlichen Zusammenhang steht. Es kommt hinzu, dass eine unbeschränkte Statthaftigkeit der Anschlussrevision in Fällen, in denen die Hauptrevision zu Gunsten einer Partei nur teilweise zugelassen wurde, zu einer Benachteiligung des Revisionsklägers führte und somit über den Gesetzeszweck der Schaffung einer Art Waffengleichheit zwischen den Parteien hinausginge. Die - grundsätzlich zulässige - Beschränkung der Revision führt dazu, dass der Revisionskläger das Urteil im Revisionsverfahren nur zum Teil angreifen kann. Soweit kein Revisionszulassungsgrund vorliegt, muss er das Berufungsurteil hinnehmen. Im Falle der Einlegung der Revision könnte dann aber bei einer uneingeschränkten Statthaftigkeit der Anschlussrevision der Revisionsbeklagte das Urteil - soweit er unterlegen ist - insgesamt anfechten, selbst wenn eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen Fehlens eines Zulassungsgrundes oder mangels Erreichens des Beschwerdewerts gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO nicht erfolgreich gewesen wäre. Eine Benachteiligung des Revisionsklägers wäre nur dann nicht gegeben, wenn man ihm das Recht zu einer Gegenanschließung gewährte. Eine derartige Möglichkeit hat der Gesetzgeber indes nicht vorgesehen. Die insoweit bestehende Ungleichbehandlung ist dann nicht gerechtfertigt, wenn der Gegenstand der Anschlussrevision in keinem rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Hauptrevision steht (BGHZ 174, 244, 253 f. = FamRZ 2008, 402 f. m.w.N.).
14
Diese Einschränkung der Zulässigkeit einer Anschlussrevision kommt hier allerdings nicht zum Tragen. Denn der Unterhaltszeitraum von Februar bis Dezember 2007 steht wegen der auch insoweit zu entscheidenden Rechtsfragen schon in rechtlichem Zusammenhang mit dem von der Revision zulässig angegriffenen Unterhaltszeitraum ab Januar 2008.

B.

15
Soweit die Revision des Beklagten zulässig ist, bleibt sie ohne Erfolg, während die Anschlussrevision der Klägerin im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht führt.

I.

16
Das Berufungsgericht hat der Klage zur Höhe lediglich teilweise stattgegeben und eine Befristung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin abgelehnt. Zur Begründung hat es folgendes ausgeführt:
17
Der Unterhaltsanspruch der Klägerin richte sich nach § 1572 Nr. 1 BGB, weil diese bereits im Zeitpunkt der Ehescheidung wegen ihrer Krebserkrankung erwerbsunfähig bzw. nur sehr eingeschränkt erwerbsfähig gewesen sei und dieser Zustand unverändert andauere. Auf ihren Unterhaltsanspruch habe die Klägerin weder ausdrücklich noch stillschweigend verzichtet. Der Anspruch sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH Urteil vom 22. November 2006 - XII ZR 152/04 - FamRZ 2007, 453) auch nicht verwirkt, weil kein Unterhalt geltend gemacht werde, der länger als ein Jahr zurück gelegen habe. Weil die Klägerin den Unterhaltsanspruch erst mit Mahnschreiben vom 16. Februar 2007 geltend gemacht habe, das dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 20. Februar 2007 zugegangen sei, könne sie auch erst ab diesem Zeitpunkt Unterhalt verlangen.
18
Im Rahmen der Unterhaltsbemessung sei von dem unstreitigen Nettoeinkommen des Beklagten in Höhe von 2.601,28 € auszugehen. Ein fiktiv höheres Nettoeinkommen wegen einer ausgeschlagenen Beförderung könne nicht berücksichtigt werden, weil die Klägerin einen solchen Sachverhalt nicht hinreichend substantiiert vorgetragen habe und eine Beweisaufnahme deswegen auf einen Ausforschungsbeweis hinauslaufe. Dem Nettoeinkommen seien die dem Kläger in den Jahren 2007 und 2008 zugeflossenen Steuererstattungen hinzuzurechnen. Davon seien allerdings die Kosten für die Erstellung der Steuererklärungen abzusetzen, die untrennbar mit den Steuererstattungen verbunden seien. Weiter abzusetzen seien die Dienstaufwandsentschädigung sowie die Kosten für die Krankenversicherung, die Tagegeldversicherung für den Beklagten und die unterhaltsberechtigte Tochter Yvonne, die Berufsunfähigkeitsversicherung sowie der Zahlbetrag des Unterhalts für die Tochter. Die Beiträge für die weiteren Lebensversicherungen und den Bausparvertrag seien ebenfalls in voller Höhe abzusetzen, weil schon die ehelichen Lebensverhältnisse von diesen Beiträgen geprägt gewesen seien.
19
Für die Klägerin sei von ihrer Erwerbsunfähigkeitsrente und den Einkünften aus der geringfügigen Erwerbstätigkeit auszugehen. Von diesem Er- werbseinkommen seien allerdings monatliche Fahrtkosten abzusetzen, die sich auf zunächst 55,20 € beliefen und ab Januar 2008 (0,30 €/km) 69 € betrügen. Außerdem seien die Beiträge der Klägerin für ihre Lebensversicherung und die Steuernachzahlungen abzusetzen. Daraus ergebe sich ein monatlicher Unterhaltsanspruch der Klägerin für die Zeit vom 20. Februar bis Juni 2007 in Höhe von 119 €, für die Zeit von Juli bis August 2007 in Höhe von 109 €, für die Zeit von September bis Oktober 2007 in Höhe von 108 €, für die Zeit von November bis Dezember 2007 in Höhe von 106 € und für die Zeit ab Januar 2008 in Höhe von 103 €.
20
Der Unterhaltsanspruch der Klägerin sei nicht zeitlich zu befristen und auch nicht zur Höhe zu beschränken. Eine Befristung unter dem Gesichtspunkt der gesteigerten Eigenverantwortlichkeit geschiedener Ehegatten scheide aus, obwohl die Klägerin erst 1955 geboren und im Zeitpunkt des Berufungsurteils noch nicht 53 Jahre alt gewesen sei. Denn sie sei bereits seit 1993 dauerhaft und zu 100 % schwerbehindert und deswegen nicht in der Lage, eine weitergehende Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Auch eine Befristung oder Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nach § 1578 b BGB scheide aus, weil ein zeitlich unbefristeter Unterhaltsanspruch in der zugesprochenen Höhe nicht unbillig sei. Zwar sei die Krebserkrankung der Klägerin nicht ehebedingt. Im Rahmen des Krankheitsunterhalts gewinne die nacheheliche Solidarität allerdings gesteigerte Bedeutung, während einem ehebedingten Nachteil als Voraussetzung für eine Befristung und Begrenzung des Unterhaltsanspruchs weniger Gewicht zukomme. Die Umstände des Einzelfalles, insbesondere die sehr lange Ehedauer, die fehlende Berufsausbildung im Zeitpunkt der Heirat im Alter von 16 Jahren und die sodann folgende Hausfrauenehe mit Kindererziehung sowie das Alter der jüngsten Tochter im Zeitpunkt der Scheidung sprächen gegen eine Befristung oder Begrenzung des Unterhalts. Der Beklagte werde schon durch die Er- werbsunfähigkeitsrente der Klägerin entlastet und eine weitere Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs sei aus Billigkeitsgründen nicht geboten.

II.

21
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten nicht in allen Punkten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
22
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings die Einwände des Beklagten gegen den Anspruch auf Krankheitsunterhalt zurückgewiesen, soweit sie auf einen Verzicht der Klägerin oder eine Verwirkung ihres Unterhaltsanspruchs gerichtet sind. Auch die Revision des Beklagten erinnert hierzu nichts.
23
2. Die Anschlussrevision der Klägerin hat schon deswegen Erfolg, weil das Oberlandesgericht ihren Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen nicht zutreffend ermittelt hat.
24
a) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass sich die Höhe des nachehelichen Unterhaltsanspruchs der Klägerin gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen richtet. Der unbestimmte Rechtsbegriff der "ehelichen Lebensverhältnisse" ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats allerdings nicht mehr im Sinne eines strikten Stichtagsprinzips auszulegen. Eine solche Fixierung auf einen bestimmten Stichtag lässt sich der Vorschrift des § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht entnehmen. Nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung sind bei der Bemessung des nachehelichen Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen vielmehr spätere Änderungen des verfügbaren Einkommens grundsätzlich zu berücksichtigen, und zwar unabhängig davon, wann sie eingetreten sind und ob es sich um Minderungen oder Verbesserungen handelt. Die in § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB vor- gegebene Anknüpfung an die ehelichen Lebensverhältnisse kann deren grundsätzliche Wandelbarkeit lediglich nach dem Zweck des nachehelichen Unterhalts einerseits und der fortwirkenden ehelichen Solidarität andererseits begrenzen (Senatsurteil BGHZ 179, 196 = FamRZ 2009, 411, 413 f.).
25
b) Diesen Vorgaben der neueren Rechtsprechung des Senats hält das angefochtene Urteil nicht in allen Punkten stand.
26
aa) Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht bei der Bemessung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs der Klägerin allerdings von den unstreitigen Nettoeinkünften des Beklagten in Höhe von 2.601,28 € ausgegangen und hat dem - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteil BGHZ 175, 182, 195 = FamRZ 2008, 968, 971) - die vom Beklagten erhaltenen Steuererstattungen hinzugerechnet.
27
Bei der Bemessung der unterhaltsrechtlich zu berücksichtigenden Steuererstattungen hat das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend die Kosten für die Erstellung der Steuererklärungen abgesetzt. In seiner neueren Rechtsprechung zu den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen knüpft der Senat grundsätzlich an die tatsächlichen Verhältnisse während des Unterhaltszeitraums an. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts musste der Beklagte für seine Steuererklärung im Jahre 2007 84 € und im Jahre 2008 115 € aufwenden, die seine Steuererstattung entsprechend schmälern. Eine Berücksichtigung dieser Verringerung des verfügbaren Einkommens findet nach der neueren Rechtsprechung des Senats erst in der nachehelichen Solidarität ihre Grenze. Nur bei einem unterhaltsrechtlich vorwerfbaren Verhalten ist deswegen entgegen den tatsächlichen Verhältnissen von fiktiv höheren Einkünften auszugehen (Senatsurteil BGHZ 175, 182, 195 f. = FamRZ 2008, 968, 971 f.). Ein solches unterhaltsrechtlich vorwerfbares Verhalten hat das Oberlandesgericht bezüglich der Kosten für die Erstellung der Steuererklärungen zu Recht abgelehnt. Denn die steuerliche Behandlung der Erwerbseinkünfte ist auch für abhängig beschäftigte Arbeitnehmer nicht offenkundig, eine geringere Steuerlast kommt auch dem unterhaltsberechtigten Ehegatten zugute und oftmals ergibt sich erst durch die Beratung, ob steuerrechtlich zu beachtende Besonderheiten vorliegen. Ein Abzug tatsächlich angefallener Kosten für die Steuererklärung ist deswegen nur dann ausgeschlossen, wenn von vornherein feststeht, dass für das abgelaufene Steuerjahr weder eine Steuerpflicht noch eine Erstattung in Betracht kommt (vgl. Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 1 Rdn. 108; a.A. OLG Hamm FamRZ 1992, 1177 und Kalthoener/Büttner/ Niepmann Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 10. Aufl. Rdn. 1051).
28
Zu Recht hat das Berufungsgericht vom Nettoeinkommen des Beklagten auch neben der Dienstaufwandsentschädigung die Kosten für seine Krankenversicherung , seine Berufsunfähigkeitsversicherung und die Krankenhaustagegeldversicherung abgesetzt. Diese Beiträge dienen der Sicherung des Erwerbseinkommens des Beklagten im Falle von Krankheit oder Arbeitslosigkeit, ohne dass der Beklagte dadurch zu Lasten der Klägerin eigenes Vermögen bildet. Die Kosten für diese reinen Risikoversicherungen sind deswegen als Kosten zur Erhaltung des Arbeitseinkommens zu berücksichtigen.
29
bb) Zutreffend weist die Anschlussrevision der Klägerin allerdings darauf hin, dass das Berufungsgericht mit dem Abzug der Beiträge für zwei Lebensversicherungen und einen Bausparvertrag Vorsorgeaufwendungen berücksichtigt hat, die den nach der Rechtsprechung des Senats geltenden Höchstbetrag der zusätzlichen Altersvorsorge übersteigen.
30
Nach der Rechtsprechung des Senats darf auch der Unterhaltspflichtige von seinen Einkünften grundsätzlich neben der gesetzlichen Altersvorsorge eine zusätzliche Altersvorsorge betreiben, die unterhaltsrechtlich beim Elternunterhalt bis zu 5 % des Bruttoeinkommens (Senatsurteile vom 14. Januar 2004 - XII ZR 149/01 - FamRZ 2004, 792, 793 und vom 30. August 2006 - XII ZR 98/04 - FamRZ 2006, 1511, 1514) und im Übrigen bis zu 4 % des Bruttoeinkommens (Senatsurteile BGHZ 163, 84, 97 ff. = FamRZ 2005, 1817, 1821 f. und BGHZ 171, 206, 216 = FamRZ 2007, 793, 795) betragen kann.
31
Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des Senats zu den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts jedoch nicht darauf an, ob bereits während der Ehezeit Beiträge für eine solche Altersvorsorge gezahlt wurden. Denn wenn der Unterhaltspflichtige bereits während der Ehezeit eine zusätzliche Altersvorsorge - wie hier in Form einer Kapitallebensversicherung - betrieben hatte, profitiert der andere Ehegatte regelmäßig im Zugewinnausgleich davon. Für die Zeit ab Zustellung des Scheidungsantrags , die vom Zugewinnausgleich nicht mehr erfasst wird, können überhöhte ehezeitliche Vorsorgekosten keine Rechtfertigung für deren Fortdauer geben. Dies würde nunmehr auf eine einseitige Vermögensbildung des unterhaltspflichtigen Ehegatten zu Lasten der Unterhaltsansprüche des unterhaltsberechtigten Ehegatten hinauslaufen (vgl. zum Wohnvorteil Senatsurteil vom 5. März 2008 - XII ZR 22/06 - FamRZ 2008, 963, 965 Tz. 17 ff.). Umgekehrt ist nach der Rechtsprechung des Senats zu den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen allerdings auch eine erst nachehelich hinzutretende zusätzliche Altersvorsorge zu berücksichtigen, weil darin kein unterhaltsrechtlich vorwerfbares Verhalten liegt, welches die nacheheliche Solidarität der geschiedenen Ehegatten verletzt (vgl. Senatsurteil BGHZ 179, 196 = FamRZ 2009, 411, 413 f.).
32
Das Oberlandesgericht durfte danach die der Altersvorsorge dienenden Beiträge des Beklagten für seine beiden Lebensversicherungen und den Bausparvertrag nicht in voller Höhe von monatlich 314,80 € (190,31 € + 49,49 € + 75 €), sondern lediglich in Höhe von 4 % des Bruttoeinkommens berücksichtigen. Der Senat kann insoweit aber nicht selbst abschließend entscheiden, weil es an den erforderlichen Feststellungen durch das Berufungsgericht fehlt. Denn es hat weder das Bruttoeinkommen des Beklagten festgestellt, noch die Höhe des auf die Lebensversicherung entfallenden Beitrags für den mit der Berufsunfähigkeitsversicherung verbundenen Versicherungsvertrag. Zwar hatte das Amtsgericht die monatlichen Kosten für diesen Versicherungsvertrag in Höhe von ursprünglich 302,16 € entsprechend dem Vortrag des Beklagten in einen Teil für die Berufsunfähigkeitsversicherung von 111,85 € und einen weiteren Teil für die Lebensversicherung in Höhe von 190,31 € aufgeteilt. Dies widerspricht allerdings der in Bezug genommenen Auskunft der Versicherungsgesellschaft , die den Beitrag in einen Teil von 122,14 € für die Berufsunfähigkeitsversicherung und einen Teil von 180,02 € für die Lebensversicherung aufgeteilt hatte. Auch die Aufteilung für die Zeit ab der Erhöhung des Gesamtbeitrages zum 1. Juli 2007 von 302,16 € auf 317,27 € hat das Oberlandesgericht - aus seiner Sicht konsequent - nicht festgestellt. Das angefochtene Urteil ist deswegen aufzuheben und der Rechtsstreit ist insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
33
3. Soweit der Beklagte mit seiner Revision eine zeitliche Befristung oder eine Begrenzung des nachehelichen Unterhalts nach § 1578 b BGB begehrt, hat diese hingegen keinen Erfolg. Denn das Oberlandesgericht hat im Rahmen seines tatrichterlichen Ermessens eine Begrenzung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise abgelehnt.
34
a) Ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ist nach § 1578 b Abs. 2 Satz 1 BGB zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung ergeben sich aus den nach § 1578 b Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechend anzuwendenden Gesichtspunkten für die Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs auf den angemessenen Lebensbedarf nach § 1578 b Abs. 1 Satz 2, 3 BGB.
35
aa) Danach ist bei der Billigkeitsabwägung für eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des nachehelichen Unterhalts vorrangig zu berücksichtigen , inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Wie schon nach der Rechtsprechung des Senats zu § 1573 Abs. 5 BGB a.F. (Senatsurteil vom 12. April 2006 - XII ZR 240/03 - FamRZ 2006, 1006, 1007) schränken solche ehebedingten Nachteile regelmäßig auch nach der Neufassung des § 1578 b BGB (BT-Drucks. 16/1830 S. 19) die Möglichkeit einer Befristung und Begrenzung des nachehelichen Unterhalts ein (Senatsurteil vom 16. April 2008 - XII ZR 107/06 - FamRZ 2008, 1325, 1328). Solche Nachteile können sich nach § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben.
36
Im Rahmen des Betreuungsunterhalts nach § 1570 BGB führt etwa eine fehlende oder eingeschränkte Erwerbsmöglichkeit wegen Betreuung eines gemeinsamen Kindes zu einem ehebedingten Nachteil, der regelmäßig unterhaltsrechtlich auszugleichen ist (vgl. insoweit Senatsurteil vom 18. März 2009 - XII ZR 74/08 - FamRZ 2009, 770, 772 ff.). Auch bei der Entscheidung über eine Begrenzung oder Befristung des Unterhalts wegen Alters nach § 1571 BGB ist zu berücksichtigen, ob der unterhaltsberechtigte Ehegatte trotz eines durchgeführten Versorgungsausgleichs geringere Renteneinkünfte erzielt, als er ohne die Ehe und die Erziehung der gemeinsamen Kinder erzielen würde. Beim Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB, bei dem die Krankheit regelmäßig nicht ehebedingt ist, kann sich ein ehebedingter Nachteil nur daraus ergeben, dass ein Unterhaltsberechtigter aufgrund der Rollenverteilung in der Ehe nicht ausreichend für den Fall der krankheitsbedingten Erwerbsminderung vorgesorgt hat und seine Erwerbsunfähigenrente infolge der Ehe und Kindererziehung geringer ist, als sie ohne die Ehe wäre (Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406, 408). Insoweit entsprechen sich der Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB und der Altersunterhalt nach § 1571 BGB. In beiden Fällen ist allerdings zu berücksichtigen , dass der Ausgleich unterschiedlicher Vorsorgebeiträge vornehmlich Aufgabe des Versorgungsausgleichs ist, durch den die Interessen des Unterhaltsberechtigten regelmäßig ausreichend gewahrt werden (Senatsurteile vom 16. April 2008 - XII ZR 107/06 - FamRZ 2008, 1325, 1328 f. und vom 25. Juni 2008 - XII ZR 109/07 - FamRZ 2008, 1508, 1511).
37
bb) § 1578 b BGB beschränkt sich nach dem Willen des Gesetzgebers allerdings nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile, sondern berücksichtigt auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität (BT-Drucks. 16/1830 S. 19). Denn indem § 1578 b Abs. 1 Satz 2 BGB "insbesondere" auf das Vorliegen ehebedingter Nachteile abstellt, schließt es andere Gesichtspunkte für die Billigkeitsabwägung nicht aus. Dieser Umstand gewinnt besonders beim nachehelichen Unterhalt gemäß § 1572 BGB wegen einer Krankheit, die regelmäßig nicht ehebedingt ist, an Bedeutung (Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406, 409).
38
Allerdings handelt es sich bei einer schweren Krankheit und der durch sie bedingten Erwerbsunfähigkeit in der Regel um eine schicksalhafte Entwicklung. Eine dauerhafte Unterhaltsverantwortung des geschiedenen Ehegatten für das allein im zeitlichen Zusammenhang mit der Ehe stehende Krankheitsrisiko ist deswegen nicht ohne weiteres gerechtfertigt. Der Einsatzzeitpunkt in § 1572 BGB schließt deswegen eine Einstandspflicht des geschiedenen Ehegatten für erst nachehelich eingetretene Erkrankungen aus (Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406, 409).
39
Andererseits hat der Gesetzgeber mit der Schaffung des Unterhaltsanspruchs wegen Krankheit oder Gebrechen in § 1572 BGB ein besonderes Maß an nachehelicher Solidarität festgeschrieben, das auch im Rahmen der Begrenzung oder Befristung dieses nachehelichen Unterhalts nicht unberücksichtigt bleiben kann. Auch in solchen Fällen, in denen die fortwirkende eheliche Solidarität den wesentlichen Billigkeitsmaßstab bildet, fällt den in § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB genannten Umständen besondere Bedeutung zu (BT-Drucks. 16/1830 S. 19). Auf deren Grundlage, insbesondere der Dauer der Pflege oder Erziehung gemeinschaftlicher Kinder, der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie der Dauer der Ehe ist auch der Umfang einer geschuldeten nachehelichen Solidarität zu bemessen.
40
b) Soweit das Berufungsgericht auf dieser rechtlichen Grundlage eine Befristung oder Begrenzung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin abgelehnt hat, ist dies aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
41
aa) Zwar ist die Krebserkrankung der Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts unabhängig von Ehe, Kindererziehung und Rollenverteilung in der Ehe eingetreten und somit nicht ehebedingt. Dass die Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin unter Berücksichtigung ihrer Kindererziehungszeiten und der damit verbundenen Anrechnungszeiten sowie des durchgeführten Versorgungsausgleichs geringer ist, als sie ohne die Ehe und Kindererziehung wäre , hat das Berufungsgericht ebenfalls nicht festgestellt.
42
bb) Der unbegrenzte Ausspruch des nachehelichen Unterhalts als Billigkeitsentscheidung ist gleichwohl aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat der nachehelichen Solidarität der Ehegatten hier zu Recht eine besondere Bedeutung eingeräumt. Denn die Parteien waren 26 Jahre verheiratet und hatten eine reine Hausfrauenehe geführt. Die Klägerin hatte bereits im Alter von 16 Jahren wegen der eingetretenen Schwangerschaft geheiratet und konnte deswegen keine Berufsausbildung absolvieren. Die vier ehelich geborenen Kinder sind von ihr betreut und erzogen worden. Im Zeitpunkt der Scheidung war die jüngste Tochter erst zehn Jahre alt und noch betreuungsbedürftig. Die Klägerin hat sich somit seit Abschluss ihrer Schulzeit und weit über den Zeitpunkt ihrer Krebserkrankung im Jahre 1989 hinaus allein für die Ehe der Parteien eingesetzt. Dies begründet ein besonders gewichtiges Vertrauen, das im Rahmen einer Befristung und Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nach § 1578 b BGB ebenfalls zu berücksichtigen ist.
43
Auch die weiteren Umstände stehen der Entscheidung des Berufungsgerichts im Rahmen der notwendigen Gesamtschau aus revisionsrechtlicher Sicht nicht entgegen. Denn die Klägerin erzielt aus ihrer Erwerbsunfähigkeitsrente und ihren Nebeneinkünften abzüglich aller Kosten lediglich Einkünfte in Höhe von rund 1.140 €, die nur wenig über den angemessenen Selbstbehalt hinausgehen. Demgegenüber verbleiben dem Beklagten nach Abzug sämtlicher unterhaltsrelevanter Kosten und des für die volljährige Tochter gezahlten Unterhalts deutlich höhere Einkünfte, von denen er den relativ geringen Unterhaltsanspruch der Klägerin ohne besondere Einschränkung erbringen kann. Ein berechtigtes Vertrauen, das einem unbefristeten Unterhaltsanspruch der Klägerin entgegenstehen könnte, konnte sich schon deswegen nicht bilden, weil die Klägerin bereits im Jahre 1989 erkrankt und seit 1993 dauerhaft als zu 100 % erwerbsunfähig eingestuft war, während die Ehe der Parteien erst im Jahre 1998 geschieden wurde.
Hahne Sprick Wagenitz Dose Klinkhammer
Vorinstanzen:
AG Rheine, Entscheidung vom 10.10.2007 - 13 F 90/07 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 27.06.2008 - 13 UF 272/07 -

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
KZR 6/06 Verkündet am:
6. März 2007
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
PETCYCLE
GWB § 131; VerpackV § 8

a) Ist ein Rationalisierungskartell vor dem 1. Juli 2005 lediglich als Normenund
Typenkartell angemeldet worden, ist eine nach § 131 GWB fortwirkende
Freistellung ausgeschlossen.

b) Die Verpflichtung nach § 8 Abs. 1 Satz 4 VerpackV zur Erstattung des Pfandes
bei Rücknahme einer Einweggetränkeverpackung nach § 6 Abs. 2
Satz 1 VerpackV besteht auch dann, wenn das Pfand auf einer früheren
Stufe der Rücknahmekette nicht erstattet worden ist.
BGH, Urteil vom 6. März 2007 – KZR 6/06 – OLG Koblenz
LG Mainz
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. November 2006 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Hirsch, die Vorsitzenden Richter Ball und Prof. Dr. Bornkamm und die
Richter Dr. Raum und Prof. Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 2. März 2006 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin betreibt bundesweit einen Flaschengroßhandel mit Leergut; sie übernimmt und sortiert insbesondere Pfandflaschen für Getränkehersteller, die gemischtes Leergut zurückgenommen haben. Die sortierten Flaschen gibt die Klägerin an diejenigen Hersteller zurück, die die Flaschen befüllt und in den Verkehr gebracht haben.
2
Die Beklagte betreibt mit Unternehmen ("Systempartnern"), die mit ihr einen beim Bundeskartellamt als Normen- und Typenvereinbarung im Sinne des § 2 Abs. 1 GWB 1999 angemeldeten "Systemvertrag" geschlossen haben, un- ter der Bezeichnung PETCYCLE ein Stoffkreislaufsystem für Kunststoffeinwegflaschen aus Polyäthylenterephthalat (PET).
3
Unter dem von der Klägerin von ihren Kunden übernommenen Leergut befinden sich auch PETCYCLE-Flaschen. Die Systempartner der Beklagten weigern sich jedoch, diese Flaschen – gegen Erstattung des nach der Verpackungsverordnung erhobenen Pfandes – von der Klägerin zurückzunehmen. Die Klägerin begehrt daher Aufnahme in das PETCYCLE-System als Systempartner.
4
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen.
5
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Antrag weiter, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


6
Die zulässige Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
7
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
8
Der Klägerin stehe ein Anspruch aus § 20 Abs. 1 GWB 1999 nicht zu. Zwar sei die Beklagte als ein ein Normen- und Typenkartell bildendes Unternehmen Normadressatin und die Klägerin in einem Geschäftsverkehr tätig, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich sei. Ihre Ungleichbehandlung sei jedoch sachlich gerechtfertigt und stelle keine unbillige Behinderung dar. Die Klägerin erfülle zwar als Logistikunternehmen, das sich aktiv am PETStoffkreislauf beteilige, nach der Definition des Systemvertrages die an einen PETCYCLE-Systempartner zu stellenden Anforderungen. Es könne jedoch nicht angenommen werden, dass die Klägerin, wie nach 1.4.1 des Systemvertrages gefordert, diesen Vertrag anerkenne. Nach der Regelung zu 3.2.2 des Systemvertrages verpflichteten sich jeder zur Rücknahme autorisierte Systempartner und von ihm autorisierte Dritte, die Rücknahme und die damit verbundene Rückerstattung der Pfandgelder durch geeignete organisatorische Vorkehrungen zu sichern. Die Klägerin erhalte jedoch von Mehrwegabfüllern PETCYCLE-Flaschen ohne Zahlung von Pfandentgelten im Tausch gegen Mehrweg-Flaschen, was gegen die Pflicht zur Pfanderstattung verstoße. Ferner lasse sich die Arbeitsweise der Klägerin nicht mit dem im 4. Teil des Systemvertrages geregelten Verwertungskreislauf in Einklang bringen. Danach hätten die Systempartner sämtliche zurückgenommenen Flaschen der Verwertung zuzuführen und alles zu unterlassen, was den Kreislauf des PETCYCLE-Materials stören könne. Das System sei demnach darauf ausgelegt, PETCYCLEFlaschen im Vertikalverhältnis, d.h. vom Abfüller über den Handel bis zum Verbraucher und zurück, der Wiederverwertung zuzuführen, wodurch unnötige und umweltbelastende Leerguttransporte vermieden werden sollten. Solche Transporte fänden jedoch statt, wenn die Klägerin einen Austausch von Flaschen und Flaschenpfand im Horizontalverhältnis mit den verschiedenen Mineralbrunnen und Abfüllern vornehme. Auch die Auswirkungen einer fortbestehenden Aufnahmeverweigerung auf die wirtschaftliche Situation der Klägerin rechtfertigten einen Aufnahmeanspruch nicht.
9
II. Das hält der Nachprüfung nicht stand. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, eine in der Aufnahmeverweigerung liegende Ungleichbehandlung der Klägerin sei sachlich gerechtfertig t.
10
1. Rechtsfehlerfrei ist allerdings die Feststellung des Berufungsgerichts , in der Weigerung der Beklagten, die Klägerin als PETCYCLE- Systempartnerin zu akzeptieren, liege eine Ungleichbehandlung gegenüber gleichartigen Unternehmen.
11
Da das Tatbestandsmerkmal der Zugänglichkeit des Geschäftsverkehrs für gleichartige Unternehmen nach ständiger Rechtsprechung nur einer verhältnismäßig groben Sichtung dient, genügt es, wenn die zu vergleichenden Unternehmen nach unternehmerischer Tätigkeit und wirtschaftlicher Funktion im Verhältnis zur Marktgegenseite dieselben Aufgaben erfüllen (BGHZ 101, 72, 79 – Krankentransporte I; BGHZ 129, 53, 60 – Importarzneimittel; BGH, Urt. v. 13.11.1990 – KZR 25/89, WuW/E 2683, 2686 – Zuckerrübenanlieferungsrecht I; Urt. v. 17.3.1998 – KZR 30/96, WuW/E DE-R 134 f. – Bahnhofsbuchhandel ; Urt. v. 27.4.1999 – KZR 35/97, WuW/E DE-R 357 f. – Feuerwehrgeräte; Urt. v. 4.11.2003 – KZR 2/02, WuW/E DE-R 1203 f. – Depotkosmetik im Internet ). Diese Voraussetzung ist im Streitfall zu bejahen, da auch Abfüller, die Systempartner der Beklagten sind, Flaschen sortieren und das Pfand für bei ihnen angefallene Fremdflaschen über die Clearingstelle der Beklagten ausgeglichen erhalten. Die Revisionserwiderung beruft sich daher vergeblich darauf, dass die Beklagte bislang auch keinen anderen Flaschensortierer aufgenommen habe. Ebenso ist unerheblich, welchen Umfang die Annahme von Fremdflaschen bei den Systempartnern der Be klagten hat.
12
2. Das Berufungsgericht ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass die Prüfung der sachlichen Rechtfertigung einer unterschiedlichen Behandlung eine Gesamtwürdigung und Abwägung aller beteiligten Interessen erfordert, die sich an der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Funktion des Gesetzes orientiert (BGHZ 38, 90, 102 – Treuhandbüro; BGHZ 52, 65, 71 – Sportartikelmesse; BGHZ 107, 273, 280 – Staatslotterie; BGHZ 160, 67, 77 – Standard-Spundfass). Rechtsfehlerfrei ist des Weiteren seine Annahme, an der so verstandenen sachlichen Rechtfertigung fehle es, wenn die Klägerin die Aufnahmevoraussetzungen des Systemvertrages erfülle und ihre Arbeitsweise mit dem PETCYCLE-System "kompatibel" sei. Denn bereits nach der Präambel des Vertrages soll jedem Unternehmen, das zur Mitarbeit und zum Beitritt bereit ist, die Teilnahme am Kreislaufsystem im Rahmen des Vertrages offenstehen.
Schließlich lässt auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin erfülle nach der Definition des Systemvertrages grundsätzlich die an einen PETCYCLE-Systempartner zu stellenden Anforderungen, keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von der Revisionserwiderung hingenommen.
13
3. Zu Recht rügt die Revision jedoch, dass das Berufungsgericht die Aufnahmeverweigerung gleichwohl für gerechtfertigt gehalten hat, weil nicht angenommen werden könne, dass die Klägerin den Systemvertrag im Sinne von dessen Abschnitt 1.4.1 anerkenne.
14
Entgegen seiner Auffassung steht die Bestimmung des Abschnitts 3.2.2 des Vertrages, nach der jeder zur Rücknahme autorisierte Systempartner sich verpflichtet, die Rücknahme und die damit verbundene Rückerstattung der Pfandgelder durch geeignete organisatorische Vorkehrungen zu sichern, nicht im Widerspruch zur Geschäftstätigkeit der Klägerin.
15
Denn durch die Sortierung von Leergut und die unmittelbare oder mittelbare Zuführung von PETCYCLE-Flaschen zur stofflichen Wiederverwertung fördert die Klägerin die Rücknahme von Systemflaschen und führt dem System auch solche Flaschen zu, die ohne ihre Tätigkeit dem PETCYCLEStoffkreislaufsystem entzogen würden. Dass die Klägerin – jedenfalls in aller Regel – ihrerseits bei Annahme der Flaschen kein Pfand erstattet, steht mit der vertraglichen Verpflichtung eines Systempartners, auch die Rückerstattung der Pfandgelder zu sichern, nicht im Widerspruch. Denn diese Verpflichtung ist als Verweis auf die gesetzliche Erstattungspflicht zu verstehen. Die Klägerin könnte die Rückerstattung indes nur an ihre Kunden leisten, die ihr – im Rahmen der überlassenen Menge unsortierten Leergutes – auch PETCYCLE-Flaschen überlassen. Bei diesen Kunden handelt es sich jedoch nach den Feststellungen des Landgerichts um Getränkehersteller; das Berufungsgericht hat nichts Abweichendes festgestellt. Wenn die Klägerin an diese kein Pfand erstattet, so ist dies unschädlich.
16
Soweit diese Getränkehersteller Erstvertreiber von Getränken in Einweggetränkeverpackungen mit einem Füllvolumen von 0,1 bis 3 l sind, sind sie ihrerseits nach § 6 Abs. 2 VerpackV zur Rücknahme von Verpackungen der Art, Form und Größe sowie von Verpackungen solcher Waren, welche sie selbst in Verkehr bringen, verpflichtet und haben nach § 8 Abs. 1 Satz 4 VerpackV bei der Rücknahme das auf die zurückgenommenen Verpackungen erhobene Pfand zu erstatten. Die zurückgenommenen Verpackungen haben sie der (stofflichen) Verwertung zuzuführen (§ 6 Abs. 2 Satz 1 VerpackV). Da sie am Ende der gesetzlich vorgeschriebenen Rücklaufkette stehen, steht ihnen ein Anspruch auf Pfanderstattung nach § 8 Abs. 1 Satz 4 VerpackV, den die Klägerin zu erfüllen hätte, nicht mehr zu.
17
Soweit die Getränkehersteller selbst nicht Erstvertreiber von Getränken in Einweggetränkeverpackungen mit einem Füllvolumen von 0,1 bis 3 l sind, sind sie im (rechtmäßigen) Besitz der Flaschen und daher nach § 8 Abs. 1 Satz 4 VerpackV berechtigt (aber nicht verpflichtet), Erstattung des Pfandes zu verlangen. Wenn sie im Rahmen der mit der Klägerin getroffenen Vereinbarungen auf eine solche Erstattung verzichten bzw. die Pfanderstattung durch anderweitige Vergütungsregelungen ersetzen, steht das weder im Widerspruch zur Verpackungsverordnung noch zu Sinn und Zweck des PETCYCLE-Systems. Dem Vertreiber ist lediglich der Vertrieb von Einweggetränkeverpackungen, die der Pfanderhebungs- und Rücknahmepflicht unterliegen, ohne Erhebung des Pfandes untersagt. Dagegen ist es ihm nicht untersagt, solche Verpackungen zurückzunehmen , wenn bei der Rückgabe die Erstattung des Pfandes – aus welchen Gründen auch immer – nicht verlangt wird. Zweck des Pfandes ist es, die Rückgabe zu sichern, damit die Verpackung dem Stoffkreislauf wieder zugeführt werden kann (§ 24 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG). Dazu stünde es geradezu im Widerspruch, wenn die Rücknahme abgelehnt werden dürfte, weil das Pfand nicht erstattet werden kann, etwa weil der Berechtigte unbekannt ist. Das Gesetz verbietet daher die Erstattung des Pfandes ohne Rücknahme der Verpa- ckung (§ 8 Abs. 1 Satz 5 VerpackV), aber nicht den umgekehrten Fall. Ferner bleibt die Verpflichtung zur Erstattung des Pfandes bei Rückgabe der Verpackung auch dann bestehen, wenn das Pfand an den Endverbraucher oder auf einer früheren Stufe der Rücknahmekette nicht erstattet worden ist. Denn die Erstattungspflicht nach § 8 Abs. 1 Satz 4 VerpackV ist hiervon unabhängig und sichert damit den vollständigen Rücklauf der Verpackung.
18
Es ist auch nicht zutreffend, dass die Hersteller nach § 6 Abs. 2 VerpackV nicht verpflichtet wären, die Verpackungen von der Klägerin zurückzunehmen , weil die Klägerin nicht deren Vertreiber gewesen ist. Die Rücknahmepflicht nach § 6 Abs. 2 VerpackV erstreckt sich vielmehr auf alle Verpackungen, die nach Absatz 1 der Vorschrift von Vertreibern zurückgenommen worden sind und damit auch auf solche Verpackungen, die die Klägerin von Getränkeherstellern übernimmt, die sie ihrerseits vom Handel übernommen haben, der sie entsprechend seiner gesetzlichen Verpflichtung vom Endverbraucher zurückgenommen hat. Weder nach § 6 Abs. 1 noch nach § 6 Abs. 2 VerpackV kommt es, wie sich aus § 6 Abs. 1 Satz 4 und § 6 Abs. 2 Satz 3 VerpackV ergibt, darauf an, ob die konkrete Verpackung von dem Rücknahmepflichtigen (an den Zurückgebenden) vertrieben worden ist.
19
4. Ebenso wenig kann hiernach dem Berufungsgericht in der Annahme gefolgt werden, die Tätigkeit der Klägerin störe den im 4. Teil des Systemvertrages geregelten Verwertungskreislauf. Es mag zwar sein, dass das Verwertungskreislaufsystem der Beklagten in erster Linie darauf angelegt ist, PETCYCLE-Flaschen im "Vertikalverhältnis" der stofflichen Wiederverwertung zuzuführen. Soweit es jedoch in der Praxis zu einer Rücklieferung im "Vertikalverhältnis" nicht kommt, etwa weil ein Unternehmen die von ihm zurückgenommenen Flaschen nicht sortieren will, kann das Ziel, die PETCYCLE-Flaschen innerhalb des Systems der Wiederverwertung zuzuführen, am besten dadurch erreicht werden, dass die Flaschen durch Dienstleistungsunternehmen wie die Klägerin wieder in das PETCYCLE-System eingespeist werden, damit Hersteller und Vertreiber ihrer Produktverantwortung nach § 22 Abs. 1 KrW-/AbfG nachkommen können.
20
Ob der Klägerin hierbei in denjenigen Fällen, in denen die Pfanderstattungskette nach § 8 Abs. 1 Satz 4 VerpackV bereits durchlaufen worden ist, (aus – gegebenenfalls stillschweigend – abgetretenem Recht) ein bereicherungsrechtlicher Erstattungsanspruch gegen den jeweiligen Erstvertreiber der PETCYCLE-Flaschen zusteht, der bei der Inverkehrsetzung das Pfand erhoben hat und infolge der Rücknahme durch einen anderen Getränkehersteller von der Erstattungspflicht nach § 8 Abs. 1 Satz 4 VerpackV frei geworden ist, bedarf in diesem Zusammenhang keiner Entscheidung. Denn zu befinden ist nur über den geltend gemachten Aufnahmeanspruch der Klägerin. Deswegen kann auch offenbleiben, ob und gegebenenfalls inwiewe it das gesetzlich nicht vorgeschriebene Pfandclearing der Beklagten die verpackungsrechtlichen Pfanderstattungsvorschriften sowie möglicherweise ergänzend anwendbare Vorschriften des bürgerlichen Rechts abbilden muss oder, sofern dies diskriminierungsfrei geschieht, Usancen des Geschäftsverkehrs zwischen Herstellern und Handel Rechnung tragen kann, nach denen, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, bei der Pfandabrechnung im Interesse der einfachen Handhabbarkeit gegebenenfalls von der Berücksichtigung von Pfandfreiheit oder Pfandpflichtigkeit sowie unterschiedlich hoher Pfandbeträge bei Einweg- und Mehrwegflaschen abgesehen wi rd.
21
III. Das Berufungsurteil ist hiernach aufzuheben, und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte sei Normadressatin des Diskriminierungsverbotes, durch seine bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht getragen wird.
1. Da die Klage nur Erfolg haben kann, wenn der Klägerin der gel22 tend gemachte Aufnahmeanspruch gegenwärtig (noch) zusteht, ist grundsätzlich § 20 GWB in der Fassung der 7. GWB-Novelle maßgeblich. Danach kommt es darauf an, ob die PETCYCLE-Systempartner eine Vereinigung von miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen im Sinne der §§ 2, 3 GWB bilden und ihre Vereinbarung vom Verbot des § 1 GWB freigestellt ist. Handelte es sich bei dem PETCYCLE-Systemvertrag um eine nach § 1 GWB verbotene Vereinbarung, käme ein Aufnahmeanspruch nicht in Betracht.
23
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich die Normadressateneigenschaft nicht aus der Freistellung des PETCYCLESystems als Normen- und Typenvereinbarung nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 3 GWB 1999. Zwar gilt eine Freistellung nach § 9 Abs. 3 GWB 1999 nach der Übergangsvorschrift des § 131 Abs. 1 GWB bis zum 31. Dezember 2007 fort. Die Klägerin begehrt jedoch nicht Aufnahme in ein Normen- und Typenkartell.
24
Freistellungsfähige Normen- und Typenkartelle sind nach § 2 Abs. 1 GWB 1999 Vereinbarungen und Beschlüsse, die lediglich die einheitliche Anwendung von Normen oder Typen zum Gegenstand haben. Der PETCYCLESystemvertrag enthält aber nicht nur Bestimmungen zur Normierung von PETCYCLE-Stoffkreislaufflaschen und -Mehrwegtransportverpackungen, sondern auch Bestimmungen über die Organisation der Flaschenrücknahme sowie den Mengen- und Pfandausgleich ("Clearing") und dient insofern, wie das Bundeskartellamt in der mündlichen Verhandlung zutreffend und ohne Widerspruch der Parteien ausgeführt hat, nicht nur der Normierung von PET-Flaschen, sondern auch der Rationalisierung des Stoffkreislaufs und des Pfandausgleichs. Gerade an diesen Funktionen des Systems will die Klägerin, die keine eigenen Flaschen in den Verkehr bringt, teilnehmen.
3. Da ein Rationalisierungskartell im Sinne des § 4 oder des § 5
25
GWB 1999 weder angemeldet noch nach § 9 Abs. 3 oder § 10 Abs. 1 GWB 1999 freigestellt worden ist, kommt eine Anwendung der Übergangsvorschriften des § 131 Abs. 1 und 2 GWB nicht in Betracht. Das Berufungsgericht wird den Parteien daher Gelegenheit zu geben haben, zu den Voraussetzungen der §§ 2, 3 GWB sowie gegebenenfalls des Art. 81 EG (§ 22 Abs. 1 Satz 2 GWB, Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rat es vom 16.12.2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln , ABl. L 1 v. 4.1.2003) vorzutragen.

Hirsch Ball Bornkamm
Raum Meier-Beck
Vorinstanzen:
LG Mainz, Entscheidung vom 12.05.2005 - 12 HK.O 25/04 Kart. -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 02.03.2006 - U 799/05 Kart. -

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

(1) Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht.

(2) Auf die Wirksamkeit der Willenserklärung ist es ohne Einfluss, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird.

(3) Diese Vorschriften finden auch dann Anwendung, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben ist.

(1) Die Auslobung kann bis zur Vornahme der Handlung widerrufen werden. Der Widerruf ist nur wirksam, wenn er in derselben Weise wie die Auslobung bekannt gemacht wird oder wenn er durch besondere Mitteilung erfolgt.

(2) Auf die Widerruflichkeit kann in der Auslobung verzichtet werden; ein Verzicht liegt im Zweifel in der Bestimmung einer Frist für die Vornahme der Handlung.

(1) Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht.

(2) Auf die Wirksamkeit der Willenserklärung ist es ohne Einfluss, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird.

(3) Diese Vorschriften finden auch dann Anwendung, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben ist.

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(1) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung; bei einer Teilleistung findet § 441 Abs. 3 entsprechende Anwendung. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schuldner im Falle der nicht vertragsgemäßen Leistung die Nacherfüllung nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu erbringen braucht.

(2) Ist der Gläubiger für den Umstand, auf Grund dessen der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten braucht, allein oder weit überwiegend verantwortlich oder tritt dieser vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit ein, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist, so behält der Schuldner den Anspruch auf die Gegenleistung. Er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Befreiung von der Leistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.

(3) Verlangt der Gläubiger nach § 285 Herausgabe des für den geschuldeten Gegenstand erlangten Ersatzes oder Abtretung des Ersatzanspruchs, so bleibt er zur Gegenleistung verpflichtet. Diese mindert sich jedoch nach Maßgabe des § 441 Abs. 3 insoweit, als der Wert des Ersatzes oder des Ersatzanspruchs hinter dem Wert der geschuldeten Leistung zurückbleibt.

(4) Soweit die nach dieser Vorschrift nicht geschuldete Gegenleistung bewirkt ist, kann das Geleistete nach den §§ 346 bis 348 zurückgefordert werden.

(5) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, kann der Gläubiger zurücktreten; auf den Rücktritt findet § 323 mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass die Fristsetzung entbehrlich ist.

Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Der Zeitpunkt, in welchem der Antrag erlischt, bestimmt sich nach dem aus dem Antrag oder den Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
KZR 6/06 Verkündet am:
6. März 2007
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
PETCYCLE
GWB § 131; VerpackV § 8

a) Ist ein Rationalisierungskartell vor dem 1. Juli 2005 lediglich als Normenund
Typenkartell angemeldet worden, ist eine nach § 131 GWB fortwirkende
Freistellung ausgeschlossen.

b) Die Verpflichtung nach § 8 Abs. 1 Satz 4 VerpackV zur Erstattung des Pfandes
bei Rücknahme einer Einweggetränkeverpackung nach § 6 Abs. 2
Satz 1 VerpackV besteht auch dann, wenn das Pfand auf einer früheren
Stufe der Rücknahmekette nicht erstattet worden ist.
BGH, Urteil vom 6. März 2007 – KZR 6/06 – OLG Koblenz
LG Mainz
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. November 2006 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Hirsch, die Vorsitzenden Richter Ball und Prof. Dr. Bornkamm und die
Richter Dr. Raum und Prof. Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 2. März 2006 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin betreibt bundesweit einen Flaschengroßhandel mit Leergut; sie übernimmt und sortiert insbesondere Pfandflaschen für Getränkehersteller, die gemischtes Leergut zurückgenommen haben. Die sortierten Flaschen gibt die Klägerin an diejenigen Hersteller zurück, die die Flaschen befüllt und in den Verkehr gebracht haben.
2
Die Beklagte betreibt mit Unternehmen ("Systempartnern"), die mit ihr einen beim Bundeskartellamt als Normen- und Typenvereinbarung im Sinne des § 2 Abs. 1 GWB 1999 angemeldeten "Systemvertrag" geschlossen haben, un- ter der Bezeichnung PETCYCLE ein Stoffkreislaufsystem für Kunststoffeinwegflaschen aus Polyäthylenterephthalat (PET).
3
Unter dem von der Klägerin von ihren Kunden übernommenen Leergut befinden sich auch PETCYCLE-Flaschen. Die Systempartner der Beklagten weigern sich jedoch, diese Flaschen – gegen Erstattung des nach der Verpackungsverordnung erhobenen Pfandes – von der Klägerin zurückzunehmen. Die Klägerin begehrt daher Aufnahme in das PETCYCLE-System als Systempartner.
4
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen.
5
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Antrag weiter, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


6
Die zulässige Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
7
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
8
Der Klägerin stehe ein Anspruch aus § 20 Abs. 1 GWB 1999 nicht zu. Zwar sei die Beklagte als ein ein Normen- und Typenkartell bildendes Unternehmen Normadressatin und die Klägerin in einem Geschäftsverkehr tätig, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich sei. Ihre Ungleichbehandlung sei jedoch sachlich gerechtfertigt und stelle keine unbillige Behinderung dar. Die Klägerin erfülle zwar als Logistikunternehmen, das sich aktiv am PETStoffkreislauf beteilige, nach der Definition des Systemvertrages die an einen PETCYCLE-Systempartner zu stellenden Anforderungen. Es könne jedoch nicht angenommen werden, dass die Klägerin, wie nach 1.4.1 des Systemvertrages gefordert, diesen Vertrag anerkenne. Nach der Regelung zu 3.2.2 des Systemvertrages verpflichteten sich jeder zur Rücknahme autorisierte Systempartner und von ihm autorisierte Dritte, die Rücknahme und die damit verbundene Rückerstattung der Pfandgelder durch geeignete organisatorische Vorkehrungen zu sichern. Die Klägerin erhalte jedoch von Mehrwegabfüllern PETCYCLE-Flaschen ohne Zahlung von Pfandentgelten im Tausch gegen Mehrweg-Flaschen, was gegen die Pflicht zur Pfanderstattung verstoße. Ferner lasse sich die Arbeitsweise der Klägerin nicht mit dem im 4. Teil des Systemvertrages geregelten Verwertungskreislauf in Einklang bringen. Danach hätten die Systempartner sämtliche zurückgenommenen Flaschen der Verwertung zuzuführen und alles zu unterlassen, was den Kreislauf des PETCYCLE-Materials stören könne. Das System sei demnach darauf ausgelegt, PETCYCLEFlaschen im Vertikalverhältnis, d.h. vom Abfüller über den Handel bis zum Verbraucher und zurück, der Wiederverwertung zuzuführen, wodurch unnötige und umweltbelastende Leerguttransporte vermieden werden sollten. Solche Transporte fänden jedoch statt, wenn die Klägerin einen Austausch von Flaschen und Flaschenpfand im Horizontalverhältnis mit den verschiedenen Mineralbrunnen und Abfüllern vornehme. Auch die Auswirkungen einer fortbestehenden Aufnahmeverweigerung auf die wirtschaftliche Situation der Klägerin rechtfertigten einen Aufnahmeanspruch nicht.
9
II. Das hält der Nachprüfung nicht stand. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, eine in der Aufnahmeverweigerung liegende Ungleichbehandlung der Klägerin sei sachlich gerechtfertig t.
10
1. Rechtsfehlerfrei ist allerdings die Feststellung des Berufungsgerichts , in der Weigerung der Beklagten, die Klägerin als PETCYCLE- Systempartnerin zu akzeptieren, liege eine Ungleichbehandlung gegenüber gleichartigen Unternehmen.
11
Da das Tatbestandsmerkmal der Zugänglichkeit des Geschäftsverkehrs für gleichartige Unternehmen nach ständiger Rechtsprechung nur einer verhältnismäßig groben Sichtung dient, genügt es, wenn die zu vergleichenden Unternehmen nach unternehmerischer Tätigkeit und wirtschaftlicher Funktion im Verhältnis zur Marktgegenseite dieselben Aufgaben erfüllen (BGHZ 101, 72, 79 – Krankentransporte I; BGHZ 129, 53, 60 – Importarzneimittel; BGH, Urt. v. 13.11.1990 – KZR 25/89, WuW/E 2683, 2686 – Zuckerrübenanlieferungsrecht I; Urt. v. 17.3.1998 – KZR 30/96, WuW/E DE-R 134 f. – Bahnhofsbuchhandel ; Urt. v. 27.4.1999 – KZR 35/97, WuW/E DE-R 357 f. – Feuerwehrgeräte; Urt. v. 4.11.2003 – KZR 2/02, WuW/E DE-R 1203 f. – Depotkosmetik im Internet ). Diese Voraussetzung ist im Streitfall zu bejahen, da auch Abfüller, die Systempartner der Beklagten sind, Flaschen sortieren und das Pfand für bei ihnen angefallene Fremdflaschen über die Clearingstelle der Beklagten ausgeglichen erhalten. Die Revisionserwiderung beruft sich daher vergeblich darauf, dass die Beklagte bislang auch keinen anderen Flaschensortierer aufgenommen habe. Ebenso ist unerheblich, welchen Umfang die Annahme von Fremdflaschen bei den Systempartnern der Be klagten hat.
12
2. Das Berufungsgericht ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass die Prüfung der sachlichen Rechtfertigung einer unterschiedlichen Behandlung eine Gesamtwürdigung und Abwägung aller beteiligten Interessen erfordert, die sich an der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Funktion des Gesetzes orientiert (BGHZ 38, 90, 102 – Treuhandbüro; BGHZ 52, 65, 71 – Sportartikelmesse; BGHZ 107, 273, 280 – Staatslotterie; BGHZ 160, 67, 77 – Standard-Spundfass). Rechtsfehlerfrei ist des Weiteren seine Annahme, an der so verstandenen sachlichen Rechtfertigung fehle es, wenn die Klägerin die Aufnahmevoraussetzungen des Systemvertrages erfülle und ihre Arbeitsweise mit dem PETCYCLE-System "kompatibel" sei. Denn bereits nach der Präambel des Vertrages soll jedem Unternehmen, das zur Mitarbeit und zum Beitritt bereit ist, die Teilnahme am Kreislaufsystem im Rahmen des Vertrages offenstehen.
Schließlich lässt auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin erfülle nach der Definition des Systemvertrages grundsätzlich die an einen PETCYCLE-Systempartner zu stellenden Anforderungen, keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von der Revisionserwiderung hingenommen.
13
3. Zu Recht rügt die Revision jedoch, dass das Berufungsgericht die Aufnahmeverweigerung gleichwohl für gerechtfertigt gehalten hat, weil nicht angenommen werden könne, dass die Klägerin den Systemvertrag im Sinne von dessen Abschnitt 1.4.1 anerkenne.
14
Entgegen seiner Auffassung steht die Bestimmung des Abschnitts 3.2.2 des Vertrages, nach der jeder zur Rücknahme autorisierte Systempartner sich verpflichtet, die Rücknahme und die damit verbundene Rückerstattung der Pfandgelder durch geeignete organisatorische Vorkehrungen zu sichern, nicht im Widerspruch zur Geschäftstätigkeit der Klägerin.
15
Denn durch die Sortierung von Leergut und die unmittelbare oder mittelbare Zuführung von PETCYCLE-Flaschen zur stofflichen Wiederverwertung fördert die Klägerin die Rücknahme von Systemflaschen und führt dem System auch solche Flaschen zu, die ohne ihre Tätigkeit dem PETCYCLEStoffkreislaufsystem entzogen würden. Dass die Klägerin – jedenfalls in aller Regel – ihrerseits bei Annahme der Flaschen kein Pfand erstattet, steht mit der vertraglichen Verpflichtung eines Systempartners, auch die Rückerstattung der Pfandgelder zu sichern, nicht im Widerspruch. Denn diese Verpflichtung ist als Verweis auf die gesetzliche Erstattungspflicht zu verstehen. Die Klägerin könnte die Rückerstattung indes nur an ihre Kunden leisten, die ihr – im Rahmen der überlassenen Menge unsortierten Leergutes – auch PETCYCLE-Flaschen überlassen. Bei diesen Kunden handelt es sich jedoch nach den Feststellungen des Landgerichts um Getränkehersteller; das Berufungsgericht hat nichts Abweichendes festgestellt. Wenn die Klägerin an diese kein Pfand erstattet, so ist dies unschädlich.
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Soweit diese Getränkehersteller Erstvertreiber von Getränken in Einweggetränkeverpackungen mit einem Füllvolumen von 0,1 bis 3 l sind, sind sie ihrerseits nach § 6 Abs. 2 VerpackV zur Rücknahme von Verpackungen der Art, Form und Größe sowie von Verpackungen solcher Waren, welche sie selbst in Verkehr bringen, verpflichtet und haben nach § 8 Abs. 1 Satz 4 VerpackV bei der Rücknahme das auf die zurückgenommenen Verpackungen erhobene Pfand zu erstatten. Die zurückgenommenen Verpackungen haben sie der (stofflichen) Verwertung zuzuführen (§ 6 Abs. 2 Satz 1 VerpackV). Da sie am Ende der gesetzlich vorgeschriebenen Rücklaufkette stehen, steht ihnen ein Anspruch auf Pfanderstattung nach § 8 Abs. 1 Satz 4 VerpackV, den die Klägerin zu erfüllen hätte, nicht mehr zu.
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Soweit die Getränkehersteller selbst nicht Erstvertreiber von Getränken in Einweggetränkeverpackungen mit einem Füllvolumen von 0,1 bis 3 l sind, sind sie im (rechtmäßigen) Besitz der Flaschen und daher nach § 8 Abs. 1 Satz 4 VerpackV berechtigt (aber nicht verpflichtet), Erstattung des Pfandes zu verlangen. Wenn sie im Rahmen der mit der Klägerin getroffenen Vereinbarungen auf eine solche Erstattung verzichten bzw. die Pfanderstattung durch anderweitige Vergütungsregelungen ersetzen, steht das weder im Widerspruch zur Verpackungsverordnung noch zu Sinn und Zweck des PETCYCLE-Systems. Dem Vertreiber ist lediglich der Vertrieb von Einweggetränkeverpackungen, die der Pfanderhebungs- und Rücknahmepflicht unterliegen, ohne Erhebung des Pfandes untersagt. Dagegen ist es ihm nicht untersagt, solche Verpackungen zurückzunehmen , wenn bei der Rückgabe die Erstattung des Pfandes – aus welchen Gründen auch immer – nicht verlangt wird. Zweck des Pfandes ist es, die Rückgabe zu sichern, damit die Verpackung dem Stoffkreislauf wieder zugeführt werden kann (§ 24 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG). Dazu stünde es geradezu im Widerspruch, wenn die Rücknahme abgelehnt werden dürfte, weil das Pfand nicht erstattet werden kann, etwa weil der Berechtigte unbekannt ist. Das Gesetz verbietet daher die Erstattung des Pfandes ohne Rücknahme der Verpa- ckung (§ 8 Abs. 1 Satz 5 VerpackV), aber nicht den umgekehrten Fall. Ferner bleibt die Verpflichtung zur Erstattung des Pfandes bei Rückgabe der Verpackung auch dann bestehen, wenn das Pfand an den Endverbraucher oder auf einer früheren Stufe der Rücknahmekette nicht erstattet worden ist. Denn die Erstattungspflicht nach § 8 Abs. 1 Satz 4 VerpackV ist hiervon unabhängig und sichert damit den vollständigen Rücklauf der Verpackung.
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Es ist auch nicht zutreffend, dass die Hersteller nach § 6 Abs. 2 VerpackV nicht verpflichtet wären, die Verpackungen von der Klägerin zurückzunehmen , weil die Klägerin nicht deren Vertreiber gewesen ist. Die Rücknahmepflicht nach § 6 Abs. 2 VerpackV erstreckt sich vielmehr auf alle Verpackungen, die nach Absatz 1 der Vorschrift von Vertreibern zurückgenommen worden sind und damit auch auf solche Verpackungen, die die Klägerin von Getränkeherstellern übernimmt, die sie ihrerseits vom Handel übernommen haben, der sie entsprechend seiner gesetzlichen Verpflichtung vom Endverbraucher zurückgenommen hat. Weder nach § 6 Abs. 1 noch nach § 6 Abs. 2 VerpackV kommt es, wie sich aus § 6 Abs. 1 Satz 4 und § 6 Abs. 2 Satz 3 VerpackV ergibt, darauf an, ob die konkrete Verpackung von dem Rücknahmepflichtigen (an den Zurückgebenden) vertrieben worden ist.
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4. Ebenso wenig kann hiernach dem Berufungsgericht in der Annahme gefolgt werden, die Tätigkeit der Klägerin störe den im 4. Teil des Systemvertrages geregelten Verwertungskreislauf. Es mag zwar sein, dass das Verwertungskreislaufsystem der Beklagten in erster Linie darauf angelegt ist, PETCYCLE-Flaschen im "Vertikalverhältnis" der stofflichen Wiederverwertung zuzuführen. Soweit es jedoch in der Praxis zu einer Rücklieferung im "Vertikalverhältnis" nicht kommt, etwa weil ein Unternehmen die von ihm zurückgenommenen Flaschen nicht sortieren will, kann das Ziel, die PETCYCLE-Flaschen innerhalb des Systems der Wiederverwertung zuzuführen, am besten dadurch erreicht werden, dass die Flaschen durch Dienstleistungsunternehmen wie die Klägerin wieder in das PETCYCLE-System eingespeist werden, damit Hersteller und Vertreiber ihrer Produktverantwortung nach § 22 Abs. 1 KrW-/AbfG nachkommen können.
20
Ob der Klägerin hierbei in denjenigen Fällen, in denen die Pfanderstattungskette nach § 8 Abs. 1 Satz 4 VerpackV bereits durchlaufen worden ist, (aus – gegebenenfalls stillschweigend – abgetretenem Recht) ein bereicherungsrechtlicher Erstattungsanspruch gegen den jeweiligen Erstvertreiber der PETCYCLE-Flaschen zusteht, der bei der Inverkehrsetzung das Pfand erhoben hat und infolge der Rücknahme durch einen anderen Getränkehersteller von der Erstattungspflicht nach § 8 Abs. 1 Satz 4 VerpackV frei geworden ist, bedarf in diesem Zusammenhang keiner Entscheidung. Denn zu befinden ist nur über den geltend gemachten Aufnahmeanspruch der Klägerin. Deswegen kann auch offenbleiben, ob und gegebenenfalls inwiewe it das gesetzlich nicht vorgeschriebene Pfandclearing der Beklagten die verpackungsrechtlichen Pfanderstattungsvorschriften sowie möglicherweise ergänzend anwendbare Vorschriften des bürgerlichen Rechts abbilden muss oder, sofern dies diskriminierungsfrei geschieht, Usancen des Geschäftsverkehrs zwischen Herstellern und Handel Rechnung tragen kann, nach denen, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, bei der Pfandabrechnung im Interesse der einfachen Handhabbarkeit gegebenenfalls von der Berücksichtigung von Pfandfreiheit oder Pfandpflichtigkeit sowie unterschiedlich hoher Pfandbeträge bei Einweg- und Mehrwegflaschen abgesehen wi rd.
21
III. Das Berufungsurteil ist hiernach aufzuheben, und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte sei Normadressatin des Diskriminierungsverbotes, durch seine bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht getragen wird.
1. Da die Klage nur Erfolg haben kann, wenn der Klägerin der gel22 tend gemachte Aufnahmeanspruch gegenwärtig (noch) zusteht, ist grundsätzlich § 20 GWB in der Fassung der 7. GWB-Novelle maßgeblich. Danach kommt es darauf an, ob die PETCYCLE-Systempartner eine Vereinigung von miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen im Sinne der §§ 2, 3 GWB bilden und ihre Vereinbarung vom Verbot des § 1 GWB freigestellt ist. Handelte es sich bei dem PETCYCLE-Systemvertrag um eine nach § 1 GWB verbotene Vereinbarung, käme ein Aufnahmeanspruch nicht in Betracht.
23
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich die Normadressateneigenschaft nicht aus der Freistellung des PETCYCLESystems als Normen- und Typenvereinbarung nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 3 GWB 1999. Zwar gilt eine Freistellung nach § 9 Abs. 3 GWB 1999 nach der Übergangsvorschrift des § 131 Abs. 1 GWB bis zum 31. Dezember 2007 fort. Die Klägerin begehrt jedoch nicht Aufnahme in ein Normen- und Typenkartell.
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Freistellungsfähige Normen- und Typenkartelle sind nach § 2 Abs. 1 GWB 1999 Vereinbarungen und Beschlüsse, die lediglich die einheitliche Anwendung von Normen oder Typen zum Gegenstand haben. Der PETCYCLESystemvertrag enthält aber nicht nur Bestimmungen zur Normierung von PETCYCLE-Stoffkreislaufflaschen und -Mehrwegtransportverpackungen, sondern auch Bestimmungen über die Organisation der Flaschenrücknahme sowie den Mengen- und Pfandausgleich ("Clearing") und dient insofern, wie das Bundeskartellamt in der mündlichen Verhandlung zutreffend und ohne Widerspruch der Parteien ausgeführt hat, nicht nur der Normierung von PET-Flaschen, sondern auch der Rationalisierung des Stoffkreislaufs und des Pfandausgleichs. Gerade an diesen Funktionen des Systems will die Klägerin, die keine eigenen Flaschen in den Verkehr bringt, teilnehmen.
3. Da ein Rationalisierungskartell im Sinne des § 4 oder des § 5
25
GWB 1999 weder angemeldet noch nach § 9 Abs. 3 oder § 10 Abs. 1 GWB 1999 freigestellt worden ist, kommt eine Anwendung der Übergangsvorschriften des § 131 Abs. 1 und 2 GWB nicht in Betracht. Das Berufungsgericht wird den Parteien daher Gelegenheit zu geben haben, zu den Voraussetzungen der §§ 2, 3 GWB sowie gegebenenfalls des Art. 81 EG (§ 22 Abs. 1 Satz 2 GWB, Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rat es vom 16.12.2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln , ABl. L 1 v. 4.1.2003) vorzutragen.

Hirsch Ball Bornkamm
Raum Meier-Beck
Vorinstanzen:
LG Mainz, Entscheidung vom 12.05.2005 - 12 HK.O 25/04 Kart. -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 02.03.2006 - U 799/05 Kart. -

(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.

(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.

Entspricht die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn, so kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. In den Fällen des § 679 steht dieser Anspruch dem Geschäftsführer zu, auch wenn die Übernahme der Geschäftsführung mit dem Willen des Geschäftsherrn in Widerspruch steht.

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
KZR 6/06 Verkündet am:
6. März 2007
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
PETCYCLE
GWB § 131; VerpackV § 8

a) Ist ein Rationalisierungskartell vor dem 1. Juli 2005 lediglich als Normenund
Typenkartell angemeldet worden, ist eine nach § 131 GWB fortwirkende
Freistellung ausgeschlossen.

b) Die Verpflichtung nach § 8 Abs. 1 Satz 4 VerpackV zur Erstattung des Pfandes
bei Rücknahme einer Einweggetränkeverpackung nach § 6 Abs. 2
Satz 1 VerpackV besteht auch dann, wenn das Pfand auf einer früheren
Stufe der Rücknahmekette nicht erstattet worden ist.
BGH, Urteil vom 6. März 2007 – KZR 6/06 – OLG Koblenz
LG Mainz
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. November 2006 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Hirsch, die Vorsitzenden Richter Ball und Prof. Dr. Bornkamm und die
Richter Dr. Raum und Prof. Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 2. März 2006 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin betreibt bundesweit einen Flaschengroßhandel mit Leergut; sie übernimmt und sortiert insbesondere Pfandflaschen für Getränkehersteller, die gemischtes Leergut zurückgenommen haben. Die sortierten Flaschen gibt die Klägerin an diejenigen Hersteller zurück, die die Flaschen befüllt und in den Verkehr gebracht haben.
2
Die Beklagte betreibt mit Unternehmen ("Systempartnern"), die mit ihr einen beim Bundeskartellamt als Normen- und Typenvereinbarung im Sinne des § 2 Abs. 1 GWB 1999 angemeldeten "Systemvertrag" geschlossen haben, un- ter der Bezeichnung PETCYCLE ein Stoffkreislaufsystem für Kunststoffeinwegflaschen aus Polyäthylenterephthalat (PET).
3
Unter dem von der Klägerin von ihren Kunden übernommenen Leergut befinden sich auch PETCYCLE-Flaschen. Die Systempartner der Beklagten weigern sich jedoch, diese Flaschen – gegen Erstattung des nach der Verpackungsverordnung erhobenen Pfandes – von der Klägerin zurückzunehmen. Die Klägerin begehrt daher Aufnahme in das PETCYCLE-System als Systempartner.
4
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen.
5
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Antrag weiter, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


6
Die zulässige Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
7
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
8
Der Klägerin stehe ein Anspruch aus § 20 Abs. 1 GWB 1999 nicht zu. Zwar sei die Beklagte als ein ein Normen- und Typenkartell bildendes Unternehmen Normadressatin und die Klägerin in einem Geschäftsverkehr tätig, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich sei. Ihre Ungleichbehandlung sei jedoch sachlich gerechtfertigt und stelle keine unbillige Behinderung dar. Die Klägerin erfülle zwar als Logistikunternehmen, das sich aktiv am PETStoffkreislauf beteilige, nach der Definition des Systemvertrages die an einen PETCYCLE-Systempartner zu stellenden Anforderungen. Es könne jedoch nicht angenommen werden, dass die Klägerin, wie nach 1.4.1 des Systemvertrages gefordert, diesen Vertrag anerkenne. Nach der Regelung zu 3.2.2 des Systemvertrages verpflichteten sich jeder zur Rücknahme autorisierte Systempartner und von ihm autorisierte Dritte, die Rücknahme und die damit verbundene Rückerstattung der Pfandgelder durch geeignete organisatorische Vorkehrungen zu sichern. Die Klägerin erhalte jedoch von Mehrwegabfüllern PETCYCLE-Flaschen ohne Zahlung von Pfandentgelten im Tausch gegen Mehrweg-Flaschen, was gegen die Pflicht zur Pfanderstattung verstoße. Ferner lasse sich die Arbeitsweise der Klägerin nicht mit dem im 4. Teil des Systemvertrages geregelten Verwertungskreislauf in Einklang bringen. Danach hätten die Systempartner sämtliche zurückgenommenen Flaschen der Verwertung zuzuführen und alles zu unterlassen, was den Kreislauf des PETCYCLE-Materials stören könne. Das System sei demnach darauf ausgelegt, PETCYCLEFlaschen im Vertikalverhältnis, d.h. vom Abfüller über den Handel bis zum Verbraucher und zurück, der Wiederverwertung zuzuführen, wodurch unnötige und umweltbelastende Leerguttransporte vermieden werden sollten. Solche Transporte fänden jedoch statt, wenn die Klägerin einen Austausch von Flaschen und Flaschenpfand im Horizontalverhältnis mit den verschiedenen Mineralbrunnen und Abfüllern vornehme. Auch die Auswirkungen einer fortbestehenden Aufnahmeverweigerung auf die wirtschaftliche Situation der Klägerin rechtfertigten einen Aufnahmeanspruch nicht.
9
II. Das hält der Nachprüfung nicht stand. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, eine in der Aufnahmeverweigerung liegende Ungleichbehandlung der Klägerin sei sachlich gerechtfertig t.
10
1. Rechtsfehlerfrei ist allerdings die Feststellung des Berufungsgerichts , in der Weigerung der Beklagten, die Klägerin als PETCYCLE- Systempartnerin zu akzeptieren, liege eine Ungleichbehandlung gegenüber gleichartigen Unternehmen.
11
Da das Tatbestandsmerkmal der Zugänglichkeit des Geschäftsverkehrs für gleichartige Unternehmen nach ständiger Rechtsprechung nur einer verhältnismäßig groben Sichtung dient, genügt es, wenn die zu vergleichenden Unternehmen nach unternehmerischer Tätigkeit und wirtschaftlicher Funktion im Verhältnis zur Marktgegenseite dieselben Aufgaben erfüllen (BGHZ 101, 72, 79 – Krankentransporte I; BGHZ 129, 53, 60 – Importarzneimittel; BGH, Urt. v. 13.11.1990 – KZR 25/89, WuW/E 2683, 2686 – Zuckerrübenanlieferungsrecht I; Urt. v. 17.3.1998 – KZR 30/96, WuW/E DE-R 134 f. – Bahnhofsbuchhandel ; Urt. v. 27.4.1999 – KZR 35/97, WuW/E DE-R 357 f. – Feuerwehrgeräte; Urt. v. 4.11.2003 – KZR 2/02, WuW/E DE-R 1203 f. – Depotkosmetik im Internet ). Diese Voraussetzung ist im Streitfall zu bejahen, da auch Abfüller, die Systempartner der Beklagten sind, Flaschen sortieren und das Pfand für bei ihnen angefallene Fremdflaschen über die Clearingstelle der Beklagten ausgeglichen erhalten. Die Revisionserwiderung beruft sich daher vergeblich darauf, dass die Beklagte bislang auch keinen anderen Flaschensortierer aufgenommen habe. Ebenso ist unerheblich, welchen Umfang die Annahme von Fremdflaschen bei den Systempartnern der Be klagten hat.
12
2. Das Berufungsgericht ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass die Prüfung der sachlichen Rechtfertigung einer unterschiedlichen Behandlung eine Gesamtwürdigung und Abwägung aller beteiligten Interessen erfordert, die sich an der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Funktion des Gesetzes orientiert (BGHZ 38, 90, 102 – Treuhandbüro; BGHZ 52, 65, 71 – Sportartikelmesse; BGHZ 107, 273, 280 – Staatslotterie; BGHZ 160, 67, 77 – Standard-Spundfass). Rechtsfehlerfrei ist des Weiteren seine Annahme, an der so verstandenen sachlichen Rechtfertigung fehle es, wenn die Klägerin die Aufnahmevoraussetzungen des Systemvertrages erfülle und ihre Arbeitsweise mit dem PETCYCLE-System "kompatibel" sei. Denn bereits nach der Präambel des Vertrages soll jedem Unternehmen, das zur Mitarbeit und zum Beitritt bereit ist, die Teilnahme am Kreislaufsystem im Rahmen des Vertrages offenstehen.
Schließlich lässt auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin erfülle nach der Definition des Systemvertrages grundsätzlich die an einen PETCYCLE-Systempartner zu stellenden Anforderungen, keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von der Revisionserwiderung hingenommen.
13
3. Zu Recht rügt die Revision jedoch, dass das Berufungsgericht die Aufnahmeverweigerung gleichwohl für gerechtfertigt gehalten hat, weil nicht angenommen werden könne, dass die Klägerin den Systemvertrag im Sinne von dessen Abschnitt 1.4.1 anerkenne.
14
Entgegen seiner Auffassung steht die Bestimmung des Abschnitts 3.2.2 des Vertrages, nach der jeder zur Rücknahme autorisierte Systempartner sich verpflichtet, die Rücknahme und die damit verbundene Rückerstattung der Pfandgelder durch geeignete organisatorische Vorkehrungen zu sichern, nicht im Widerspruch zur Geschäftstätigkeit der Klägerin.
15
Denn durch die Sortierung von Leergut und die unmittelbare oder mittelbare Zuführung von PETCYCLE-Flaschen zur stofflichen Wiederverwertung fördert die Klägerin die Rücknahme von Systemflaschen und führt dem System auch solche Flaschen zu, die ohne ihre Tätigkeit dem PETCYCLEStoffkreislaufsystem entzogen würden. Dass die Klägerin – jedenfalls in aller Regel – ihrerseits bei Annahme der Flaschen kein Pfand erstattet, steht mit der vertraglichen Verpflichtung eines Systempartners, auch die Rückerstattung der Pfandgelder zu sichern, nicht im Widerspruch. Denn diese Verpflichtung ist als Verweis auf die gesetzliche Erstattungspflicht zu verstehen. Die Klägerin könnte die Rückerstattung indes nur an ihre Kunden leisten, die ihr – im Rahmen der überlassenen Menge unsortierten Leergutes – auch PETCYCLE-Flaschen überlassen. Bei diesen Kunden handelt es sich jedoch nach den Feststellungen des Landgerichts um Getränkehersteller; das Berufungsgericht hat nichts Abweichendes festgestellt. Wenn die Klägerin an diese kein Pfand erstattet, so ist dies unschädlich.
16
Soweit diese Getränkehersteller Erstvertreiber von Getränken in Einweggetränkeverpackungen mit einem Füllvolumen von 0,1 bis 3 l sind, sind sie ihrerseits nach § 6 Abs. 2 VerpackV zur Rücknahme von Verpackungen der Art, Form und Größe sowie von Verpackungen solcher Waren, welche sie selbst in Verkehr bringen, verpflichtet und haben nach § 8 Abs. 1 Satz 4 VerpackV bei der Rücknahme das auf die zurückgenommenen Verpackungen erhobene Pfand zu erstatten. Die zurückgenommenen Verpackungen haben sie der (stofflichen) Verwertung zuzuführen (§ 6 Abs. 2 Satz 1 VerpackV). Da sie am Ende der gesetzlich vorgeschriebenen Rücklaufkette stehen, steht ihnen ein Anspruch auf Pfanderstattung nach § 8 Abs. 1 Satz 4 VerpackV, den die Klägerin zu erfüllen hätte, nicht mehr zu.
17
Soweit die Getränkehersteller selbst nicht Erstvertreiber von Getränken in Einweggetränkeverpackungen mit einem Füllvolumen von 0,1 bis 3 l sind, sind sie im (rechtmäßigen) Besitz der Flaschen und daher nach § 8 Abs. 1 Satz 4 VerpackV berechtigt (aber nicht verpflichtet), Erstattung des Pfandes zu verlangen. Wenn sie im Rahmen der mit der Klägerin getroffenen Vereinbarungen auf eine solche Erstattung verzichten bzw. die Pfanderstattung durch anderweitige Vergütungsregelungen ersetzen, steht das weder im Widerspruch zur Verpackungsverordnung noch zu Sinn und Zweck des PETCYCLE-Systems. Dem Vertreiber ist lediglich der Vertrieb von Einweggetränkeverpackungen, die der Pfanderhebungs- und Rücknahmepflicht unterliegen, ohne Erhebung des Pfandes untersagt. Dagegen ist es ihm nicht untersagt, solche Verpackungen zurückzunehmen , wenn bei der Rückgabe die Erstattung des Pfandes – aus welchen Gründen auch immer – nicht verlangt wird. Zweck des Pfandes ist es, die Rückgabe zu sichern, damit die Verpackung dem Stoffkreislauf wieder zugeführt werden kann (§ 24 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG). Dazu stünde es geradezu im Widerspruch, wenn die Rücknahme abgelehnt werden dürfte, weil das Pfand nicht erstattet werden kann, etwa weil der Berechtigte unbekannt ist. Das Gesetz verbietet daher die Erstattung des Pfandes ohne Rücknahme der Verpa- ckung (§ 8 Abs. 1 Satz 5 VerpackV), aber nicht den umgekehrten Fall. Ferner bleibt die Verpflichtung zur Erstattung des Pfandes bei Rückgabe der Verpackung auch dann bestehen, wenn das Pfand an den Endverbraucher oder auf einer früheren Stufe der Rücknahmekette nicht erstattet worden ist. Denn die Erstattungspflicht nach § 8 Abs. 1 Satz 4 VerpackV ist hiervon unabhängig und sichert damit den vollständigen Rücklauf der Verpackung.
18
Es ist auch nicht zutreffend, dass die Hersteller nach § 6 Abs. 2 VerpackV nicht verpflichtet wären, die Verpackungen von der Klägerin zurückzunehmen , weil die Klägerin nicht deren Vertreiber gewesen ist. Die Rücknahmepflicht nach § 6 Abs. 2 VerpackV erstreckt sich vielmehr auf alle Verpackungen, die nach Absatz 1 der Vorschrift von Vertreibern zurückgenommen worden sind und damit auch auf solche Verpackungen, die die Klägerin von Getränkeherstellern übernimmt, die sie ihrerseits vom Handel übernommen haben, der sie entsprechend seiner gesetzlichen Verpflichtung vom Endverbraucher zurückgenommen hat. Weder nach § 6 Abs. 1 noch nach § 6 Abs. 2 VerpackV kommt es, wie sich aus § 6 Abs. 1 Satz 4 und § 6 Abs. 2 Satz 3 VerpackV ergibt, darauf an, ob die konkrete Verpackung von dem Rücknahmepflichtigen (an den Zurückgebenden) vertrieben worden ist.
19
4. Ebenso wenig kann hiernach dem Berufungsgericht in der Annahme gefolgt werden, die Tätigkeit der Klägerin störe den im 4. Teil des Systemvertrages geregelten Verwertungskreislauf. Es mag zwar sein, dass das Verwertungskreislaufsystem der Beklagten in erster Linie darauf angelegt ist, PETCYCLE-Flaschen im "Vertikalverhältnis" der stofflichen Wiederverwertung zuzuführen. Soweit es jedoch in der Praxis zu einer Rücklieferung im "Vertikalverhältnis" nicht kommt, etwa weil ein Unternehmen die von ihm zurückgenommenen Flaschen nicht sortieren will, kann das Ziel, die PETCYCLE-Flaschen innerhalb des Systems der Wiederverwertung zuzuführen, am besten dadurch erreicht werden, dass die Flaschen durch Dienstleistungsunternehmen wie die Klägerin wieder in das PETCYCLE-System eingespeist werden, damit Hersteller und Vertreiber ihrer Produktverantwortung nach § 22 Abs. 1 KrW-/AbfG nachkommen können.
20
Ob der Klägerin hierbei in denjenigen Fällen, in denen die Pfanderstattungskette nach § 8 Abs. 1 Satz 4 VerpackV bereits durchlaufen worden ist, (aus – gegebenenfalls stillschweigend – abgetretenem Recht) ein bereicherungsrechtlicher Erstattungsanspruch gegen den jeweiligen Erstvertreiber der PETCYCLE-Flaschen zusteht, der bei der Inverkehrsetzung das Pfand erhoben hat und infolge der Rücknahme durch einen anderen Getränkehersteller von der Erstattungspflicht nach § 8 Abs. 1 Satz 4 VerpackV frei geworden ist, bedarf in diesem Zusammenhang keiner Entscheidung. Denn zu befinden ist nur über den geltend gemachten Aufnahmeanspruch der Klägerin. Deswegen kann auch offenbleiben, ob und gegebenenfalls inwiewe it das gesetzlich nicht vorgeschriebene Pfandclearing der Beklagten die verpackungsrechtlichen Pfanderstattungsvorschriften sowie möglicherweise ergänzend anwendbare Vorschriften des bürgerlichen Rechts abbilden muss oder, sofern dies diskriminierungsfrei geschieht, Usancen des Geschäftsverkehrs zwischen Herstellern und Handel Rechnung tragen kann, nach denen, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, bei der Pfandabrechnung im Interesse der einfachen Handhabbarkeit gegebenenfalls von der Berücksichtigung von Pfandfreiheit oder Pfandpflichtigkeit sowie unterschiedlich hoher Pfandbeträge bei Einweg- und Mehrwegflaschen abgesehen wi rd.
21
III. Das Berufungsurteil ist hiernach aufzuheben, und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte sei Normadressatin des Diskriminierungsverbotes, durch seine bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht getragen wird.
1. Da die Klage nur Erfolg haben kann, wenn der Klägerin der gel22 tend gemachte Aufnahmeanspruch gegenwärtig (noch) zusteht, ist grundsätzlich § 20 GWB in der Fassung der 7. GWB-Novelle maßgeblich. Danach kommt es darauf an, ob die PETCYCLE-Systempartner eine Vereinigung von miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen im Sinne der §§ 2, 3 GWB bilden und ihre Vereinbarung vom Verbot des § 1 GWB freigestellt ist. Handelte es sich bei dem PETCYCLE-Systemvertrag um eine nach § 1 GWB verbotene Vereinbarung, käme ein Aufnahmeanspruch nicht in Betracht.
23
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich die Normadressateneigenschaft nicht aus der Freistellung des PETCYCLESystems als Normen- und Typenvereinbarung nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 3 GWB 1999. Zwar gilt eine Freistellung nach § 9 Abs. 3 GWB 1999 nach der Übergangsvorschrift des § 131 Abs. 1 GWB bis zum 31. Dezember 2007 fort. Die Klägerin begehrt jedoch nicht Aufnahme in ein Normen- und Typenkartell.
24
Freistellungsfähige Normen- und Typenkartelle sind nach § 2 Abs. 1 GWB 1999 Vereinbarungen und Beschlüsse, die lediglich die einheitliche Anwendung von Normen oder Typen zum Gegenstand haben. Der PETCYCLESystemvertrag enthält aber nicht nur Bestimmungen zur Normierung von PETCYCLE-Stoffkreislaufflaschen und -Mehrwegtransportverpackungen, sondern auch Bestimmungen über die Organisation der Flaschenrücknahme sowie den Mengen- und Pfandausgleich ("Clearing") und dient insofern, wie das Bundeskartellamt in der mündlichen Verhandlung zutreffend und ohne Widerspruch der Parteien ausgeführt hat, nicht nur der Normierung von PET-Flaschen, sondern auch der Rationalisierung des Stoffkreislaufs und des Pfandausgleichs. Gerade an diesen Funktionen des Systems will die Klägerin, die keine eigenen Flaschen in den Verkehr bringt, teilnehmen.
3. Da ein Rationalisierungskartell im Sinne des § 4 oder des § 5
25
GWB 1999 weder angemeldet noch nach § 9 Abs. 3 oder § 10 Abs. 1 GWB 1999 freigestellt worden ist, kommt eine Anwendung der Übergangsvorschriften des § 131 Abs. 1 und 2 GWB nicht in Betracht. Das Berufungsgericht wird den Parteien daher Gelegenheit zu geben haben, zu den Voraussetzungen der §§ 2, 3 GWB sowie gegebenenfalls des Art. 81 EG (§ 22 Abs. 1 Satz 2 GWB, Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rat es vom 16.12.2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln , ABl. L 1 v. 4.1.2003) vorzutragen.

Hirsch Ball Bornkamm
Raum Meier-Beck
Vorinstanzen:
LG Mainz, Entscheidung vom 12.05.2005 - 12 HK.O 25/04 Kart. -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 02.03.2006 - U 799/05 Kart. -

(1) Enthält der Tatbestand des Urteils Unrichtigkeiten, die nicht unter die Vorschriften des vorstehenden Paragraphen fallen, Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche, so kann die Berichtigung binnen einer zweiwöchigen Frist durch Einreichung eines Schriftsatzes beantragt werden.

(2) Die Frist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Der Antrag kann schon vor dem Beginn der Frist gestellt werden. Die Berichtigung des Tatbestandes ist ausgeschlossen, wenn sie nicht binnen drei Monaten seit der Verkündung des Urteils beantragt wird.

(3) Das Gericht entscheidet ohne Beweisaufnahme. Bei der Entscheidung wirken nur diejenigen Richter mit, die bei dem Urteil mitgewirkt haben. Ist ein Richter verhindert, so gibt bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung die Stimme des ältesten Richters den Ausschlag. Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt. Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(4) Die Berichtigung des Tatbestandes hat eine Änderung des übrigen Teils des Urteils nicht zur Folge.

(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.

(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 233/07
Verkündet am:
22. Januar 2009
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
EG Art. 28, 288; Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 20. Dezember 1994 Art. 1 Abs. 2, Art. 5, Art. 7; VerpackV
(F: 21. August 1998) §§ 6, 8, 9

a) Ob ein Verstoß eines Mitgliedstaates gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht
- als Voraussetzung für einen gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch
- hinreichend qualifiziert ist, hat der Tatrichter unter Berücksichtigung
aller maßgeblichen Umstände, insbesondere an Hand der
vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entwickelten Leitlinien
festzustellen.

b) Mit der Inkraftsetzung der Pfanderhebungs- und Rücknahmepflicht von
Einweggetränkeverpackungen zum 1. Januar 2003 ist der Bundesrepublik
Deutschland kein qualifizierter Verstoß gegen die Verpackungsrichtlinie
94/62/EG vom 20. Dezember 1994 und gegen Art. 28 EG unterlaufen.
BGH, Urteil vom 22. Januar 2009 - III ZR 233/07 - OLG Köln
LG Bonn
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. Januar 2009 durch den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter
Dörr und Wöstmann, die Richterin Harsdorf-Gebhardt und den Richter Seiters

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Klägerinnen gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 9. August 2007 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsrechtszugs haben die Klägerin zu 1 80,5 v.H. und die Klägerin zu 2 19,5 v.H. zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Die Klägerinnen nehmen die Beklagte nach den Grundsätzen des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs im Zusammenhang mit der Inkraftsetzung der Pfanderhebungs- und Rücknahmepflicht nach der Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen vom 21. August 1998 (BGBl. I S. 2379; im Folgenden: VerpackV 1998) zum 1. Januar 2003 auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Die Klägerinnen sind Hersteller und Abfüller von Erfrischungsgetränken mit Sitz in Österreich, die ihre Produkte in Einwegverpackungen in Verkehr bringen und einen erheblichen Teil ihrer Umsätze mit dem Export ihrer Produkte nach Deutschland erzielen, wo diese Getränke ganz überwiegend von großen Handelsketten als Handelsmarken vertrieben werden. Sie waren hinsichtlich ihrer Verpackungen an das Rücknahme- und Entsorgungssystem "Duales System Deutschland" angeschlossen und demzufolge von der gemäß § 8 Abs. 1 VerpackV (in der Fassung vom 9. September 2001, BGBl. I S. 2331) an sich bestehenden Pfanderhebungspflicht für Getränkeverpackungen nach § 9 Abs. 1 VerpackV 1998 befreit.
3
Diese Befreiung stand indes nach § 9 Abs. 2 VerpackV 1998 unter dem Vorbehalt, dass der Gesamtanteil der in Mehrwegverpackungen abgefüllten Getränke im Kalenderjahr bundesweit die Quote von 72 v.H. nicht wiederholt unterschritt. Erhebungen in den Jahren 1997 bis 2001 ergaben, dass der Mehrweganteil des Referenzjahres 1991 in den Getränkebereichen Mineralwasser, Bier und kohlensäurehaltige Erfrischungsgetränke unterschritten wurde. Entsprechend einem Beschluss des Bundeskabinetts vom 20. März 2002 wurden die Nacherhebungsergebnisse am 2. Juli 2002 im Bundesanzeiger bekannt gegeben , die sofortige Vollziehung der Bekanntmachung angeordnet und die Rechtsmittelbelehrung erteilt, dass innerhalb eines Monats beim Verwaltungsgericht Berlin Klage erhoben werden könne. Mit dieser Bekanntmachung war nach § 9 Abs. 2 VerpackV 1998 die Rechtsfolge verbunden, dass ab 1. Januar 2003 die Berechtigung nach § 6 Abs. 3 VerpackV 1998 als widerrufen galt, die Verpackungen über das Duale System Deutschland zu sammeln und zu entsorgen , und dass die Pfanderhebungspflicht nach Maßgabe des § 8 Abs. 1 VerpackV 1998 ausgelöst wurde.
4
Die Beklagte führte ab dem Frühjahr 2002 Gespräche mit den beteiligten Wirtschaftskreisen über die Einrichtung eines ab 2003 wirksamen einheitlichen Pfand- und Rücknahmesystems für Einwegverpackungen, die allerdings zu keinem Erfolg führten. Die Beklagte forderte deshalb am 20. Dezember 2002 die für den Vollzug zuständigen Länder auf, vom 1. Januar bis 1. Oktober 2003 eine nur eingeschränkte Erfüllung der Pfanderhebungs- und Rücknahmepflichten zu dulden, indem das Pfand zunächst nur vom Endabnehmer erhoben und nur am Ort des Einkaufs wieder erstattet werden sollte. Obwohl die betroffenen Wirtschaftskreise im Gegenzug den Aufbau eines einheitlichen Pfandsystems zum 1. Oktober 2003 zugesagt hatten, gelang die Einführung eines solchen Systems bis zu diesem Zeitpunkt nicht. An dessen Stelle etablierten sich ab dem Jahr 2003 verschiedene offene Pfand- und Rücknahmesysteme, die nicht miteinander kompatibel und zum Teil auch nur regional tätig waren. Einige große Handelsketten richteten sogenannte Insellösungen ein, die auf der Grundlage von § 6 Abs. 1 Satz 4 VerpackV 1998 eine Pfand- und Rücknahmeregelung nur für die von ihnen vertriebenen Produkte enthielten. Darüber hinaus entschlossen sich andere Teile des Handels, bestimmte Getränke in Einwegverpackungen aus ihrem Sortiment zu entnehmen.
5
Durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Verpackungsverordnung vom 24. Mai 2005 (BGBl. I S. 1407) wurden unter anderem die §§ 8, 9 neu gefasst. Für die Vertreiber von Einweggetränkeverpackungen ergibt sich die Verpflichtung zur Pfanderhebung und Rücknahme jetzt unmittelbar aus der Verordnung , ohne dass es auf bestimmte Anteile ankommt, die in Mehrwegverpackungen vertrieben werden; eine Freistellung bei Beteiligung an einem Sammelsystem nach § 6 Abs. 3 VerpackV ist nicht mehr vorgesehen. Zugleich werden Insellösungen (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 7 VerpackV) mit Wirkung zum 1. Mai 2006 nicht mehr zugelassen. Seit diesem Zeitpunkt betreibt die von den betei- ligten Wirtschaftskreisen gegründete Deutsche Pfandsystem GmbH bundesweit ein einheitliches Pfandclearingsystem für Einweggetränkeverpackungen.
6
Die Klägerinnen haben im Mai 2002 gegen das Land Baden-Württemberg Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben, mit der sie im Wesentlichen festgestellt wissen wollten, dass sie bei Beteiligung am Dualen System nicht verpflichtet seien, auf ihre in Einwegverpackungen in den Verkehr gebrachten Getränke ein Pfand zu erheben und die gebrauchten Verpackungen gegen Erstattung des Pfandes unentgeltlich zurückzunehmen. Auf Vorlagebeschluss dieses Gerichts vom 21. August 2002 hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften durch Urteil vom 14. Dezember 2004 (Rs. C-309/02 - Slg. 2004, I-11794 = NVwZ 2005, 190) einige Fragen zur Auslegung und Anwendung der Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 1994 über Verpackungen und Verpackungsabfälle (ABlEG Nr. L 365 S. 10; im Folgenden: Verpackungsrichtlinie) und des Art. 28 des EG-Vertrages (im Folgenden: EG) beantwortet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage sodann abgewiesen. Im weiteren Verfahrensablauf hat sich der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg nach Zurückverweisung der Sache durch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 129, 199) nur noch mit der Vereinbarkeit der Vorschriften der Verpackungsverordnung in der seit dem 28. Mai 2005 geltenden Fassung mit den Regelungen des Gemeinschaftsrechts befassen müssen und insoweit die Klage mit Urteil vom 22. Juli 2008 (DVBl. 2008, 1386) abgewiesen.
7
Die Klägerinnen haben geltend gemacht, die Inkraftsetzung der Pflichtpfandregelung zum 1. Januar 2003 habe gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen. Ihnen sei ein erheblicher Schaden entstanden, da sie einerseits wegen der Verwendung von Einwegverpackungen in beträchtlichem Ausmaß von der Aus- listung ihrer Produkte durch den deutschen Handel betroffen gewesen seien und es ihnen andererseits mangels eines flächendeckenden Systems zur Erfüllung der Pfanderhebungs- und Rücknahmepflicht nicht möglich gewesen sei, sich an einem solchen System zu beteiligen. Die zuletzt auf Zahlung von 7.677.999 € für die Klägerin zu 1 und von 1.857.107,50 € für die Klägerin zu 2 jeweils mit Zinsen gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Klägerinnen ihre Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe


8
Die Revisionen sind unbegründet.

I.


9
Das Berufungsgericht (NVwZ 2008, 468) hat einen gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch verneint. Es hat zwar in Betracht gezogen, dass die Beklagte im Zusammenhang mit der Umstellung vom Dualen System Deutschland auf ein Pfandsystem ihre Pflichten aus Art. 28 EG und aus Art. 7 der Verpackungsrichtlinie verletzt habe, weil die Übergangsfrist nicht angemessen gewesen sei, der Systemwechsel nicht ohne Bruch vorgenommen worden sei und die Möglichkeit für Marktteilnehmer gefährdet gewesen sei, sich tatsächlich an dem neuen System ab dessen Inkrafttreten zu beteiligen. Denn es habe am 1. Januar 2003 kein einheitliches System zur Handhabung und Abwicklung der Pfand- und Rücknahmepflicht gegeben, und es sei zweifelhaft, ob die von einigen Vertreibern aufgebauten "Insellösungen" ein System dargestellt hätten, wie es nach den Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vorauszusetzen sei.
10
Ein etwaiger Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht sei aber in der Gesamtschau der maßgeblichen Umstände nicht hinreichend qualifiziert. Er sei nicht einmal ansatzweise offenkundig, denn zahlreiche nationale Gerichte hätten unter teilweise weitgehender Auseinandersetzung mit der Materie einen Verstoß verneint. Er sei auch nicht erheblich, weil etwaige Fehler nicht beim "Ob", sondern allenfalls beim "Wie", nämlich bei der tatsächlichen Inkraftsetzung lange bekannter und im Ausgangspunkt gemeinschaftsrechtlich zulässiger Regelungen unterlaufen seien. Der Vorwurf, nicht rechtzeitig ein einheitliches Pfandsystem aufgebaut zu haben, treffe in erster Linie die beteiligten Wirtschaftskreise. Es erscheine kaum vorwerfbar, dass sich die Beklagte auf Zusagen dieser Wirtschaftskreise verlassen und sich durch die vorübergehende Duldung einer nur eingeschränkten Pfanderhebungs- und Rücknahmepraxis um einen sanften Vollzug bemüht habe. Alle Maßnahmen hätten unterschiedslos für Inländer, Importeure und Ausländer gegolten. Etwaige Schwierigkeiten der Klägerin bei einer möglichen Umstellung auf Mehrwegsysteme hätten auf einer Entfernungsproblematik, nicht aber auf einer Ausländerdiskriminierung beruht. Kein Hersteller habe einen Anspruch auf eine bestimmte Marktsituation, wobei die Marktchancen der Klägerinnen durch das Fehlen eines bundeseinheitlichen Pfandclearingsystems lediglich vorübergehend eingeschränkt, nicht aber ausgeschlossen worden seien. Schließlich sei der Wortlaut der verletzten Norm auch nicht so eindeutig, dass sich die aufgeworfenen Fragen von Anfang an mit der erforderlichen Klarheit und Genauigkeit hätten beantworten lassen. Bei der Umsetzung der Verpackungsrichtlinie habe der Beklagten ein weiter Gestaltungsspielraum zugestanden.

II.


11
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.
12
1. Das Berufungsgericht hat die tatbestandlichen Voraussetzungen eines gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs zutreffend wiedergegeben. Danach kommt eine Haftung des Mitgliedstaats in Betracht, wenn er gegen eine Gemeinschaftsrechtsnorm verstoßen hat, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen diesem Verstoß und dem dem Einzelnen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (vgl. EuGH, Urteil vom 30. September 2003 - Rs. C-224/01 - Köbler - Slg. 2003, I-10290, 10305 = NJW 2003, 3539 zu Rn. 30, 31 m.umfangr.w.N.; aus der Rechtsprechung des Senats BGHZ 134, 30, 37; 146, 153, 158 f; 161, 224, 233; 162, 49, 51 f; Beschluss vom 12. Oktober 2006 - III ZR 144/05 - NVwZ 2007, 362, 363 Rn. 8). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, haben die nationalen Gerichte unter Beachtung der vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entwickelten Leitlinien festzustellen (vgl. EuGH, Urteile vom 1. Juni 1999 - Rs. C-302/97 - Konle - Slg. 1999, I-3122, 3139 Rn. 58 f.; vom 4. Juli 2000 - Rs. C-424/97 - Haim II - Slg. 2000, I-5148, 5163 Rn. 44; vom 13. März 2007 - Rs. C-524/04 - Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation - Slg. 2007, I-2157, 2204 Rn. 116).
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2. Das Berufungsgericht legt weiter zutreffend zugrunde, dass hier die Verletzung von gemeinschaftsrechtlichen Normen in Rede steht, die bezwecken, den Klägerinnen Rechte zu verleihen. In Art. 7 der Verpackungsrichtlinie, der den Mitgliedstaaten aufgibt, erforderliche Maßnahmen zur Einrichtung von System für die Rücknahme von gebrauchten Verpackungen und Verpackungsabfäl- len sowie für deren Wiederverwendung oder Verwertung zu ergreifen, ist nämlich ausdrücklich bestimmt, dass sich alle Marktteilnehmer der betreffenden Wirtschaftszweige an diesen Systemen beteiligen können, dass sie auch für Importprodukte gelten, die dabei keine Benachteiligung erfahren dürfen, und dass der Zugang zu diesen Systemen so beschaffen sein muss, dass gemäß dem Vertrag keine Handelshemmnisse oder Wettbewerbsverzerrungen entstehen. Das deckt sich mit der 1. und der 18. Begründungserwägung der Richtlinie , die neben der Sicherstellung eines hohen Umweltschutzniveaus die Gewährleistung des Binnenmarkts verlangen sowie Handelshemmnisse und Wettbewerbsverzerrungen oder -beschränkungen verhindert sehen wollen. Daneben kommt die dem Einzelnen Rechte verleihende Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 EG) als verletzt in Betracht, die als Prüfungsmaßstab herangezogen werden kann, weil die Verpackungsrichtlinie die Organisation der nationalen Systeme, mit denen die Wiederverwendung von Verpackungen gefördert werden soll, nicht abschließend harmonisiert hat (vgl. EuGH, Urteile vom 14. Dezember 2004 - Rs. C-309/02 - aaO S. I-11814 Rn. 56; Rs. C-463/01 - Kommission /Deutschland - Slg. 2004, I-11734, 11750 Rn. 44 f = NVwZ 2005, 194, 196).
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3. Das Berufungsgericht hat, ohne sich in seiner Beurteilung abschließend festzulegen oder entsprechende Feststellungen zu treffen, auf verschiedene Umstände aufmerksam gemacht, aus denen sich ergeben soll, dass ein Verstoß der Beklagten gegen das Gemeinschaftsrecht "ernstlich in Betracht" kommt. Diese Beurteilung befasst sich mit den maßgeblichen Gesichtspunkten und lässt insoweit keine Rechtsfehler zu Lasten der Klägerinnen erkennen.
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a) Das Berufungsgericht hat den angeführten Entscheidungen des Gerichtshofs vom 14. Dezember 2004 entnommen, dass das Gemeinschaftsrecht bei einem möglichen und zulässigen Übergang von dem bisherigen "Dualen System Deutschland" auf eine Pfanderhebungs- und Rücknahmepflicht von Einweggetränkeverpackungen verlangt, dass dieser Systemwechsel ohne Bruch erfolgt und nicht die Möglichkeit der Marktteilnehmer gefährdet, sich an dem neuen System zu beteiligen. Zugleich ist es erforderlich, dass den betroffenen Herstellern und Vertreibern eine angemessene Übergangsfrist geboten wird, um ihre Produktionsmethoden und Arbeitsabläufe hierauf einzustellen, und dass im Zeitpunkt der Umstellung ein arbeitsfähiges System zur Verfügung steht, an dem sie sich beteiligen können (vgl. EuGH - Rs. C-309/02 - aaO S. I-11812 Rn. 48 f; Rs. C-463/01 aaO S. I-11760 Rn. 79 bis 81).
16
In dieser Hinsicht hat das Berufungsgericht zutreffend erwogen, dass die in § 9 Abs. 2 VerpackV 1998 vorgesehene Frist von sechs Monaten von der Bekanntmachung bis zum vorgesehenen Beginn des Systemwechsels auch im hier vorliegenden Zusammenhang des Vertriebs von kohlensäurehaltigen Erfrischungsgetränken nicht ausreicht, um den Herstellern und Abfüllern eine Umstellung ihrer Getränkeverpackungsmethoden zu ermöglichen. Darüber hinaus hat es festgestellt, dass ein bruchloser Übergang schon deshalb nicht möglich gewesen sei, weil es zum 1. Januar 2003 kein einheitliches System zur Handhabung und Abwicklung der Pfand- und Rücknahmepflicht gegeben habe. Dabei mag offen bleiben, ob nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ein einheitliches System erforderlich gewesen wäre, wie es seit dem 1. Mai 2006 in der Deutschen Pfandsystem GmbH besteht, oder ob es nicht genügt hätte, wenn sich mehrere, miteinander kompatible Systeme etabliert hätten, die die Bundesrepublik insgesamt abgedeckt hätten; jedenfalls ergibt sich bereits aus der Verlautbarung der Beklagten vom 20. Dezember 2002 an die Länder, eine nur eingeschränkte Erfüllung der Pfanderhebungs- und Rücknahmepflichten zu dulden, dass sie selbst davon ausging, ab dem 1. Januar 2003 könne der in der Verpackungsverordnung 1998 vorgesehene Systemwechsel nicht vollständig vollzogen werden. Dies gilt im Übrigen auch in Ansehung des Verbrauchers, dessen Pfandentgelt nach dieser Verlautbarung nur am Ort des Einkaufs erstattet werden sollte, während der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften eine ausreichende Anzahl von Rücknahmestellen für erforderlich hielt, ohne dass sich der Verbraucher an den Ort des ursprünglichen Einkaufs zurückbegeben müsse (Rs. C-309/02 aaO S. I-11812 Rn. 46; vgl. insoweit auch § 8 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 VerpackV 1998 mit einem aus der Sicht des Gerichtshofs - aaO Rn. 47 - nicht eindeutig ausgestalteten Umfang der Rücknahmeverpflichtung).
17
b) Das Berufungsgericht hat sich in der Sache auch mit den Anforderungen beschäftigt, die sich aus der Warenverkehrsfreiheit des Art. 28 EG ergeben.
18
Der Gerichtshof sieht den Anwendungsbereich des Art. 28 EG durch die Pfanderhebungs- und Rücknahmepflichten als berührt an, weil außerhalb Deutschlands ansässige Hersteller erheblich mehr Einwegverpackungen als deutsche Hersteller verwendeten und die Kosten im Zusammenhang mit der Organisation des Pfandsystems und der Beförderung mit der Entfernung des Herstellers von den Verkaufsstellen stiegen (Rs. C-309/02 aaO S. I-11817, 11819 Rn. 65 f und 73; Rs. C-463/01 aaO S. I-11754 Rn. 58 ff), das Inverkehrbringen von aus anderen Mitgliedstaaten eingeführten Getränken auf dem deutschen Markt damit behindert werde.
19
Nach seiner ständigen Rechtsprechung sind nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten einschränken, nur unter vier Voraussetzungen zulässig: Sie müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen, sie müssen zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet sein, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist (EuGH, Urteile vom 9. März 1999 - Rs. C-212/97 - Centros - Slg. 1999, I-1484, 1495 = NJW 1999, 2027, 2029 Rn. 34; vom 4. Juli 2000 - Rs. C-424/97 aaO S. I-5166 Rn. 57; jeweils m.w.N.). Von diesen Voraussetzungen ist nur der letzten nicht hinreichend Rechnung getragen. Denn die beanstandeten Regelungen der Verpackungsverordnung werden in nicht diskriminierender Weise angewandt, indem sie unterschiedslos für Erzeugnisse aus dem Inland wie aus anderen Mitgliedstaaten gelten. Sie sind grundsätzlich auch durch zwingende Erfordernisse des Umweltschutzes zu rechtfertigen und erscheinen geeignet, das allgemeine umweltpolitische Ziel der Abfallvermeidung zu fördern (EuGH, Urteile vom 14. Dezember 2004 - Rs. C-309/02 aaO S. I-11816, 11820 ff Rn. 61, 75 ff; Rs. C-463/01 aaO S. I-11759 Rn. 76 f). Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht ein Systemwechsel bei der Bewirtschaftung von Verpackungsabfall jedoch nur, wenn der Mitgliedstaat dabei sicherstellt, dass die Neuregelung für alle betroffenen Hersteller und Vertreiber eine angemessene Übergangsfrist bietet und dass sich im Zeitpunkt der Umstellung alle betroffenen Hersteller und Vertreiber tatsächlich an einem arbeitsfähigen System beteiligen können (EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2004 - Rs. C-309/02 aaO S. I-11822 Rn. 83).
20
Zu den Gesichtspunkten, die das Berufungsgericht im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit der Regelungen mit der Verpackungsrichtlinie als unzureichend bemängelt hat, tritt hier daher noch der Umstand hinzu, dass die Bereitstellung eines arbeitsfähigen Systems weder normativ (in der Verordnung selbst) noch in anderer Weise sichergestellt war. Dass sich die Beklagte insoweit auf Zusagen der betroffenen Wirtschaft verließ, ändert an dem Befund, dass das Gemeinschaftsrecht bei der Systemumstellung nicht hinreichend beachtet war, nichts.
21
4. a) Das Berufungsgericht hat ungeachtet dessen eine Schadensersatzpflicht der Beklagten verneint, weil es sich nicht um einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen gemeinschaftsrechtliche Vorschriften handele.
22
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ist ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht hinreichend qualifiziert, wenn der betreffende Mitgliedstaat bei der Wahrnehmung seiner Rechtsetzungsbefugnisse die Grenzen, die der Ausübung seiner Befugnisse gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat (EuGH, Urteile vom 5. März 1996 - verbundene Rs. C-46/93 und C-48/93 - Brasserie du Pêcheur und Factortame - Slg. 1996, I-1131, 1150 = NJW 1999, 1267, 1270 Rn. 55; vom 13. März 2007 - Rs. C-524/04 - aaO S. I-2205 Rn. 118; aus der Rechtsprechung des Senats vgl. BGHZ 134, 30, 38 ff). Diesem restriktiven Haftungsmaßstab liegt die Erwägung zugrunde, dass die Wahrnehmung gesetzgeberischer Tätigkeit, insbesondere bei wirtschaftspolitischen Entscheidungen, nicht jedes Mal durch die Möglichkeit von Schadensersatzklagen behindert werden darf, wenn Allgemeininteressen den Erlass von Maßnahmen gebieten, die die Interessen des Einzelnen beeinträchtigen können (EuGH, Urteile vom 5. März 1996 aaO S. I-1147 f Rn. 45; vom 26. März 1996 - Rs. C-392/93 - British Telecommunications - Slg. 1996, I-1654, 1668 Rn. 40). Nur wenn der Mitgliedstaat zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung über einen erheblich verringerten oder gar auf Null reduzierten Gestaltungsspielraum verfügte, kann schon die bloße Verletzung des Gemeinschaftsrechts ausreichen, um einen hinreichend qualifizierten Verstoß anzunehmen (EuGH, Urteile vom 8. Oktober 1996 - Rs. C-178/94 - Dillenkofer - Slg. 1996, I-4867, 4879 f Rn. 25; Urteil vom 13. März 2007 aaO Rn. 118). Um festzustellen, ob ein hinreichend qualifizierter Verstoß vorliegt, sind alle Gesichtspunkte des Einzelfalls zu berücksichtigen, die für den dem nationalen Gericht vorgelegten Sachverhalt kennzeichnend sind. Zu diesen Gesichtspunkten gehören insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift, die Frage, ob der Verstoß oder der Schaden vorsätzlich begangen bzw. zugefügt wurde oder nicht, die Frage, ob ein etwaiger Rechtsirrtum entschuldbar ist oder nicht, und die Frage, ob möglicherweise das Verhalten eines Gemeinschaftsorgans dazu beigetragen hat, dass nationale Maßnahmen oder Praktiken in gemeinschaftsrechtswidriger Weise eingeführt oder aufrecht erhalten wurden (EuGH, Urteile vom 4. Dezember 2003 - Rs. C-63/01 - Evans - Slg. 2003, I-14492, 14524 Rn. 86; vom 25. Januar 2007 - Rs. C-278/05 - Robins - Slg. 2007, I-1081, 1103 Rn. 77; Urteil vom 13. März 2007 aaO Rn. 119).
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Ob an diesen Maßstäben gemessen ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht hinreichend qualifiziert ist, haben die Tatsachengerichte unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände, insbesondere an Hand der vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entwickelten Leitlinien zu beurteilen.
24
b) Die revisionsrechtliche Überprüfung lässt insoweit keine Fehler erkennen.
25
aa) Zutreffend geht das Berufungsgericht, wie seine näheren Erörterungen zeigen, davon aus, dass vorliegend eine einfache Verletzung des Gemeinschaftsrechts zur Annahme eines qualifizierten Verstoßes nicht ausreicht.
26
In Ermangelung einer abschließenden gemeinschaftsrechtlichen Harmonisierung auf dem Gebiet der Verpackungen und Verpackungsabfälle verblieb der Beklagten bei der Wahl der Mittel, um ihr richtlinienkonformes Ziel der Förderung von wiederverwendbaren Verpackungen im Sinn des Art. 5 der Verpackungsrichtlinie zu erreichen, ein weiter Gestaltungsspielraum. Die Verpackungsrichtlinie trifft keine näheren Regelungen über die Organisation oder Ausgestaltung von Systemen zur Förderung von wiederverwendbaren Verpackungen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2004 - Rs. C-309/02 aaO S. I-11814 Rn. 55). Auch der in seinem Regelungsgehalt eher allgemein gefasste Art. 7 der Verpackungsrichtlinie lässt die Wahl zwischen verschiedenen gesetzgeberischen Möglichkeiten zu. Es fehlen insbesondere genauere Vorgaben , wie ein Systemwechsel zu gestalten ist. Damit bleiben das rechtliche Instrumentarium zur Durchsetzung der abfallwirtschaftlichen Ziele und die konkrete Ausgestaltung eines - allerdings erforderlichen - Systems der Abfallbewirtschaftung weitgehend den Mitgliedstaaten überlassen.
27
Die bb) Revision sieht die Erheblichkeit des Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 1 der Verpackungsrichtlinie darin, dass dieser in eindeutiger Weise zum Ausdruck bringe, dass der Zugang zu neuen Systemen gewährleistet sein müsse und nicht zu Handelshemmnissen oder Wettbewerbsverzerrungen führen dürfe, während er in seinem Kern verletzt worden sei, weil es nahezu 3½ Jahre kein arbeitsfähiges System gegeben habe, an dem sich ausländische Hersteller hätten beteiligen können. Damit sei auch Art. 28 EG in seiner zentralen Zielsetzung verletzt worden, da ausländische Hersteller, die naheliegenderweise Einwegverpackungen benutzt hätten, entweder ausgelistet worden seien oder nicht die Möglichkeit gehabt hätten, sich (gleichzeitig) auf unterschiedlich ausgestaltete Insellösungen und andere Systeme einzustellen. Zugleich seien hierdurch inländische Wettbewerber vom Wettbewerb entlastet worden.

28
(1) Der Revision ist zuzugeben, dass sie mit dieser Darstellung die bei den Klägerinnen eingetretene Nachteile in ihrer Wettbewerbsposition und die geltend gemachten Schäden in einen klaren Zusammenhang mit der Einführung des Pflichtpfands und dem Fehlen eines arbeitsfähigen Systems der Rücknahme stellt. Gleichwohl reduziert sie durch das Herausgreifen der ihr nachteiligen Elemente die Komplexität der mit der Umsetzung der Verpackungsrichtlinie insgesamt zu lösenden Aufgaben und deren Auswirkungen auf den Wettbewerb.
29
Ungeachtet der näheren Beschreibung des Schutzbereichs von Art. 28 EG in seinen Entscheidungen vom 14. Dezember 2004 (Rs. C-309/02 aaO S. I-11815 ff Rn. 60 bis 73; Rs. C-463/01 aaO S. I-11752 ff Rn. 52 bis 69) und der Feststellung einer Vertragsverletzung in der Rs. C-463/01 hat der Gerichtshof anerkannt, dass Art. 1 Abs. 2 der Verpackungsrichtlinie den Mitgliedstaaten nicht verwehrt, Maßnahmen einzuführen, mit denen die Systeme zur Wiederverwendung von Verpackungen gefördert werden sollen (Rs. C-309/02 aaO S. I-11809 Rn. 37), und ausgesprochen, den betroffenen Herstellern und Vertreibern werde in Art. 7 der Richtlinie kein Anspruch darauf verliehen, weiterhin an einem bestimmten System der Bewirtschaftung von Verpackungsabfall teilzunehmen (Rs. C-309/02 S. I-11811 Rn. 43). Er hat ferner in Anknüpfung an sein Urteil vom 20. September 1988 (Rs. 302/86 - Kommission/Dänemark - Slg. 1988, 4627, 4630 Rn. 13) wiederholt, dass die Verpflichtung, ein Pfand- und Rücknahmesystem von Leerverpackungen einzuführen, ein notwendiger Bestandteil eines Systems ist, das die Wiederverwendungen von Verpackungen sicherstellen soll (Rs. C-309/02 S. I-11820 Rn. 76). Schließlich hat er den in der Verpackungsverordnung 1998 für einen Systemwechsel maßgebenden Zusammenhang zwischen Anteilen von Mehrweg- und Einwegverpackungen als An- reiz, Mehrwegverpackungen zu benutzen, im Kern gebilligt (aaO S. I-11820 f Rn. 78). Das kann aber nach Auffassung des Senats - selbstverständlich bei Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Übrigen - nichts anderes bedeuten, als dass ein Hersteller, der Einweggetränkeverpackungen verwendet , hiermit verbundene Nachteile hinnehmen muss, die sich aus einem (zeitweiligen ) Rückgang der Nachfrage nach seinen Produkten ergeben, ohne dass hierdurch Art. 28 EG verletzt wird. Die gelegentlichen Überlegungen der Klägerinnen , sie hätten sich gegenüber der Inkraftsetzung der Pfandpflicht aufgrund des Bekanntmachungsverwaltungsakts der Beklagten vom 2. Juli 2002 nicht zur Wehr setzen müssen, weil diese für sie als Ausländer, die den Wettbewerbsvorteil nutzen könnten, den Art. 28 EG für ausländische Produkte mit sich bringe, keine Geltung beanspruchen könne (vgl. die Wiedergabe der Argumentation im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. August 2007 - 7 C 2.07 - juris Rn. 10; insoweit ohne Abdruck in BVerwGE 129, 199), werden den geschilderten rechtlichen Zusammenhängen nicht gerecht.
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(2) Vor diesem Hintergrund ist es nicht rechtsfehlerhaft, dass das Berufungsgericht einen erheblichen Verstoß der Beklagten gegen das Gemeinschaftsrecht verneint hat. Aus den Urteilen des Gerichtshofs vom 14. Dezember 2004 ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Beklagte habe sich so weit von den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben entfernt, dass eine erhebliche Überschreitung der dem Ermessen des nationalen Gesetzgebers gezogenen Grenzen bejaht werden könnte. Die beanstandeten Regelungen enthielten weder eine direkte Einfuhrbeschränkung im Sinne des Art. 28 EG noch eine offene Diskriminierung; die Beklagte verzichtete auf mengenmäßige Beschränkungen für Erzeugnisse in Einwegverpackungen und stellte hinsichtlich der Bepfandung und Rücknahme an in anderen Mitgliedstaaten ansässige Hersteller die gleichen Anforderungen wie an inländische Hersteller (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2004 - Rs. C-309/02 - aaO S. I-11816 Rn. 61 f). Das Berufungsgericht missachtet die Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht, wie die Revision meint, wenn es unter den genannten Gesichtspunkten davon spricht, ein Teil der Problematik für Hersteller - vor allem im Hinblick auf die alternative Nutzung eines Mehrwegsystems - habe mit der Entfernung zum Abnehmer zusammengehangen. Zielrichtung der angegriffenen Regelungen war nicht der gemeinschaftswidrige Schutz nationaler Interessen, sondern es sollten gerade die Verpflichtungen aus der Verpackungsrichtlinie 94/62/EG umgesetzt und dabei das gemeinschaftsrechtlich anerkannte übergeordnete Ziel des Umweltschutzes gefördert werden. Dabei ist das von der Beklagten gewählte System der Abfallbewirtschaftung grundsätzlich europarechtskonform. Der Gerichtshof hat das umweltpolitische Instrument des Pflichtpfandes auf Einwegverpackungen als geeignete Maßnahme für die Erreichung des Zieles Umweltschutz anerkannt und lediglich Details der konkreten Ausgestaltung beanstandet.
31
(3) Soweit der Gerichtshof seine Entscheidungen auf die Notwendigkeit einer angemessenen Übergangsfrist und der Sicherstellung eines arbeitsfähigen Systems im Zeitpunkt der Umstellung des bisherigen Systems der Bewirtschaftung von Verpackungsabfall stützt, ist nicht ersichtlich, dass diese Gesichtspunkte in den den Entscheidungen vorausgegangenen rechtlichen Auseinandersetzungen eine Rolle gespielt hätten. So hat der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen zur Rechtssache C-309/02 einerseits ein subjektives Recht der Wirtschaftsteilnehmer aus Art. 7 der Verpackungsrichtlinie verneint, die Dienste eines dieser Systeme konkret allein wegen ihrer Tätigkeit im Inland in Anspruch zu nehmen oder Mitglied eines solchen Systems zu bleiben, wenn die nationalen Behörden beschließen, dass von einem bestimmten Zeitpunkt an beim Erwerb bestimmter Getränke in Einwegverpackungen ein Pfand zu ent- richten sei (Slg. 2004, I-11766, 11779 Rn. 40), andererseits aber - anders als der Gerichtshof - in der Erhebung von Pfand auf Einwegverpackungen kein geeignetes Mittel gesehen, um die Verwendung von Mehrwegverpackungen zu fördern, und insoweit die Verhältnismäßigkeit der Regelung verneint (aaO S. I-11791 f Rn. 76). Vor diesem Hintergrund trägt die Entscheidung des Gerichtshofs im Ergebnis Züge eines Kompromisses: Der Gerichtshof billigt die Entscheidung des nationalen Verordnungsgebers für die Pfanderhebung- und Rücknahmepflicht, bindet sie aber an eine angemessene Übergangsfrist und an die Sicherstellung eines arbeitsfähigen Systems.
32
Der Senat tritt der Wertung des Berufungsgerichts bei, dass der Beklagten hinsichtlich der Übergangsfrist, die bis zu den Entscheidungen des Gerichtshofs nicht thematisiert war, nur ein geringer Vorwurf zu machen ist, zumal die betroffenen Wirtschaftskreise nach den Feststellungen des Berufungsgerichts schon einige Zeit vor der Veröffentlichung der Nacherhebungszahlen informiert waren, dass die für die Auslösung des Pflichtpfands erforderliche Mehrwegquotenunterschreitung eingetreten war. Zutreffend berücksichtigt das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auch, dass im damaligen Zeitraum die beteiligten Wirtschaftskreise davon ausgingen, die Schaffung eines arbeitsfähigen einheitlichen Systems innerhalb von neun Monaten bewerkstelligen zu können. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts beruhte auf diesen zeitlichen Angaben gegenüber der Beklagten bereits die Bekanntgabe des Kabinettsbeschlusses vom 20. März 2002, der bis zum Ende des Jahres 2002 eine solche Frist in den Blick nahm; auch nach Scheitern der Errichtung eines einheitlichen Pfandsystems entsprach die Dauer der Duldung einer nur beschränkten Erfüllung der Pfandpflicht bis zum 1. Oktober 2003, die auf einer abermaligen Zusage der betroffenen Wirtschaftskreise beruhte, einem solchen veranschlagten Zeitraum. Dass die Beklagte zur Vermeidung von Bürokratie und zusätzlichen Kosten auf die Selbstregulierung der betroffenen Wirtschaftskreise vertraute (vgl. hierzu BR-Drucks. 817/90 S. 55), kann nicht als erheblicher Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht gewertet werden. Auch wenn sich die Beklagte damit ihrer Erfüllungsverantwortlichkeit nicht entledigen konnte, war es doch gemeinschaftsrechtlich unbedenklich, Herstellern und Vertreibern die Einführung eines funktionierenden Systems zu überlassen, so dass diese die Rücknahme der Verpackungen, die Erstattung des Pfandes und den eventuellen Ausgleich der Beträge unter den Vertreibern organisieren sollten (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2004 - Rs. C-309/02 - aaO S. I-11821 Rn. 80). Soweit daher zeitweise eine mit der Warenverkehrsfreiheit unvereinbare Lage bestand, war diese vor allem auf die gescheiterte Selbstregulierung der betroffenen Wirtschaftskreise zurückzuführen.
33
cc) Der Senat tritt dem Berufungsgericht auch darin bei, dass es an einem offenkundigen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht fehlt. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte Rechtsprechung des Gerichtshofs offenkundig verkannt hätte. Es ist ein Sachgebiet betroffen, auf dem klare gemeinschaftsrechtliche Vorgaben in Form einer eindeutigen Rechtsprechung des Gerichtshofs bis zu seinen Entscheidungen vom 14. Dezember 2004 fehlten. Für die Rechtsauffassung der Beklagten ließ sich das Urteil des Gerichtshofs zum dänischen Getränkepfandsystem anführen, demzufolge eine Herstellern und Importeuren auferlegte Verpflichtung zur Errichtung eines Pfand- und Rücknahmesystems zur Erreichung der Ziele des Umweltschutzes erforderlich und die dadurch bedingten Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit nicht unverhältnismäßig seien (vgl. EuGH, Urteil vom 20. September 1998 aaO Rn. 13). Die weitergehenden, aus Art. 7 der Verpackungsrichtlinie sowie aus einer allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen des Art. 28 EG abzuleitenden Anforderungen an die Einführung der Pfandpflicht für Einwegverpackungen sind erst durch die Urteile des Gerichtshofs vom 14. Dezember 2004 verdeutlicht worden. Vor diesen Urteilen war die aufgeworfene, im Zusammenhang mit der Auslegung des Art. 7 der Verpackungsrichtlinie stehende Problematik in der Rechtsprechung des Gerichtshofs noch nicht behandelt worden. Unter diesen Umständen ist ein qualifizierter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht regelmäßig zu verneinen (vgl. EuGH, Urteile vom 26. März 1996 - C-392/93 - British Telecommunications - Slg. 1996, I-1654, 1669 Rn. 44 f; vom 17. Oktober 1996 - verbundene Rs. C-283/94, C-291/94 und C-292/94 - Denkavit - Slg. 1996, I-5085, 5102 Rn. 52 f).
34
Feststellungen, die auf eine aus anderen Gründen offenkundige oder sogar vorsätzliche Verletzung des Gemeinschaftsrechts hindeuten, sind nicht getroffen. Soweit sich die Revision insoweit auf eine Presseerklärung der Beklagten vom 17. Dezember 2002 bezieht, kann dieser zwar entnommen werden , dass die Beklagte die Möglichkeit der Reduzierung oder Auslistung von Einweggetränkeangeboten gesehen hat. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Beklagten der Vorwurf einer vorsätzlichen Verletzung der Warenverkehrsfreiheit zu machen wäre. Vielmehr bewegte sie sich im Rahmen einer rechtlich kontroversen Fragestellung betreffend das Spannungsverhältnis zwischen Warenverkehrsfreiheit und Umweltschutz und setzte sich eingehend mit den Argumenten der Kommission und der beteiligten Wirtschaftskreise auseinander. Auch der Generalanwalt hat in seinen Schlussanträgen zum Vertragsverletzungsverfahren befunden, dass sich die Beklagte insbesondere zu Art. 28 EG gründlich verteidigt habe (Rs. C-463/01 - Slg. 2004, I-11708, 11717 Rn. 29). Mag sich die Beklagte auch, was die Anwendung des Art. 28 EG unter den Aspekten einer vorrangigen harmonisierten Regelung durch die Verpackungsrichtlinie und einer Beurteilung der Pfand- und Rücknahmepflichten als Verkaufsmodalitäten angeht , im Ergebnis nicht durchgesetzt haben, kann man ihre Auffassung doch nicht als offenkundig falsch ansehen. Soweit der Streit über die Rechtmäßigkeit des Systemwechsels letztlich im Wege einer allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu Art. 28 EG zu entscheiden war, konnte - wie auch der Gang der Rechtssache beim Gerichtshof zeigt - durchaus kontrovers diskutiert werden, welche konkreten gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen sich für eine staatliche Maßnahme wie die Umstellung des Systems zur Bewirtschaftung von Verpackungsabfällen aus den sehr allgemein gehaltenen Grundfreiheiten des EGVertrages ergeben können. Dabei ist die Beklagte im Rahmen eines vertretbaren Meinungsspektrums geblieben. Dass die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Beklagte eingeleitet hatte, genügt unter diesen Umständen für die Annahme eines hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht nicht (vgl. hierzu auch Senatsurteil BGHZ 134, 30, 40).
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Schließlich durfte das Berufungsgericht für die Beurteilung, ob ein hinreichend qualifizierter Verstoß vorliegt, auch berücksichtigen, wie die nationalen Gerichte das Gemeinschaftsrecht im Rahmen von Gerichtsverfahren ausgelegt haben, die von durch die beanstandeten Regelungen Betroffenen anhängig gemacht worden sind (vgl. EuGH, Urteil vom 5. März 1996 aaO S. I-1152 Rn. 63). Gegen einen offenkundigen Verstoß der Beklagten gegen Gemeinschaftsrecht spricht der Umstand, dass nationale Gerichte vor und nach Einführung des Pfand- und Rücknahmesystems wiederholt die Gemeinschaftskonformität der beanstandeten Regelungen bekräftigt haben (vgl. OVG Berlin, NVwZ-RR 2002, 720, 730 f; VG Stuttgart, Urteil vom 23. Mai 2005 in der Streitsache der hiesigen Klägerinnen; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 12 B 3.05 - juris).
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dd) Die Klage hat auch hinsichtlich der im Jahr 2005 entstandenen Schäden keinen Erfolg. Zwar ist ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht dann als offenkundig zu qualifizieren, wenn er trotz Erlass eines Urteils, in dem der zur Last gelegte Verstoß festgestellt wird, oder eines Urteils im Vorabentscheidungsverfahren oder trotz einer gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs, aus denen sich die Pflichtwidrigkeit des fraglichen Verhaltens ergibt, fortbestanden hat (vgl. EuGH, Urteil vom 5. März 1996 aaO S. I-1150 Rn. 57). Ein solcher Fall liegt indes nicht vor. Insbesondere hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinen Urteilen vom 14. Dezember 2004 den Vollzug der Pfandpflicht in Deutschland nicht abschließend bewertet. Aus diesen Urteilen ist auch unter Berücksichtigung des allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Anwendungsvorrangs keine - jedenfalls offenkundige - Verpflichtung abzuleiten, die Pfandpflicht vorübergehend auszusetzen (vgl. Europäische Kommission in: Entscheidung des Europäischen Bürgerbeauftragten zur Beschwerde 1037/2005/GG, Ziffern 2.2, 2.12 und Anhang C). Feststellungen über die Europarechtskonformität der im Zeitpunkt des Urteils etablierten Rücknahmesysteme sind den Urteilen ebenso wenig zu entnehmen wie eine eindeutige Festlegung , ob das System der Insellösungen allein oder gemeinsam mit den parallel operierenden offenen Rücknahmesystemen europarechtlichen Anforderungen genügte. Es kommt - aus der Sicht des Senats entscheidend - hinzu, dass mit der Dritten Verordnung zur Änderung der Verpackungsverordnung unverzüglich die für die Umsetzung der Urteile vom 14. Dezember 2004 erforderlichen Maßnahmen ergriffen wurden. Bereits am 17. Dezember 2004 stimmte der Bundesrat dieser Verordnung zu, wobei er unter Hinweis auf die erst drei Tage zuvor ergangenen einschlägigen Urteile des Gerichtshofs die Übergangsfrist für die Ausweitung der Pfandpflicht und die Abschaffung der sogenannten Insellösungen auf zwölf Monate verlängerte (BR-Drucks. 919/04). Am 12. Januar 2005 beschloss die Bundesregierung, die Änderungsmaßgabe des Bundesrates un- verändert zu übernehmen (BT-Drucks. 15/4642). Der Bundestag stimmte der Novelle am 20. Januar 2005 zu (BT-Plenarprotokoll 15/151 S. 14155 A). Die novellierte Verpackungsverordnung wurde nach Notifizierung bei der EU-Kommission und Ablauf der Stillhaltefrist aus Art. 9 der Richtlinie 98/34/EG über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABlEG L Nr. 204, S. 37) am 27. Mai 2005 im Bundesgesetzblatt (BGBl. I S. 1407) bekannt gegeben. Angesichts des - wenngleich im Einzelnen nicht geklärten - Standes der Entwicklung musste die Beklagte - mit nicht überschaubaren Auswirkungen auf den Wettbewerb - für einen bestimmten Kreis von Marktteilnehmern keine interimistische Sonderregelung treffen.
Schlick Dörr Wöstmann
Harsdorf-Gebhardt Seiters
Vorinstanzen:
LG Bonn, Entscheidung vom 29.09.2006 - 1 O 550/05 + 1 O 524/02 -
OLG Köln, Entscheidung vom 09.08.2007 - 7 U 147/06 -

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)