Bundesgerichtshof Urteil, 19. Dez. 2017 - X ZR 125/15

bei uns veröffentlicht am19.12.2017
vorgehend
Bundespatentgericht, 4 Ni 35/13, 23.06.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 125/15 Verkündet am:
19. Dezember 2017
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
ECLI:DE:BGH:2017:191217UXZR125.15.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski, Dr. Bacher und Hoffmann und die Richterin Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 23. Juni 2015 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 890 059 (Streitpatents), das am 22. Januar 1998 unter Inanspruchnahme der Priorität der europäischen Patentanmeldung 972 00 149 vom 23. Januar 1997 angemeldet wurde und eine Leuchte betrifft. Es umfasst 14 Patentansprüche, von denen die Patentansprüche 1 und 14 in der Verfahrenssprache wie folgt lauten: "1. A Iuminaire (1) comprising a housing (10) with a Iight emission window (11), at least one Iighting module (2) for iIIuminating an object (d, d1, d2, d3) being accommodated in said housing and comprising a Iight source and optical means, the Iighting module comprising a set of Iighting units (20) each comprising an optical system (40), while the Iighting units (20) iIIuminate portions of the object (d, d1, d2, d3) during operation, characterized in that each of the Iighting units (20) comprises at least one LED chip (30), the optical system (40) cooperating therewith, said LED chips and optical systems forming the Iight source and the optical means, respectively, in that the LED chips each supply a Iuminous flux of at least 5 Im during operation, and in that the optical system (40) of the Iighting units (20) comprises a primary (41, 42) and a secondary optical system (43). 14. A Iighting system comprising one or several Iuminaires (501) as claimed in any one of the preceding claims, and comprising a control system (550), said one or several Iuminaires jointly comprising at least two Iighting modules (502fl, 502fll, 502cl, 502cll, 502bl, 502bll) which are controllable independently of one another by means of said control system."
2
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus und sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise in 14 geänderten Fassungen verteidigt.
3
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die weiterhin die Abweisung der Klage erstrebt und das Streitpatent hilfsweise in acht geänderten Fassungen verteidigt, die auch Gegenstand der erstinstanzlichen Hilfsanträge A, B, C, E, H, I, J und L waren. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


4
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
5
I. Das Streitpatent betrifft eine Leuchte, die aus einem Gehäuse mit einem Lichtaustrittsfenster und einem in dem Gehäuse untergebrachten Beleuchtungsmodul besteht, das eine Lichtquelle und optische Mittel umfasst.
6
1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift werden derartige Leuchten beispielsweise zur Beleuchtung eines Teilbereichs einer Straße oder zum Anstrahlen (spotlighting) von Gegenständen in Schaufenstern eingesetzt. So sei aus der deutschen Patentanmeldung 44 31 750 eine Straßenleuchte mit zwei Beleuchtungsmodulen bekannt, von denen das erste zum Beleuchten eines verhältnismäßig weit von der Leuchte entfernten Teils der Straße bestimmt sei, während das zweite Modul einen nahe bei der Leuchte befindlichen Abschnitt der Straße beleuchten solle. Die Beleuchtungsmodule wiesen je eine Entladungslampe als Lichtquelle und einen Reflektor als optisches Mittel auf. Die Lichtquellen der Leuchte könnten unabhängig voneinander gesteuert werden , um einen Straßenabschnitt sowohl bei feuchter als auch bei trockener Wetterlage optimal zu beleuchten. Nachteilig an einer derartigen Leuchte sei, dass das aus den Lichtquellen austretende Licht schwierig zu bündeln sei und häufig mehr als 50% des emittierten Lichts nicht auf, sondern neben dem zu beleuchtenden Objekt auftreffe.
7
2. Das Patentgericht hat angenommen, die Aufgabe des Streitpatents reduziere sich darauf, die Helligkeit einer mit LED-Chips bestückten Leuchte zu intensivieren, da sich die Lehre des Streitpatents nur insoweit vom Stand der Technik unterscheide, als die LED-Chips der erfindungsgemäßen Leuchte an- ders als diejenigen bereits bekannter Leuchten im Betrieb je einen Lichtstrom von zumindest 5 lm abgäben.
8
Dem kann dem nicht beigetreten werden. Nach der Rechtsprechung des Senats dient die Bestimmung des technischen Problems (der Aufgabe) in einem Nichtigkeitsverfahren dazu, den Ausgangspunkt der fachmännischen Bemühungen um eine Bereicherung des Stands der Technik ohne Kenntnis der Erfindung zu lokalisieren, um bei der anschließenden und davon zu trennenden Prüfung auf Patentfähigkeit zu bewerten, ob die dafür vorgeschlagene Lösung durch den Stand der Technik nahegelegt war oder nicht (BGH, Urteil vom 11. November 2014 - X ZR 128/09, GRUR 2015, 356 Rn. 9 - Repaglinid). Daher ist es weder zulässig, Elemente, die zur patentgemäßen Lösung gehören, bei der Formulierung der Aufgabe zu berücksichtigen, noch darf ohne weiteres unterstellt werden, dass für den Fachmann die Befassung mit einer bestimmten Aufgabenstellung angezeigt war. Vielmehr ist das technische Problem so allgemein und neutral zu formulieren, dass sich diese Frage ausschließlich bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit stellt (BGH, Urteil vom 13. Januar 2015 - X ZR 41/13, GRUR 2015, 352 Rn. 16 f. - Quetiapin).
9
Im Streitfall ist deshalb das dem Streitpatent zugrunde liegende Problem allgemein und insoweit in Übereinstimmung mit der Patentschrift darin zu sehen , eine Leuchte zur Verfügung zu stellen, bei der das von der Lichtquelle erzeugte Licht effizienter genutzt wird.
10
3. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 eine Leuchte und in Patentanspruch 14 ein Beleuchtungssystem vor.
11
a) Die Merkmale der Leuchte nach Patentanspruch 1 lassen sich wie folgt gliedern (Gliederungspunkte des Patentgerichts in eckigen Klammern): 1.1 Die Leuchte umfasst: 1.1.1 ein Gehäuse (10) mit einem Lichtaustrittsfenster (11) [M1.1] und 1.1.2 zumindest ein Beleuchtungsmodul (2) zum Beleuchten eines Objekts (d, d1, d2, d3) [M1.2]. 1.2 Das Beleuchtungsmodul (2) 1.2.1 ist im Gehäuse (10) untergebracht [M1.2]; 1.2.2 umfasst einen Satz Beleuchtungseinheiten (20) [M1.3]. 1.3 Die Beleuchtungseinheiten (20) 1.3.1 beleuchten im Betrieb Abschnitte des Objekts (d, d1, d2, d3) [M1.4]; 1.3.2 umfassen 1.3.2.1 je zumindest einen LED-Chip (30) [M1.5] und 1.3.2.2 je ein optisches System (40) [M1.3]. 1.4 Die LED-Chips (30) 1.4.1 bilden die Lichtquelle [M1.5]; 1.4.2 geben im Betrieb je einen Lichtstrom von zumindest 5 lm ab [M1.6]. 1.5 Die optischen Systeme (40) 1.5.1 umfassen ein primäres (41, 42) und ein sekundäres (43) optisches System [M1.7]; 1.5.2 bilden die optischen Mittel [M1.5]; 1.5.3 wirken mit den LED-Chips zusammen [M1.5].
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b) Die Merkmale des Beleuchtungssystems nach Patentanspruch 14 lassen sich wie folgt gliedern (Gliederungspunkte des Patentgerichts in eckigen Klammern): 14.1 Das Beleuchtungssystem umfasst 14.1.1 eine oder mehrere Leuchten (501) nach einem der vorhergehenden Ansprüche [M14.1] und 14.1.2 ein Steuerungssystem (550) [M14.1]. 14.2 Die eine Leuchte oder mehrere Leuchten gemeinsam umfassen 14.2.1 zumindest zwei Beleuchtungsmodule (502fl, 502fll, 502cl, 502cll, 502bl, 502bll), die mit dem Steuerungssystem unabhängig voneinander steuerbar sind [M14.2].
13
4. Die Leuchte nach Patentanspruch 1 umfasst neben einem Gehäuse mit einem Lichtaustrittsfenster zumindest ein Beleuchtungsmodul, das nach Merkmal 1.1.2 zum Beleuchten eines Objekts dient und aus einem Satz Beleuchtungseinheiten (set of lighting units) besteht, die nach Merkmal 1.3.1 im Betrieb Abschnitte des jeweiligen Objekts beleuchten.
14
a) Ausgangspunkt der erfindungsgemäßen Lehre von Patentanspruch 1 ist, dass die Oberfläche der aus einem Halbleiter bestehenden aktiven Schicht einer LED annähernd eine Punktlichtquelle bildet, so dass das erzeugte Licht auf einfache Weise gezielt gebündelt werden kann. Das Objekt insgesamt wird von allen LED-Chips in den Beleuchtungseinheiten gemeinsam beleuchtet, indem die einzelnen Strahlenbündel jeweils nur auf einen Abschnitt des zu beleuchtenden Objekts treffen. Die Strahlenbündel können daher schmal sein. Dadurch können sie präzise auf das Objekt selbst gerichtet werden, so dass nur wenig Licht neben dem Objekt auftrifft. Dabei kann die Lichtverteilung flexibel reguliert werden, indem die Lichtströme der Beleuchtungsmodule oder einzelner Beleuchtungseinheiten der Module entsprechend gesteuert werden. So können die Beleuchtungseinheiten so angeordnet sein, dass sich die zu beleuchtenden Abschnitte des Objekts überlappen. Es können aber auch einzelne Bereiche eines Objekts von der Beleuchtung ausgenommen werden, indem beispielsweise das Strahlenbündel einer Beleuchtungseinheit mit entsprechen- den Bauelementen geteilt wird und so im Ergebnis nicht nebeneinander liegende Abschnitte des Objekts beleuchtet werden. Außerdem können die Beleuchtungseinheiten eines Satzes von unterschiedlicher Art sein, so dass sie etwa unterschiedliche breite Strahlenbündel abgeben oder unterschiedliche Spektren aufweisen und so das Reflexionsvermögen der einzelnen Abschnitte des zu beleuchtenden Objekts berücksichtigt werden kann (Beschr. Abs. 6 und 7).
15
aa) Der Aufbau der erfindungsgemäßen Leuchte ergibt sich aus dem in Figur 2 des Streitpatents wiedergegebenen Querschnitt einer möglichen Ausführungsform. Figur 3 des Streitpatents stellt eine Beleuchtungseinheit dieser Ausführungsform im Längsschnitt dar: . / .


16
Bei dieser Ausführungsform ist der LED-Chip (30) in eine Kunststoffhülle (42) eingebettet, die zusammen mit dem primären Reflektor (41) das primäre optische System bildet. LED-Chip und primäres optisches System sind in einem konischen Reflektor (43) angeordnet, der entweder allein oder mit einer fakultativ vorgesehenen Linse (45) das sekundäre optische System bildet. Der Winkel des Strahlenbündels kann über die Größe der Reflektoren und - soweit vorhanden - der Linse gewählt werden. Bei dem in Figur 2 gezeigten Ausführungsbei- spiel besteht der Satz Beleuchtungseinheiten des Beleuchtungsmoduls (2) aus drei Typen (20a, 20b, 20c), die unterschiedliche Strahlwinkel aufweisen und so unterschiedlich breite Strahlenbündel erzeugen (Beschr. Abs. 23 und 25).
17
bb) Die in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 11 dargestellte Ausführungsform zeigt die Funktionsweise der beanspruchten Leuchte:
18
Bei dieser Ausführungsform besteht der Satz Beleuchtungseinheiten aus zwei Typen, die es ermöglichen sollen, ein Objekt zu beleuchten, das Bereiche mit unterschiedlichen Spektren aufweist, wie beispielsweise bei einer Straße die Fahrspuren einerseits und die Seitenstreifen andererseits. Die Beleuchtungseinheiten des ersten Typs (420p) bilden ein Beleuchtungsmodul (402b) und dienen zum Beleuchten der zentralen Bereiche, nämlich der Fahrspuren (dp), die in der Regel ein anderes Spektrum und damit ein anderes Reflexionsvermögen aufweisen als die Seitenstreifen einer Straße (dq1 und dq2), die mit Vegetation oder anderen Objekten versehen sein können und daher mit zwei Beleuchtungsmodulen (402a und 402c) beleuchtet werden sollen, die mit Beleuchtungseinheiten des zweiten Typs (420q) ausgestattet sind (Beschr. Abs. 34).
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b) Die Parteien streiten insbesondere über die Bedeutung von Merkmal 1.3.1.
20
aa) Das Patentgericht hat angenommen, dass dieses Merkmal keine weitere technische Ausgestaltung der Erfindung beschreibe. Das Merkmal bedeute lediglich, dass die Leuchte so gestaltet sein müsse, dass die Beleuchtungseinheiten Abschnitte eines Objekts beleuchteten. Da Gegenstand der Erfindung nur eine Leuchte, nicht aber ein beleuchtetes Objekt sei, könne das Merkmal nicht dahin verstanden werden, dass die einzelnen Beleuchtungseinheiten unterschiedlichen Abschnitten mit unterschiedlicher Beleuchtungsintensität zugeordnet seien.
21
bb) Dies hält den Angriffen der Berufung im Ergebnis stand.
22
Die Beklagte macht geltend, das Begriffspaar "Beleuchtungsmodul und Beleuchten eines Objekts" in Merkmal 1.1.2 mache deutlich, dass das Beleuchtungsmodul die Gesamtaufgabe habe, ein Objekt zu beleuchten. Damit korrespondiere das in den Merkmalen 1.2.2 und 1.3.1 verwendete Begriffspaar "Beleuchtungseinheiten und Beleuchten von Abschnitten eines Objekts" in der Weise, dass sich daraus als Kernelement der Erfindung ergebe, die im "Beleuchten eines Objekts" bestehende Gesamtaufgabe des Beleuchtungsmoduls auf einen Satz von Beleuchtungseinheiten aufzuteilen, so dass jeder Beleuchtungseinheit die Teilaufgabe "Beleuchten eines Abschnitts eines Objekts" zugeordnet werde.
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Dem kann nicht beigetreten werden. Eine Leuchte mit mehreren LED beleuchtet ein Objekt zwangsläufig in der Weise, dass die Strahlenbündel der LED jeweils nur auf einzelne Abschnitte des Objekts auftreffen. Dabei mögen je nach Anordnung der LED Überlappungen der beleuchteten Abschnitte oder unbeleuchtete Stellen auftreten. Dies ist jedoch nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift auch bei der erfindungsgemäßen Leuchte nicht ausgeschlossen (Beschr. Abs. 7). Merkmal 1.3.1 beschreibt damit lediglich den beim Einsatz von LED typischen Effekt, dass mehrere LED ein Objekt regelmäßig in der Weise beleuchten, dass die einzelnen Strahlenbündel jeweils nur auf einen Teil des zu beleuchtenden Objekts auftreffen. Eine darüber hinausgehende technische Ausgestaltung der beanspruchten Leuchte, wie sie die Beklagte aus dem Zusammenspiel zwischen dem Merkmal 1.1.2 einerseits und den Merkmalen 1.2.2 und 1.3.1 als Kern der Erfindung ableiten will, kommt darin - wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat - nicht zum Ausdruck.
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5. Das Beleuchtungssystem nach Patentanspruch 14 umfasst eine oder mehrere erfindungsgemäße Leuchten und ein Steuerungssystem, mit dem die Beleuchtungsmodule der Leuchten unabhängig voneinander gesteuert und so die Lichtverteilung, Leuchtdichte oder Farbtemperatur an die jeweiligen Gegebenheiten angepasst werden können (Beschr. Abs. 19).
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II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei dem Fachmann, einem Ingenieur mit Fachhochschul- oder Universitätsausbildung im Bereich der Elektrotechnik oder Physik mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Konstruktion von LED-Beleuchtungsgeräten, durch die deutsche Offenlegungsschrift 38 27 083 (NK19) nahegelegt. Diese Entgegenhaltung betreffe eine Leuchte in Form eines flächenhaften Strahlers, der ein Gehäuse mit einem Lichtaustrittsfenster aufweise. Zwar nenne die NK19 als Verwendungsbeispiele für einen derartigen Strahler Brems- und Begrenzungsleuchten, schränke den Anwendungsbereich aber für den Fachmann ohne weiteres erkennbar nicht darauf ein. Bereits die Bezeichnung "flächenhafter Strahler", aber auch die beschriebene technische Lehre implizierten, dass die NK19 auch Beleuchtungsmodule zum Beleuchten eines Objekts umfasse. In dem Gehäuse des beschriebenen flächenhaften Strahlers sei zumindest ein Beleuchtungsmodul untergebracht, das Strahlung nach vorne bzw. nach außen abstrahle und somit zum Beleuchten eines Objekts geeignet sei. Das Beleuchtungsmodul bestehe aus Beleuchtungseinheiten , die mit dem Lumineszenz-Halbleiterkörper eine Lichtquelle und mit den beiden Reflektoren optische Mittel umfassten. Jede Beleuchtungseinheit des Beleuchtungsmoduls umfasse zumindest eine Lumineszenzdiode und damit einen LED-Chip. Das optische System der Beleuchtungseinheiten umfasse mit der sich auf der Rückseite des Halbleiterkörpers befindlichen, hochreflektierenden Kontaktfläche ein primäres und ein sekundäres optisches System, das aus den beiden Reflektoren bestehe. Im Übrigen wiesen LED-Chips üblicherweise an ihrer Lichtaustrittsseite eine Kunststoffumhüllung in Linsenform auf, die zum primären optischen System gezählt werden könne, wie dies auch beim Streitpatent der Fall sei. Die in der NK19 beschriebene Leuchte unterscheide sich vom Gegenstand des Streitpatents daher nur in Bezug auf die Höhe des von den LED abgegebenen Lichtstroms, die nach Merkmal 1.4.2 zumindest 5 lm betrage , während eine Einzel-Lumineszenzdiode nach der NK19 einen Lichtstrom von 1 bis 4 lm abgebe. Da Leuchtdioden mit einem Lichtstrom von 5 lm zum Prioritätszeitpunkt im Stand der Technik bekannt gewesen seien, stelle die Ausstattung eines Strahlers mit einer stärkeren Leuchtdiode für den Fachmann, der die Helligkeit eines Strahlers intensivieren wolle, eine rein handwerkliche Maßnahme dar, die durch die NK19 nahegelegt sei. Erfinderische Tätigkeit sei auch nicht deshalb zu bejahen, weil bei einem höheren Lichtstrom ohne entsprechende Kühlung Hitzeprobleme aufträten, die nach Auffassung der Beklagten zwar das Streitpatent, nicht aber die NK19 löse. Die durch Patentanspruch 1 vermittelte Lehre des Streitpatents schließe nicht aus, dass hierbei eine dem Fachmann im Prioritätszeitpunkt bekannte Kühlung stattfinde. Im Üb- rigen sei es für den Fachmann auch im Prioritätszeitpunkt selbstverständlich gewesen, je nach Lichtstrom und Hitzeentwicklung der LED eine Kühlung vorzusehen , so dass es sich auch hierbei um eine handwerkliche Maßnahme handle, die keine erfinderische Tätigkeit zu begründen vermöge.
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Die mit den Hilfsanträgen A, C, D, E und G verteidigten Gegenstände seien ebenfalls nicht patentfähig. Sie beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit, weil die zusätzlichen Merkmale entweder rein handwerkliche Maßnahmen darstellten oder dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt gewesen seien. Die mit den Hilfsanträgen B und F verteidigten Fassungen seien unzulässig , weil ihr Gegenstand über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen hinausgehe, da das mit Hilfsantrag B zusätzlich beanspruchte Merkmal, wonach der gesamte Lichtstrom der LED der Leuchte mindestens 125 lm betrage und das mit Hilfsantrag F zusätzlich beanspruchte Merkmal, dass der LED-Chip in den Wellenbereichen 520-565 nm oder 430-490 nm emittiere, in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen nicht enthalten sei. Die Gegenstände der Hilfsanträge H bis N unterschieden sich von den Gegenständen der Hilfsanträge A bis G nur durch das zusätzliche Merkmal "Verwendung einer Leuchte zur Straßenbeleuchtung, als Scheinwerfer oder als Flutlicht", das keine Abgrenzung vom Stand der Technik darstelle und somit keine Schutzfähigkeit begründen könne.
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Hinsichtlich der Unteransprüche sei das Streitpatent ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären, da die Beklagte in der mündlichen Verhandlung auf eine gesonderte Verteidigung der Unteransprüche ausdrücklich verzichtet habe.
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III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.
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1. Zu Recht ist das Patentgericht zum Ergebnis gelangt, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung dem Fachmann durch die deutsche Offenlegungsschrift 38 27 083 (NK19) nahegelegt war.
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a) Das Patentgericht hat zu Recht angenommen, dass zuständiger Fachmann ein Ingenieur mit Fachhochschul- oder Universitätsausbildung im Bereich der Elektrotechnik oder Physik mit Erfahrung in der Konstruktion von LED-Beleuchtungsgeräten ist. Soweit die Beklagte geltend macht, dass ein solcher Fachmann zum Prioritätszeitpunkt nicht existiert habe, weil es lediglich Fachleute gegeben habe, die über eine mehrjährige Berufserfahrung wahlweise entweder in der Konstruktion von Beleuchtungseinrichtungen mit anderen Leuchtmitteln als LED oder - soweit sie mit LED-Einrichtungen befasst waren - in der Konstruktion von Lichtsignaleinrichtungen verfügten, kann dem nicht beigetreten werden. Schon die Streitpatentschrift selbst setzt die Verwendung von LED als Lampe und damit als Beleuchtungskörper im Prioritätszeitpunkt als bekannt voraus, wenn es dort heißt, integrierte Einheiten aus einem LED-Chip und einem primären optischen System seien allgemein unter dem Namen LED (lichtemittierende Dioden) oder unter der Bezeichnung LED-Lampen bekannt. In der Streitpatentschrift wird an dieser Stelle in der Verfahrenssprache gerade nicht der Begriff "light" verwendet (Beschr. Abs. 6), den die Beklagte als Hinweis auf den Bereich von der Beleuchtungstechnik zu unterscheidenden Bereich der Lichtsignaltechnik verstanden wissen will. Die Streitpatentschrift verwendet vielmehr den Ausdruck "lamp" und damit einen Begriff, den auch die Beklagte der Beleuchtungstechnik zurechnet. Damit ergibt sich schon aus der Streitpatentschrift kein Hinweis darauf, dass die LED-Technik im Prioritätszeitpunkt auf das Gebiet der Lichtsignaltechnik begrenzt war. Darüber hinaus ergibt sich auch aus den von der Klägerin vorgelegten Artikeln von Kish et al. (High luminous semiconductor waferbonded AlGalnP/GaP large-area emitters, Electronics Letters 1994, 1790, 1792 li. Sp., NK27) und Nakamura (InGaN-Based Blue/Green LEDs and Laser Diodes, Adv. Mater 1996, 689, 692 - Summary, NK28), dass zum Prioritätszeitpunkt die Entwicklung bereits so weit fortgeschritten war, dass die Verwendung von LED anstelle von Glühbirnen und Leuchtstofflampen zu Beleuchtungszwecken aufgrund der inzwischen gesteigerten Lichtausbeute untersucht und angesichts der Konkurrenzfähigkeit mit herkömmlichen Leuchtmitteln befürwortet und weiterverfolgt wurde.
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b) Die Entgegenhaltung NK19 betrifft einen flächenhaften Strahler, der eine transparente Montageplatte mit einer Leiterbahnstruktur aufweist. Auf der Unterseite der Platte sind mehrere, mit der Leiterbahnstruktur in Verbindung stehende Lumineszenz-Halbleiterkörper flächenhaft verteilt und befestigt. Dabei sind die Halbleiterkörper von Reflektoren umgeben, die den auf sie auftreffenden , von den Halbleiterkörpern emittierten Lichtanteil durch die Montageplatte reflektieren. In einer weiteren Ausführungsform können zusätzliche Reflektoren an der Oberseite der Montageplatte angebracht sein.
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aa) Die Funktionsweise des flächenhaften Strahlers wird anhand von Ausführungsbeispielen erläutert, die in den nachstehend wiedergegebenen Figuren 1 und 3 gezeigt werden:
34
Da die direkte, in Richtung Montageplatte (2) emittierte Strahlung (10) im Gegensatz zu der durch die Reflektoren (3a) reflektierten Strahlung (9) nicht parallel gebündelt, sondern isotrop verteilt wird, trägt sie nur in geringem Maße zu einer Erhöhung der Lichtstärke bei. Daher wird die Kontaktplatte (8) in dem in Figur 1 gezeigten Ausführungsbeispiel auf der Rückseite des Halbleiterkörpers möglichst hochreflektierend ausgebildet. Dadurch wird die direkte Strahlung (10) größtenteils reflektiert und trägt so zusammen mit der unmittelbar in Richtung der Reflektoren (3a) emittierten und dort reflektierten Strahlung (9) zur Gesamtemission bei, so dass sich ein hoher Sammelwirkungsgrad ergibt (NK19 Sp. 2 Z. 58-68).
35
Bei dem in Figur 3 gezeigten weiteren Ausführungsbeispiel, das zusätzliche Reflektoren (11) an der Oberseite der Montageplatte (2a) aufweist, wird sowohl ein Großteil der nach oben emittierten Strahlung (10) als auch die nach unten emittierte und reflektierte Strahlung (9) gebündelt, so dass die Lichtstärke und der Lichtnutzungsgrad ansteigen (NK19 Sp. 3 Z. 18-34).
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Um für bestimmte Anforderungen eine maximale Lichtstärke zu erzielen, können die Halbleiterkörper und die Reflektoren so angeordnet werden, dass der auf der Montageplatte zur Verfügung stehende Platz optimal ausgenutzt wird (Sp. 3 Z. 54-59). Ebenso können die Zahl der Lumineszenzdioden und deren Verschaltung sowie die Wellenlänge der emittierten Strahlung nach den spezifischen Anforderungen vorgegeben werden (NK19 Sp. 3 Z. 60-63).
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bb) Damit sind, wie das Patentgericht zutreffend und auch von der Berufung unangegriffen entschieden hat, die Merkmale 1.1.1 und 1.2.1, die Merkmalsgruppe 1.3.2 sowie Merkmal 1.4.1 und die Merkmalsgruppe 1.5 offenbart.
38
cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten sind auch die Merkmale 1.1.2, 1.2.2 und 1.3.1 offenbart.
39
Nach den Ausführungen in der NK19 ist der flächenhafte Strahler vielfältig und u.a. auch als Kfz-Leuchte einsetzbar (NK19 Sp. 4 Z. 10-12). Damit ist Merkmal 1.1.2 erfüllt, selbst wenn hiermit nur Rückleuchten angesprochen sein sollten. Denn diese umfassen jedenfalls Rückfahrscheinwerfer, denen nicht nur eine Signal-, sondern auch eine Ausleuchtungsfunktion zukommt.
40
Mit den Lumineszenz-Halbleiterkörpern weist der Strahler der NK19 auch Beleuchtungseinheiten im Sinne des Merkmals 1.2.2 auf.
41
Merkmal 1.3.1 beschreibt - wie oben dargelegt - lediglich den beim Einsatz von LED typischen Effekt, dass mehrere LED ein Objekt regelmäßig in der Weise beleuchten, dass die einzelnen Strahlenbündel jeweils nur auf einen Teil des zu beleuchtenden Objekts auftreffen. Diese Wirkung kommt auch dem Strahler der NK19 zu.
42
dd) Nicht offenbart ist jedoch - wie auch die Klägerin nicht in Abrede stellt - Merkmal 1.4.2.
43
In der NK19 ist lediglich ausgeführt, dass der Lichtstrom einer EinzelLumineszenzdiode typischerweise 1 bis 4 lm beträgt.
44
Dioden mit einem Lichtstrom von 5 lm waren zum Prioritätszeitpunkt im Stand der Technik bekannt. Auch das Streitpatent geht ohne weiteres von der Existenz derartiger Dioden aus. Für den Fachmann, der ausgehend von der NK19 die Lichtausbeute des Strahlers steigern will, liegt es nahe, Leuchtdioden mit einem höheren Lichtstrom als dem in der NK19 genannten typischen Wert von 1 bis 4 lm zu wählen, zumal die NK19 diesen Bereich auch nicht als mögliche Obergrenze für den offenbarten Strahler beschreibt.
45
2. Hinsichtlich des Gegenstands von Patentanspruch 14 ergibt sich keine abweichende Beurteilung der Patentfähigkeit. Das hiermit beanspruchte Beleuchtungssystem besteht aus einer oder mehreren erfindungsgemäßen Leuchten nach Patentanspruch 1 oder einem davon abhängigen Patentanspruch. Das zusätzliche Merkmal, diese Lampen über ein - im Patentanspruch nicht näher beschriebenes - Steuerungssystem steuern zu können, ist dem Fachmann durch sein Fachwissen nahegelegt, so dass auch der Gegenstand von Patentanspruch 14 nicht als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend anzusehen ist.
46
3. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung der Hilfsanträge I, II, III, IIIa und IV beruht ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
47
a) Nach Hilfsantrag I soll der Begriff "Leuchte" dahin konkretisiert werden , dass diese als Straßenbeleuchtung, Scheinwerfer oder Flutlicht ausgebildet ist.
48
Die Beschränkung des Gegenstands von Patentanspruch 1 auf eine Leuchte, die als Straßenbeleuchtung, Scheinwerfer oder Flutlicht ausgebildet ist, vermag die Patentfähigkeit nicht zu begründen. Auch in dieser Ausführungsform ist der Gegenstand von Patentanspruch 1 dem Fachmann durch die NK19 nahegelegt. Zwar werden die nach Hilfsantrag I beanspruchten Beleuchtungskörper weder in den Ansprüchen noch in der Beschreibung der NK19 als Ver- wendungsbeispiele des dort beschriebenen flächenhaften Strahlers aufgeführt (vgl. Patentanspruch 15 und Beschr. Sp. 4 Z. 10 f.). Der Strahler soll nach den Erläuterungen der NK19 jedoch vielfältig einsetzbar sein (NK19 Sp. 4 Z. 10 f.). Weiter heißt es in der NK19, Aufgabe der Erfindung sei, einen Strahler mit einem hohen Wirkungsgrad bereitzustellen (NK19 Sp. 3 Z. 35-38). Dieser könne durch eine hohe Lichtstromnutzung und eine wirksame Lichtbündelung sowie eine einfache Ausbildung der Reflektoren erreicht werden (NK19 Sp. 1 Z. 60-64). Für bestimmte Anforderungen könne durch eine entsprechende Anordnung der Halbleiterkörper auf der Montageplatte auch eine maximale Lichtstärke erzielt werden. Diese Ausführungen gaben dem Fachmann die Anregung , das in der NK19 offenbarte Konstruktionsprinzip auch für die in Hilfsantrag I genannten Beleuchtungskörper in Betracht zu ziehen, zumal die Verwendung von LED zu Beleuchtungszwecken im Prioritätszeitpunkt, wie ausgeführt, ohnehin zunehmend in den Blick genommen wurde.
49
b) Nach Hilfsantrag II soll in der Fassung nach Hilfsantrag I die Merkmalsgruppe 1.3 insofern ergänzt werden, als die Beleuchtungseinheiten an einen Kühlkörper angeschlossen sein sollen.
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Dieses Merkmal vermag die erfinderische Tätigkeit nicht zu begründen. Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, war die Verwendung von Kühlkörpern bei LED-Leuchten zum Prioritätszeitpunkt im Stand der Technik bereits bekannt, so dass das Vorsehen eines Kühlkörpers eine für den Fachmann naheliegende Maßnahme darstellt, wenn aufgrund der Wärmeentwicklung der LED eine Überhitzung zu befürchten ist.
51
c) Nach Hilfsantrag III soll die Fassung nach Hilfsantrag I um ein zusätzliches Merkmal ergänzt werden, wonach der gesamte Lichtstrom der LED der Leuchte mindestens 120 lm beträgt.
52
Ob dieses Merkmal in den ursprünglich eingereichten Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart ist, kann dahin gestellt bleiben. Denn jedenfalls vermag es die Patentfähigkeit nicht zu begründen.
53
Nach den Ausführungen in der NK19 beträgt der Lichtstrom einer EinzelLumineszenzdiode typischerweise 1 bis 4 lm, während die Lichtstärke ca. 1 bis 3 cd beträgt. Dort heißt es weiter, dass die Lichtstärke für eine KfzBremsleuchte zwischen 40 cd und 100 cd liegen müsse. Dies deutet darauf hin, dass bereits zum Prioritätszeitpunkt LED bekannt waren, mit denen ein Lichtstrom von 120 lm zur Verfügung gestellt werden konnte. Selbst wenn die Angaben der NK19 zur Lichtstärke, wie die Beklagte geltend macht, nicht zutreffen sollten, lag für den Fachmann jedenfalls auf der Hand, dass ein erwünschter Lichtstrom von 120 Im mit der Entwicklung entsprechend leistungsfähiger LED, zu der das Streitpatent keinen Beitrag leistet, realisiert werden konnte.
54
d) Nach Hilfsantrag IIIa sollen die in den Hilfsanträgen II und III vorgesehenen Merkmale miteinander kombiniert werden.
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Dies führt zu keiner abweichenden Beurteilung der Patentfähigkeit, da auch die Kombination dieser aus den zu Hilfsantrag II und III dargelegten Gründen dem Fachmann nahegelegten Merkmale nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
56
e) Nach Hilfsantrag IV soll in der Fassung nach Hilfsantrag I Merkmal 1.3.2.1 insofern ergänzt werden, als jede Beleuchtungseinheit zumindest einen LED-Chip mit einer aktiven Schicht aus InGaN-Halbleitermaterial umfasst.
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Auch dieses Merkmal vermag die Patentfähigkeit nicht zu begründen. Wie bereits das Patentgericht ausgeführt hat und sich aus der Veröffentlichung von Nakamura (InGaN-Based Blue/Green LEDs and Laser Diodes, Adv. Ma- ter 1996, No. 8, S. 689 ff., NK28) ergibt, war Indiumgalliumnitrid dem Fachmann zum Prioritätszeitpunkt als Halbleitermaterial für LED bekannt. Damit kann die Verwendung eines LED-Chips mit einer aktiven Schicht aus InGaN-Halbleitermaterial nicht als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend angesehen werden.
58
4. Nach den Hilfsanträgen V, VI, VII und VIII ist der Gegenstand von Patentanspruch 1 als Verwendungsanspruch formuliert, wobei dieselben zusätzlichen Merkmale vorgesehen sind wie nach den Hilfsanträgen I, II, III und IV. Auch in diesen Fassungen beruht der Gegenstand von Patentanspruch 1 aus den zu den Hilfsanträgen I, II, III und IV dargelegten Gründen nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
59
5. Der Gegenstand von Patentanspruch 14 bezieht sich in der Fassung aller Hilfsanträge auf ein Beleuchtungssystem mit einer oder mehreren Leuchten nach den jeweils vorangehenden Patentansprüchen. Nachdem dem Gegenstand von Patentanspruch 1 auch in der Fassung der Hilfsanträge keine Patentfähigkeit zukommt, ist die Patentfähigkeit eines hierauf basierenden Beleuchtungssystems aus denselben Erwägungen zu verneinen, da allein die Kombination entsprechender Leuchten mit einem Steuerungssystem keine erfinderische Tätigkeit zu begründen vermag.
60
6. Die Verteidigung des Streitpatents mit auf Unteransprüchen beschränkten Fassungen ist in der Berufungsinstanz nicht sachdienlich und damit nicht mehr zulässig, nachdem die Beklagte auf die Verteidigung des Streitpatents in dieser Form in der mündlichen Verhandlung vor dem Patentgericht ausdrücklich verzichtet hat (§ 116 Abs. 2 Nr. 1 PatG).
61
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Grabinski Bacher Hoffmann Kober-Dehm Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 23.06.2015 - 4 Ni 35/13 (EP) -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 19. Dez. 2017 - X ZR 125/15

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 19. Dez. 2017 - X ZR 125/15

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Patentgesetz - PatG | § 116


(1) Der Prüfung des Bundesgerichtshofs unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. (2) Eine Klageänderung und in dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats eine Verteidigung mit e
Bundesgerichtshof Urteil, 19. Dez. 2017 - X ZR 125/15 zitiert 4 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

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(1) Der Prüfung des Bundesgerichtshofs unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. (2) Eine Klageänderung und in dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats eine Verteidigung mit e

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Bundesgerichtshof Urteil, 13. Jan. 2015 - X ZR 41/13

bei uns veröffentlicht am 13.01.2015

Tenor Die Berufung gegen das am 13. November 2012 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Nov. 2014 - X ZR 128/09

bei uns veröffentlicht am 11.11.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X Z R 1 2 8 / 0 9 Verkündet am: 11. November 2014 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Referenzen

9
2. In der Beschreibung des Streitpatents ist eine Aufgabe nicht formuliert. Die Beklagte sieht diese darin, ein (Langzeit-)Diabetes-Therapeutikum mit gegenüber dem Stand der Technik vorteilhaften pharmakologischen Eigenschaften , insbesondere mit einem durch schnelles Einsetzen der Wirkung, einem im Verhältnis zur Blutzuckersenkung niedrigen Plasmaspiegel und rascher Eliminierung des Wirkstoffs aus dem Blut ausgestatteten besonderen pharmakokinetischen Profil vorzuschlagen. Dieser Aufgabenbestimmung kann nicht beigetreten werden. Gegen sie wäre möglicherweise nichts einzuwenden, wenn zweifelsfrei feststünde, dass der Fachmann seine Bemühungen am Anmeldetag gezielt und ausschließlich an den genannten Parametern ausgerichtet hätte. Das ist jedoch nicht der Fall. Der Beschreibung zufolge hat sich erst bei den Bemühungen der Erfinder um eine Weiterentwicklung des Stands der Technik herausgestellt, dass Repaglinid die genannten vorteilhaften pharmakokinetischen Eigenschaften aufweist. Die Bestimmung des technischen Problems dient dazu, den Ausgangspunkt der fachmännischen Bemühungen um eine Bereicherung des Stands der Technik ohne Kenntnis der Erfindung zu lokalisieren, um bei der anschließenden und davon zu trennenden Prüfung auf Patentfähigkeit zu bewerten, ob die dafür vorgeschlagene Lösung durch den Stand der Technik nahegelegt war oder nicht. Elemente, die zur patentgemäßen Lösung gehören oder die sich bei ihrer Erarbeitung herausgestellt haben, sind deshalb bei der Bestimmung des technischen Problems nicht zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 22. Mai 1990 - X ZR 124/88, GRUR 1991, 811, 814 - Falzmaschine; Urteil vom 30. Juli 2009 - Xa ZR 22/06, GRUR 2010, 44 Rn. 14 - Dreinahtschlauchfolienbeutel ). Dem Streitpatent liegt hiernach das Problem zugrunde, ein (Langzeit-)Diabetes-Therapeutikum mit verbesserter Wirkung bereitzustellen.

Tenor

Die Berufung gegen das am 13. November 2012 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 907 364 (Streitpatents), das am 27. Mai 1997 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 31. Mai 1996 angemeldet wurde und ein Arzneimittel aus einem Dibenzothiazepinderivat mit verzögerter Freisetzung betrifft. Patentanspruch 1, auf den neunzehn weitere Patentansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:

"A sustained release formulation comprising a gelling agent and 11-[4-[2-(2-hydroxyethoxy)ethyl]-1-piperazinyl]dibenzo-[b,f][1,4]thiazepine or a pharmaceutically acceptable salt thereof, together with one or more pharmaceutically acceptable excipients."

2

Die Klägerinnen haben geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Klägerin zu 1 hat ferner geltend gemacht, die Erfindung sei im Streitpatent nicht so offenbart, dass der Fachmann sie ausführen könne. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise in vier geänderten Fassungen verteidigt.

3

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Die Klägerinnen treten dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

4

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

5

I. Das Streitpatent betrifft eine Retard-Formulierung mit dem Wirkstoff Quetiapin.

6

1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift war im Stand der Technik bekannt, dass der Wirkstoff 11-[4-[2-(2-Hydroxyethoxy)ethyl]-1-piperazinyl]dibenzo-[b,f][1,4]thiazepin (Freiname: Quetiapin) antidopaminerge Wirkung hat und zum Beispiel als Antipsychotikum oder zur Behandlung von Hyperaktivität eingesetzt werden kann.

7

In der Streitpatentschrift wird weiter ausgeführt, bei der Behandlung einer Reihe von Krankheiten sei es wünschenswert, die pharmazeutischen Wirkstoffe in Retard-Form bereitzustellen, um eine einheitliche und konstante Freisetzungsrate über einen längeren Zeitraum ohne häufige Verabreichung sicherzustellen. Im Stand der Technik seien zahlreiche Retard-Formulierungen mit Geliermitteln wie Hydroxypropylmethylcellulosen bekannt. Die Herstellung solcher Formulierungen von löslichen Medikamenten habe sich aber als schwierig dargestellt. Wasserlösliche Wirkstoffe neigten zu dem als dose dumping bekannten Phänomen, dass die Freisetzung zunächst verzögert werde, dann aber mit hoher Rate einsetze. Ferner bestehe die Tendenz zu Fluktuationen und Tagesschwankungen bei der Plasmakonzentration. Schließlich sei es schwierig, die Freisetzungsrate zu steuern. Deshalb bestehe ein Bedarf an Retard-Formulierungen von löslichen Medikamenten wie Quetiapin, mit denen diese Schwierigkeiten überwunden oder vermindert werden könnten.

8

2. Das Patentgericht hat hieraus abgeleitet, das Streitpatent betreffe das technische Problem, eine Formulierung des Wirkstoffs Quetiapin zur Verfügung zu stellen, die eine möglichst konstante Freisetzungsrate über einen möglichst langen Zeitraum hinweg ermöglicht.

9

3. Diese Definition ist zu eng. Das dem Streitpatent zugrunde liegende Problem besteht vielmehr darin, eine Darreichungsform von Quetiapin zur Verfügung zu stellen, die zu einer verbesserten Wirkung führt.

10

a) Die vom Patentgericht zugrunde gelegte Definition bietet sich zwar durch den Wortlaut der Beschreibung an. Diesem kommt aber, wie das Patentgericht im Ansatz nicht verkannt hat und wovon auch die Parteien im Ansatz übereinstimmend ausgehen, nicht notwendigerweise ausschlaggebende Bedeutung zu.

11

Nach der Rechtsprechung des Senats ist als Ausgangspunkt für die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zwingend auf die der Beschreibung des Streitpatents zu entnehmende "Aufgabe" abzustellen (BGH, Urteil vom 1. März 2011 - X ZR 72/08, GRUR 2011, 607 Rn. 19 - Kosmetisches Sonnenschutzmittel III). Maßgeblich ist vielmehr, was die Erfindung gegenüber dem Stand der Technik im Ergebnis tatsächlich leistet (vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Februar 2003 - X ZR 200/99, GRUR 2003, 693, 695 - Hochdruckreiniger).

12

b) Hieraus ergibt sich entgegen der Auffassung der Berufung allerdings nicht, dass bei der Definition des technischen Problems kumulativ alle Vorteile zu berücksichtigen sind, die die Erfindung objektiv mit sich bringt.

13

Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine Erfindung mehrere unterschiedliche technische Probleme betreffen. In solchen Konstellationen sind die einzelnen Problemstellungen bei der Prüfung der Patentfähigkeit gesondert zu betrachten. Die Patentfähigkeit ist gegebenenfalls schon dann zu verneinen, wenn die Bewältigung eines dieser Probleme zum Aufgabenkreis des Fachmanns gehört hat und die beanspruchte Erfindung von diesem Ausgangspunkt aus durch den Stand der Technik nahegelegt war (BGH, Urteil vom 1. März 2011 - X ZR 72/08, GRUR 2011, 607 Rn. 19 - Kosmetisches Sonnenschutzmittel III).

14

Vor diesem Hintergrund ist die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob die vom Streitpatent beanspruchte Formulierung nicht nur eine konstante Freisetzungsrate über einen langen Zeitraum hinweg ermöglicht, sondern auch zusätzliche Anwendungsfelder und Indikationen für Quetiapin eröffnet, für die Entscheidung des Streitfalls nicht von Bedeutung. Sofern der Fachmann Anlass hatte, nach einer Formulierung mit konstanter Freisetzungsrate zu suchen und der Gegenstand des Streitpatents ausgehend von dieser Problemstellung durch den Stand der Technik nahegelegt war, ist die Patentfähigkeit auch dann zu verneinen, wenn die Erfindung daneben zur Lösung weiterer Probleme geeignet ist.

15

c) Die vom Patentgericht zugrunde gelegte Definition des technischen Problems ist aber deshalb zu eng, weil der Streitfall unter anderem die Frage aufwirft, ob der Fachmann Anlass hatte, für Quetiapin eine Formulierung in Betracht zu ziehen, die eine möglichst konstante Freisetzungsrate über einen möglichst langen Zeitraum hinweg ermöglicht.

16

Die Definition des technischen Problems, das einer Erfindung zugrunde liegt, dient nicht dazu, eine Vorentscheidung über die Frage der Patentfähigkeit zu treffen. Deshalb dürfen Elemente, die zur patentgemäßen Lösung gehören, nicht berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 22. Mai 1990 - X ZR 124/88, GRUR 1991, 811, 814 - Falzmaschine; Urteil vom 30. Juli 2009 - Xa ZR 22/06, GRUR 2010, 44 Rn. 14 - Dreinahtschlauchfolienbeutel).

17

Aus demselben Grund ist es nicht zulässig, ohne weiteres zu unterstellen, dass dem Fachmann die Befassung mit einer bestimmten Aufgabenstellung nahegelegt war. In vielen Fällen mag sich zwar aus der Beschreibung des Patents oder aus sonstigen Umständen klar ergeben, welchen Problemen sich der Fachmann ausgehend vom Stand der Technik zugewendet hätte. Sofern sich dies nicht zweifelsfrei beurteilen lässt, wäre es jedoch verfehlt, schon bei der Definition der Aufgabe die Frage zu prüfen, welche Anregungen dem Fachmann durch den Stand der Technik gegeben wurden. Vielmehr ist das technische Problem so allgemein und neutral zu formulieren, dass sich diese Frage ausschließlich in dem Zusammenhang stellt, in dem sie relevant ist, nämlich bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit.

18

d) Im Streitfall besteht das technische Problem deshalb darin, eine Darreichungsform von Quetiapin zur Verfügung zu stellen, die zu einer verbesserten Wirkung führt. Die Frage, welche Maßnahmen dem Fachmann zur Erreichung dieses Ziels nahegelegt waren, ist demgegenüber ausschließlich für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von Bedeutung.

19

Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent eine Retard-Formulierung vor, die ein Geliermittel, Quetiapin oder ein pharmazeutisch unbedenkliches Salz davon und einen oder mehrere pharmazeutisch unbedenkliche Hilfsstoffe enthält.

20

II. Das Patentgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, der Gegenstand des Streitpatents beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit, und hat dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

21

Aus der Veröffentlichung von Gefvert et al. (Time course for dopamine and serotonin receptor occupancy in the brain of schizophrenic patients following dosing with 150 mg Seroquel TM tld, European Neuropsychopharmacology, 1995, S. 347, P-4-65, NiK9 = TM8) habe der Fachmann, ein Team aus einem auf dem Gebiet der pharmazeutischen Technologie promovierten Pharmazeuten und einem Mediziner, entnehmen können, dass nach Verabreichung des Quetiapin sofort freisetzenden Arzneimittels Seroquel zwei von drei für die Wirksamkeit wichtige Werte innerhalb von 26 Stunden erheblich absanken. Hieraus habe sich ergeben, dass dieses Medikament mehr als einmal pro Tag verabreicht werden müsse, damit die angestrebte Wirkung erzielt werden könne. In NiK9 werde zwar eine Verabreichungshäufigkeit von ein- oder zweimal pro Tag als erstrebenswert bezeichnet. Das weitere Vorgehen der Autoren zeige aber, dass sie die bekannte, Quetiapin sofort freisetzende orale Darreichungsform für eine nur einmalige Verabreichung pro Tag nicht in Betracht gezogen hätten. Eine Anregung, zur Verwirklichung dieses Ziels eine Formulierung mit anderem Freisetzungsprofil in Betracht zu ziehen, habe sich aus der als TM17 vorgelegten Pressemitteilung ergeben, in der berichtet werde, dass die Beklagte die Entwicklung einer Formulierung in Auftrag gegeben habe, mit der Seroquel nur einmal pro Tag verabreicht werden müsse.

22

Für den Fachmann habe auch der Einsatz eines Geliermittels nahegelegen. Aus der US-Patentschrift 4 389 393 (NiK12) sei bekannt gewesen, dass sich Matrixsysteme auf der Grundlage von Geliermitteln wie Hydroxypropylmethylcellulosen für die Formulierung einer Vielzahl von Wirkstoffen eigneten.

23

Aus der europäischen Patentanmeldung 240 228 (NiK3) ergebe sich keine abweichende Beurteilung. Diese enthalte nur allgemeine Dosierungsangaben. Darüber hinausgehende Hinweise ergäben sich erst aus NiK9, die den Fachmann lehre, eine den Wirkstoff sofort freisetzende Darreichungsform mindestens zweimal täglich zu verabreichen. Die in NiK9 als vorteilhaft dargestellte Wirkstoffmenge sei nicht so groß, dass sie den Fachmann davon abgehalten habe, Retard-Formulierungen ins Auge zu fassen. Aus den Veröffentlichungen von Farde et. al (Positron emission tomographic analysis of central D1 and D2 dopamine receptor occupancy in patients treated with classical neuroleptics and clozapine, Arch. Gen Psychiatry 49 (1992), 538, NiK29), Wetzel et al. (Seroquel (ICl 204 636), a putative "atypical" antipsychotic, in schizophrenia with positive symptomatology: results of an open clinical trial and changes of neuroendocrinological and EEG parameters, Psychopharmacology 119 (1995), 231, NiK30) und Gelder et al. (Oxford Textbook of Psychiatry, Third Edition, 1996, Kap. 9 S. 246 ff. und Kap. 17, S. 532 ff., NiK32) ergebe sich keine abweichende Beurteilung.

24

Die mit den Hilfsanträgen verteidigten Fassungen des Streitpatents unterschieden sich von der erteilten Fassung lediglich durch zusätzliche Angaben zur Verabreichungsart (Tablettenform), zum Anteil des Geliermittels (5 bis 50 Gewichtsprozent) und zur Auswahl des Geliermittels. Alle diese Maßnahmen hielten sich im Rahmen des aus fachlicher Sicht Üblichen.

25

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.

26

1. Die Berufung rügt, das Patentgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, der zu dem als Fachmann anzusehenden Team gehörende pharmazeutische Technologe verfüge über mehrjährige Erfahrung in der Entwicklung und Herstellung von Formulierungen mit kontrollierter Wirkstofffreisetzung. Sie macht geltend, innerhalb des Teams sei der Mediziner die treibende Kraft, die die zu überwindenden Probleme vorgebe.

27

Diese Rüge vermag das angefochtene Urteil nicht in Frage zu stellen.

28

Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass innerhalb des aus einem Mediziner und einem Pharmazeuten bestehenden Teams der erstere die Federführung hat und dass der Pharmazeut nicht zwingend auf Retard-Formulierungen spezialisiert ist. Auch ein solches Team ist indes in der Lage, auf besonderes Fachwissen hinsichtlich solcher Formulierungen zuzugreifen, sofern es erkennt, dass eine kontrollierte Freisetzung des Wirkstoffs als Lösungsmittel in Betracht kommt.

29

2. Zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

30

a) Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Fachmann Anlass hatte, nach Verabreichungsformen zu suchen, mit denen Quetiapin nur einmal pro Tag verabreicht wird.

31

aa) Eine hinreichende Anregung dafür ergab sich, wie das Patentgericht zutreffend festgestellt hat, aus der Veröffentlichung von Gefvert et al. (NiK9).

32

In der Einleitung von NiK9 wird ausgeführt, das Quetiapin enthaltende Medikament Seroquel sei in Tests der Phasen II und III drei- oder viermal täglich verabreicht worden. Im Hinblick auf die große Bedeutung, die einer verlässlichen Einnahme bei Schizophrenie-Patienten zukomme, sei ein bequemeres (more convenient) Verabreichungsschema hilfreich. In den abschließenden Bemerkungen wird die Hoffnung geäußert, eine ein- bis zweimalige Verabreichung pro Tag könnte ausreichend sein.

33

Daraus ergab sich nicht nur die Anregung, die Zahl der täglichen Verabreichungen auf zwei zu verringern, sondern jedenfalls auch die Anregung, eine Verabreichungshäufigkeit von nur einmal pro Tag anzustreben.

34

bb) Die von der Beklagten unter Bezugnahme auf die Ausführungen ihres Privatgutachters Prof. Dr. M.   geäußerte Einschätzung, eine Verabreichung einmal pro Tag habe keine nennenswerten Vorteile gegenüber einer Verabreichung zweimal pro Tag (HE12 S. 8), führt insoweit nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

35

Die genannte Einschätzung stellt nicht in Frage, dass sowohl für den Patienten als auch für eine gegebenenfalls mit der Betreuung oder Überwachung betraute Person ein geringerer Aufwand entsteht, wenn das Medikament nur einmal pro Tag eingenommen werden muss. Schon dies gab Anlass, eine solche Verabreichungsform auch dann als Alternative ins Auge zu fassen, wenn die damit verbundenen Vorteile von einem Teil der Fachwelt als eher geringfügig angesehen wurden.

36

Dass eine Verringerung der Verabreichungshäufigkeit von zweimal auf einmal pro Tag auch in Zusammenhang mit Quetiapin nicht generell als nutzlos angesehen wurde, ergibt sich schon aus dem Umstand, dass in NiK9 die Hoffnung geäußert wurde, eine ein- oder zweimalige Verabreichung pro Tag könnte ausreichend sein. Eine zusätzliche Bestätigung dafür bildet die in TM17 wiedergegebene Pressemitteilung, wonach die Unternehmensgruppe der Beklagten schon vor dem Prioritätstag einem anderen Unternehmen den Auftrag erteilt hat, eine Verabreichungsform von Seroquel zu entwickeln, die eine Verabreichungshäufigkeit von einmal pro Tag ermöglicht.

37

b) Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Fachmann aufgrund der in NiK9 wiedergegebenen Daten davon ausgehen musste, dass die Belegung der D2-Rezeptoren vierundzwanzig Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme gegen null tendiert.

38

Zwar enthält NiK9 keine ausdrücklichen Angaben zur Rezeptorbelegung zu dem genannten Zeitpunkt. Aus den dort wiedergegebenen Werten ergibt sich aber, dass der Prozentsatz der belegten D2-Rezeptoren zwei Stunden nach der letzten Einnahme bei 44 % und sechsundzwanzig Stunden nach diesem Zeitpunkt bei null liegt. Die hieraus abgeleitete Schlussfolgerung des Patentgerichts, dass der Wert schon vierundzwanzig Stunden nach der letzten Einnahme nicht in einem signifikanten Bereich lag, ist rechtlich nicht zu beanstanden und wird durch die Einwände der Berufung nicht in Frage gestellt.

39

Zwar ist nicht auszuschließen, dass die Werte nicht linear absinken, zumal in NiK9 für das sechsstündige Intervall zwischen der ersten und der zweiten Messung ein Rückgang um vierzehn Prozentpunkte ausgewiesen ist, für den nachfolgenden Zeitraum von vier Stunden dagegen nur noch ein Rückgang um drei Prozentpunkte. Auch die Beklagte zieht aber nicht in Zweifel, dass der weitere Rückgang im Wesentlichen gleichmäßig erfolgt. Ihre auf der Prämisse eines linearen Rückgangs gezogene Schlussfolgerung, vierundzwanzig Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme seien noch 4 % der D2-Rezeptoren belegt, steht zu der Annahme des Patentgerichts, die Belegung tendiere zu diesem Zeitpunkt gegen null, nicht in Widerspruch. Zwar wird in NiK9 nicht dargelegt, welcher Prozentsatz an D2-Rezeptoren mindestens belegt sein muss, damit Quetiapin die angestrebte Wirkung entfalten kann. Angesichts des Umstandes, dass der Anteil der belegten Rezeptoren acht Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme - also innerhalb eines Zeitraums, in dem bei dreimaliger Verabreichung pro Tag eine erneute Einnahme zu erwarten ist - noch 30 % beträgt, gibt es aber keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Wert von 4 % aus fachlicher Sicht ebenfalls noch ausreichend erschien, zumal NiK9 für den Prozentsatz der belegten 5HT2-Rezeptoren einen deutlich anderen Verlauf wiedergibt, der erst acht Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme den gemessenen Höchststand von 85 % und sechsundzwanzig Stunden nach dem genannten Zeitpunkt noch einen Restbestand von 50 % aufweist.

40

c) Zu Recht hat das Patentgericht hieraus die Schlussfolgerung gezogen, dass sich aus NiK9 keine erfolgversprechenden Hinweise darauf ergaben, dass die dort angegebene Wirkstoffmenge von 450 mg für eine nur einmalige Verabreichung pro Tag mit sofortiger Freisetzung geeignet sein würde.

41

aa) Der von der Beklagten und ihrem Privatgutachter Prof. Dr. M.   aufgezeigte Umstand, dass die relativ schwache Bindung an den D2-Rezeptor und das relativ starke Abdriften von diesem nach dem Prioritätstag als mögliche Ursachen für die Wirkung von Quetiapin angesehen wurden (HE12 S. 11), führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Daraus ergibt sich insbesondere nicht, dass dem Fachmann diese Überlegungen schon am Prioritätstag bekannt waren.

42

Die von der Beklagten und ihrem Privatgutachter Prof. Dr. K.   angeführte Veröffentlichung aus dem Jahr 1996 (Kasper et al., D2-Receptor Imaging (SPEC) as a Tool for Measuring the Efficacy and Side-Effect Profile of Treatment With Neuroleptics, Biol Psychiatry 39 (1996), 564, Anlage 3 zu HE8) gab hierüber noch keinen Aufschluss. Dort wird zwar berichtet, es habe kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Belegung der D2-Rezeptoren und der Wirksamkeit festgestellt werden können und eine Belegung dieser Rezeptoren sei mit Nebenwirkungen im extrapyramidalmotorischen System (EPMS) verbunden. Für Seroquel wird aber berichtet, die zur Verfügung stehenden vorläufigen Daten deuteten auf einen vergleichbaren Belegungsgrad wie bei dem verwandten Wirkstoff Clozapin hin. Daraus ergibt sich nicht, dass auch extrem geringe Prozentsätze oder eine nur kurzzeitige Belegung ausreichen könnten. In der Veröffentlichung selbst wurde vielmehr die Vermutung geäußert, die beobachteten Zusammenhänge könnten auf der Wirkung auf die 5HT2-Rezeptoren beruhen, weil Risperidon und Olanzapin zu einer relativ hohen Belegung der D2-Rezeptoren führten, aber dennoch eher geringe Nebenwirkungen zeigten.

43

In der Veröffentlichung von Wetzel et al. (Seroquel (ICI 204 636), a putative “atypical” antipsychotic, in schizophrenia with positive symptomatology: results of an open clinical trial and changes of neuroendocrinological and EEG parameters, Psychopharmacology 119 (1995), 231-238, NiK30) wird ebenfalls die kombinierte und ausgeglichene Blockade der D2- und 5HT2-Rezeptoren als wahrscheinliche Ursache der beobachteten Wirkungen von Seroquel und Clozapin angeführt und der Antagonismus zu D2-Rezeptoren bei Seroquel als eher schwach eingeschätzt (NiK30 S. 232 links oben). Auch daraus ergeben sich keine Hinweise darauf, dass eine anteilsmäßig geringe oder nur kurzfristig wirkende Belegung dieser Rezeptoren ausreichen könnte.

44

Aus den Veröffentlichungen von Casey ('Seroquel' (Quetiapine): preclinical and clinical findings of a new atypical antipsychotic, Exp. Opin. Ivest. Drugs 1996, 939-957, NiK31), Hirsch et al. (ICI 204 636: A New Atypical Antipsychotic Drug, British Journal of Psychiatry 168 (1996), 45-56, NiK37) sowie Fleischhacker et al. (A Multicentre, Double-Blind, Randomised Comparison of Dose and Dose Regimen of 'Seroquel' in the Treatment of Patients with Schizophrenia, American College of Neuropsychopharmacology, 34th Annual Meeting (1995), 275, NiK45) ergeben sich insoweit keine weitergehenden Erkenntnisse.

45

bb) Die in NiK9 geäußerte Hoffnung, Seroquel könnte dennoch für eine ein- oder zweimalige Verabreichung pro Tag geeignet sein, führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

46

Diese Äußerung lässt schon für sich gesehen gewisse Zweifel daran erkennen, ob sich am Ende nicht doch eine Verabreichungshäufigkeit von mindestens zweimal pro Tag als erforderlich erweisen werde. In NiK9 werden zudem keine Hinweise darauf gegeben, auf welche konkreten Ergebnisse der angestellten Untersuchung die Hoffnung bezüglich einer nur einmaligen Verabreichung pro Tag gestützt wird und ob sie sich auf die im Rahmen der Untersuchung verabreichte Dosis von 450 mg pro Tag oder auf eine höhere Dosis bezieht.

47

Das vom Privatgutachter Prof. Dr. M.   in diesem Zusammenhang angeführte Konzept von "drug holidays" (HE12 S. 13) findet in NiK9 keine Erwähnung und steht überdies in Widerspruch zu der dort einleitend wiedergegebenen Einschätzung, wonach zum damaligen Zeitpunkt eine Verabreichung von drei- oder viermal pro Tag als erforderlich angesehen wurde.

48

cc) Zu Recht hat das Patentgericht in diesem Zusammenhang ergänzend die Ergebnisse der in NiK9 erwähnten SAFARI-Studie herangezogen, über die in NiK45 und in einer Pressemeldung aus der Unternehmensgruppe der Beklagten vom 2. Oktober 1995 (World opinion leaders on psychiatric disease are updated on benefits of Zeneca's 'Seroquel' in treating schizophrenia, TM16) berichtet wird.

49

In NiK45 wird zwar, wie die Berufung zutreffend anführt, unter Bezugnahme auf NiK9 die dort geäußerte Hoffnung wiedergegeben, Seroquel könnte aktiv sein, wenn es ein- oder zweimal täglich verabreicht werde. Die SAFARI-Studie betraf ausweislich beider Veröffentlichungen aber allein die Frage, ob die Verabreichung von 450 mg Seroquel bei einer Aufteilung auf zwei Verabreichungen pro Tag die gleichen Wirkungen zeigt wie bei einer Aufteilung auf drei Verabreichungen pro Tag. Die aus der Studie abgeleitete positive Antwort bezieht sich mithin lediglich auf die Verabreichung von zweimal 225 mg pro Tag. Daraus hat das Patentgericht zutreffend abgeleitet, dass sich aus der Studie keine Hinweise auf die Möglichkeit ergeben, die genannte Dosis mit sofortiger Freisetzung in einer einzigen täglichen Verabreichung anzuwenden, und dass die Autoren der Studie die in NiK9 diesbezüglich geäußerten Hoffnungen nicht zum Anlass genommen haben, ihre Untersuchungen auf diese Art der Verabreichung zu erstrecken.

50

Ob für die Konzeption der Studie, wie die Berufung geltend macht, auch ethische Gesichtspunkte eine Rolle gespielt haben, ist für die rechtliche Beurteilung unerheblich. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, ergäbe sich auch daraus, dass eine Verabreichungshäufigkeit von nur einmal pro Tag aus Sicht des Fachmanns auf praktische Schwierigkeiten stieß und im Ergebnis keine allzu große Erfolgsaussicht bot.

51

d) Im Ergebnis zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass eine Erhöhung der Dosis aus Sicht des Fachmanns jedenfalls nicht als einziges erfolgversprechendes Mittel in Betracht kam, um die Verabreichungshäufigkeit auf einmal pro Tag absenken zu können.

52

aa) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ergab sich allerdings aus der in TM17 wiedergegebenen Pressemitteilung allein für den Fachmann nicht hinreichend deutlich, dass sich der von Seiten der Beklagten erteilte Auftrag zur Entwicklung einer neuen Darreichungsform auf eine Retard-Formulierung bezog. Der Umstand, dass das beauftragte Unternehmen besondere Kompetenz bei der Entwicklung solcher Formulierungen hatte, mag einen gewissen Hinweis in diese Richtung geben. Der Mitteilung lässt sich bei isolierter Betrachtung aber nicht hinreichend sicher entnehmen, dass diese Kompetenz bei dem erteilten Auftrag zum Einsatz kommen sollte oder zumindest für die Auswahl des Auftragnehmers relevant war. Zu Schlussfolgerungen in diese Richtung bestand nur dann Anlass, wenn es auch aus fachlicher Sicht Gründe gab, eine Retard-Formulierung für Quetiapin in Betracht zu ziehen.

53

bb) Solche Gründe ergeben sich indes aus den im Prioritätszeitpunkt zugänglichen Kenntnissen über die Bedeutung der Rezeptorbelegung und des Plasmaspiegels.

54

Wie bereits oben dargelegt wurde, gab es im Prioritätszeitpunkt zwar Hinweise darauf, dass ein relativ geringer Prozentsatz für die Belegung der D2-Rezeptoren ausreichend und sogar eher vorteilhaft ist. Es gab aber keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Erwartung, dass eine kurzfristige Belegung dieser Rezeptoren ausreicht, um die angestrebten Wirkungen zu erzielen. Vor diesem Hintergrund mag sich als eine erfolgversprechende Möglichkeit zur Überwindung der aus NiK9 ersichtlichen Schwierigkeiten angeboten haben, die verabreichte Dosis zu erhöhen. Die vom Patentgericht erwähnte Gefahr, dass es dabei zu toxischen Plasmawirkstoffspitzen kommen könnte, schloss dies nicht ohne weiteres aus, zumal der in NiK9 dokumentierte Belegungsgrad der D2-Rezeptoren von Anfang an nicht allzu hoch war und es aus Anlage 3 zu HE8 Hinweise darauf gab, dass ein höherer Belegungsgrad nicht zwangsläufig zu schädlichen Wirkungen führen muss, wenn eine gleichzeitige Belegung der 5HT2-Rezeptoren gewährleistet bleibt.

55

Der Fachmann hatte im Prioritätszeitpunkt dennoch Anlass, eine Dosiserhöhung nicht als einzige Alternative in Betracht zu ziehen, weil die einmalige Verabreichung einer hohen Dosis zu erheblichen Schwankungen des Plasmaspiegels führt und dies jedenfalls aus damaliger Sicht nicht wünschenswert war.

56

(1) Nach den Feststellungen des Patentgerichts ist ein möglichst gleichmäßiger Plasmaspiegel aus Sicht des Fachmanns grundsätzlich als erstrebenswert anzusehen.

57

Dies deckt sich mit den Ausführungen in der Beschreibung des Streitpatents (Abs. 2) und wird auch von der Berufung nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen. Ihr Einwand, kurze Halbwertszeiten, wie sie für Quetiapin unter anderem aus NiK9 dokumentiert sind, und die damit verbundene schnelle Abnahme der Plasmakonzentration stünden einer Verabreichungshäufigkeit von einmal pro Tag nicht zwingend im Wege, bestätigt vielmehr, dass starke Schwankungen des Plasmaspiegels zumindest ein potentielles Problem darstellen.

58

(2) Exemplarisch wurde diese Einschätzung für Neuroleptika, die die D2-Rezeptoren belegen, auch in der Veröffentlichung von Tench et al. (Steady-state pharmacokinetics of controlled release and immediate release formulations of remoxipride in patients with chronic schizophrenia, Psychopharmacology 101 (1990), 132-136, TM23) zum Ausdruck gebracht.

59

In TM23 wird über Versuche mit einer Retard-Formulierung des Wirkstoffs Remoxiprid berichtet. In der Einleitung wird ausgeführt, extrapyramidale Symptome zeigten einen hohen Korrelationsgrad mit neuroleptischer Dosis und Plasmaspiegeln. Remoxiprid habe eine Halbwertszeit von vier bis sieben Stunden und müsse deshalb zwei- bis dreimal täglich verabreicht werden. Für eine einmalige Verabreichung pro Tag sei eine Formulierung mit kontrollierter Abgabe entwickelt worden, um mögliche Nebenwirkungen, die mit hohen Plasma-Spitzenkonzentrationen verbunden sein könnten, zu vermeiden (TM 23 S. 132 rSp).

60

Daraus ergibt sich, dass eine Retard-Formulierung schon dann in Betracht gezogen wurde, wenn bei einer Höherdosierung zwar nicht zwingend mit unerwünschten Nebenwirkungen zu rechnen war, zumindest aber eine gewisse Gefahr bestand.

61

Eine vergleichbare Ausgangssituation bestand am Prioritätstag auch in Bezug auf Quetiapin. Zwar deuteten die bereits oben behandelten Veröffentlichungen darauf hin, dass der Grad der Belegung der D2-Rezeptoren bei Quetiapin grundsätzlich eher niedrig ist und dass die gleichzeitige Belegung der 5HT2-Rezeptoren einen zusätzlichen Schutz gegen Nebenwirkungen im extrapyramidalmotorischen System gewährleistet. Dies bot aber keine hinreichende Gewissheit dafür, dass solche Nebenwirkungen auch dann ausbleiben, wenn die Verabreichungshäufigkeit auf einmal pro Tag gesenkt und hierzu die Tagesdosis signifikant erhöht wird.

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(3) Aus dem Umstand, dass sich die allgemein bestehenden Vorbehalte gegenüber stark schwankenden Plasmaspiegeln bei einzelnen Wirkstoffen als unbegründet erwiesen haben, ließ sich im Prioritätszeitpunkt mangels einschlägiger Erkenntnisse nicht ableiten, dass dies auch bei Quetiapin der Fall sein werde. Aus der von der Berufung herangezogenen Passage aus dem Lehrbuch von Remington (The Science and Practice of Pharmacy, 19. Auflage 1995, S. 893, HE13), laut der Omeprazol trotz geringer Halbwertszeit einen therapeutischen Effekt hervorruft, der zweiundsiebzig Stunden anhält, ergaben sich deshalb keine gesicherten Erkenntnisse darüber, ob ein ähnlicher Effekt auch bei Quetiapin eintreten könnte, zumal die lange Wirkungsdauer von Omeprazol in HE13 für einen Wirkstoff mit geringer Halbwertszeit als unerwartet bezeichnet wird.

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cc) Angesichts all dessen lagen im Prioritätszeitpunkt gewichtige Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Erhöhung der Dosis nicht ausreichen würde, um eine Verringerung der Verabreichungshäufigkeit auf einmal pro Tag zu ermöglichen. Dies gab dem Fachmann Anlass, gängige Alternativen in den Blick zu nehmen. Dazu gehörte eine Retard-Formulierung, die zu einer verzögerten Freisetzung und damit zu geringeren Schwankungen des Plasmaspiegels führt.

64

dd) Die von der Berufung geltend gemachten Bedenken, dass die erforderliche Dosis bei Quetiapin zu hoch sein könnte, um eine solche Formulierung herstellen zu können, wiegen im Hinblick auf die in NiK9 und NiK45 als ausreichend bezeichnete Dosierung von 450 mg pro Tag jedenfalls nicht hinreichend schwer, um von einem Beschreiten des nahegelegten Wegs abzusehen.

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e) Aus den von der Berufung angeführten Dosierungsangaben in der Patentanmeldung für Quetiapin (EP 0 240 228 A1, NiK3, S. 4 Z. 42-43) ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese Angaben (1,0 mg bis 40 mg pro Tag und Kilogramm Körpergewicht) hinsichtlich der Obergrenze einen Druckfehler enthalten, weil die ebenfalls angegebenen Beispielswerte für ein Körpergewicht von 50 kg (50 mg bis 200 mg) pro Tag auf eine Obergrenze von 4,0 mg hindeuten. Jedenfalls ergab sich für den Fachmann aus nachfolgenden Veröffentlichungen wie NiK9 und NiK45 die begründete Erwartung, dass eine derart hohe Dosierung nicht erforderlich ist.

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e) Die Ausführungen des Patentgerichts, dass der Einsatz eines Geliermittels sowie die nach den Hilfsanträgen zusätzlich vorgesehenen Maßnahmen durch den Stand der Technik nahegelegt waren, greift die Berufung nicht an. Rechtsfehler oder konkrete Umstände, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der vom Patentgericht getroffenen Feststellungen begründen könnten, sind insoweit nicht ersichtlich.

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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 ZPO.

Meier-Beck                       Gröning                              Bacher

                    Deichfuß                       Kober-Dehm

(1) Der Prüfung des Bundesgerichtshofs unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge.

(2) Eine Klageänderung und in dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats eine Verteidigung mit einer geänderten Fassung des Patents sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder der Bundesgerichtshof die Antragsänderung für sachdienlich hält und
2.
die geänderten Anträge auf Tatsachen gestützt werden können, die der Bundesgerichtshof seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung nach § 117 zugrunde zu legen hat.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)