Bundesgerichtshof Urteil, 17. Dez. 2002 - XI ZR 90/02

bei uns veröffentlicht am17.12.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 90/02 Verkündet am:
17. Dezember 2002
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
_____________________
Die Rechtskraft eines klageabweisenden Versäumnisurteils macht die erneute
gerichtliche Geltendmachung des Klageanspruchs in jedem Fall unzulässig
; der Kläger kann sich im Zweitprozeß nicht darauf berufen, im
Erstprozeß habe seinem Anspruch lediglich ein inzwischen behobenes vorübergehendes
Hindernis (z.B. mangelnde Fälligkeit) entgegengestanden
(Bestätigung von BGHZ 35, 338). Das gilt auch dann, wenn die rechtskräftige
Klageabweisung auf einem Versäumnisurteil des Berufungsgerichts beruht
, mit dem die Berufung des Klägers gegen ein kontradiktorisches klageabweisendes
Urteil der ersten Instanz zurückgewiesen wurde.
BGH, Urteil vom 17. Dezember 2002 - XI ZR 90/02 - LG Berlin
AG Wedding
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 17. Dezember 2002 durch den Vorsitzenden Richter
Nobbe, die Richter Dr. Bungeroth und Dr. Joeres, die Richterin Mayen
und den Richter Dr. Appl

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 51 des Landgerichts Berlin vom 11. Februar 2002 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Wedding vom 25. Juni 2001 (19 C 121/01) wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Darlehensrückzahlungsanspruch geltend, der schon einmal Gegenstand eines Rechtsstreits der Parteien war. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger behauptet, der Beklagten ein Darlehen in Höhe von 10.000 DM gewährt zu haben. Am 1. Oktober 1995 unterzeichneten beide Parteien eine Vereinbarung, nach der die Beklagte "die von Herrn H. K. geliehenen 10.000,- DM" erst dann zurückzahlen sollte, wenn sie nach dem Auszug aus einer von ihr bewohnten Mietwohnung die mit dem Vermieter für die Zurücklassung verschiedener Gegenstände vereinbarte Zahlung erhielte. Die Beklagte behauptet, das Darlehen nicht erhalten und die Vereinbarung vom 1. Oktober 1995 ungelesen unterschrieben zu haben. Sie hat die Vereinbarung im September 1997 angefochten.
Im Jahre 1997 erhob der Kläger Klage auf Rückzahlung des Darlehens. Das Amtsgericht wies die Klage ab und führte zur Begründung aus, die Fälligkeitsvoraussetzungen der Vereinbarung vom 1. Oktober 1995 lägen noch nicht vor. Das Landgericht wies die Berufung des Klägers durch Versäumnisurteil vom 29. Juni 1998 zurück, nachdem es den Kläger darauf hingewiesen hatte, daß die Klageforderung nicht fällig sei. Seinen Einspruch gegen das Versäumnisurteil nahm der Kläger am 16. November 1998 zurück.
Im November 1999 erhielt die Beklagte von ihrem ehemaligen Vermieter aufgrund eines Vergleichs einen Betrag von 5.000 DM. Daraufhin erhob der Kläger erneut Klage auf Zahlung von 10.000 DM nebst Zinsen. Das Amtsgericht hat diese Klage unter Hinweis auf die rechtskräftige Entscheidung des Vorprozesses als unzulässig abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Mit ihrer - zugelassenen - Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.

I.


Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:
Die Klage sei zulässig, weil die Rechtskraft des Versäumnisurteils vom 29. Juni 1998 einer erneuten Klage auf Rückzahlung des Darlehens nicht entgegenstehe. Der Kläger habe nämlich mit der zwischenzeitlich eingetretenen Fälligkeit seiner Forderung eine neue Tatsache eingeführt, die geeignet sei, die rechtskräftig festgestellte Rechtslage zu seinen Gunsten zu verändern. Für kontradiktorische Urteile, in denen eine Klage wegen fehlender Fälligkeit abgewiesen worden sei, sei allgemein anerkannt , daß deren Rechtskraft einer neuen Klage nach Eintritt der Fälligkeit nicht entgegenstehe. Entgegen einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 35, 338), die berechtigte Kritik erfahren habe, könne aber auch bei einem gegen den Kläger ergangenen Versäumnisurteil die Rechtskraft der Entscheidung die Berücksichtigung neuer Tatsachen nicht ausschließen.
Die Klage sei auch begründet, weil die von der Beklagten am 1. Oktober 1995 unterzeichnete Erklärung ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis enthalte und die Beklagte daher mit ihren Einwendungen gegen Grund und Höhe des Rückzahlungsanspruchs ausgeschlossen sei. Die Anfechtung dieser Erklärung sei wirkungslos, weil der Beklagten kein Anfechtungsgrund zur Seite stehe. Die Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs ergebe sich aus der zwischenzeitlichen Zahlung des ehemaligen Vermieters der Beklagten.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist dem Amtsgericht darin zuzustimmen, daß die Rechtskraft des landgerichtlichen Versäumnisurteils vom 29. Juni 1998 der Zulässigkeit einer erneuten Klage auf Rückzahlung des Darlehens entgegensteht.
1. Im Vorprozeß ist der Streit der Parteien um den angeblichen Rückzahlungsanspruch des Klägers durch das genannte Versäumnisurteil beendet worden. Seit der Rechtskraft dieses Versäumnisurteils steht daher zwischen den Parteien rechtskräftig fest, daß dem Kläger der streitgegenständliche Darlehensrückzahlungsanspruch gegen die Beklagte nicht zusteht.
2. Eine Einschränkung dieser Rechtskraftwirkung dahin, daß mit dem Versäumnisurteil vom 29. Juni 1998 nur die Unbegründetheit der
Klageforderung zum damaligen Zeitpunkt rechtskräftig feststehe und dies die Zulässigkeit einer erneuten, auf neue Tatsachen gestützten gerichtlichen Geltendmachung derselben Forderung unberührt lasse, ist nicht möglich.

a) Die Rechtskraftwirkung eines Urteils, mit dem die Klage wegen Fehlens eines bestimmten Tatbestandsmerkmals (z.B. mangelnde Fälligkeit des Anspruchs) als - zur Zeit - unbegründet abgewiesen wird, kann zwar dahin eingeschränkt sein, daß sie der späteren klageweisen Geltendmachung desselben Anspruchs mit der Begründung, daß das bisher fehlende Tatbestandsmerkmal nunmehr gegeben sei, nicht entgegensteht. Das setzt aber stets voraus, daß die Auslegung des Vorurteils ergibt , daß die Klage gerade wegen des Fehlens des Tatbestandsmerkmals , dessen Vorliegen in dem neuen Prozeß dargetan werden soll, abgewiesen worden ist (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BGHZ 35, 338, 340 f.; BGH, Urteil vom 28. September 2000 - VII ZR 57/00, NJW-RR 2001, 310; jeweils m.w.Nachw.). Eine derartige Feststellung läßt sich indes bei einem die Klage abweisenden Versäumnisurteil nicht treffen. Bei Säumnis des Klägers wird die Klage nicht auf Schlüssigkeit und Begründetheit geprüft, sondern ihre Abweisung erfolgt nach der gesetzlichen Regelung des § 330 ZPO (gegebenenfalls i.V. mit § 333 ZPO) allein aufgrund der Säumnis des Klägers mit der Wirkung, daß er mit seiner Klage schlechthin abgewiesen wird. Auf die Gründe des Klägers, das Versäumnisurteil gegen sich ergehen zu lassen, oder darauf, wie bei dem gegebenen Sach- und Streitstand im Falle eines kontradiktorischen Urteils die Entscheidung hätte lauten können oder müssen, kommt es dabei nicht an. Daher haben sowohl das Reichsgericht (RGZ 7, 395, 397 f.) als auch der Bundesgerichtshof (BGHZ 35, 338, 340 f.) es abge-
lehnt, die Rechtskraft eines klageabweisenden Versäumnisurteils in dem vom Berufungsgericht für richtig gehaltenen Sinne einzuschränken.

b) Dieser Rechtsprechung, die im juristischen Schrifttum neben Zustimmung (Johannsen LM ZPO § 330 Nr. 3; Zöller/Vollkommer, 23. Aufl. ZPO vor § 322 Rdn. 56; Blomeyer, Zivilprozeßrecht - Erkenntnisverfahren , 2. Aufl. S. 486; ebenso jedenfalls im Grundsatz MünchKomm-ZPO-Gottwald 2. Aufl. § 322 Rdn. 170) von mehreren Seiten auch Kritik (Zeuner JZ 1962, 497 f.; Dietrich ZZP 1971, 419 ff.; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 161 f.; Arens AcP 1973, 250, 264; Stein/Jonas/Leipold, 21. Aufl. ZPO § 322 Rdn. 253, 254; Musielak , 3. Aufl. ZPO § 322 Rdn. 54, 55; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht , 15. Aufl. S. 925) erfahren hat, schließt der erkennende Senat sich an. Die kritischen Stimmen, die hinsichtlich der Reichweite der von ihnen befürworteten Einschränkung der Rechtskraftwirkung von klageabweisenden Versäumnisurteilen weitgehend uneinig sind (vgl. z.B. einerseits Rosenberg/Schwab/Gottwald aaO m.w.Nachw. und andererseits Dietrich aaO S. 438), messen dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit nicht die ihm zukommende Bedeutung bei. Wer als Beklagter in einen Rechtsstreit verwickelt wurde, muß sich mit der Rechtskraft eines klageabweisenden Urteils grundsätzlich darauf verlassen können, wegen desselben Anspruchs nicht erneut vor Gericht gezogen zu werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur dann gerechtfertigt, wenn aus dem rechtskräftigen Urteil ersichtlich und damit auch für den obsiegenden Beklagten erkennbar ist, daß die Klage allein deshalb abgewiesen wurde, weil ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal (z.B. die Fälligkeit des Anspruchs) nicht vorlag, das später jedoch noch eintreten kann. Ein klageabweisendes Versäumnisurteil, das allein auf der Säumnis des Klä-
gers beruht und keine Begründung zur Sache enthält, erfüllt diese Voraussetzung für eine Einschränkung seiner Rechtskraftwirkungen nicht. Bei solchen Urteilen würde die Rechtskraftwirkung für die Beklagten entscheidend entwertet, wenn sie damit rechnen müßten, aus Gründen, die aus dem Urteil nicht ersichtlich sind, erneut wegen desselben Anspruchs in einen Rechtsstreit verwickelt zu werden.
Der erkennende Senat verkennt nicht, daß die von ihm für richtig gehaltene uneingeschränkte Rechtskraftwirkung klageabweisender Versäumnisurteile für einen Kläger, dessen Anspruch materiell-rechtlich nur ein vorübergehendes Hindernis (z.B. mangelnde Fälligkeit) entgegensteht , eine gewisse Härte mit sich bringen kann. Diese Härte wird jedoch durch die Einspruchsmöglichkeit des § 338 ZPO gemildert (Blomeyer aaO). Einem Kläger, der den eingeklagten Anspruch nicht endgültig verloren geben will, ist es zuzumuten, gegen ein etwa ergangenes Versäumnisurteil Einspruch einzulegen.

c) Im vorliegenden Fall steht daher die Rechtskraft des landgerichtlichen Versäumnisurteils vom 29. Juni 1998 der Zulässigkeit der Klage entgegen. Daran ändert es nichts, daß dieses Urteil ein Berufungsurteil war, mit dem die Berufung des Klägers gegen ein klageabweisendes kontradiktorisches Urteil des Amtsgerichts zurückgewiesen wurde. Da über das Schicksal der Klage im Vorprozeß erst durch das landgerichtliche Versäumnisurteil rechtskräftig entschieden wurde, kann auf die Gründe des amtsgerichtlichen Urteils nicht zurückgegriffen werden.

III.


Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Nobbe Bungeroth Joeres
Mayen Appl

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 17. Dez. 2002 - XI ZR 90/02

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 17. Dez. 2002 - XI ZR 90/02

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 562 Aufhebung des angefochtenen Urteils


(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 322 Materielle Rechtskraft


(1) Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist. (2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, da

Zivilprozessordnung - ZPO | § 338 Einspruch


Der Partei, gegen die ein Versäumnisurteil erlassen ist, steht gegen das Urteil der Einspruch zu.
Bundesgerichtshof Urteil, 17. Dez. 2002 - XI ZR 90/02 zitiert 7 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 562 Aufhebung des angefochtenen Urteils


(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 322 Materielle Rechtskraft


(1) Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist. (2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, da

Zivilprozessordnung - ZPO | § 338 Einspruch


Der Partei, gegen die ein Versäumnisurteil erlassen ist, steht gegen das Urteil der Einspruch zu.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 330 Versäumnisurteil gegen den Kläger


Erscheint der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht, so ist auf Antrag das Versäumnisurteil dahin zu erlassen, dass der Kläger mit der Klage abzuweisen sei.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 333 Nichtverhandeln der erschienenen Partei


Als nicht erschienen ist auch die Partei anzusehen, die in dem Termin zwar erscheint, aber nicht verhandelt.

Referenzen - Urteile

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Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil, 26. Mai 2016 - 5 Sa 472/15

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Tenor 1. Die Restitutionsklage wird verworfen. 2. Die Kosten des Restitutionsrechtsstreits trägt die Restitutionsklägerin. 3. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Die Restitutions-Klägerin (künftig: Beklagte) greif

Referenzen

(1) Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist.

(2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig.

Erscheint der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht, so ist auf Antrag das Versäumnisurteil dahin zu erlassen, dass der Kläger mit der Klage abzuweisen sei.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 57/00 Verkündet am:
28. September 2000
Heinzelmann,
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Hat der Architekt seine Honorarklage im Vorprozeß auf eine wegen fehlender
Schriftform unwirksame Pauschalpreisvereinbarung gestützt und verlangt er im Folgeprozeß
das nach der HOAI zulässige Mindesthonorar, handelt es sich um denselben
Streitgegenstand.
Hat das Gericht im Vorprozeß die Honorarklage abgewiesen, weil die Pauschalpreisvereinbarung
unwirksam und der Anspruch auf Honorar nach Mindestsätzen
wegen fehlender Darlegung der anrechenbaren Kosten nicht "schlüssig" sei, ergibt
die Auslegung der Urteilsgründe regelmäßig, daß die Klage als derzeit unbegründet
abgewiesen worden ist.
BGH, Urteil vom 28. September 2000 - VII ZR 57/00 - OLG Frankfurt am Main
LG Limburg
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. September 2000 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann
und die Richter Hausmann, Dr. Wiebel, Dr. Kuffer und Dr. Kniffka

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 12. Januar 2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von den Beklagten Architektenhonorar. Er erbrachte Architektenleistungen für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses. Die Beklagten sollten dafür nach mündlicher Verhandlung einen Pauschalpreis von 83.000 DM bezahlen, den der Kläger in einem von den Beklagten "akzeptierten" Auftragsschreiben bestätigt hatte. Der Kläger verlangte in einem Vorprozeß eine auf der Basis dieser Pauschalpreisabrede und unter Berücksichtigung erfolgter Teilzahlungen berechnete Restforderung von
54.720 DM. Diese Klage wurde durch Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 12. Mai 1995 rechtskräftig abgewiesen. Die Klageabweisung war damit begründet worden, daß die Pauschalpreisvereinbarung wegen fehlender Schriftform unwirksam sei, so daß der Kläger nur die Mindestsätze der HOAI verlangen könne. Deren Ermittlung sei mangels Kenntnis der hierfür maßgebenden Kosten nicht möglich. Der Klageanspruch sei damit "in vollem Umfang nicht schlüssig". Der Kläger erstellte danach eine Honorarschlußrechnung nach Mindestsätzen über netto 93.208,90 DM und verlangt als Teilbetrag 54.720 DM. Nach Abzug von Gegenforderungen aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen begehrt er von den Beklagten noch 47.357,39 DM zuzüglich Zinsen. Die Beklagten haben sich in erster Linie damit verteidigt, daß über die Klageforderung bereits rechtskräftig entschieden sei. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat, soweit die Forderung Gegenstand des Berufungsverfahrens war, die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zu der Frage der Rechtskraft der Vorentscheidung zugelassene Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Honorarforderung des Klägers in Höhe des im Vorprozeß rechtshängig gewesenen Betrages von 54.720 DM sei rechtskräftig abgewiesen. Es handle sich nicht um einen anderen Streitgegenstand , weil der Kläger aus demselben Vertragsverhältnis für die nämlichen, von ihm erbrachten Architektenleistungen Vergütung verlange. Die Auslegung des Urteils im Vorprozeß, dessen Rechtskraft unabhängig von der materiellen Richtigkeit der Entscheidung zu bestimmen sei, ergebe, daß die Honorarforderung des Klägers in Höhe von 54.720 DM endgültig abgewiesen worden sei. Der Klageanspruch sei als "in vollem Umfang unschlüssig" angesehen worden. Dem Urteil lasse sich nicht entnehmen, daß die Klage wegen fehlender prüffähiger Schlußrechnung als derzeit unbegründet abgewiesen worden sei.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung teilweise nicht stand. Das Berufungsgericht durfte die Klage nicht wegen des Einwandes der Rechtskraft der Vorentscheidung abweisen.
Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß die Klage des Vorprozesses und die Klage im anhängigen Prozeß denselben Streitgegenstand betreffen (1). Unrichtig ist indes seine Auslegung, die frühere Klage sei nicht als derzeit, sondern als endgültig unbegründet abgewiesen worden (2). 1. Gegenstand eines Rechtsstreits ist der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgenbehauptung aufgefaßte eigenständige prozessuale Anspruch. Dieser wird bestimmt durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt , aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. Der Klagegrund geht über die Tatsachen hinaus, welche die Tatbestandsmerkmale einer Rechtsgrundlage ausfüllen. Zu ihm sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag des Klägers zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht zu unterbreiten hat (BGH, Urteile vom 11. Juli 1996 - III ZR 133/95, NJW 1996, 3151 = BGHR ZPO § 322 Abs. 1, Streitgegenstand 1; vom 19. Dezember 1991 - IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1). Danach betreffen die beiden Honorarklagen denselben Streitgegenstand. Der Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger seinen Anspruch herleitet, ist der Architektenvertrag über die Errichtung eines Mehrfamilienhauses. Der Honoraranspruch ergibt sich gemäß § 631 Abs. 1 BGB aus der Vergütungsvereinbarung. Dadurch, daß die HOAI bei einer gemäß § 4 Abs. 4 unwirksamen Vergütungsvereinbarung dem Architekten einen Anspruch auf Honorar nach den Mindestsätzen einräumt, ändert sich der Lebenssachverhalt nicht. 2. Die Revision rügt zu Recht, daß das Berufungsgericht den Umfang der Rechtskraft der Vorentscheidung verkannt hat.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 27. Oktober 1994 - VII ZR 217/93, BGHZ 127, 254, 259 m.w.N.) ist die Honorarklage eines Architekten als zur Zeit unbegründet abzuweisen, wenn die Klageabweisung auf das Fehlen einer prüffähigen Schlußrechnung und damit auf fehlende Fälligkeit gestützt wird. Unschädlich ist, wenn dies nicht im Tenor zum Ausdruck gebracht wird, sondern sich erst in Auslegung der Urteilsgründe erschließt. Der Senat hat dementsprechend klargestellt, daß eine Klage als derzeit unbegründet abgewiesen worden ist, nachdem er durch Auslegung der Urteilsgründe zu dem Ergebnis gelangt war, daß die Klage vom Berufungsgericht wegen Fehlens einer prüfbaren Schlußrechnung abgewiesen worden war (Urteil vom 28. Oktober 1999 - VII ZR 326/98, BauR 2000, 430 = ZfBR 2000, 118 = NJW 2000, 653).
b) Die Entscheidungsgründe des Ersturteils, aus denen sich Tragweite und Gegenstand des klageabweisenden Urteils ergeben (vgl. BGH, Urteile vom 2. Dezember 1981 - IV b ZR 638/80, BGHZ 82, 246, 254; vom 18. November 1993 - IX ZR 244, 92, BGHZ 124, 164, 166; Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Aufl. vor § 322 Rdn. 31 m.w.N.), sind dahingehend zu verstehen, daß die Klage im Vorprozeß nicht als unbegründet, sondern als derzeit unbegründet abgewiesen worden ist. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in seiner Entscheidung vom 12. Mai 1995 die Klage deswegen abgewiesen, weil es für die Abrechnung nach den Mindestsätzen an der Darstellung der maßgeblichen anrechenbaren Kosten fehle und der Klageanspruch "in vollem Umfang unschlüssig" sei. Damit ist über die Prüfbarkeit der Honorarrechnung und folglich über die Fälligkeit der Honorarforderung entschieden worden. Die Prüfung der Fälligkeit ist nur ein Teil der Schlüssigkeitsprüfung. Der Kläger war nicht gehindert, die Fälligkeit
durch nachträgliche Erstellung einer prüffähigen Schlußrechnung herbeizuführen.
Ullmann Hausmann Wiebel Kuffer Kniffka

Erscheint der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht, so ist auf Antrag das Versäumnisurteil dahin zu erlassen, dass der Kläger mit der Klage abzuweisen sei.

Als nicht erschienen ist auch die Partei anzusehen, die in dem Termin zwar erscheint, aber nicht verhandelt.

Erscheint der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht, so ist auf Antrag das Versäumnisurteil dahin zu erlassen, dass der Kläger mit der Klage abzuweisen sei.

Der Partei, gegen die ein Versäumnisurteil erlassen ist, steht gegen das Urteil der Einspruch zu.

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.