Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2018 - VII ZR 82/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:260418UVIIZR82.17.0
bei uns veröffentlicht am26.04.2018
vorgehend
Landgericht Schwerin, 4 O 270/12, 29.11.2012
Oberlandesgericht Rostock, 4 U 155/12, 14.03.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 82/17 Verkündet am:
26. April 2018
Mohr,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VOB/B (2002) § 8 Nr. 1 Abs. 2, § 2 Nr. 3

a) Im Falle der einvernehmlichen Vertragsbeendigung richtet sich die vom
Auftragnehmer zu beanspruchende Vergütung nach § 8 Nr. 1 Abs. 2
VOB/B (2002), sofern sich die Parteien über die Folgen der Vertragsbeendigung
nicht anderweitig geeinigt haben (im Anschluss an BGH, Urteil
vom 4. Juni 1973 - VII ZR 113/71, NJW 1973, 1463).

b) Eine Anpassung der vereinbarten Vergütung nach § 2 Nr. 3 VOB/B
(2002) kommt nur in Betracht, wenn es ohne Eingriff in den ursprünglichen
Leistungsbestand zu einer reinen Mengenänderung bei den Vordersätzen
der bei Vertragsschluss festgelegten Leistungen kommt (im
Anschluss an BGH, Urteil vom 27. November 2003 - VII ZR 346/01,
BauR 2004, 495 = NZBau 2004, 207).
BGH, Urteil vom 26. April 2018 - VII ZR 82/17 - OLG Rostock
LG Schwerin
ECLI:DE:BGH:2018:260418UVIIZR82.17.0

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2018 durch die Richter Dr. Kartzke, Halfmeier und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterinnen Graßnack und Dr. Brenneisen
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 14. März 2017 - 4 U 155/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin fordert eine Vergütung für infolge verkürzter Bauzeit nicht erbrachte Leistungen in Höhe von 94.778,24 €.
2
Die Beklagte führte im Jahr 2004 eine öffentliche Ausschreibung betreffend den grundhaften Ausbau der Bundesautobahn A 19 für Leistungen der Verkehrsführung und Verkehrssicherung durch, an dem sich die Klägerin mit einem Angebot zu einem Gesamtpreis von 1.076.416,75 € netto beteiligte. Darin bot die Klägerin entsprechend der Ausschreibung unter Einbeziehung der VOB/B (2002) die Vorhaltung einer Stahlgleitwand von 14,8 km für 588 Tage zu einem Einheitspreis von 1.184 €/Tag netto an. In der Ausschreibung war als Frist für die Ausführung der Leistungen der Zeitraum von September 2004 bis April 2006 angegeben, vorbehaltlich der Zuschlagserteilung des Bauhauptloses. Die am 2. September 2004 endende Binde- und Zuschlagsfrist wurde auf Bitten der Beklagten mit Zustimmung der Klägerin mehrfach verlängert. Am 30. März 2006 erteilte die Beklagte der Klägerin den Zuschlag für die angebo- tenen Arbeiten über 1.186.211,26 € brutto nach Abzug eines Nachlasses von 5 %.
3
Wegen der Dauer des Vergabeverfahrens hatte die Klägerin im Jahr 2005 begonnen, die zur Ausführung vorgesehene und von ihr vorgehaltene Stahlgleitwand sukzessive auf anderen Baustellen einzusetzen. Bei Zuschlagserteilung musste die Klägerin daher die benötigte Stahlgleitwand bei einem Nachunternehmer anmieten. Die Klägerin machte Mehrkosten für die Vorhaltung der Stahlgleitwand wegen der mehrfachen Verlängerung der Zuschlagsfrist in Höhe von 431.783,60 € geltend. Diese Forderung ist Gegenstand des Parallelverfahrens VII ZR 81/17.
4
Die Stahlgleitwand wurde auf Weisung der Beklagten nur an 333 Tagen eingesetzt, da diese die Baumaßnahme erheblich beschleunigte. Die Klägerin beansprucht für die infolge vorzeitiger Vertragsbeendigung nicht erbrachten Leistungen auf der Grundlage eines vorgerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens und unter Berücksichtigung eines Nachlasses von 5 % eine Vergütung in Höhe von insgesamt 94.778,24 €.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung des geforderten Betrags verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
7
Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung anzuwenden, Art. 229 § 39 EGBGB.

I.

8
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Klägerin stehe aufgrund der erheblich verkürzten Bau- bzw. Vorhaltezeit ein Anspruch aus § 8 Nr. 1 VOB/B (2002) zu. Die Aufforderung der Beklagten an die Klägerin, die ca. 14.800 m lange Stahlgleitwand bereits nach einer Standzeit von 333 Tagen (statt nach vereinbarten 588 Tagen) abzubauen, sei nach verständiger Auslegung als eine den Anspruch nach § 8 Nr. 1 VOB/B (2002) begründende freie Kündigung anzusehen. Die Beklagte habe aufgrund der Notwendigkeit zur vorzeitigen Fertigstellung der Baumaßnahme von ihrem freien Kündigungsrecht Gebrauch gemacht. Angesichts der erheblichen Beschleunigung der Baumaßnahme wegen der enormen Verzögerung beim Baubeginn einerseits und der notwendigen Fertigstellung des Autobahnteilstücks vor dem G 8-Gipfel in Heiligendamm im Juni 2007 andererseits habe die Kündigung ihre Ursache allein im Risiko- und Verantwortungsbereich der Beklagten.
9
Die als Kündigung auszulegende Aufforderung zum Abbau der Stahlgleitwand habe zwar nicht dem Schriftformerfordernis nach § 8 Nr. 5 VOB/B (2002) entsprochen. Indes sei allgemein anerkannt, dass bei einem VOBVertrag die Kündigungsregelungen in §§ 8, 9 VOB/B (2002) jedenfalls auch dann Geltung erlangen sollen, wenn von einer einverständlichen Vertragsaufhebung auszugehen sei und die Parteien sich nicht über deren Folgen ausdrücklich verständigt hätten. Aufgrund des nach Aufforderung der Beklagten erfolgten Abbaus der Stahlgleitwand und der weiteren Baustellenräumung sowie der Fertigstellung der Baumaßnahme sei hier die Annahme einer einver- nehmlichen (konkludenten) Vertragsaufhebung berechtigt. Vorliegend hätten sich die Parteien über die Folgen dieser einvernehmlichen Vertragsaufhebung ausdrücklich nicht verständigt.
10
Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag sei dahin auszulegen, dass die Klägerin die Vorhaltung der Stahlgleitwand in einem Umfang von 14.800 m für mindestens 588 Tage schuldete. Bei einer Verkürzung der vertraglich vereinbarten Leistungs(Miet-)zeit werde der Auftragnehmer in seiner berechtigten Vergütungserwartung für den gesamten Zeitraum enttäuscht. Aufgrund des überwiegend mietrechtlichen Charakters der streitgegenständlichen Bauleistung sei eine Anpassung nach den Regelungen zur Vergütungsanpassung für Mehr- und Mindermengen beim Einheitspreisvertrag gemäß § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) nicht vorzunehmen. Im Übrigen komme eine Anwendung des § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) nur in Betracht, wenn sich die Verringerung der Leistung ohne Einwirkung des Auftraggebers wegen der an Ort und Stelle vorgefundenen Verhältnisse ergebe, was vorliegend nicht der Fall sei.
11
Die Klägerin mache aufgrund einer nachträglichen Kalkulation ihres Angebotspreises den Vergabegewinn, den Gewinn und Allgemeine Geschäftskosten als nicht ersparte Kosten geltend. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin ihrem Vergütungsanspruch nur solche Vergütungsbestandteile zugrunde lege, die ohnehin nicht erspart werden könnten und ihr unabhängig von einem anderweitigen Erwerb zuständen, mithin durch anderweitigen Erwerb nicht kompensiert werden könnten. Gegen die Berechnung des Anspruches habe die Beklagte keine substantiierten Angriffe geführt.

II.

12
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
13
1. Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass der Klägerin nach teilweiser einvernehmlicher Aufhebung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags vom 30. März 2006 nach § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002) ein Vergütungsanspruch wegen nicht erbrachter Leistungen in Höhe von 94.778,24 € zusteht.
14
a) Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass der Vertrag vom 30. März 2006 durch die Beschleunigungsmaßnahmen der Beklagten, die dazu geführt haben, dass die Vorhaltung der Stahlgleitwand nur an 333 Tagen statt wie im Leistungsverzeichnis angegeben 588 Tagen erforderlich war, teilweise einvernehmlich vorzeitig beendet worden ist.
15
aa) Das Berufungsgericht legt den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag hinsichtlich der darin enthaltenen Position zur Vorhaltung einer Stahlgleitwand von 14,8 km für 588 Tage dahin aus, dass die Klägerin danach verpflichtet war, entsprechend der in Aussicht genommenen Bauzeit eine Stahlgleitwand für einen Zeitraum von insgesamt 588 Tagen zur Verfügung zu halten. Die tatrichterliche Vertragsauslegung ist revisionsrechtlich nur dahingehend überprüfbar, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2015 - VII ZR 58/14, NZBau 2016, 213 Rn. 15; Urteil vom 9. Juli 2015 - VII ZR 5/15, BGHZ 206, 203 Rn. 20; Versäumnisurteil vom 22. Januar 2015 - VII ZR 87/14, NJW 2015, 1107 Rn. 14; Urteil vom 18. Dezember 2014 - VII ZR 60/14, BauR 2015, 828 Rn. 17 m.w.N. = NZBau 2015, 220). Beachtliche Rechtsfehler des Berufungsgerichts bei der Vertragsauslegung liegen entgegen der Auffassung der Revision nicht vor.
16
Die Auffassung der Revision, das Berufungsgericht sei von einem Pauschalpreis - und nicht von einem Einheitspreisvertrag ausgegangen, trifft nicht zu. Das Berufungsgericht hat vielmehr zugrunde gelegt, dass das Vorhalten der Stahlgleitwand nach den im Vertrag vereinbarten Einheitspreisen je Tag der Vorhaltung abzurechnen war. Soweit das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, dass der Zeitraum der Vorhaltung der Stahlgleitwand mit 588 Tagen verbindlich im Sinne einer Mindestvertragslaufzeit vereinbart worden ist, begegnet dies keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Die Auslegung des Berufungsgerichts ist möglich und widerspricht insbesondere nicht dem Grundsatz einer interessengerechten Auslegung.
17
Soweit die Revision dagegen anführt, die Beklagte habe in der Leistungsbeschreibung "Baubeschreibung Verkehrsführung" gefordert, die Einheitspreise so zu kalkulieren, dass diese für die gesamte Bauzeit verbindlich sind, steht dies einer interessengerechten Auslegung nicht entgegen. Dieser von der Beklagten vorgegebene Passus der Leistungsbeschreibung stützt vielmehr die Annahme des Berufungsgerichts, dass sich ein Bieter auf eine Bauzeit von 588 Tagen einzurichten und seine Preise entsprechend zu kalkulieren hatte.
18
bb) Ausgehend von der Annahme, dass die Klägerin nach dem Vertrag eine Stahlgleitwand jedenfalls für eine Bauzeit von 588 Tagen zur Verfügung halten musste, stellt die Anforderung der Stahlgleitwand durch die Beklagte während eines Zeitraums von lediglich 333 Tagen eine Verkürzung der ursprünglich vereinbarten Vertragslaufzeit dar, die einer Teilkündigung des Vertrags gleichzustellen ist. Da nach den von der Revision insoweit nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts von einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung auszugehen ist, kommt es auf die von der Revision für erheblich gehaltene Frage, ob die Parteien auf das für eine Kündigung geltende Schriftformerfordernis nach § 8 Nr. 5 VOB/B (2002) verzichten können, nicht entscheidend an.
19
b) Im Falle der einvernehmlichen Vertragsbeendigung richtet sich die vom Auftragnehmer zu beanspruchende Vergütung nach § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002), der inhaltlich weitgehend dem § 649 Satz 2 BGB entspricht , sofern sich die Parteien über die Folgen der Vertragsbeendigung nicht anderweitig geeinigt haben (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juni 1973 - VII ZR 113/71, NJW 1973, 1463 f., juris Rn. 25 f.m.w.N.; Ingenstau/Korbion/Joussen/Vygen, VOB Teile A und B, 20. Aufl., § 8 Abs. 6 VOB/B Rn. 8; O. Vogel, BauR 2011, 313, 315). Feststellungen zu einer solchen Vereinbarung hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
20
aa) § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002) verdrängt, wie das Berufungsgericht richtig erkennt, als speziellere Regelung den § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) (vgl. OLG Celle, BauR 1995, 558, juris Rn. 4; Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB Teile A und B, 20. Aufl., § 2 Abs. 3 VOB/B Rn. 33; Kapellmann/Schiffers/Markus, Vergütung , Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Bd. 1, Einheitspreisvertrag , 7. Aufl., Rn. 512; Kuffer in Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 13. Aufl., § 2 VOB/B Rn. 111). Eine Anpassung der vereinbarten Vergütung nach § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) kommt nur in Betracht, wenn es ohne Eingriff in den ursprünglichen Leistungsbestand zu einer reinen Mengenänderung bei den Vordersätzen der bei Vertragsschluss festgelegten Leistungen kommt (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2003 - VII ZR 346/01, BauR 2004, 495, 496, juris Rn. 18 = NZBau 2004, 207). Diese Voraussetzung ist, wie dargestellt, nicht erfüllt.
21
bb) Der Klägerin steht danach gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002) die vereinbarte Vergütung zu; sie muss sich jedoch anrechnen lassen, was sie infolge der teilweisen Aufhebung des Vertrags an Kosten erspart oder durch anderweitige Verwendung ihrer Arbeitskraft und ihres Betriebs erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Das Berufungsgericht hält in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Klägerin einen Betrag in Höhe von 94.778,24 € für gerechtfertigt. Dies begegnet revisionsrechtlich keinen Bedenken (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2016 - VII ZR 201/15, BGHZ 209, 278 Rn. 27; Urteil vom 28. Oktober 1999 - VII ZR 326/98, BGHZ 143, 79, 83 f., juris Rn. 13; Urteil vom 30. September 1999 - VII ZR 206/98, BauR 2000, 126, 128, juris Rn. 13 = NZBau 2000, 140; Urteil vom 14. Januar 1999 - VII ZR 277/97, BGHZ 140, 263, 269, juris Rn. 25). Die Höhe der von der Klägerin errechneten Vergütung wird von der Revision im Übrigen nicht angegriffen.
22
2. Die Klägerin kann von der Beklagten weiterhin unter dem Gesichtspunkt des Verzugs gemäß § 280 Abs. 1, § 286 BGB Ersatz der durch die vorgerichtliche Beauftragung ihrer Prozessbevollmächtigten entstandenen Rechtsver- folgungskosten in der geltend gemachten Höhe von 1.935,50 € nach einem Gegenstandswert von 94.778,24 € verlangen. Eine Obliegenheit der Klägerin, ihren Prozessbevollmächtigten hinsichtlich des im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Vergütungsanspruchs und des im Parallelverfahren VII ZR 81/17 verfolgten Zahlungsanspruchs einen einheitlichen Auftrag zu erteilen , folgt entgegen der Auffassung der Revision nicht bereits daraus, dass sie in diesem Fall wegen der Zusammenrechnung der Forderungen infolge der sich aus der Gebührentabelle ergebenden Gebührenstufen insgesamt eine geringere Verfahrensgebühr an ihre Prozessbevollmächtigten hätte zahlen müssen. Da die Klägerin berechtigt war, die beiden Ansprüche in zwei getrennten Prozessen geltend zu machen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. November 2017 - VII ZR 81/17 und VII ZR 82/17), ist die Erteilung zweier getrennter Aufträge nicht als Verstoß gegen § 254 Abs. 2 Satz 1, 2. Fall BGB zu bewerten. Die Hö- he der von der Klägerin nach einem Streitwert von 94.778,24 € zu beanspru- chenden Gebühr steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

III.

23
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Kartzke Halfmeier Jurgeleit Graßnack Brenneisen

Vorinstanzen:
LG Schwerin, Entscheidung vom 29.11.2012 - 4 O 270/12 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 14.03.2017 - 4 U 155/12 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2018 - VII ZR 82/17

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(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

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(1) Ist dem Vertrag ein Kostenanschlag zugrunde gelegt worden, ohne dass der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags übernommen hat, und ergibt sich, dass das Werk nicht ohne eine wesentliche Überschreitung des Anschlags ausführbar i
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Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 29.11.2012, Az. 4 O 270/12, abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 94.778,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.11.2007 zu zahlen sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.935,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.05.2012 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu zahlen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Klägerin fordert als Auftragnehmerin von der beklagten Bundesrepublik Deutschland Vergütung für infolge verkürzter Bauzeit nicht erbrachte Leistungen sowie die Erstattung damit im Zusammenhang stehender vorgerichtlicher Anwaltskosten.

2

Die Klägerin unterbreitete der Beklagten nach öffentlicher Ausschreibung am 19.07.2004 (Anl. K 1 – AB 1 ff.) ein Angebot - betreffend den grundhaften Ausbau der Bundesautobahn A 19, RF Wittstock – Rostock, km 90,80 – km 104,250 - für Leistungen der Verkehrsführung und Verkehrssicherung in Höhe von insgesamt 1.076.416,75 EUR netto (= 1.248.643,43 EUR brutto), welches entsprechend der Ausschreibung unter der Position 00.03.0024 die Leistung „Stahlgleitwand von 14.800,00 m für 588 Tage vorhalten“ zu einem Einheitspreis von 1.184,00 EUR/Tag netto und dementsprechend zu einem Gesamtbetrag von 696.192,00 EUR netto (K 2 - AB 58ff, 68) beinhaltete.

3

In der Ausschreibung (B 1 - GA I 45) heißt es u.a.: „Frist der Ausführung: September 2004 - April 2006. Vorbehaltlich der Zuschlagserteilung des Bauhauptloses“.

4

Die am 02.09.2004 endende Binde- und Zuschlagsfrist wurde auf Bitten der Beklagten mit Zustimmung der Klägerin insgesamt fünfmal „aufgrund der verwaltungstechnischen Bearbeitung“ und wegen „Verschiebung des Hauptbauloses“ verlängert. Am 30.03.2006 erteilte die Beklagte der Klägerin den Zuschlag für das verfahrensgegenständliche Teillos über 1.186.211,26 EUR brutto nach Abzug eines Nachlasses in Höhe von 5% (K 14 - AB 96f.).

5

Wegen der enormen Verzögerung im Vergabeverfahren hatte die Klägerin bereits im Jahr 2005 und damit vor Erteilung des Zuschlags am 30.03.2006 begonnen, die zur Ausführung vorgesehene Stahlgleitwand von 14,8 km sukzessive auf anderen Baustellen einzusetzen. Bei Zuschlagserteilung sah sich die Klägerin daher gehalten, die benötigte Stahlgleitwand bei einem Nachunternehmer anzumieten. Mit Schreiben vom 13.04.2006 (K 15 - AB 98) zeigte die Klägerin Mehrkosten infolge der verspäteten Zuschlagserteilung an, welche sie mit Nachtragsangebot N 3.1 vom 22.11.2006 auf 648.832,00 EUR netto bezifferte. Dieser Nachtrag ist Gegenstand des Parallelverfahrens 4 U 69/12.

6

Entgegen der Beauftragung, nämlich u.a. 14,8 km Stahlgleitwand für 588 Tage vorzuhalten, wurde die mobile Stahlgleitwand auf Weisung der Beklagten nur 333 Tage eingesetzt, da die Beklagte zum einen wegen der erheblichen Verzögerung in den Vergabeverfahren und zum anderen wegen der geforderten Fertigstellung des Autobahnteilstücks vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm die Baumaßnahme erheblich beschleunigte. Wegen der Verkürzung der Leistungszeit beanspruchte die Klägerin mit Nachtragsangebot N 4.1 vom 25.10.2007 auf Grundlage von § 2 Nr. 3 VOB/B Vergütung für den verkürzten Bauzeitraum in Höhe von 251.008,00 EUR netto (K 10 - AB 148).

7

Diese Position hat die Klägerin auch in ihrer Schlussrechnung vom 11.10.2007 (K 9 - 125 ff., 131) unter N 4.1 abgerechnet. Ausweislich der Schlusszahlungsmitteilung vom 20.11.2007 (K 18 - AB 107) leistete die Beklagte Schlusszahlung, jedoch unter Streichung der vorgenannten Position.

8

Gegen diese und andere Kürzungen der Schlussrechnung machte die Klägerin mit Schreiben vom 19.12.2007 einen Vorbehalt gemäß § 16 Nr. 3 VOB/B geltend (K 19 - AB 130). Auf Antrag der Klägerin vom 25.03.2008 haben die Parteien sodann zu den vorbehaltenen Schlussrechnungspositionen ein Schlichtungsverfahren gem. § 18 Nr. 2 Ziff. 2 VOB/B durchgeführt, in dessen Ergebnis die Beklagte Ansprüche der Klägerin infolge verkürzter Bauzeit zurückgewiesen hat.

9

Die Klägerin verfolgt ihren Vergütungsanspruch im Klagewege auf privatsachverständiger Grundlage der K. ... Baumanagement GmbH (K 27 - AB 231 ff.) in Höhe von nunmehr 94.778,24 EUR weiter. Sie hat mit Hilfe des für die Darlegung und Berechnung des Anspruchs eingeholten Privatgutachtens zunächst eine kalkulatorische Aufschlüsselung der Vertragspreise vorgenommen, da sie ihre Vertragspreise bei Angebotsabgabe aus Erfahrungswerten gebildet hatte. Die Klägerin beansprucht hierbei als Vergütung infolge vorzeitiger Vertragsbeendigung (lediglich) den sich aus dem Abschluss des Nachunternehmervertrages ergebenden Vergabegewinn, die Allgemeinen Geschäftskosten und den auf den nicht ausgeführten Leistungsteil im Verhältnis zur Beklagten kalkulierten Gewinn und berechnet ihren Vergütungsanspruch auf der Grundlage der mit dem Nachunternehmer ursprünglich vereinbarten Vergütung für die Vorhaltung der Stahlgleitwand in Höhe von 0,05 EUR je Meter und Tag und der eigenen Vorhaltekosten aus der Angebotskalkulation in Höhe von 1.029,57 EUR (s. Anlage zu K 27), mithin in Höhe von 0,0696 EUR je Meter und Tag (1.029,57 EUR / 14.800 m = 0,0696 EUR) wie folgt:

10

Vergabegewinn:

11

0,0696 EUR je Meter und Tag - 0,05 EUR je Meter und Tag = 0,0196 EUR je Meter und Tag

12

Entgangener Vergabegewinn:

13

0,0196 EUR je Meter und Tag x 14.876,10 m (tatsächliche Länge der Stahlgleitwand) x 255 (gekündigte) Tage
= 74.350,75 EUR

14

Allgemeine Geschäftskosten:

15

Nach der Angebotskalkulation entfällt auf die Position 00.03.0024 bei einem kalkulierten Deckungsbeitrag in Höhe von 8 % auf die Allgemeinen Geschäftskosten ein Betrag von 82,37 EUR für 14,8 km, woraus sich Allgemeine Geschäftskosten in Höhe von 0,0056 EUR je Meter und Tag und hieraus - bezogen auf die tatsächliche Länge der Stahlgleitwand von 14.876,10 m und 255 (gekündigten) Tagen - 21.243,07 EUR ergeben.

16

Gewinn:

17

Nach der Angebotskalkulation besteht für den Gewinn ein Vergütungsanspruch in Höhe von 16,24 EUR für 14,8 km Stahlgleitwand, woraus sich ein Gewinn von 0,0011 EUR je Meter und Tag ergibt und hieraus - bezogen auf 14.876,10 m Stahlgleitwand und 255 Tagen - 4.172,75 EUR Gewinn ergibt.

18

Aus den o.g. Einzelpositionen beziffert die Klägerin ihren Anspruch unter Berücksichtigung eines Nachlasses von 5 % (99.766,57 EUR - 4.988,33 EUR) auf insgesamt 94.778,24 EUR.

19

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, ein Anspruch nach § 2 Nr. 5 VOB/B bestehe nicht, da die Anordnung der Beklagten zur verkürzten Bauzeit keine Änderungsanordnung im Sinne dieser Vorschrift sei. Auch ein Anspruch aus § 8 Nr. 3 VOB/B komme nicht in Betracht, da bereits eine schriftliche Kündigungserklärung nicht vorliege und im Übrigen eine Teilkündigung nicht möglich sei.

20

Die Klägerin hat gegen das Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt. In ihrer rechtzeitigen Berufungsbegründung hat sie im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft.

21

Die Klägerin beantragt,

22

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Schwerin, verkündet am 29.11.2012, die Beklagte zu verurteilen, an sie - die Klägerin - 94.778,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.11.2007 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.935,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

23

Die Beklagte beantragt,

24

die Berufung zurückzuweisen.

25

Sie ist der Auffassung, wegen des Einheitspreisvertrages sei allein die tatsächlich ausgeführte Leistung maßgeblich. Die Klage auf Basis einer einzelnen Position aus der Schlussrechnung sei unzulässig. Im Übrigen würden sich der im Parallelverfahren verfolgte Anspruch wegen der verzögerten Vergabe und der hier verfolgte Anspruch wegen der vorzeitigen Rücknahme der eingesetzten Stahlgleitwand ausschließen. Ferner habe die Klägerin ihren Anspruch nicht prüfbar abgerechnet. Insbesondere stimme die nachträglich erstellte Angebotskalkulation nicht mit dem Angebotspreis überein. Nicht sämtliche Positionen des Leistungsverzeichnisses seien nachgerechnet worden. Ferner könne die fehlende Urkalkulation nicht durch eine nachträglich gefertigte Kalkulation ersetzt werden. Des Weiteren müsse sich die Klägerin ersparte Aufwendungen und anderweitige Erwerbsmöglichkeiten, auch solche ihres Nachunternehmers anrechnen lassen.

II.

26

Die zulässige Berufung ist begründet.

27

1. Der Klägerin steht aufgrund der erheblich verkürzten Bau- bzw. Vorhaltezeit ein Anspruch aus § 8 Nr. 1 VOB/B zu.

28

Die Aufforderung der Beklagten an die Klägerin, die ca. 14,8 km lange Stahlgleitwand bereits nach einer Standzeit von 333 Tagen (statt nach vereinbarten 588 Tagen) abzubauen, ist nach verständiger Auslegung als eine den Anspruch nach § 8 Nr. 1 VOB/B begründende freie Kündigung anzusehen. Die Beklagte hat aufgrund der Notwendigkeit zur vorzeitigen Fertigstellung der Baumaßnahme von ihrem freien Kündigungsrecht Gebrauch gemacht. Angesichts der erheblichen Beschleunigung der Baumaßnahme wegen der enormen Verzögerung beim Baubeginn einerseits und der notwendigen Fertigstellung des Autobahnteilstücks vor dem G 8-Gipfel in Heiligendamm im Juni 2007 andererseits hatte die Kündigung ihre Ursache allein im Risiko- und Verantwortungsbereich der Beklagten.

29

Die als Kündigung auszulegende Aufforderung zum Abbau der Stahlgleitwand entsprach zwar nicht dem Schriftformerfordernis nach § 8 Nr. 5 VOB/B. Indes ist allgemein anerkannt, dass bei einem VOB-Vertrag die Kündigungsregelungen in §§ 8, 9 VOB/B jedenfalls auch dann Geltung erlangen sollen, wenn von einer einverständlichen Vertragsaufhebung auszugehen ist und die Parteien sich nicht über deren Folgen ausdrücklich verständigt haben (Ingenstau/Korbion/Joussen/Vygen, VOB, 19. Aufl., § 8 Abs. 5, Rdn. 8).

30

Aufgrund des nach Aufforderung durch die Beklagte erfolgten Abbaus der Stahlgleitwand und der weiteren Baustellenberäumung sowie der Fertigstellung der Baumaßnahme ist hier die Annahme einer einvernehmlichen (konkludenten) Vertragsaufhebung berechtigt. Vorliegend haben sich die Parteien über die Folgen dieser einvernehmlichen Vertragsaufhebung ausdrücklich nicht verständigt. Daher ist nach dem ebenfalls konkludent zu ermittelnden Willen in aller Regel davon auszugehen, dass die sich aus §§ 8, 9 VOB/B ergebenden Kündigungsfolgen greifen, mithin vorliegend der Klägerin neben dem Vergütungsanspruch für erbrachte Leistungen auch ein Vergütungsanspruch für die infolge der Kündigung/einvernehmlichen Vertragsaufhebung nicht erbrachten Leistungen, verringert um die Beträge, die die Klägerin erstens infolge der Vertragsaufhebung an Kosten erspart und/oder zweitens durch anderweitige Verwendung ihrer Arbeitskraft oder ihres Betriebes erworben hat oder drittens böswillig zu erwerben unterlässt, zusteht.

31

2. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag dahin auszulegen, dass die Klägerin die Vorhaltung der Stahlgleitwand entsprechend der Position 00.03.0024 in einem Umfang von 14.800 m für mindestens 588 Tage schuldete. Eine andere Auslegung des Vertrages ist auch mit Blick auf den hier anzunehmenden typengemischten Vertrag (mietrechtliche Komponente bezüglich der Vorhaltung der Stahlgleitwand) nicht interessengerecht. Bei einer Verkürzung der vertraglich vereinbarten Leistungs(Miet-)zeit wird der Auftragnehmer in seiner berechtigten Vergütungserwartung für den gesamten Zeitraum enttäuscht.

32

Aufgrund des überwiegend mietrechtlichen Charakters der streitgegenständlichen Bauleistung ist eine Anpassung nach den Regelungen zur Vergütungsanpassung für Mehr- bzw. Mindermengen beim Einheitspreisvertrag gemäß § 2 Nr. 3 VOB/B nicht vorzunehmen. Im Übrigen kommt eine Anwendung des § 2 Nr. 3 VOB/B nur in Betracht, wenn sich die Verringerung der Leistung ohne Einwirkung des Auftraggebers wegen der an Ort und Stelle vorgefundenen Verhältnisse ergibt (Keldungs, aaO, § 2 Abs. 3 Rn. 33), was vorliegend jedoch nicht der Fall ist. Denn die Beklagte hat aufgrund einer in ihrem Verantwortungsbereich liegenden Forcierung der Baumaßnahme die beauftragten Leistungen der Klägerin gekürzt.

33

3. Erhebliche Angriffe der Beklagten im Hinblick auf die Berechnung des geltend gemachten Vergütungsanspruchs für die nicht erbrachte weitere Vorhaltung der Stahlgleitwand vermag der Senat nicht zu erkennen.

34

Die Klägerin macht aufgrund einer nachträglichen Kalkulation ihres Angebotspreises den Vergabegewinn, den Gewinn und Allgemeine Geschäftskosten als nicht ersparte Kosten geltend. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin ihrem Vergütungsanspruch nur solche Vergütungsbestandteile zugrunde legt, die ohnehin nicht erspart werden können und ihr unabhängig von einem anderweitigen Erwerb zustehen, mithin durch anderweitigen Erwerb nicht kompensiert werden können (vgl. zu nicht ersparten Kosten: Joussen/Vygen, aaO, § 8 Abs. 1, Rn. 67 ff.).

35

Die Berechnung des Anspruchs auf Grundlage des Privatgutachtens der K. ... Baumanagement GmbH unter erstmaliger Erstellung der Urkalkulation (vgl. zur Notwendigkeit und Zulässigkeit einer nachträglichen Erstellung der Angebotskalkulation: BGH, Urteil vom 07. November 1996 - VII ZR 82/95 -, juris Rn.10) ist in sich schlüssig. Entgegen der Behauptung der Beklagten hat die Klägerin sämtliche Positionen ihres Angebots nachvollziehbar aufgeschlüsselt und schließt in ihrer nachträglich erstellten Kalkulation mit dem Angebotspreis von 1.076.415,75 EUR ab, was sich aus der Anlage der baubetrieblichen Stellungnahme ohne Weiteres ergibt.

36

Das im Übrigen allgemeine Bestreiten der Beklagten, die Berechnung sei nicht prüfbar, überzeugt nicht. Substantiierte Angriffe, dass einzelne Positionen bzw. Zuschlagsätze unzutreffend seien, führt sie nicht.

37

4. Soweit die Beklagte bestreitet, dass der Nachunternehmer der Klägerin die 14.876 Meter Stahlgleitwand nach der tatsächlichen Einsatzzeit von nur 333 Tagen nicht weiter eingesetzt bzw. vermietet habe, ist ihr entgegen zu halten, dass die Klägerin keinen Kündigungsschaden aus dem Rechtsverhältnis zu ihrem Nachunternehmer geltend macht.

38

5. Der hier verfolgte Vergütungsanspruch wegen des auf Weisung der Beklagten vorzeitig erfolgten Abbaus der Stahlgleitwand besteht unabhängig vom dem im Parallelverfahren verfolgten Entschädigungsanspruch aufgrund der vergabeverfahrensbedingten Behinderungskosten.

39

Wer wegen Annahmeverzugs des Bestellers seine Leistungen nicht erbringen kann, sondern Geräte, Arbeitskraft und Kapital vorhält und deshalb auch andere Aufträge nicht generieren bzw. ausführen kann, behält gleichwohl seinen Vergütungsanspruch wegen der beauftragten Leistungen. Werden diese Leistungen später gekündigt, führt dies grundsätzlich nicht zum Wegfall der Vergütung. Der Anspruch auf Entschädigung nach § 642 BGB tritt neben den Vergütungsanspruch des Unternehmers und ist insbesondere nicht mit diesem zu verrechnen (Staudinger/Peters/Jacoby, 2014, BGB, § 642 Rn. 27).

40

6. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die isolierte klageweise Geltendmachung der mit Schlussrechnungsposition N 4.1 beanspruchten bauzeitverkürzt bedingten Kosten zulässig. Es handelt sich um einen eigenständigen Anspruch mit eigener Grundlage, der unabhängig von der Schlussrechnung im Übrigen und damit unabhängig von der ansonsten beanspruchten Vergütung für erbrachte Leistungen geltend gemacht werden kann.

41

7. Wegen der von der Klägerin zu beanspruchenden Entschädigung stehen ihr auch die für deren Durchsetzung angefallenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu. Denn die Beklagte befand sich zum Zeitpunkt der Mandatierung bereits in Zahlungsverzug.

42

8. Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 2 BGB. Mit der in der Schlusszahlungsmitteilung erfolgten Streichung der von der Klägerin beanspruchten Entschädigung von Vorhaltekosten hat die Beklagte die Erfüllung der Forderung ernsthaft und endgültig verweigert.

43

9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

44

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 ZPO.

45

10. Im Hinblick auf die im Parallelverfahren zu entscheidende und bislang nicht geklärte Rechtsfrage, ob und ggf. auf welcher Grundlage und in welchem Umfang infolge verzögerter Vergabeverfahren vorvertraglich entstandene Vorhaltekosten des Bestbieters zu erstatten sind, und hinsichtlich der nicht auszuschließenden Abhängigkeit beider Ansprüche war die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 81/17 Verkündet am:
26. April 2018
Klein,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Anspruch auf Ersatz von nach Vertragspreisen einschließlich eines Prozentsatzes
für Allgemeine Geschäftskosten kalkulierten Vorhaltekosten wegen verzögerter
Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren steht dem Auftragnehmer nicht
aufgrund einer entsprechenden Anwendung des § 642 BGB zu.
BGH, Urteil vom 26. April 2018 - VII ZR 81/17 - OLG Rostock
LG Schwerin
ECLI:DE:BGH:2018:260418UVIIZR81.17.0

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2018 durch die Richter Dr. Kartzke, Halfmeier und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterinnen Graßnack und Dr. Brenneisen
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 14. März 2017 - 4 U 69/12 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 29. März 2012 wird, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt worden ist, zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin fordert den Ersatz von nach Vertragspreisen einschließlich eines Prozentsatzes für Allgemeine Geschäftskosten kalkulierten Vorhaltekos- ten für eine mobile Stahlgleitwand wegen einer durch die Verlängerung von Zuschlagsfristen eingetretene Verzögerung im Vergabeverfahren.
2
Die Beklagte führte im Jahr 2004 eine öffentliche Ausschreibung betreffend den grundhaften Ausbau der Bundesautobahn A 19 für Leistungen der Verkehrsführung und Verkehrssicherung durch, an dem sich die Klägerin mit einem Angebot zu einem Gesamtpreis von 1.076.416,75 € netto beteiligte. Darin bot die Klägerin entsprechend der Ausschreibung unter Einbeziehung der VOB/B (2002) die Vorhaltung einer Stahlgleitwand von 14,8 km für 588 Tage zu einem Einheitspreis von 1.184 €/Tag netto an. In der Ausschreibung war als Frist für die Ausführung der Leistungen der Zeitraum von September 2004 bis April 2006 angegeben, vorbehaltlich der Zuschlagserteilung des Bauhauptloses. Nach den der Ausschreibung zugrunde liegenden Besonderen Vertragsbedingungen sollte die Ausführung der Arbeiten spätestens zwölf Tage nach Zuschlagserteilung beginnen, insbesondere der Aufbau der Verkehrssicherung spätestens 36 Werktage nach Zuschlagserteilung erfolgen. Die am 2. September 2004 endende Binde- und Zuschlagsfrist wurde auf Bitten der Beklagten mit Zustimmung der Klägerin mehrfach verlängert, zuletzt bis zum 31. März 2006. Am 30. März 2006 erteilte die Beklagte der Klägerin den Zuschlag für die angebotenen Arbeiten über 1.186.211,26 € brutto nach Abzug eines Nachlasses von 5 %.
3
Wegen der Dauer des Vergabeverfahrens hatte die Klägerin im Jahr 2005 begonnen, die zur Ausführung vorgesehene und von ihr vorgehaltene Stahlgleitwand sukzessive auf anderen Baustellen einzusetzen. Bei Zuschlagserteilung musste die Klägerin daher die benötigte Stahlgleitwand bei einem Nachunternehmer anmieten. Mit Nachtragsangebot vom 22. November 2006 und in der Schlussrechnung vom 11. Oktober 2007 machte die Klägerin Mehrkosten für die Vorhaltung der Stahlgleitwand wegen der mehrfachen Ver- längerung der Zuschlagsfrist in Höhe von 648.832 € geltend. Die Beklagte kürzte die Schlussrechnung um diese Position.
4
Die Stahlgleitwand wurde auf Weisung der Beklagten nur an 333 Tagen eingesetzt, da die Beklagte die Baumaßnahme erheblich beschleunigte. Wegen der Verkürzung der Leistungszeit macht die Klägerin einen Anspruch in Höhe von 94.778,24 € geltend, der Gegenstand des Parallelverfahrens VII ZR 82/17 ist.
5
Mit der Klage hat die Klägerin unter Vorlage eines Privatgutachtens, in dem die Vertragspreise kalkulatorisch aufgeschlüsselt und die konkrete Menge und Dauer der Vorhaltung der Stahlgleitwand bis zur Zuschlagserteilung ermittelt worden sind, den Ersatz von Vorhaltekosten in Höhe von 431.783,60 € verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht der Klage in Höhe von 430.688,62 € nebst vorgerichtlichen Anwaltskosten und Zinsen stattgegeben und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist, und die vollständige Zurückweisung der Berufung der Klägerin erreichen.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision der Beklagten hat Erfolg.
7
Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung anzuwenden, Art. 229 § 39 EGBGB.

I.

8
Das Berufungsgericht hat, soweit für die Revision von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt:
9
Der Klägerin stehe infolge der verzögerten Vergabe und der daraus resultierenden Vorhaltung der mobilen Stahlgleitwand ein Anspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 642 BGB zu. Der werkvertragliche Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB sei auf das bei öffentlicher Ausschreibung zwischen Auftraggeber und Bieter begründete vertragsähnliche Verhältnis für die Erfassung einer verschuldensunabhängigen Entschädigung des Auftragnehmers analog anzuwenden.
10
Eine Regelung zu einer verschuldensunabhängigen vorvertraglichen Haftung des Auftraggebers im Falle unterbliebener beziehungsweise verzögerter Mitwirkung bei öffentlichen Ausschreibungen fehle. Ein Mehrvergütungsanspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B (2002) erfasse nicht den Fall einer vorvertraglichen Behinderung infolge einer verzögerten Zuschlagserteilung. Die Klägerin mache keine wegen der Bauzeitverschiebung erhöhten Preise oder Ähnliches geltend, sondern verlange Entschädigung für das in Erwartung des Zuschlags erfolgte Vorhalten ihrer Leistung.
11
Es bestehe insoweit eine planwidrige Regelungslücke, deren Schließung zur sachgerechten Abstimmung von Vergabe- und Vertragsrecht geboten erscheine. Das infolge von Verzögerungen im Vergabeverfahren bedingte Vorhalten von Leistungen (Arbeitskraft, Gerät und Kapital) des Bestbieters entspreche dem vertraglichen Vorhalten der Leistung bei einem Annahmeverzug des Bestellers gemäß § 642 BGB. Denn die vorvertragliche Interessenlage der Beteiligten des Vergabeverfahrens entspreche im Wesentlichen der der Werkvertragsparteien. Bis zum Ablauf der Zuschlagsfrist sei der Bieter nicht nur preislich an sein Angebot gebunden, er erkläre darüber hinaus, zu den in der Aus- schreibung festgelegten Ausführungsterminen leistungsbereit zu sein. Der öffentliche Auftraggeber habe ebenfalls ein Interesse daran, dass der Bieter entsprechend den Ausführungsterminen mit der Ausführung seiner Leistungen beginne. Dass in Fällen einer verzögerten Vergabeentscheidung der Bestbieter allein das damit verbundene Verzögerungsrisiko tragen solle, sei angesichts der vergleichbaren Konstellation zu den von § 642 BGB erfassten Fällen ein Wertungswiderspruch. Allein der Umstand, dass sich das Verzögerungsrisiko vor dem durch Zuschlagserteilung wirksamen Vertragsschluss realisiert habe, ändere nichts an der im Werkvertragsrecht vorgenommenen Risikozuweisung.
12
Nach der durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass die Klägerin 14,8 km mobile Stahlgleitwand aus dem eigenen Fundus entsprechend den Ausschreibungsspezifika nach dem Submissionsergebnis in berechtigter Erwartung des Zuschlags vorgehalten habe, um zeitnah nach dem avisierten Zuschlagstermin am 2. September 2004 ihre vertraglichen Leistungen termingerecht erbringen zu können. Die von der Klägerin vorgenommene Berechnung des Anspruchs beinhalte die nach § 642 BGB zu entschädigenden Positionen. Die Klägerin mache auf (nachträglicher) kalkulativer Grundlage Vorhaltekosten und Allgemeine Geschäftskosten zuzüglich Umsatzsteuer geltend. Durchgreifende Angriffe der Beklagten bezüglich der Berechnung des Klageanspruchs seien nicht erkennbar. Der Vortrag der Klägerin hierzu sei plausibel (§ 287 ZPO).

II.

13
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
14
Ein Anspruch auf Ersatz von nach Vertragspreisen einschließlich eines Prozentsatzes für Allgemeine Geschäftskosten kalkulierten Vorhaltekosten für die mobile Stahlgleitwand in Höhe von 430.688,62 € wegen verzögerter Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren steht der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Es kann daher dahinstehen, ob sich, wie die Revision geltend macht, bereits aus dem Inhalt der Ausschreibung, insbesondere der vorbehaltenen Beauftragung des Bauhauptloses, ergibt, dass der Klägerin das Risiko, die Stahlgleitwand während des Vergabeverfahrens vorzuhalten, in vollem Umfang zugewiesen worden war.
15
1. Die Parteien haben einen Vertrag geschlossen, der den spätesten Ausführungsbeginn auf zwölf Werktage nach dem 2. September 2004, dem Ende der in der Ausschreibung vorgesehenen Bindefrist, festlegte. Die Klägerin hat ein entsprechendes Angebot abgegeben; die Beklagte hat dieses Angebot mit ihrem Zuschlagsschreiben vom 30. März 2006 unverändert angenommen. Dies gilt unabhängig davon, dass der in dem Angebot für den Beginn der Ausführung vorgesehene späteste Termin zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war. Ein Zuschlag in einem Vergabeverfahren ist regelmäßig so auszulegen, dass er sich auch auf wegen Zeitablaufs obsolet gewordene Fristen und Termine bezieht (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, BGHZ 181, 47 Rn. 37; Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, BauR 2009, 1901 Rn. 21 = NZBau 2009, 771). Eine Auslegung der Ausschreibungsunterlagen dahingehend, dass für die Bauzeit in jedem Fall an einen noch nicht feststehenden tatsächlichen Zuschlagstermin angeknüpft wird, kommt nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, aaO Rn. 20).
16
2. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann dem Auftragnehmer ein Mehrvergütungsanspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Abs. 5 VOB/B zustehen, soweit es infolge verzögerter Vergabe zu einer Verschiebung der Ausführungsfristen gekommen ist (BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 - VII ZR 213/08, BGHZ 186, 295 Rn. 12; Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, BauR 2009, 1901 Rn. 11 = NZBau 2009, 771). Die Ver- mutung der Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung gilt bei einem Bauvertrag nicht unabhängig von der vereinbarten Leistungszeit, weil diese regelmäßig Einfluss auf die Vereinbarung der Höhe der Vergütung des Auftragnehmers hat. Deshalb hat die durch ein verzögertes Vergabeverfahren bedingte Änderung der Leistungszeit auch zur Folge, dass die Parteien sich über eine Anpassung der Vergütung verständigen müssen (BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 - VII ZR 213/08, aaO Rn. 25; Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, BGHZ 181, 47 Rn. 49). Kommt es nicht zu einer solchen Einigung, ist der Vertrag ergänzend auszulegen. Dabei ist darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner für den von ihnen nicht geregelten Fall vereinbart hätten. Danach ist die Bauzeit unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls anzupassen. Besonderheiten, wie etwa Bauerschwernisse oder -erleichterungen durch jahreszeitliche Verschiebungen, sind unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen beider Parteien und vor dem Hintergrund, dass der Auftragnehmer der Bindefristverlängerung zugestimmt hat, zu berücksichtigen. Die Grundsätze des vereinbarten § 6 Abs. 3 und 4 VOB/B sind sinngemäß anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, aaO Rn. 27; Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, aaO Rn. 48). Zugleich ist der vertragliche Vergütungsanspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Abs. 5 VOB/B anzupassen (BGH, Urteil vom 8. März 2012 - VII ZR 202/09, BauR 2012, 939 Rn. 20 = NZBau 2012, 287; Urteil vom 26. November 2009 - VII ZR 131/08, BauR 2010, 455 Rn. 13 = NZBau 2010, 102; Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, aaO Rn. 28; Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, aaO Rn. 49).
17
b) Noch zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass diese für Fälle der verzögerten Vergabe entwickelten Grundsätze im Streitfall zu keinem Anspruch der Klägerin führen, da die Klägerin keine Mehrvergütung in An- lehnung an die Grundsätze des § 2 Abs. 5 VOB/B aufgrund der Verschiebung der Ausführungsfristen geltend macht, sondern den Ersatz von nach Vertragspreisen einschließlich eines Prozentsatzes für Allgemeine Geschäftskosten kalkulierten Vorhaltekosten im Zeitraum bis zur verzögerten Zuschlagserteilung. Das Klagebegehren beruht nicht auf einer nach Vertragsschluss eingetretenen Veränderung von rechtsgeschäftlich an die Einhaltung der Bauzeit geknüpften Leistungspflichten der Klägerin, die sie durch eine entsprechende Anpassung/ Erhöhung der von der Beklagten nach dem Vertrag geschuldeten Vergütung (Gegenleistung) ausgeglichen wissen will (vgl. BGH, Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, BauR 2009, 1901 Rn. 14 = NZBau 2009, 771). Die Klägerin stützt ihren Anspruch vielmehr auf die verzögerte Erteilung des Zuschlags und knüpft die begehrte Rechtsfolge damit an eine Störung der vorvertraglichen Rechtsbeziehung.
18
3. Der Klägerin steht kein Schadensersatzanspruch in Höhe der geltend gemachten Vorhaltekosten für die mobile Stahlgleitwand bis zur Zuschlagserteilung gemäß § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 Nr. 1 und § 280 Abs. 1 BGB zu. Es kann offen bleiben, ob - wie die Revision geltend macht - eine der Beklagten zurechenbare Pflichtverletzung im Vergabeverfahren aufgrund von Verzögerungen bei der Vergabe des Hauptbauloses vorgelegen hat. Denn die Klägerin fordert mit der Klage keine etwa von ihr in Erwartung des Vertragsschlusses getätigten konkreten Aufwendungen, sondern eine Entschädigung für das Vorhalten ihrer Leistung bis zur Erteilung des Zuschlags, die sie nach Maßgabe des § 642 BGB auf der Grundlage der für die Leistung kalkulierten Vergütung einschließlich eines Prozentsatzes für Allgemeine Geschäftskosten berechnet hat. Es kann daher ebenfalls dahingestellt bleiben, ob Fehler im Vergabeverfahren überhaupt einen Anspruch des Bieters auf Ersatz von solchen konkreten Aufwendungen begründen könnten.
19
4. Anders als das Berufungsgericht meint, steht der Klägerin infolge der verzögerten Vergabe ein Anspruch auf Ersatz von nach Vertragspreisen einschließlich eines Prozentsatzes für Allgemeine Geschäftskosten kalkulierten Vorhaltekosten für die mobile Stahlgleitwand bis zur Zuschlagserteilung auch in entsprechender Anwendung des § 642 BGB nicht zu.
20
a) § 642 BGB regelt einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch des Unternehmers, wenn der Besteller eine ihm obliegende Mitwirkungshandlung unterlässt, die bei der Herstellung des Werks erforderlich ist, und der Besteller hierdurch in Annahmeverzug gerät (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017 - VII ZR 16/17, BauR 2018, 242 Rn. 19 = NZBau 2018, 25; Urteil vom 20. April 2017 - VII ZR 194/13, BauR 2017, 1361 Rn. 18 = NZBau 2017, 596, jeweils zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Die angemessene Entschädigung nach § 642 BGB wird für die Wartezeiten des Unternehmers gezahlt und stellt eine Kompensation für die Bereithaltung von Personal , Geräten und Kapital dar (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017 - VII ZR 16/17, aaO Rn. 28 m.w.N.).
21
b) Eine unmittelbare Anwendung des § 642 BGB kommt im Streitfall nicht in Betracht, da - wovon auch das Berufungsgericht ausgeht - in dem Zeitraum, für den Vorhaltekosten für die mobile Stahlgleitwand geltend gemacht werden, noch kein Werkvertrag zwischen den Parteien bestand und die Beklagte keine Obliegenheit zur Vornahme einer bei der Herstellung des Werks erforderlichen Mitwirkungshandlung im Sinne des § 642 Abs. 1 BGB traf (vgl. Bornheim/ Badelt, ZfBR 2008, 249, 257).
22
Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (Peters, NZBau 2010, 156 f.) kann ein Annahmeverzug des Auftraggebers nicht im Wege einer vermeintlichen Rückwirkung der Zuschlagserteilung auf den Zeitpunkt des ursprünglichen Ablaufs der Bindefrist begründet werden. Das Verhal- ten der Parteien im Rahmen der Bindefristverlängerung und der Zuschlagserteilung ist dahin auszulegen, dass sie den Vertrag zwar bereits bindend schließen, über neue, dem eingetretenen Zeitablauf Rechnung tragende Fristen und dadurch bedingte Preissteigerungen jedoch noch eine Einigung herbeiführen wollten (BGH, Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, BauR 2009, 1901 Rn. 24 = NZBau 2009, 771; Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, BGHZ 181, 47 Rn. 44). Kommt es nicht zu der von den Parteien erwarteten nachträglichen Einigung, existiert eine zu füllende Regelungslücke, die durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen ist, wobei die Bauzeit unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls anzupassen ist und Bauerschwernisse oder -erleichterungen zu berücksichtigen sind (BGH, Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, aaO Rn. 24, 27; Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, aaO Rn. 44, 48). Im Hinblick auf die bei einer verspäteten Zuschlagserteilung erforderliche Vertragsanpassung gerät der Auftraggeber daher nicht bereits deswegen in Annahmeverzug, weil im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung die Ausführungstermine bereits verstrichen sind.
23
c) Ein Anspruch auf Ersatz von Vorhaltekosten des Bieters wegen verzögerter Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren kann nicht auf eine entsprechende Anwendung des § 642 BGB gestützt werden. Es ist bereits zweifelhaft, ob eine planwidrige Regelungslücke gegeben ist. Eine Ausdehnung des § 642 BGB auf den vorvertraglichen Bereich in Fällen der Zuschlagsverzögerung scheitert jedenfalls an der für eine entsprechende Anwendung erforderlichen vergleichbaren Interessenlage. Ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung besteht kein Grund für eine verschuldensunabhängige Haftung des Auftraggebers für die Folgen von Zuschlagsverzögerungen, die nicht auf einer Pflichtverletzung beruhen (Kau/Hänsel, NJW 2011, 1914, 1916; vgl. auch Althaus/ Bartsch in Althaus/Heindl, Der öffentliche Bauauftrag, 3. Aufl., Teil 4, Rn. 224).
24
aa) Der Bieter, der sich im Vergabeverfahren leistungsbereit hält, nimmt die Vorhaltung seiner Leistung deswegen in Kauf, weil er darauf hofft, dass ihm der Zuschlag erteilt wird. Es handelt sich um Kosten der Vertragsakquise, die - vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung der Vertragsparteien - grundsätzlich vom Bieter zu tragen sind. Vor Abschluss des Vertrags handelt der Bieter , der seine Leistung vorhält, insoweit auf eigenes Risiko. Denn der Auftraggeber ist gegenüber dem Bieter nicht zum Vertragsschluss verpflichtet, sondern lediglich zur Durchführung eines vergaberechtskonformen Verfahrens. Die Ungewissheit , ob und wann dem Bieter der Zuschlag erteilt wird, gehört zum allgemeinen Risiko eines jeden, der sich an einer öffentlichen Ausschreibung beteiligt.
25
bb) Vor diesem allgemeinen Risiko wird der Bieter hinreichend dadurch geschützt, dass sein Angebot befristet ist und eine Verlängerung der Bindefrist seiner Zustimmung bedarf. Stimmt der Bieter einer Bindefristverlängerung zu, erklärt er damit, dass der angebotene Preis bei unveränderter Leistung und unveränderten Leistungszeiten bis zum Ablauf der Bindefrist gilt (vgl. BGH, Urteile vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, BauR 2009, 1901 Rn. 37 = NZBau 2009, 771; VII ZR 82/08, BGHZ 182, 218 Rn. 29). Der Bieter hat in einem solchen Fall daher weiterhin das für jeden Bieter sich aus einer solchen Verlängerung ergebende Risiko zu tragen.
26
cc) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts lief die Klägerin nicht wegen des in der Ausschreibung festgelegten Ausführungstermins von zwölf Werktagen nach Zuschlagserteilung Gefahr, mit ihrer Leistung nach erfolgtem Zuschlag in Leistungsverzug zu geraten, wenn sie sich nicht während des gesamten Vergabeverfahrens vorsorglich leistungsbereit hielt. Nach dem vorstehend Gesagten war aufgrund der Erteilung des Zuschlags nach Ablauf der in der Ausschreibung genannten Bindefrist im Wege der Vertragsanpassung ein neuer Ausführungstermin zwischen den Parteien zu vereinbaren. Da hierbei die Umstände des Einzelfalls und die sinngemäße Anwendung der Grundsätze des § 6 Nr. 3 und 4 VOB/B (2002) auch im Interesse der Klägerin zu berücksichtigen waren, bestand für sie keine Veranlassung, die mobile Stahlgleitwand über den gesamten Zeitraum der verzögerten Vergabe vorzuhalten. Die Klägerin durfte im Hinblick auf das Erfordernis einer nachträglichen Anpassung der vertraglichen Ausführungsfristen zudem nicht davon ausgehen, dass eine solche Vorhaltung ihrer Leistung dem Interesse der Beklagten als Auftraggeberin entsprach.
27
5. Die Entscheidung des Berufungsgerichts kann danach keinen Bestand haben. Das Urteil ist im angefochtenen Umfang aufzuheben. Die Berufung der Klägerin ist, soweit über sie nicht bereits rechtskräftig erkannt worden ist, zurückzuweisen. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO.

III.

28
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Kartzke Halfmeier Jurgeleit Graßnack Brenneisen
Vorinstanzen:
LG Schwerin, Entscheidung vom 29.03.2012 - 4 O 233/11 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 14.03.2017 - 4 U 69/12 -
15
aa) Rechtsfehlerhaft geht das Berufungsgericht davon aus, dass sich die aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag über die Lieferung und Verwertung von Restabfällen ergebende Pflicht der Klägerin zur Verwertung der von der Beklagten zu liefernden Abfälle lediglich allgemein auf die fachgerechte Verwertung des von der Beklagten zu liefernden Abfalls beschränkte und nicht die Verwertung der von der Beklagten zu liefernden Abfälle in der im Vertrag bezeichneten TRV B. zum Gegenstand hatte. Diese Annahme beruht auf einer rechtsfehlerhaften Auslegung der vertraglichen Vereinbarung der Parteien. Die tatrichterliche Vertragsauslegung ist allerdings revisionsrechtlich nur dahingehend überprüfbar, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 2015 - VII ZR 5/15, BauR 2015, 1652 Rn. 20 = NZBau 2015, 549; Versäumnisurteil vom 22. Januar 2015 - VII ZR 87/14, NJW 2015, 1107 Rn. 14; Urteil vom 18. Dezember 2014 - VII ZR 60/14, BauR 2015, 828 Rn. 17 = NZBau 2015, 220; Urteil vom 4. Dezember 2014 - VII ZR 4/13, BauR 2015, 527 Rn. 17 m.w.N. = NZBau 2015, 84). Solche Auslegungsfehler liegen hier jedoch vor.
20
Die tatrichterliche Vertragsauslegung ist revisionsrechtlich nur dahingehend überprüfbar, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (st. Rspr.; vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 22. Januar 2015 - VII ZR 87/14, NJW 2015, 1107 Rn. 14; Urteil vom 18. Dezember 2014 - VII ZR 60/14, BauR 2015, 828 Rn. 17 m.w.N. = NZBau 2015, 220). In diesem Rahmen beachtliche Rechtsfehler des Berufungsgerichts bei der Vertragsauslegung liegen entgegen der Auffassung der Revision nicht vor. Die Sicherungsabrede im Bauwerksvertrag wird ergänzt durch die Regelungen des § 17 Nr. 8 VOB/B (2002), soweit der Bauwerksvertrag keine vorrangigen Regelungen aufweist. Der Bauwerksvertrag enthält keine ausdrückliche Vereinbarung bezüglich des Zeitpunkts, zu dem die zur Ablösung des Einbehalts zugelassene (Gewährleistungs-)Bürgschaft zurückzuge- ben ist. Daraus, dass im Bauwerksvertrag eine unbefristete Bürgschaft vorgesehen ist, kann mangels hinreichender weiterer Anhaltspunkte nicht gefolgert werden, die Parteien des Bauwerksvertrags hätten als Rückgabezeitpunkt - abweichend von der Regelung in § 17 Nr. 8 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VOB/B (2002) - den Zeitpunkt des Ablaufs der Verjährungsfrist betreffend die Mängelansprüche vereinbart. Für den Umstand, dass es sich auch bei der von der Bürgin übernommenen Bürgschaft um eine unbefristete Bürgschaft handelt, gilt Entsprechendes. Im Anwendungsbereich der VOB/B ist für eine Sicherheitsleistung durch Bürgschaft gerade Voraussetzung, dass die Bürgschaft nicht auf bestimmte Zeit begrenzt ist, § 17 Nr. 4 Satz 2 Halbsatz 2 VOB/B (2002). Das gilt auch dann, wenn die Parteien keinen von der Regelung in § 17 Nr. 8 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VOB/B (2002) abweichenden Rückgabezeitpunkt vereinbart haben.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 21. März 2014 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte nach beendetem Handelsvertretervertrag auf Zahlung restlicher Provision für den Monat August 2010 in Anspruch.

2

Geschäftsgegenstand der Beklagten ist u.a. die Herstellung von und der Handel mit Kunststoffteilen, mit denen sie Automobilhersteller beliefert. Der Kläger war aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Handelsvertretervertrags vom 20. Januar 2007 als Handelsvertreter für die Beklagte tätig und vertrat diese gegenüber der B. AG.

3

In "§ 2 Provision" des Vertrages war Folgendes vereinbart:

"Der Handelsvertreter erhält von dem Unternehmen eine Provision von

1,0 % bis zu einem Jahresumsatz von 12 Mio. €

0,7 % von dem 12 Mio. € Jahresumsatz übersteigenden Betrag bis

zu einem Jahresumsatz von 25 Mio. €

0,5 % von dem 25 Mio. € übersteigenden Jahresumsatz

Der Mindestprovisionsanspruch beträgt 120.000,00 € pro Jahr, zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer und ist zahlbar in monatlichen Teilbeträgen von 10.000,00 €

…".

4

Das Geschäft der Beklagten mit der B. AG gestaltete sich so, dass die B. AG zunächst eine auf bestimmte Fahrzeugbauteile bezogene Anfrage an die Beklagte richtete, die Angaben zum Gesamtvolumen und zur Jahresproduktion enthielt, jedoch mit dem Zusatz verbunden war, dass Stückzahlinformationen keine Verpflichtung der B. AG zur Abnahme entsprechender Volumina begründeten. Auf der Grundlage dieser Anfrage erstellte die Beklagte sodann ein Angebot, das wiederum Grundlage einer von der B. AG erteilten Serienbestellung war. Diese Bestellung enthielt u.a. Angaben zum Festpreis, zum Bedarfsort, zum Versand und zu den Zahlungsbedingungen, jedoch keine Stückzahlen, sondern lediglich einen Prozentsatz in Höhe des auf den Gesamtbedarf entfallenden Lieferanteils. Nach den der Serienbestellung zugrunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der B. AG stellen die in Anfragen oder Angeboten angegebenen Mengen lediglich unverbindliche Orientierungswerte dar und begründen keinerlei Verpflichtung für die B. AG, diese Mengen zu bestellen. Außerdem ist festgelegt, dass die in den Serienbestellungen angegebenen Lieferquoten in keinem Zusammenhang zu Mengenangaben in Anfragen oder Angeboten stehen. Die Menge der von der Beklagten zu liefernden Teile wurde in der Folge jeweils erst durch Lieferabrufe der B. AG konkretisiert.

5

Mit Schreiben vom 28. Juli 2010, das dem Kläger am 3. August 2010 zuging, erklärte die Beklagte die außerordentliche Kündigung des Handelsvertretervertrags wegen eines Verstoßes des Klägers gegen das vertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbot. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das Handelsvertreterverhältnis mit Ablauf des 3. August 2010 beendet worden ist. Für den Monat August 2010 zahlte die Beklagte dem Kläger eine anteilige Vergütung in Höhe von 1.535,48 €. Für den Zeitraum vom 4. bis zum 31. August 2010 fordert der Kläger eine restliche Provision in Höhe von 8.398,14 €.

6

Das Landgericht hat die Beklagte in diesem Umfang durch Teilurteil zur Zahlung verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist, nachdem der Kläger eine zunächst geltend gemachte Klageerweiterung nicht weiter verfolgt hat, mit der Maßgabe zurückgewiesen worden, dass es sich bei dem angefochtenen Urteil um ein Schlussurteil handele. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

8

Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Ladung zum Termin nicht vertreten war, ist über die Revision der Beklagten durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis des Klägers, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 ff.).

I.

9

Das Berufungsgericht führt aus, dem Kläger stehe für den Monat August 2010 aus § 87 Abs. 1 HGB ein Anspruch auf Überhangprovision in Höhe von restlichen 8.398,14 € zu. Denn sämtliche geltend gemachten Provisionen resultierten aus Abrufen aus Serienbestellungen der B. AG, die während der Laufzeit des Handelsvertretervertrages aufgegeben worden seien. Das die Provisionsanwartschaft im Sinne des § 87 Abs. 1 HGB auslösende Geschäft sei in der Serienbestellung und nicht im einzelnen Lieferabruf zu sehen. Denn durch die Serienbestellung seien die wesentlichen Bedingungen der Lieferbeziehung bereits festgelegt worden, der einzelne Lieferabruf folge einem Automatismus, ohne dass noch einmal Verhandlungen zwischen der Beklagten und der B. AG geführt würden. Zwar stehe die genaue Abnahmemenge im Zeitpunkt der Serienbestellung nicht fest. Die Festlegung auf konkrete Stückzahlen sei aber als alleiniges Abgrenzungskriterium zum Sukzessivlieferungsvertrag, der unstreitig provisionsauslösend sei, im vorliegenden Fall untauglich. In diesem Zusammenhang sei auch zu beachten, dass der Serienbestellung erhebliche Vorplanungen vorangegangen seien, die sich erst bei Abwicklung der Serie im geplanten Umfang amortisierten. Entsprechend könne hier der Lieferabruf nur für die Höhe und Fälligkeit des Provisionsanspruchs des Klägers als maßgeblich angesehen werden und nicht als eigenständiges Geschäft. Da ein Provisionsanspruch nach § 87 Abs. 1 HGB gegeben sei, könne dahinstehen, ob dem Kläger auch ein Anspruch aus § 87 Abs. 3 HGB zustehe und ob er Handlungen vorgenommen habe, die eine Serienbestellung durch die B. AG gefördert hätten.

II.

10

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

11

1. Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht an, dass dem Kläger gemäß § 87 Abs. 1 HGB für nach der Beendigung des Handelsvertretervertrages erfolgte Lieferabrufe der B. AG allein aufgrund während der Laufzeit dieses Vertrags erfolgter Serienbestellungen ein Provisionsanspruch in Höhe von 1 % des auf die einzelnen Lieferabrufe entfallenden Umsatzes zusteht.

12

a) Nach § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB hat der Handelsvertreter Anspruch auf Provision für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind oder mit Dritten abgeschlossen werden, die er als Kunden für Geschäfte der gleichen Art geworben hat. Für die Frage, für welche Geschäfte der Handelsvertreter eine Provision erhalten soll und auf welchen Zeitpunkt es für das Entstehen des Provisionsanspruchs ankommt, ist die von den Parteien getroffene Vergütungsvereinbarung maßgeblich. Die Vorschrift des § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB ist insoweit dispositiv (vgl. Emde in Staub, Großkommentar HGB, 5. Aufl., 2008, § 87 Rn. 11 f. m.w.N.).

13

b) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der Provisionsvereinbarung im Hinblick auf das nach § 87 Abs. 1 HGB provisionspflichtige Geschäft ist von Rechtsfehlern beeinflusst.

14

Die tatrichterliche Vertragsauslegung ist allerdings revisionsrechtlich nur dahingehend überprüfbar, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2014 - VII ZR 4/13, juris Rn. 17; Urteil vom 26. Juni 2014 - VII ZR 289/12, BauR 2014, 1773 Rn. 13 = NZBau 2014, 555; Urteil vom 12. September 2013 - VII ZR 227/11, BauR 2013, 2017 Rn. 11 = NZBau 2013, 695). Das Berufungsurteil beruht indes auf derartigen Auslegungsfehlern. Das Berufungsgericht hat den Wortlaut der Provisionsvereinbarung nicht hinreichend berücksichtigt und dem Grundsatz der beiderseits interessengerechten Auslegung nicht ausreichend Rechnung getragen.

15

Die zwischen den Parteien geschlossene Provisionsvereinbarung begründet keinen Anspruch auf Zahlung einer Provision allein aufgrund von Serienbestellungen seitens der B. AG, die während der Laufzeit des Handelsvertretervertrags erfolgt sind. Nach dem Inhalt des von den Parteien geschlossenen Handelsvertretervertrags ist das die Provisionsanwartschaft des Klägers nach § 87 Abs. 1 HGB auslösende Geschäft nicht die jeweilige Serienbestellung, sondern der durch den Abruf seitens der B. AG zustande kommende jeweilige Liefervertrag. Der Senat kann die Provisionsvereinbarung der Parteien selbst auslegen, weil weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind.

16

aa) Die Parteien haben in § 2 des Handelsvertretervertrags vereinbart, dass der Kläger bis zu einem Jahresumsatz von 12.000.000 € eine Provision in Höhe von 1 % erhalten sollte, wobei zugleich bestimmt war, dass die Beklagte bei einem Jahresumsatz bis zu 12.000.000 € eine Mindestprovision von jährlich 120.000 € zuzüglich Umsatzsteuer, zahlbar in monatlichen Teilbeträgen von 10.000 €, schuldete. Dieser Mindestprovisionsanspruch, der wertmäßig einem Anteil von 1 % bei einem Jahresumsatz von 12.000.000 € entspricht, sollte dem Kläger unabhängig von der Anzahl oder dem Wert der von ihm vermittelten Geschäftsabschlüsse als Mindestvergütung zustehen.

17

Nach dem Wortlaut der Bestimmung in § 2 ist die dem Kläger zustehende Provision anteilig aus dem jeweiligen Jahresumsatz der Beklagten mit der B. AG zu berechnen. Zwar ist für die vereinbarte Provision von 1 % eine Bezugsgröße nicht ausdrücklich angegeben. Aus den folgenden Bestimmungen zur Höhe der Provision bei Jahresumsätzen, die einen Betrag von 12.000.000 € übersteigen, ergibt sich jedoch, dass nach dem Willen der Parteien auf den jeweiligen Jahresumsatz abzustellen ist. So soll dem Kläger von dem 25.000.000 € übersteigenden Jahresumsatz ein Provisionsanspruch in Höhe von 0,5 % zustehen. Die Abhängigkeit des Provisionsanspruchs von dem jeweiligen Jahresumsatz bedeutet, dass die diesen Umsatz auslösenden Geschäfte nach dem Willen der Parteien Grundlage des Provisionsanspruchs sind. Dies sind die jeweils durch die Lieferabrufe der B. AG zustande kommenden Einzellieferverträge. Erst mit diesen und nicht bereits mit der von der B. AG aufgegebenen Serienbestellung wird der für den Provisionsanspruch nach dem Vertrag maßgebliche Umsatz generiert.

18

bb) Die Auffassung des Berufungsgerichts, das die Provisionsanwartschaft auslösende Geschäft sei in der von der B. AG aufgegebenen Serienbestellung zu sehen, findet im Vertragswortlaut dagegen keine Stütze. Da sich aus der Provisionsvereinbarung der Parteien keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ergeben, dass auf den Zeitpunkt der zu einer Bezugsbindung des Kunden führenden Serienbestellung abzustellen ist, ist nicht davon auszugehen, dass die Beklagte bereits im Zeitpunkt der Serienbestellung unabhängig vom Fortbestand des Handelsvertretervertrags eine Provisionsverpflichtung gegenüber dem Kläger für die bis zum Abschluss der Serienproduktion erfolgenden und in ihrer Größenordnung noch nicht feststehenden Lieferabrufe übernehmen wollte.

19

Eine dahingehende Auslegung der Provisionsvereinbarung der Parteien wäre auch nicht interessengerecht. Mit einer solchen Regelung würde der Beklagten im Hinblick auf die für solche Serienproduktionen üblichen Laufzeiten von mehreren Jahren anderenfalls ein unverhältnismäßig hohes wirtschaftliches Risiko aufgebürdet, weil sie bei einem solchen Verständnis der Klausel im Falle der Beendigung des Handelsvertretervertrags noch für einen erheblichen Zeitraum zu Provisionszahlungen gegenüber dem ausgeschiedenen Kläger und daneben zu Provisionszahlungen gegenüber dessen Nachfolger verpflichtet sein könnte. Das wäre etwa dann der Fall, wenn sich die Beklagte diesem gegenüber auch zu Provisionszahlungen für Lieferabrufe aus früheren Serienbestellungen verpflichten würde. Eine solche Vertragsgestaltung liegt nahe, weil der nachfolgende Handelsvertreter regelmäßig von Beginn seines Vertragsverhältnisses an auf ausreichende Einkünfte angewiesen sein dürfte. Hierfür spricht zudem, dass mit der vereinbarten Mindestprovision eine derartige Vertragsgestaltung im Verhältnis zum Kläger gewählt worden ist.

20

Das Interesse des Klägers rechtfertigt die vom Berufungsgericht gefundene Auslegung ebenfalls nicht. Denn seinem Provisionsinteresse ist bereits dadurch angemessen Rechnung getragen worden, dass er von Beginn der Vertragslaufzeit an die vereinbarte Mindestprovision erhielt.

21

cc) Auf die rechtliche Qualifizierung der Serienbestellung als Rahmen- bzw. Bezugsvertrag (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 1957 - II ZR 33/56, NJW 1958, 180; OLG Koblenz, Urteil vom 14. Juni 2007 - 6 U 529/06, juris Rn. 26; Emde in Staub, Großkommentar HGB, 5. Aufl., 2008, § 87 Rn. 71 ff.; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, 3. Aufl., § 87 Rn. 60) oder als ein dem Sukzessivlieferungsvertrag vergleichbarer Vertrag (vgl. Thume in Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Band 1, 4. Aufl., Kap. V Rn. 168; Döpfer in FS Thume 2008, S. 35, 46) kommt es danach für die Entscheidung, ob dem Kläger für den in Rede stehenden Zeitraum ein Provisionsanspruch nach § 87 Abs. 1 HGB zusteht, nicht entscheidend an. Vielmehr ist die Auslegung der von den Parteien getroffenen Provisionsvereinbarung maßgebend. Auch aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21. Oktober 2009 (VIII ZR 286/07, NJW 2010, 298) ergibt sich nichts anderes.

22

2. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob dem Kläger Provisionsansprüche gemäß § 87 Abs. 3 HGB für Umsätze zustehen, die auf Lieferabrufen der B. AG beruhen, die - nach Beendigung des Handelsvertretervertrags - im August 2010 erfolgt sind. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO, weil Feststellungen dazu fehlen, ob die Voraussetzungen des § 87 Abs. 3 HGB für nach Beendigung des Vertrags von der Beklagten geschlossene Lieferverträge vorliegen. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um diesem Gelegenheit zu geben, die erforderlichen Feststellungen nachzuholen.

III.

23

Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

24

1. Das Berufungsgericht wird in diesem Zusammenhang ergänzend zu prüfen haben, ob nach der vertraglichen Vereinbarung der Parteien Ansprüche des Klägers gemäß § 87 Abs. 3 HGB für den Fall einer auf einen Wettbewerbsverstoß gestützten außerordentlichen Kündigung möglicherweise ausgeschlossen sind, wie die Beklagte in der Revision geltend gemacht hat. Ein allgemeiner Grundsatz, dass im Falle der Beendigung des Handelsvertretervertrags durch fristlose Kündigung Provisionen für die Zeit nach Beendigung des Vertrags nicht geschuldet werden (vgl. OLG München, Urteil vom 19. Dezember 2012 - 7 U 465/12, juris Rn. 29), ist allerdings nicht anzuerkennen. Insoweit kommt es auf die Auslegung der von den Parteien getroffenen Provisionsvereinbarung unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlage im Einzelfall an. Nach den bisher getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass nachvertragliche Provisionsansprüche des Klägers gemäß § 87 Abs. 3 HGB für den Fall ausgeschlossen sein sollten, dass der Handelsvertretervertrag wegen eines Verstoßes des Klägers gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot durch außerordentliche Kündigung beendet würde.

25

2. Der Kläger hat einen ihm gegebenenfalls nach § 87 Abs. 3 HGB zustehenden Provisionsanspruch für den Zeitraum vom 4. bis zum 31. August 2010 zudem der Höhe nach bislang nicht schlüssig dargelegt. Hierzu genügt es nicht, zu den auf diesen Zeitraum aufgrund von Lieferabrufen der B. AG entfallenden Umsätzen vorzutragen. Denn der Kläger kann nach der vertraglichen Provisionsvereinbarung, die insoweit auch für einen etwaigen Provisionsanspruch nach § 87 Abs. 3 Satz 1 HGB beachtlich ist, nicht eine Provision in der von ihm geltend gemachten Höhe von 1 % der von der Beklagten in diesem Zeitraum erzielten Einzelumsätze, sondern lediglich eine Provision in Höhe von 1 % des auf diesen Zeitraum anteilig entfallenden Jahresumsatzes beanspruchen. Hierzu hat der Kläger zunächst die Höhe des im Jahr 2010 insgesamt erzielten Jahresumsatzes darzulegen. Für den hier interessierenden Zeitraum vom 4. bis zum 31. August 2010 ist der auf diese Zeitspanne prozentual entfallende Jahresumsatz zugrunde zu legen. Ein Provisionsanspruch in Höhe von 1 % des sich für diesen Zeitraum ergebenden anteiligen Umsatzes steht dem Kläger nach § 87 Abs. 3 HGB allerdings nur dann zu, wenn feststeht, dass für die nach der Beendigung des Vertrags ab dem 4. August 2010 von der Beklagten erzielten Umsätze die Voraussetzungen des § 87 Abs. 3 HGB vorliegen.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen das hiermit zugestellte Versäumnisurteil des Bundesgerichtshofes kann die säumige Partei binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung beim Bundesgerichtshof  E i n s p r u c h  einlegen. Der Einspruch muss von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt durch Einreichung einer Einspruchsschrift beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, Karlsruhe eingelegt werden.

Die Einspruchsschrift muss enthalten:

1. die Bezeichnung des Urteils, gegen das der Einspruch gerichtet wird;

2. die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde.

Soll das Urteil nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.

Eick                       Halfmeier                      Kartzke

           Graßnack                         Sacher

(1) Ist dem Vertrag ein Kostenanschlag zugrunde gelegt worden, ohne dass der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags übernommen hat, und ergibt sich, dass das Werk nicht ohne eine wesentliche Überschreitung des Anschlags ausführbar ist, so steht dem Unternehmer, wenn der Besteller den Vertrag aus diesem Grund kündigt, nur der im § 645 Abs. 1 bestimmte Anspruch zu.

(2) Ist eine solche Überschreitung des Anschlags zu erwarten, so hat der Unternehmer dem Besteller unverzüglich Anzeige zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 346/01 Verkündet am:
27. November 2003
Heinzelmann,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VOB/B § 1 Nr. 4

a) § 1 Nr. 4 VOB/B regelt ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers.
Dieser ist unter den Voraussetzungen des § 1 Nr. 4 VOB/B berechtigt, durch
eine einseitige empfangsbedürftige rechtsgeschäftliche Willenserklärung den Leistungsumfang
des Vertrages zu ändern.

b) Eine wirksame Leistungsänderung gemäß § 1 Nr. 4 VOB/B begründet unmittelbar
einen Anspruch des Auftragnehmers gemäß § 2 Nr. 6 VOB/B auf eine zusätzliche
Vergütung.

c) Eine Erklärung gemäß § 1 Nr. 4 VOB/B kann von einem Dritten für den Auftraggeber
nur wirksam im Rahmen einer gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht
abgegeben werden.

d) Die Leistungsänderung gemäß § 1 Nr. 4 VOB/B ist ein Verpflichtungsgeschäft im
Sinne des § 109 ThürKommO, so daß ein Landkreis durch eine Erklärung des zuständigen
Landrats oder seines Stellvertreters nur wirksam verpflichtet werden
kann, wenn die in der Thüringer Kommunalordnung geregelten Voraussetzungen
für eine wirksame Vertretung beachtet worden sind.
BGH, Urteil vom 27. November 2003 - VII ZR 346/01 - OLG Jena
LG Erfurt
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. November 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die
Richter Prof. Dr. Thode, Hausmann, Dr. Wiebel und Dr. Kuffer

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 12. September 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 987.355,77 DM (= 504.826,99 ewiesen wurde. Der Rechtsstreit wird im Umfang der Aufhebung zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


I.

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Restwerklohn. Die Klägerin erhielt nach öffentlicher Ausschreibung den Zuschlag für die Arbeiten zum Ausbau der Verbindungsstraße zwischen den Ortschaften D. und U. Hierfür sollte ein 2,2 km langer Feldweg zu einer asphaltierten Verbindungs-
straße ausgebaut werden. Die Parteien schlossen am 25. November 1994 einen Bauvertrag, der eine vorläufige Vertragssumme von 867.939,28 DM aufwies. Dem Vertrag lag ein von der Streithelferin der Klägerin erstelltes Leistungsverzeichnis zugrunde. Ferner wurden von dem Beklagten gestellte "Besondere Vertragsbedingungen" Bestandteil des Vertrages. Nachrangig war die Geltung der VOB/B vereinbart. Der Beklagte hatte die Streithelferin der Klägerin mit der Planung, Ausschreibung, Bauüberwachung, Bauoberleitung und der örtlichen Bauleitung beauftragt. Nach Abnahme erstellte die Klägerin unter Berücksichtigung bereits geleisteter Zahlungen eine Schlußrechnung über 1.917.796, 51 DM. Nach der Prüfung der Schlußrechnung durch die Streithelferin der Klägerin hielt der Beklagte lediglich eine Vergütung von noch 856.609,99 DM für gerechtfertigt. Die Differenz beruht im wesentlichen auf unterschiedlichen Ansichten der Parteien darüber, ob Arbeiten, in deren Rahmen zur Verbesserung der Bodenkennwerte der gesamte, nicht tragfähige Boden ausgetauscht wurde, von dem Beklagten zu vergüten seien. Vorgesehen war ursprünglich, im Bereich der beiden Ortschaften den Weg jeweils auf einer Länge von 60 bis 70 m in seiner vollen Breite 30 bis 40 cm tief auszuschachten und zu stabilisieren. Das etwa 2 km lange Mittelstück des Feldweges sollte im wesentlichen unverändert bleiben und mit einer Schotterschicht versehen werden. Am rechten und linken Rand des Feldwegs sollte in einer Breite von 1 bis 2 m der vorhandene Boden grundhaft aufgebaut und entsprechend stabilisiert werden. Während der Bauausführung stellte die Klägerin durch Lastplattendruckversuche fest, daß die Tragfähigkeit im Bereich des Untergrundes des Mittelstückes der geplanten Sohle unzureichend war. Daraufhin tauschte sie zwischen Mai und Juni 1995 den gesamten, nicht tragfähigen Untergrund aus.
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz nur noch darüber, ob die zusätzlichen Erdarbeiten von dem Beklagten zu vergüten sind.

II.

Das Landgericht hat der Klägerin die für die Erdarbeiten geltend gemachte Mehrvergütung zugesprochen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage hinsichtlich der Mehrvergütung für die zusätzlich durchgeführten Erdarbeiten abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe:


I.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Dieses wird auch über das im Revisionsverfahren aufgeworfene Problem der Parteistellung auf Klägerseite zu befinden haben. Das für das Schuldverhältnis maßgebliche Recht richtet sich nach den bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

II.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts steht der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf eine Vergütung oder auf Erstattung der ihr entstandenen Kosten zu. 1. Die Klägerin könne die zusätzlichen Kosten nicht gemäß § 2 Nr. 3 VOB/B wegen Überschreitung des Mengenansatzes verlangen. Das scheitere daran, daß die ausgeführte Menge um weit mehr als 10 % überschritten worden sei. Eine Abrechnung auf der Grundlage des § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B komme nicht in Betracht, da im Leistungsverzeichnis die vorzunehmende Ausschachtungstiefe angegeben sei und es sich bei darüber hinausgehendem Mehraushub um eine Zusatzleistung handele. 2. Ein Vergütungsanspruch ergebe sich nicht aus § 2 Nr. 6 VOB/B. Eine Zusatzleistung wie der Mehraushub müsse von dem Auftraggeber gefordert werden. Für ein solches Verlangen sei nichts ersichtlich. Selbst wenn die Auslegung des Baubesprechungsprotokolls vom 13. März 1995 ergebe, daß eine Zusatzleistung von den Beteiligten für erforderlich gehalten worden sei, habe es der Streithelferin der Klägerin und dem Mitarbeiter des Beklagten H. an der Vertretungsmacht gefehlt, diese fordern zu können. Bevollmächtigt, für den Beklagten Verpflichtungserklärungen abzugeben, sei der Landrat. Dieser könne Dritte bevollmächtigen, ihn zu vertreten. Eine Bevollmächtigung des Mitarbeiters H., Zusatzleistungen zu fordern, habe nicht bestanden. Auch nach Grundsätzen der Anscheins- und Duldungsvollmacht habe die Klägerin nicht von einer Vertretungsbefugnis des H. ausgehen dürfen. Das Schriftformerfordernis für Zusatzaufträge weise den Vertragspartner der öffentlichen Hand hinreichend darauf hin, daß sich die öffentliche Hand nur durch schriftliche Verträge wirksam binden könne.
3. Auch aus § 2 Nr. 8 Abs. 2 VOB/B folge kein Anspruch der Klägerin. Es könne unterstellt werden, daß die Mehrleistungen für die Erfüllung des Vertrages notwendig gewesen seien. Die vorgenommene Bauausführung habe jedoch nicht dem mutmaßlichen Willen des Beklagten entsprochen und sei ihm auch nicht unverzüglich angezeigt worden. Entscheidungen über den Ausbau von Straßen treffe üblicherweise der Kreistag. Wenn die mit der Planung beauftragte Streithelferin der Klägerin zunächst ein Volumen von 2 Mio. DM für die Baumaßnahme kalkuliert habe, die Belastung des Haushaltes mit dieser Summe jedoch nicht als vertretbar erschienen sei, so daß der Beklagte ein "entschlacktes" Leistungsverzeichnis habe erstellen lassen, aufgrund dessen er mit Kosten von ca. 1 Mio. DM gerechnet habe, zeige das, daß es nicht dem Willen des Beklagten entsprochen habe, für den Straßenausbau 2 Mio. DM auszugeben. Das ergebe sich auch daraus, daß der öffentliche Auftraggeber in der Verwendung seiner Mittel nicht frei sei. Die notwendigen Mittel hätten auch im Nachhinein nicht aufgebracht werden können, da nur begrenzte Fördermittel zur Verfügung gestanden hätten. Auch daraus, daß die Straße als künftige Kreisstraße konzipiert und ein Förderantrag gestellt worden sei, folge nicht, daß die politisch Verantwortlichen das Vorhaben zu welchen Kosten auch immer hätten durchführen wollen und daß es höchste Priorität genossen habe. Bei Kenntnis der wahren Kosten hätte der Beklagte den Straßenausbau zunächst aufschieben oder ganz von ihm Abstand nehmen können. Es fehle an einer unverzüglichen Anzeige der Zusatzleistungen, die Anspruchsvoraussetzung sei. Dem Schreiben vom 18. Mai 1995 lasse sich der Umfang der Mehrkosten nicht entnehmen. Jedenfalls sei die Anzeige erst am 30. Mai 1995 und damit verspätet eingegangen, da die Tieferschachtungsarbeiten am 31. Mai 1995 im Wesentlichen abgeschlossen gewesen seien. Die Klägerin hätte das Erfordernis der Zusatzarbeiten auch früher erkennen können , nämlich spätestens nach der Durchführung der Druckplattenversuche am
1. und 8. März und der Entschließung zur Tiefergründung laut Protokoll vom 13. März 1995. Die Klägerin hätte die Arbeiten unterbrechen und bis zu einer Entscheidung der Beklagten abwarten müssen. Eine wirksame Anzeige enthielten die Protokolle vom 13. März und 5. April 1995 nicht. Möglicherweise seien die Protokolle dem Mitarbeiter H. zeitnah übergeben worden und dieser zur Entgegennahme und Weiterleitung bevollmächtigt gewesen. Den Protokollen sei jedoch nicht zu entnehmen, daß Zusatzarbeiten in erheblichem Umfang und zu erheblichen Kosten anfallen würden. 4. Ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag scheitere daran, daß die Zusatzleistungen nicht dem mutmaßlichen oder wirklichen Willen des Beklagten entsprochen hätten. 5. Ein Anspruch aus § 812 BGB komme neben § 2 Nr. 8 Abs. 2 Satz 2 VOB/B nicht in Betracht, da § 2 Nr. 8 Abs. 2 Satz 2 VOB/B für den Anspruch auf Bezahlung aufgedrängter Leistungen besondere Voraussetzungen aufstelle und damit den Bereicherungsanspruch einschränke. Selbst wenn man § 812 BGB neben § 2 Nr. 8 VOB/B für anwendbar hielte, entfiele ein Anspruch, da die Bereicherung aufgedrängt sei. Der Beklagte habe keine Aufwendungen erspart, da es nicht seinem Willen und seinem Interesse entsprochen habe, die Straße zu den entstandenen Kosten auszubauen.

III.

Das hält der rechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand. 1. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch auf Anpassung der Vergütung nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B abgelehnt. Die vereinbarte Vergütung kann nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B angepaßt werden, wenn es ohne Eingriff in den ursprünglichen Leistungsbestand zu einer reinen Mengenänderung bei den Vordersätzen der bei Vertragsschluß festgelegten Leistungen kommt. Die Klägerin stützt ihren Vergütungsanspruch darauf, daß entgegen der ursprünglichen Planung das nicht tragfähige Erdreich im Bereich des gesamten Feldwegs ausgetauscht wurde. Darin liegt keine Mengenabweichung, sondern eine inhaltliche Änderung der ursprünglich vereinbarten Leistung. 2. Ebenfalls im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf besondere Vergütung gemäß § 2 Nr. 6 VOB/B i.V.m. § 1 Nr. 4 VOB/B verneint. Ein auf § 2 Nr. 6 VOB/B i.V.m. § 1 Nr. 4 VOB/B gestützter Anspruch scheitert daran, daß die Beklagte bei Abgabe der auf die Ausführung zusätzlicher Leistung gerichteten Willenserklärungen nicht wirksam vertreten wurde.
a) Das Verlangen einer zusätzlichen Leistung gemäß § 1 Nr. 4 VOB/B führt dazu, daß der vertragliche Leistungsumfang erweitert wird und der Auftragnehmer einen Anspruch auf besondere Vergütung erwirbt (§ 2 Nr. 6 Abs. 1 VOB/B). Mit der Vereinbarung der VOB/B wird dem Auftraggeber das Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt, unter den Voraussetzungen des § 1 Nr. 4 VOB/B durch einseitige empfangsbedürftige rechtsgeschäftliche Willenserklärung den Leistungsumfang zu ändern (BGH, Urteil vom 14. Juli 1994 - VII ZR 186/93, BauR 1994, 760 = ZfBR 1995, 15; Urteil vom 25. Januar 1996 - VII ZR
233/94, BGHZ 131, 392, 398, ZfBR 1996, 196 = BauR 1996, 378). Der An- spruch des Auftragnehmers auf Vergütung gem. § 2 Nr. 6 VOB/B und die diesem Anspruch entsprechende Verpflichtung des Auftragnehmers werden für die zusätzliche Leistung erst durch das Verlangen der zusätzlichen Leistung begründet. Die Erklärung gemäß § 1 Nr. 4 VOB/B kann von einem Dritten für den Auftraggeber nur wirksam im Rahmen einer gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht abgegeben werden (BGH, Urteil vom 14. Juli 1994 - VII ZR 186/94, BauR 1994, 760 = ZfBR 1995, 15).
b) Der beklagte Landkreis kann als kommunale Gebietskörperschaft des Landes Thüringen durch eine Erklärung gemäß § 1 Nr. 4 VOB/B den vertraglichen Leistungsumfang wirksam nur erweitern und einen zusätzlichen Vergütungsanspruch des Auftragnehmers gemäß § 2 Nr. 6 VOB/B begründen, wenn der Landrat als vertretungsberechtigtes Organ oder sein Stellvertreter die Erklärung abgegeben hat, und die nach der Thüringer Kommunalordnung (ThürKommO ) für eine wirksame Verpflichtung des Landkreises erforderlichen Voraussetzungen vorliegen.
c) Nach § 109 Abs. 2 Satz 1 und 2 ThürKommO sind Erklärungen, durch welche der Landkreis verpflichtet werden soll, nur bindend, wenn sie in schriftlicher Form abgegeben werden. Die Erklärungen sind durch den Landrat oder seinen Stellvertreter unter Angabe der Amtsbezeichnung handschriftlich zu unterzeichnen. Die Unterzeichnung kann durch einen Beigeordneten oder Bediensteten des Landkreises erfolgen, sofern eine den Erfordernissen des § 109 Abs. 2 Satz 1 und 2 ThürKommO entsprechende Vollmacht erteilt wurde. Bei § 109 Abs. 2 ThürKommO handelt es sich wie bei den entsprechenden Regelungen der Kommunalordnungen anderer Länder, auch wenn sie als Formvor-
schriften bezeichnet werden, um materielle Vorschriften über die Beschränkung der Vertretungsmacht, die dem Schutz der öffentlich-rechtlichen Körperschaften und ihrer Mitglieder dienen und zur Anwendung der §§ 177 ff. BGB führen (ständige Rechtsprechung; vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2001 - XII ZR 183/98, NJW-RR 2001, 1524) . Der Anwendungsbereich des § 109 Abs. 2 ThürKommO ist eröffnet. Bei der auf die Ausführung einer zusätzlichen Leistung gerichteten Willenserklärung handelt es sich um ein Verpflichtungsgeschäft im Sinne dieser Vorschrift. Verpflichtungsgeschäfte sind Erklärungen, die auf eine Verpflichtung der Gebietskörperschaft abzielen im Gegensatz zu solchen Erklärungen, bei denen die Verpflichtung nur eine Nebenfolge der Erklärung ist oder die die Gebietskörperschaft belasten, aber keine neue Verpflichtung zur Folge haben (BGH, Urteil vom 6. März 1986 - VII ZR 235/84, BGHZ 97, 224; Muth/Plumbaum u.a., Potsdamer Kommentar zur Kommunalverfassung des Landes Brandenburg, § 67 GemO Anm. 3; Sponer/Jacob/Menke, Landkreisordnung für den Freistaat Sachsen, 2. Aufl., § 56 LKrO Anm. 1; v. Loebell, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, 4. Aufl, § 56 Anm. 1; Rehn/Cronauge, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen § 64 Anm. II. 1; Schneider/Dreßler, Hessische Gemeindeordnung, § 71 HGO Anm. 3). Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, daß die für die Beklagte handelnden Personen, insbesondere ihr Mitarbeiter H., die Anforderungen des § 109 ThürKommO beachtet haben. 3. Soweit das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin aus § 2 Nr. 8 Abs. 2 Satz 2 VOB/B abgelehnt hat, hält das den Angriffen der Revision nicht stand.

a) Das Berufungsgericht hat nicht abschließend geklärt, ob die zusätzlichen Arbeiten, die von der Klägerin erbracht worden sind, um die Tragfähigkeit des Untergrundes zu gewährleisten, notwendig waren. Für die Revisionsinstanz ist zugunsten der Klägerin zu unterstellen, daß diese Arbeiten erforderlich waren.
b) Die Begründung des Berufungsgerichts trägt seine Annahme, die Vornahme der Arbeiten habe dem mutmaßlichen Willen des Beklagten nicht entsprochen , nicht. Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung des mutmaßlichen Willens des Beklagten nicht alle Umstände berücksichtigt und Vorbringen der Klägerin außer Acht gelassen, das dafür spricht, daß die für die Herbeiführung der Tragfähigkeit des Untergrundes vorgenommenen Arbeiten dem mutmaßlichen Willen des Beklagten entsprachen und dieser den Bau der Ortsverbindungsstraße auch zu der durch die Arbeiten hervorgerufenen höheren Vergütung gewollt hätte. Mutmaßlich ist derjenige Wille des Auftraggebers, der bei objektiver Beurteilung aller gegebenen Umstände von einem verständigen Betrachter vorauszusetzen ist (BGH, Urteil vom 4. April 1974 - VII ZR 222/72, LM Nr. 71 zu VOB/B; Hdb. priv. BauR (Kleine-Möller), 2. Aufl., § 10 Rdn. 549). Das Berufungsgericht hat den der Durchführung der Arbeiten entgegenstehenden Willen des Beklagten hauptsächlich daraus hergeleitet, daß dieser zunächst mit Kosten von 2 Mio. DM für den Ausbau der Straße kalkuliert hat und sodann ein "entschlacktes" Leistungsverzeichnis über eine Bausumme von 1 Mio. DM erstellen ließ. Diese Schlußfolgerung des Berufungsgerichts ist für den Fall, daß der Bau der Verbindungsstraße nur mit den zur Herbeiführung der Tragfähigkeit des Untergrundes durchgeführten Arbeiten zu der hierfür anfallenden zusätzlichen Vergütung möglich war, nicht zwingend. Der Erstellung des
"entschlackten" Leistungsverzeichnisses läßt sich lediglich entnehmen, daß der Beklagte die Verbindungsstraße für eine möglichst geringe Vergütung bauen lassen wollte. Von den von der Klägerin vorgebrachten weiteren Anhaltspunkten, die dafür sprechen könnten, daß der Bodenaustausch dem mutmaßlichen Willen des Beklagten entsprach, hat das Berufungsgericht das Argument, daß die geplante Ortsverbindungsstraße als Kreisstrasse konzipiert gewesen sei, als unerheblich behandelt und weiter ausgeführt, daß sich aus der Stellung eines Förderantrages nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz nicht zwingend ergebe, daß das Vorhaben geradezu unumgänglich gewesen sei. Damit hat das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin nicht vollständig berücksichtigt. Die Klägerin hat nämlich darüber hinaus vorgetragen, daß der Beklagte seinen Förderanträgen eine Bausumme von rund 2 Mio. DM zugrundegelegt hat und lediglich deswegen nicht sämtliche Fördermittel erlangt werden konnten, weil Förderanträge versäumt worden seien. Ferner hat das Berufungsgericht unberücksichtigt gelassen, daß ein Abbruch des Vorhabens nicht nur dazu geführt hätte, daß der Beklagte der Klägerin die erbrachten Leistungen und den entgangenen Gewinn hätte vergüten müssen, ohne dafür eine entsprechende Gegenleistung zu erhalten, sondern auch den Verlust sämtlicher Fördermittel, einschließlich der bereits ausgezahlten, verursacht hätte. Neben der Konzipierung der Ortsverbindungsstraße als Kreisstraße spricht auch das Vorbringen der Klägerin, ohne den Ausbau der Straße wäre das Zusammenwachsen der ehemaligen Kreise W. und A. nur schwierig zu realisieren gewesen , dafür, daß für den Ausbau der Ortsverbindungsstraße erhebliche politische Interessen stritten.
Bei der erneuten Beurteilung des mutmaßlichen Willens des Beklagten wird das Berufungsgericht die von der Klägerin angeführten Gesichtspunkte, sofern sie zutreffend sind, gegenüber dem Interesse des Beklagten an einer wirtschaftlichen Haushaltsführung und an einer möglichst preisgünstigen Durchführung der Arbeiten zu gewichten haben. Soweit das Berufungsgericht bislang darauf abgestellt hat, daß der Beklagte den Straßenausbau zunächst aufschieben oder von der Durchführung ganz hätte Abstand nehmen können, wird es zu beachten haben, daß es bei der Beurteilung des mutmaßlichen Willens nur tatsächlich vorhandene Alternativen einfließen lassen darf. Lediglich theoretisch denkbare Möglichkeiten können die Annahme eines mutmaßlichen Willens nicht stützen (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2001 - VII ZR 111/00, BauR 2002, 312, 313 = ZfBR 2002, 149 f.). Es wird deshalb zu prüfen sein, ob die vorübergehende Einstellung der Arbeiten oder die endgültige Aufgabe des Vorhabens angesichts der bereits vorgenommenen Arbeiten und der dennoch zu erwartenden Kosten, denen keine brauchbare Gegenleistung gegenübergestanden hätte, eine ernsthaft in Betracht kommende Möglichkeit war. Daran bestehen nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts erhebliche Zweifel.
c) Das Berufungsurteil hält einer rechtlichen Überprüfung auch nicht stand, soweit es die Anspruchsvoraussetzung der unverzüglichen Anzeige der ohne Auftrag erbrachten Leistungen verneint hat. Das Berufungsgericht überspannt die Anforderungen an diese Anzeige. Es ist erforderlich, aber auch ausreichend , wenn der Auftragnehmer die nicht beauftragten Leistungen nach Art und Umfang so beschreibt, daß der Auftraggeber rechtzeitig informiert wird und ihm die Möglichkeit gegeben wird, billigere Alternativen zu wählen. Diesen Anforderungen hat die Klägerin durch die Übersendung des Protokolls "zur Feststellung der Bodenverbesserung in der seitlichen Verbreiterung" der OVS D./U.,
dessen Gegenstand eine Baubesprechung vom 13. März 1995 war, genügt. In dem Protokoll heißt es: "1. Der grundhafte Ausbau in der seitlichen Verbreiterung wird max. 50 cm tiefer gegründet, um einen Bodenaustausch zur Sicherung der erforderlichen EV2 - Werte von 45 MN/m² realisieren zu können. 2. Die Dicke des Bodenaustauschs wird nach Vorlage der Ergebnisse der Lastplattendruckversuche auf dem Soll - Planum unter Hinzuziehung der Werte auf dem bereits verbesserten Planum entschieden. 3. ... 4. Zwischen Planum und einzubauendem Kalkmineralgemisch wird ein Vlies eingelegt, welches seitlich aufgekantet bzw. eingeschlagen wird." Dadurch wird hinreichend deutlich, welche Arbeiten zur Stabilisierung des Bodens vorgenommen werden sollten, nämlich insbesondere ein Austausch des Bodens. Dies gilt umso mehr, als nach dem unstreitigen Sachverhalt auf Anordnung der Beklagten diese zur Herstellung der Tragfähigkeit des Bodens erforderlichen Maßnahmen bereits zuvor auf einer Teststrecke vorgenommen worden waren. Die vom Berufungsgericht als fehlend beanstandeten näheren Angaben zur Höhe der für die nicht in Auftrag gegebenen Leistung anfallenden Vergütung waren nicht erforderlich. § 2 Nr. 8 Abs. 2 VOB/B verlangt lediglich, daß die Leistungen angezeigt werden. Für den Schutz des Auftraggebers ausreichend ist es wie bei § 2 Nr. 6 VOB/B, daß für ihn deutlich wird, daß die Leistungen nicht unentgeltlich erbracht werden. Das ergibt sich aus dem bereits genannten Protokoll über die Baubesprechung vom 13. März 1995, wonach die "Maßnahmen der Bodenverbesserung ... kostenwirksam" werden.
4. Sollte das Berufungsgericht wiederum zur Verneinung eines An- spruchs der Klägerin aus § 2 Nr. 8 Abs. 2 VOB/B gelangen, wird es erneut zu prüfen haben, ob der Klägerin gesetzliche Ansprüche zustehen. Für die von der Klägerin verlangte zusätzliche Vergütung kommen Ansprüche aus berechtigter und unberechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag sowie bereicherungsrechtliche Ansprüche in Betracht.
a) Diese scheitern nicht daran, daß § 2 Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 VOB/B gesetzliche Ansprüche ausschließt. (1) Der § 2 Nr. 8 Abs. 3 VOB/B in der am 11. Juni 1996 bekannt gemachten Fassung, der vorsieht, daß die Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag unberührt bleiben, ist nicht anwendbar, weil die Vertragsparteien die Fassung des § 2 Nr. 8 VOB/B vereinbart haben, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im November 1994 maßgeblich war. (2) § 2 Nr. 8 VOB/B in der zwischen den Parteien vereinbarten Fassung hält jedoch, soweit er gesetzliche Ansprüche ausschließt, der Inhaltskontrolle nach dem AGBG nicht stand (BGH, Urteil vom 31. Januar 1991 - VII ZR 291/88, BGHZ 113, 315, 322 ff.). § 2 Nr. 8 VOB/B muß nach dem AGBG überprüft werden , da die Parteien aufgrund der ebenfalls in den Vertrag einbezogenen, von dem Beklagten gestellten "Besonderen Vertragsbedingungen" die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart haben. (3) Durch die Einbeziehung der Klauseln Nr. 16.2, Nr. 16.3 und Nr. 18.1 der "Besonderen Vertragsbedingungen" haben die Parteien das in der VOB/B vorgesehene Gefüge von Leistung und Gegenleistung zuungunsten der Klägerin verschoben (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 1987 - VII ZR 155/86, BGHZ 101, 357, 360 ff.; Urteil vom 19. Mai 1994 - VII ZR 26/93, BauR 1994,
617, 618 = ZfBR 1994, 262, 263; Urteil vom 9. Oktober 2001 - X ZR 153/99, BauR 2002, 775, 777). aa) Nr. 16 der "Besonderen Vertragsbestimmungen" lautet: 16.1 ... 16.2 Die Entlassung aus der Gewährleistungsfrist ist vom Auftragnehmer 4 Wochen vor Ablauf der Verjährung schriftlich zu beantragen. 16.3 Der Auftragnehmer verzichtet auf den Einwand verspäteter Mängelrüge ; der Auftragnehmer kann daher die Mängelbeseitigung, auch für Mängel, die vor bzw. bei der Abnahme der Leistungen zu erkennen waren oder vorhanden sind, bis zum Ablauf der Gewährleistung verlangen. Die Regelung in Nr. 16.2 weicht zu Lasten des Auftragnehmers von der Regelung des § 13 Nr. 4 VOB/B ab. Sie hat in den Fällen, in denen der Auftragnehmer es versäumt, den Antrag rechtzeitig vor Ablauf der Gewährleistungsfrist zu stellen, mittelbar zur Folge, daß die Gewährleistungsfristen verlängert werden. Nr. 16.3 ist aus der Sicht des Auftragnehmers so zu verstehen, daß der Auftraggeber auch solche Mängel, die er vor der Abnahme erkannt hat, bis zum Ablauf der Gewährleistungsfrist auch ohne einen entsprechenden Vorbehalt bei der Abnahme geltend machen können soll. Das widerspricht zu Lasten des Auftragnehmers der in § 12 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B getroffenen Regelung (BGH, Urteil vom 6. Juni 1991 - VII ZR 101/90, BauR 1991, 740, 741 = ZfBR 1991, 253, 254). Ob Nr. 16.2 und Nr. 16.3 der "Besonderen Vertragsbedingungen" ebenfalls einer Inhaltskontrolle nach dem AGBG nicht standhalten, bedarf keiner
Entscheidung, weil ein relevanter Eingriff in die VOB/B auch durch eine Klausel erfolgen kann, die einer Inhaltskontrolle nicht standhalten würde. bb) In Nr. 18.1 der "Besonderen Vertragsbedingungen" ist geregelt, daß Abschlagszahlungen nur bis 90 % der erbrachten Leitungen ausgezahlt werden. Das greift erheblich zu Lasten des Auftragnehmers in § 16 Nr. 1 VOB/B ein, wonach erbrachte Leistungen vollständig zu vergüten sind (BGH, Urteil vom 31. Januar 1991 - VII ZR 291/88, BGHZ 113, 315, 322 ff.; Urteil vom 17. September 1987 - VII ZR 155/86, BGHZ 101, 357, 361 ff.).
b) Mit der Begründung des Berufungsgerichts läßt sich aus den oben zu § 2 Nr. 8 VOB/B dargelegten Gründen (vgl. oben 3.b) das für einen Anspruch aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag erforderliche mutmaßliche Interesse des Beklagten nicht verneinen.
c) Sofern sich das mutmaßliche Interesse des Beklagten nicht feststellen lassen sollte, wird das Berufungsgericht Ansprüche der Klägerin aus unberechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag zu prüfen haben.
d) Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung können ebenfalls nicht mit der Begründung des Berufungsgerichts verneint werden. Das Berufungsgericht trifft keine Feststellungen dafür, daß die von der Klägerin erbrachten Leistungen , die für die Errichtung der Straße notwendig waren, dem Beklagten aufgedrängt worden wären. Aus seinen Feststellungen ergibt sich nicht, daß die Arbeiten unerwünscht gewesen wären und der Beklagte ihre Beseitigung verlangt hätte. Die Straße wird vielmehr genutzt. In einem derartigen Fall ist die
öffentliche Hand bereichert, wobei sich die Bereicherung auch aus den ersparten Aufwendungen ergeben kann (BGH, Urteil vom 26. April 2001 - VII ZR 222/99, BauR 2001, 1412, 1413 f. = ZfBR 2001, 455).
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(1) Nach diesen Grundsätzen ist der vom Auftragnehmer neben dem Gewinn kalkulierte Zuschlag für Wagnis im Falle der Kündigung des Werkvertrags durch den Auftraggeber nicht als ersparte Aufwendung von der vereinbarten Vergütung nach § 649 Satz 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B in Abzug zu bringen, wenn mit diesem Zuschlag das allgemeine unternehmerische Risiko für die durch die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmers allgemein begründete Verlustgefahr abgesichert werden soll (vgl. Kapellmann/Messerschmidt/Lederer, VOB/B, 5. Aufl., § 8 Rn. 38; Ingenstau/Korbion/Joussen/Vygen, VOB Teile A und B, 19. Aufl., § 8 Abs. 1 VOB/B Rn. 70; Vygen/Joussen, Bauvertragsrecht nach VOB und BGB, 5. Aufl., Rn. 2845; Kapellmann/Schiffers, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, 5. Aufl., Band 2 Rn. 1372; Groß, BauR 2007, 631, 636; Drittler, Nachträge und Nachtragsprüfung beim Bau- und Anlagenbauvertrag, 2. Aufl., 3.2.1 Rn. 34 f.; OLG München, BauR 2013, 1868, 1874 = NZBau 2013, 495). Dieser vom Auftragnehmer kalkulierte Zuschlag ist wie der von ihm kalkulierte Gewinn im Falle einer Kündigung des Werkvertrags durch den Auftraggeber nicht erspart. Denn es handelt sich nicht um Kosten des Auftragnehmers, die infolge der Kündigung des Vertrags entfallen. Die zur Abgeltung des allgemeinen Unternehmerwagnisses kalkulierte Kostenposition dient vielmehr zur Absicherung von Risiken, die mit dem Geschäftsbetrieb als solchem verbunden sind. Ihr stehen keine tatsächlichen Kosten des Auftragnehmers gegenüber. Es kommt demnach auch nicht darauf an, ob sich das Risiko, das mit diesem Wagniszuschlag abgedeckt werden soll, im konkreten Fall verwirklicht hat oder nicht. Der Wagniszuschlag zur Absicherung des allgemeinen Unternehmerrisikos steht dem Auftragnehmer vielmehr unabhängig davon zu, ob die vertraglich vereinbarte Leistung infolge der Kündigung des Vertrags durch den Auftraggeber nicht mehr zur Ausführung gelangt. Denn das durch den Geschäftsbetrieb im Allgemeinen begründete Risiko des Auftragnehmers besteht unabhängig davon, ob im Einzelfall der Vertrag ausgeführt wird. Soweit der Entscheidung des Senats vom 30. Oktober 1997 (VII ZR 222/96, BauR 1998, 185) diesbezüglich etwas anderes entnommen werden könnte, hält der Senat daran nicht fest.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 81/17 Verkündet am:
26. April 2018
Klein,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Anspruch auf Ersatz von nach Vertragspreisen einschließlich eines Prozentsatzes
für Allgemeine Geschäftskosten kalkulierten Vorhaltekosten wegen verzögerter
Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren steht dem Auftragnehmer nicht
aufgrund einer entsprechenden Anwendung des § 642 BGB zu.
BGH, Urteil vom 26. April 2018 - VII ZR 81/17 - OLG Rostock
LG Schwerin
ECLI:DE:BGH:2018:260418UVIIZR81.17.0

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2018 durch die Richter Dr. Kartzke, Halfmeier und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterinnen Graßnack und Dr. Brenneisen
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 14. März 2017 - 4 U 69/12 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 29. März 2012 wird, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt worden ist, zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin fordert den Ersatz von nach Vertragspreisen einschließlich eines Prozentsatzes für Allgemeine Geschäftskosten kalkulierten Vorhaltekos- ten für eine mobile Stahlgleitwand wegen einer durch die Verlängerung von Zuschlagsfristen eingetretene Verzögerung im Vergabeverfahren.
2
Die Beklagte führte im Jahr 2004 eine öffentliche Ausschreibung betreffend den grundhaften Ausbau der Bundesautobahn A 19 für Leistungen der Verkehrsführung und Verkehrssicherung durch, an dem sich die Klägerin mit einem Angebot zu einem Gesamtpreis von 1.076.416,75 € netto beteiligte. Darin bot die Klägerin entsprechend der Ausschreibung unter Einbeziehung der VOB/B (2002) die Vorhaltung einer Stahlgleitwand von 14,8 km für 588 Tage zu einem Einheitspreis von 1.184 €/Tag netto an. In der Ausschreibung war als Frist für die Ausführung der Leistungen der Zeitraum von September 2004 bis April 2006 angegeben, vorbehaltlich der Zuschlagserteilung des Bauhauptloses. Nach den der Ausschreibung zugrunde liegenden Besonderen Vertragsbedingungen sollte die Ausführung der Arbeiten spätestens zwölf Tage nach Zuschlagserteilung beginnen, insbesondere der Aufbau der Verkehrssicherung spätestens 36 Werktage nach Zuschlagserteilung erfolgen. Die am 2. September 2004 endende Binde- und Zuschlagsfrist wurde auf Bitten der Beklagten mit Zustimmung der Klägerin mehrfach verlängert, zuletzt bis zum 31. März 2006. Am 30. März 2006 erteilte die Beklagte der Klägerin den Zuschlag für die angebotenen Arbeiten über 1.186.211,26 € brutto nach Abzug eines Nachlasses von 5 %.
3
Wegen der Dauer des Vergabeverfahrens hatte die Klägerin im Jahr 2005 begonnen, die zur Ausführung vorgesehene und von ihr vorgehaltene Stahlgleitwand sukzessive auf anderen Baustellen einzusetzen. Bei Zuschlagserteilung musste die Klägerin daher die benötigte Stahlgleitwand bei einem Nachunternehmer anmieten. Mit Nachtragsangebot vom 22. November 2006 und in der Schlussrechnung vom 11. Oktober 2007 machte die Klägerin Mehrkosten für die Vorhaltung der Stahlgleitwand wegen der mehrfachen Ver- längerung der Zuschlagsfrist in Höhe von 648.832 € geltend. Die Beklagte kürzte die Schlussrechnung um diese Position.
4
Die Stahlgleitwand wurde auf Weisung der Beklagten nur an 333 Tagen eingesetzt, da die Beklagte die Baumaßnahme erheblich beschleunigte. Wegen der Verkürzung der Leistungszeit macht die Klägerin einen Anspruch in Höhe von 94.778,24 € geltend, der Gegenstand des Parallelverfahrens VII ZR 82/17 ist.
5
Mit der Klage hat die Klägerin unter Vorlage eines Privatgutachtens, in dem die Vertragspreise kalkulatorisch aufgeschlüsselt und die konkrete Menge und Dauer der Vorhaltung der Stahlgleitwand bis zur Zuschlagserteilung ermittelt worden sind, den Ersatz von Vorhaltekosten in Höhe von 431.783,60 € verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht der Klage in Höhe von 430.688,62 € nebst vorgerichtlichen Anwaltskosten und Zinsen stattgegeben und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist, und die vollständige Zurückweisung der Berufung der Klägerin erreichen.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision der Beklagten hat Erfolg.
7
Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung anzuwenden, Art. 229 § 39 EGBGB.

I.

8
Das Berufungsgericht hat, soweit für die Revision von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt:
9
Der Klägerin stehe infolge der verzögerten Vergabe und der daraus resultierenden Vorhaltung der mobilen Stahlgleitwand ein Anspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 642 BGB zu. Der werkvertragliche Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB sei auf das bei öffentlicher Ausschreibung zwischen Auftraggeber und Bieter begründete vertragsähnliche Verhältnis für die Erfassung einer verschuldensunabhängigen Entschädigung des Auftragnehmers analog anzuwenden.
10
Eine Regelung zu einer verschuldensunabhängigen vorvertraglichen Haftung des Auftraggebers im Falle unterbliebener beziehungsweise verzögerter Mitwirkung bei öffentlichen Ausschreibungen fehle. Ein Mehrvergütungsanspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B (2002) erfasse nicht den Fall einer vorvertraglichen Behinderung infolge einer verzögerten Zuschlagserteilung. Die Klägerin mache keine wegen der Bauzeitverschiebung erhöhten Preise oder Ähnliches geltend, sondern verlange Entschädigung für das in Erwartung des Zuschlags erfolgte Vorhalten ihrer Leistung.
11
Es bestehe insoweit eine planwidrige Regelungslücke, deren Schließung zur sachgerechten Abstimmung von Vergabe- und Vertragsrecht geboten erscheine. Das infolge von Verzögerungen im Vergabeverfahren bedingte Vorhalten von Leistungen (Arbeitskraft, Gerät und Kapital) des Bestbieters entspreche dem vertraglichen Vorhalten der Leistung bei einem Annahmeverzug des Bestellers gemäß § 642 BGB. Denn die vorvertragliche Interessenlage der Beteiligten des Vergabeverfahrens entspreche im Wesentlichen der der Werkvertragsparteien. Bis zum Ablauf der Zuschlagsfrist sei der Bieter nicht nur preislich an sein Angebot gebunden, er erkläre darüber hinaus, zu den in der Aus- schreibung festgelegten Ausführungsterminen leistungsbereit zu sein. Der öffentliche Auftraggeber habe ebenfalls ein Interesse daran, dass der Bieter entsprechend den Ausführungsterminen mit der Ausführung seiner Leistungen beginne. Dass in Fällen einer verzögerten Vergabeentscheidung der Bestbieter allein das damit verbundene Verzögerungsrisiko tragen solle, sei angesichts der vergleichbaren Konstellation zu den von § 642 BGB erfassten Fällen ein Wertungswiderspruch. Allein der Umstand, dass sich das Verzögerungsrisiko vor dem durch Zuschlagserteilung wirksamen Vertragsschluss realisiert habe, ändere nichts an der im Werkvertragsrecht vorgenommenen Risikozuweisung.
12
Nach der durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass die Klägerin 14,8 km mobile Stahlgleitwand aus dem eigenen Fundus entsprechend den Ausschreibungsspezifika nach dem Submissionsergebnis in berechtigter Erwartung des Zuschlags vorgehalten habe, um zeitnah nach dem avisierten Zuschlagstermin am 2. September 2004 ihre vertraglichen Leistungen termingerecht erbringen zu können. Die von der Klägerin vorgenommene Berechnung des Anspruchs beinhalte die nach § 642 BGB zu entschädigenden Positionen. Die Klägerin mache auf (nachträglicher) kalkulativer Grundlage Vorhaltekosten und Allgemeine Geschäftskosten zuzüglich Umsatzsteuer geltend. Durchgreifende Angriffe der Beklagten bezüglich der Berechnung des Klageanspruchs seien nicht erkennbar. Der Vortrag der Klägerin hierzu sei plausibel (§ 287 ZPO).

II.

13
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
14
Ein Anspruch auf Ersatz von nach Vertragspreisen einschließlich eines Prozentsatzes für Allgemeine Geschäftskosten kalkulierten Vorhaltekosten für die mobile Stahlgleitwand in Höhe von 430.688,62 € wegen verzögerter Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren steht der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Es kann daher dahinstehen, ob sich, wie die Revision geltend macht, bereits aus dem Inhalt der Ausschreibung, insbesondere der vorbehaltenen Beauftragung des Bauhauptloses, ergibt, dass der Klägerin das Risiko, die Stahlgleitwand während des Vergabeverfahrens vorzuhalten, in vollem Umfang zugewiesen worden war.
15
1. Die Parteien haben einen Vertrag geschlossen, der den spätesten Ausführungsbeginn auf zwölf Werktage nach dem 2. September 2004, dem Ende der in der Ausschreibung vorgesehenen Bindefrist, festlegte. Die Klägerin hat ein entsprechendes Angebot abgegeben; die Beklagte hat dieses Angebot mit ihrem Zuschlagsschreiben vom 30. März 2006 unverändert angenommen. Dies gilt unabhängig davon, dass der in dem Angebot für den Beginn der Ausführung vorgesehene späteste Termin zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war. Ein Zuschlag in einem Vergabeverfahren ist regelmäßig so auszulegen, dass er sich auch auf wegen Zeitablaufs obsolet gewordene Fristen und Termine bezieht (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, BGHZ 181, 47 Rn. 37; Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, BauR 2009, 1901 Rn. 21 = NZBau 2009, 771). Eine Auslegung der Ausschreibungsunterlagen dahingehend, dass für die Bauzeit in jedem Fall an einen noch nicht feststehenden tatsächlichen Zuschlagstermin angeknüpft wird, kommt nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, aaO Rn. 20).
16
2. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann dem Auftragnehmer ein Mehrvergütungsanspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Abs. 5 VOB/B zustehen, soweit es infolge verzögerter Vergabe zu einer Verschiebung der Ausführungsfristen gekommen ist (BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 - VII ZR 213/08, BGHZ 186, 295 Rn. 12; Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, BauR 2009, 1901 Rn. 11 = NZBau 2009, 771). Die Ver- mutung der Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung gilt bei einem Bauvertrag nicht unabhängig von der vereinbarten Leistungszeit, weil diese regelmäßig Einfluss auf die Vereinbarung der Höhe der Vergütung des Auftragnehmers hat. Deshalb hat die durch ein verzögertes Vergabeverfahren bedingte Änderung der Leistungszeit auch zur Folge, dass die Parteien sich über eine Anpassung der Vergütung verständigen müssen (BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 - VII ZR 213/08, aaO Rn. 25; Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, BGHZ 181, 47 Rn. 49). Kommt es nicht zu einer solchen Einigung, ist der Vertrag ergänzend auszulegen. Dabei ist darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner für den von ihnen nicht geregelten Fall vereinbart hätten. Danach ist die Bauzeit unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls anzupassen. Besonderheiten, wie etwa Bauerschwernisse oder -erleichterungen durch jahreszeitliche Verschiebungen, sind unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen beider Parteien und vor dem Hintergrund, dass der Auftragnehmer der Bindefristverlängerung zugestimmt hat, zu berücksichtigen. Die Grundsätze des vereinbarten § 6 Abs. 3 und 4 VOB/B sind sinngemäß anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, aaO Rn. 27; Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, aaO Rn. 48). Zugleich ist der vertragliche Vergütungsanspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Abs. 5 VOB/B anzupassen (BGH, Urteil vom 8. März 2012 - VII ZR 202/09, BauR 2012, 939 Rn. 20 = NZBau 2012, 287; Urteil vom 26. November 2009 - VII ZR 131/08, BauR 2010, 455 Rn. 13 = NZBau 2010, 102; Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, aaO Rn. 28; Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, aaO Rn. 49).
17
b) Noch zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass diese für Fälle der verzögerten Vergabe entwickelten Grundsätze im Streitfall zu keinem Anspruch der Klägerin führen, da die Klägerin keine Mehrvergütung in An- lehnung an die Grundsätze des § 2 Abs. 5 VOB/B aufgrund der Verschiebung der Ausführungsfristen geltend macht, sondern den Ersatz von nach Vertragspreisen einschließlich eines Prozentsatzes für Allgemeine Geschäftskosten kalkulierten Vorhaltekosten im Zeitraum bis zur verzögerten Zuschlagserteilung. Das Klagebegehren beruht nicht auf einer nach Vertragsschluss eingetretenen Veränderung von rechtsgeschäftlich an die Einhaltung der Bauzeit geknüpften Leistungspflichten der Klägerin, die sie durch eine entsprechende Anpassung/ Erhöhung der von der Beklagten nach dem Vertrag geschuldeten Vergütung (Gegenleistung) ausgeglichen wissen will (vgl. BGH, Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, BauR 2009, 1901 Rn. 14 = NZBau 2009, 771). Die Klägerin stützt ihren Anspruch vielmehr auf die verzögerte Erteilung des Zuschlags und knüpft die begehrte Rechtsfolge damit an eine Störung der vorvertraglichen Rechtsbeziehung.
18
3. Der Klägerin steht kein Schadensersatzanspruch in Höhe der geltend gemachten Vorhaltekosten für die mobile Stahlgleitwand bis zur Zuschlagserteilung gemäß § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 Nr. 1 und § 280 Abs. 1 BGB zu. Es kann offen bleiben, ob - wie die Revision geltend macht - eine der Beklagten zurechenbare Pflichtverletzung im Vergabeverfahren aufgrund von Verzögerungen bei der Vergabe des Hauptbauloses vorgelegen hat. Denn die Klägerin fordert mit der Klage keine etwa von ihr in Erwartung des Vertragsschlusses getätigten konkreten Aufwendungen, sondern eine Entschädigung für das Vorhalten ihrer Leistung bis zur Erteilung des Zuschlags, die sie nach Maßgabe des § 642 BGB auf der Grundlage der für die Leistung kalkulierten Vergütung einschließlich eines Prozentsatzes für Allgemeine Geschäftskosten berechnet hat. Es kann daher ebenfalls dahingestellt bleiben, ob Fehler im Vergabeverfahren überhaupt einen Anspruch des Bieters auf Ersatz von solchen konkreten Aufwendungen begründen könnten.
19
4. Anders als das Berufungsgericht meint, steht der Klägerin infolge der verzögerten Vergabe ein Anspruch auf Ersatz von nach Vertragspreisen einschließlich eines Prozentsatzes für Allgemeine Geschäftskosten kalkulierten Vorhaltekosten für die mobile Stahlgleitwand bis zur Zuschlagserteilung auch in entsprechender Anwendung des § 642 BGB nicht zu.
20
a) § 642 BGB regelt einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch des Unternehmers, wenn der Besteller eine ihm obliegende Mitwirkungshandlung unterlässt, die bei der Herstellung des Werks erforderlich ist, und der Besteller hierdurch in Annahmeverzug gerät (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017 - VII ZR 16/17, BauR 2018, 242 Rn. 19 = NZBau 2018, 25; Urteil vom 20. April 2017 - VII ZR 194/13, BauR 2017, 1361 Rn. 18 = NZBau 2017, 596, jeweils zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Die angemessene Entschädigung nach § 642 BGB wird für die Wartezeiten des Unternehmers gezahlt und stellt eine Kompensation für die Bereithaltung von Personal , Geräten und Kapital dar (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017 - VII ZR 16/17, aaO Rn. 28 m.w.N.).
21
b) Eine unmittelbare Anwendung des § 642 BGB kommt im Streitfall nicht in Betracht, da - wovon auch das Berufungsgericht ausgeht - in dem Zeitraum, für den Vorhaltekosten für die mobile Stahlgleitwand geltend gemacht werden, noch kein Werkvertrag zwischen den Parteien bestand und die Beklagte keine Obliegenheit zur Vornahme einer bei der Herstellung des Werks erforderlichen Mitwirkungshandlung im Sinne des § 642 Abs. 1 BGB traf (vgl. Bornheim/ Badelt, ZfBR 2008, 249, 257).
22
Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (Peters, NZBau 2010, 156 f.) kann ein Annahmeverzug des Auftraggebers nicht im Wege einer vermeintlichen Rückwirkung der Zuschlagserteilung auf den Zeitpunkt des ursprünglichen Ablaufs der Bindefrist begründet werden. Das Verhal- ten der Parteien im Rahmen der Bindefristverlängerung und der Zuschlagserteilung ist dahin auszulegen, dass sie den Vertrag zwar bereits bindend schließen, über neue, dem eingetretenen Zeitablauf Rechnung tragende Fristen und dadurch bedingte Preissteigerungen jedoch noch eine Einigung herbeiführen wollten (BGH, Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, BauR 2009, 1901 Rn. 24 = NZBau 2009, 771; Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, BGHZ 181, 47 Rn. 44). Kommt es nicht zu der von den Parteien erwarteten nachträglichen Einigung, existiert eine zu füllende Regelungslücke, die durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen ist, wobei die Bauzeit unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls anzupassen ist und Bauerschwernisse oder -erleichterungen zu berücksichtigen sind (BGH, Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, aaO Rn. 24, 27; Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, aaO Rn. 44, 48). Im Hinblick auf die bei einer verspäteten Zuschlagserteilung erforderliche Vertragsanpassung gerät der Auftraggeber daher nicht bereits deswegen in Annahmeverzug, weil im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung die Ausführungstermine bereits verstrichen sind.
23
c) Ein Anspruch auf Ersatz von Vorhaltekosten des Bieters wegen verzögerter Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren kann nicht auf eine entsprechende Anwendung des § 642 BGB gestützt werden. Es ist bereits zweifelhaft, ob eine planwidrige Regelungslücke gegeben ist. Eine Ausdehnung des § 642 BGB auf den vorvertraglichen Bereich in Fällen der Zuschlagsverzögerung scheitert jedenfalls an der für eine entsprechende Anwendung erforderlichen vergleichbaren Interessenlage. Ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung besteht kein Grund für eine verschuldensunabhängige Haftung des Auftraggebers für die Folgen von Zuschlagsverzögerungen, die nicht auf einer Pflichtverletzung beruhen (Kau/Hänsel, NJW 2011, 1914, 1916; vgl. auch Althaus/ Bartsch in Althaus/Heindl, Der öffentliche Bauauftrag, 3. Aufl., Teil 4, Rn. 224).
24
aa) Der Bieter, der sich im Vergabeverfahren leistungsbereit hält, nimmt die Vorhaltung seiner Leistung deswegen in Kauf, weil er darauf hofft, dass ihm der Zuschlag erteilt wird. Es handelt sich um Kosten der Vertragsakquise, die - vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung der Vertragsparteien - grundsätzlich vom Bieter zu tragen sind. Vor Abschluss des Vertrags handelt der Bieter , der seine Leistung vorhält, insoweit auf eigenes Risiko. Denn der Auftraggeber ist gegenüber dem Bieter nicht zum Vertragsschluss verpflichtet, sondern lediglich zur Durchführung eines vergaberechtskonformen Verfahrens. Die Ungewissheit , ob und wann dem Bieter der Zuschlag erteilt wird, gehört zum allgemeinen Risiko eines jeden, der sich an einer öffentlichen Ausschreibung beteiligt.
25
bb) Vor diesem allgemeinen Risiko wird der Bieter hinreichend dadurch geschützt, dass sein Angebot befristet ist und eine Verlängerung der Bindefrist seiner Zustimmung bedarf. Stimmt der Bieter einer Bindefristverlängerung zu, erklärt er damit, dass der angebotene Preis bei unveränderter Leistung und unveränderten Leistungszeiten bis zum Ablauf der Bindefrist gilt (vgl. BGH, Urteile vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, BauR 2009, 1901 Rn. 37 = NZBau 2009, 771; VII ZR 82/08, BGHZ 182, 218 Rn. 29). Der Bieter hat in einem solchen Fall daher weiterhin das für jeden Bieter sich aus einer solchen Verlängerung ergebende Risiko zu tragen.
26
cc) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts lief die Klägerin nicht wegen des in der Ausschreibung festgelegten Ausführungstermins von zwölf Werktagen nach Zuschlagserteilung Gefahr, mit ihrer Leistung nach erfolgtem Zuschlag in Leistungsverzug zu geraten, wenn sie sich nicht während des gesamten Vergabeverfahrens vorsorglich leistungsbereit hielt. Nach dem vorstehend Gesagten war aufgrund der Erteilung des Zuschlags nach Ablauf der in der Ausschreibung genannten Bindefrist im Wege der Vertragsanpassung ein neuer Ausführungstermin zwischen den Parteien zu vereinbaren. Da hierbei die Umstände des Einzelfalls und die sinngemäße Anwendung der Grundsätze des § 6 Nr. 3 und 4 VOB/B (2002) auch im Interesse der Klägerin zu berücksichtigen waren, bestand für sie keine Veranlassung, die mobile Stahlgleitwand über den gesamten Zeitraum der verzögerten Vergabe vorzuhalten. Die Klägerin durfte im Hinblick auf das Erfordernis einer nachträglichen Anpassung der vertraglichen Ausführungsfristen zudem nicht davon ausgehen, dass eine solche Vorhaltung ihrer Leistung dem Interesse der Beklagten als Auftraggeberin entsprach.
27
5. Die Entscheidung des Berufungsgerichts kann danach keinen Bestand haben. Das Urteil ist im angefochtenen Umfang aufzuheben. Die Berufung der Klägerin ist, soweit über sie nicht bereits rechtskräftig erkannt worden ist, zurückzuweisen. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO.

III.

28
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Kartzke Halfmeier Jurgeleit Graßnack Brenneisen
Vorinstanzen:
LG Schwerin, Entscheidung vom 29.03.2012 - 4 O 233/11 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 14.03.2017 - 4 U 69/12 -

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)