Bundesgerichtshof Urteil, 17. März 2015 - X ZR 35/14

bei uns veröffentlicht am17.03.2015
vorgehend
Amtsgericht Rüsselsheim, 3 C 3161/12, 18.04.2013
Landgericht Darmstadt, 7 S 99/13, 19.02.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X Z R 3 5 / 1 4 Verkündet am:
17. März 2015
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
FluggastrechteVO Art. 3 Abs. 3 Satz 1
Ein kostenlos befördertes Kleinkind hat auch dann keinen Ausgleichsanspruch
nach Art. 7 FluggastrechteVO, wenn sich die Entgeltfreiheit aus einem für die
Öffentlichkeit verfügbaren Tarif ergibt.
BGH, Urteil vom 17. März 2015 - X ZR 35/14 - LG Darmstadt
AG Rüsselsheim
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. März 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck
und die Richter Gröning, Dr. Bacher, Dr. Deichfuß und die Richterin Dr. KoberDehm

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 19. Februar 2014 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin begehrt eine Ausgleichszahlung in Höhe von 250 € wegen eines verspäteten Fluges nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a, Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs - und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. EU L 46 vom 17. Februar 2004, S. 1 ff.; nachfolgend: Fluggastrechteverordnung oder Verordnung).
2
Die Klägerin nahm mit ihren Eltern an einer Flug-Pauschalreise nach Mallorca teil. Die Flugbeförderung erfolgte durch die Beklagte. Diese gewährte dem Reiseveranstalter in der Flugbuchungsbestätigung eine "100% Kinderer- mäßigung bis 1 Jahr" und stellte keine Kosten für die Beförderung der damals noch nicht zweijährigen Klägerin in Rechnung. Der Rückflug von Palma de Mallorca nach München wurde mit einer Verspätung von 6 Stunden und 20 Minuten durchgeführt.
3
Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Klageanspruch weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.
5
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Ausgleichszahlung nicht zu.
6
Die Fluggastrechteverordnung finde gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 1 auf den vorliegenden Fall keine Anwendung. Die Klägerin sei kostenlos von der Beklagten befördert worden. Ob eine kostenlose Beförderung vorliege, beurteile sich bei einer Pauschalreise nach dem Verhältnis zwischen dem Reiseveranstalter und der beklagten Fluggesellschaft als Leistungsträger. Entgegen der von der Klage vertretenen Ansicht komme es nicht darauf an, ob der auf die Beförderung der Klägerin angewendete "Nulltarif" für die Öffentlichkeit unmittelbar oder mittelbar verfügbar war.
7
II. Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
8
Der Klägerin steht kein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a, Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung zu. Zwar muss- ten die Reisenden beim Rückflug eine Ankunftsverspätung von mehr als drei Stunden hinnehmen, was grundsätzlich einen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung begründet (EuGH, Urteil vom 19. November 2009 - C-402/07, Slg. 2009, I-10923 = NJW 2010, 43 = RRa 2009, 282 - Sturgeon/ Condor; Urteil vom 23. Oktober 2012 - C-581/10, NJW 2013, 671 = RRa 2012, 272 - Nelson/Lufthansa; BGH, Urteil vom 18. Februar 2010 - Xa ZR 95/06, NJW 2010, 2281 = RRa 2010, 93; Urteil vom 7. Mai 2013 - X ZR 127/11, RRa 2013, 237 = NJW-RR 2013, 1065). Jedoch ist die Klägerin vom Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung ausgenommen. Denn die Verordnung gilt nach ihrem Art. 3 Abs. 3 Satz 1 nicht für Fluggäste, die kostenlos befördert werden.
9
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht Art. 3 Abs. 3 Satz 1 FluggastrechteVO dahin verstanden, dass sämtliche Fluggäste, die kostenlos reisen, vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen sind. Auf die Verfügbarkeit eines solchen "Nulltarifs" für die Öffentlichkeit kommt es nicht an; weder Wortlaut noch Entstehungsgeschichte der Vorschrift noch ihr Sinn und Zweck rechtfertigen die Annahme, der Ausschlusstatbestand der "kostenlos reisenden Fluggäste" betreffe lediglich den Sonderfall eines für die Öffentlichkeit nicht verfügbaren Tarifs, der den Flugpreis auf Null reduziert.
10
a) Nach seinem Wortlaut erfasst Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung zwei Fallvarianten: Fluggäste, die "kostenlos" reisen, und solche, die zu einem "reduzierten Tarif" reisen, der für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. Der Relativsatz bezieht sich unzweifelhaft allein auf die zweite Variante (so auch Schmid/Degott/Hopperdietzel, Fluggastrechte-Kommentar, Februar 2014, Art. 3 Rn. 27; Wahl, RRa 2013, 262, 265). Bestätigt wird dies durch die weiteren Sprachfassungen, namentlich die englische ("This Regulation shall not apply to passengers travelling free of charge or at a reduced fare not available directly or indirectly to the public") und die französische Fassung ("Le présent règlement ne s'applique pas aux passagers qui voyagent gratuitement ou à un tarif réduit non directement ou indirectement accessible au public"). Dem Wortlaut nach betrifft der Ausschlusstatbestand der ersten Alternative also jeden kostenlos reisenden Fluggast, gleich ob er als "gewöhnlicher" Fluggast eine 100 prozentige Flugpreisermäßigung erhält oder ob er aufgrund einer besonderen Nähebeziehung zum Luftfahrtunternehmen aus geschäftspolitischen Überlegungen besondere Konditionen gewährt bekommt und mit einem entsprechenden Funktionsrabatt (vgl. hierzu Hausmann, Europäische Fluggastrechte im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung und großer Verspätung von Flügen, 2012, S. 66, 69, 70) nicht nur verbilligt, sondern unentgeltlich reisen kann. Der Tatbestand erfasst danach Kleinkinder, die keinen Flugpreis entrichten und ohne Sitzplatzanspruch auf dem Schoß der Eltern reisen, ebenso wie Flugpersonal , das etwa einen Flug unentgeltlich als dienstlichen Zubringerflug nutzt.
11
b) Aus der Entstehungsgeschichte der Fluggastrechteverordnung ergeben sich keine Anhaltspunkte, nach denen die Benennung des "kostenlos reisenden Fluggastes" als erste Variante im Tatbestand des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung lediglich klarstellend darauf hinweisen sollte, der "reduzierte, nicht öffentlich verfügbare Tarif" erfasse auch eine (nicht für die Öffentlichkeit verfügbare) Preisermäßigung auf Null. Abgesehen davon, dass mit dem gewählten Wortlaut in diesem Fall das Gegenteil einer Klarstellung erreicht worden wäre, beruht der interessierende Verordnungstext inhaltlich auf Art. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 des Rates vom 4. Februar 1991 über eine gemeinsame Regelung für ein System von Ausgleichsleistungen bei Nichtbeförderung im Linienflugverkehr (ABl. EG L 36 vom 8. Februar 1991, S. 5) und ist im Gesetzgebungsverfahren seit dem Kommissionsvorschlag vom 21. Dezember 2001 (ABl. EG C 103 E vom 30. April 2002, S. 225) unverändert geblieben. Die Verordnung formuliert damit bewusst abweichend von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2027/97 des Rates vom 9. Oktober 1997 über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei der Beförderung von Fluggästen und deren Gepäck im Luftverkehr in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 889/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Mai 2002 zur Änderung der Verordnung (ABl. EG L 140 vom 30. Mai 2002, S. 2) in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 des Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 28. Mai 1999 (ABl. EG L 194 vom 18. Juli 2001, S. 39 - Montrealer Übereinkommen), welcher den Anwendungsbereich jener Haftungsbestimmungen im Luftverkehr ausdrücklich auf "unentgeltliche Beförderungen" erstreckt. Dem entspricht das Verständnis des Wirtschafts- und Sozialausschusses. Dieser führt in Abschnitt 2.10 seiner Stellungnahme zum Kommissionsvorschlag vom 17. Juli 2002 (ABl. EG C 241 vom 7. Oktober 2002, S. 29) aus, dass die Verordnung für "zahlende Fluggäste" (worunter auch die Zahlung mit Bonuspunkten zu verstehen sei) gelten solle.
12
c) Ein einengendes Verständnis des Ausschlusstatbestands ist schließlich nach Sinn und Zweck der Verordnung nicht geboten. Zutreffend verweist die Revision im Ausgangspunkt zwar auf Erwägungsgrund 1, wonach die Maßnahmen der Union im Bereich des Luftverkehrs unter anderem darauf abzielen, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, der Ausschlusstatbestand des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung unterliege als Ausnahmetatbestand zwingend einem engeren Begriffsverständnis als dem durch seinen Wortlaut vorgegebenen. Aus den Erwägungsgründen 1 und 4 folgt, dass die Fluggastrechteverordnung als Maßnahme der Luftverkehrspolitik (Art. 100 Abs. 2 AEUV) und das dabei angestrebte hohe Schutzniveau für Fluggäste, mit dem ferner dem Verbraucherschutz im Allgemeinen Rechnung getragen werden soll, primär der Sicherstellung harmonisierter Bedingungen für die Geschäftstätigkeit von Luftfahrtunternehmen in einem liberalisierten Binnenmarkt (Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 EUV i.V.m. Art. 26 AEUV) dienen. Das durch die Verordnung geschaffene, unmittelbar anwendbare euro- päische Schuldrecht (vgl. Hausmann, aaO, S. 45) harmonisiert die Voraussetzungen und Rechtsfolgen im Bereich der Nichtbeförderung, Annullierung und großen Verspätung als Hauptleistungsstörungen der der Personenbeförderung zugrundeliegenden Verträge und betrifft im Gegensatz zum Montrealer Übereinkommen nicht auch die sich aus der Gefahrgeneigtheit des Luftverkehrs ergebenden Haftungsfragen. Der Anwendungsbereich der Verordnung knüpft sonach allein an die geschäftliche Absatztätigkeit der Luftfahrtunternehmen an.
13
Die Rechtsfolgenbestimmungen zur Rückerstattung des Flugpreises (vgl. Art. 8 der Verordnung und Erwägungsgründe 10, 11, 13 und 17) bestätigen, dass der Fluggastrechteverordnung das Absatzgeschäft des Luftfahrtunternehmens und damit grundsätzlich die entgeltliche Beförderung als Anwendungsvoraussetzung zugrunde liegen. Dies schlösse es zwar nicht notwendig aus, auch unentgeltliche Beförderungen zu erfassen, zumal sie in der Regel - wie auch im Streitfall, in dem die Klägerin mit ihren Eltern gereist ist - Bestandteil eines auch entgeltliche Beförderungen umfassenden Luftbeförderungsvertrags sein werden. Es widerspricht aber auch nicht Sinn und Zweck der Fluggastrechteverordnung , dass die in dieser eingeräumten Ansprüche davon abhängen, dass der Fluggast seine Beförderung mit einem Entgelt "erkauft" hat. Vielmehr erschiene es widersprüchlich, wenn dem kostenlos beförderten Fluggast die Rechte aus der Verordnung eingeräumt würden, während Fluggäste, die zu einem öffentlich nicht zugänglichen Sondertarif befördert werden, keine Ansprüche geltend machen könnten, obwohl diese immerhin ein Entgelt gezahlt haben (so auch Schmid/Degott/Hopperdietzel, Fluggastrechte-Kommentar, Februar 2014, Art. 3 Rn. 28; Wahl, RRa 2013, 262, 265). Schon vor diesem Hintergrund kann der Argumentation der Revision, aus dem besonderen Betreuungsbedürfnis von Kleinstkindern ergebe sich die Notwendigkeit, diese auch bei kostenloser Beförderung nicht vom Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung auszunehmen, nicht gefolgt werden.
14
2. Zutreffend und von der Revision unbeanstandet hat das Berufungsgericht weiterhin angenommen, dass zur Feststellung, ob eine kostenlose Beförderung vorliegt, bei einer Pauschalreise auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Reiseveranstalter und dem Luftfahrtunternehmen als Leistungsträger abzustellen ist.
15
Allein diese Sichtweise folgt der dargestellten Anknüpfung des Anwendungsbereiches der Fluggastrechteverordnung an die Absatztätigkeit des ausführenden Luftfahrtunternehmens als Schuldner der Ansprüche im Rahmen der Verordnung und entspricht spiegelbildlich der von der Verordnung bezweckten Schutzerstreckung auf im Rahmen von Reiseverträgen beförderte Fluggäste (hierzu Erwägungsgrund 5), ohne den Reisenden, der für die Gesamtheit der Reiseleistungen dem Reiseveranstalter einen Reisepreis entrichtet, gegenüber anderen Fluggästen besser oder schlechter zu stellen. Der Maßgeblichkeit des Vertragsverhältnisses zwischen Reiseveranstalter und Luftfahrtunternehmen entspricht es, dass es nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung unerheblich ist, ob ein Tarif unmittelbar oder mittelbar öffentlich verfügbar ist; Flugtarife im Rahmen von Pauschalreisen sind mittelbar öffentlich verfügbare Tarife (so zutreffend Hausmann, aaO, S. 64 mwN).
16
3. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht geboten, da nach dem Vorstehenden keine vernünftigen Zweifel an der Auslegung der hier entscheidungserheblichen Bestimmungen der Verordnung bestehen (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257, 1258 - C.I.L.F.I.T.). Eine abweichende Auffassung zur Auslegung des Ausschlusstatbestands des "kostenlos reisenden Fluggastes" wird auch weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur vertreten.
17
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Meier-Beck Gröning Bacher
Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanzen:
AG Rüsselsheim, Entscheidung vom 18.04.2013 - 3 C 3161/12 (32) -
LG Darmstadt, Entscheidung vom 19.02.2014 - 7 S 99/13 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 17. März 2015 - X ZR 35/14

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Reiserecht: Zum Ausgleichsanspruch eines Kleinkinds nach der FluggastrechteVO

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo
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Bundesgerichtshof Urteil, 07. Mai 2013 - X ZR 127/11

bei uns veröffentlicht am 07.05.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 127/11 Verkündet am: 7. Mai 2013 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 127/11 Verkündet am:
7. Mai 2013
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (FluggastrechteVO) Art. 3 Abs. 1, Art. 7

a) Den Fluggästen eines verspäteten, nach Art. 3 Abs. 1 in den Anwendungsbereich
der Fluggastrechteverordnung fallenden Flugs steht ein Ausgleichsanspruch
nach Art. 7 zu, soweit sie infolge der Verspätung ihr individuelles
Endziel mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden erreichen.

b) Dies gilt auch, wenn die verspätete Ankunft am Endziel darauf beruht, dass
infolge der Flugverspätung ein selbst nicht in den Anwendungsbereich der
Verordnung fallender oder selbst nicht verspäteter Anschlussflug verpasst
wird.
BGH, Urteil vom 7. Mai 2013 - X ZR 127/11 - LG Berlin
AG Wedding
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Mai 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die
Richterin Mühlens und die Richter Gröning, Hoffmann und Dr. Deichfuß

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil der Zivilkammer 85 des Landgerichts Berlin vom 20. September 2011 aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Wedding vom 31. März 2011 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.200 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2010 zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus eigenem und abgetretenem Recht eines Mitreisenden auf eine Ausgleichszahlung in Höhe von jeweils 600 € nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (im Folgenden: Fluggastrechteverordnung) in Anspruch.
2
Die Reisenden buchten bei der Beklagten für den 20. Januar 2010 eine Flugreise von Berlin-Tegel über Madrid nach San José (Costa Rica). Der Start des von der Beklagten durchgeführten Fluges von Berlin nach Madrid erfolgte mit einer Verspätung von eineinhalb Stunden, was dazu führte, dass die Reisenden den Anschlussflug nach San José nicht mehr erreichten, weil der Einsteigevorgang bereits beendet war, als sie an dem betreffenden Ausgang ankamen. Sie wurden erst am folgenden Tag nach San José befördert.
3
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die zulässige Revision hat Erfolg und führt zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten.
5
I. Das Berufungsgericht hat den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Ausgleichszahlungen nach Art. 4 Abs. 3, Art. 7 FluggastrechteVO wegen der Verspätung des Zubringerflugs und des dadurch bedingten Nichterreichens des Anschlussflugs verneint. Einem Fluggast, der einen Flug wegen eines verspäteten Zubringerflugs nicht erreiche, stehe kein Anspruch auf eine Ausgleichsleistung wegen Nichtbeförderung zu; Zubringerflug und Anschlussflug seien nach gefestigter Rechtsprechung grundsätzlich isoliert zu betrachten. Ein Anspruch wegen einer Beförderungsverweigerung komme auch nicht deshalb in Betracht, weil die Beklagte die Reisenden in Madrid trotz der verspäteten Ankunft noch hätte an Bord nehmen müssen. Selbst wenn sich das Flugzeug nach San José, wie die Klägerin behaupte, noch in der Parkposition am Flugsteig befunden habe, als die Reisenden den Ausgang erreichten, habe eine Beförderungsverweigerung nicht vorgelegen, da sich die Reisenden erst nach Abschluss des Einsteigevorgangs am Ausgang eingefunden hätten. Dies sei nicht mehr rechtzeitig gewesen.
6
II. Diese Beurteilung hält zwar für sich genommen der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand, der Klägerin stehen jedoch die geltend gemachten Ansprüche wegen der durch die Verspätung des Zubringerfluges verursachten erheblichen Verspätung bei der Ankunft am Endziel der Flugreise zu.
7
1. Die Fluggastrechteverordnung ist anwendbar, da die Reisenden auf einem Flughafen in Deutschland einen Flug, nämlich den ersten gebuchten Flug von Berlin nach Madrid, angetreten haben (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO ).
8
2. Der verspätete Abflug dieses Flugs hat dazu geführt, dass die Reisenden ihr Endziel San José erst einen Tag nach der geplanten Ankunft erreicht haben. Dies begründet auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen den mit der Klage geltend gemachten Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c Satz 2 FluggastrechteVO; die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 2 Buchst. c FluggastrechteVO für eine Kürzung des Ausgleichsanspruchs liegen nicht vor.
9
a) Wie der Unionsgerichtshof in der Rechtssache C-402/07 (Urteil vom 19. November 2009, NJW 2010, 43 = RRa 2009, 282 - Sturgeon/Condor) auf die Vorlage des Bundesgerichtshofs entschieden und die Große Kammer mit Urteil vom 23. Oktober 2012 (C-581/10 - Nelson/Lufthansa) bestätigt hat, können nicht nur die Fluggäste annullierter Flüge, sondern auch die Fluggäste verspäteter Flüge den in Art. 7 der Verordnung vorgesehenen Anspruch auf Ausgleich geltend machen, wenn sie infolge der Verspätung einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, weil sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftverkehrsunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen. Auf eine weitere Vorlage des Senats hat der Unionsgerichtshof mit Urteil vom 26. Februar 2013 (C-11/11 - Air France/Folkerts) ferner entschieden, dass dieser Anspruch nicht voraussetzt, dass die verspätete Erreichung des Endziels darauf beruht, dass sich der Abflug des verspäteten Flugs um die in Art. 6 Abs. 1 Buchst. a bis c FluggastrechteVO genannten Zeiten verzögert hat. Es genügt daher, dass der verspätete Abflug in Berlin dafür ursächlich war, dass die Reisenden den Anschlussflug von Madrid nach San José nicht mehr erreichen konnten und infolgedessen ihr Endziel erst mit eintägiger Verspätung erreicht haben.
10
b) Entgegen der Auffassung der Revision beruht dieses Ergebnis nicht darauf, dass die Flugreise von Berlin nach San José als ein einziger Flug anzusehen wäre. Flug im Sinne der Verordnung ist vielmehr, wie der Bundesgerichtshof im Einzelnen begründet hat, der Luftbeförderungsvorgang, mit dem ein Luftverkehrsunternehmen die Gesamtheit der Fluggäste dieses Luftbeförderungsvorgangs auf einer von ihm angebotenen und zur Buchung zur Verfügung gestellten Flugroute von dem Startflughafen zum Landeflughafen befördert (BGH, Urteil vom 13. November 2012 - X ZR 12/12, NJW 2013, 682 = RRa 2013, 19; Urteil vom 28. Mai 2009 - Xa ZR 113/08, NJW 2009, 2743). Der Flug von Berlin nach Madrid ist mithin im Ausgangspunkt von dem (Anschluss-)Flug von Madrid nach San José zu unterscheiden. Hiervon geht auch das Urteil des Unionsgerichtshofs vom 26. Februar 2013 aus (s. nur Rn. 16, 18).
11
Die Selbständigkeit der Flüge ändert indessen nichts daran, dass nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 FluggastrechteVO für die Beurteilung der Frage, ob die Verspätung den für eine Ausgleichszahlung vorausgesetzten Umfang erreicht hat und in welcher Höhe hierfür ein Ausgleich zu erbringen ist, nicht das Ziel des einzelnen Flugs, sondern der letzte Zielort oder (gleichbedeutend) das Endziel (Art. 2 Buchst. h FluggastrechteVO) maßgeblich ist, an dem der Fluggast infolge der Verspätung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt. Hiermit trägt die Verordnung dem Umstand Rechnung, dass die Annullierung oder Verspätung eines Flugs die einzelnen Fluggäste unterschiedlich stark beeinträchtigen kann, je nachdem, wie sie sich auf die Erreichung des individuel- len Endziels ihrer Flugreise auswirkt (BGH, Urteil vom 13. November 2012, aaO Rn. 15)
12
c) Den von der Klägerin geltend gemachten Ausgleichsansprüchen steht es auch nicht entgegen, dass der Anschlussflug von Madrid nach San José, dem Endziel der Flugreise, selbst nicht verspätet war.
13
Zwar hat der Unionsgerichtshof in seinem Urteil vom 26. Februar 2013 gemeint, dass die Fluggastrechteverordnung "zwei unterschiedliche Fälle der Verspätung eines Flugs" betreffe (aaO Rn. 28) und aus der Definition des Endziels gefolgert, dass es im Fall eines Fluges mit Anschlussflügen für die Zwecke der in Art. 7 FluggastrechteVO vorgesehenen Ausgleichszahlung allein auf die Verspätung ankomme, die gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit am Endziel , d. h. dem Zielort des letzten Fluges des betreffenden Fluggasts, festgestellt werde (aaO Rn. 35). Er hat demgemäß in seiner Antwort auf die Vorlagefrage ausgeführt, dass die Zahlung nicht vom Vorliegen einer Verspätung beim Abflug und somit nicht von der Einhaltung der in Art. 6 FluggastrechteVO aufgeführten Voraussetzungen abhänge. Dies bedeutet jedoch nur, dass eine Abflugverspätung und insbesondere eine Abflugverspätung, die das in Art. 6 bezeichnete Ausmaß überschreitet, nicht notwendige Voraussetzung des Ausgleichsanspruchs ist, und darf nicht dahin missverstanden werden, dass die Abflugverspätung den Ausgleichsanspruch nicht begründen könnte, wenn der Anschlussflug zum Endziel für sich genommen nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt oder selbst nicht mit Verspätung ausgeführt worden ist. Vielmehr hat der Gerichtshof seine Rechtsprechung zum Ausgleichsanspruch bei Verspätung gerade für den Fall des infolge einer solchen Verspätung verpassten Anschlussflugs weiterentwickelt. Das Urteil vom 26. Februar 2013 ändert mithin nichts daran, dass Fluggäste, die auf einem Flughafen auf dem Gebiet eines Mitgliedstaats der Union einen Flug antreten, eine Ausgleichszahlung beanspruchen können, wenn der verspätete Abflug dieses Flugs zur Folge hat, dass das Endziel mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden erreicht wird.
Der gleiche Anspruch besteht, wenn der Flug zwar pünktlich abgeht, aber - etwa wegen einer außerplanmäßigen Zwischenlandung - gleichwohl unpünktlich ankommt und dies wiederum dazu führt, dass das Endziel mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden erreicht wird; auch dann liegt nach dem Urteil Air France/Folkerts ein verspäteter (Erst-)Flug vor. Hingegen kann eine Störung, die erst bei einem Anschlussflug auftritt, für den die Verordnung nach Art. 3 Abs. 1 nicht gilt, einen Ausgleichsanspruch auch dann nicht begründen, wenn sie dazu führt, dass das Endziel mit erheblicher Verspätung erreicht wird (BGH, Urteil vom 13. November 2012, aaO Rn. 17).
14
3. Der Einwand der Revisionsbeklagten, die Auslegung der Fluggastrechteverordnung durch die Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs sei von den der Europäischen Union zugewiesenen Kompetenzen nicht mehr gedeckt und deshalb von Verfassungs wegen nicht zu befolgen, führt zu keiner anderen Beurteilung.
15
a) Zunächst stellt sich im Streitfall nicht die Frage nach den Grenzen der Zuständigkeit der Europäischen Union, die hinsichtlich der Fluggastrechteverordnung und der in ihr geregelten Rechte und Pflichten der Luftverkehrsunternehmen und der Fluggäste außer Zweifel steht. Es ist auch nicht zweifelhaft, dass das Unionsrecht einen Ausgleichsanspruch für den Fall einer großen Verspätung vorsehen kann, so dass nicht in Betracht kommt, dass der Unionsgerichtshof durch die entsprechende Auslegung der Fluggastrechteverordnung in der Union nicht übertragene Kompetenzen der Mitgliedstaaten eingegriffen haben könnte.
16
b) Der Senat könnte daher die Fluggastrechteverordnung nicht anders auslegen, ohne dem Unionsgerichtshof die Frage der Vereinbarkeit seiner Rechtsprechung mit dem Primärrecht der Europäischen Union vorzulegen. Hierzu besteht jedoch keine Veranlassung.
17
In ihrem Urteil vom 23. Oktober 2012 (C-581/10 - Nelson/Lufthansa) hat die Große Kammer des Gerichtshofs die Gleichstellung der durch große Verspätungen betroffenen Passagiere mit den Passagieren annullierter Flüge nochmals ausführlich begründet. Sie hat insbesondere darauf hingewiesen, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Nr. iii der Verordnung dem Luftverkehrsunternehmen einen gewissen Spielraum einräume, dem Fluggast eines spät annullierten Fluges eine anderweitige Beförderung anbieten zu können, ohne ihm einen Ausgleich zahlen zu müssen. Auch wenn das Luftverkehrsunternehmen die ihm eingeräumten Möglichkeiten in vollem Umfang nutze, dürfe jedoch die Gesamtdauer der angebotenen anderweitigen Beförderung die planmäßige Dauer des annullierten Fluges nicht um drei Stunden oder mehr übersteigen; bei Überschreitung dieser Grenze seien dem Fluggast zwingend Ausgleichszahlungen zu leisten. Dagegen räume keine Bestimmung der Fluggastrechteverordnung ausdrücklich den Fluggästen verspäteter Flüge einen solchen Anspruch auf eine Ausgleichsleistung ein, auch wenn sie ihr Endziel erst drei Stunden nach der geplanten Ankunftszeit und noch später erreichten. Der (primärrechtliche) Grundsatz der Gleichbehandlung verlange indessen, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht - wie hier nicht - objektiv gerechtfertigt sei (aaO Rn. 31-33).
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Aus der - allerdings nicht maßgeblichen - Sicht des deutschen Rechts handelt es sich hierbei um eine durch das Primärrecht zusätzlich gestützte Analogie. Der Bundesgerichtshof hat es in seinem Vorlagebeschluss im Fall "Sturgeon" für möglich gehalten, dass eine erhebliche Verzögerung des Abflugs als Annullierung des Flugs anzusehen sein könne und den Ausgleichsanspruch wegen Annullierung auslöse, da eine nicht erkennbar vom Verordnungsgeber gewollte Schutzlücke aufträte, wenn auch eine erhebliche, im Vorlagefall mehr als 24 Stunden betragende Verspätung keinen Ausgleichsanspruch auslöse und es die Luftverkehrsunternehmen jedenfalls in gewissem Umfang in der Hand hätten, die Rechtsfolgen einer Annullierung durch - in der Dauer nicht begrenzte - Verschiebungen der Abflugzeit zu umgehen (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2007 - X ZR 95/06, NJW 2007, 3437 Rn. 18 ff.). Diesem Ansatz ist der Unionsgerichtshof nicht gefolgt, weil die Verordnung eine zeitliche Grenze für Verspätungen nicht bestimmt hat, hat aber gleichwohl die Rechtsfolgen einer Annullierung in angepasster Form für anwendbar erklärt. Diese methodische Differenz ist nicht geeignet, den Vorwurf einer Missachtung der Bindung des Richters an das Gesetz zu begründen. Vielmehr hat sich der Unionsgerichtshof der richterlichen Aufgabe gestellt, diejenige Lücke zu füllen, die der Verordnungstext dadurch gelassen hat, dass er einerseits auch für erheblich verspätete Flüge keinen Ausgleichsanspruch vorsieht und andererseits kein objektives, dem Einfluss des betroffenen Luftverkehrsunternehmens entzogenes Kriterium dafür formuliert, wann eine Verspätung unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Verordnung wie oder als eine Annullierung angesehen werden muss. Dementsprechend sieht nunmehr auch der Vorschlag der Kommission vom 13. März 2013 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rats zur Änderung der Fluggastrechteverordnung (COM (2013) 130 final) vor, für große Verspätungen in Art. 6 Abs. 2 und für verpasste Anschlussflüge in einem neuen Art. 6a zeitliche Grenzen für die verzögerte Ankunft am Endziel zu bestimmen, jenseits deren ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 FluggastrechteVO bestehen soll.
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Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, wenn der Unionsgerichtshof in seinem Urteil vom 26. Februar 2013 (C-11/11 - Air France/Folkerts) bei verspäteten Flügen für den Ausgleichsanspruch nur die verspätete Ankunft in den Blick nimmt. Mit der Schaffung eines von der Verordnung nicht vorgesehenen Tatbestands der Ankunftsverspätung hat dies nichts zu tun. Vielmehr entspricht es dem Regelungskonzept der Fluggastrechteverordnung, dass es bei einem erheblich verspäteten Flug für die am Abflugort zu erbringenden Unterstützungsleistungen nach den Art. 8 und 9 auf die Abflugzeit, beim Ausgleichs- anspruch aber - nicht anders als bei der Annullierung - auf die für das Maß der Beeinträchtigung maßgebliche Ankunftszeit ankommt.
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III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 286 Abs. 1, 288 BGB, § 91 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Mühlens Gröning
Hoffmann Deichfuß
Vorinstanzen:
AG Wedding, Entscheidung vom 31.03.2011 - 8a C 10/10 -
LG Berlin, Entscheidung vom 20.09.2011 - 85 S 113/11 -

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)