Bundesgerichtshof Urteil, 12. Feb. 2019 - X ZR 77/18

bei uns veröffentlicht am12.02.2019
vorgehend
Amtsgericht Nürtingen, 12 C 929/17, 27.07.2017
Landgericht Stuttgart, 5 S 203/17, 01.03.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 77/18 Verkündet am:
12. Februar 2019
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2019:120219UXZR77.18.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Februar 2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning, Dr. Grabinski und Hoffmann und die Richterin Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 1. März 2018 wird insoweit zurückgewiesen , als die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Nürtingen vom 27. Juli 2017 in Höhe der geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten zurückgewiesen worden ist. Die Kosten des Rechtsstreits werden zu einem Zehntel der Klägerin und zu neun Zehnteln der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin hat die Beklagte wegen der erheblich verspäteten Ankunft eines Fluges auf eine Ausgleichszahlung in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. In der Revisionsinstanz hat die Beklagte die Klagehauptforderung nebst Zinsen beglichen und insoweit ihre Kostenlast anerkannt. Die Parteien haben den Rechtsstreit in diesem Umfang für in der Hauptsache erledigt erklärt.
2
Die Klägerin begehrt nunmehr noch die Erstattung von Anwaltskosten, die ihr durch die vorgerichtliche Geltendmachung der Klagehauptforderung entstanden sind.

Entscheidungsgründe:


3
Die zulässige Revision erweist sich, soweit über sie noch zu entscheiden ist, nachdem die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der beanspruchten Ausgleichszahlungen übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben und die Beklagte insoweit ihre Kostenlast anerkannt hat, als unbegründet.
4
I. Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat (Urteil vom 25. Februar 2016 - X ZR 35/15, NJW 2016, 2883 = RRa 2016, 183), kann der Fluggast die Erstattung der Anwaltskosten, die ihm durch die außergerichtliche Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs nach der Fluggastrechteverordnung entstanden sind, nicht beanspruchen, wenn das ausführende Luftverkehrsunternehmen weder seine Verpflichtung verletzt hat, den Fluggast im Falle einer Annullierung, großen Verspätung oder Beförderungsverweigerung gemäß Art. 14 Abs. 2 FluggastrechteVO auf seine Rechte hinzuweisen, noch sich bei der Beauftragung des Rechtsanwalts mit der Erfüllung der Ausgleichsleistung in Verzug befand.
5
Hieran ist festzuhalten. Die Auffassung des Landgerichts Frankfurt am Main (NJW 2019, 376, 377), die Kosten seien schon aufgrund der Verletzung einer gesetzlichen Pflicht nach der Fluggastrechteverordnung zur rechtzeitigen Beförderung als adäquat-kausal verursachter Schaden zu erstatten, trifft nicht zu. Abgesehen davon, dass die Fluggastrechteverordnung weder eine Pflicht der Luftverkehrsunternehmen zur rechtzeitigen Beförderung noch überhaupt eine Pflicht zur Beförderung begründet, sondern lediglich Rechte der Fluggäste für den Fall vorsieht, dass bestimmte (vertraglich begründete) Pflichten eines Luftverkehrsunternehmen nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden, kann die Beauftragung eines Rechtsanwalts regelmäßig nicht als erforderlich angesehen werden, wenn das Luftverkehrsunternehmen den Fluggast ordnungsgemäß auf seine Rechte hingewiesen hat und sich mit der Erfüllung eines Ausgleichsanspruchs auch nicht in Verzug befindet.
6
II. Anders verhält es sich hingegen, wenn das ausführende Luftverkehrsunternehmen seine Verpflichtung verletzt hat, den von einer Annullierung oder großen Verspätung eines gebuchten Fluges oder von einer Beförderungsverweigerung betroffenen Fluggast vollständig und klar darüber zu unterrichten, unter welchen Voraussetzungen, in welcher Höhe und gegen welches Unternehmen er einen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 FluggastrechteVO geltend machen kann.
7
1. Nach Art. 14 Abs. 2 FluggastrechteVO hat das ausführende Luftverkehrsunternehmen jedem betroffenen Fluggast einen schriftlichen Hinweis auszuhändigen , in dem die Regeln für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen gemäß der Verordnung dargelegt werden. Die Information des Fluggastes muss diesen in die Lage versetzen, seine Rechte effektiv (und ohne anwaltliche Hilfe) wahrnehmen zu können. Da insbesondere die Verpflichtung zur Ausgleichsleistung bei großer Verspätung dem Wortlaut der Verordnung nicht zu entnehmen ist, reicht es zur Darlegung der "Regeln für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen" nicht aus, lediglich den Verordnungstext wiederzugeben. Vielmehr muss der Fluggast dem Hinweis jedenfalls klar entnehmen können, unter welchen Voraussetzungen ihm grundsätzlich ein Ausgleichsanspruch in welcher Höhe zusteht und unter welchen Voraussetzungen das ausführende Luftverkehrsunternehmen nach Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO von der Verpflichtung zur Ausgleichsleistung frei wird. Ferner muss, wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat (BGH, Urteil vom 12. September 2017 - X ZR 102/16, NJW 2018, 1251 = RRa 2018, 76) der Anspruchsgegner jedenfalls dann ausdrücklich angegeben werden, wenn er für den Fluggast nicht ohne weiteres zu erkennen ist.
8
2. Ist das Luftverkehrsunternehmen dieser Verpflichtung nicht oder nicht vollständig nachgekommen, ist die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe als erforderlich anzusehen, sofern das Luftverkehrsunternehmen nicht darlegt, dass und aus welchen Gründen der Fluggast im Einzelfall über seine Rechte bereits soweit unterrichtet war, dass er des Hinweises nach Art. 14 Abs. 2 FluggastrechteVO nicht bedurfte.
9
III. Im Streitfall ist für einen die Erstattungsfähigkeit der Anwaltsgebühren begründenden Tatbestand nichts dargetan.
10
1. Mit dem Anwaltsschreiben vom 18. Oktober 2016 ist die Ausgleichsforderung erstmals geltend gemacht worden. Dass der Beklagten in diesem Schreiben eine Frist zur Zahlung gesetzt worden ist und sie sich daher zum Zeitpunkt des zweiten Anwaltsschreibens vom 23. November 2016 in Verzug befunden haben mag, ist unerheblich, da hierdurch keine weiteren Gebühren ausgelöst wurden.
11
2. Eine Verletzung der Hinweispflicht ist gleichfalls nicht dargetan. Sie steht als anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal zur Darlegungs- und Beweislast des Anspruchstellers. Behauptet dieser, nicht (ordnungsgemäß) belehrt worden zu sein, trifft zwar das Luftverkehrsunternehmen eine sekundäre Darlegungslast. Diese wird aber nicht ausgelöst, wenn es schon an der Behauptung des Anspruchstellers fehlt, nicht oder nicht ordnungsgemäß belehrt worden zu sein.
12
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Meier-Beck Gröning Grabinski
Hoffmann Kober-Dehm
Vorinstanzen:
AG Nürtingen, Entscheidung vom 27.07.2017 - 12 C 929/17 -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 01.03.2018 - 5 S 203/17 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 12. Feb. 2019 - X ZR 77/18

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 12. Feb. 2019 - X ZR 77/18

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger
Bundesgerichtshof Urteil, 12. Feb. 2019 - X ZR 77/18 zitiert 1 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

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Bundesgerichtshof Urteil, 12. Sept. 2017 - X ZR 102/16

bei uns veröffentlicht am 12.09.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL X ZR 102/16 Verkündet am: 12. September 2017 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Feb. 2016 - X ZR 35/15

bei uns veröffentlicht am 25.02.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 35/15 Verkündet am: 25. Februar 2016 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 35/15 Verkündet am:
25. Februar 2016
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
FluggastrechteVO Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1, Art. 14 Abs. 2; BGB
§ 286 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 4
Das ausführende Luftfahrtunternehmen braucht die Kosten für einen vom Fluggast
mit der erstmaligen Geltendmachung einer Ausgleichsleistung wegen Annullierung
oder großer Verspätung beauftragten Rechtsanwalt nicht zu erstatten
, wenn es die in Art. 14 Abs. 2 FluggastrechteVO vorgesehenen Informationen
erteilt hat. Etwas anderes kann gelten, wenn die erteilten Hinweise lückenhaft
, unverständlich oder sonst so unklar sind, dass der Fluggast nicht sicher
erkennen kann, was er tun muss.
BGH, Urteil vom 25. Februar 2016 - X ZR 35/15 - LG Baden-Baden
AG Bühl
ECLI:DE:BGH:2016:250216UXZR35.15.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Februar 2016 durch die Richter Dr. Bacher, Gröning und Dr. Grabinski sowie die Richterinnen Schuster und Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das am 12. März 2015 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Baden-Baden wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien streiten im Revisionsrechtszug noch um die Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung von Rechtsanwaltskosten, die die Klägerin im Zusammenhang mit der vorgerichtlichen Geltendmachung einer Ausgleichszahlung entsprechend Art. 7 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 296/91 (FluggastrechteVO) aufgewandt hat.
2
Die Klägerin buchte bei der Beklagten, deren Unternehmenssitz in der Republik I. liegt, für den 6. Oktober 2013 einen - bestätigten - Flug von B. nach Ba. . Die Ankunft dieses Fluges verzögerte sich infolge eines unstreitig in die Verantwortungssphäre der Beklagten fallenden Umstands um mehr als drei Stunden. Von der Klägerin beauftragte Rechtsanwälte machten gegenüber der Beklagten mittels E-Mail eine auf Art. 7 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO gestützte Ausgleichszahlung über 250 € geltend und erhoben, nachdem die Beklagte nicht leistete, Klage, mit der sie für die Klägerin auch die Kosten ihrer vorprozessualen, auf der Grundlage einer 1,3-fachen Gebühr nach RVG VV 2300 berechneten Tätigkeit (83,54 €) beanspruchten. Die Beklagte ist vom Amtsgericht in Höhe der Ausgleichszahlung gemäß ihrem insoweit erklärten Anerkenntnis verurteilt worden. Im Übrigen hat das Amtsgericht die Klage ab- und das Landgericht die dagegen eingelegte, vom Amtsgericht zugelassene Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt diese ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:


3
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Soweit das ausführende Luftfahrtunternehmen nach dem Wortlaut von Art. 5 und 7 FluggastrechteVO einen Anspruch auf Ausgleichsleistungen einräume, begründe dies lediglich die sofortige Fälligkeit der jeweils geschuldeten Leistung. Die Voraussetzungen für den Eintritt von Verzug ergäben sich aus dem einschlägigen nationalen Recht, also aus § 286 BGB, lägen aber nicht vor. Mangels vorheriger Zahlungsaufforderung sei Verzug nicht nach § 286 Abs. 1 BGB eingetreten. Nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB könne zwar grundsätzlich Erstattung des aus der nicht vertragsgemäßen Beförderung entstandenen Schadens verlangt werden. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass zwischen Verzug mit der Beförderungsleistung und eingetretenem Schaden ein unmittelbarer Zusammenhang bestehe. Daran fehle es in Bezug auf die geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren, weil die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der vorgerichtlichen Geltendmachung der Ausgleichszahlung ihre Grundlage gerade nicht in § 286 BGB habe, sondern in Art. 5 und 7 Fluggast- rechteVO. Die Voraussetzungen für einen Verzugseintritt nach § 286 Abs. 2 Nrn. 2 und 4 BGB lägen ebenfalls nicht vor. Ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten wegen nicht vertragsgemäßer , verspäteter Beförderung bestehe nicht, weil dieser nach § 280 Abs. 2 BGB nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 BGB in Betracht komme.
4
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.
5
1. Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung neben der unmittelbar geltenden Fluggastrechteverordnung (Art. 288 Abs. 2 AEUV) deutsches Recht zugrunde gelegt. Dagegen wenden die Parteien sich nicht und dies ist rechtlich auch nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen für die Leistung von Schadensersatz ergeben sich aus dem auf den Beförderungsvertrag anwendbaren Recht (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 2009 - Xa ZR 76/07, RRa 2010, 34 Rn. 17 f.; Urteil vom 28. August 2012 - X ZR 128/11, RRa 2012, 285 Rn. 29). Aus den Regelungen der Fluggastrechteverordnung ergibt sich nämlich nicht, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen Fluggästen ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich für die Geltendmachung der Ausgleichsleistung entstandener Rechtsanwaltskosten gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen zustehen könnte. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist es in Ermangelung einer unionsrechtlichen Regelung stets Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats, die Modalitäten für Klagen festzulegen, die den Schutz der aus dem Unionsrecht erwachsenden Individualrechte gewährleisten sollen. Diese müssen den Äquivalenz - und den Effektivitätsgrundsatz wahren (vgl. zur Verjährung von Ausgleichsansprüchen nach der FluggastrechteVO EuGH, Urteil vom 22. November 2012 - C-139/11, RRa 2013, 17 - Moré). Die Anwendbarkeit deutschen Rechts ergibt sich auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen aus Art. 5 Abs. 2 Rom-I-VO (vgl. BGH RRa 2012, 285 Rn. 30).
6
2. Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, dass der Klägerin der geltend gemachte Erstattungsanspruch unter keinem rechtlich in Betracht kommenden Gesichtspunkt zusteht.
7
a) Ein auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten gerichteter Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer vertraglichen Nebenleistungspflicht besteht im Streitfall nicht, weil der Ausgleichsanspruch infolge der verspäteten Ankunft, anders als die Revision zu meinen scheint, lediglich fällig geworden ist.
8
aa) Die Revision rügt, dass das Berufungsgericht seine Prüfung eines Anspruchs auf Erstattung der aufgewandten Rechtsanwaltskosten aus § 280 Abs. 1 BGB auf den Beförderungsvertrag als maßgebliches Schuldverhältnis und dessen verzögerte Erfüllung bezogen hat. Abzustellen sei demgegenüber auf die aus Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 FluggastrechteVO resultierende Verpflichtung zur Leistung einer Ausgleichszahlung selbst und die Verletzung der daraus resultierenden Nebenleistungspflicht im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB auf (sofortige) Einräumung dieses Anspruchs gegenüber den Passagieren. Die Nichterfüllung dieser Nebenpflicht, die das ausführende Luftfahrtunternehmen nach der von der Revision vertretenen Ansicht vor Ort in bar oder durch Aushändigung eines schriftlichen Schuldanerkenntnisses hätte leisten können, sei ursächlich für das Entstehen der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten geworden.
9
bb) Diese Rüge ist unbegründet.
10
(1) Aus dem in der deutschen Fassung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO verwendeten Ausdruck, wonach ein Anspruch auf Ausgleichsleistung einzuräumen ist, lassen sich keine über die Fälligkeit des Anspruchs hinausreichenden Rechtsfolgen ableiten. Der Verordnungsgeber bringt damit lediglich zum Ausdruck, dass dem betroffenen Fluggast gegebenenfalls ein Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichsleistung zusteht. Dies kommt in der Fassung dieser Bestimmung in anderen Amtssprachen der Europäischen Union ("the passengers concerned shall have the right to compensation …"; "les passagers concernés ont droit à une indemnisation …"; "los passajeros afectados tendrán derecho a una compensación ..."; "…heben de betrokken passagiers recht op … compensatie …"; "ai passageri interessati … spetta la compensazi- one pecuniaria …") deutlicher zum Ausdruck.
11
(2) Etwas Abweichendes lässt sich entgegen der Revision auch nicht daraus herleiten, dass Ausgleichszahlungen nach Art. 7 FluggastrechteVO und Betreuungsleistungen nach Art. 9 Abs. 1, 2 FluggastrechteVO (Mahlzeiten oder Transport zu und Unterbringung in einem Hotel, Telekommunikation), nebeneinander stünden und gleichermaßen sofort gewährt werden sollten. Die Interessenlage der Fluggäste ist in Bezug auf die Erbringung von Ausgleichs- und Betreuungsleistungen unterschiedlich. Sie sind bei Verspätung oder Annullierung eines Flugs naturgemäß unmittelbar auf Mahlzeiten und Erfrischungen, Kommunikationsmöglichkeiten und gegebenenfalls Hotelunterbringung angewiesen. Das gilt nicht in gleichem Maße für die Ausgleichszahlung. Dementsprechend sieht Art. 9 FluggastrechteVO die umgehende Erbringung solcher Betreuungsleistungen vor, während die Ausgleichszahlung nicht nur in bar, sondern auch durch elektronische oder einfache Überweisung oder Scheck und mit Einverständnis des Fluggastes auch in Form von Reisegutscheinen oder anderen Dienstleistungen geleistet werden kann (Art. 8 Abs. 3 FluggastrechteVO) und somit jedenfalls nicht sogleich erbracht werden muss.
12
cc) Auf den Anspruch auf die Ausgleichszahlung ist § 271 Abs. 1 BGB anzuwenden; er ist danach sofort fällig geworden und insoweit wird durch diese gesetzliche Regelung dem von der Fluggastrechteverordnung erstrebten erhöhten Schutzstandard für Fluggäste (vgl. Erwägungsgründe 1, 4) Genüge geleistet.
13
b) Die Voraussetzungen für einen Verzugseintritt ohne Mahnung nach § 286 Abs. 2 BGB liegen nicht vor.
14
aa) Verzugseintritt nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB setzt kalendermäßige Bestimmung der Leistung voraus. Ob es unter diese Bestimmung fällt, wenn die geschuldete Leistung in einer Luftbeförderung besteht und auch an dem dafür bestimmten Kalendertag erbracht wird und sich lediglich, wie hier, um einige Stunden verschiebt, kann fraglich sein, bedarf aber keiner Entscheidung, weil es vorliegend um die Leistung der Ausgleichszahlung geht und diese auch unter den genannten Voraussetzungen gerade nicht kalendermäßig bestimmt ist.
15
bb) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch die Voraussetzungen für einen Verzugseintritt nach § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB verneint. Die Fälligkeit der Ausgleichsleistung ist nicht in der Weise bestimmt, dass sie sich von einem Ereignis an nach dem Kalender berechnen ließe.
16
Entgegen der Ansicht der Revision ist die Flugverspätung selbst kein Ereignis im Sinne dieser Bestimmung, das der Leistung vorauszugehen hätte und an das für die nach dem Kalender bestimmbare Leistungserbringung angeknüpft werden könnte, sondern der gesetzliche Tatbestand, dessen Verwirklichung den Ausgleichsanspruch entstehen und, wie ausgeführt, fällig werden lässt. Deshalb kann offen bleiben, ob, was zweifelhaft ist, die Ansicht der Revision zutrifft, dass die nach § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB erforderliche, im Streitfall aber nicht erfolgte Bestimmung einer angemessenen, von dem Ereignis an nach dem Kalender berechenbaren Frist für die Leistung in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Fristsetzung für die Nacherfüllung im Sinne von § 281 Abs. 1 und § 323 Abs. 1 BGB (zuletzt BGH, Urteil vom 18. März 2015 - VIII ZR 176/14, NJW 2014, 2564 Rn. 11) entbehrlich wäre und der Fluggast selbst auch gar keine Aufforderung zur Leistungserbringung aussprechen müsse, sondern dafür die Anordnung in Art. 4 Abs. 3 FluggastrechteVO ausreicht, die Ausgleichsleistung sei unverzüglich zu erbringen.
17
cc) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch einen sofortigen Verzugseintritt unter Abwägung der beiderseitigen Interessen (§ 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB) verneint.
18
Eine Mahnung ist nach dieser Vorschrift beispielsweise bei Sachentzug durch unerlaubte Handlung, besonderer Dringlichkeit oder treuwidriger Verhinderung des Zugangs entbehrlich oder wenn der Schuldner die (umgehende) Erbringung besonders zugesagt hat und sich nicht daran hält (Selbstmahnung), oder wenn die Leistung erkanntermaßen fehlerhaft oder durch rechtskräftiges Gestaltungsurteil festgestellt ist (zu Letzterem BGH, Urteil vom 4. April 2006 - X ZR 122/05, NJW 2006, 2472; vgl. im Übrigen Palandt/Grüneberg, 75. Aufl., § 286 Rn. 25). Um eine vergleichbare Fallgestaltung geht es vorliegend nicht.
19
Entgegen der Auffassung der Revision ist eine weitergehende Auslegung von § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB zur Verwirklichung des Schutzzwecks der Fluggastrechteverordnung weder geboten noch angezeigt. Die Mitgliedstaaten sollen nach Erwägungsgrund 21 FluggastrechteVO zwar Regeln für wirksame, verhältnismäßige aber auch abschreckende Sanktionen bei Verstößen gegen die Fluggastrechteverordnung festlegen und deren Durchsetzung gewährleisten. Jedoch gehen die Vorstellungen des Verordnungsgebers von den in diesem Zusammenhang vorzusehenden Maßnahmen in eine ganz andere Richtung , wie sich aus den Vorgaben in Art. 16 ergibt, die mit Erwägungsgrund 21 korrespondieren. Danach setzen die Mitgliedstaaten wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen für Verstöße gegen die Fluggastrechteverordnung fest und benennen Stellen, die für eine Durchführung der Verordnung in Bezug auf Flüge von und zu ihren Flughäfen zuständig sind und gegebenenfalls die für die Sicherstellung der Fluggastrechte notwendigen Maßnahmen ergreifen.
20
c) Die Erstattung der Rechtsanwaltskosten kommt auch nicht außerhalb eines Verzugseintritts in Betracht.
21
Allerdings ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass bei gesetzlichen wie bei vertraglichen Schuldverhältnissen zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen eines Geschädigten unter bestimmten Voraussetzungen auch durch das Schadensereignis erforderlich gewordene Rechtsverfolgungskosten gehören können. Das kann grundsätzlich auch für Ansprüche auf Ausgleichszahlungen nach der Fluggastrechteverordnung gelten, bei denen es sich um gesetzliche Ansprüche auf vertraglicher Grundlage handelt (BGH, Beschluss vom 18. August 2015 - X ZR 2/15, RRa 2015, 297 Rn. 9 mwN). Allerdings betrifft die Erstattungspflicht nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Kosten, sondern nur solche, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, Urteil vom 10. Januar 2006 - VI ZR 43/05, MDR 2006, 929 Rn. 5; Urteil vom 12. Juli 2011 - VI ZR 214/10, GRUR-RR 2012, 90 Rn. 20).
22
Im Streitfall kommt ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der ihr für die erstmalige Geltendmachung entstandenen Rechtsanwaltskosten in Anlehnung an diese Rechtsprechung nicht in Betracht. Den getroffenen Feststellungen zufolge hat die Beklagte Informationen nach Art. 14 Abs. 2 FluggastrechteVO erteilt. Nach dieser Bestimmung händigt ein ausführendes Luftfahrtunternehmen jedem von einer Annullierung, Beförderungsverweigerung oder mehr als zweistündigen Verspätung betroffenen Fluggast einen schriftlichen Hinweis aus, in dem die Regeln für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen gemäß der Fluggastrechteverordnung dargelegt werden. Sinn und Zweck dieser Unterrichtungspflicht ist, den Passagieren zu ermöglichen, die Ausgleichszahlung selbst gegenüber dem ausführenden Luftfahrtunternehmen geltend zu machen (Erwägungsgrund 20 FluggastrechteVO). Daraus folgt umgekehrt, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen, wenn es seinen Hinweispflichten aus Art. 14 Abs. 2 FluggastrechteVO genügt hat, grundsätzlich nicht die Kosten für die erstmalige Geltendmachung des Anspruchs durch einen vom Fluggast beauftragten Rechtsanwalt übernehmen muss. Unerheblich ist in diesem Zusam- menhang, dass die Anwendung der Fluggastrechteverordnung, worauf die Revision durchaus zutreffend hinweist, in der Vergangenheit in verschiedener Hinsicht durch den Gerichtshof der Europäischen Union klärungsbedürftige Fragen aufgeworfen hat. Entscheidend für die Frage, ob in Fällen der vorliegenden Art die Kosten eines mit der erstmaligen Geltendmachung der Ausgleichszahlung beauftragten Rechtsanwalts erstattungsfähig sind, ist nur, ob die gemäß Art. 14 Abs. 2 FluggastrechteVO erteilten Informationen den Fluggast in die Lage versetzt haben, seinen Anspruch gegenüber dem ausführenden Luftfahrtunternehmen geltend zu machen, ob sie ihn also hinreichend klar darüber unterrichtet haben, unter welcher genauen Unternehmensbezeichnung und Anschrift er welchen nach der Entfernung gestaffelten Betrag (Art. 7 Abs. 1 FluggastrechteVO ) verlangen kann und gegebenenfalls welche Unterlagen er beifügen soll. Sind die erteilten Instruktionen lückenhaft, unverständlich oder sonst so unklar, dass der Fluggast nicht sicher erkennen kann, was er tun muss, kann sich die Frage der Erstattungsfähigkeit für die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe bei der ersten Geltendmachung des Anspruchs durchaus in anderem Licht darstellen. Dass es sich so verhielte, hat das Berufungsgericht im Streitfall aber nicht festgestellt. Dass es entsprechendes Vorbringen der Klägerin unberücksichtigt gelassen hätte, macht die Revision nicht geltend.
23
3. Für die von der Revision angeregte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union besteht kein Anlass.
24
Mit der oben aufgezeigten Rechtsprechung des Gerichtshofs ist hinreichend geklärt, dass die Ausgestaltung der Anspruchsmodalitäten dem nationalen Gesetzgeber obliegt. Das im vorliegenden Zusammenhang zu gewährleistende Schutzniveau ist in Art. 14 Abs. 2 FluggastrechteVO klar definiert.
25
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Bacher Gröning Grabinski Schuster Kober-Dehm
Vorinstanzen:
AG Bühl, Entscheidung vom 29.09.2014 - 3 C 135/14 -
LG Baden-Baden, Entscheidung vom 12.03.2015 - 3 S 65/14 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
X ZR 102/16 Verkündet am:
12. September 2017
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
FluggastrechteVO Art. 2 Buchst. b, Art. 14 Abs. 2

a) Das Luftfahrtunternehmen, bei dem der Fluggast einen bestimmten Flug
gebucht hat, führt diesen Flug im Sinne der Fluggastrechteverordnung auch
dann selbst durch, wenn es sich hierzu eines Flugzeugs bedient, das ihm
im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung ("Wet Lease") nebst Besatzung
von einem anderen Luftfahrtunternehmen (Vermieter) überlassen
worden ist.

b) Hat das Luftfahrtunternehmen den Fluggast in diesem Fall gemäß Art. 11
der Verordnung (EG) Nr. 2111/2005 darüber zu unterrichten, dass der Flug
im Sinne dieser Verordnung durch den Vermieter ausgeführt wird, ist es
nach Art. 14 Abs. 2 FluggastrechteVO verpflichtet, den Fluggast darüber zu
belehren, dass es selbst Schuldner der Ansprüche bleibt, die dem Fluggast
im Falle einer Annullierung, Verspätung oder Nichtbeförderung nach der
Fluggastrechteverordnung zustehen.
BGH, Versäumnisurteil vom 12. September 2017 - X ZR 102/16 - LG Düsseldorf
AG Düsseldorf
ECLI:DE:BGH:2017:120917UXZR102.16.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. September 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski und Dr. Bacher sowie die Richterinnen Dr. Kober-Dehm und Dr. Marx

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das am 28. Oktober 2016 verkündete Urteil der 22. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf aufgehoben. Auf die Berufung der Kläger wird das am 7. April 2016 verkündete Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils 400 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Januar 2015 sowie an die Kläger weitere 201,71 € zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Kläger verlangen von dem beklagten Luftfahrtunternehmen wegen einer Flugverspätung Ausgleichsleistungen entsprechend Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 296/91 (Fluggastrechteverordnung oder FluggastrechteVO).
2
Die Kläger buchten bei der Beklagten je einen Platz für den Flug mit deren Flugnummer A. am 25. Juli 2014 von Düsseldorf nach Nador (Marokko ). Der Flug wurde unter dem IATA-Code der Beklagten, jedoch mit einem Flugzeug durchgeführt, das die Beklagte bei dem spanischen Luftfahrtunternehmen S. aufgrund einer "Wet-Lease-Vereinbarung" angemietet hatte, nach der S. auch die Besatzung zu stellen hatte. In der Buchungsbestätigung und im elektronischen Flugschein ist die Beklagte als ausführendes Luftfahrtunternehmen ausgewiesen. Der Flug erreichte Nador mit einer Verspätung von mehr als sieben Stunden.
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Mit Schreiben eines von ihnen bevollmächtigten Rechtsdienstleisters forderten die Kläger von der Beklagten unter Fristsetzung Ausgleichsleistungen in Höhe von jeweils 400,00 €. Die Beklagte antwortete und zahlte nicht. Deshalb beauftragten die Kläger ihre späteren Prozessbevollmächtigten aus den Vorinstanzen mit der Geltendmachung der Forderung, die die Beklagte mahnten.
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Das Amtsgericht hat die auf Zahlung der Ausgleichsleistungen sowie Er- stattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 € gerichtete Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger die in den Vorinstanzen gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:


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Die zulässige Revision hat Erfolg. Da die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten war, ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht aber nicht auf der Säumnis, sondern auf einer umfassenden Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 ff.; Versäumnisurteil vom 20. Mai 2014 - X ZR 134/13, NJW 2014, 2955 Rn. 4).
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I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Beklagte nicht passivlegitimiert sei. Es liege ein "Wet-Lease" vor, bei dem eine Fluggesellschaft zur Durchführung von Linienflügen das im Eigentum einer anderen Fluggesellschaft stehende Fluggerät samt Personal über einen längeren Zeitraum anmiete. Bei solchen Vereinbarungen bleibe die technische bzw. operationelle Verantwortung (d. h. Treibstoff, Landegebühren, Versicherung, Wartung) beim Vermieter. Lediglich die wirtschaftliche Verantwortung (d. h. die Kapazitätsauslastung ) werde von dem Mieter übernommen. Der Vermieter mit seinem Personal vor Ort am Flughafen sei am besten in der Lage, den Verpflichtungen nach Art. 8 und 9 FluggastrechteVO nachzukommen und deshalb allein als ausführendes Luftfahrtunternehmen anzusehen.
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II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Beklagte ist passivlegitimiert.
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1. Schuldnerin des Ausgleichsanspruchs ist nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO das ausführende Luftfahrtunternehmen. Das ist nach der Legaldefinition in Art. 2 Buchst. b FluggastrechteVO das Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrages mit dem Fluggast oder im Namen einer anderen - juristischen oder natürlichen - Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt.
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2. Im Sinne dieser Begriffsbestimmung wird ein Flug, wenn das eingesetzte Flugzeug nebst Besatzung von einem Dritten (Vermieter) vertraglich überlassen worden ist ("Wet-Lease"), grundsätzlich nicht vom Vermieter, sondern vom Mieter durchgeführt.
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a) Das für die Definition des ausführenden Luftfahrtunternehmens wesentliche Merkmal "einen Flug durchführen" ist nach der Systematik der Fluggastrechteverordnung im Lichte der Erwägungsgründe auszulegen.
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Nach Erwägungsgrund 7 FluggastrechteVO sollten im Sinne einer wirksamen Anwendung der Verordnung die durch diese geschaffenen Verpflichtungen dem ausführenden Luftfahrtunternehmen obliegen, das einen Flug durchführt (...), "und zwar unabhängig davon, ob der Flug mit einem eigenen Luftfahrzeug oder mit einem mit oder ohne Besatzung gemieteten Luftfahrzeug oder in sonstiger Form durchgeführt wird". In der dänischen, englischen, französischen , portugiesischen und finnischen Fassung der Verordnung wird dabei für den Fall eines mit Besatzung gemieteten Luftfahrzeugs ausdrücklich der Begriff "wet lease" verwendet.
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Der Erwägungsgrund greift das Merkmal "einen Flug durchführen" aus der Definition in Art. 2 Buchst. b FluggastrechteVO auf, ohne es abschließend zu erläutern. Er offenbart jedoch im Rahmen der angeführten Beispiele, dass nach den der Verordnung zugrunde liegenden Vorstellungen ein Luftfahrtunternehmen einen Flug durchführen kann, ohne ein eigenes Flugzeug oder eigenes Flugpersonal einzusetzen, sich beides vielmehr auf Grund einer "Wet-LeaseVereinbarung" beschaffen und gleichwohl selbst als ausführendes Luftfahrtunternehmen den Pflichten nach der Fluggastrechteverordnung unterliegen kann.
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b) Dieses Verständnis entspricht dem mit der Verpflichtung gerade des ausführenden Luftfahrtunternehmens erklärtermaßen verfolgten Zweck einer wirksamen Anwendung der Verordnung.
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Die Entstehungsgeschichte der Verordnung verdeutlicht, wie dieser Effektivitätsgedanke zu verstehen ist. Nach dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission vom 21. Dezember 2001 (ABl. EG Nr. C 103 E vom 30. April 2002, S. 225) sollte die Verordnung unmittelbar nur für das mit einem Fluggast vertraglich verbundene Luftfahrt- und Reiseunternehmen gelten (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 des Vorschlags). Nachdem das Parlament vorgeschlagen hatte, die Pflichten nach der Verordnung in bestimmten Fällen auch auf ein von diesem Unternehmen beauftragtes Betriebsunternehmen auszudehnen (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 gemäß Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 24. Oktober 2002, ABl. EU Nr. C 300 E vom 11. Dezember 2003, S. 557, 560), verwies die Kommission auf die mit einer geteilten Zuständigkeit einhergehenden Ungewissheiten (Geänderter Vorschlag der Kommission vom 4. Dezember 2002, ABl. EU Nr. C 71 E vom 25. März 2003, S. 188, 191). Die Regelung, die sämtliche Verpflichtungen gegenüber den Fluggästen allein dem ausführenden Luftfahrtunternehmen auferlegt, wurde vom Rat vorgeschlagen, weil dieses aufgrund seiner Präsenz auf den Flughäfen in der Regel am besten in der Lage sei, die Verpflichtungen zu erfüllen (Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 27/2003 vom 18. März 2003, ABl. EU Nr. C 125 E vom 27. Mai 2003, S. 63, 70). Die geltende Regelung beruht demnach auf der Vorstellung, dass die Durchführung eines Fluges in der Regel mit einer tatsächlichen Anwesenheit vor Ort verbunden ist, die es dem ausführenden Luftfahrtunternehmen ermöglicht, den Fluggast entsprechend den Vorgaben der Fluggastrechteverordnung zu unterstützen.
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Mit einer solchen Anwesenheit vor Ort ist die Stellung des Vermieters im Rahmen einer "Wet-Lease-Vereinbarung" nicht verbunden. Die vom Berufungsgericht angenommene und als technische bzw. operationelle Verantwortung bezeichnete Zuständigkeit des Vermieters für Treibstoff, Landegebühren, Versicherung und Wartung des vermieteten Flugzeugs verschafft diesem weder einen direkten Kontakt zu den Fluggästen noch die tatsächliche Möglichkeit, die in der Fluggastrechteverordnung vorgesehenen Leistungen zu erbringen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die in Art. 8 Abs. 1 FluggastrechteVO genannten Unterstützungsleistungen (wahlweise Erstattung der Flugscheinkosten und Rückflug zum ersten Abflugsort zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes) und die in Art. 9 Abs. 1 und 2 FluggastrechteVO genannten Betreuungsleistungen (Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit, Hotelunterbringung und Beförderung zwischen dem Flughafen und dem Ort der Unterbringung; Angebot, unentgeltlich Telefonate führen oder Telexe oder Telefaxe oder Emails versenden zu können).
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Umgekehrt erfordert die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts dem Mieter obliegende Kapazitätsauslastung, die nicht nur die Vermarktung, sondern auch die Organisation des Fluges im Verhältnis zu den Fluggästen umfasst , regelmäßig eine Präsenz auf dem Flughafen, die den Mieter in die Lage versetzt, die vorgesehenen Unterstützungsleistungen zu erbringen.
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Dass gleichwohl der Vermieter im Regelfall am besten in der Lage sein soll, den Verpflichtungen nach Art. 8 und 9 FluggastrechteVO adäquat nachzukommen , kann nicht mit dem Hinweis darauf begründet werden, dass der Vermieter mit seinem Personal vor Ort am Flughafen sei. Eine etwaige Präsenz des Vermieters am Flughafen wäre nach der vom Berufungsgericht selbst angenommenen Rollenverteilung keine notwendige Folge der im Rahmen der "Wet-Lease-Vereinbarung" übernommenen Aufgaben.
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Insgesamt erscheint es daher gerade unter dem Gesichtspunkt einer wirksamen Anwendung der Verordnung folgerichtig, dass Erwägungsgrund 7 FluggastrechteVO annimmt, dass ein Luftfahrtunternehmen auch dann die tatsächliche Beförderungsleistung erbringt und damit als ausführendes Luftfahrtunternehmen anzusehen ist, wenn es dafür ein Luftfahrzeug und eine Besatzung einsetzt, die ihm ein anderes Luftfahrtunternehmen aufgrund einer "WetLease -Vereinbarung" zur Verfügung gestellt hat (AG Frankfurt, Urteil vom 29. März 2012 - 31 C 2809/11 (78), RRa 2012, 235 Rn. 48; LG Kornneuburg, Urteil vom 19. Juni 2015 - 22 R 516/15b, RRa 2017, 158 f.).
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c) Die in diesem Sinne nach Systematik, Entstehungsgeschichte und Zweck der Fluggastrechteverordnung eindeutige Auslegung der Definition des ausführenden Luftfahrtunternehmens in Art. 2 Buchst. b FluggastrechteVO wird durch die Verordnung (EG) Nr. 2111/2005 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 14. Dezember 2005 über die Erstellung einer gemeinschaftlichen Liste der Luftfahrtunternehmen, gegen die in der Gemeinschaft eine Betriebsuntersagung ergangen ist, sowie über die Unterrichtung von Fluggästen über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens und zur Aufhebung des Artikels 9 der Richtlinie 2004/36/EG (VO 2111/2005) nicht in Frage gestellt.
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Erwägungsgrund 13 dieser Verordnung verweist auf eine selbst im Linienflugverkehr bestehende "Branchenpraxis, etwa im Falle des Wet-Lease oder Code-Sharing, dass das Luftfahrtunternehmen, das den Flug unter seinem Namen verkauft hat, diesen nicht tatsächlich durchführt". Vor diesem Hintergrund verpflichtet Art. 11 VO 2111/2005 den Vertragspartner für die Beförderung im Luftverkehr, die Fluggäste unabhängig vom genutzten Buchungsweg bei der Buchung über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens zu unterrichten.
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Der Begriff des ausführenden Luftfahrtunternehmens ist in Art. 2 Buchst. e VO 2111/2005 ebenso definiert wie in Art. 2 Buchst. b FluggastrechteVO. Aus dem übereinstimmenden Wortlaut der Definitionen folgt nicht, dass der Begriff des ausführenden Luftfahrtunternehmens in den beiden Verordnungen in jeder Hinsicht deckungsgleich verwendet wird. Die beiden Definitionen stehen im Gesamtzusammenhang der jeweiligen Verordnung und sind wie alle unionsrechtlichen Vorschriften unter Berücksichtigung des Zusammenhanges und des Ziels der jeweiligen Regelung auszulegen (EuGH, Urteil vom 19. November 2009 - C-402/07, RRa 2009, 282 Rn. 41 - Sturgeon). Während Art. 2 Buchst. b FluggastrechteVO im Lichte von Erwägungsgrund 7 FluggastrechteVO und des darin genannten Ziels einer wirksamen Anwendung der Fluggastrechte zu lesen ist, kann Art. 2 Buchst. e VO 2111/2005 nur vor dem Hintergrund des vorrangigen Zwecks dieser Verordnung, einen hohen Schutz der Fluggäste vor Sicherheitsrisiken zu gewährleisten (Erwägungsgrund 1 VO 2111/2005), verstanden werden. Dies kann dazu führen, dass die beiden Definitionen trotz des gleichlautenden Wortlauts in Teilbereichen voneinander abweichen.
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So verhält es sich bei der Bestimmung des ausführenden Luftfahrtunternehmens in den Fällen des "Wet-Lease", in denen nicht der Wortlaut der Definition in Art. 2 Buchst. e VO 2111/2005, sondern der nur für diese Verordnung vorrangige Gesichtspunkt der Flugsicherheit es nahelegt, den insbesondere auch für die Wartung verantwortlichen Vermieter als ausführendes Luftfahrtunternehmen im Sinne der Verordnung 2111/2005 anzusehen. Vor diesem Hintergrund ist es folgerichtig, dass Erwägungsgrund 13 dieser Verordnung das "Wet-Lease" als einen Fall betrachtet, in dem der das eingesetzte Flugzeug nebst Besatzung anmietende Vertragspartner des Fluggastes den Flug nicht selbst durchführt. Da diese Betrachtungsweise entscheidend auf der sicherheitsbezogenen Zielsetzung der Verordnung 2111/2005 beruht, stellt sie die abweichende Bestimmung des ausführenden Luftfahrtunternehmens durch die Fluggastrechteverordnung, für die eine effektive Erfüllung der den Fluggästen eingeräumten Ansprüche im Vordergrund steht, nicht in Frage.
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Die danach in Fällen des "Wet-Lease" unterschiedliche Bestimmung des ausführenden Luftfahrtunternehmens hat allerdings zur Folge, dass die in Art. 11 VO 2111/2005 vorgesehene Unterrichtung des Fluggastes über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens (anders als in den Fällen des Code-Sharing, vgl. dazu BGH, Urteil vom 26. November 2009 - Xa ZR 132/08, NJW 2010, 1522 Rn. 11 aE) diesem nicht die Wahrnehmung seiner Fluggastrechte ermöglicht. Vielmehr kann die nach Art. 11 VO 2111/2005 gebotene Mitteilung des Namens des Vermieters als "ausführendes Luftfahrtunternehmen" den Fluggast dazu verleiten, den Vermieter nach der Fluggastrechteverordnung in Anspruch zu nehmen, obwohl dieser insoweit nicht passivlegitimiert ist. Dies ist nach den Vorgaben der Verordnung 2111/2005 hinzunehmen, weil sie dem Schutz vor Sicherheitsrisiken den Vorrang vor allgemeinen Erfordernissen des Verbraucherschutzes einräumt (Erwägungsgrund 1).
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In derartigen Fällen ist jedoch der Mieter des eingesetzten Flugzeugs in seiner Eigenschaft als ausführendes Luftfahrtunternehmen im Sinne der Fluggastrechteverordnung verpflichtet, den Fluggast im Rahmen des schriftlichen Hinweises gemäß Art. 14 Abs. 2 FluggastrechteVO, der dem Fluggast die wirk- same Wahrnehmung seiner Rechte ermöglichen soll (Erwägungsgrund 20 FluggastrechteVO), konkret darüber zu belehren, dass er selbst Schuldner etwaiger Ansprüche nach der Fluggastrechteverordnung ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 2016 - X ZR 35/15, RRa 2017, 183 Rn. 22). Wenn dem Fluggast bereits eine - im Hinblick auf die Fluggastrechte möglicherweise irreführende - Information nach Art. 11 VO 2111/2005 erteilt worden ist, muss dieser Hinweis nach Art. 14 Abs. 2 FluggastrechteVO durch das Luftfahrtunternehmen, das den Flug auf der Grundlage einer "Wet-Lease-Vereinbarung" mit einem gemieteten Luftfahrzeug durchgeführt hat, im Falle einer Nichtbeförderung, Annullierung oder erheblichen Verspätung (EuGH, Urteil vom 19. November 2009 - C-402/07, RRa 2009, 282 Rn. 69 - Sturgeon) unaufgefordert gegenüber dem Fluggast erteilt werden, damit er seinen Zweck erfüllen kann.
25
d) Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union ist nicht veranlasst. Unter Berücksichtigung anderer Sprachfassungen , des Zwecks und der Entstehungsgeschichte der Fluggastrechteverordnung bestehen keine Zweifel an deren Auslegung im vorgenannten Sinne (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. 283/81, NJW 1983, 1257, 1258 - C.I.L.F.I.T.).
26
III. Der Senat kann gemäß § 563 Abs. 3 BGB in der Sache selbst entscheiden , weil der im Berufungsurteil tatbestandlich festgestellte Sachverhalt eine verwertbare tatsächliche Grundlage für eine rechtliche Beurteilung bietet und ein anderes Ergebnis auch bei einer Zurückverweisung der Sache nicht möglich erscheint (BGH, Urteil vom 12. November 2009 - Xa ZR 76/07, NJW 2010, 1070 Rn. 8).
27
1. Die Kläger haben gegen die Beklagte entsprechend Art. 5 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO Anspruch auf Ausgleichsleistungen.
28
a) Die Kläger verfügten über bestätigte Buchungen für den von der Beklagten durchgeführten Flug.
29
b) Einer Annullierung im Sinne von Art. 5 FluggastrechteVO steht es gleich, wenn Fluggäste infolge einer Verspätung ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der geplanten Ankunftszeit erreichen (EuGH, Urteil vom 19. November 2009 - C-402/07, RRa 2009, 282 Rn. 69 - Sturgeon/Condor). Im Streitfall erreichten die Kläger ihr Endziel Nador mit einer Verspätung von mehr als sieben Stunden.
30
c) Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b FluggastrechteVO steht auf Grund der hier vorliegenden Flugentfernung von mehr als 1.500 km jedem Kläger ein Aus- gleich von 400 € zu.
31
2. Die Kläger haben nach §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 Satz 1 BGB Anspruch auf Erstattung der durch die anwaltliche Mahnung vom 27. Mai 2015 entstandenen Kosten in Höhe von 201,71 €.
32
a) Die Kläger haben die in den Vorinstanzen tätigen Rechtsanwälte ausweislich der vorgelegten Vollmachtsurkunde mit außergerichtlicher Tätigkeit beauftragt.
33
b) Einem insoweit entstandenen Verzugsschaden steht nicht entgegen, dass nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Beklagten zwischen den Klägern und dem zunächst beauftragten Rechtsdienstleister eine Vereinbarung besteht, derzufolge dieser die Kläger gegen eine Beteiligung von 25 % an einer erfolgreich beigetriebenen Ausgleichsleistung von sämtlichen Kosten freistellt. Eine solche Freistellung kommt der Schuldnerin nicht zugute. Es handelt sich um einen Vorteil, der nicht ohne weiteres mit dem Zahlungsverzug verbunden ist, sondern den sich die Kläger dadurch erkauft haben, dass sie sich ihrerseits verpflichtet haben, dem Rechtsdienstleister einen Teil des etwaigen Forderungserlöses zu überlassen.
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c) Die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der erneuten außergerichtlichen Geltendmachung der Forderung war den Umständen nach eine zweckentsprechende Maßnahme der Rechtsverfolgung und damit erstattungsfähig (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 2015 - IX ZR 280/14, NJW 2015, 3793, Rn. 8 mwN). Nachdem die Beklagte auf die zunächst von einem Rechtsdienstleister ausgesprochene Zahlungsaufforderung nicht geantwortet hatte, war für die Kläger nicht absehbar, wie sie auf eine anwaltliche Mahnung reagieren würde. Ungeachtet der unstreitigen Spezialisierung des zunächst beauftragten Rechtsdienstleisters mussten die Kläger nicht davon ausgehen, dass eine außergerichtliche Tätigkeit eines Rechtsanwalts von vornherein aussichtslos war. Sie waren auch nicht gehalten, den Auftrag zunächst auf ein Schreiben einfacher Art zu beschränken. Selbst wenn sich die anwaltliche Mahnung, die von den Parteien nicht vorgelegt worden ist, in einer Wiederholung der ersten Zahlungsaufforderung erschöpft haben sollte, ändert dies bereits wegen des Ausbleibens einer Reaktion der Beklagten nichts an der Zweckmäßigkeit des weitergehenden Auftrags.
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3. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz 1 BGB.
36
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung: Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe von einem an diesem Gericht zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.
Meier-Beck Grabinski Bacher Kober-Dehm Marx
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 07.04.2016 - 47 C 390/15 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 28.10.2016 - 22 S 139/16 -

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.